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German Pages 366 Year 1979
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 34
Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen Logische Studien zum Verhältnis von Tatbestand und Handlung
Von
Prof. Dr. Ingeborg Puppe
Duncker & Humblot · Berlin
INGEBORG
PUPPE
Idealkonkurrenz u n d Einzelverbrechen
Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser ord. Professor der Rechte an der Universität Hamburg
I n Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 34
Idealkonkurrenz u n d Einzelverbrechen Logische Studien zum Verhältnis von Tatbestand und Handlung
Von Prof. Dr. Ingeborg Puppe
DUNCKER
&
H U M B L O T / B E R L I N
I n die Reihe aufgenommen von Prof. Dr. Eberhard Schmidhäuser, Hamburg Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der juristischen Fakultät der Universität Heidelberg gedruckt m i t Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Alle Rechte vorbehalten © 1979 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1979 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04367 7
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
19 I . Das Strafgesetz als extensionaler und intensionaler Kontext
1. Die Ausgangsfrage
22
2. Einheits- u n d Mehrheitstheorie
27
3. Die Handlung als I n d i v i d u u m i n einer Strafrechtssprache
37
4. Die Extensionen u n d Intensionen der Tatbestände i m K o n t e x t der Konkurrenzregeln
43
5. Extensionen u n d Intensionen der Strafgesetze i m K o n t e x t der Strafzumessung
53
I I . Die Spezifikation der Strafnorm durch Ausfüllung der tatbestandlichen Normfunktion 1. Z u m Verhältnis von Gattungs- u n d Artbegriffen
77
2. Exkurs: Z u m Verhältnis von Klassen- u n d Ordnungsbegriffen
84
3. Die Bestimmung des Wertebereichs der einzelnen Variablen als Tatbestandsauslegung
97
4. Formale Eigenschaften der tatbestandlichen Satzfunktion u n d ihrer Variablen 108 5. Die inhaltliche Bindung der Strafzumessung i m K o n t e x t der tatbestandlichen Satzfunktion 117 6. Die Ausfüllung der tatbestandlichen Satzfunktion u n d das Doppelverwertungsverbot 122
I I I . Die Konzeption der Idealkonkurrenz 1. Die Bedeutung der bisherigen Untersuchungsergebnisse f ü r eine K o n zeption der Idealkonkurrenz 125
6
Inhaltsverzeichnis
2. Die einmalige „Auflehnung gegen die Rechtsordnung" als G r u n d der Einheit der Strafe bei Tateinheit 145 3. Psychische Merkmale, insbesondere Gesinnungsmerkmale, als einheitsbegründende Strafzumessungsgesichtspunkte 151 4. Unrechtsmerkmale als einheitsbegründende Strafzumessungselemente 170 5. Das Problem der intensionalen Teilidentität von Tatbeständen oder Strafzumessungsgründen 185 6. Die Teilidentität von Handlungskomplexen u n d das Problem der sog. Klammerwirkung 199 7. Unsere Konzeption der Idealkonkurrenz k o m m t ohne einen allgemeinen Begriff des Handlungsindividuums aus 219
I V . Die Konstitution des Einzelverbrechens 1. Die Konstitution eines konkreten BegehungsVerbrechens, das n u r unter einen Tatbestand fällt 231 2. Der Handlungsbegriff der allgemeinen Handlungslehren als Ausgangsp u n k t der Konstitution des Einzelverbrechens 243 3. Die einzelne Körperbewegung, die Willensbetätigung oder der Ausführungsakt als Grundgegenstand 247 4. Die sog. „natürliche Handlungseinheit" als Konstitutionselement des Einzelverbrechens 255 5. Die Bewegungsgleichheit verschiedener u n d die „ F o r m e l des R G "
Tatbestandsverwirklichungen
6. Die Konstitution des einzelnen tatbestandsmäßigen unrechts
Unterlassungs-
263
270
7. E i n zeitlich bestimmter Ausschnitt aus dem Leben des Täters als Grundgegenstand 282
V. Ergebnisse 1. Die K o n s t i t u t i o n eines Einzelverbrechens, das n u r einen Tatbestand erfüllt 296 2. Die Konstitution eines Einzelverbrechens, das mehrere Tatbestände erfüllt 302
Inhaltsverzeichnis
7
V I . Die Konsequenzen unserer Konzeption der Idealkonkurrenz für die Bestimmung der Gesetzeskonkurrenz 1. Z u r Abgrenzung von Ideal- u n d Gesetzeskonkurrenz i m allgemeinen 313 2. Die Konsumtion
322
3. Die Subsidiarität
327
4. Die E x k l u s i v i t ä t
343
5. Ergebnis
355
Literaturverzeichnis
358
Einleitung Die gesetzliche Regelung der Ideal- und Realkonkurrenz von Strafgesetzen ist aus der umfassenden Reform des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches fast unverändert hervorgegangen. Der heutige § 52 deckt sich bis auf die ausdrückliche Erwähnung der sog. gleichartigen Idealkonkurrenz und das Verbot der Unterschreitung der Mindeststrafen noch m i t dem § 73 des StGB von 1871. Dabei ist diese Regelung, insbesondere die Differenzierung zwischen Handlungseinheit und Handlungsmehrheit seit ihrem Bestehen schwersten Angriffen von Seiten der Strafrechtswissenschaft ausgesetzt gewesen1. Es wurden beide Möglichkeiten zur Beseitigung dieser Unterscheidung vertreten, sowohl die sog. Einheitsstrafe, die die Behandlung der Realkonkurrenz an die der Idealkonkurrenz angleicht 2 , als auch die Ausdehnung der Regelung der Realkonkurrenz, also der Gesamtstrafenbildung auf die Handlungseinheit 3 . I n der jüngsten Reformdiskussion gab es eine starke Tendenz zur Einheitsstrafe 4 . Dagegen wurde es allgemein für ausgeschlossen gehalten, für Gesetzesverletzungen, die „durch eine Handlung" begangen worden sind, gesonderte Einsatzstrafen zu bemessen, weil man sonst — so lautete die in mehreren Beiträgen wörtlich übereinstimmende Formulierung — „untrennbar Zusammengehöriges auseinanderreißen" müßte 5 . Auch in der neueren Literatur, i n Lehrbüchern und Kommentaren ebenso wie i n Spezialuntersuchungen, w i r d die Frage, warum mehrere Tatbestandsverwirklichungen „durch eine Handlung" nicht gesondert 1 So von Binding H d B S. 571 ff., Hälschner L B . Bd. 1 S. 672, Habermaas S. 80, Finger L B Bd. 1 S. 366 f., Coenders S. 22 ff., Lobe GS 93 S. 125, H. Mayer A T 1953 S. 414, Honig Studien S. 57 f. und GS 92 S. 117 f., Geerds S. 432 ff., Niese Materialien Bd. 1 S. 155 ff., Jescheck ZStW 67 S. 543 ff., u m n u r einige der wichtigsten Stimmen zu nennen. 2 So Honig Studien S. 57 f. u n d GS 92 S. 117, Geerds S. 432 ff., Jescheck ZStW 67 S. 543 f., Niese Materialien Bd. 1 S. 159 ff. und die Reformentwürfe seit E 25 m i t Ausnahme des E 62, auch der sog. AE. 3 So Binding H d B S. 571, Lobe GS 93 S. 125 ff., H. Mayer A T 1953 S. 414, Coenders S. 44 f., i m Ergebnis auch Beling GS 93 S. 133 ff. 4 Vgl. die Gutachten von Niese Materialien Bd. 1 S. 155 ff., Jescheck ZStW 67 S. 529 ff., die Vorschläge der Sachbearbeiter des B J M i n Niederschriften Bd. 2 Anhang S. 191 ff. und die Diskussion der großen Strafrechtskommission Niederschriften Bd. 2 S. 314 ff., auch § 64 A E m i t Begründung S. 123 f. 5 Vgl. Niese a.a.O. S. 159, Vorschläge der Sachbearbeiter des B J M a.a.O. S. 193, Voll Niederschriften Bd. 2 Anhang S. 172, ähnlich auch Jescheck S. 542.
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Einleitung
beurteilt werden können, nicht mehr aufgeworfen. Aber einige ausländische Rechte sehen eben dies Verfahren der Strafzumessung grundsätzlich vor 6 . Es scheint danach, daß sich die Einwendungen eines Binding, Finger oder Lobe 7 gegen die Zusammenfassung verschiedener Rechtsverletzungen zu einer Bewertungseinheit aufgrund einer „Handlungseinheit" erledigt hätten. Aber der Schein trügt. Daß eine Erweiterung der Gesamtstrafenbildung nicht mehr i n Erwägung gezogen wird, liegt an der Unbequemlichkeit dieses Verfahrens und an der allgemeinen Tendenz zur Einheitsstrafe, die einer solchen Lösung entgegengesetzt ist. M i t jenen Angriffen gegen einen Begriff der Handlungseinheit, der unabhängig von den Tatbeständen bestimmt ist und daher ohne weiteres verschiedene Tatbestandsverwirklichungen zusammenfassen kann, ist die Strafrechtsdogmatik bis heute nicht fertig geworden, und es ist wohl auf jenen Trend zur Einheitsstrafe zurückzuführen, daß sie sich ihnen erst gar nicht mehr ernsthaft stellt. Aber dieser Mangel an theoretischer Erklärung der Institution der Idealkonkurrenz rächt sich durch die allgemein bekannte und viel beklagte Unsicherheit ihrer Anwendung, die gerade diejenigen, die sich intensiv m i t deren Einzelfragen beschäftigt haben, oft zur Forderung nach der Einheitsstrafe veranlaßt hat 8 . Andererseits hat die große Strafrechtskommission sich letztlich deshalb gegen die Einheitsstrafe entschieden, weil die Mehrheit der Mitglieder überzeugt war, den Unterschied zwischen Handlungseinheit und Handlungsmehrheit und seine Bedeutung für die strafrechtliche Beurteilung des Täterverhaltens doch nicht beseitigen zu können, den Richter also letztlich auch nicht von der Aufgabe entlasten zu können, diese schwierige Unterscheidung zu treffen, auch wenn er sie nicht i m Urteilstenor ausdrükken muß 9 . Dies ist auch richtig, solange w i r die Strafe an eine „Tat" anknüpfen. Für ein Erziehungsstraf recht wie das Jugendstraf recht ist die „Einheitsstrafe" die einzig angemessene Form des Strafausspruchs. Aber solange w i r i m Erwachsenenstrafrecht nach § 46 StGB das Maß der Strafe von einer Tatschuld abhängig machen und es auch m i t dieser begründen, stehen w i r in jedem einzelnen Strafprozeß vor der A u f 6 Vgl. Stöcker Materialien Bd. 2 S. 452 f. und S. 458 f., Geerds S. 81 ff., S. 96 f. und S. 106 ff. 7 Vgl. die Nachweise i n Fußnote 1. 8 Vgl. die Nachweise i n Fußnote 2. 9 Vgl. das Gutachten von Voll S. 165, Stellungnahme des Strafrechtsausschusses der deutschen Rechtsanwaltskammern Niederschriften Bd. 2 Anhang S. 183, die Diskussion der großen Strafrechtskommission i n Niederschriften Bd. 2 S. 314 ff., die Begründung zum E 62 S. 190.
Einleitung
gäbe, zu bestimmen, was eine Tat ist und was mehrere, ob das Ergebnis dieser Entscheidung nun in Einzelstrafen ausgedrückt w i r d oder nicht. Daran ändert auch die Möglichkeit nichts, alle von einem Täter in einer bestimmten Zeit (z. B. zwischen zwei Verurteilungen) verübten Gesetzesverletzungen zu einem „Inbegriff von Straftaten" zusammenzufassen 10 . Es soll unten 1 1 gezeigt werden, daß die Bildung solcher Inbegriffe als Gegenstände strafrechtlicher Beurteilung unweigerlich, weil m i t logischer Notwendigkeit, dazu führt, den Täter selbst m i t seiner gesamten Persönlichkeit zum Beurteilungsgegenstand des Richters zu machen und zwar faktisch ohne Einschränkung. Denn es ist allein die Identität des Täters und seiner Charaktereigenschaften, die jenes Konglomerat von u. U. rechtlich sehr verschiedenartigen und auch tatsächlich sonst nicht miteinander zusammenhängenden Gesetzesverletzungen zu einem „Inbegriff" verbindet. Soweit eine Schuld den Grund der sich daraus ergebenden einheitlichen Strafe bildet und ihr Maß bestimmt, ist das also letztlich mindestens auch, wenn nicht gar i n erster Linie, eine Persönlichkeits-, Charakter- und Lebensführungsschuld. Dem Täter werden nicht nur einzelne „Taten" zum V o r w u r f gemacht, die man voneinander abzugrenzen sich ja erspart, sondern die Charaktereigenschaften, Gesinnungen, Haltungen und die Lebensführung, aus denen all diese Taten hervorgegangen sind. M i t welcher Berechtigung könnte man die Taten sonst zu einem „Inbegriff" zusammenfassen, den allein der Richter als ein Ganzes beurteilen soll? Unbegrenzbar ist die Kompetenz des Richters zur Beurteilung der Täterpersönlichkeit und zur Veranschlagung aller ihrer Eigenschaften i n der Einheitsstrafe so lange, wie es dem Richter erspart wird, die einzelnen Verbrechen voneinander zu sondern. Denn wie sollte es möglich sein, einen Strafzumessungsgesichtspunkt als nicht m i t einem Verbrechen des Täters i n dem erforderlichen Zusammenhang stehend zurückzuweisen, solange unbestimmt bleibt, was ein einzelnes Verbrechen ist und durch welche Tatsachen es charakterisiert wird? Wenn die Strafrechtswissenschaft aber vor der Aufgabe kapituliert, die Verbrechen zu zählen, und deshalb die Einheitsstrafe fordert, so bedeutet das, daß sie dem Richter nicht sagen kann, was ein Verbrechen ist, denn zählen können die Strafrechtler doch. Die einfachste Lösung wäre, i. S. der Mehrheitstheorie die einzelne Tatbestandsverwirklichung als das Einzelverbrechen und als die Tat i. S. des Tatschuldprinzips aufzufassen. Man müßte dann annehmen, daß die verschiedenen Tatbestands Verwirklichungen eindeutig voneinander 10 Von einem solchen Inbegriff der Straftaten eines Täters, der nicht m i t deren Summe identisch sein soll, spricht insbesondere Niese S. 160, aber auch schon Beling GS 93 S. 131. 11 s. K a p i t e l I I I 3 u n d dort insbesondere Fußnoten 21 und 22.
12
Einleitung
zu trennen sind, auch wenn sie „durch eine Handlung" geschehen sind. Aber m i t welchem Recht faßt man sie dann für die Strafzumessung von vornherein zu einem Inbegriff zusammen, wenn die einzelnen Verbrechen und nicht die Täterpersönlichkeit Gegenstand des Schuldvorwurfs und auch der Strafzumessung sind soweit sie schuldabhängig ist? I n der Unvereinbarkeit einer echten Einheitsstrafe — d. h. einer Einheitsstrafe, die unmittelbar aus einer Beurteilung des Inbegriffs aller Taten eines Täters (die er zwischen zwei Verurteilungen begangen hat) resultiert, der also auch nicht implizit Einzelbeurteilungen oder gar Einsatzstrafen für die einzelnen Verbrechen zugrundeliegen — m i t dem Tatschuldprinzip hat auch das Dilemma seinen Grund, das bei der Bemessung des Strafrahmens der Einheitsstrafe entsteht, sobald mehrere Delikte vorliegen. Bestimmt man diesen Strafrahmen i n Abhängigkeit von den Strafrahmen der einzelnen verletzten Gesetze, so kommt man zu einem allenfalls abgeschwächten Kumulationsverfahren und damit oft zu einem praktisch unbegrenzten Strafrahmen. Bestimmt man den Rahmen durch eine quotenmäßige Erhöhung der Höchststrafe des strengsten der anwendbaren Gesetze, etwa auf das Doppelte oder das Anderthalbfache, wie dies die Verfechter der Einheitsstrafe heute vorschlagen, so ist er allein von diesem strengsten Gesetz abhängig, ohne daß Gewicht und Zahl der übrigen Gesetzes Verletzungen auf ihn irgendwelchen Einfluß hätten. Jede gesetzlich bestimmte Höchststrafe würde danach nur unter der Bedingung von Bedeutung für den Strafrahmen sein, aus dem i m Einzelfall eine Strafe zu entnehmen ist, wenn das Gesetz als einziges oder doch als strengstes vom Täter überhaupt oder seit seiner letzten Verurteilung übertreten worden ist. Die Erwartung, daß der Richter das Gewicht der einzelnen Verbrechen trotzdem richtig und m i t den nötigen Differenzierungen i n der Strafzumessung zur Geltung bringen werde und daß ihm die Erhöhungsquote von 1 oder V2 immer genügend Raum dazu lasse, ändert nichts daran, daß diese Ermittlung des gültigen Strafrahmens m i t den gesetzlichen Strafdrohungen der anwendbaren Tatbestände nichts mehr zu tun hat m i t Ausnahme eines einzigen von ihnen, des strengsten. Auch die Annahme, daß das Anderthalbfache oder das Doppelte der Höchststrafe des strengsten Gesetzes immer ausreichen werde, die übrigen Gesetzesverletzungen angemessen zu berücksichtigen, gleichgültig, wie groß ihre Zahl und ihr Gewicht ist (solange nur keine unter ihnen ist, die m i t schwererer Strafe bedroht ist als das als strengstes zugrundegelegte Gesetz — gleichschwer Bedrohte dürfen beliebig viele darunter sein), ist nicht zu begründen und w i r d auch nirgends näher zu begründen versucht. Aber i n gleicher Weise wäre jede andere Festsetzung einer Erhöhungsquote rein willkürlich.
Einleitung
Es zeigt sich also, daß eine echte Einheitsstrafe unvereinbar ist m i t gesetzlichen Bestimmungen von Höchststrafen, die von den einzelnen Tatbeständen abhängig gemacht werden. Nur sehr allgemeine und daher sehr weit gezogene Strafobergrenzen, etwa gesondert für alle Vergehen und alle Verbrechen, könnten i n einer Einheitsstrafenbildung sinnvoll verarbeitet werden. A l l das gilt, wie gesagt, nur für eine echte Einheitsstrafbemessung, die unmittelbar von dem Inbegriff aller Taten eines Täters ausgeht. Die Frage, ob die Einheitsstrafe als Form des Strafausspruchs der Gesamtstrafe vorzuziehen wäre, etwa w e i l sie spezialpräventive und damit persönlichkeitsbezogene Strafzumessungsgesichtspunkte angemessener berücksichtigen könnte als eine Gesamtstrafenbildung, kann hier dahingestellt bleiben. Sobald man den Richter, wie dies das Tatschuldprinzip erfordert, dazu verpflichtet, sich die einzelnen „Taten" des Angeklagten zu vergegenwärtigen und ihren Unrechts- und Schuldgehalt i n seiner Strafzumessung zu würdigen, reduziert sich der Unterschied zwischen Einheitsstrafe und Gesamtstrafe darauf, daß der Richter das Ergebnis dieser Würdigung bei Verhängung einer Einheitsstrafe nicht i n Einsatzstrafen auszudrücken braucht, sondern nur i n den Strafzumessungsgründen darzulegen hat. Die Einführung der Einheitsstrafe ist also nicht das Patentrezept, das dem Richter die Feststellung und Abgrenzung des einzelnen Verbrechens ersparen könnte. Erst die konsequente Beseitigung der Tatschuld aus der Strafzumessung als deren mitbestimmender oder auch nur begrenzender Faktor würde ihn dieser Notwendigkeit entheben. Damit bleibt auch die Strafrechtswissenschaft vor die Aufgabe gestellt, dem Richter entweder eine allgemeine Bestimmung des Verbrechens an die Hand zu geben oder doch Regeln und Richtlinien, nach denen er i m Einzelfall ein Verbrechen konstituieren kann. Von der Lösung dieser Aufgabe w i r d es auch abhängen, ob und wie die nach wie vor geltende Differenzierung zwischen Ideal- und Realkonkurrenz zu erklären und sinnvoll zu handhaben ist. Wie gesagt, ist heute unbestritten, daß eine gesonderte Beurteilung der mehreren „durch eine Handlung" bewirkten Gesetzesverletzungen ausgeschlossen ist 1 2 . Dagegen ist streitig, ob ein allgemeiner, d. h. von den Tatbeständen unabhängig bestimmbarer Begriff der Handlung überhaupt zur Verfügung steht, der ohne weiteres unter verschiedene Tatbestände subsumiert werden kann. Auch diejenigen Autoren, nämlich die Vertreter der sog. Einheitstheorie, die von einem solchen allgemeinen Begriff der Einzelhandlung ausgehen, geben keine allgemeine Definition oder auch nur Explikation der Einzelhandlung, sondern nur 12
s. die Nachweise i n Fußnote 5.
14
Einleitung
Beispiele für sie, wie einen Schuß, einen Steinwurf, einen Beischlaf usw. 13 . Auf die Frage, was denn die Steinwurfeinheit oder die Beischlafeinheit so unzerstörbar mache und woraus sich die Verbindlichkeit dieser Einheitsbegriffe für die strafrechtliche Beurteilung ergibt, findet man i n der neueren Literatur der Einheitstheorie nicht viel mehr als die Berufung auf eine „natürliche Betrachtungsweise". Aber eine Betrachtungsweise, die bei der Bildung ihrer Einheiten gerade von den Gesichtspunkten absieht, die für die folgende Beurteilung maßgebend sind, nämlich von den erfüllten Tatbeständen und ihren Merkmalen, kann Anspruch auf das Prädikat „natürlich" nur dann machen, wenn sie Einheiten aufzeigen kann, die für jegliche Beurteilung von Natur aus allgemein verbindlich vorgegeben sind. I n der Tat beruht die Einheitstheorie und, wie w i r noch sehen werden, letztlich auch die Interpretation und Handhabung des § 52 durch ihre erklärten Gegner, auf einer solchen naturalistischen Grundvorstellung. Sie setzt voraus, daß uns die Wirklichkeit von vornherein i n Einzelindividuen, Beziehungen und Tatsachen vorgegeben sei, die w i r dann nur noch nach unseren jeweiligen Bedürfnissen zu klassifizieren und zu ordnen hätten wie die Schüler ihre Elementaplättchen, die aber, wie w i r sie auch klassifizieren und ordnen und unter welchen Gesichtspunkten w i r sie auch betrachten mögen, als die vorgegebenen wirklichen Gegenstände immer dieselben bleiben, genau wie die besagten Elementaplättchen innerhalb der m i t ihnen durchzuführenden Übungsaufgaben. Deshalb t r i f f t die Gegner dieser Anschauung, die die vorgeschlagenen Einheiten wie Steinwurf oder Beischlaf nicht ohne weiteres akzeptieren und nach deren Legitimation fragen, der Vorwurf der Wirklichkeitsblindheit und lebensfremder Abstraktion 1 4 . Auf matik gegen griffs
diesem wissenschaftstheoretischen Stand befindet sich die Dogder Idealkonkurrenz bis heute. Es fehlt zwar nicht an Stimmen die Legitimität eines tatbestandsunabhängig bestimmten Beder Einzelhandlung 15 , aber selbst diese Autoren sahen sich
13 Selbst Liszt bestreitet seine Polemik gegen Binding (vgl. Aufsätze Bd. 1 S. 213 ff.), i n der er über dessen gesamte Normentheorie „den Stab gebrochen" sieht (S. 246), w e i l Binding keinen der juristischen Beurteilung von Natur aus vorgegebenen Begriff der Handlung anerkennt, ausschließlich m i t dem Beispiel v o m Beischlaf m i t der verheirateten Tochter. Z u r Frage, was eine natürliche Handlung ist und durch welche Bestimmungsstücke sie i m Einzelfall zu konstituieren ist, erfährt man von i h m nur, daß sie eine Körperbewegung ist (S. 242) u n d daß jedenfalls ein Beischlaf eine solche aller Beurteilung von Natur aus vorgegebene Handlungseinheit ist (S. 245), deren mehrfache Beurteilung unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen die L o g i k (vgl. S. 245) und deren Aufspaltung i n verschiedene Handlungen gegen „die Forderungen des Lebens" (S. 246) verstoßen soll. 14 A m deutlichsten Liszt Aufsätze Bd. 1 S. 213 ff. So Honig Studien S. 31, Geerds S. 245, Maiwald Handlungseinheit S. 67, Otter S. 187, Jescheck A T § 66 I 2, Schmidhäuser A T 18/49, Fußnote 30, Welzel L B § 29 11.
Einleitung
schließlich zu einer A r t De-facto-Anerkennung des von ihnen bekämpften vortatbestandlichen Handlungsbegriffs gezwungen. Denn wenn man die Einzelhandlung als Gegenstand strafrechtlicher Beurteilung in Abhängigkeit von den Tatbeständen bestimmt, sieht man sich durch § 52 vor die Frage gestellt, ob und unter welchen Bedingungen durch eine so bestimmte Einzelhandlung überhaupt mehrere Tatbestände verwirklicht und damit die Voraussetzungen erfüllt sein können, unter denen § 52 eine einheitliche Strafzumessung trotz Mehrheit der anwendbaren Tatbestände anordnet. Die Lösung dieses Dilemmas glaubt man heute allgemein i n der sog. Formel des RG 1 6 zu besitzen. Sie besagt, daß Idealkonkurrenz zwischen zwei Tatbestandsverwirklichungen besteht, wenn ihre Ausführungshandlungen ganz oder teilweise identisch sind. Diese Formel hat das RG selbst auf der Grundlage einer tatbestandsunabhängigen Handlungsbestimmung entwickelt, deren Möglichkeit und Legitimität weder das RG noch der B G H je ausdrücklich angezweifelt hat. Danach besagt die Formel nur, daß da, wo eine der Tatbestandsverwirklichungen oder beide aus mehreren „natürlichen Einzelhandlungen" bestehen, Idealkonkurrenz schon dann vorliegt, wenn auch nur eine einzige dieser Handlungen zu der Erfüllung beider Tatbestände beiträgt. Diese Formel w i r d heute allgemein, auch von den Gegnern einer vortatbestandlichen „natürlichen Handlungseinheit", als eine jedenfalls sichere Methode zur Unterscheidung von Ideal- und Realkonkurrenz zwischen verschiedenartigen Tatbestandsverwirklichungen anerkannt 1 7 , angezweifelt w i r d nur die Angemessenheit ihrer Ergebnisse i n Einzelfällen. I n der Tat erscheint es angesichts der Tatsache, daß einzelne Tatbestandsverwirklichungen, etwa bei mehraktigen Delikten oder bei Fortsetzungszusammenhang, aus zahlreichen solchen „natürlichen Einzelhandlungen" bestehend gedacht werden, fragwürdig, wie die Identität einer einzigen dieser Handlungen eine untrennbare Zusammengehörigkeit zwischen mehreren solchen Tatbestandsverwirklichungen begründen können soll. Honig hat betont, daß eine solche Teilidentität der Ausführungshandlungen nicht einmal, wie Binding gegen sie einwendet, von der Geschicklichkeit, Routine oder gar Skrupellosigkeit des Täters abhängt 18 , sondern von Gegebenheiten, auf die der Täter iß Erstmalig aufgestellt i n R G 32, 137 (139) und heute für die Bestimmung von ungleichartiger Idealkonkurrenz bei Anhängern der Einheitstheorie wie der Mehrheitstheorie allgemein anerkannt u n d i n der Rechtsprechung ständig angewendet. 17 Vgl. Honig Studien S. 27 f., S. 32 ff., S. 57 u n d GS 92 S. 116, Geerds S. 275, Maiwald Handlungseinheit S. 100, Otter S. 192, Welzel L B § 301, Jescheck A T § 66 I I , Schmidhäuser A T 18/39. 18 Vgl. Binding HdB. S. 576.
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Einleitung
keinerlei Einfluß hat und die unter den Aspekten strafrechtlicher W ü r digung als rein zufällig und nebensächlich erscheinen 19 . Das hat ihn, wie viele nach ihm, zur Forderung der Einheitsstrafe veranlaßt. Dahinter scheint die Vorstellung zu stehen, daß es sehr w o h l einen prinzipiellen Unterschied zwischen Handlungseinheit und Handlungsmehrheit gibt, aber zwischen diesen beiden so viele und nahtlos ineinander übergehende Zwischenformen der teilweisen Handlungsgleichheit möglich sind, daß die Unterscheidung in der Praxis nicht i n sinnvoller Weise aufrechtzuerhalten ist. Hier macht die K r i t i k an der Formel halt, aber wenn eine Formel oder ein Verfahren zu Ergebnissen führt, die intuitiv als unsinnig oder unbillig empfunden werden, fragt sich, ob nicht von falschen Voraussetzungen ausgegangen w i r d und ob es nicht eine bessere Methode gibt, das Problem zu lösen. Die Anhänger einer tatbestandsapriorischen Bestimmung der Einzelhandlung können die Möglichkeit einer Teilidentität von Handlungskomplexen, die mehrere Tatbestände erfüllen, nicht beseitigen und müssen irgendwie m i t ihr fertig werden. A m konsequentesten wäre von ihrem Standpunkt aus die Anordnung einer Teilidentität auch der Strafen, die allerdings in der Reformdiskussion nie erwogen wurde. Aber wer an der Möglichkeit oder auch nur der Legitimität einer tatbestandsunabhängigen Bestimmung der Einzelhandlung als Gegenstand strafrechtlicher Beurteilung zweifelt, der muß auch die „Formel des RG" nicht ohne weiteres als die Lösung des Dilemmas akzeptieren, vor das ihn § 52 stellt. Er darf dies nicht einmal tun, denn wenn die einzig mögliche oder legitime Bestimmung der Handlung als Gegenstand strafrechtlicher Beurteilung eine tatbestandsorientierte ist, dann gibt es eben keine Einzelhandlungen schlechthin, sondern nur einzelne Diebstahlshandlungen, Tötungshandlungen, Beleidigungshandlungen u.s.f. durch den ganzen besonderen Teil des StGB hindurch. Aber wenn man keinen tatbestandsunabhängigen Handlungsbegriff zur Verfügung hat, wie und unter welchen Bedingungen soll dann z. B. ein Diebstahl und eine Körperverletzung „durch eine Handlung" oder teilweise durch „die gleiche Ausführungshandlung" begangen worden sein? Wenn die Gegner der Einheitstheorie, die m i t jener insoweit einig sind, als sie die Formel von der vollständigen oder teilweisen Identität der Ausführungsakte für eine dogmatisch sichere und einwandfreie Methode zur Bestimmung von Idealkonkurrenz halten, diese Frage nicht näher untersuchen, kann dies nur eine Erklärung haben: Sie anerkennen entgegen ihren allgemeinen Ausführungen doch von Natur aus allgemein verbindlich vorgegebene Einzelhandlungen als die kleinsten Gegenstände, aus denen sich jede Tatbestandsverwirklichung zui® Vgl. Honig Studien S. 42.
Einleitung
sammensetzen muß. I n Abhängigkeit von den Tatbeständen erfolgt nur jeweils eine Bestimmung eines Komplexes solcher Einzelhandlungen, die unter einem Tatbestand zu einer Einheit zusammengefaßt werden. Unter diesen Voraussetzungen hat es Sinn, von Identität oder Teilidentität der Ausführung verschiedener Tatbestände zu sprechen. Daß eine Tatbestandsverwirklichung einen Komplex „natürlicher Handlungen" darstellen kann, wurde übrigens auch von der Einheitstheorie niemals bestritten. Damit ist die oben aufgestellte Behauptung wenigstens für vorläufig belegt 2 0 , daß die Gegner der Einheitstheorie selbst den gleichen Naturalismus praktizieren, den sie jener zum V o r w u r f machen. Damit regt sich auch der Verdacht, daß jene Ergebnisse der „Formel des RG" und auch anderer Feststellungen von Idealkonkurrenz, etwa bei Verletzungen höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Träger, die dem spontanen Rechtsgefühl eklatant widersprechen, nicht das unvermeidliche Resultat all zu großer Abgrenzungsschwierigkeiten und all zu vieler Ubergangsformen zwischen prinzipiell richt i g unterschiedenen Gegensätzen sind, sondern nur die Quittung dafür, daß man die ganze Differenzierung von vornherein von sachfremden Gesichtspunkten abhängig gemacht hat oder sie gar anhand von Scheinbegriffen durchführt. Die Frage Fingers an Liszt, woher er eigentlich die Bestimmungsstücke oder Einheitskriterien seiner Einzelhandlung i m „tatsächlichen" oder „natürlichen" Sinne n i m m t 2 1 , ist bis heute nicht beantwortet; und unwiderlegt geblieben ist auch der Satz von Binding: „Was außerhalb des Rechts Handlung ist oder heißt, ist für dessen Bereich gleichgültig 2 2 ." Gerade deswegen ist auch die Frage unbeantwortet geblieben, wie es ohne einen tatbestandsapriorischen Begriff der Einzelhandlung möglich sein soll, daß verschiedene Tatbestände durch dieselbe Handlung verwirklicht werden. § 52 stellt uns anscheinend vor das Dilemma, bei der Bestimmung der Gegenstände strafrechtlicher Beurteilung sehenden Auges einen längst überwundenen Naturalismus zu praktizieren oder anzunehmen, daß die Voraussetzungen eines Gesetzes, eben des § 52, aus logischen Gründen unerfüllbar sind, das Gesetz also sinnlos ist. Sollte es eine Möglichkeit geben, eine allgemeine Bestimmung der Handlungseinheit zu treffen, mag sie auch sachlich nicht legitimiert sein, so würde uns das Gesetz nötigen, sie gleichwohl anzuwenden, wenn es nicht gelingt, Identitätsbedingungen auch für tatbestandsabhängig bestimmte Handlungen aufzustellen. Sollte aber weder jener allgemeine Handlungsbegriff noch diese Identitätsbestimmungen aufstellbar sein, so stellt sich die Frage, ob uns das Gesetz m i t seinem 20
Dies w i r d i n K a p i t e l 12 noch näher dargelegt werden. 21 Vgl. Finger L B . Bd. 1 Fußnote 475. 22 Vgl. H d B S. 565. 2 Puppe
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Einleitung
Geltungsanspruch auch zu jenem sacrificium intellectus verpflichten kann, einen Tatbestand, nämlich die Handlungseinheit zwischen verschiedenen Tatbestands Verwirklichungen, nicht n u r als geltend zu akzeptieren, sondern u. U. sogar als tatsächlich erfüllt anzunehmen, von dem w i r wissen, daß er kontradiktorisch, also i n sich sinnlos ist. Finger und Binding haben dieses sacrificium intellectus gebracht 2®. Aber damit haben auch sie resigniert und uns m i t den von ihnen selbst aufgeworfenen Problemen i m Stich gelassen. Aber wenn wirklich nur eine theoretisch längst überholte naturalistische Wirklichkeitsauffassung uns noch den Anschein einer Erklärung und sinnvollen Handhabung des § 52 unseres geltenden Strafgesetzbuches vermitteln kann, wie konnte sich das Institut der Idealkonkurrenz dann so lange halten? M i t einer theoretischen „Verspätung" der Strafrechtswissenschaft ist das schwerlich zu erklären, denn wie w i r gesehen haben, hat der naturalistische Handlungsbegriff i n der Strafrechtswissenschaft schon lange namhafte und streitbare Gegner gehabt. Warum haben sie sich trotz ihres theoretischen Vorsprungs i n der permanenten Strafrechtsreform nie m i t ihrer so klaren und einfachen Konzeption durchsetzen können, zunächst für jede Rechtsverletzung eine Einsatzstrafe festzusetzen, ohne Unterschied zwischen Handlungseinheit und -mehrheit? Das spricht dafür, daß eine gesonderte Beurteilung der einzelnen Tatbestandsverwirklichungen auch nicht das allgemeine, für alle Fälle gleichermaßen richtige Prinzip ist und daß die h. L. i n vielen Fällen doch zum richtigen Ergebnis führt, auch wenn sie mangels einer heute noch akzeptablen theoretischen Grundlage nicht sagen kann, warum. Deswegen werden w i r unsere Untersuchungen nicht m i t der Frage beginnen, ob es einen naturgegebenen allgemeinen Begriff der Einzelhandlung gibt, oder ob w i r für unsere speziellen Zwecke einen solchen Begriff i n legitimer und unseren Bedürfnissen genügender Weise aufstellen können. Der heutige Stand der Mehrheitstheorie m i t ihrer offenen Ablehnung eines tatbestandsunabhängigen Handlungsbegriffs und dessen stillschweigender Voraussetzung i n der „Formel" zeigt m i t aller Deutlichkeit, was für jede praktisch angewandte begriffliche Konstruktion gilt: Es genügt nicht, ihre Unstimmigkeit nachzuweisen, wenn man sie nicht durch eine andere ersetzt, die ihre praktischen Funktionen übernimmt und wenigstens nicht an den gleichen Fehlern krankt. Der naturalistische Handlungsbegriff w i r d sich i n der Anwendung des § 52 so lange behaupten, bis eine Möglichkeit gefunden ist, diese Vor23 Beide versuchen i m Anschluß an ihre Feststellungen zur I l l e g i t i m i t ä t oder gar Sinnlosigkeit eines tatbestandsunabhängigen Handlungsbegriffs gleichwohl eine Auslegung des § 73 a. F. auf der Grundlage eben dieses Begriffes, w e i l sie eine andere Auslegung dieser Vorschrift von vornherein für unmöglich halten, vgl. Finger LB. Bd. 1 S. 370 ff., Binding H d B S. 576 ff.
Einleitung
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schrift ohne ihn auszulegen. Bis dahin werden i h m noch so überzeugende Argumente gegen seine Legitimität und noch so schlagende Beweise seiner theoretischen Antiquiertheit nichts anhaben können. Und wenn man nachweist, daß solch ein allgemeiner Handlungsbegriff gar nicht aufstellbar ist, w i r d doch der allgemeine Name der Handlungseinheit als Bezeichnung der Voraussetzungen des § 52 i n Anwendung bleiben, mögen sich dahinter dann auch noch so verschiedene, i n Verkennung der theoretischen Voraussetzungen mehr oder weniger unbewußt vorgenommene Einzelfallentscheidungen verbergen. Und m i t der einheitlichen Bezeichnung w i r d sich die Vorstellung halten, es immer m i t ein und demselben Begriff zu t u n zu haben. W i r werden also zunächst versuchen, der ratio legis des § 52 unmittelbar auf die Spur zu kommen, indem w i r uns die Frage stellen, unter welchen Bedingungen eine einheitliche Beurteilung mehrerer Tatbestandsverwirklichungen und eine besondere Form der Verknüpfung von Strafrahmen, wie sie § 52 vorsieht, nach den allgemeinen Prinzipien der Strafzumessung notwendig erscheint, die unser Strafrecht beherrschen, also insbesondere nach den Grundsätzen des § 46. Läßt sich ein solches Bedürfnis nach einer besonderen Konkurrenzform der Idealkonkurrenz und ihrer Regelung i. S. des § 52 aufzeigen, so ist der Versuch zu machen, den Tatbestand des § 52 diesen Bedürfnissen entsprechend auszulegen, also Begriffe von Handlung und Handlungseinheit zu entwickeln, die auf die Anliegen und Erfordernisse der Strafzumessung zugeschnitten sind. Wenn dieser Versuch mißlingt, weil es entweder ein Bedürfnis nach Zusammenfassung mehrerer Tatbestandsverwirklichungen zu einem einzigen Beurteilungsgegenstand der Strafzumessung entgegen unserer Vermutung gar nicht gibt oder w e i l sich kein Begriff der Handlung aufstellen läßt, der diesem Bedürfnis gerecht wird, also alle und nur die Fälle erfaßt, i n denen es besteht, kann das Resultat unserer Untersuchung nur ein Appell an den Gesetzgeber sein. Ein Bedürfnis, verschiedene Tatbestandsverwirklichungen zu einem Beurteilungsgegenstand der Strafzumessung zusammenzufassen, kann nur dann entstehen, wenn für strafzumessungsrelevante Tatsachen ein Doppelverwertungsverbot vorausgesetzt wird. Denn gäbe es ein solches Verbot nicht, so könnte man den Gegenstand der Beurteilung nach dem einen Strafgesetz unbekümmert um den Beurteilungsgegenstand nach dem anderen bestimmen, denn es würde nichts schaden, wenn beide teilweise oder gar vollständig miteinander identisch wären. Wenn also die h. L. den § 52 damit begründet, daß ohne diese Zusammenfassung von Tatbestandsverwirklichungen „untrennbar Zusammengehöriges auseinander gerissen" werden müßte, so setzt sie damit ein solches Doppelverwertungsverbot stillschweigend voraus. 2'
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Einleitung
Damit ist der Punkt bezeichnet, an dem unsere Auseinandersetzung m i t der h. L. von der Idealkonkurrenz beginnen soll, d. h., daß w i r jenes stillschweigend vorausgesetzte Doppelverwertungsverbot als unseren m i t der h. L. gemeinsamen Ausgangspunkt akzeptieren. Eine k r i tische Analyse des Doppelverwertungsverbots i n der Strafzumessung kann hier nicht geleistet werden. Sie erfordert eine eigene Monographie, denn das Doppelverwertungsverbot ist m i t seinem Grund und seinen Grenzen dogmatisch noch völlig ungeklärt 2 4 . Allenfalls über einzelne seiner Ausprägungen besteht heute Einigkeit etwa über das i n § 46 Abs. 3 Gesetz gewordene Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen. Aber w i r müssen wenigstens angeben, welchen Inhalt und welche Grundlage diejenige Ausprägung des Doppelverwertungsverbots hat, von der w i r i m folgenden ausgehen und auf die w i r unsere Erklärung und Interpretation des § 52 stützen wollen. Zunächst steht fest, daß eine Doppelverwertung von Tatsachen i n der Rechtsanwendung weder gegen Kegeln der Logik noch gegen allgemeine Rechtsgrundsätze verstößt. Es ist durchaus zulässig und i n anderen Rechtsgebieten auch möglich, ein und denselben Sachverhalt zur Bedingung mehrerer, auch gleichartiger, Rechtsfolgen zu machen. So unwillkommen beispielsweise der sog. Stabilitätszuschlag manchem Steuerzahler gewesen sein mag, man hat nicht versucht, m i t der Begründung gegen i h n anzukämpfen, daß seine Erhebung gegen die Logik oder sonst allgemeingültige Regeln der Rechtsanwendung verstoße, weil die Betroffenen für das gleiche Einkommen, nach dem dieser Zuschlag als zusätzliche Einkommenssteuer berechnet worden war, bereits Einkommenssteuern nach den allgemeinen Steuergesetzen zu zahlen hätten. Dabei ist hier an genau den gleichen Sachverhalt, nämlich daran, daß ein Bürger i n einem Jahr ein Einkommen von X D M hatte, zweimal eine gleichartige Rechtsfolge, nämlich die Pflicht zur Zahlung einer Steuer geknüpft worden. Wenn es also unzulässig sein soll, an die gleichen Tatsachen mehrmals die Rechtsfolge Strafe zu knüpfen, müssen die Gründe dafür i n spezifischen Eigenarten dieser Rechtsfolge liegen. Charakteristisch für die Strafe ist das Erfordernis der Schuldproportionalität, und dieses erklärt auch ausreichend das Doppelverwertungsverbot, soweit es uns hier interessiert, d. h. das Doppelverwertungsverbot von Tatmerkmalen. Da w i r uns ja m i t den Tatbestands Verwirklichungen und ihrem Verhältnis zueinander zu beschäftigen haben, interessiert uns nur die Schuldbestimmung und die Strafzumessung nur insoweit, als sie von dieser abhängig ist. Die Frage, ob eine Tatsache, die i n der Schuldbestimmung bereits verarbeitet ist, unter Präventionsgesichtspunkten nochmals berücksichtigt werden darf, brauchen w i r hier nicht zu be24
Vgl. dazu Bruns S. 361.
Einleitung
antworten. Es ist nicht möglich, irgendeine Schuldproportionalität von Strafen zu gewährleisten, wenn schuldbegründende Tatsachen beliebig mehrfach verwertet werden können, w e i l sie i m Zusammenhang m i t verschiedenen anwendbaren Gesetzen relevant sind. Die einfachste und wohl einzige Regelung, die hier möglich ist, geht davon aus, daß jede schuldrelevante Tatsache, die in irgendeinem Zusammenhang i n der Strafzumessung verwertet wird, dort vollständig, d. h. m i t ihrem gesamten Schuldgehalt zu Buche schlagen muß. Danach würde also jede nochmalige Verwertung dieser Tatsache die Schuldproportionalität beseitigen. Wenn also ein und dieselbe Tatsache i n zwei Schuldbeschreibungen vorkommt, so müssen diese zu einem Beurteilungsgegenstand zusammengefaßt werden. Die einzige andere Möglichkeit, ihre Doppelverwertung zu vermeiden, wäre, sie aus einer der Schuldbeschreibungen zu streichen. Aber dadurch würde diese i n einer Hinsicht unbestimmt, da man die gestrichene Tatsache nicht durch eine andere, auch nicht etwa durch ihre Negation, ersetzen kann. Entsprechend müßte die Strafe unvollständig bestimmt sein, die dieser Schuldbeschreibung entsprechen soll. Eine unvollständig bestimmte Strafe ist aber nicht zu vollstrecken. W i r haben hier zunächst ganz naiv von schuldrelevanten Tatsachen und von Doppelverwertung derselben Tatsache gesprochen, als wären diese dem Strafrichter von vornherein fertig und vollständig zur Verfügung. Aber wie diese Strafzumessungstatsachen zu konstituieren sind, wie sie m i t dem einzelnen Strafgesetz zusammenhängen, wie es dazu kommen kann, daß ein und dieselbe Strafzumessungstatsache i m Zusammenhang m i t verschiedenen Strafgesetzen auftritt, und wie man sie dann als dieselbe erkennt, das w i r d Gegenstand unserer folgenden Untersuchung sein.
I . Das Strafgesetz als extensionaler und intensionaler Kontext
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1. Die Ausgangsfrage Die Notwendigkeit, eine spezifische Operation zur Verknüpfung mehrerer Strafgesetze zu entwickeln, ergibt sich dann, wenn die Gründe für die Anwendbarkeit mehrerer Strafgesetze, also die gesetzlichen Tatbestände teilweise identisch sind, bildlich gesprochen, sich überlappen. Denn dann würde eine kumulative Anwendung aller Strafgesetze zur Mehrfachverwertung von Strafgründen führen. U m festzustellen, wann eine solche Teildeckung vorliegt, muß zunächst einmal klar sein, was die einzelnen Tatbestände „meinen" und auf was sich die Strafdrohungen beziehen. A u f die erste Frage sind zweierlei A n t worten denkbar. Z u der einen A r t würden etwa Antworten gehören wie: Ein Tatbestand beschreibt bestimmte Arten von Lebensvorgängen, Handlungen oder Verhaltensweisen. Von der zweiten sind Antworten wie: Ein Tatbestand handelt von einer Rechtsgutsverletzung, einer Pflichtwidrigkeit oder Normwidrigkeit. A u f den ersten Blick leuchten beide Arten von Antworten ein, aber sie führen für unsere Frage anscheinend zu völlig verschiedenen Ergebnissen. Geht man von Lebensvorgängen aus, die die Tatbestände beschreiben, so ergibt sich eine Überschneidung mehrerer Tatbestände immer dann, wenn sie von einem einheitlichen Lebens vor gang erfüllt werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Regelung, wie w i r sie für die Tateinheit haben. Legt man dagegen die Normwidrigkeit als das vom Tatbestand „Gemeinte" zugrunde, so kann eine Überschneidung nur dadurch Zustandekommen, daß die verschiedenen Normen selbst sich inhaltlich teilweise decken und damit auch ihre Kontradiktionen, die Tatbestände. Dennoch sind beide Arten von Aussagen über den Inhalt von Tatbeständen in gewissem Sinne richtig. Die Erstgenannten beschreiben i n etwa das, was in der Semantik Extension genannt wird, die Klasse von Gegenständen (im weitesten Sinne des Wortes), die der Tatbestand ausgrenzt. Die anderen nehmen Bezug auf die Intensionen des Tatbestandes, was in die Umgangssprache etwa m i t „Sinn" zu übersetzen wäre 1 , also die Eigenschaft des Lebensvorgangs als Tötung eines Menschen, Zueignung einer fremden Sache usw. 1
Diese Unterscheidung von Sinn und Bedeutung eines Ausdrucks wurde allgemein f ü r alle A r t e n von Ausdrücken erstmals von Frege entwickelt, vgl. zu Individuennamen u n d ganzen Sätzen „Über Sinn u n d Bedeutung"
1. Die Ausgangsfrage
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Die Unterscheidung zwischen Extensionen und Intensionen eines Ausdrucks wurde entwickelt anhand der Frage, wann i n einem Kontext ein Ausdruck m i t einem anderen vertauschbar ist, ohne daß der Satz falsch wird. Es zeigte sich, daß i n manchen Kontexten ein Ausdruck durch jeden anderen ersetzt werden kann, der die gleiche Klasse von Gegenständen umreißt, daß dies jedoch nicht für alle Kontexte gilt. So ist z. B. in dem Satz „die vernunftbegabten Tiere sind die am höchsten entwickelten Lebewesen auf der Erde" der Ausdruck „die vernunftbegabten Tiere" ersetzbar durch den Ausdruck „die Zweifüßler ohne Federn und Fell", ohne daß der Satz falsch würde. Dabei macht es nichts aus, daß die Eigenschaft, ein vernünftiges Tier zu sein, eine andere ist als die, ein Zweifüßler ohne Federn und Fell zu sein. Es kommt nur darauf an, daß beide Ausdrücke genau die gleiche Klasse von Tieren erfassen. Diese Klasse von Gegenständen, die ein Eigenschaftswort (prädicator erster Stufe) umschreibt, nennt Carnap, dessen weitgehend anerkannter Methode der Sprachanalyse w i r hier folgen wollen, die Extension eines solchen Ausdrucks. Ein Kontext, i n dem ein Ausdruck m i t jedem extensionsgleichen vertauscht werden kann, heißt i n bezug auf das Vorkommen dieses Ausdrucks extensional 2 . Untersuchen w i r nun einen Text, der den Ungehorsam gegen eine Rechtsnorm beschreibt auf seine Extensionalität in bezug auf das Vorkommen des Ausdrucks, der für das steht, was der Norm widerspricht, etwa folgenden: „Daß der A zwei Menschen getötet hat, widerspricht dem Verbot, Menschen zu töten 5 ." Nehmen w i r an, der A hat dies passim, zu Allgemeinbegriffen „Ausführungen über Sinn u n d Bedeutung" passim. Hier interessiert uns diese Unterscheidung zunächst nur, soweit sie Prädikatausdrücke, d. h. Ausdrücke für Allgemeinbegriffe, also Eigenschaftsbegriffe b e t r i f f t ; zur „prädikativen Natur der Allgemeinbegriffe" vgl. Frege „Über Begriff u n d Gegenstand". F ü r Prädikatoren ist diese Unterscheidung besonders einleuchtend und auch ohne weiteres Eindringen i n die allgemeine Semantik verständlich. Sie deckt sich hier nämlich weitgehend m i t dem, was die klassische L o g i k den Begriffsinhalt ( = Sinn oder Intension) u n d den Begriffsumfang ( = Bedeutung oder Extension) genannt hat. W i r verwenden i m folgenden die Unterscheidung i n der Form, i n der sie Carnap entwickelt hat, u n d auch seine Terminologie, vor allem die Ausdrücke Extension u n d Intension. Z u ihrer E r k l ä r u n g für Prädikatoren vgl. Carnap S. 21 f., Stegmüller S. 139 f., anders allerdings Frege „Ausführungen über Sinn u n d Bedeutung", der glaubte, daß es m i t der prädikativen N a t u r des Allgemeinbegriffs unvereinbar sei, seinen Umfang als seine Bedeutung zu nehmen. Z u m Unterschied zwischen dem von Frege u n d dem von Carnap der semantischen Analyse zugrundegelegten Begriffspaar vgl. Carnap S. 148 ff., Kutschera S. 63 ff. 2 Näher zum Begriffspaar extensionaler u n d intensionaler K o n t e x t i n bezug auf einen Ausdruck Carnap S. 59 ff., Stegmüller S. 142 ff. 3 Hier w i r d von einem Widerspruch zwischen einer N o r m u n d einer Tatsache gesprochen, was sofort den Einwand provozieren w i r d , daß zwischen einer Tatsachenbehauptung u n d einem Sollenssatz gar kein Widerspruch bestehen könne, zumal nicht zwischen einer Verbotsnorm u n d der T a t sachenbehauptung, daß sie übertreten wurde. Denn dies ist schon deshalb
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I . Das Strafgesetz als extensionaler u n d intensionaler K o n t e x t
d a d u r c h b e w e r k s t e l l i g t , daß er u m 19.03 U h r a m 13. 7.1975 z w e i große Steine v o n e i n e r M a u e r a u f seine b e i d e n O p f e r w a r f . D a n n s i n d d i e beiden Tötungen extensional identisch m i t den beiden Steinwürfen, d e n n sie u m s c h r e i b e n die gleiche Klasse v o n Gegenständen ( h i e r R e a l v o r g ä n g e n oder H a n d l u n g e n ) . Tauschen w i r n u n d i e A u s d r ü c k e aus, so e r h a l t e n w i r d e n Satz: „ D a ß A a m 13. 7.1975 u m 19.03 U h r z w e i große Steine v o n e i n e r M a u e r h e r u n t e r g e w o r f e n h a t , s t e h t i m W i d e r s p r u c h z u m V e r b o t , M e n s c h e n z u t ö t e n . " Dieser Satz i s t n i c h t r i c h t i g , w e i l das S t e i n e w e r f e n n i c h t d e m T ö t u n g s v e r b o t w i d e r s p r i c h t . D a ß diese h i e r bezeichneten S t e i n w ü r f e tatsächlich Z u w i d e r h a n d l u n g e n gegen das T ö t u n g s v e r b o t w a r e n , e r g i b t sich erst aus der F e s t s t e l l u n g , daß sie n i c h t n u r S t e i n w ü r f e , s o n d e r n auch T ö t u n g e n s i n d 4 . E i n K o n t e x t , d e r d e n W i d e r s p r u c h eines V e r h a l t e n s z u e i n e r N o r m d a r s t e l l t , i s t also i n b e z u g a u f die A u s d r ü c k e , die dieses V e r h a l t e n beschreiben, n i c h t extensional. D e n n o c h k ö n n e n i n e i n e m Satz, d e r e i n e n solchen N o r m w i d e r s p r u c h feststellt, d i e A u s d r ü c k e , die d i e N o r m w i d r i g k e i t beschreiben, d u r c h andere ersetzt w e r d e n , n ä m l i c h d u r c h solche, die die gleiche I n t e n s i o n haben. U n s e r Ausgangssatz k a n n z u m B e i s p i e l f o l g e n d e r m a ß e n a b geändert w e r d e n : „Daß A z w e i Personen umgebracht hat, widerspricht ausgeschlossen, w e i l sonst anzunehmen wäre, daß die beiden Sätze m i t einander unverträglich sind, also nicht nebeneinander i n einer Zustandsbeschreibung, d. h. einer Beschreibung einer Welt vorkommen könnten. Da n u n die Aufstellung eines Verbots dessen Übertretung nicht unmöglich macht, müßte also jede tatsächlich vorkommende Übertretung die N o r m außer K r a f t setzen. Dennoch haben w i r i m Text den Ausdruck Widerspruch verwendet, w e i l es uns letztlich doch u m die Beschreibung eines logischen Ausschlußverhältnisses geht. Dies besteht allerdings nicht zwischen der Übertretung u n d der N o r m selbst, sondern zwischen einem Satz, der die Übertretung beschreibt u n d einem Satz, den man erhält, w e n n m a n die N o r m i n eine Tatsachenbehauptung umformuliert, i m Beispiel also zwischen dem Satz „ A hat zwei Menschen getötet" u n d dem Satz „niemand hat jemals einen Menschen getötet". Der Widerspruch, von dem w i r hier sprechen u n d den w i r der Kürze halber als Widerspruch zur N o r m bezeichnet haben, ist also der, der zwischen einer Tatsachenbehauptung besteht u n d dem Satz, der w a h r wäre, w e n n die N o r m immer eingehalten würde. 4 W i r müssen uns also hüten vor einer Konfusion des Verhältnisses z w i schen einer N o r m u n d einer Tatsachenbehauptung, das w i r i m T e x t abgekürzt als Widerspruch bezeichnet u n d i n Fußn. 3 näher bestimmt haben, u n d dem Verhältnis, das zwischen der N o r m u n d einer Handlung besteht, w e n n diese eine Zuwiderhandlung gegen die N o r m darstellt. Das erstgenannte Verhältnis ist ein rein logisches u n d ist allein aufgrund der Kenntnis der Norm, der Handlungsbeschreibung u n d der Intensionen der i n beiden v e r wendeten Ausdrücke zu ermitteln. Es besteht zwischen Handlungsbeschreibung u n d Normtext, also genau genommen zwischen sprachlichen Entitäten, Sätzen. Allerdings entspricht dem ein Verhältnis i n der von N o r m u n d Tatbeschreibung gemeinten „ W i r k l i c h k e i t " , dem m a n gerade durch den Begriff der Intension oder des Sinnes eines Ausdrucks beizukommen v e r sucht. Ob aber eine irgendwie anderweitig bestimmte Handlung die Eigenschaft hat, eine Zuwiderhandlung gegen eine N o r m zu sein, ist, juristisch gesprochen, Tatfrage (vorausgesetzt, daß der I n h a l t der N o r m feststeht).
1. Die Ausgangsfrage
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d e m V e r b o t , Menschen z u t ö t e n . " A u s diesem Satz a l l e i n i s t der N o r m w i d e r s p r u c h ohne zusätzliche T a t s a c h e n k e n n t n i s ersichtlich, o b w o h l i n seinen b e i d e n T e i l e n n i c h t die gleichen A u s d r ü c k e a u f t r e t e n , w e i l i n u n s e r e r Sprache die A u s d r ü c k e „ M e n s c h " u n d „ P e r s o n " u n d die A u s d r ü c k e „ u m b r i n g e n " u n d „ t ö t e n " d e n gleichen S i n n haben, d . h . n i c h t n u r d i e gleichen K l a s s e n v o n Gegenständen erfassen, s o n d e r n dies auch a n h a n d d e r gleichen Eigenschaften dieser Gegenstände t u n . Diese Eigenschaften n e n n t C a r n a p die I n t e n s i o n e n v o n Klassenausdrücken. I n u n s e r e m Beispielsatz k o n n t e n w i r die B e s c h r e i b u n g der N o r m w i d r i g k e i t d u r c h e i n e n a n d e r e n A u s d r u c k m i t gleicher I n t e n s i o n e r setzen, d i e V e r h a l t e n s b e s c h r e i b u n g k a m also h i e r i n e i n e m i n t e n s i o n a l e n K o n t e x t v o r 5 . D e r V o l l s t ä n d i g k e i t h a l b e r sei e r w ä h n t , daß es auch K o n t e x t e g i b t , i n d e n e n e i n A u s d r u c k n i c h t e i n m a l d u r c h e i n e n i n t e n s i o n s g l e i c h e n ersetzbar ist. W e r also e i n e n S t r a f t a t b e s t a n d als B e s c h r e i b u n g e i n e r N o r m w i d r i g k e i t b e t r a c h t e t , n i m m t d a m i t a u f d i e I n t e n s i o n e n des Gesetzestextes Bezug, w ä h r e n d d e r j e n i g e , d e r sagt, daß d i e T a t b e s t ä n d e b e s t i m m t e A r t e n v o n H a n d l u n g e n oder L e b e n s v o r g ä n g e n beschreiben, o f f e n b a r v o n i h r e n E x t e n s i o n e n spricht. N u n h a t a b e r j e d e r sprachliche A u s d r u c k s o w o h l eine I n t e n s i o n als auch eine E x t e n s i o n 6 . Insbesondere 5 Denn intensional ist jeder Kontext, der einen logischen Widerspruch beschreibt oder auch ein anderes logisches Verhältnis zwischen Tatsachenbehauptungen. Das sind die sogenannten modalen Kontexte, die logische Notwendigkeit, Unmöglichkeit oder Kontingenz behaupten. Vgl. Carnap S. 225, S. 232 ff. 6 Hier muß einem Mißverständnis vorgebeugt werden, das ein Satz w i e „Ausdrücke haben eine Intension u n d eine Extension" leicht hervorrufen könnte. Es handelt sich hier nicht u m eine Tatsachenbehauptung w i e „männliche Elefanten haben zwei Stoßzähne" oder „Spinnen haben acht Beine", sondern u m die Übernahme eines bestimmten Begriffsinstrumentariums zur semantischen Analyse v o n Ausdrücken. U m bestimmte sprachliche Verhältnisses möglichst k l a r u n d einfach darstellen zu können, hat man zwischen verschiedenen A r t e n von „Bedeutungen" von Allgemeinbegriffen unterschieden: zwischen Begriffsinhalt u n d Begriffsumfang. Frege hat diese Unterscheidung v o n Prädikatoren auf Individuenausdrücke u n d vollständige Sätze erweitert, indem er f ü r diese Entitäten gefunden hat, die sich i n gewissen Beziehungen zueinander u n d zu den Ausdrücken genauso verhalten, w i e Begriffsinhalt u n d Begriff sumfang zueinander u n d zu dem Begriffswort, vgl. „ Ü b e r Bedeutung u n d Sinn" passim. Frege hat allerdings den Begriffsumfang nicht als Bedeutung des Begriffsworts anerkennen w o l len, w e i l er dies für unvereinbar m i t der prädikativen N a t u r des Eigenschaftsbegriffs hielt. Er hat aber i m m e r h i n anerkannt, daß die Umfangsgleichheit zwischen Begriffen eine ähnliche Beziehung herstellt, wie sonst die Bedeutungsgleichheit zwischen Ausdrücken, vgl. „Ausführungen über Sinn u n d Bedeutung". Carnap hat dann, u m ganz bestimmte Komplikationen i n der Analyse v o n Texten zu vermeiden, den Vorschlag gemacht, jedem Ausdruck i n jedem K o n t e x t zunächst sowohl eine Extension als auch eine Intension zuzuschreiben u n d eine Unterscheidung zwischen intensional u n d extensional nicht f ü r die einzelnen Ausdrücke, sondern erst f ü r die Kontexte zu treffen, i n denen sie stehen, je nachdem, ob sie i n diesen Kontexten n u r durch einen intensionsgleichen oder auch durch einen extensionsgleichen
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I. Das Strafgesetz als extensionaler und intensionaler K o n t e x t
beschreibt ein Allgemeinbegriff wie Mensch, Säugetier, Sache, aber auch Diebstahl oder Körperverletzung sowohl eine Eigenschaft von Gegenständen als auch eine Klasse von Gegenständen eben die, der diese Eigenschaft zukommt. So kann man den Satz „die Handlung, die der A am 13. 7.1975 u m 19.03 Uhr begangen hat, ist eine Tötung" auf zweierlei Weise auffassen, entweder so, daß er besagt, daß diese Handlung zu einer bestimmten Klasse von Handlungen, der Klasse der Tötungshandlungen gehört, oder so, daß er besagt, daß diese Handlung die Eigenschaft hat, eine Tötungshandlung zu sein 7 . Es handelt sich hier offensichtlich nicht um eine Zweideutigkeit der Ausdrucksweise des subsumierenden Richters oder auch des Gesetzes, die durch Auslegung zu beheben oder durch eine präzisere Ausdrucksweise i n künftigen Urteilen und Gesetzen zu vermeiden wäre, sondern u m eine Eigenheit der Sprache selbst, die die semantische Analyse i n einer Metasprache ausdrückt, d.h. einer Sprache, die über die Sprache des Gesetzes und des Richters spricht. Die Begriffe Extension und Intension gehören zu dieser Metasprache, deren w i r uns zur Analyse der Ausdrücke der Objektsprache bedienen wollen. Es ist danach nicht mehr verwunderlich, daß w i r die Frage nicht beantworten können, ob ein Tatbestand eine bestimmte Klasse von Handlungen „meint" oder bestimmte Eigenschaften von Handlungen. Sie ist falsch gestellt, denn sie behandelt Extension und Intension, Klasse und Eigenschaft als Objekte, für die die Objektsprache verschiedene Namen zur Verfügung stellen müßte, damit man wahlweise über das eine oder das andere sprechen und sich dabei eindeutig ausdrücken kann. Klassen und Eigenschaften sind aber nicht als Objekte der Objektsprache eingeführt, sondern als Gegenstände der Metasprache. Erst i n dieser zweiten Sprachebene lassen sie sich trennen. Man versuche nur einmal, in der Objektsprache eine Klasse von Gegenständen zu beschreiben, ohne Eigenschaften dieser Gegenstände zu nennen, oder eine Eigenschaft, ohne damit gleichzeitig eine Klasse von Gegenständen zu erfassen. Selbst wenn man eine Klasse von Gegenständen durch A u f zählung bestimmt, schreibt man damit jedem der aufgezählten Gegenstände die Eigenschaft zu, zu dieser bestimmten Klasse zu gehören. Ausdruck ersetzbar sind; vgl. Carnap S. 178 ff. E r selbst betont, daß es sich dabei nicht u m eine Theorie handelt, die er als w a h r behauptet u n d die als falsch bestritten werden könnte, sondern u m eine Methode, die i m Vergleich zu anderen konkurrierenden Methoden mehr oder weniger zweckmäßig, d. h. einfach u n d fruchtbar sein kann, vgl. S. 160 f. Wenn w i r i m T e x t sagen „jeder Ausdruck hat sowohl eine Extension als auch eine Intension", so soll damit auch keine Tatsache behauptet, sondern n u r eine bestimmte Methode der semantischen Analyse für unsere Zwecke übernommen werden, von der w i r uns eine klarere Einsicht i n sprachliche Beziehungen zwischen Tatbeständen untereinander u n d Tatbeständen u n d den sie erfüllenden Sachverhalten erhoffen u n d vielleicht auch die Entdeckung u n d Vermeidung einiger Konfusionen i n den Streitfragen der Konkurrenzlehre. 7 Genauer hierzu Carnap S. 21 ff.
2. Die Einheits- u n d Mehrheitstheorie
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Unsere Ausgangsfrage nach der (logischen) Notwendigkeit einer besondern, nicht additiven Verknüpfung der Strafrahmen bei Handlungseinheit braucht deshalb noch nicht ebenfalls falsch gestellt oder unbeantwortbar zu sein. Denn zu ihrer Beantwortung brauchen w i r uns nicht dahin festzulegen, daß die Tatbestände eine Klasse von Handlungen oder daß sie Eigenschaften von Handlungen „meinen". Es genügt hierfür, festzustellen, ob die Tatbestandsbeschreibungen i n den Strafgesetzen i n einem extensionalen oder intensionalen Kontext vorkommen, d. h., ob sie i n dem einzelnen Strafgesetz, das einen bestimmten Strafrahmen für sie androht, durch eine andere Beschreibung der gleichen Handlungen zu ersetzen sind oder nur durch eine der gleichen Eigenschaften dieser Handlungen. Kommen die Tatbestände i n den Strafgesetzen i n einem extensionalen Kontext vor, so würde es gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen, mehrere Strafgesetze auf ein und dieselbe Handlung anzuwenden. Dann könnte man nämlich in jedem der anwendbaren Strafgesetze die Handlungsbeschreibung durch jede andere Beschreibung der gleichen Handlung ersetzen, also auch durch die, die sich aus einem der anderen von der Handlung erfüllten Strafgesetze ergibt, ohne daß die Strafnorm ihre Gültigkeit verliert. Wenn man dann diese beiden nun gleichlautenden Strafgesetze nebeneinander anwenden würde, wäre der Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot offenkundig. 2. Einheits- und Mehrheitstheorie Damit ist eine alte Streitfrage aufgeworfen, die man heute vielfach für obsolet hält: die zwischen der sog. Einheits- und der Mehrheitstheorie. Der Streit geht darum, ob ein Verbrechen i n dem Widerspruch eines menschlichen Verhaltens zu einer Bestimmungsnorm, m. a. W. i n der Tatbestandserfüllung, besteht oder i n der Handlung oder dem Lebensvorgang, der der Norm widerspricht und den Tatbestand erfüllt. Die sog. Einheitstheorie nimmt das Letztere an und begründet damit die besondere Regelung des § 52 für das Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen i n einer Handlung als eine logische Notwendigkeit und zwar m i t folgender Ableitung: Verbrechen ist Handlung, also kann eine Handlung auch nur ein Verbrechen sein, gleichgültig, wie viele Tatbestände sie erfüllt oder wieviele Normen sie verletzt 1 ; also 1 So besonders entschieden Liszt L B S. 222 f., der allerdings i n seiner Auseinandersetzung m i t Binding i n Aufsätze S. 213 ff. trotz seines energischen Eintretens f ü r die Verbindlichkeit seines naturalistischen tatbestandsapriorischen Handlungsbegriffs für alles strafrechtliche Urteilen, vgl. Aufsätze S. 241 ff., die Mehrheitstheorie ausdrücklich für vertretbar erklärt, vgl. S. 245. Wie Liszt i n seinem Lehrbuch berufen sich auf den Satz „ V e r brechen ist Handlung" zur Begründung der Einheitstheorie u. a. Maurach
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I. Das Strafgesetz als extensionaler u n d intensionaler K o n t e x t
A T § 5 4 1 2 a u n d 3, Baumann A T § 4112 a, w o h l auch Mezger StB, A T , 9. Aufl., S. 247 f. u n d Blei StB 16. Aufl., §901. I n seinem älteren Lehrbuch (3. Aufl. 1949) geht dagegen Mezger zwar ebenfalls von dem Satz aus „ V e r brechen ist Handlung", hält es aber f ü r eine „Methodologische Frage", w i e der Begriff der Handlung zu bestimmen sei, vgl. L B S. 469 f. Schon diese kurze Übersicht über die Darstellungen, die die Einheitstheorie i n den Lehrbüchern gefunden hat, zeigt ihren w o h l schwersten immanenten Mangel: Es w i r d innerhalb einer einzelnen Darstellung nicht m i t der nötigen Sorgfalt unterschieden u n d klargestellt, geschweige denn zwischen den Anhängern der Theorie Einigkeit darüber angestrebt, welche Sätze der Gesamtkonzeption als terminologische Festlegungen eingeführt werden, welche als analytische Sätze aus bereits anerkannten Sätzen, etwa der allgemeinen Verbrechenslehre oder aus den zuvor getroffenen Festsetzungen abgeleitet werden sollen u n d welche schließlich als Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden. So ist f ü r Liszt die Existenz einer t a t bestandsapriorischen Handlungseinheit offenbar eine Naturtatsache, vgl. Aufsätze S. 241 ff., während der Satz „Verbrechen ist Handlung" hier nur als dispositive Setzung erscheint, vgl. a.a.O. S. 244, w o Liszt die Mehrheitstheorie i m m e r h i n als eine logisch mögliche anerkennt, anders aber ebenda S. 248. I m L B S. 222 Fußn. 1 w i r d der Satz „Verbrechen ist Handlung" als „Erkenntnis" bezeichnet, soll also offensichtlich eine Tatsachenfeststellung sein. Mezger sieht i n L B (1949) S. 469 f. den Satz „Verbrechen ist Handlung, es gehört nicht n u r zu i h m eine Handlung" als eine (tatsächliche oder logische?) Wahrheit an, die gegen die (irrige) Gegenmeinung Franks zu verteidigen ist. E r hält aber die Festsetzung des Handlungsbegriffs i m Sinne dieses Satzes f ü r eine methodologische Frage, die i n der allgemeinen V e r brechenslehre zu entscheiden ist. Trotzdem begründet er seinen eigenen, ebenfalls naturalistischen, Handlungsbegriff i n seinen Ausführungen über die Allgemeine Verbrechenslehre m i t der „Wirklichkeitsbezogenheit des Strafrechts", vgl. L B (1949) S. 103, u n d erklärt später i m StB 9. Aufl. S. 253 f. dazu: „Es gibt i m Straf recht keine »natürliche' Tateinheit, die als solche schon ohne weiteres rechtliche Einheit der Tat wäre. Denn jede derartige Feststellung ist wertende Rechtsbetrachtung u n d unterliegt damit der rechtlichen Festlegung. Aber es k a n n kein Zweifel daran bestehen, daß auch i m Rechtssinne eine einfache Tateinheit überall dort gegeben ist, w o der Handl u n g ein einziger Willensakt zugrunde liegt. Auch hier paßt sich das Recht den natürlichen Tatsachen an. Dabei ist der ,Willensakt 4 das Entscheidende . . . " Bei aller Betonung der „wertenden Rechtsbetrachtung" geht also auch Mezger davon aus, daß dem Recht bestimmte Minimaleinheiten der Handlung vorgegeben sind, von denen es vielleicht mehrere f ü r seine besonderen Zwecke zu einer Einheit zusammenfassen kann, die aber, offenbar aus tatsächlichen Gründen, nicht aufzuspalten sind. Maurach w i r f t der Mehrheitstheorie vor, daß sie „nicht, w i e geboten, v o n der G r u n d s t r u k t u r des Delikts ausgeht", vgl. A T § 5 4 1 3 , er stellt aber nicht klar, ob diese G r u n d s t r u k t u r auf Tatsachen, logischen Schlußregeln oder Erfordernissen der methodischen Zweckmäßigkeit beruht. Ganz ohne Begründung bleibt die strikte Ablehnung der Mehrheitstheorie bei Baumann A T § 411 2. N u n k o m m t es letztlich auf das Gleiche hinaus, ob m a n davon ausgeht, daß Verbrechen Handlung sei, der Begriff der Handlung i m Sinne dieses Satzes aber nach Gesichtspunkten der kriminalpolitischen oder methodischen Zweckmäßigkeit festzusetzen sei, oder davon, daß w i r v o n einem aus t a t sächlichen oder systematischen Gründen unabhängig von der Frage nach der Verbrechenseinheit feststehenden Handlungsbegriff ausgehen müssen, dann aber entscheiden können, ob w i r auf diesen die Verbrechenseinheit gründen wollen, also den Satz akzeptieren w o l l e n „ e i n Verb redien ist eine Handlung". Denn i n beiden Argumentationen bleibt ein Begriff disponibel u n d einer spezifisch strafrechtlichen Begründung bedürftig, ob er nun Handlung heißt oder Verbrechenseinheit. N u r muß m a n entweder an der einen oder an der anderen Stelle des Systems diese Disposition tatsächlich
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k a n n a u f eine H a n d l u n g auch n u r eine S t r a f d r o h u n g ( S t r a f r a h m e n ) a n g e w a n d t w e r d e n u n d i h r e t w e g e n n u r eine S t r a f e v e r h ä n g t w e r d e n . N ä h m e m a n m e h r e r e V e r b r e c h e n an, so b e g i n g e m a n d e n gleichen F e h l e r w i e beispielsweise der, d e r aus d e n Sätzen „ I c h habe e i n e n S c h i m m e l " u n d „ I c h habe e i n e n H e n g s t " d e n Schluß zöge, daß der Sprecher z w e i P f e r d e h a b e n müsse, w e i l e i n S c h i m m e l e i n P f e r d i s t und ein Hengst ein Pferd ist2. Die Einheitstheorie w i r f t d a m i t der Gegenposition einen elementaren logischen F e h l e r v o r . Diesen F e h l e r w ü r d e die M e h r h e i t s t h e o r i e aber n u r d a n n begehen, w e n n sie aus d e m V o r l i e g e n m e h r e r e r T a t b e s t a n d s v e r w i r k l i c h u n g e n d u r c h eine H a n d l u n g d e n Schluß zöge, daß n i c h t n u r mehrere Verbrechen vorliegen, sondern mehrere Handlungen3, w e i l a l l e T a t b e s t ä n d e H a n d l u n g e n beschreiben. Sie w ü r d e also j e n e n F e h l e r n u r d a n n begehen, w e n n sie m i t d e r E i n h e i t s t h e o r i e d e n Satz a k z e p t i e r t „ V e r b r e c h e n i s t H a n d l u n g " . Sie g e h t aber d a v o n aus, daß V e r b r e c h e n N o r m v e r l e t z u n g e n oder T a t b e s t a n d s v e r w i r k l i c h u n g e n seien, also soviele Verbrechen vorliegen, w i e Tatbestände nebeneinander anwendbar sind, g l e i c h g ü l t i g , ob sie a u f eine oder a u f m e h r e r e H a n d l u n g e n ( i m S i n n e irgendeines t a t b e s t a n d s u n a b h ä n g i g e n H a n d l u n g s b e g r i f f s ) a n z u wenden sind4. treffen u n d darf sich dabei jeweils nicht darauf berufen, daß sie an der anderen bereits getroffen sei. M a n t u t den Vertretern der Einheitstheorie also m i t der Feststellung w o h l nicht Unrecht, daß sie, soweit sie Zugeständnisse an eine eigenständige strafrechtliche Begriffsbildung machen, diese wieder zurücknehmen u n d letztlich von einem dem Strafrecht vorgegebenen „natürlichen" Begriff der Handlung oder zumindest der Elementar- oder Minimalhandlung ausgehen, der a p r i o r i auch die Verbrechenseinheit als den Gegenstand allen strafrechtlichen Urteilens bestimmt. 2 M i t diesem Argument versuchte Höpfner S. 161 f. der Mehrheitstheorie einen fundamentalen Denkfehler nachzuweisen, u m i h r vorzuwerfen, sie „rechne nach dem Hexen-Einmaleins". Noch unlängst w u r d e die Einheitstheorie auf dieses A r g u m e n t gestützt z. B. v o n Maurach A T § 541 3, Mezger / Blei 15. Aufl., §901, Baumann A T 5. Aufl., § 3 8 1 2 a. A b e r dieses auf den ersten Blick so schlagend logische Argument teilt m i t vielen seiner A r t die Eigenschaft, daß es n u r dann gilt, w e n n m a n die Ausgangsposition bereits akzeptiert hat, zu deren Beweis es angeführt w i r d . Dann ist es allerdings ebenso unanfechtbar w i e t r i v i a l . M a n kann i n verschiedenen Sätzen verschiedene Eigenschaften ein u n d desselben Individuums feststellen, u n d es wäre allerdings falsch, aus den verschiedenen Sätzen auf mehrere I n d i v i d u e n zu schließen. Aber, ob m a n es überhaupt m i t ein oder mehreren I n d i v i d u e n zu t u n hat, hängt davon ab, was m a n i n dem betreffenden Zusammenhang als I n d i v i d u u m anerkennt. U m bei dem klassisch gewordenen Schimmel-Beispiel zu bleiben: Sicher handelt es sich hier n u r u m ein Pferd. Aber daß n u r ein I n d i v i d u u m gegeben ist, setzt voraus, daß m a n sich zuvor darüber geeinigt hat, über Pferde zu sprechen u n d nicht z. B. über Pferdarten oder Pferdequalitäten. Geht m a n etwa von Pferdequalitäten als I n d i v i d u e n aus, so ergibt sich, daß man es hier m i t zwei Individuen, nämlich der Pferdequalität Schimm e l u n d der Pferdequalität Hengst zu t u n hat. 3 Dieser V o r w u r f w i r d der Mehrheitstheorie auch gemacht, etwa von Maurach A T § 5 4 1 3 , Baumann A T 5. Aufl., § 3812 a, a m deutlichsten von Mezger StB 9. Aufl., S. 247.
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Nach der Mehrheitstheorie k a n n v o n einer V o l l - u n d T e i l i d e n t i t ä t v o n V e r b r e c h e n n u r d a n n gesprochen w e r d e n , w e n n d i e N o r m w i d r i g k e i t e n ganz oder t e i l w e i s e i d e n t i s c h sind. Das i s t n u r d a n n m ö g l i c h , w e n n die I n t e n s i o n e n , also die Eigenschaften, d i e i n e i n e m T a t b e s t a n d a u f g e f ü h r t sind, ganz oder w e n i g s t e n s t e i l w e i s e auch i n d e m a n d e r e n T a t b e s t a n d e n t h a l t e n s i n d (es w i r d noch i m e i n z e l n e n z u u n t e r s u c h e n sein, w a s u n t e r diesem V e r h ä l t n i s zwischen Eigenschaften z u v e r s t e h e n ist), u n d n i c h t schon, w e n n sich d i e e r f a ß t e n „ r e a l e n G e g e n s t ä n d e " ganz oder t e i l w e i s e decken. D e n n , w i e gezeigt, k o m m t eine T a t b e s t a n d s b e s c h r e i b u n g i n e i n e m T e x t , aus d e m sich die V e r l e t z u n g der b e t r e f f e n den B e s t i m m u n g s n o r m ergibt, intensional u n d nicht n u r extensional vor5. So i s t es n i c h t e r s t a u n l i c h , daß der N o r m e n t h e o r e t i k e r B i n d i n g d e r gesetzlichen R e g e l u n g d e r T a t e i n h e i t nichts a b g e w i n n e n k o n n t e u n d sie f ü r das E r g e b n i s e i n e r falschen, w e i l z u äußerlichen, B e t r a c h t u n g s weise der Strafgesetze h i e l t 6 . Z w i n g e n d e r g i b t sich dies a l l e r d i n g s aus der i n t e n s i o n a l e n I n t e r p r e t a t i o n der T a t b e s t ä n d e i m Strafgesetz noch n i c h t . Es w ä r e j a d e n k b a r , daß a l l e T a t b e s t ä n d e i n t e n s i o n a l t e i l i d e n t i s c h sind. D e r größte T e i l der V e r t r e t e r der M e h r h e i t s t h e o r i e g e h t a l l e r d i n g s dieser M ö g l i c h k e i t n i c h t w e i t e r nach 7 . 4 Schmidhäuser A T 18/38 Fußn. 30, Mösl L K 9. Aufl. vor § 73 a. F. Rdnr. 1, Dreher / Tröndle v o r § 52 Rz. 4, Schänke / Schröder 14. Aufl. zu § 73 a. F. Rz. 4, Meyer A T S. 412, Frank zu §73 a. F. A n m . 1, Honig Studien S. 3 Fußn. 7, Binding H d B S. 270 ff., der allerdings auch unter einer Handlung i m strafrechtlichen Sinne nichts anderes als eine Normverletzung versteht. 5 Binding , der von einem inhaltlich durch die Tatbestandsbeschreibung bestimmten Handlungsbegriff ausgeht, hält konsequenterweise eine V e r letzung mehrerer Normen durch eine Handlung n u r dann f ü r möglich, w e n n zwei „gleichinhaltliche" (gemeint ist offenbar dasselbe w i e intensionsgleiche) Normen nebeneinander anwendbar sind, w e i l sie z. B. verschiedenen k o l l i dierenden Rechtsordnungen entstammen, vgl. H d B S. 569. β Vgl. H d B S. 570 ff. Ob Binding allerdings darin i m Recht ist, daß er aus der Mehrheitstheorie u n d aus seinem tatbestandsabhängigen Handlungsbegriff auf die Unhaltbarkeit des Begriffs der Idealkonkurrenz u n d ihrer Sonderregelung schließt, w i r d noch zu überprüfen sein. 7 Die Vorstellung von einer solchen Teilidentität aller Tatbestände könnte allerdings einer E r k l ä r u n g zugrundeliegen, die von Vertretern der M e h r heitstheorie, z. B. Meyer A T 1953 S. 408, f ü r die Sonderregelung der Strafrahmenkombination bei Idealkonkurrenz angeführt w i r d . A u f sie berufen sich auch Autoren, die den Streit zwischen Einheits- u n d Mehrheitstheorie zwar für obsolet halten, sich aber i n der Terminologie u n d i n der Ablehnung eines tatbestandsapriorischen Handlungsbegriffs der Mehrheitstheorie anschließen, so von Geerds S. 259, Samson S K zu § 52 Rdnr. 2, Schönke / Schröder / Stree zu § 52 Rz. 1. Diese E r k l ä r u n g geht dahin, daß durch die mildere Behandlung der Idealkonkurrenz einem Schuldgesichtspunkt Rechnung getragen werde. D a m i t dürfte gemeint sein, daß alle Tatbestände ein gemeinsames Schuldmoment enthalten, das i n jeder strafbaren Handlung gleichermaßen a u f t r i t t u n d doppelt verwertet würde, wenn mehrere Strafgesetze auf eine Handlung ebenso selbständig angewandt w ü r d e n wie auf mehrere. Baumgarten, der sich selbst als Einheitstheoretiker versteht, nennt dieses
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D i e A n h ä n g e r der M e h r h e i t s t h e o r i e v e r z i c h t e n ü b e r h a u p t w e i t g e h e n d auf eine E r k l ä r u n g der S o n d e r b e h a n d l u n g der I d e a l k o n k u r r e n z , ebenso w i e die A u t o r e n , die i m S t r e i t zwischen E i n h e i t s - u n d M e h r h e i t s t h e o r i e k e i n e P a r t e i e r g r e i f e n w o l l e n , w e i l sie i h n f ü r i r r e l e v a n t h a l t e n 8 . D a b e i lehnen viele v o n ihnen, Mehrheitstheoretiker w i e „Neutralisten", nicht n u r d e n Satz der E i n h e i t s t h e o r i e ab, daß e i n V e r b r e c h e n eine H a n d l u n g sei, m i t s a m t d e n logischen A r g u m e n t e n , die diese f ü r sich d a r a u s a b z u l e i t e n versucht, sie b e s t r e i t e n schon d e r e n t a t b e s t a n d s a p r i o r i s c h e n B e g r i f f d e r H a n d l u n g s e i n h e i t , w e i l sich erst u n t e r d e m B l i c k w i n k e l des e i n z e l n e n Tatbestandes e r g i b t , w a s ü b e r h a u p t als eine E i n h e i t erscheint u n d v o n Rechts w e g e n als E i n h e i t b e h a n d e l t w e r d e n m u ß 9 . U n d doch sprechen b e i d e G r u p p e n v o n I d e n t i t ä t u n d T e i l i d e n t i t ä t m e h r e r e r Tatbestands Verwirklichungen, w e n n „ e i n e H a n d l u n g " oder „ e i n e W i l l e n s b e t ä t i g u n g " oder „ e i n e K ö r p e r b e w e g u n g " m e h r e r e T a t b e s t ä n d e ganz oder t e i l w e i s e e r f ü l l t . Sie m a c h e n d a m i t A n l e i h e n b e i d e r E i n h e i t s t h e o r i e 1 0 . D e n n diese s t e l l t e i n e n H a n d l u n g s b e g r i f f z u r V e r f ü g u n g , Moment „die einmalige Auflehnung gegen die höhere Ordnung", vgl. F r a n k Festschrift S. 192 f., gegen diese E r k l ä r u n g der Idealkonkurrenz Maiwald S. 99, näher dazu u. K a p i t e l I I I 2. 8 So Schmidhäuser A T 18/38, Vogler L K v o r § 52 Rz. 6, Jescheck A T § 67, Welzel L B § 29, Maiwald S. 63 f. Auch von den i n Fußn. 7 zitierten Autoren k a n n m a n k a u m sagen, daß sie die besondere gesetzliche Regelung der Tateinheit erklären, da sie sich m i t dem Hinweis auf eine nicht weiter beschriebene Schulddifferenz zwischen Handlungseinheit u n d Handlungsmehrheit begnügen u n d damit m i t einem Appell an ein unmittelbares Evidenzerlebnis des Rechtsgefühls. 9 So Frank zu § 74 a. F. A n m . I, Honig Studien S. 13, Schmidhäuser AT 18/38 Fußn. 30, u n d als „Neutralisten" Geerds S. 249, Welzel L B § 29 11, Jescheck A T § 66 I 2, Maiwald S. 67 u n d S. 93 ff., vgl. auch Otter S. 153 ff., insbesondere S. 187. Daß Binding , f ü r den Handlung i m strafrechtlichen Sinne nichts anderes ist, als die V e r w i r k l i c h u n g des rechtlich relevanten u n d d. h. i m Strafrecht des inhaltlich auf eine Normverletzung gerichteten Willens, vgl. H d B S. 565, einen vorrechtlichen Handlungsbegriff nicht anerkennen kann, versteht sich, vgl. H d B S. 517 ff., insbesondere S. 565 ff. Er drückt am deutlichsten jene von der klassischen Einheitstheorie fundamental verschiedene letztlich wissenschaftstheoretische Position aus, die uns w o h l berechtigt, a l l diejenigen, die ebenfalls einen tatbestandsapriorischen Handlungsbegriff ablehnen, eher den Mehrheitstheoretikern als den Einheitstheoretikern an die Seite zu stellen, w e n n er S. 520 schreibt: „ A u s den verschiedensten Gesichtspunkten k a n n über dasselbe Geschehen . . . das U r t e i l gefällt werden, es stelle eine Einheit dar oder enthalte eine Mehrheit von Vorgängen. Die Sicherheit dieses allzeit schwierigen Urteils entfällt ganz, w e n n man nicht den Standpunkt genau präzisiert u n d den Bestimmten t a t k r ä f t i g u n d unverw i r r t festhält" u n d ebenda S. 565 „Was außerhalb des Rechts Handlung ist oder heißt, ist für dessen Bereich gleichgültig". Besonders nachdrücklich stellt die Frage nach dem Gesichtspunkt, von dem aus die „natürliche Handlung" i. S. v o n Liszt als Einheit erscheint auch Finger L B Bd. 1 S. 367 u n d Fußnote 475. 10 So Schmidhäuser A T 18/39 f., Welzel L B § 301, Jescheck A T § 67 I I , Maiwald S. 100, Otter S. 192, Honig Studien S. 27 f., S. 32 ff., S. 57, vgl. auch GS 92, S. 116, Frank zu § 73 a. F. A n m . 1, der die Notwendigkeit einer einheitlichen Beurteilung idealkonkurrierender Verbrechen ganz i m Sinne der
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der das begreift, was identisch sein soll, und begründet seine Relevanz für das Strafrecht eben m i t dem Satz „Verbrechen ist Handlung". Aus einem tatbestandsabhängigen Handlungsbegriff folgt i n den Fällen der sog. ungleichartigen Idealkonkurrenz das Vorliegen mehrerer Handlungen, die identisch zu nennen falsch und teilidentisch zu nennen sinnlos wäre 1 1 . Von irgendeiner Teilidentität der Handlungen kann Einheitstheorie m i t dem aus dem Prozeßrecht entlehnten Satz „ne bis i n idem" zu erklären sucht. Geerds schreibt S. 275: „ W e n n das Gesetz bestrebt ist, auch i n gewissen Fällen der Verbrechensmehrheit, die Strafgesetze einheitlich anzuwenden, so erscheint dies i n besonderem Maße da angebracht, w o ein einziger tatsächlicher Ausführungsakt wegen der Abstraktheit der Tatbestände verschiedenen Strafgesetzen u n t e r f ä l l t " (Hervorhebungen nicht i m Original); auch S. 315 f., spricht er v o n „ I d e n t i t ä t der Ausführungsakte". A l l e diese Autoren wenden ohne weiteres die sog. „ F o r m e l des R G " an, die dieses erstmalig i n R G 32, 137 aufgestellt u n d die der B G H zuletzt i n B G H 27, 66 (67) bestätigt hat. Näher dazu Honig Studien S. 26 ff., Maiwald S. 15. Danach ist Voraussetzung von Idealkonkurrenz, „daß die Willensbetätigungsakte, durch welche der Tatbestand der verschiedenen strafbaren Handlungen hergestellt w i r d , w e n n nicht vollständig, so doch zu einem T e i l dergestalt zusammenfallen, daß mindestens ein T e i l der einheitlichen Handlung zur Herstellung des Tatbestandes beider Delikte m i t w i r k t " . Das RG, das die Möglichkeit der Bestimmung eines tatbestandsunabhängigen Begriffs des „Willensbetätigungsaktes" nicht anzweifelt, konnte diese Formel ohne weiteres anwenden. A b e r w e r einen tatbestandsapriorischen Handlungsbegriff ablehnt, k a n n diese Formel nicht übernehmen, ohne zu erklären, was er unter „ I d e n t i t ä t der Ausführungshandlungen" (Geerds S. 315), „Deckung der realen A k t e " (Maiwald S. 100), „ V o l l - oder Teilidentität einzelner tatbestandsmäßiger Handlungen i m objektiven Tatbestand" (Otter S. 192) versteht, w i e diese Beziehung i m Einzelfall festzustellen ist u n d w a r u m sie maßgebend f ü r die Idealkonkurrenz ist. Auch Honig ist eine A n t w o r t auf die ersten beiden Fragen schuldig, obwohl er die „ F o r m e l des R G " i n ihren Ergebnissen f ü r u n b i l l i g hält, vgl. Studien S. 34, S. 37, S.40ff., GS 92 S. 116. Denn er attestiert der „ F o r m e l " immerhin, daß sie „ e i n dogmatisch brauchbares, w e i l eindeutig erfaßbares K r i t e r i u m f ü r das Zusammentreffen der Handlungen" bietet (Studien S. 40) u n d daß sie „auf dogmatisch sicherem Boden" stehe (GS 92 S. 116), ähnlich u r t e i l t Maiwald i n N J W 78 S. 302 f. n Wenn Finger i n L B Bd. I S. 367 Fußnote 475 schreibt: „Gegen den Satz ,liegt n u r eine Handlung vor, so ist m i t h i n n u r ein Verbrechen gegeben* (von Liszt) läßt sich nicht ankämpfen, w e i l er nichtssagend ist", solange eine allgemeine tatbestandsunabhängige Begriffsbestimmung der Handlung nicht gegeben w i r d , so ist diesem E i n w a n d gegen die h. L. v o n der Idealkonkurrenz nicht, w i e Baumgarten Idealkonkurrenz S. 13 meint, allein m i t dem Hinweis zu begegnen, „nicht u m Einheit handelt es sich vor allem, sondern u m Ident i t ä t " . Ganz w i e Baumgarten argumentieren heute noch die Anhänger der „ F o r m e l des RG", am deutlichsten Otter, der, nachdem er die Möglichkeit einer tatbestandsapriorischen Bestimmung der einzelnen Handlung abgelehnt hat, S. 193 schreibt: „Es werden bei Konkurrenzproblemen (auch bei Idealkonkurrenz) mehrere gesetzesverletzende Handlungen verglichen . . . Einheit i. S. des § 73 liegt bei Identität tatbestandsmäßiger Handlungen vor." Offensichtlich handelt es sich hier nicht, w i e meistens, w e n n m a n von identischen Gegenständen i m P l u r a l spricht, u m eine der K ü r z e u n d Bequemlichkeit halber i n K a u f genommene sprachliche Unrichtigkeit. E i n solcher scheinbarer Widerspruch entsteht, w e i l m a n zunächst die Gegenstände als verschiedene ansieht u n d erst dann feststellt, daß „sie identisch sind", was heißen soll, daß entgegen der ursprünglichen Annahme n u r ein einziger Gegenstand der betreffenden A r t vorliegt. Otter u n d m i t i h m die Anhänger der
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dann schon deshalb nicht gesprochen werden, weil es ohne Anerkennung eines tatbestandsunabhängigen Begriffs von einer Einheit oder einem Individuum und seiner Verbindlichkeit für das Strafrecht nicht möglich wäre, den Teil überhaupt zu bezeichnen, der hier identisch sein soll, und die Relevanz dieser Teilidentität zu erklären 1 2 . Ob man „ F o r m e l " halten aber an der Verschiedenheit der „identischen oder teilidentischen" Handlungen ganz ausdrücklich fest, indem sie keinen allgemeinen Handlungsbegriff anerkennen. Es gäbe zwei Möglichkeiten, diesen W i d e r spruch aufzulösen, aber f ü r keine v o n ihnen machen die Anhänger der „ F o r mel" die erforderlichen Angaben. Zunächst könnte hier unter „ I d e n t i t ä t " eine andere Beziehung zwischen verschiedenen Gegenständen gemeint sein, irgendeine Gleichheit, z.B. Zeitgleichheit, Gleichheit des Entschlusses oder der Motivation, aus denen die verschiedenen Handlungen hervorgegangen sind, sog. „uneigentliche Ident i t ä t " (Carnap A u f b a u S. 218). A b e r die Anhänger der „ F o r m e l " legen sich auf keine dieser Beziehungen fest u n d auch nicht auf alle zusammen, sondern sehen es gerade als einen V o r t e i l der „ F o r m e l " an, daß sie diese Festlegung erspare. Die zweite Interpretation, die den Widerspruch aufheben würde, besteht darin, w o h l eine Identität i m strengen Sinne anzunehmen, aber nicht z w i schen den genannten Gegenständen, also den Tatbestandsverwirklichungen oder den tatbestandsmäßigen Handlungen, sondern Identität eines Gegenstandes höherer Ordnung, z. B. einer Klasse, als deren Repräsentanten die beiden genannten Gegenstände gleichermaßen genommen werden, so daß n u r scheinbar von den beiden Gegenständen gesprochen w i r d , i n W i r k l i c h k e i t aber jene eine (identische) Klasse gemeint ist, v o n der beide Elemente sind (vgl. Carnap ebenda). Eine Handlung wäre also eine Klasse von Tatbestandsverwirklichungen, die „handlungsgleich" sind. A b e r dann müßte eine t a t bestandsunabhängige Bestimmung wenigstens dieser Eigenschaft gegeben werden können, die Verwirklichungen verschiedener Tatbestände gemeinsam haben können u n d e r k l ä r t werden, w a r u m diese Eigenschaft ihre Zusammenfassung zu einem einzigen Gegenstand (höherer Stufe) f ü r die strafrichterliche Beurteilung notwendig macht. Aber auch auf einen solchen Begriff der H a n d l u n g als Klasse v o n Tatbestandsverwirklichungen m i t einer gemeinsamen Eigenschaft legen sich die Mehrheitstheoretiker ebensowenig fest w i e die „Neutralisten". Wie m a n sieht, laufen beide Interpretationsversuche i n h a l t lich auf das gleiche hinaus u n d setzen damit die Mehrheitstheorie dem gleichen E i n w a n d der Unvollständigkeit aus. Z u einer dritten, der zweiten nahe verwandten Methode der E r k l ä r u n g der „ F o r m e l " als Identitätsfeststellung s. die folgende Fußnote. 12 Es gibt allerdings ein logisches Verfahren, m i t dem m a n die Handlung als eine Einheit konstituieren könnte, zu der verschiedene Tatbestandsverwirklichungen gehören können, obwohl m a n v o n den Tatbestandsverwirklichungen als I n d i v i d u e n ausgeht u n d nicht v o n den Handlungseinheiten. Das ist die von Carnap i n A u f b a u S. 96 ff. entwickelte sog. Quasianalyse, eine Synthese, deren Resultat i n mancher Hinsicht w i e ein Bestandteil jedes der Ausgangsgegenstände behandelt werden kann, i n W i r k l i c h k e i t aber ein selbständiger K o m p l e x ist u n d daher als Quasibestandteil bezeichnet w i r d . Das Verfahren besteht darin, daß man, ausgehend v o n den Individuen, Gleichheitsbeziehungen oder Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen einzelnen von ihnen festlegt, z. B. Gleichfarbigkeit von Körpern, u m dann die Klasse derjenigen I n d i v i d u e n zu bestimmen, die zueinander i n dieser Gleichheits- oder Ähnlichkeitsbeziehung stehen, sog. Abstraktionsklassen oder Ähnlichkeitskreise. So k a n n m a n etwa eine Farbe konstituieren als eine Klasse gleichfarbiger Gegenstände. M a n braucht dazu nicht zu wissen, was diese Farbe, etwa die Farbe Blau, ist oder w a n n ein K ö r p e r b l a u ist, sondern nur, w a n n 3 Puppe
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diesen E i n h e i t s b e g r i f f d a n n H a n d l u n g s e i n h e i t n e n n t oder auch V e r brechenseinheit oder stattdessen n u r v o n I d e n t i t ä t v o n A u s f ü h r u n g s a k t e n , W i l l e n s b e t ä t i g u n g e n oder E l e m e n t a r h a n d l u n g e n spricht, i s t v o n u n t e r g e o r d n e t e r B e d e u t u n g . E n t s c h e i d e n d ist, daß l e t z t l i c h doch eine tatbestandsapriorische E i n h e i t des B e u r t e i l u n g s g e g e n s t a n d e s a n e r k a n n t w i r d , d e r e n G r u n d m a n i n tatsächlichen G e g e b e n h e i t e n oder i n e i n e m außerrechtlichen, aber f ü r das Recht g l e i c h w o h l v e r b i n d l i c h e n a l l g e m e i n e n V o r v e r s t ä n d n i s z u finden g l a u b t . Dies geschieht, w e i l d e m Gesetz selbst anscheinend anders n i c h t R e c h n u n g z u t r a g e n ist.
zwei Körper v o n gleicher Farbe sind. (Unter gewissen ungünstigen Umständen k a n n man dann allerdings zwei Farben nicht mehr unterscheiden, nämlich, w e n n die eine n u r zusammen m i t der anderen an K ö r p e r n vorkommt, vgl. Carnap A u f b a u S. 96.) M a n könnte n u n versuchen, die Position der Anhänger der „ F o r m e l " als Anwendung dieses Verfahrens zu erklären. Sie betonen nämlich, daß man zunächst die Tatbestandsverwirklichungen haben muß, ehe man feststellen kann, welche von ihnen i n Handlungseinheit stehen, so am deutlichsten Maiwald S. 100 u n d Otter S. 192. Die Formel selbst stellt eine Beziehung zwischen Tatbestandsverwirklichungen dar u n d zwar eine Teilgleichheit, u n d die Handlungseinheit ist die Klasse aller Tatbestandsverwirklichungen, die zueinander i n dieser Beziehung stehen. Aber dazu wäre zunächst erforderlich, daß statt der Bestimmung der einzelnen Handlung, des Ausführungsakts oder des Willensbetätigungsaktes (RG 32, 137) angegeben würde, unter welcher Bedingung sich zwei Tatbestandsverwirklichungen „ganz oder teilweise decken" (Maiwald S. 100), „vollständig oder zu einem T e i l zusammenfallen" (RG a.a.O.), „ v o l l oder teilweise i m objektiven Tatbestand identisch sind" (Otter S. 192). Es versteht sich, daß man dabei nicht auf die „ I d e n t i t ä t " der Ausführungshandlungen, Willensakte u. ä. Bezug nehmen kann, die man als vorgegebene I n d i v i d u e n j a nicht anerkennt, sondern erst als quasianalytische Bestandteile der Tatbestandsverwirklichungen aus diesen konstitutieren w i l l . Die Gleichzeitigkeit wäre eine hierfür formal durchaus geeignete Beziehung zwischen Tatbestandsverwirklichungen. Eine Handlungseinheit wäre danach die Klasse aller Tatbestandsverwirklichungen (für andere Tätigkeiten interessieren w i r uns j a nicht), die von einem Täter ganz oder teilweise gleichzeitig vorgenommen worden sind. Aber man ist sich heute einig darüber, daß Gleichzeitigkeit für die H a n d lungseinheit nicht genügt, vgl. statt aller Warda JuS 64 S. 88 m i t Nachweisen, Honig Studien S. 21, näher u. K a p i t e l I V 5. Aber auch w e n n es gelingt, diese Beziehung ohne implizite Voraussetzung eines tatbestandsunabhängigen allgemeinen Handlungsbegriffs zu bestimmen, oder wenn man sie als Undefinierte Grundbeziehung akzeptiert, bleibt noch eine weitere Frage zu beantworten: W a r u m ist f ü r zwei Tatbestandsverwirklichungen n u r eine Strafe zu verhängen, w e n n sie i n dieser Beziehung der Handlungseinheit zueinander stehen? Die Konstitution der Handlung durch Quasianalyse h i l f t bei der Beantwortung dieser Frage nicht weiter. Denn sie ändert gerade nichts daran, daß es sich u m zwei verschiedene I n d i v i d u e n handelt, sondern setzt dies gerade voraus. Sie berechtigt lediglich dazu, von den beiden so i n Beziehung stehenden I n d i v i d u e n zu sagen, daß sie eine gemeinsame Eigenschaft haben, die, zu einer Klasse zugehören, die w i r „eine Handlung" nennen. Es bleibt aber darzutun, w i e diese gemeinsame Eigenschaft verschiedener I n d i v i d u e n (!) ihre Zusammenfassung zu einem Gegenstand der Strafzumessung rechtfertigt u n d w a r u m nicht das einzelne I n d i viduum, sondern eine Klasse von I n d i v i d u e n (die u. U. allerdings n u r ein Element haben kann) das Bezugsobjekt der Strafe ist.
2. Die Einheits- u n d Mehrheitstheorie
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Hat man aber einmal einen solchen Begriff einer Einheit anerkannt, die unter verschiedene Tatbestände fallen kann, so w i r d man ihn zweckmäßigerweise m i t dem Gesetz „Handlung" oder „Handlungseinheit" nennen. Man hat damit einen Begriff des Gegenstandes aller strafrechtlichen Beurteilung, der die Individuen oder die Elemente der Klassen bestimmt, die die einzelnen Tatbestände erfassen. Danach läßt sich aber weder der Satz „Verbrechen ist Handlung" noch der Satz „Verbrechen ist Normverletzung oder Tatbestandsverwirklichung" für sich allein widerlegen. Denn der erste Satz n i m m t auf die Extensionen und der zweite auf die Intensionen der strafgesetzlichen Tatbestände Bezug. Die gesetzlichen Beschreibungen der Voraussetzungen von Straf barkeit haben aber wie jeder richtig gebildete Ausdruck sowohl eine Extension als auch eine Intension. Geht man davon aus, daß ein Verbrechen das ist, was ein Straftatbestand „meint" oder beschreibt, so ist die Frage, ob ein Verbrechen eine Handlung ist oder eine Normverletzung, sinnlos, solange nicht klargestellt ist, ob unter dem „Gemeinten" oder „Beschriebenen" die Extension oder die Intension des Tatbestandes verstanden wird. Diese Klarstellung des Verbrechensbegriffs scheint aber eine Sache des definitorischen Beliebens zu sein. So ist es nicht verwunderlich, daß der alte Streit zwischen Einheits- und Mehrheitstheorie heute als unfruchtbar fast ad acta gelegt ist und Jescheck allgemeine Zustimmung findet, wenn er ihn als „wenig mehr als einen Streit um Worte" charakterisiert 13 . Aber dieser ausgiebige und manchmal auch heftige „Streit um Worte" wie er u m die Jahrhundertwende geführt wurde 1 4 , könnte wohl kaum allein damit erklärt werden, daß allen Beteiligten vollständig entgangen war, daß es sich u m eine Frage des definitorischen Beliebens handelt. Dies, obwohl wie gezeigt 15 , der Mangel an Unterscheidung zwischen definitorischen Festlegungen, analytischen Sätzen und Tatsachenbehauptungen die ganze Auseinandersetzung geprägt und verdunkelt und schließlich ihr klägliches Ende herbeigeführt hat. I n der Tat ging es hier um mehr als einen Streit u m Worte und Begriffsdefinitionen oder ein besonders hartnäckiges gegenseitiges Mißverständnis. Der Ausdruck „Verbrechen" war, so wie er i n den Streit is Jescheck A T § 67 11, Schönke / Schröder / Stree zu § 52 Rz. 3, Maiwald S. 63 f., Geerds S. 325 f., schon Honig ging auf diesen Streit n u r zögernd ein u n d nur, u m ein psychologisches Hindernis für die Einführung der v o n i h m verfochtenen Einheitsstrafe zu beseitigen, vgl. Studien S. 3, Fußnote 7. 14 Vgl. nur die Kontroverse zwischen Binding H d B S. 517 ff. u n d Liszt Rechtsgut u n d Handlungsbegriff i n Bindings Handbuch, der dem v o n i h m vertretenen naturalistischen Verbrechensbegriff i m m e r h i n soviel Relevanz beimißt, daß er durch i h n die ganze Normentheorie Bindings desavouiert sieht, vgl. S. 246. 15 Vgl. Fußnote 1 i n diesem Kapitel. 2*
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eingeführt wurde, nämlich kein Leerausdruck mehr, für den eine passende Bedeutung lediglich nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu bestimmen war. Beide Parteien gingen vielmehr übereinstimmend davon aus, Verbrechen das zu nennen, was den Grund einer Strafe ausmacht und ihr Maß bestimmt, soweit sie Tatstrafe ist, also das, was i n Ausdrücken wie „Tatunrecht", „Tatschuld", „Tatstrafe" unter „ T a t " verstanden wird. Damit stand eine Frage zur Diskussion, deren Relevanz über die Konkurrenzlehre und die Erklärung des § 52 hinaus sich auf die gesamte Strafzumessung erstreckt. Nun ist die Frage „Was ist der Grund der Strafe?" eine recht vage Formulierung. Einheitstheorie wie Mehrheitstheorie haben sie so zu präzisieren versucht: „Beschreibt ein Strafgesetz eine Handlung oder eine Normwidrigkeit?" W i r haben gesehen, daß diese Formulierung sehr unglücklich, wenn nicht gar sinnlos ist. Denn vorausgesetzt, daß es einen allgemeinen Begriff der Handlung gibt, so daß jede Tatbestandsverwirklichung auch eine Handlung ist (oder auch mehrere Handlungen), beschreibt jeder Straftatbestand Handlungen. Andererseits ergibt sich die Richtigkeit der Behauptung, daß jeder Tatbestand eine Normwidrigkeit beschreibt, schon daraus, daß das, was er beschreibt, verboten ist. Nach der von Carnap sog. „Methode der Extension und Intension" ist die Frage so zu formulieren: „ K o m m t i n einem Strafgesetz die Tatbeschreibung i n einem extensionalen oder nur i n einem intensionalen Kontext vor, d.h. ist sie i m Strafgesetz gegen einen Ausdruck m i t gleicher Extension oder nur gegen einen m i t auch gleicher Intension austauschbar?" Dabei verwerten w i r unser Ergebnis des vorhergehenden Abschnittes, daß i n einem Satz, der eine Normwidrigkeit feststellt, die Handlungsbeschreibung i n einem intensionalen Kontext steht, w e i l sie nicht durch eine andere Beschreibung der gleichen Handlung ersetzt werden kann. W i r verwerten aber i n gewissem Sinne auch den Satz, „Verbrechen ist Handlung", indem w i r davon ausgehen, daß die Extension eines Tatbestandes eine Klasse von Handlungen ist. Dies w i r d i m folgenden Abschnitt noch näher erläutert werden. M i t der Beantwortung dieser Frage i m Sinne der Einheits- oder der Mehrheitstheorie ist freilich noch nicht ohne weiteres darüber entschieden, ob eine besondere gesetzliche Regelung der Verknüpfung von Strafrahmen, also die Abweichung von einem, wenn auch modifizierten Kumulationsprinzip, für die Handlungseinheit erforderlich oder auch nur zu rechtfertigen ist. Es w i r d damit zunächst nur geklärt, ob die logische Ableitung richtig ist, m i t der die Einheitstheorie dies begründet.
3. Die Handlung als I n d i v i d u u m i n einer Strafrechtssprache
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3. Die Handlung als Individuum in einer Strafrechtssprache Wollen w i r nun untersuchen, ob sich die gesetzlichen Strafdrohungen auf die Extensionen oder nur auf die Intensionen der Tatbestände beziehen, so können w i r nicht einfach die Probe aufs Exempel machen und i n ein Strafgesetz für die Tatbestandsbeschreibung einmal einen intensionsgleichen und einmal nur einen extensionsgleichen Ausdruck einsetzen, um dann festzustellen, ob der Rechtssatz gültig bleibt. Denn die Aufgabe, für irgendeinen, auch den einfachsten Tatbestand einen Ausdruck zu finden, der m i t i h m extensionsgleich ist, aber andere Intensionen hat, dürfte kaum zu lösen sein. Das bedeutet nämlich nichts geringeres, als Bedingungen anzugeben, die immer dann und nur dann erfüllt sind, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, von denen aber keine ihrem Sinn nach i m Tatbestand vorkommt. Damit hängt es übrigens auch zusammen, daß man die Unrechtstypen nicht i n wertfreie Tatbestände fassen kann. Bei der Erörterung der Frage, ob sich die Feststellung einer Normverletzung auf eine Intension oder eine Extension bezieht, war diese Schwierigkeit deshalb nicht aufgetaucht, weil w i r dort einzelne Fälle normwidrigen Handelns herausgreifen und ganz beliebig abgrenzen konnten. W i r können also die Extension eines Tatbestandes unabhängig von seiner Intension gar nicht bestimmen, sondern allenfalls andeuten, indem w i r auf irgendeine Oberklasse zurückgreifen, der alle V e r w i r k lichungen des Tatbestandes angehören, die übrigens nicht notwendig das genus proximum der Tatbestandsverwirklichung sein muß, und dann die Tatbestandsverwirklichungen eben als irgendeine Unterklasse davon bezeichnen, deren Begrenzung w i r aus dem oben dargelegten Grund offenlassen müssen. So erhalten w i r Sätze wie „Diebstähle sind eine bestimmte A r t von Lebensvorgängen" oder „Kindestötungen sind eine bestimmte Klasse von Handlungen" oder schließlich „Verbrechen sind bestimmte Klassen von Handlungen, die das Gesetz besonders als strafbar kennzeichnet" oder auch „Einbrüche sind eine bestimmte Klasse von Diebstählen" oder „Kindstötungen sind eine Klasse von Tötungen". Dieses Vorgehen birgt aber eine besondere Gefahr. Denn auch der Ausdruck, m i t dem w i r die Oberklasse bezeichnen, hat ja, wie jeder andere auch, nicht nur eine Extension, sondern auch eine Intension. Es kann also passieren, daß i n die folgende Analyse des Strafgesetzes nun die neuen Intensionen dieser Oberklassen eingehen, hier also die Intensionen der Ausdrücke „Handlung" oder „Lebensvorgang" oder auch „Diebstahl" und „Tötung", obwohl diese Tatbestandsbeschreibungen doch nur extensional interpretiert werden sollten. Es scheint also, daß man den Intensionen nicht entgehen kann, jedenfalls nicht, solange man sich einer natürlichen Sprache als Objektsprache bedient. W i r kommen also, da w i r i n der Umgangssprache
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I . Das Strafgesetz als extensionaler und intensionaler K o n t e x t
keine Ausdrücke für Intensionen haben, i n die Gefahr, m i t den neuen Ausdrücken, durch die w i r die Extensionen der Tatbestände andeuten wollen, neue Intensionen gewissermaßen einzuschleppen und anhand dieser neuen Intensionen zu Identitäten oder Teilidentitäten von Tatbeständen zu kommen, die i n den Gesetzestexten selbst gar nicht enthalten sind. Dann bleibt also nur übrig, die Extensionen von Tatbeständen nur m i t den gesetzlichen Ausdrücken selbst zu beschreiben m i t dem Zusatz, daß diese nur auf ihre Extensionen hin zu betrachten sind, also von der Klasse der Vorkommen von Totschlag, Diebstahl, schwerem Raub usw. zu sprechen. Anhand solcher Ausdrücke können w i r aber die Extensionen von Tatbeständen nur noch anhand ihrer Intensionen vergleichen und Identitäten nur feststellen, wenn sie nicht nur für die Extensionen, sondern auch für die Intensionen bestehen. U m aber zu prüfen, ob ein Ausdruck i n einem Kontext extensional vorkommt, brauchen w i r zum Austausch gerade einen Ausdruck, der i h m nur extensionsgleich ist, aber eine andere Intension hat. Damit ist auch die zuletzt angedeutete Methode der Beschreibung von Extensionen in der natürlichen Sprache für uns unbrauchbar. Künstliche Sprachen entgehen dem Dilemma, indem sie zunächst die Individuen festlegen, auf die sie sich beziehen, beispielsweise RaumZeitpunkte i n einer physikalischen Koordinatensprache 1 . Dann kann man verschiedene Klassen solcher Individuen bilden, beispielsweise durch Aufzählen oder durch Zusammenfassung all derer, die eine Eigenschaft gemeinsam haben, durch Bildung von Vereinigungsklassen oder Durchschnittsklassen aus bereits vorhandenen. Nun ist es möglich, Intension und Extension des Ausdrucks „ A " , der eine Eigenschaft bezeichnen soll, exakt zu unterscheiden: Seine Intension ist eben die Eigenschaft A und seine Extension die Klasse der Individuen i n dieser Kunstsprache, die die Eigenschaft A haben. Solange die Kunstsprache nur einen solchen Begriff der zugelassenen Individuen kennt, von denen i n ihr geredet werden soll, können w i r die Extension jedes Prädikators erster Stufe (Eigenschaftswort) m i t jedem anderen vergleichen, ohne die Intensionen zu kennen. Eine Kunstsprache kann natürlich auch verschiedene Arten von Individuen zulassen, und ohne Zweifel tun dies die natürlichen Sprachen. Es ist dann noch nicht ausgeschlossen, Extensionen und Intensionen i n i h r zu unterscheiden, selbst dann nicht, wenn jeder Klassenausdruck eine besondere A r t von Individuen als Elemente hat. Aber Vergleiche und Beziehungen zwischen den Extensionen von Klassenausdrücken sind nur dann möglich, wenn diese gleichartige Individuen umfassen. Hierin zeigt sich schon, welchen Wert eine solche Festlegung der Individuen, von denen i n einer Sprache die Rede sein soll, für deren Exaktheit, ι Vgl. Stegmüller
S. 262 ff.
3. Die Handlung als I n d i v i d u u m i n einer Strafrechtssprache
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für die Analyse ihrer Ausdrücke und die Einfachheit des i n ihr zu formulierenden wissenschaftlichen Systems hat. Wenn w i r allerdings m i t einem einzigen solchen Individualbegriff auskommen wollen, so müßte von all diesen Individuen auch alles das ausgesagt werden können, was i n der betreffenden Sprache durch Prädikatoren erster Stufe (d. h. solche, die sich auf Individuen und nicht etwa ihrerseits auf Prädikate oder Klassen beziehen) ausgesagt werden soll. Die Begriffsbestimmung des Individuums darf also keines dieser Prädikate schon enthalten, weil sonst sein kontradiktorisches Gegenteil nicht mehr von ihm ausgesagt werden könnte, ohne eine contradictio i n adjecto zu begehen, so daß dieses Prädikat ebenso gut aus dem Wortschatz der Sprache gestrichen werden könnte. Denn ein Individuum, das jene Eigenschaft haben könnte, wäre in dem so errichteten System aus logischen, d. h. aus sprachlichen Gründen unmöglich. Deshalb wählt man zur Bestimmung des Individuums jeweils den obersten Gattungsbegriff, über dessen Anwendungsbereich hinauszugehen aus sachlichen Gründen kein Interesse besteht. Diesem höchsten Gattungsbegriff hat man in der Strafrechtswissenschaft den Namen Handlung gegeben, und ein Grund für die intensiven und anhaltenden Bemühungen der Strafrechtswissenschaft um einen allgemeinen, auf alle Erscheinungsformen des Verbrechens anwendbaren Handlungsbegriff ist das Bestreben, dies Bedürfnis nach einem einzigen und allgemein bestimmten Begriff des Individuums zu befriedigen, von dem dann in der ganzen übrigen Strafrechtsdogmatik die Rede sein soll, der aber auch nicht zuletzt die Gegenstände allgemein bestimmen soll, von denen die Strafgesetze selbst i n ihren Tatbeständen sprechen. U m nichts anderes geht es, wenn die Strafrechtswissenschaft einen Begriff der Handlung sucht und fordert, um ein einheitliches Subjekt zu haben, dem alle weiteren Voraussetzungen jedes Verbrechens: Tatbestandsmäßigkeit. Rechtswidrigkeit und Schuld als Prädikate zugeordnet werden können 2 . W i r können an dieser Stelle nicht i n eine kritische Untersuchung all der Vorschläge eintreten, die zur Entwicklung eines solchen Individualbegriffs gemacht worden sind 3 , und noch 2 Vgl. Maihof er Handlungsbegriff S. 7, Radbruch Handlungsbegriff S. 71 f., Jescheck Schmidt-Festschrift S. 139, auch A T § 23 11, Engisch KohlrauschFestschrift S. 5441, Liszt / Schmidt L B S. 153 Fußn. 1, Liszt L B S. 110 ff., Mezger L B S. 95, Mezger / Blei StB § 18, § 19; w o h l auch Baumann A T § 16 I u n d Maurach A T § 14 I I , näher hierzu m. w. Nachw. Otter S. 41 f. 3 Eine ausführliche kritische Darstellung a l l dieser Handlungskonzeptionen, auch unter dem Gesichtspunkt ihrer F u n k t i o n als Grundbegriff der V e r brechenslehre, gibt neuerdings Otter, vgl. insbesondere S. 41 f. u n d S. 153 ff. Er k o m m t zu dem Ergebnis, daß w i r über keinen Handlungsbegriff verfügen, der diese von i h m sogenannte Grundfunktion erfüllen könnte, und daß w i r einen solchen auch nicht brauchen. Ä h n l i c h Roxin ZStW Bd. 74 S. 516 f., der
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weniger selbst einen solchen Begriff entwickeln. Aber da, wie i m vorhergehenden Abschnitt gezeigt, die gesamte Konkurrenzlehre m i t einem solchen stillschweigend vorausgesetzten tatbestandsapriorischen I n d i vidualbegriff der Handlung als Gegenstand des strafrechtlichen Urteilens arbeitet, sogar diejenigen, die ihn aus wissenschaftstheoretischen Erwägungen ablehnen, schließlich doch einen tatbestandsunabhängigen Begriff der Handlung, des Ausführungsakts, der Körperbewegung oder der Willensbetätigung anwenden, sind w i r hier w o h l berechtigt, zunächst probeweise davon auszugehen, daß w i r über einen solchen Begriff verfügen, um prüfen zu können, ob die Konsequenzen richtig sind, die die Einheitstheorie daraus für die Notwendigkeit des § 52 und die logische Unhaltbarkeit der Gegenposition zieht. Denn die Einheitstheorie bietet eine einfache und i n sich vollständige Erklärung dieser Vorschrift, während die Mehrheitstheorie, soweit sie nicht gegen die Unterscheidung zwischen Ideal- und Realkonkurrenz Front macht, vor der Aufgabe der Erklärung des § 52 kapituliert. Sie kommt heute, wie i m vorigen Kapitel dargestellt, kaum über Appelle an das allgemeine Rechtsgefühl hinaus und muß auch dabei letztlich noch Anleihen bei der Einheitstheorie machen, die m i t ihrem eigenen Ausgangspunkt genaugenommen nicht vereinbar sind. Damit akzeptieren w i r also i n gewissem Sinne den Satz „Verbrechen ist Handlung", aber nicht so, wie i h n die Einheitstheorie aufgefaßt hat, nämlich als Theorem, das wahr oder falsch sein kann. Es geht uns vielmehr u m die vorläufige Aufstellung einer sprachlichen Konvention, deren endgültige Annahme nicht m i t ihrer Wahrheit, sondern m i t ihrer Zweckmäßigkeit zu begründen wäre. Dementsprechend w i r d hier i n keiner Weise auch nur vorläufig oder zur Probe der Standpunkt der Einheitstheorie übernommen, daß die Handlung und die Handlungseinheit durch Naturtatsachen allem Strafrecht und aller strafrechtlichen Untersuchung vorgegeben seien 4 , durch Naturgegebenheiten wie die, daß w i r unseren Willen nicht anders als durch Körperbewegungen realisieren können 5 . W i r unterstellen hier lediglich, daß es möglich einem solchen Begriff n u r „ästhetisch architektonischen W e r t " zuerkennt, skeptisch gegenüber einem allgemeinen Begriff der Handlung als Grundbegriff der Verbrechenslehre auch Lang-Hinrichsen i n seiner Rezension von Maihof er i n JR 54 S. 89. 4 Vgl. dazu Fußn. 1 i m vorhergehenden Kapitel. 5 So etwa Liszt Aufsätze S. 242. Ohne hier näher auf die komplexe Frage eingehen zu können, w i e unsere Begriffsbestimmungen zustande kommen u n d w i e w e i t w i r i n ihrer W a h l frei sind, k a n n doch soviel gesagt werden: Aus Liszts Behauptung (die angesichts der Unterlassungsdelikte schon f ü r sich genommen zweifelhaft erscheint), daß w i r unseren W i l l e n n u r durch Körperbewegungen realisieren können, folgt noch nicht, daß die Handlung, w e i l Betätigung des Willens, notwendig eine einzige u n d einheitliche K ö r p e r bewegung sein müsse. Der G r u n d f ü r die Unschlüssigkeit dieser A r g u m e n tation ist letztlich der, daß aus Tatsachenbehauptungen, u n d seien sie noch
3. Die Handlung als I n d i v i d u u m i n einer Straf rechtssprache
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ist, für die Zwecke des Strafrechts einen Begriff der Handlung zu entwickeln, der tauglich zur Bestimmung der Individuen ist, von denen die Strafgesetze i n ihren Tatbeständen handeln, die die Gegenstände straf richterlicher Würdigung sind und m i t denen es auch die Strafrechtsdogmatik zu t u n hat. Die einzige tatsächliche Voraussetzung, die w i r dabei machen, ist die, daß ein solcher Begriff des Handlungsindividuums für die Strafrechtswissenschaft und die Praxis nützlich wäre, indem er gewisse Entscheidungen einfacher, sicherer oder durchsichtiger machen könnte, wenn man sich einmal auf ihn geeinigt hat. Diese Erwartung dürfte gerade für die Konkurrenzlehre berechtigt sein, und so unbestreitbar u n d offenkundig, allein niemals Begriffsbestimmungen abzuleiten sind. Das g i l t natürlich nicht n u r f ü r die Argumentation Liszts, sondern f ü r jede, die einen strafrechtlichen Handlungsbegriff allein m i t Tatsachenbehauptungen zu begründen sucht, z. B. für die klassische finale Handlungslehre, die uns hier n u r deshalb weniger interessiert als die Lisztsche, w e i l i h r Handlungsbegriff von vornherein weniger geeignet erscheint, als tatbestandsapriorischer eingefügt zu werden. E i n Satz w i e „Eine Handlung ist eine Körperbewegung" oder „Eine H a n d l u n g ist auf ein Ziel gerichtet" k a n n auf drei verschiedene Weisen verstanden werden: Entweder, es ist eine Festsetzung darüber, was der A u t o r m i t dem Wort Handlung i m weiteren T e x t bezeichnen w i l l ; dann ist es keine T a t sachenbehauptung, sondern eine Definition. Oder es ist eine Behauptung über einen bereits eingeführten Sprachgebrauch etwa i n dem Sinne: „ U n t e r H a n d l u n g versteht m a n gemeinhin . . . " oder „ U n t e r Handlung versteht m a n i m Strafrecht . . . " ; dann handelt es sich zwar u m eine Tatsachenbehauptung aber u m eine über den Sprachgebrauch selbst, die also nicht geeignet ist, eben diesen Sprachgebrauch zu rechtfertigen. Schließlich k a n n es auch eine Behauptung über außersprachliche Tatsachen sein, eine sog. Sacherklärung, eine Aussage über eine Eigenschaft, die erfahrungsgemäß jede Handlung aufweist, etwa i n dem Sinne „Eine Handlung ist immer m i t einer K ö r p e r bewegung verbunden" oder „Eine Handlung ist i m m e r f i n a l gesteuert"; dann ist damit ein Handlungsbegriff bereits vorausgesetzt u n d zwar einer, der gerade diese Eigenschaft nicht als M e r k m a l enthält, sonst wäre es eine analytische Aussage über eine Begriffsdefinition oder einen Sprachgebrauch, den der A u t o r bereits zuvor entweder übernommen oder selbst eingeführt hat. Näher hierzu Klug Engisch-Festschrift S. 41 ff., Engisch Welzel-Festschrift S. 345 m. w . Nachw. Es ist also falsch, w e n n Liszt Binding eine Verkennung v o n Tatsachen v o r w i r f t , w e i l dieser seinen, Liszts, naturalistischen Handlungsbegriff nicht akzeptiert, u n d von i h m verlangt, Handlungen, d. h. Willensbetätigungen ohne Körperbewegung nachzuweisen. Dasselbe würde f ü r einen Finalisten gelten, der von seinen Gegnern fordern würde, Beispiele f ü r nicht final gesteuerte Handlungen aufzuzeigen. Eine gewisse B i n d u n g an Tatsachen bei der Begriffsbildung besteht n a t ü r lich i n umgekehrtem Sinne: H a t m a n die Merkmale eines Begriffes festgelegt u n d zeigen sich dann Erscheinungen, die eines der Merkmale nicht aufweisen, die man aber gleichwohl aus irgendwelchen Gründen unter diesen Begriff bringen w i l l , so zwingen einen Tatsachen i n Verbindung m i t dieser Bestrebung zur Streichung des betreffenden Begriffsmerkmals. So läßt sich die Tatsache, daß es Zustände der Körperruhe gibt, die unter bestimmten Voraussetzungen, dem Bestehen von Garantenpflichten, unter einen allgemeinen Handlungsbegriff subsumiert werden sollen, gegen die Aufnahme des Merkmals Körperbewegung i n den Handlungsbegriff anführen. Aber keine Tatsache kann f ü r sich allein dazu zwingen, einen Begriff zu akzeptieren.
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I. Das Strafgesetz als extensionaler und intensionaler K o n t e x t
sie ist ein Grund dafür, daß gerade hier ein solcher Begriff so oft als naturgegeben ohne weiteres unterstellt wird. Wenn w i r einen solchen Begriff des Handlungsindividuums i n unsere Strafrechtssprache eingeführt haben, können w i r sagen, daß alle Tatbestände Eigenschaften von Handlungen beschreiben oder Handlungen m i t bestimmten Eigenschaften und damit Klassen von Handlungen bestimmen. Kommen nun Handlungen vor, die die Eigenschaften sowohl des einen als auch des anderen Tatbestandes aufweisen, so ist festzustellen, daß sich diese Tatbestände in ihren Extensionen teilweise decken. Daraus müßte sich eine teilweise Deckung der nach diesen Gesetzen verwirkten Strafen dann ergeben, wenn die Strafdrohungen an jede Klasse von Handlungen anknüpfen und nicht nur an die Eigenschaften, die, so sei unterstellt, weder ganz noch teilweise identisch sind. I m Bereich dieser Deckung stünden dann für ein und denselben Strafgrund, eben die Handlung, mehrere Strafdrohungen zur Verfügung, und das Doppelverwertungsverbot müßte dann dazu führen, daß die eine davon die andere verdrängt. Damit wäre der § 52 erklärt und zwar i m Sinne der Einheitstheorie. Versuchen w i r nun zu überprüfen, ob in einem Strafgesetz die Tatbestandsbeschreibung extensional vorkommt, so müssen w i r anstelle der Tatbestandsbeschreibung i n den Gesetzestext einen anderen Ausdruck einsetzen, der m i t dieser extensionsgleich aber nicht intensionsgleich ist. W i r brauchen dazu einen Ausdruck, der genau die gleiche Klasse von Handlungen umfaßt wie der Tatbestand, sie aber durch andere Eigenschaften bestimmt. Ein solcher Ausdruck wäre aber nur dann zu finden, wenn w i r die Extension eines Tatbestandes kennen, also alle Handlungen, die i n der Vergangenheit unter diesen Tatbestand gefallen sind und in der Zukunft darunter fallen werden. Denn wie sollten w i r sonst feststellen, ob ein Ausdruck, den w i r gewählt haben, nun tatsächlich alle diese Handlungen und nur diese erfaßt. Es ist klar, daß w i r diese Kenntnis jedenfalls für die Zukunft nicht haben können. Nur für einen abgeschlossenen Zeitraum könnte man die Extension eines Tatbestandes angeben, unterstellt, daß alle Fälle seiner V e r w i r k lichung bekanntgeworden und „richtig" beurteilt worden sind. Man könnte dies einfach durch eine Aufzählung der betreffenden Handlungen tun. Man kann aber dann auch feststellen, ob ein Tatbestand für den betreffenden abgeschlossenen Geltungszeitraum extensionsgleich ist m i t irgendeiner anderen Eigenschaft von Handlungen, nämlich dann, wenn alle in dem betreffenden Zeitraum tatsächlich vorgekommenen tatbestandsmäßigen Handlungen und nur diese die betreffende Eigenschaft aufweisen. Festzustellen ist dies durch Erfahrung, d. h. durch eine Sichtung der tatsächlich vorgekommenen Tatbestands-
4. Extensionen und Intensionen i m K o n t e x t der Konkurrenzregeln
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Verwirklichungen. Wenn es sich schon aus den verglichenen Handlungseigenschaften selbst, also aufgrund der verwendeten Worte und ihres Sinnes ergibt, daß beide die gleiche Klasse von Gegenständen erfassen müssen, dann haben w i r es nicht mehr nur m i t extensionsgleichen, sondern auch m i t intensionsgleichen Ausdrücken zu tun 6 . 4. Die Extensionen und Intensionen der Tatbestände im Kontext der Konkurrenzregeln Für einen abgeschlossenen Zeitraum können w i r also die Probe aufs Exempel machen. W i r werden uns dazu zweckmäßigerweise einen sehr kurzen Zeitraum wählen, i n dem unser heutiges Strafgesetzbuch gegolten hat. Nehmen w i r an, i n diesem Zeitraum sind drei Sachbeschädigungen vorgekommen und zwar die Handlungen Α, Β und C. Dann wäre der §303 für diesen Zeitraum extensional identisch m i t dem Satz: „Die Handlungen Α, Β und C werden m i t Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder m i t Geldstrafe bestraft". Gegen diese „Ubersetzung" des § 303 liegt zunächst der Einwand nahe, daß sie die Vorschrift unverständlich macht, denn wie sollte erklärt werden, daß gerade die Handlungen Α, Β und C m i t einem Strafrahmen von bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind und nicht mehr oder weniger, wenn von ihnen nichts weiter ausgesagt wird, als daß es eben Handlungen sind? Es geht aber hier zunächst nicht um die Verständlichkeit der Normübersetzung, sondern u m ihre Richtigkeit. U m sie anzuerkennen, braucht weder ignoriert noch gar bestritten zu werden, daß es ganz bestimmte Eigenschaften jener Handlungen sind, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, sie überhaupt unter Strafe zu stellen und den Strafrahmen für sie wie geschehen festzulegen. Man brauchte nur die Relevanz dieser Erwägungen für die Anwendung der Norm abzulehnen und sie i n die Motive des Gesetzgebers zu verweisen. Wie aber steht es m i t der Richtigkeit jener Übersetzung? Gesetzt den Fall, die Handlung C bestand darin, daß jemand durch eine Fensterscheibe einen Menschen erschossen hat, so ist der Satz „Die Handlungen Α, Β und C werden m i t Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren bestraft" offenbar falsch, wenn die Strafrahmenfestsetzung dahin verstanden wird, daß die Überschreitung der Höchststrafe ebenso verboten ist wie die Unterschreitung der Mindeststrafe. Denn C ist auch eine 6 Vgl. Carnap S. 23 : „Es erscheint natürlich u n d i n genügender Ubereinstimmung m i t dem üblichen vagen Gebrauch, Eigenschaften als identisch anzusehen, wenn allein m i t logischen M i t t e l n gezeigt werden kann, ohne Bezug auf Tatsachen, daß, was auch immer die eine Eigenschaft haben mag, auch die andere hat u n d umgekehrt."
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Tötungshandlung und als solche nach §212 m i t Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bedroht. Dieser Widerspruch, der bei einer extensionalen Interpretation zwischen § 303 und 212 entsteht, wäre durch eine intensionale zu vermeiden. Denn für diese hätten die beiden Rechtsfolgeanordnungen verschiedene Bezugsobjekte: der § 303 die Eigenschaft der Handlungen Α, Β und C, Sachbeschädigungen zu sein, und der § 212 die Eigenschaft der Handlungen C, D usw., Tötungen zu sein. Diese Rückbezüglichkeit der Strafdrohung auf die Intensionen der Tatbestände könnte etwa dadurch angedeutet werden, daß man sich i n die Rechtsfolgenandrohung eine rückbezügliche Wendung wie „ w i r d für diese Eigenschaft der Handlung . . . " oder (kürzer und ungenauer) „ W i r d dafür so und so bestraft" eingefügt denkt. Hier zeigt sich schon die Schwierigkeit, auf die die intensionale Interpretation der Strafgesetze bei ihrer Anwendung stößt: Wenn sich die Strafdrohung allein auf die tatbestandlichen Handlungsbeschreibungen bezieht, wie können dann noch andere Eigenschaften dieser Handlung für die Anwendung relevant sein? Daß noch andere für sie relevant sein müssen, ergibt sich schon aus der Notwendigkeit, aus dem Strafrahmen eine bestimmte Strafe auszuwählen. Ehe man also zur Vermeidung von Widersprüchen zwischen verschiedenen auf eine Handlung anwendbaren Strafgesetzen deren intensionale Interpretation fordert, wäre zunächst zu prüfen, ob diese Widersprüche nicht auch bei extensionaler Interpretation durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden sind. Die Einheitstheorie, die ja die Strafgesetze auf die Handlungsindividuen als solche bezieht, erklärt nun § 52 gerade als die zur Vermeidung solcher Widersprüche eingeführte Regel. Es ist nach ihr der Sinn dieser Vorschrift, stets nur eines von mehreren Gesetzen, die für ein und dieselbe Handlung verschiedene Rechtsfolgen bestimmen, für anwendbar zu erklären und die Gültigkeit aller anderen für diesen Fall auszuschließen. A u f diese Weise sind die Normwidersprüche i n der Tat zu beheben 1 . § 52 w i r d damit erklärt als Statuierung des Vorrangs des 1 Eine solche Vorrangregel ändert nicht den I n h a l t der ausgeschlossenen Vorschriften selbst w i e etwa eine i n die betreffenden Rechtssätze selbst aufgenommene Einschränkung ihrer Geltung. Sie betrifft nicht die Gegenstände, von denen die Vorschriften handeln, sondern hat diese selbst zum Gegenstand. Sie ist ein Satz über Sätze, eine N o r m über Normen u n d gehört damit einer anderen sprachlichen Ebene an als diese selbst, einer Metasprache, i n der über die einzelnen Strafgesetze als Sätze der Objektsprache gesprochen w i r d . Eine solche Vorrangregel steht deshalb nicht i m Widerspruch zu einem Strafgesetz, dessen Anwendung sie ausschließt. Z u Widersprüchen k o m m t es erst, wenn die beiden Sprachebenen konfundiert werden. Das bekannteste Beispiel dafür ist das klassische K r e t e r - oder Lügenparadox: „ E i n Kreter sagt, daß alle K r e t e r i m m e r lügen." Aus der Annahme der Wahrheit dieses Satzes folgt logisch seine Falschheit u n d umgekehrt, w e i l er, da er selbst ein Satz eines Kreters ist, eine Aussage auch über sich selbst enthält. Noch
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strengeren Gesetzes bei Normkollisionen. Dieses Prinzip kann aufgrund einer rein extensionalen Interpretation der Tatbestände durchgeführt werden, da es lediglich an die Intensionen der Rechtsfolgenfestsetzung anknüpft. Getreu diesem Prinzip sprach auch die klassische Einheitstheorie den verdrängten milderen Gesetzen jede weitere Bedeutung für die zu beurteilende Handlung ab, sowohl für die Strafrahmenfeststellung als auch für die Strafzumessung selbst 2 . M i t der heutigen Fassung des § 52 ist aber diese Auffassung nicht mehr vereinbar, w e i l das Gesetz erstens von „anderen anwendbaren Strafgesetzen" spricht und zweitens die Mindeststrafen der verdrängten milderen Gesetze ausdrücklich für weiterhin verbindlich erklärt. Also werden doch mehrere Strafgesetze auf eine Handlung angewendet. Aber diese Anwendung kann dergestalt i n zwei Phasen zerlegt werden, daß zunächst aus allen die Handlung betreffenden Strafgesetzen eine einzige neue Strafnorm gebildet wird, die gegenüber ihnen allen vorrangig ist und sie verdrängt. Nach i h r allein w i r d dann i n der zweiten Phase für die eine Handlung eine Strafe festgesetzt. § 52 gibt dann die Verknüpfungsregel an, nach der aus mehreren auf eine Handlung anwendbaren Strafgesetzen diese neue vorrangige Norm zu bilden ist. Überprüfen w i r nun, ob dieses Verfahren bei extensionaler Interpretation der Tatbestände und der Verknüpfungsregel zu befriedigenden Ergebnissen führt. Dazu müssen w i r feststellen, was ein Strafgesetz i n einem Strafrechtssystem festzulegen vermag, i n dem diese Verknüpfungsregel gilt. Es ist nämlich davon auszugehen, daß die Anwendbarkeit mehrerer Strafgesetze auf eine Handlung der allgemeine Fall ist und der Fall, daß für eine strafbare Handlung von vornherein nur ein Strafgesetz i n Betracht kommt, ein Sonderfall. Nach der Verknüpfungsregel ist für die Obergrenze des zu bildenden Strafrahmens nur eines der anwendbaren Gesetze relevant, nämlich dasjenige, das die höchste Obergrenze aufweist. Die Höchststrafgrenzen der übrigen Gesetze sind irrelevant. Danach schließt kein Gesetz es aus, daß wegen einer von i h m erfaßten Handlung eine Strafe verhängt wird, die seinen Strafrahmen überschreitet. Für die Untergrenze der Strafrahmen ist dagegen nach § 52 jedes der anwendbaren Gesetze verbindlich, m i t anderen Worten jedes Gesetz schließt die Unterschreitung seiner Mindeststrafe aus.
einfachere Beispiele sind Sätze w i e „ I c h lüge jetzt" oder „Dieser Satz ist nicht w a h r " . Vgl. näher hierzu Klug Schmidt-Festschrift S. 252 m. w. N. sowie jedes Lehrbuch der neueren Logik, neuerdings auch Hruschka Dreher-Festschrift S. 194. 2 Vgl. die Nachweise bei Geerds S. 328 Fußn. 444.
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Daraus ergibt sich: Jedes Strafgesetz gebietet seine Mindeststrafe und erlaubt seine Höchststrafe. Dies darf allerdings nicht als Interpretation der gesetzlichen Strafrahmenbestimmungen selbst verstanden werden. Eine solche Interpretation würde zwar ebenfalls Widersprüche zwischen ihnen ausschließen, aber gleichzeitig verhindern, daß für eine Handlung überhaupt eine verbindliche Höchststrafe zustande kommt. Denn danach setzt ein Strafgesetz i n bezug auf die Strafrahmenobergrenze nur eine Erlaubnis fest aber kein Verbot. Nach den Regeln der Normenlogik ergibt sich aber aus dieser Erlaubnis nicht das Verbot einer Überschreitung der Höchststrafe, hierüber wäre also i m Strafgesetz gar nichts gesagt. Es bleibt also bei der bisher unterstellten Deutung des einzelnen Strafgesetzes, wonach die Strafrahmenobergrenze ebenso verbindlich ist wie die Untergrenze, ihre Überschreitung also nach dem einzelnen Strafgesetz verboten ist. Die Unvereinbarkeit der Strafrahmen bleibt also zunächst erhalten und kann erst durch die allgemeine Verknüpfungsregel und nicht etwa schon durch eine entsprechende Auslegung der Rechtsfolgenbestimmungen der einzelnen Strafgesetze selbst ausgeräumt werden. Die Beseitigung des Widerspruches kann also nicht dadurch geschehen, daß man durch eine geeignete Auslegung der Strafgesetze selbst diese von vornherein miteinander harmonisiert. Sie geschieht vielmehr durch eine Metanorm, eine Norm, die ihrerseits Normen zum Gegenstand hat, indem sie Regeln für deren Anwendung i m Kollisionsfall aufstellt. Prinzipiell kann jeder Widerspruch zwischen Sätzen in einer Sprachebene durch solche in einer höheren Sprachebene festgesetzten Metaregeln beseitigt werden. Die Verknüpfungsregel des § 52 erweist sich also als geeignet, alle Widersprüche zwischen Strafgesetzen zu beseitigen, wenn sie uneingeschränkt angewandt wird. Dies geschieht immer zugunsten des strengeren Gesetzes. Von zwei anwendbaren Strafgesetzen ist stets eines das strengere und damit vorrangig oder beide weisen den gleichen Strafrahmen auf und können sich dann von vornherein nicht widersprechen. Es gibt aber bei uneingeschränkter Anwendung dieser Verknüpfungsregel Strafgesetze, deren Rechtsfolgenanordnungen nie maßgeblich sein würden, diejenigen, die immer nur in Verbindung m i t einem strengeren Gesetz auftreten, das sie dann verdrängen würde. Die Aufstellung privilegierender Strafgesetze wäre damit sinnlos und die Durchsetzung von Privilegierungen unmöglich, denn diese Strafgesetze setzen ja notwendig die Erfüllung des strengeren Grundtatbestandes voraus. Unser Strafgesetz enthält aber Privilegierungen und damit Gesetze, die gerade entgegen der Regel des § 52 strengere Gesetze verdrängen sollen. Ihre Anwendbarkeit kann also nur durch eine Derogation der allgemeinen Verknüpfungsregel gesichert werden; denn daß diese selbst
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als allgemeine Regel durch eine andere, etwa den Vorrang des milderen Gesetzes verdrängt werden könnte, ist kaum vorstellbar und würde überdies zu entsprechenden Problemen bei den Qualifikationen führen. Es bedarf hier also einer weiteren Vorrangregel, die ihrerseits § 52 verdrängt. Wenn diese ebenfalls nur an die Extensionen der Tatbestände anknüpfen soll, so müßte sie etwa folgendermaßen lauten: Ein Tatbestand, der nur dann erfüllt ist, wenn ein anderer vorliegt, m. a. W. den anderen impliziert, verdrängt den anderen. Eine solche Regel kann freilich da nicht gelten, wo zwei Tatbestände sich gegenseitig implizieren, weil sie sich dann auch gegenseitig verdrängen müßten. Die Regel ist also enger zu fassen: Der verdrängte Tatbestand, genauer die von i h m beschriebene Klasse von Handlungen, muß den vorrangigen, genauer die von i h m beschriebene Klasse von Handlungen, einschließen, aber nicht umgekehrt. Der verdrängte Tatbestand muß also stets weiter sein als der vorrangige. Dies meinen w i r , wenn w i r i m folgenden von Inklusion eines Tatbestandes durch einen anderen sprechen. Wenn zwei Tatbestände umfangsgleich sind, bleibt es also bei der allgemeinen Vorrangregel des § 52 und damit i m Ergebnis beim Vorrang des strengeren Gesetzes. Sind auch die Strafrahmen gleich, so wären bei extensionaler Interpretation der Tatbestände beide Gesetze nicht mehr zu unterscheiden, müßten also als identisch behandelt werden. Wenden w i r diese Regel probeweise auf unseren kurzen Geltungszeitraum an, für den w i r die Extensionen der Tatbestände angeben können, so können w i r damit den Vorrang der Privilegierungen gegenüber den Grundtatbeständen sichern, w i r werden aber i n bestimmten Fällen der Inklusion offensichtlich zu unrichtigen Ergebnissen kommen. Nehmen w i r beispielsweise an, daß i n diesem Zeitraum nur drei Beleidigungen vorgekommen sind, die alle in Erpesserbriefen gestanden haben, darüber hinaus aber noch zwei weitere Erpressungen. Dann schließt der Erpressungstatbestand alle Beleidigungen ein, müßte also von § 185 als dem spezielleren Gesetz verdrängt werden. Unsere Vorrangregel erweist sich damit als zu weit. I n anderen Fällen könnte sie sich als zu eng erweisen. Wenn etwa alle Tötungsfälle i n dem betreffenden Zeitraum Kindstötungen waren, könnte die Privilegierung des § 217 nicht zum Zuge kommen, weil ein gegenseitiges Einschlußverhältnis besteht, auf das unsere Vorrangregel nicht anwendbar ist, so daß nach § 52 wieder der Strafrahmen des § 212 maßgebend wäre. Offenbar ist also das Verhältnis der Privilegierung zum Grundtatbestand nicht zutreffend durch die beiden Bedingungen beschrieben, daß die Privilegierung das mildere Gesetz ist und daß sie zum Grundtatbestand i m Verhältnis der Inklusion steht. Damit ist auch zweifelhaft, ob w i r für den Vorrang der Privilegierungen schon die richtige
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Begründung gegeben haben, indem w i r darauf hinwiesen, daß er erforderlich sei, um ihnen überhaupt einen Anwendungsbereich zu sichern. Es fragt sich schon, ob das Postulat, daß jedes erlassene Gesetz einen Anwendungsbereich haben müsse, überhaupt gilt. Daß ein Gesetz tatsächlich einmal zur Anwendung kommt, kann der Gesetzgeber ohnehin nicht garantieren, weil dies von zukünftigen Tatsachen abhängt. Garantieren kann er nur, daß Fälle möglich sind, d. h. nicht aus logischen Gründen ausgeschlossen sind, i n denen ein Gesetz zur Anwendung kommt. W i r d das Postulat, daß jedes Gesetz einen Anwendungsbereich haben müsse, in diesem Sinne eingeschränkt, so ergibt sich eine entsprechende Einschränkung der Vorrangregel. Sie müßte lauten: Ein Strafgesetz verdrängt ein anderes, wenn es erstens das mildere ist, zweitens aus logischen Gründen nur dann anwendbar ist, wenn auch der Tatbestand des anderen erfüllt ist. Dies ist auch die allgemein anerkannte Definition der Privilegierung. Ein Satz, durch den dieses Verhältnis zweier Strafgesetze zueinander festgestellt wird, ist aber nicht nur i n bezug auf die Rechtsfolgenfestsetzungen, sondern auch i n bezug auf die Tatbestände ein intensionaler Kontext 3 , d. h., die Tatbestandsbeschreibungen sind i n i h m nicht durch andere Beschreibungen der gleichen Klasse von Handlungen zu ersetzen, die andere Eigenschaftsangaben enthalten. A n unserem exemplarischen Zeitraum, für den w i r die Extensionen der Tatbestände durch Aufzählung angeben können, läßt sich dies leicht zeigen. Es gilt der Satz: 3 Es handelt sich hier nämlich u m die Feststellung einer logischen N o t wendigkeit u n d zwar der eines Einschlußverhältnisses, u m eine sog. L I m p l i k a t i o n . Carnap hat gezeigt, daß i n modalen Kontexten, d . h . i n Sätzen über logisch Notwendiges, Mögliches oder Unmögliches die einzelnen Teilsätze, Prädikatoren u n d Individuenausdrücke intensional vorkommen, vgl. S. 225 u n d S. 233 ff. Das ist nicht erstaunlich, denn modale Sätze sagen als Sätze über logische Verhältnisse zwischen ihren Bestandteilen etwas aus, das unabhängig von Erfahrung ist, das sich aus den verwendeten Ausdrücken selbst, also der verwendeten Sprache u n d ihren Regeln ergibt. Die I n t e n sionen der Ausdrücke sind aber gerade das, was diese f ü r sich allein, unabhängig von allen Tatsachen der Erfahrung gewissermaßen mitbringen, das, was w i r von ihnen wissen, w e n n w i r die Sprache verstehen. Welche Extension ein Ausdruck hat u n d w a n n zwei Ausdrücke die gleiche Extension haben, lehrt allein die Erfahrung. Ob ich i n einem modalen Satz, also einem Satz, dessen Wahrheit oder Unwahrheit unabhängig von Erfahrung ist, einen Ausdruck unbeschadet der Wahrheit durch einen anderen ersetzen kann, k a n n dann nicht von Erfahrung, also auch nicht v o n den Extensionen der Ausdrücke u n d deren Gleichheit abhängen. M a n k a n n m i t einem gewissen Recht sagen, daß die Intensionen geradezu anhand der Erscheinung „ e n t deckt" worden sind, daß w i r über Gleichheiten u n d Austauschbarkeiten von Ausdrücken gewisse Feststellungen unabhängig von Erfahrungen treffen können, vgl. Carnap S. 19 ff., u n d daß w i r ebenso unabhängig von Erfahrung allein aufgrund des Verständnisses einer Sprache Aussagen über logische Notwendigkeiten, Möglichkeiten u n d Unmöglichkeiten i n dieser Sprache machen können, eben die modalen Aussagen.
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„ A l l e Erpressungen sind notwendig Nötigungen". Nehmen w i r an, i n unserem exemplarischen Zeitraum wären alle Erpressungen und nur diese Straftaten von Frauen begangen worden. Dann wäre der Ausdruck „alle Erpressungen" extensional identisch m i t dem Ausdruck „alle von Frauen begangenen Straftaten". Setzen w i r den zweiten Ausdruck für den ersten i n unserem Satz ein, so erhalten w i r : „ A l l e von Frauen begangenen Straftaten sind notwendig Nötigungen." Dieser Satz ist falsch und zwar auch für unseren exemplarischen Geltungszeitraum, obwohl i n diesem der schwächere Satz gilt: „ A l l e von Frauen begangenen Straftaten sind Nötigungen". Das Verhältnis der Spezialität und damit auch das der Privilegierung als ein Unterfall davon läßt sich also nur feststellen, wenn man die Intensionen der Tatbestände betrachtet. Geht es aber beim Vorrang der Privilegierung lediglich darum, einem Tatbestand wenigstens einen logischen Anwendungsbereich zu sichern, weil man ihm einen tatsächlichen mangels Kenntnis der zukünftigen Tatsachen nicht sichern kann, so würden i n der hierzu aufgestellten Metaregel des Vorrangs der Spezialität die Intensionen der Tatbestände doch nur als Ersatz für die unbekannten und nicht für sich alleine beschreibbaren Extensionen der Tatbestände fungieren. Dann könnte man vielleicht für die weitere Rechtsanwendung, also vor allem die Strafzumessung, von den Intensionen der Strafgesetze wieder absehen, nachdem man anhand der allgemeinen Verknüpfungsregel des § 52 und der Vorrangregel zugunsten der spezielleren Gesetze festgestellt hat, welcher Strafrahmen i m konkreten Fall gilt. Darin läge kein Widerspruch. Denn da die Vorrangsregel selbst i n einer Metasprache formuliert ist, kann man konzedieren, daß sie sich auf die Intensionen der Tatbestände bezieht, und gleichzeitig dabei bleiben, daß die Strafdrohungen i n den Strafgesetzen selbst unmittelbar an die Extensionen der Tatbestände anknüpfen. Die Begründung des Vorrangs des spezielleren Gesetzes und vor allem des Vorrangs der Privilegierung würde dann aber auch m i t dem Postulat stehen und fallen, daß jedes Gesetz einen logisch möglichen Anwendungsbereich haben müsse. Angesichts der zunehmenden Unübersichtlichkeit der Gesetzgebungsmaterie ist es aber zweifelhaft, ob jenes Postulat noch aufrecht zu halten ist, ob also der Satz noch unverbrüchlich gilt, daß der Gesetzgeber nichts Überflüssiges sagt. Tatsächlich hält sich unser Gesetzgeber selbst nicht an diese Maxime und dies gelegentlich ganz bewußt 4 . 4 Puppe
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Vor allem aber w i r d man dem Prinzip des Vorrangs der Privilegierung nicht gerecht, wenn man es nur als Ausfluß der Gesetzesökonomie erklärt. Es würde auch i n einem Rechtssystem gelten, das überflüssige Gesetze uneingeschränkt zuläßt. Sieht man aber von dem Postulat ab, daß es keine überflüssigen Gesetze geben kann, deren Anwendung aus logischen Gründen ausgeschlossen ist, wie ist dann zu erklären, daß bei einem Zusammentreffen eines Grundtatbestandes m i t einer Privilegierung nicht nach § 52 das strengere Gesetz, also der Grundtatbestand den Strafrahmen bestimmen soll? Es bleibt hier bei extensionaler Interpretation zum Zusammentreffen anderer Gesetze i n einer Handlung kein anderer Unterschied als der, daß diese Konstellation immer auftritt, wenn überhaupt der Privilegierungstatbestand erfüllt ist. M i t anderen Worten: Ein Unterschied zwischen Spezialität und Idealkonkurrenz besteht bei extensionaler Interpretation der Tatbestände nur für die von den Tatbeständen umfaßten Klassen als solche: bei Idealkonkurrenz stehen sie i n der Beziehung der Interferenz, bei Spezialität i n der der Inklusion. Betrachtet man aber einen Einzelfall, so besteht keinerlei Unterschied mehr zwischen Idealkonkurrenz und Spezialität, solange man die Tatbestände unmittelbar auf die Handlung und nicht auf bestimmte ihrer Eigenschaften bezieht. Stets bleibt dann nur der Befund übrig, daß für ein und dieselbe Handlung ein Strafgesetz einen milderen Strafrahmen androht, ein anderes einen strengeren. Sieht man darin schon einen Widerspruch der Gesetze, u m dann § 52 als die Metanorm zur Beseitigung dieses Widerspruchs zu erklären, dann ist kein Grund ersichtlich, warum diese Metanorm bei Privilegierungen ihrerseits durch eine neue Vorrangregel zugunsten des spezielleren (milderen) Tatbestandes verdrängt werden soll. 4 So hat der Gesetzgeber unlängst u m der Erzielung einer größeren Ö f fentlichkeit u n d damit u m der Präventionswirkung w i l l e n (plakative W i r kung) bereits geltende Normen i n einem anderen Gesetz wörtlich wiederholt, nämlich mehrere i n § 21 GjS enthaltene Tatbestände u n d Strafdrohungen i n § 184 Abs. 1 StGB (genauer hierzu Lackner zu § 184 A n m . 7 c). Da die inhaltsgleichen Vorschriften des GjS nicht bei der Einführung des § 184 StGB gestrichen wurden, hielt es also jedenfalls der damalige historische Gesetzgeber für zulässig, überflüssige Gesetze zu machen. Eine nachträgliche V e r drängung von jeweils einer der doppelt vorkommenden Straf Vorschriften k a n n also nicht ohne Widerspruch zur Auffassung dieses Gesetzgebers m i t der Begründung gefordert werden, daß ein Gesetz keine überflüssigen V o r schriften enthalten könne, u n d sie liefe, auch wenn sie als Konkurrenzregelung eingeführt würde, auf nichts anderes hinaus als eine K o r r e k t u r des Gesetzes selbst aufgrund eines Postulats, dem übergesetzliche Gültigkeit zuerkannt w i r d . Ohne ein solches Postulat wären alle inhaltsgleichen Vorschriften ohne weiteres nebeneinander anwendbar; u n d w e i l sie die gleiche Rechtsfolge anordnen, w ü r d e das i m Ergebnis nichts ausmachen, solange das Doppelverwertungsverbot respektiert w i r d . Denn dann w ü r d e jeweils durch die Anwendung des einen Gesetzes auch der anderen N o r m genügt.
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Ein Unterschied auch i m Einzelfall t r i t t erst hervor, wenn Strafdrohungen auf die Intensionen der Tatbestände bezieht. schon gesehen haben, kommt bei intensionaler Interpretation bestände ein Widerspruch zwischen idealkonkurrierenden nicht zustande, wohl aber zwischen lex generalis und lex Nehmen w i r an, ein Strafgesetz bestimmt:
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man die Wie w i r der TatGesetzen specialis.
„Wenn eine Handlung die Eigenschaften Α, Β und C hat, so ist eine Mindeststrafe von X geboten und darf eine Höchststrafe Y nicht überschritten werden." Dies sei unsere lex specialis. Die lex generalis ordnet an: „Wenn eine Handlung die Eigenschaften A und Β hat, darf eine Mindeststrafe X ' nicht unterschritten und eine Höchststrafe Y ' nicht überschritten werden." Aus diesem Satz folgt: „Wenn einer Handlung die Eigenschaften Α, Β und C hat, so darf die Mindeststrafe X ' nicht unterschritten und die Höchststrafe Y ' nicht überschritten werden." Zwischen diesem Satz und der lex specialis besteht ein Widerspruch, ζ. B. wenn X niederer ist als X', weil dann dieser Satz etwas verbietet, was die lex specialis unter den gleichen Bedingungen erlaubt, nämlich die Unterscheidung von X'. Es besteht auch ein Widerspruch, wenn Y ' höher ist als Y, weil dann der Satz etwas erlaubt, was die lex specialis unter den gleichen Bedingungen verbietet, nämlich die Uberschreitung von Y. Daß dieser Widerspruch zugunsten der lex specialis aufgelöst wird, ist nicht logisch notwendig 5 . Es stellt lediglich das zweckmäßigste Verfahren dar, die vom Gesetzgeber gewünschten Ziele zu erreichen, weil es zu kürzeren Gesetzen führt als die umgekehrte Regel. Ohne den Vorrang des spezielleren Gesetzes könnte der Gesetzgeber eine Privile5 Vgl. etwa Klug ZStW 68 S. 413, der allerdings die Freiheit i n der W a h l der Vorrangregel u n d die Indifferenz der vorgegebenen logischen Begriffsverhältnisse f ü r deren I n h a l t m i t einem unglücklichen Gegenbeispiel zu belegen sucht, indem er darauf verweist, daß i n der Naturwissenschaft i m Gegensatz zum Recht der speziellere Satz durch den generelleren verdrängt werde. Worauf Klug hier anspielt, ist nicht die Auflösung eines Widerspruchs zwischen zwei Sätzen durch eine Vorrangregel, denn w o ein aufgestelltes spezielleres Naturgesetz einem generelleren Lehrsatz widerspricht, verdrängt dieser es nicht, es sei denn, es würde m i t Hilfe des generelleren Satzes als falsch erwiesen. Klug hat hier aber wahrscheinlich ganz andere Konstellationen i m Auge, nämlich die der Verallgemeinerung eines zunächst n u r f ü r einen Spezialfall erkannten Naturgesetzes. Hier aber handelt es sich nicht u m die Bewältigung eines Widerspruchs durch einen Metasatz. Das speziellere Naturgesetz ist vielmehr logisch i n dem generelleren enthalten, es folgt aus i h m u n d w i r d daher v o n i h m n u r insofern verdrängt, als es neben i h m überflüssig, nicht aber ungültig ist. 4*
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gierung oder Qualifikation nur dadurch erreichen, daß er zunächst das generelle Gesetz für diesen Bereich durch ausdrückliche Regelung außer Kraft setzt und dann erst die speziellere Regelung trifft. W i r haben aber bei intensionaler Interpretation der Tatbestände die Möglichkeit, zu erklären, warum für die lex specialis nicht der allgemeine Grundsatz vom Vorrang des strengeren Gesetzes nach § 52 gilt. Denn bei intensionaler Interpretation der Tatbestände besteht zwischen idealkonkurrierenden Gesetzen gar kein Widerspruch. Widersprüche zwischen Strafgesetzen haben dann nur die Regeln über die Gesetzeskonkurrenz zum Gegenstand. Z u einer Kollision der Kollisionsnormen kann es dann gar nicht mehr kommen, weil sie ihrerseits Tatbestände, d. h. hier Normenverhältnisse regeln, die sich gegenseitig ausschließen: Die Regeln der Gesetzeskonkurrenz die Widersprüche zwischen Strafgesetzen, § 52 aber nur Fälle des Zusammentreffens von Strafgesetzen, die logisch miteinander verträglich sind. Dann läßt sich auch die Regelung des § 52 selbst als Anwendung und Verknüpfung aller zusammentreffenden Strafgesetze plausibler erklären als dies möglich wäre, wenn man die Verbindlichkeit der Mindeststrafen auch der zurücktretenden Gesetze als bloße Modifikation der Ausschlußwirkung des strengeren Gesetzes, also als eine A r t Ausnahme von dem allgemeinen Prinzip hinstellen müßte. Auch daß die Verletzung der zurücktretenden Gesetze durch die gleiche Handlung für die Strafzumessung nach dem vorrangigen Gesetz m i t maßgebend ist, erscheint dann als selbstverständlich. Der Preis für die tatbestandliche Trennung der Regeln der Gesetzeskonkurrenz von denen der Idealkonkurrenz ist der Verzicht darauf, die Regeln der Idealkonkurrenz selbst als die zur Beseitigung eines Widerspruches zwischen allen tateinheitlich zusammentreffenden Gesetzen notwendige Metanorm zu erklären. Denn bei intensionaler Interpretation der Tatbestände besteht ein solcher Widerspruch bei Tateinheit nicht, weil die Bezugsgegenstände der Strafdrohungen eben nicht die gleiche Handlung, sondern deren verschiedene Eigenschaften sind. Damit erweist sich die Ausgangsposition der Einheitstheorie als unvereinbar m i t der Unterscheidung zwischen Ideal- und Gesetzeskonkurrenz und deren verschiedener Behandlung. Dennoch hat sich die Einheitstheorie, wie gezeigt, bis heute erhalten und stellt bis heute die einzige anerkannte Theorie zur Erklärung der Sonderregeln für Idealkonkurrenz dar, die diesen Namen verdient. Eine solche Inkonsistenz der gesamten Konkurrenzlehre hätte sich aber nicht gehalten, wenn sie nicht von anderswoher gewissermaßen Nahrung erhalten hätte. Man hätte schließlich m i t Binding die Sonderregelung der Tat-
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einheit als gesetzlichen Mißgriff bekämpft und verworfen 6 , wenn es nicht noch andere Gründe gäbe, die Strafdrohungen der einzelnen Tatbestände auf die Handlung als solche zu beziehen und nicht nur auf die gesetzliche Handlungsbeschreibung. Diese Gründe müßten m i t der extensionalen Interpretation der Einheitstheorie auch deren Erklärung des § 52 als notwendige Metaregel zur Beseitigung eines Widerspruchs stützen. I n der Tat ist die Erklärung des § 52 nicht das einzige Problem, dessen Lösung durch eine extensionale Interpretation der Tatbestände erleichtert wird. Eine zusätzliche Schwierigkeit, auf die das intensionale Verständnis der Tatbestände stößt, hatten w i r bereits angesprochen: Die Strafrahmen sind als Rechtsfolgen nicht hinreichend bestimmt, u m unmittelbar angewandt werden zu können. Wie aber sollen zur Begründung ihrer weiteren Bestimmung weitere Tatsachen eingeführt werden können, wenn sie sich ausschließlich auf die gesetzliche Beschreibung der Handlung beziehen? U m eine solche Einführung neuer Tatsachen zu ermöglichen, werden i n der Strafzumessungslehre als Gegenstände der Strafzumessung nicht die tatbestandlich beschriebenen Eigenschaften der Handlung betrachtet, sondern nur die vom Tatbestand erfaßte Handlung als solche, der gesamte Lebensvorgang, also die Tat i m prozessualen Sinne oder alle Tatsachen, die m i t diesem Lebensvorgang i n Zusammenhang stehen 7 . Lassen w i r hier die Frage auf sich beruhen, ob solche Kriterien zur Bestimmung eines Gegenstandes i n der Strafzumessung geeignet und ausreichend sind, und halten w i r uns stattdessen zunächst weiter an unseren vorausgesetzten allgemeinen Handlungsbegriff als auch für die Strafzumessung gültige Bestimmung des Individuums i n der Strafrechtssprache. Damit werden w i r auch den noch umfassenderen Bestimmungen des Strafzumessungsgegenstandes insofern gerecht, als auch sie jedenfalls nicht an die Intensionen, sondern allenfalls an die Extensionen der Tatbestände anknüpfen. 5. Extensionen und Intensionen der Strafgesetze im Kontext der Strafzumessung Das vorhergehende Kapitel hat gezeigt, daß es nicht möglich ist, bei der Anwendung der Strafgesetze von deren Intensionen abzusehen und diese i n die Motive des Gesetzes zu verweisen, weil die Regeln der Gesetzeskonkurrenz ohne die Intensionen der Tatbestände weder anzuwenden noch zu erklären sind. Indessen ist klar, daß die Strafrechts6 H d B S. 570 ff. 7 So etwa Spendel S. 235 f., Z i p / S. 200, Hassemer Strafrahmen S. 185.
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anwendung m i t den Intensionen der Gesetze auch nicht auskommt, weil sie zu unbestimmt sind. Das zeigt sich am deutlichsten an den Strafrahmen. Denn über die Eigenschaften der einzelnen von ihnen zugelassenen Strafen sagen die Gesetze nicht mehr aus, als daß sie größer oder gleich der Mindeststrafe und kleiner oder gleich der Höchststrafe sind. Insofern sind alle vom Strafrahmen erfaßten Strafen einander gleich, aber der Gesetzesanwender soll sie dennoch nicht als gleich behandeln, sonst wäre es i n sein freies Belieben gestellt, welche von ihnen er wählt. Seine Entscheidung wäre stets richtig, solange sie sich i m gesetzlich festgesetzten Strafrahmen hält. Daß der Gesetzesanwender sie aber nicht als gleich behandeln soll, ergibt sich schon aus den allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 46, die Rechtsfolgen sind also vom Gesetz selbst nicht hinreichend bestimmt. Dasselbe muß dann aber auch für die Voraussetzungen gelten, deren Folgen sie sein sollen. Man verpflichtet ja auch den Richter, seine Entscheidung für eine bestimmte Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens zu begründen, und zwar m i t Tatsachen, die Voraussetzungen der angeordneten Rechtsfolge darstellen sollen. Die gesetzlichen Tatbestände sind also ebenfalls nicht hinreichend bestimmt. Was aber ist hier der Gegenstand, der zu bestimmen ist, und wodurch w i r d er (hinreichend) bestimmt? Für die Rechtsfolgen ist diese Frage schon aus dem Gesetz zu beantworten: Eine Freiheitsstrafe ist nach § 38 f. bestimmt durch die Angabe ihrer Dauer i n Jahren und Monaten bzw. Monaten und Wochen, eine Geldstrafe nach § 40 durch eine Angabe von Tagen und eine Angabe von Tagessätzen. Daraus ergibt sich, was eine Strafe, ein „Strafindividuum" ist. Nicht zur Bestimmung des „StrafIndividuums" gehört z. B. eine Festlegung über Ort und Zeit der Verbüßung, hierüber brauchen keine Angaben gemacht zu werden, und Änderungen dieser Daten ändern nichts an der Identität der Strafe. Für die Tatbestände w i r d die Frage nach dem näher zu bestimmenen Gegenstand meist dahin beantwortet, daß es „die Tat" sei, die von dem anzuwendenden Tatbestand erfaßt werde. Danach sind die Tatbestände i m Kontext der Strafzumessung extensional zu verstehen als Beschreibung von Klassen von Taten. Dies erscheint notwendig, u m überhaupt von den zu allgemeinen Tatbeschreibungen der Tatbestände, die als gleich behandeln, was i m Ergebnis nicht als gleich behandelt werden soll, zu den einzelnen Tatindividuen vorzustoßen und anhand von weiteren relevanten Eigenschaften des einzelnen Tatindividuums zu einer hinreichenden Bestimmung der Voraussetzungen für eine bestimmte Rechtsfolge (Strafmaß) zu gelangen. Das wäre dann eine Bestimmung, die nur noch das als gleich darstellt, was i m Ergebnis gleich zu behandeln ist, also eine Bestimmung von Klassen von Taten, die alle gleichermaßen eine bestimmte
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Strafe verdienen. Woher sollte man die erforderlichen zusätzlichen Bestimmungsstücke nehmen, wenn nicht aus den Eigenschaften der konkreten Tat? Und wie sollte man sie m i t dem Tatbestand i n Verbindung bringen und zur näheren Bestimmung der für ihn gesetzlich angeordneten Rechtsfolge einführen, wenn man die Strafdrohung des Strafgesetzes auf die gesetzliche Tatbeschreibung selbst, also die Intensionen des Tatbestandes bezieht? Danach würde es aber zwangsläufig zu einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot führen, ein und dieselbe Tat mehrfach zu würdigen, wenn sie unter mehrere Tatbestände fällt. Denn die relevanten Faktoren, die das Tatindividuum bestimmen, müßten zwangsläufig i n der Strafzumessung nach beiden Tatbeständen auftauchen. Sie müßten sich ja aus der allgemeinen Bestimmung des Tatbegriffs als Individualbegriff ergeben und wären daher i n jeder Strafzumessung die gleichen, unabhängig davon, von welchem Tatbestand sie ausgeht. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die mehreren für eine tatsächlich vorgekommene Tat i n Betracht kommenden Strafdrohungen vor der Strafzumessung auf eine einzige zu reduzieren, und damit die Notwendigkeit von Regeln zur Bildung eines einheitlichen Strafrahmens für idealkonkurrierende Delikte. Wenn man die Strafgesetze i m Strafzumessungskontext extensional interpretiert, so weist man ihnen lediglich die Funktion zu, Klassen von Handlungen abzugrenzen, für die ein bestimmter Strafrahmen gilt. I m vorigen Kapitel hatten w i r gesehen, daß die Unterscheidung zwischen Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz unverständlich wird, wenn man die Tatbestände auf diese Funktion beschränkt, weil dann nicht mehr zu erklären ist, daß die allgemeinen Regeln der Idealkonkurrenz nicht auf alle Fälle des Zusammentreffens mehrerer Gesetze gleichermaßen Anwendung finden. Nun ist es kein Widerspruch, einen Ausdruck wie hier die gesetzliche Tatbestandsbeschreibung in einem Zusammenhang nur extensional, i n einem anderen intensional zu interpretieren. Denn die Frage nach extensionaler oder intensionaler Interpretation der Tatbestände ist nicht zu verwechseln m i t einer Auslegungsfrage, die ein für allemal in dem einen oder anderen Sinne entschieden werden muß. Jeder Ausdruck hat, nach der hier verwendeten Methode der semantischen Analyse, sowohl eine Extension als auch eine Intension. Es gibt nicht etwa jeweils zwei gleichlautende Ausdrücke, von denen einer eine Intension, beispielsweise eine Eigenschaft, und der andere eine Extension, beispielsweise eine Klasse von Individuen bezeichnet, so daß es bei jedem Vorkommen der Klarstellung bedarf, was von beiden man nun eigentlich „meint". Aber immerhin müßte nachgewiesen werden, daß es sich bei der Strafzumessung und der Ermittlung des gültigen Strafrahmens nach den Kon-
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k u r r e n z r e g e l n u m z w e i verschiedene K o n t e x t e h a n d e l t , also u m z w e i B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h ä n g e , die verschiedene Z i e l e haben. M a n k a n n d a n n n i c h t m e h r a n n e h m e n , daß die S t r a f f e s t s e t z u n g des Gesetzgebers, d i e E r m i t t l u n g des i m E i n z e l f a l l g ü l t i g e n S t r a f r a h m e n s a n h a n d d e r K o n k u r r e n z r e g e l n u n d schließlich die S t r a f z u m e s s u n g d u r c h d e n R i c h t e r i n e i n e m a r b e i t s t e i l i g e n u n d g e g l i e d e r t e n V e r f a h r e n vollzogene E i n z e l s c h r i t t e z u r B e a n t w o r t u n g e i n u n d derselben Sachfrage seien. Die Strafzumessung mü ßte v i e l m e h r v o n den zuvor erfolgten Festleg u n g e n des S t r a f r a h m e n s i n h a l t l i c h z u t r e n n e n s e i n 1 . A b e r zunächst m u ß g e k l ä r t w e r d e n , ob die extensionale I n t e r p r e t a t i o n d e r Strafgesetze i m K o n t e x t d e r S t r a f z u m e s s u n g , die, w i e w i r gesehen haben, gewisse P r o b l e m e löst, n i c h t andere ebenso schwierige h e r v o r b r i n g t . Es f r a g t sich n ä m l i c h , ob sie die R e l e v a n z des S t r a f g e 1 I n seinem Aufsatz über „Die rechtstheoretische Bedeutung des Strafrahmens" (Gedächtnisschrift f ü r G. Radbruch S. 283 ff.) hat W. Hassemer, ausgehend von dieser signifikanten Unbestimmtheit strafgesetzlicher Rechtsfolgenanordnungen, ein solches Konzept einer Strafzumessung entwickelt, die i n der A u s w a h l ihrer K r i t e r i e n v o m Tatbestand v ö l l i g unabhängig ist bis auf das Verbot, die Tatbestandsmerkmale selbst nochmals zu verwerten. Er ging also ebenfalls f ü r die Strafzumessung n u r von den Extensionen der Tatbestände u n d Strafrahmen aus. D a m i t stand er aber vor der Frage, w e l chen I n h a l t u n d welche Legitimation er den gesetzlichen Zuordnungen von Tatklassen u n d Strafenklassen überhaupt geben sollte; denn eine solche Legitimation läßt sich j a nicht aus den Extensionen allein herleiten, w e i l diese wertfrei sind. Extensional betrachtet erscheint die Zuordnung der Tatbestandsbeschreibung zum Strafrahmen als reine w i l l k ü r l i c h e Setzung. Da also auch Hassemer nicht vollständig auf die Intensionen der Tatbestände v e r zichten konnte, sie aber gleichwohl nicht i n die Strafzumessung einführen wollte, mußte er die Strafzumessung u n d die strafgesetzliche Festsetzung der Strafrahmen inhaltlich u n d funktional vollständig voneinander trennen. E r konnte also nicht die Strafzumessung als die Fortsetzung einer bereits v o m Gesetzgeber durch die Strafrahmenfestsetzung teilweise geleisteten Aufgabe betrachten. Er mußte vielmehr eine Aufgabe angeben, die der Gesetzgeber durch die Strafrahmenfestsetzung bereits vollständig gelöst haben mußte, so daß sie f ü r die Strafzumessung keine Relevanz mehr haben konnte. Dies ist nach Hassemer die Bestimmung des Unrechts- u n d Schuldgehalts der Tat. Unrecht u n d Schuld können danach f ü r die Strafzumessung keine Rolle mehr spielen. Deren K r i t e r i e n sind dann sogenannte „Strafwürdigkeitskriterien", von denen Hassemer allerdings nicht sagt, welchen I n h a l t sie haben können u n d welche Legitimation ihre Verwendung i n der Strafzumessung hat. Hassemer sieht es als die eigentliche ratio des Doppelverwertungsverbots an, Unrecht und Schuld als Begründung der Strafzumessung auszuschließen. Aber selbst wenn man v o n der naheliegenden Vermutung ausgeht, daß Hassemers Strafwürdigkeitskriterien — er hat sie j a w o h l bewußt nicht „Zweckmäßigkeitskriterien" genannt — zum T e i l auch solche sind, die andere als Unrechts- u n d Schuldmerkmale auffassen würden, wäre diese Strafzumessungskonzeption m i t der Grundlagenformel des § 46 u n d dem herrschenden Verständnis der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafe nicht i n Einklang zu bringen. Denn die Grundlagenformel geht davon aus, daß die zu bemessende Schuld nicht etwas anderes ist, als was die Tatbestände als Unrecht u n d Schuld beschreiben, w e n n auch nicht vollständig, näher dazu i m Text.
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setzes für das Ergebnis der Strafzumessung zu erschöpfen vermag; denn bei extensionaler Interpretation der Tatbestände hätte die durch sie gegebene Charakterisierung der Tat auf den Inhalt der einzelnen Strafzumessungsgründe keinerlei Einfluß, abgesehen vom Verbot ihrer erneuten Verwertung i n der Strafzumessung. Die Strafzumessungsgründe müßten vielmehr aus allgemeinen, für alle Tatbestände gleichermaßen gültigen Strafzumessungsregeln abgeleitet werden. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale könnten dann zwar noch als vorweggenommene Strafzumessungsgründe verstanden werden, die durch die Festlegung des Strafrahmens verwertet werden. Es würde sich aber i m übrigen für sie keine Sonderstellung daraus ergeben, daß der Gesetzgeber gerade sie gewählt hat, u m die Voraussetzungen für die Strafbarkeit zu bestimmen. Das w i r d an folgendem Gedankenexperiment deutlich. Wenn w i r von allen möglichen strafbaren Handlungen alle strafzumessungsrelevanten Eigenschaften kennen würden, d. h. alle Regeln der Strafzumessung erschöpfend angeben könnten, so erhielten w i r eine Ordnung aller möglichen Straftaten nach ihrer Strafwürdigkeit. I n dieser Ordnung kämen natürlich auch diejenigen Eigenschaften der Handlungen vor, die i n den gesetzlichen Tatbeständen beschrieben sind. Wenn aber die übrigen strafzumessungsrelevanten Eigenschaften unabhängig von den Intensionen der Tatbestände bestimmbar sind, so könnte ein Gesetzgeber, der diese Gesamtordnung erstellt hat, seine Tatbestände nach Belieben bilden, könnte also beliebige Merkmale aus den einzelnen Stufen dieser Ordnung herausgreifen und zu strafbarkeitsbegründenden machen, indem er aus ihnen seine Tatbestände formt. Je nachdem wie der Gesetzgeber die Tatbestände gestaltet, würden dann verschiedene Strafrahmen herauskommen, aber die i n den Einzelfällen verhängten Strafen wären immer die gleichen, weil der Einfluß, den jedes einzelne Merkmal einer strafbaren Handlung auf die Strafzumessung hat, schon durch die Ordnung dieser strafbaren Handlungen festgelegt ist, unabhängig davon, ob es i m Tatbestand erscheint oder nicht. Das ist die Konsequenz der Auffassung, daß sich die Strafzumessungskriterien auf die Handlung als solche beziehen und nicht auf ihre i n den Tatbeständen beschriebenen Eigenschaften. Danach fragt sich, ob eine nur extensionale Interpretation die Funktion der Tatbestände i n der Strafzumessung vollständig beschreibt. Diese Funktion der Tatbestände ist i n der Grundlagenformel des § 46 Abs. 1 verankert. Einig ist man sich darüber, daß hier m i t Schuld Tatschuld gemeint ist. Aber was ist i m Sinne dieses Ausdrucks unter Tat zu verstehen, die einzelne unter einen Tatbestand fallende Handlung i m Sinne eines allgemeinen tatbestandsunabhängigen Begriffs des
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Handlungsindividuums oder die i m Tatbestand gegebene Handlungsbeschreibung selbst? W i r d die Frage i m ersten Sinne beantwortet, so ist der Richter i n der Auswahl seiner Strafzumessungsgründe vom Unrechts- und Schuldgehalt der Tatbestände unabhängig. Seine Gründe müssen sich nur als Eigenschaften der Handlung darstellen lassen und ihrem Inhalt nach Schuld im weitesten Sinne, d. h. Unrecht oder Schuld bezeichnen, d. h. sie müssen Umstände beschreiben, aus denen man dem Täter irgendeinen Vorwurf machen kann. Was aber Inhalt des Unrecht und der Schuld der Tat sein kann, läßt sich dann, abgesehen von den Tatbestandsmerkmalen selbst, die gesetzlich als Unrechts- und Schuldmerkmale anerkannt sind, nur nach allgemeinen, geschriebenen oder ungeschriebenen, Strafzumessungsregeln feststellen. Die allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 46 können diese Bestimmung aber auch nicht leisten, weil sie erstens nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut („dabei kommen namentlich i n Betracht") andere Strafzumessungsgründe nicht ausschließen, und weil zweitens einige von ihnen keine vollständige Unrechts- oder Schuldbeschreibung enthalten, sondern nur Graduierungsmöglichkeiten eines bereits vorausgesetzten Unrechts- oder Schuldgehalts. So sind etwa der Grad des bei einer Tat aufgewandten Willens, die Beweggründe und die Gesinnung, die aus einer Tat spricht, für sich betrachtet weder Unrechts· noch Schuldkriterien und nicht geeignet, einen Vorwurf gegen den Täter zu begründen. Sie werden dies erst dadurch, daß sie auf etwas bezogen werden, was Unrecht und Schuld ist. Die Tat, von der in diesen Wendungen die Rede ist, ist also nicht irgendeine Handlung und sei es auch eine, die die Eigenschaft hat, unrechtmäßig und schuldhaft zu sein, sondern der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat selbst, der i m gesetzlichen Tatbestand beschrieben und als solcher ausgewiesen ist, das „Maß der Pflichtwidrigkeit" setzt expressis verbis eine bestimmte Pflichtverletzung voraus und nimmt direkt auf diese Bezug. Wenn also unter Tat i m Sinne des § 46 nicht die gesetzliche Tatbeschreibung zu verstehen ist, sondern nur das durch sie erfaßte Handlungsindividuum, so muß der Richter die Unrechts- und Schuldkriterien, nach denen er die Tatschuld bestimmt und die Strafe nach dem Schuldprinzip bemißt, selbst festlegen und hat dafür keine Grundlage i m Gesetz. Eine gesetzliche Grundlage hätte seine Entscheidung nur insofern, als die Voraussetzungen dafür, daß überhaupt Strafe verhängt wird, gesetzlich geregelt sind und daß das Gesetz ihm einen (oft sehr weiten) Strafrahmen vorgibt, i n dem sich sein Strafausspruch zu halten hat. Auch die extensionale Interpretation der Tatbestände führt also zu dem Ergebnis, daß jedenfalls vom Standpunkt des einzelnen
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Strafgesetzes aus alle i m Strafrahmen enthaltenen Strafmöglichkeiten gleich sind. Dem Satz „nulla poena sine lege" wäre damit nur dann genügt, wenn er, wie das sein Wortlaut und die Formulierung, die er i n § 1 und Art. 103 GG gefunden hat, durchaus zulassen, dahin verstanden würde, daß er nur für die Entscheidung über die Verhängung von Strafe überhaupt eine hinreichende gesetzliche Grundlage fordert, nicht aber für die Entscheidung über die Strafhöhe. Das würde bedeuten, daß der Täter, sobald er die Schwelle der gesetzlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen überschritten hat, ohne die Garantie des „nulla poena sine lege" wäre, und daß der Richter jenseits dieser Schwelle Inhalt und Maß des Unrechts- und Schuldvorwurfs selbständig konstituieren müßte und dabei an nichts gebunden und durch nichts geleitet wäre als die Notwendigkeit einer Beziehung zu einem tatbestandsapriorisch und wertfrei bestimmten Handlungsindividuum. Die Bedeutung des Prinzips der gesetzlichen Strafgrundlage und der Vertypung des strafbaren Unrechts und der strafrechtlich relevanten Schuld darf sich aber nicht auf die Entscheidung über die Strafbarkeit als solche und die meist sehr weiten gesetzlichen Strafrahmen beschränken. Es steht zwar fest, daß die Voraussetzungen für die Höhe der Strafe nicht i n dem Sinne gesetzlich festgelegt sind und sein können wie die für die Strafbarkeit überhaupt und den angedrohten Strafrahmen, einfach weil die Strafzumessungsgründe i m Gegensatz zu den Strafbarkeitsvoraussetzungen nicht ausdrücklich und abschließend i m Gesetz stehen. Man ist sich aber darüber einig, daß das Unrecht und die Schuld, die der Richter zu bemessen hat, i m Tatbestand beschrieben und vertypt sind, und folgert dies aus dem Tatschuldprinzip und dem Grundsatz von der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafe 2 . Also kann die Tatschuld i m Sinne des § 46 nur die in den 2 Nichts anderes ist gemeint, wenn etwa i n B G H 5, 124 (130) die Nichtberücksichtigung belastender Besonderheiten der Tatbestandsverwirklichung m i t der Begründung gerügt w i r d , daß die wesentlichen Strafzumessungsgründe „der Tat selbst zu entnehmen" seien, oder, w e n n i n B G H 3, 179 u n d 20, 164 (166) die „Bedeutung der Tat für die verletzte Rechtsordnung" als Strafzumessungsgrund hervorgehoben w i r d , u m die Berücksichtigung m i l dernder Charakteristika der Tatbestandsverwirklichung zu verlangen; denn m i t der verletzten Rechtsordnung w i r d auf nichts anderes als die einzelne verletzte Rechtsnorm verwiesen. A b e r öfter noch w i r d die Argumentation aus dem Tatschuldprinzip i n Verbindung m i t A r t . 103 GG zum Ausschluß von Strafzumessungsgründen gebraucht, die an sich geeignet wären, einen V o r w u r f gegen den Täter zu begründen, z. B. verantwortungslose allgemeine Lebensführung, Trunksucht, Verschwendungssucht, Vernachlässigung von Familien- oder Berufspflichten, auch anstößiges oder rücksichtsloses V e r halten des Täters nach der T a t gegenüber Opfer oder M i t t ä t e r oder gar ungebührliches Verhalten u n d mangelnde Kooperationsbereitschaft vor Gericht. So beruft sich der B G H i n seiner von Bruns S. 566 als grundlegend zu diesem Problem bezeichneten Entscheidung i n M D R 54, S. 693 ausdrücklich
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I. Das Strafgesetz als extensionaler u n d intensionaler K o n t e x t
einzelnen sein 3 .
Tatbeständen
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Schuld
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weiteren
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D a n n k a n n aber d i e gesetzliche T a t b e s c h r e i b u n g i m S t r a f z u m e s s u n g s k o n t e x t n i c h t n u r e x t e n s i o n a l v o r k o m m e n , w e i l sie, w i e gezeigt, sonst nichts w e i t e r b e w i r k e n k ö n n t e , als die B e s t i m m u n g des e i n z e l n e n H a n d l u n g s i n d i v i d u u m s als Strafzumessungsgegenstand u n d i h r I n h a l t ( i h r e I n t e n s i o n e n ) d a n n nichts w e i t e r w ä r e n als S t r a f z u m e s s u n g s g r ü n d e u n t e r anderen ihnen gleichrangigen Strafzumessungsgründen, die w i l l k ü r l i c h aus d e r M e n g e a l l e r f ü r S t r a f z u m e s s u n g r e l e v a n t e n T a t sachen h e r a u s g e g r i f f e n u n d z u r B i l d u n g v o n T a t b e s t ä n d e n h e r a n g e zogen w o r d e n sind. I h r e S o n d e r s t e l l u n g i n d e r S t r a f z u m e s s u n g w ä r e l e d i g l i c h eine n e g a t i v e . Sie b e s t ü n d e d a r i n , daß diese Tatsachen, w e i l b e r e i t s f ü r die B i l d u n g des S t r a f r a h m e n s v e r w e r t e t , n i c h t nochmals als S t r a f z u m e s s u n g s g r ü n d e herangezogen w e r d e n d ü r f t e n . auf die Erfordernisse „rechtsstaatlichen Strafens" f ü r die Zurückweisung von Schuldvorwürfen, die nicht die Tatbestandsverwirklichung näher charakterisieren; u n d z. B. Baumann m i ß t die Zulässigkeit der Berücksichtigung von rechtsgüterverletzendem Nachtatverhalten i n der Strafzumessung u n m i t t e l bar an A r t . 103 GG (allerdings m i t teilweise befremdlichen Ergebnissen) vgl. N J W 62, S. 1793. Aber auch den anderen Entscheidungen der Revisionsgerichte, die die Heranziehung von Tatsachen zur Strafzumessung für rechtsfehlerhaft erklärt haben, w e i l sie keinen Zusammenhang m i t der Tatbestandsverw i r k l i c h u n g haben, liegt unausgesprochen der gleiche Rechtsgedanke zugrunde, vgl. B G H bei Daliinger M D R 70, S. 14; ebenda S. 15, M D R 71, S. 721, ebenda S. 895, M D R 72, S. 570, B G H VRS 40, S. 41, weitere Nachweise, insbes. aus der unveröffentlichten Rechtsprechung des B G H bei Bruns, S. 565 ff. Denn a l l diesen ausgeschlossenen Tatsachen w i r d zunächst das Prädikat zugesprochen, eine vorwerfbare Schuld des Täters zu begründen, so daß i h r Ausschluß aus der Schuldbemessung n u r damit zu erklären ist, daß es hier nicht u m Schuld schlechthin geht oder auch u m alle Schuld, die m i t einem bestimmten äußeren Verhalten des Täters (Handlung) irgendwie i n Zusammenhang zu bringen ist, sondern u m die vollständige Erfassung der konkreten Ausprägung einer bestimmten A r t von Schuld, die allein nach dem Gesetz der Strafbarkeit unterliegt u n d deren materieller Begriff n u r i n den Strafgesetzen selbst gefunden werden kann, näher hierzu unten K a p i t e l I I 3. 3 Eine ganz andere Frage ist, ob eine so durch das Strafgesetz legitimierte Tatschuld- u n d Strafbemessung n u n nach § 46 allein f ü r die zu verhängende Strafe maßgebend ist, ob sie zur Berücksichtigung von Präventionsgesichtspunkten einen nach oben u n d unten eng begrenzten Spielraum vorgibt oder n u r eine unüberschreitbare Obergrenze für die nach Präventionsgesichtspunkten zu bestimmende Strafe angibt. Was i m folgenden Text über das Verhältnis v o n Strafgesetz, Tatschuldprinzip u n d einzelnem Verbrechen als Gegenstand der Strafzumessung u n d Objekt des Straf Urteils gesagt w i r d , gilt f ü r jede Strafzumessungskonzeption gleichermaßen, die der gesetzlichen Tatschuldbeschreibung überhaupt eine weitere Relevanz f ü r die A u s w a h l einer Strafe aus dem Strafrahmen zugesteht; sogar dann, w e n n dies nicht unter dem hier i m Anschluß an § 46 verwendeten Begriff der Tatschuld geschieht, sondern etwa unter einem Begriff des Grades der Abweichung, der Sozialgefährlichkeit der Tat o. ä. N u r f ü r eine Strafzumessungslehre, die die Tatbestandsverwirklichung n u r als notwendige Bedingung, Anlaß oder Symptom f ü r die Notwendigkeit von anderweitig, etwa nach Persönlichkeitskriterien des Täters zu bemessende Maßnahmen anerkennt, wäre das folgende ohne Interesse.
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I s t aber die T a t s c h u l d i m S i n n e des § 46 die i n d e n T a t b e s t ä n d e n beschriebene Schuld, so stehen w i r w i e d e r v o r der Frage, w i e ü b e r h a u p t w e i t e r e Tatsachen i n d e m S t r a f z u m e s s u n g s k o n t e x t e i n g e f ü h r t w e r d e n k ö n n e n 4 . I s t der G e g e n s t a n d d e r S t r a f z u m e s s u n g die t a t b e standliche B e s c h r e i b u n g der T a t , so k ö n n e n w e i t e r e Strafzumessungstatsachen n u r d a d u r c h e i n g e f ü h r t w e r d e n , daß sie i n diese Beschreib u n g a u f g e n o m m e n w e r d e n . Es m u ß also f ü r die S t r a f z u m e s s u n g eine V o r a u s s e t z u n g aufgegeben w e r d e n , die w i r b i s h e r b e i d e r U n t e r s u c h u n g des e x t e n s i o n a l e n u n d i n t e n s i o n a l e n G e h a l t s d e r Strafgesetze s t i l l s c h w e i g e n d u n t e r s t e l l t h a b e n : d i e A n n a h m e , daß sie v o l l s t ä n d i g e Sätze sind. Es i s t also eine N o t w e n d i g k e i t e i n e r t a t b e s t a n d s o r i e n t i e r t e n U n r e c h t s - u n d Schuldbemessung, d e n T a t b e s t a n d selbst als e i n e n d e r E r g ä n z u n g f ä h i g e n u n d b e d ü r f t i g e n A u s d r u c k z u verstehen. M i t a n d e r e n W o r t e n , d e r T a t b e s t a n d selbst m u ß z u r E i n f ü g u n g w e i t e r e r Strafzumessungstatsachen L e e r s t e l l e n e n t h a l t e n u n d w i r d d a d u r c h z u einer Satzfunktion 5. 4 Wegen dieses Dilemmas w i r d i n der heutigen Strafzumessungslehre, trotz der allgemeinen Anerkennung von Tatschuldprinzip u n d gesetzlicher Tatbeschreibung als G r u n d - u n d Maßprinzip der Strafe, als Gegenstand der Strafzumessung nicht die Tatbestands Verwirklichung angesehen, sondern der v o m Tatbestand erfaßte „angeklagte einheitliche Lebensvorgang" (Zipf S. 200) oder „ i n die Tatsphäre fallende Strafzumessungstatsachen" (Spendet S. 241). U n d w o h l aus dem gleichen G r u n d w i r d weitgehend darauf verzichtet, überhaupt einen Gegenstand der Strafzumessung namhaft zu machen, u n d zur Abgrenzung der nach dem Tatschuldprinzip zulässigen Strafzumessungstatsachen nunmehr gefordert, daß sie m i t „der T a t " oder „der Tatbestandsverwirklichung" i n einem inhaltlichen Zusammenhang stehen, vgl. Koffka zu § 13 a. F. Rdnr. 7, Bruns S. 565 f. u n d die i n Fußn. 2 zitierten Entscheidungen. Dies Erfordernis bleibt jedoch ein rein formales u n d läßt sich nicht inhaltlich bestimmen, solange man i n der Strafzumessung v o n einem t a t bestandsapriorischen wertfreien Handlungsbegriff oder gar der Tat i m prozessualen Sinne (so neuerdings Zipf „Strafzumessung" S. 63) als Objekt der Würdigung ausgeht. Denn irgendein Zusammenhang zwischen dem so bestimmten Gegenstand der Strafzumessung u n d einem moralischen V o r w u r f gegen den Täter läßt sich allemal herstellen, wenigstens über die Person des Täters. Welche Beschränkungen strafbarer Schuld läßt etwa noch der Satz zu, den Siebert i n M D R 62, S. 458 aufstellt: „Es k a n n das Verhalten des Täters vor, nach u n d während der Tat für, w i e gegen i h n verwertet werden; so können, falls mit der Tat zusammenhängend , schlechte Lebensführung oder L e u m u n d strafschärfend w i r k e n ? " M i t einer „engen Beziehung zu der Straftat" w i r d auch i n der v i e l gescholtenen Entscheidung B G H 1, 51 begründet, daß dem Täter als Strafschärfungsgrund angelastet werden dürfe, „er habe durch Trunksucht die wirtschaftliche Grundlage seiner fünfköpfigen Familie zerstört, er habe durch liederlichen Lebenswandel die Grundlage seiner Ehe untergraben u n d sei allgemein schlecht beleumundet". Daß w i r uns m i t der allgemeinen Ablehnung nicht beruhigen können, die diese Entscheidung zum Paradebeispiel unzulässiger Strafschärfungsgründe gemacht hat, zeigt ein neueres U r t e i l des B G H bei Holz M D R 76, S. 812, wonach einem wegen eines Rauschgiftdelikts angeklagten Ausländer strafschärfend anzulasten ist, daß er die Ausweisung riskiert u n d damit „die Existenzgrundlage seiner fünfköpfigen Familie aufs Spiel gesetzt" habe.
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Diese tatbestandliche Satzfunktion ist zunächst zu unterscheiden von einer anderen A r t von Satzfunktion, die ebenfalls eine Form der Darstellung eines Strafgesetzes ist und ebenfalls geeignet ist, ein sprachliches Modell von Teilen der Gesetzesanwendung mitzukonstituieren, allerdings von anderen Teilen der Gesetzesanwendung als der Strafzumessung. Es läßt sich nämlich auch der sogenannte Subsumtionsvorgang als Ausfüllung von Leerstellen i n einer als Satzfunktion aufgefaßten Norm darstellen, durch die die Norm dann zu einem vollständigen Satz wird, aus dem die Rechtsfolge für den einzelnen sub5 Frege hat diesen Begriff, der aus der Analysis stammt, erstmals auf Ausdrücke außerhalb der Mathematik, insbesondere auf die Allgemeinbegriffe der natürlichen Sprache angewandt, vgl. F u n k t i o n u n d Begriff S. 26 ff. Wegen dieser H e r k u n f t des Funktionsbegriffs aus der Mathematik u n d seiner Verwandtschaft m i t dem Begriff der algebraischen Gleichung muß bei dieser Erweiterung auf andere Ausdrücke m i t Leerstellen einem Mißverständnis vorgebeugt werden: Wenn i m folgenden von den Werten einer Satzfunktion gesprochen w i r d , die man erhält, w e n n man Leerstellen der F u n k t i o n m i t Konstanten, den sog. Argumenten ausfüllt, so ist damit nicht notwendig etwas gemeint, das sich i m weitesten Sinne des Wortes „ausrechnen" läßt, also eine bloße Umformung des auf der anderen Seite der „Gleichung" stehenden Ausdrucks durch rein logische Operationen. Der erweiterte Begriff der F u n k t i o n setzt zwar eine Abhängigkeit zwischen den Argumenten und den Werten voraus, diese muß aber nicht unbedingt eine rein logische sein. Frege bringt als Beispiel die F u n k t i o n „die Hauptstadt von . . . " , wobei die Pünktchen eine Leerstelle f ü r ein Argument bezeichnen. Setzt m a n n u n an diese Stelle als Argument „der Bundesrepublik Deutschland", so erhält man als Wert „Bonn", daß aber Bonn die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist, ergibt sich nicht aus logischen Ableitungen, sondern allein aus T a t sachen. E i n zweites hier drohendes Mißverständnis ist die ebenfalls durch die a l l gemein bekannten Anwendungen des Funktionsbegriffs i n der Analysis nahegelegte Vorstellung, daß die f ü r die Ausfüllung einer Leerstelle i n Betracht kommenden Konstanten eines bestimmten Wertebereichs nach einem allgemeinen Prinzip untereinander geordnet sein müßten so w i e etwa die Zahlen, so daß man aus einem oder einigen bekannten Gliedern dieser Ordnung alle weiteren ableiten kann. Der Wertebereich einer Variablen kann aber v ö l l i g ungeordnet sein. Er kann auch eine w i l l k ü r l i c h festgelegte Menge von Elementen sein, die untereinander keine andere Beziehung haben, als daß sie eben zum Wertebereich dieser Variablen gehören. Deshalb wäre auch die E r w a r t u n g falsch, daß die ihnen entsprechenden Werte ihrerseits eine solche Ordnung abbilden oder widerspiegeln müßten, so daß eine A r t Proportionalität zwischen Argumenten u n d Werten entsteht. (Es gibt übrigens ganz einfache mathematische Funktionen, die w o h l die erste, nicht aber die zuletzt genannte Bedingung erfüllen, z. B. die F u n k t i o n χ = c [constansl oder y = c.) Für unsere tatbestandliche Satzfunktion haben w i r zwar a l l diese Erwartungen: W i r fordern eine Ordnung der einzelnen Tatbestandsverwirklichungen, jedenfalls innerhalb eines Tatbestandes, u n d wollen diese i n einer Ordnung der einzelnen innerhalb des Strafrahmens liegenden Strafen abbilden, u m eine Proportionalität zwischen tatbestandsspezifischer Schuld u n d Strafe herzustellen. Das mag zwar ein G r u n d dafür sein, daß uns die D a r stellung dieser Strafzumessungsaufgabe i n F o r m der Ausfüllung einer Satzf u n k t i o n u n d ihrer Ergebnisse i n F o r m einer „Gleichung" besonders einleuchtet. Aber dadurch, daß man zeigt, daß diese Darstellungsweise möglich und adäquat ist, hat man das Bestehen dieser Ordnungen u n d dieser Proportionalität nicht einmal i m p l i z i t behauptet, geschweige denn zu seinem Beweis etwas beigetragen.
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sumierten Fall unmittelbar folgt. I n diesem Sinne ist jede Norm und jeder Allgemeinbegriff eine Satzfunktion, insofern etwas darunter subsumiert werden soll 6 . Hier geht es aber u m eine andere, i n gewissem Sinne höherrangige Stufe der Normkonkretisierung, die bei einer Norm m i t hinreichend bestimmter Rechtsfolge gar nicht auftaucht, i m Gegensatz zu der stets notwendigen Subsumtion. Es geht um die Präzisierung des Norminhalts selbst, also des Satzes, der bei der klassischen Darstellung der Subsumtion in Form des modus ponens als Obersatz des Schlusses erscheint. Diesen Teil der Normbestimmung hat der Gesetzgeber für die Strafgesetze selbst dadurch an den Richter delegiert, daß er i n seinen Strafgesetzen Rechtsfolgen angeordnet hat, die er selbst i n § 38 ff. für nicht vollständig bestimmt erklärt. Das Ergebnis dieser Konkretisierung ist nicht wie das der Subsumtion eine konkrete, nur für einen Einzelfall gültige Norm, sondern ein abstrakter Rechtssatz, der ebenso Allgemeingültigkeit beansprucht wie das Strafgesetz selbst. Der Unterschied zwischen den beiden Arten von Funktionen, die hier auftreten, zeigt sich am deutlichsten i n dem, was man als ihre Werte bezeichnen könnte, also i n dem, was auf der anderen Seite des Gleichheitszeichens stehen müßte, wenn man die Funktion als Gleichung schreibt. Entsprechend unterscheiden sich auch die i n den Funktionen vorkommenden Variablen, also die allgemeinen Bestimmungen der Ausdrücke, die i n die Leerstellen eingesetzt werden dürfen. Die Subsumtionsfunktion hat nur Leerstellen für Individuen, insbesondere Handlungsindividuen, aber auch etwa Sachindividuen, Personenindividuen oder Erfolgsindividuen, wie ein Vermögensschaden, 6 Frege geht von der „ p r ä d i k a t i v e n N a t u r " des Allgemeinbegriffs aus, d. h. davon, daß Allgemeinbegriffe verwendet werden, u m m i t ihnen etwas über Gegenstände auszusagen. Wenn dagegen ein Begriffswort an die Stelle des Gegenstandes i n einer Aussage gesetzt w i r d , also etwas über „den Begriff" ausgesagt w i r d , handele es sich u m einen ganz anderen Ausdruck, der von dem Begriff als Prädikat i n seinem Sinn u n d seiner Bedeutung gänzlich verschieden ist (vgl. Uber Begriff u n d Gegenstand passim auch Ausführungen über Sinn u n d Bedeutung). Heute würde m a n die Beispiele, die Frege für die Verwendung des Begriffsworts als Gegenstandsbezeichnung anführt, der Metasprache zurechnen. Wegen seiner prädikativen N a t u r kann der Allgemeinbegriff nicht allein stehen, sondern braucht immer einen Gegenstand, von dem er etwas aussagt. Als Prädikat f ü r sich allein stehend hat der Begriff keinen Sinn. Ist ein solcher Gegenstand der Aussage nicht bestimmt, so muß bei der Niederschrift des Begriffes als Prädikat eine Leerstelle oder Gegenstandsvariable an seine Stelle treten, die die Unvollständigkeit u n d Ergänzungsbedürftigkeit des Prädikats ausdrückt, vgl. Uber Begriff u n d Gegenstand. So k o m m t Frege zu der Darstellung des Allgemeinbegriffs als „ungesättigter" Ausdruck m i t Leerstellen, u n d einen solchen Ausdruck nennt er eine Funktion, vgl. F u n k tion u n d Begriff S. 29. I m Text werden die Ausdrücke F u n k t i o n oder auch Satzfunktion i n diesem weiten Sinne eines unvollständigen, ungesättigten Ausdrucks gebraucht.
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eine Körperverletzung, eine Gefahr u. ä. Was als ihr Wert auf die andere Seite der Gleichung zu stellen ist, ist problematisch. Frege, der Allgemeinbegriffe als solche Funktionen dargestellt hat, hat ihnen als Wert die beiden Wahrheitswerte wahr oder falsch zugeordnet. Er schreibt die Begriffe als einstellige Satzfunktionen, d.h. als Funktionen m i t nur einer Leerstelle für einen Gegenstand, d.h. für ein Individuum. Je nachdem, ob man i n diese Leerstelle ein Zeichen für ein Individuum einsetzt, das unter diesen Begriff fällt oder nicht unter ihn fällt, kommt i m ersten Fall der Wahrheitswert wahr, i m zweiten Fall der Wert falsch heraus. Frege setzt dabei voraus, daß die Frage nach der Subsumierbarkeit eines jeden Gegenstandes unter den Begriff stets eindeutig zu beantworten ist. Anderenfalls würde er gar nicht von einem Begriff sprechen, w e i l das Begriffswort und seine Bedeutung nicht die Anforderungen erfüllen, die an einen Begriff zu stellen seien 7 . Wenn w i r noch die klassische Subsumtionstheorie zugrundelegen könnten, könnten w i r das Gleiche tun. W i r haben aber inzwischen gelernt, daß w i r auch Begriffe anerkennen müssen, die nicht i n diesem Sinne eindeutig sind, daß dies sogar von fast allen Begriffen anzunehmen ist, die w i r i n der Rechtssprache und vor allem auch i n den Gesetzen vorfinden. Man ist sich inzwischen wohl darüber einig, daß die Subsumtion jedenfalls i m Recht Entscheidungscharakter hat und nicht ohne weiteres als wahr oder falsch bezeichnet werden kann, weil sie meist nicht als reine Tatsachenbehauptung, sondern mindestens auch als Wertung zu verstehen ist. Man könnte der Subsumtionsfunktion also allenfalls die Werte falsch und richtig oder auch vertretbar und nicht vertretbar zuordnen. Indessen zeigt die Diskussion u m den Wert des Analogieverbots, daß auch die Eindeutigkeit dieser Wertezuordnung zweifelhaft genug ist. Man w i r d also, wenn man die Subsumtion nur noch als persönliches U r t e i l versteht, das nur für den Urteilenden feststeht und verbindlich ist, den Urteilenden selbst i n den zuzuordnenden Wert einbeziehen müssen und erhält dann Werte wie richtig für X oder falsch für Y, wobei die Buchstaben jeweils die Person des Urteilers bezeichnen. Die einzelnen Individuen (Handlungen, Erfolge, Personen, Sachen) kommen i n dem vollständigen Satz, der durch Ausfüllung der Subsumtionsfunktion entsteht, i n einem extensionalen Kontext vor. Denn es kommt nicht darauf an, durch welche Namen oder Beschreibungen sie bestimmt sind, diese sind jederzeit durch andere Beschreibungen des gleichen Individuums ersetzbar. Z u beachten ist nur, wenn man mangels eines Namens für das Individuum eine Individuenbeschreibung benutzt, daß sie der sogenann7 Vgl. F u n k t i o n u n d Begriff S.31.
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ten Einzigkeitsbedingung genügt, d. h., es darf nur ein Individuum geben, das alle Bedingungen der Beschreibung erfüllt, daher die besondere Eignung von Orts- und Zeitangaben zur Beschreibung strafbarer Handlungen i m Strafprozeß. Die hier sogenannte tatbestandliche Satzfunktion hat dagegen als Werte bestimmte Strafgrößen (nach der sog. Lehre von der Punktstrafe) oder die sogenannten Schuldstrafrahmen (nach der Rahmentheorie der Rechtsprechung 8 ). Diese Schuldstrafrahmen enthalten zwar noch verschiedene Strafgrößen, aber nur solche, die unter Tatschuldgesichtspunkten gleichwertig und austauschbar sind, so daß Unterschiede zwischen ihnen nur noch nach anderen Strafzumessungsgesichtspunkten (der Speziai- und Generalprävention) gemacht werden können, Was bei der Ausfüllung der tatbestandlichen Satzfunktion als vollständiger Satz herauskommt, ist also die nach dem anzuwendenden Strafgesetz hinreichend bestimmte Rechtsfolge als Wert und deren Voraussetzungen, die vollständige Beschreibung der nach dem Gesetz relevanten Schuld (im weiteren Sinne) auf der Argumentseite. Dies ist eine abstrakte Norm, ebenso wie der Tatbestand, sie ist aber i m Gegensatz zu diesem jetzt unmittelbar auf den Einzelfall durch Subsumtion anwendbar, weil ihre Rechtsfolge hinreichend bestimmt ist. Man kann sagen, daß jeder Tatbestand eine Vielzahl solcher Normen i n unvollständiger Form enthält oder auch daß er eine Anleitung für den Richter enthält, solche Normen zu bilden. Die Bildung dieser hinreichend bestimmten Norm zur Anwendung auf den Einzelfall ist der Inhalt der richterlichen Strafzumessung, soweit diese überhaupt an die Tatschuld und damit an das Strafgesetz gebunden ist. Sie ist inhaltlich auf den Einzelfall h i n konzipiert und durch seine Besonderheiten bestimmt, aber ihrer Form nach eine abstrakte Norm, d. h. eine Norm, die Geltung beansprucht für eine unbestimmte Zahl von Fällen, nämlich für all die Fälle, die den gleichen Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen. Was aber sind nun die Variablen, die auf der anderen Seite der tatbestandlichen Satzfunktion, w i r könnten auch sagen Normfunktion, also der Argumentseite oder Tatbestandsseite stehen und durch was sind sie auszufüllen? Wenn das Ergebnis eine Norm sein soll, die ihrer Form nach allgemeingültig ist, können an die Stelle der Tatbestandsmerkmale keine Individuen gesetzt werden, also nicht die bestimmte einzelne Person, des Täters oder Verletzten, die den Tatbestand erfüllende Handlung, der konkrete durch sie herbeigeführte Schaden usw. Es können also nur Klassen von Individuen sein, die durch Eigenschaften zu beschreiben sind. Die Tatbestandsmerkmale β Vgl. etwa die Grundsatzentscheidung B G H 7, 28 (32); auch B G H 7, 86 (89), ausführlich noch B G H 20, 264 (266 f.). 5 Puppe
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selbst sind also Klassen- und Eigenschaftsvariable. Sie können also selbst nicht Klassen und Eigenschaften von Individuen darstellen, wie w i r das bisher stillschweigend vorausgesetzt haben, jedenfalls nicht im Kontext der Strafzumessung 9 . Sie bezeichnen hier vielmehr Klassen von Klassen und Eigenschaften von Eigenschaften und sind damit Prädikate zweiter Stufe. Sie geben den Wertebereich der bei der Ausfüllung der Funktion an ihre Stelle einzusetzenden Argumente, also Klassen- bzw. Eigenschaftskonstanten dadurch an, daß diese zu jener Klasse von Klassen gehören oder jene Eigenschaft von Eigenschaften aufweisen müssen. Klassen- bzw. Eigenschaftsbegriffe, die als Argumente dienen, stehen also zu den Prädikaten zweiter Stufe, also den Tatbestandsmerkmalen selbst i n einem ähnlichen Verhältnis wie bei der Anwendung der Strafzumessungsnorm die Individuen und Individuenbeschreibungen zu den Klassen- bzw. Eigenschaftsbegriffen der Subsumtionsfunktion, die ihrerseits Prädikate erster Stufe sind. I n beiden Fällen handelt es sich um ein Verhältnis der Unterordnung, einmal von Individuen unter Klassen und Eigenschaften, das andere M a l von Klassen unter Klassen bzw. Eigenschaften unter Eigenschaften zweiter Stufe. Trotzdem sind diese UnterordnungsVerhältnisse sorgfältig zu unterscheiden. Jene Oberklassen gehören nicht der gleichen Stufe an wie die Unterklassen. Denn als Elemente haben sie nicht Individuen wie die Unterklassen, sondern diese Unterklassen selbst. Sie dürfen also nicht verwechselt werden m i t Oberklassen, die innerhalb der gleichen Stufe entstehen, indem Klassen zusammengefaßt oder Teilklassen aus ihnen gebildet werden. Man spricht von Oberklassen bei umfassenden Klassen, die andere Klassen, die Unterklassen, i n sich einschließen, aber m i t ihnen insofern auf gleicher Stufe stehen, als beide gleichartige Elemente haben. Bei der tatbestandlichen Satzfunktion aber haben w i r es nicht m i t solchen Oberklassen zu tun, sondern m i t Klassen, die ihrerseits Klassen als Elemente haben, also m i t Klassenklassen und entsprechend nicht m i t Eigenschaften von Individuen, sondern m i t Eigenschaften von Eigenschaften. Die gesetzlichen Tatbestände handeln also so verstanden nicht von einzelnen Verbrechen, sondern von Verbrechensarten. Wenn man etwa den § 242 als eine solche tatbestandliche Satzfunktion auffaßt und dann dadurch zu einem vollständigen Satz macht, daß man die Variablen durch den All-quantor bindet, so kommt nicht, wie gewohnt, der 9 Deswegen ist es notwendig, zwischen den beiden A r t e n von N o r m k o n k r e tisierung, die hier zu untersuchen sind, der näheren Bestimmung der Rechtsfolge und der Subsumtion des Einzelfalls sorgfältig zu unterscheiden u n d beide Kontexte streng auseinanderzuhalten, u m nicht bei den Tatbestandsmerkmalen, die j a i n beiden Kontexten vorkommen, zu einer Stufen- oder Typenvermischung zu kommen.
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Satz heraus „ A l l e Diebstähle werden m i t Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder m i t Geldstrafe bestraft", sondern „ A l l e Arten von Diebstahl werden m i t Straf großen bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft". Die i n den Tatbeständen beschriebenen Verbrechenstypen verhalten sich als Gattungsbegriffe zu den Begriffen von Tatschuld, die die Schuldstrafe bestimmen und nur Taten von gleicher und gleichartiger Schuld umfassen. Diese sind Arten der tatbestandlichen Verbrechenstypen. Die Tatbestandsmerkmale selbst sind also als Variable Artvariable. Diese Auffassung der Strafgesetze erscheint zunächst inakzeptabel. Die Strafgesetze sollen ja auf Einzelfälle angewandt werden und nicht auf ganze Klassen oder A r t e n von Fällen. W i r bestrafen schließlich nicht Begriffe, Eigenschaften oder Klassen, sondern Taten. Daß die Tatbestände — jedenfalls i n der Strafzumessung — gleichwohl als Aussagen über Deliktsarten und nicht über einzelne Delikte verstanden werden können und müssen, liegt daran, daß sie eben nicht unmittelbar auf den Einzelfall angewendet werden können, weil ihre Rechtsfolgen zu unbestimmt sind. Die Norm, die hinreichend bestimmt ist, um unmittelbar auf den Einzelfall angewandt zu werden, muß also erst durch einen richterlichen A k t , der durchaus als Rechtsetzungsakt bezeichnet werden könnte, aus dem Strafgesetz entwickelt werden. Diese richterliche Norm sagt erst etwas über Klassen und Eigenschaften von Verbrechensindividuen aus. Nun fungieren allerdings auch die Tatbestandsmerkmale selbst als Individuenvariablen und zwar i n einem Stadium der Rechtsanwendung, das in der Regel der Strafzumessung vorausgeht. Denn jeder Strafzumessung muß die Feststellung vorausgehen, daß die Voraussetzung für Strafbarkeit nach einem bestimmten Strafgesetz und i n einem bestimmten Rahmen gegeben sind. Dies ist ein Subsumtionsprozeß, der Individuen zum Gegenstand hat. Da die Begriffe, unter die hier zu subsumieren ist, Tatbestandsmerkmale sind, müssen sie i n diesem Kontext als Eigenschaften von Individuen auftreten. Deshalb ist dieser Subsumtionsvorgang streng zu trennen von dem anschließenden Verfahren der Normkonkretisierung und dieses wiederum von einem weiteren Subsumtionsakt, der i n der Anwendung der konkretisierten Norm auf den Einzelfall besteht. Anderenfalls käme man zu einer Vermischung der Prädikatsstufen. Es mag zunächst befremden, daß die Tatbestandsmerkmale i m fortschreitenden Prozeß der Rechtsanwendung einmal als Eigenschaften und Klassenbegriffe erster Stufe, also Eigenschaften und Klassen von Individuen, dann als Eigenschaften von Eigenschaften bzw. Klassen von Klassen erscheinen, und schließlich wiederum i n Verbindung m i t weiteren Merkmalen als Eigenschaften von Individuen. Daß dies aber 5*
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i n der Tat so ist, zeigt wiederum ein Blick auf die Rechtsfolge. Wenn der Richter, etwa i n einem rechtlich zweifelhaft liegenden Grenzfall, die Anwendbarkeit eines Tatbestandes auf eine Handlung prüft, so erscheint i h m dessen Rechtsfolge zunächst als eine Einheit, er fragt nach der Anwendbarkeit „des gesetzlichen Strafrahmens". Dessen A n wendbarkeit ist „die Rechtsfolge", u m deren E i n t r i t t oder Nichteintritt es i n diesem Teil des Verfahrens geht. Anders ausgedrückt, die einzelnen i m Strafrahmen enthaltenen Strafmöglichkeiten gelten i n diesem Verfahren noch als gleich und es besteht noch kein Bedürfnis, zwischen ihnen nach weiteren Eigenschaften zu differenzieren. I m nachfolgenden Verfahren der Strafzumessung w i r d der Standpunkt der Einheitlichkeit der Rechtsfolge und der Gleichheit der i m Strafrahmen enthaltenen Strafmöglichkeiten verlassen. Entsprechend verhält es sich m i t dem Tatbestand. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten der Tatbestandsverwirklichung interessiert erst dann, wenn die Tatsache der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes feststeht, d. h. ein Tatindividuum gefunden worden ist, auf das die tatbestandliche Beschreibung, verstanden als Angabe von Eigenschaften von Individuen, zutrifft. Das Bedürfnis, zwischen verschiedenen Arten von Tatbestandsverwirklichung nach ihrem Unrechts- und Schuldgehalt zu differenzieren, also Arten der Tatbestandsverwirklichung zu unterscheiden und damit die Tatbestände selbst zu Gattungsbegriffen zu machen, t r i t t erst i n der anschließenden Strafzumessung auf. Der Richter w i r d beispielsweise einen Schöffen auf diesen Teil des Verfahrens verweisen, der i h m m i t einem gewissen Recht entgegenhalten könnte, es sei unzulässig, von „dem Strafrahmen" zu sprechen, wenn dieser so unterschiedliche Strafmöglichkeiten wie Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren enthalte und es sei illegitim zu fragen, ob die Tat „ein Diebstahl" war, da es doch Diebstähle von verschiedenster A r t und verschiedenstem Schweregrad gäbe. Die Anwendung eines Strafgesetzes auf einen Einzelfall ist also i n drei Phasen darzustellen, die streng voneinander zu trennen sind, auch wenn sie in der Praxis teilweise gleichzeitig und i n einer A r t Rückkoppelung miteinander verlaufen können: Die Feststellung der A n wendbarkeit eines Strafgesetzes auf einen Einzelfall, die Konkretisierung der Norm dieses Strafgesetzes i m Hinblick auf den Unrechtsund Schuldgehalt der betreffenden Tat als Verwirklichung des Strafgesetzes und schließlich die Anwendung der so konkretisierten Norm, deren Ergebnis das vollständig bestimmte und nur für den einzelnen Fall gültige Strafurteil ist. I n der ersten Phase, der Feststellung der Anwendbarkeit eines Strafgesetzes, fungieren die Merkmale seines Tatbestandes als Beschreibungen von Klassen bzw. Eigenschaften einzelner Handlungen
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(immer vorausgesetzt, daß die Handlung das Individuum i n unserer Strafrechtssprache ist). Wie ist aber nun das Ergebnis dieser ersten Phase zu formulieren? Eine Formulierung wie „die Handlung X (Angabe von Zeit, Ort und Täter) ist m i t Freiheitsstrafe von . . . bis . . . zu bestrafen" wäre falsch, zumindest unvollständig. Die Untersuchungen des vorangegangenen Kapitels haben gezeigt, daß eine Unterscheidung zwischen Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz unmöglich ist, sobald man die Strafdrohungen der einzelnen Strafgesetze auf das Handlungsindividuum als solches bezieht. Weiter haben w i r gesehen, daß auch Gegenstand der Strafzumessung nicht das Handlungsindividuum als solches ist, daß i n einer gesetzesgebundenen Schuldzumessung die Handlung nur i n ihrer Eigenschaft als Verwirklichung eines bestimmten Tatbestands interessiert. W i l l man also diese Phase der Gesetzesanwendung als Ausfüllung einer Satzfunktion darstellen, so darf man nicht an die Stelle der gesetzlichen Tatbeschreibung irgendeine Bestimmung des einzelnen Tatindividuums setzen, weil die Tatbeschreibung i m Strafgesetz nicht i n einem extensionalen Kontext vorkommt. Man braucht zwar zusätzliche Kriterien, um die einzelne Handlung zu bestimmen, auf die das Strafgesetz Anwendung finden soll, da die Tatbestandsmerkmale selbst natürlich nicht der Einzigkeitsbedingung genügen können. Neben diesen Individualisierungskriterien müssen aber die Tatbestandsmerkmale selbst in der Individuenbeschreibung stehen bleiben, als diejenigen Eigenschaften des betreffenden Individuums, auf die sich die gesetzliche Strafdrohung i m konkreten Fall bezieht 10 . Sie sind ein un10
Dagegen k a n n nicht eingewandt werden, daß die aus dem Tatbestand i n die Individuenbeschreibung übernommenen Eigenschaften i n dieser Beschreibung überflüssig geworden seien, w e i l die notwendigen Individualisierungskriterien, also beispielsweise die Orts-, Zeit- u n d Personenangaben, ausreichen, das Handlungsindividuum eindeutig zu bestimmen. Das wäre dann richtig, w e n n i m folgenden n u r die Extension dieser Individuenbeschreibung von Interesse wäre, die nichts anderes ist als das I n d i v i d u u m selbst (vgl. Carnap S. 51). Was die Intension einer Individuenbeschreibung ist ( Carnap f ü h r t S. 52 dafür den Ausdruck „Individuenbegriff" ein), k a n n man sich am leichtesten klarmachen, w e n n man sie sich als einen Sonderfall einer Klassenbeschreibung vorstellt, nämlich als Beschreibung einer Klasse von I n d i v i d u e n m i t n u r einem einzigen Element. Bei anderen Klassenbeschreibungen durch Eigenschaften kämen w i r nicht so ohne weiteres auf die Idee, einzelne Eigenschaften deshalb wegzustreichen, w e i l sie den Begriffsumfang der Klassenbeschreibung nicht weiter einschränken, als es die übrigen M e r k male für sich alleine tun. W i r w ü r d e n solche Streichungen n u r dann v o r nehmen, w e n n w i r uns nur f ü r den Umfang der beschriebenen Klasse interessierten, w e n n also die Klassenbeschreibung i n einem extensionalen K o n t e x t vorkäme. Es käme dann i n dem betreffenden Zusammenhang n u r auf die Identität der beschriebenen Klasse an, aber auf keine der Eigenschaften, durch die sie beschrieben w i r d . W i r w ü r d e n aber ohne weiteres zugestehen, daß ein Klassenbegriff nicht mehr die gleiche Intension hat, w e n n irgendeine Eigenschaft aus i h m gestrichen worden ist, auch w e n n sich sein Umfang dadurch nicht verändert hat. Genau dies müssen w i r dann aber auch bei
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verzichtbarer Bestandteil der i n dieser ersten Anwendungsphase zu gewinnenden Aussage über die Strafbarkeit der einzelnen Handlung. Die zweite Phase, die die richterliche Schuldbestimmung und die Strafzumessung umfaßt, soweit sie an die Tatschuld und damit an das einzelne Strafgesetz gebunden ist, hat die Aufstellung einer i m Vergleich zum Strafgesetz inhaltsreicheren und i n ihrer Rechtsfolge hinreichend bestimmten Norm zum Ziele. Hier geht es darum, weitere Bedingungen der Rechtsfolge i n den Kontext der Strafnorm selbst einzuführen. Die abzuurteilende Straftat ist nicht unmittelbar Gegenstand dieses Verfahrensteils, d. h., sein Ergebnis ist nicht eine Aussage über diesen Gegenstand. Deshalb fungieren die Tatbestandsmerkmale in dieser Phase auch nicht als Individuenvariable. Die konkrete Tat ist insofern für den Inhalt der richterlichen Norm bestimmend, als diese nur solche Eigenschaften enthalten kann, die gerade diese Tat aufweist. Daß die tatbestandliche Vertypung von Unrecht und Schuld maßgebend dafür ist, welche besonderen Eigenschaften der konkreten Tat zur Strafzumessung heranzuziehen sind, ist ein Postulat, das w i r als Bestandteil des Tatschuldprinzips und der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafe akzeptiert haben. Wie dies i m einzelnen möglich sein kann, w i r d uns i m folgenden noch ausführlich beschäftigen. Das Ergebnis dieser Phase ist eine abstrakte Norm, die ihrer Form nach Allgemeingültigkeit beansprucht, obwohl sie auf einen Einzelfall h i n konzipiert ist. (Es wäre theoretisch nicht ausgeschlossen, solche Normen auch unabhängig von Einzelfällen zu bilden.) Diese Norm hat eine hinreichend bestimmte Rechtsfolge oder doch eine, die soweit bestimmt ist, als sie von Unrechts- und Schuldgehalt abhängig ist. A u f der Tatbestandsseite enthält diese Norm Beschreibungen von Klassen von Tatbestandsverwirklichungen, die sich i n Unrecht und Schuld vollständig gleichen. Diese Norm verhält sich zum Strafgesetz als vollständige Norm zu einer Normfunktion. Die Eigenschaften, die das Unrecht und die Schuld beschreiben, sind die Konstanten, die an die Stelle der Eigenschaftsvariablen der tatbestandlichen Normfunktion, d. h. der Tatbestandsmerkmale getreten sind. Wenn diese, wie gesagt, der Form nach abstrakte und allgemeingültige Norm auf den Einzelfall angewandt wird, für den sie konzipiert ist, erscheint sie wiederum als Satzfunktion, i n der die unrechtsIndividuenbeschreibungen anerkennen. Jede i n ihnen vorkommende Eigenschaft ist mitbestimmend f ü r die Intension der Individuenbeschreibung, den Individuenbegriff, gleichgültig, ob diese Eigenschaft innerhalb der I n d i v i duenbeschreibung erforderlich ist, damit diese den allgemeinen Anforderungen an Individuenbeschreibungen, also insbesondere der Einzigkeitsbedingung, genügt; vgl. die Beispiele von Individuenbeschreibungen bei Carnap S. 52.
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und schuldbestimmenden Eigenschaften Individuenvariable sind. Der Form nach entspricht diese dritte Phase der Gesetzesanwendung genau der ersten, sie ist ebenfalls Anwendung einer abstrakten Norm auf einen konkreten Einzelfall. Nur w i r d sie i m Gegensatz zur ersten Phase kaum bewußt vollzogen, da sie gänzlich unproblematisch ist. Daß die Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestandes gegeben sind, steht bereits fest, und ihre näheren Bestimmungen durch die Strafzumessungsnorm, m i t anderen Worten die Tatbestandsmerkmale dieser Norm sind bereits unter der Voraussetzung festgelegt worden, daß sie i m konkreten Fall gegeben sind. Trotzdem lohnt es sich, das Ergebnis dieses Subsumtionsprozesses genauer zu betrachten. Schließlich ist es gleichzeitig das Ergebnis des gesamten Verfahrens, i n dem sich alle zuvor geschilderten Schritte der RechtsanWendung irgendwie niederschlagen müssen und aus dem die gesamte Funktion des Strafgesetzes in der Rechtsanwendung gewissermaßen rückwärts schreitend, erklärbar sein muß. Es versteht sich zunächst, daß dieser Satz von einem Einzelfall handeln muß und daß er eine Norm ist, die die Vollstreckung einer bestimmten Strafe gegen einen bestimmten Täter gebietet. Diese Norm muß aber gleichzeitig angeben, was der Grund für diese Strafe ist und mit ihr seine strafrechtliche Erledigung finden soll. W i r nennen diese Norm i m folgenden Strafurteilssatz, sie ist aber nicht zu verwechseln m i t dem Strafurteil i m prozessualen Sinne. Der Gegenstand, über den nach dem Grundsatz der Rechtskraft nicht nochmals geurteilt werden darf, ist ja nicht abhängig davon, welche i m konkreten Fall gegebenen Unrechts- und Schuldkriterien der Richter tatsächlich festgestellt und seinem Strafausspruch zugrunde gelegt hat. Auf der Tatbestandsseite dieses Strafurteilssatzes müssen w i r aber das finden, was w i r das konkrete Verbrechen nennen und u m dessen allgemeinen Begriff sich Einheits- und Mehrheitstheorie streiten. Daß es nicht das Handlungsindividuum selbst sein kann, ergibt sich aus unseren bisherigen Untersuchungen über den Begriff der Tat i m Sinne des Tatschuldprinzips und seine Abhängigkeit von der gesetzlichen Handlungsbeschreibung und über die Unterscheidung zwischen Gesetzeskonkurrenz und Handlungseinheit. Ist aber das konkrete Verbrechen nicht das Handlungsindividuum selbst, so muß es in der A r t stecken, wie uns dieses Individuum i m Strafurteilssatz gegeben ist. Dies ist eine Individuenbeschreibung, d. h. eine Beschreibung von Eigenschaften erster Stufe, die nur von einem einzigen Individuum erfüllt wird. Die Extension dieses Ausdrucks ist dieses Individuum, man kann auch sagen eine Klasse von Individuen m i t nur einem Element. Seine Intension besteht aus allen in der Beschreibung angegebenen Eigenschaften dieses Individuums. Von ein- und demselben Individuum
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sind verschiedene Individuenbegriffe möglich. Es handelt sich dabei um die ganz gewöhnliche Erscheinung, daß mehrere Ausdrücke m i t der gleichen Extension und verschiedenen Intensionen möglich sind. Deswegen wäre es ein Fehler anzunehmen, man könnte aus dem Individuenbegriff, der i m Strafurteilssatz vorkommt, diejenigen Merkmale ersatzlos streichen, die nicht erforderlich sind, u m der Einzigkeitsbedingung zu genügen, bei deren Wegfall also die Beschreibung noch immer das gleiche Individuum bestimmen würde. Denn dadurch würde der Individuenbegriff geändert. Unsere Individuenbeschreibung der Handlung i m Strafurteilssatz muß, wie gesagt, die Eigenschaften der Handlung angeben, die die Strafhöhe begründen, also die Tatbestandsmerkmale der Strafzumessungsnorm, die aber ihrerseits Artmerkmale der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale sind. Sie muß außerdem der Einzigkeitsbedingung genügen. Die nach dem Strafgesetz relevanten Unrechts- und Schuldkriterien der Handlung würden dazu nur dann genügen, wenn sie i n ihrem Unrechts- und Schuldgehalt einzigartig wäre. Das ist von kaum einer Handlung zu erwarten, und von keiner i m Hinblick auf die unbekannten zukünftigen Straftaten zu beweisen. Es sind also zusätzliche Kriterien nötig, von denen m i t Gewißheit feststeht, daß nur diese eine Handlung sie erfüllt. Dies sind i n der Regel Orts- und Zeitbestimmungen. Unsere Individuenbeschreibung i m Strafurteilssatz setzt sich also aus Bestandteilen zusammen, die sehr verschiedene Funktionen haben. Daß solche Eigenschaften, die allein die Aufgabe haben, die Erfüllung der Einzigkeitsbedingung sicher zu stellen, durch beliebige andere austauschbar sind, die das gleiche Individuum bestimmen, versteht sich von selbst. So könnte man z. B. ohne weiteres den Namen des Täters durch die Nummer seines Personalausweises (Personenkennzeichen) ersetzen, Ort- und Zeitangaben etwa durch die Bestimmung, daß es sich u m die bisher einzige bekanntgewordene Straftat des betreffenden Täters handelt. Diese Eigenschaften kommen also i n unserer Individuenbeschreibung i n einem extensionalen Kontext vor. Sie werden auch i n der Strafzumessung nicht verwertet, weil sie keinen Einfluß auf die Höhe der Strafe haben. Deswegen wäre es auch kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, wenn sie i n einem zweiten Strafurteilssatz ebenfalls vorkämen, der also die gleiche Handlung betrifft, aber einen anderen i n seinem Unrechts- und Schuldgehalt völlig heterogenen Tatbestand. Das ist der Grund dafür, daß es nicht möglich ist, die Intension des Tatbestandes des Strafurteilssatzes, also den Individuenbegriff als das konkrete Verbrechen, d. h. den Grund der einzelnen Strafe zu betrachten. Dies, obwohl, wie w i r wissen, es die Intensionen einzelner
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Bestandteile dieser Individuenbeschreibung sind, aus denen sich die Höhe der Strafe nach dem Schuldprinzip ergeben soll. Denn wenn der Individuenbegriff i m Strafurteilssatz das konkrete Verbrechen wäre, müßten alle i n dieser Beschreibung vorkommenden Merkmale des Individuums i m Strafurteilssatz i n einem intensionalen Kontext stehen, also auch die Individualisierungsmerkmale. Bleibt man also bei der Konvention, daß die Individuen der Strafrechtssprache, die das Strafgesetz ebenso wie der Urteilssatz zum Gegenstand hat, Handlungen sind, so kann das Verbrechen weder ein solcher Gegenstand sein noch ein bestimmter Begriff eines solchen Gegenstandes. Es kann also nur eine Relation sein: Die Beziehung eines solchen Handlungsindividuums zu seinen Eigenschaften, die seinen tatbestandsspezifischen Unrechts- und Schuldgehalt ausmachen. Sowohl das Handlungsindividuum als auch diese Unrechts- und Schuldbeschreibung gehören als die Glieder zu dieser zweigliedrigen Relation. Der Inhalt ihrer Beziehung zueinander besteht darin, daß das Handlungsindividuum die Bedingungen einer aus dem Tatbestand gewonnenen Strafzumessungsnorm m i t bestimmter Rechtsfolge erfüllt. Nichts anderes ist gemeint, wenn die Mehrheitstheorie das Verbrechen als Normwidrigkeit versteht. Denn damit soll nicht etwa der Widerspruch zwischen zwei Sätzen beschrieben werden, der dem gesetzlichen Tatbestand zugrundeliegenden Verhaltensnorm und der Feststellung des dieser Norm widersprechenden konkreten Verhaltens. Das wäre ein rein sprachliches, logisches Phänomen. Gemeint ist vielmehr die Beziehung i m außersprachlichen, tatsächlichen Bereich, die durch diese Sätze beschrieben wird, und auch nicht die allein. Denn sonst wäre jedes Verbrechen nur durch seine formelle Rechtswidrigkeit bestimmt, es wäre kein Raum für qualitative und quantitative Differenzierungen von Unrecht und Schuld eines Verbrechens. Gemeint ist also nicht die Handlung in ihrer Eigenschaft als Normwidrigkeit, sondern ihre Beziehung zu allen nach einem Tatbestand Unrechts- und schuldrelevanten Eigenschaften, die die Handlung aufweist. I n der Beschreibung dieser zweigliedrigen Relation kommt das Vorderglied, also das Handlungsindividuum, in einem extensionalen Kontext vor und das Hinterglied, also die Unrechts- und Schuldbeschreibung, in einem intensionalen. U m das Verbrechen als Individuum in die Strafrechtssprache einzuführen, müßte man also die Konvention aufgeben, daß die Handlungen Individuen sind, und stattdessen die Tatbestandsverwirklichung als Individuum nehmen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß w i r das Verbrechen eben erst als eine zweigliedrige Relation, also als etwas Komplexes, Zusammengesetztes dargestellt haben und daß es deshalb nicht etwas Einfaches, also ein Individuum sein könne. Was als
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etwas Einfaches und Ursprüngliches erscheint und was als ein aus solchen einfachen Dingen zusammengesetzter Komplex, hängt davon ab, von welchen Gegenständen (Individuen) w i r als den einfachen und ursprünglich Gegebenen ausgehen 11 . Gehen w i r von den Tatbestandsverwirklichungen als den Individuen aus, so erscheint die strafbare Handlung als etwas Komplexes, als eine Beziehung zwischen Tatbestandsverwirklichungen, die w i r Handlungseinheit nennen würden. Die Zahl der Glieder dieser Relation wäre unbestimmt, weil verschieden viele Tatbestandsverwirklichungen i n dieser Beziehung zueinander stehen können. Die Beziehung wäre außerdem reflexiv, weil jede Tatbestandsverwirklichung m i t sich selbst in der Relation der Handlungseinheit steht, unter Umständen steht sie nur m i t sich selbst i n dieser Beziehung. Der Tatbestand des Strafurteilssatzes wäre dann eine Beschreibung eines solchen Individuums. Da aber mehrere Verwirklichungen des gleichen Tatbestandes m i t gleichem tatbestandsspezifischen Unrechts- und Schuldgehalt möglich sind, ist auch diese Beschreibung aus zwei Arten von Merkmalen zusammengesetzt: solchen, die den Unrechts- und Schuldgehalt bestimmen und bei der Strafzumessung verwertet worden sind, und solchen, die nur dazu dienen, die Einzigkeitsbedingung sicherzustellen. I m Gegensatz zu einer Individuenbeschreibung der Handlung können aber i n einer Beschreibung der Tatbestandsverwirklichung als Individuum nicht Unrechts« und Schuldkriterien vorkommen, die sich aus einem anderen Tatbestand ergeben. I n einer Handlungsbeschreibung ist dies möglich, wenn eine Handlung mehrere Tatbestände erfüllt. Eine Tatbestandsverwirklichung als Individuum kann aber nicht Unrechts- und Schuldkriterien aufweisen, die einem anderen Tatbestand entstammen, denn diese gehören dann einem anderen Individuum an. N i m m t man als Gegenstand des Strafurteilssatzes also die Tatbestandsverwirklichung an, so besteht nicht die Gefahr, daß bei einer anderen Beschreibung des gleichen Individuums ein anderes Strafmaß herauskommt. Die Individuenbeschreibung kommt dann i m Kontext des Strafurteilssatzes extensional vor, weil sie gegen jede andere Beschreibung der gleichen Tatbestandsverwirklichung ausgetauscht werden kann, ohne daß der Strafurteilssatz falsch wird. Er wäre lediglich u m so weniger explizit, je weniger Unrechts- und Schuldkriterien der Tatbestandsverwirklichung die Individuenbeschreibung enthielte. Ob nun von den Tatbestandsverwirklichungen oder von den Handlungen als Individuen der Strafrechtssprache ausgegangen wird, ist nicht eine Frage der Richtigkeit einer Theorie, i m Sinne von Wahrheit, sondern der Zweckmäßigkeit einer Methode. Sie ist, wie gezeigt, auch nicht präjudiziell für die Frage, worauf sich eine Strafe inhaltlich 11
Wittgenstein
Untersuchungen S. 312 f.
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bezieht, also für den „Inhalt" des konkreten Verbrechens und auch nicht für die Frage, wann die Verhängung mehrerer Strafen gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt. Präjudiziert w i r d nur die Form, in der sich das konkrete Verbrechen sprachlich darstellt, als Individuum oder als komplexes Gebilde (Relation). Nach den bisherigen Überlegungen mag es zweckmäßiger und einfacher erscheinen, von der Tatbestandsverwirklichung als dem I n d i v i duum auszugehen, aber noch ist nicht dargetan, daß w i r auf einen tatbestandsunabhängigen Begriff der Handlungseinheit als Individuum verzichten können. Die Einheitstheorie geht davon aus, daß w i r ihn brauchen, um überhaupt den Bezug der Tatbestandsverwirklichung zur konkreten Wirklichkeit herzustellen und daß w i r ihn entweder schon als eine A r t Naturgegebenheit besitzen oder doch aus Naturgegebenheiten so herleiten können, daß er allen Anforderungen der verschiedenen Erscheinungsformen des Verbrechens genügt. Aber ehe w i r diese Fragen i n Angriff nehmen können, sind w i r noch die Legitimation unseres dreiphasigen Sprachmodells der Anwendung von Strafgesetzen schuldig. Bisher haben w i r dieses Modell lediglich dargestellt und aus gewissen Notwendigkeiten des Schuldprinzips und der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafe sowie der Konkurrenzlehre begründet. W i r haben aber noch nicht gezeigt, daß dieses Modell auch „funktioniert", d. h., daß es eine adäquate Darstellung der Strafrechtsanwendung ist und die Leistungen auch erbringt, um derentwillen w i r es aufgestellt haben: die Darstellung der Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen dem Tatbestand, dem Gegenstand, auf den er angewandt wird, und dem Inhalt des Unrechts- und Schuldvorwurfs, der durch den Tatbestand bestimmt sein soll, ohne vollständig i n ihm enthalten zu sein. Die erste und dritte Phase unseres Modells sind unproblematisch. Sie sind nichts als eine andere Form der Darstellung von Subsumtionsvorgängen. Daß w i r zwei solcher Subsumtionsvorgänge angenommen haben, während man normalerweise in der Rechtsanwendung nur von einem spricht, liegt daran, daß die ursprünglich gegebene Rechtsnorm, das Strafgesetz, i n seiner Rechtsfolgenanordnung nicht hinreichend bestimmt ist und deshalb nicht unmittelbar und allein auf den Einzelfall angewandt werden kann. Deshalb war die Zwischenphase der Normkonkretisierung erforderlich, die den Subsumtionsvorgang gewissermaßen unterbricht. Dies ist die eigentlich problematische Phase unseres Modells. I n dieser Zwischenphase erscheint der Tatbestand — wie dargestellt — nicht als eine Norm, die Einzelfälle regelt, sondern als eine Normfunktion. Seine Merkmale bezeichnen nicht Klassen und Eigenschaften von Individuen, sondern Klassen von Klassen und Eigenschaften von Eigenschaften. Sie sind auch keine vollständigen Aus-
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I. Das Strafgesetz als extensionaler und intensionaler K o n t e x t
drücke, bezeichnen keine Gegenstände, sondern Leerstellen, die durch Klassen- und Eigenschaftsvariable eines bestimmten Wertebereichs auszufüllen sind. Die Bestimmung dieser Wertebereiche ist i n diesem Stadium der Gesetzesanwendung die Aufgabe der Tatbestandsmerkmale. Die an ihrer Stelle einsetzbaren Eigenschaftskonstanten unterfallen ihnen insofern, als sie zu ihnen im Subordinationsverhältnis stehen, i m Verhältnis von Artbegriffen zu Gattungsbegriffen. Aber lassen sich denn alle für das Maß von Unrecht und Schuld relevanten Tatsachen als differentia specifica einer tatbestandlich beschriebenen Unrechts- und Schuldgattung erfassen? Sind darunter nicht auch solche, die nur als Eigenschaften der (tatbestandsapriorischen) Handlung oder auch des Täters einzuführen sind? Und wenn nicht, ist dann nicht nur eine rein formale Bindung der Strafzumessung an das einzelne Strafgesetz erreicht, w e i l man jede Tatsache, die man als Unrechts- oder Schuldbestimmung einführen w i l l , auch als Charakteristikum der Tatbestandsverwirklichung darstellen kann? Ist es überhaupt nötig, die tatbestandsspezifischen Unrechts- und Schuldkriterien als Klassen- und Eigenschaftsbegriffe einzuführen, kann man nicht stattdessen die einzelnen Handlungen oder auch Tatbestandsverwirklichungen unmittelbar i n eine Ordnung nach ihrem tatbestandsspezifischen Unrechts- und Schuldgehalt bringen und diese dann auf den gesetzlichen Strafrahmen projizieren? Letzteres liegt besonders nahe, wo der Tatbestand selbst steigerungsfähige Merkmale, auch Ordnungsbegriffe genannt, enthält, wie etwa „roh", „habgierig", „leichtfertig" u. ä. Könnte eine solche Ordnung aufgestellt werden, so wäre es mindestens umständlich, wenn nicht gar falsch, die Tatbestandsmerkmale i n die Strafzumessung als Klassen- und Eigenschaftsvariable einzuführen statt sie auch hier sofort als Individuen- bzw. Individuenbegriff svariable zu verstehen. Vor allem haben w i r noch nicht das Dilemma gelöst, daß der Tatbestand als Unrechtsgattung die von ihm erfaßten Unrechtsarten bestimmen soll, obwohl ihre differentia specifica nicht, jedenfalls nicht explizit, in i h m enthalten sind. W i r stehen hier anscheinend vor der Alternative, entweder nachzuweisen, daß i n einem Gattungsbegriff alle seine Artbegriffe so enthalten sind, daß sie m i t logischer Notwendigkeit aus ihm folgen, oder die Feststellung der Artmerkmale doch einer tatbestandsunabhängigen richterlichen Bestimmung i n der Einzelfallentscheidung zu überlassen. Dies muß eine nähere Untersuchung der zweiten Phase unseres Rechtsanwendungsmodells klären, also der Ausfüllung der tatbestandlichen Satzfunktion, deren Ergebnis die vollständig bestimmte und unmittelbar auf den Einzelfall anwendbare Strafzumessungsnorm sein sollte.
I I . D i e Spezifikation der Strafnorm durch Ausfüllung der tatbestandlichen Normfunktion 1. Zum Verhältnis von Gattungs- und Artbegriffen Fragen w i r zunächst nach dem Wertebereich der einzelnen Tatbestandsmerkmale als Klassen- und Eigenschaftsvariable. W i r haben bisher festgestellt, daß die zulässigen Eigenschaftskonstanten i n dem Sinne unter die Tatbestandsmerkmale fallen müssen, daß immer dann, wenn sie erfüllt sind, logisch notwendig auch das Tatbestandsmerkmal gegeben sein muß, an dessen Stelle sie eingesetzt sind. Sie müssen also zu dem Tatbestandsmerkmal i m Subordinationsverhältnis stehen, i m Verhältnis von A r t zu Gattung. Der Gattungsbegriff (Tatbestandsmerkmal) ist durch eine Funktion von einem oder auch mehreren voneinander abhängigen Argumenten (Teilfunktion der tatbestandlichen Satzfunktion) dargestellt, deren Ausfüllung m i t Konstanten die einzig möglichen Arten oder Varianten des Tatbestandsmerkmals ergibt. Gerade i m Zusammenhang m i t der Darstellung von Gattungsbegriffen als Funktionen m i t Variablen für einzelne Artmerkmale ist i n der klassischen Logik der Gedanke aufgetaucht, daß die Gattungsbegriffe die Artbegriffe, die ihnen unterfallen, latent i n sich enthalten und aus sich erklären, weil ein so dargestellter Gattungsbegriff nicht das Ergebnis einer einfachen negativen Abstraktion ist, die von allen A r t merkmalen einfach absieht, sondern die Struktur und das Verhältnis zeigt, i n dem alle möglichen Artmerkmale zueinander stehen müssen und für diese selbst Leerstellen gewissermaßen reserviert 1 . Wenn man etwa den Gattungsbegriff Tier definiert als ein Lebewesen, das Sauerstoff aufnimmt, sich aus eigener K r a f t bewegt und sich fortpflanzt, ergibt sich daraus die Möglichkeit, Tierarten nach der Weise ihrer Bewegung, Respiration und Fortpflanzung zu unterscheiden 2 . Die einzelnen Tierarten wären damit aber nur dann durch diesen Gattungsbegriff festgelegt, wenn es erstens einen numerus clausus von Bewegungs-, Respirations- und Fortpflanzungsarten gibt, und zweitens andere Unterscheidungen, wie etwa die nach Lebensraum, Größe, Farbe u. ä. durch diese Gattungsdefinition ausgeschlossen wären. ι Vgl. zu dieser Auffassung von Abstraktion Lotze § 23, § 122, Bauch S. 280, Cassirer S. 225 ff., Sigwart Bd. 1 S. 373 f., hierzu Engisch Konkretisierung S. 25 ff., S. 160 ff. 2 Beispiel von Lotze § 23, vgl. auch Cassirer S. 28.
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I I . Die Ausfüllung der tatbestandlichen N o r m f u n k t i o n
Nicht von ungefähr wurde die Auffassung, daß ein Gattungsbegriff seine Artbegriffe latent enthält, vorwiegend an anschaulichen mathematischen Begriffen entwickelt und demonstriert, wie dem des Dreiecks3 oder an den Kurven zweiter Ordnung 4 . Definiert man etwa ein Dreieck als eine durch drei Seiten begrenzte Fläche, woraus sich ergibt, daß jeweils zwei dieser Seiten einen Winkel bilden müssen, so eröffnet sich die Möglichkeit, die Dreiecke nach der Länge ihrer Seiten zu unterscheiden, was deshalb meist unterbleibt, weil es mathematisch unergiebig ist, oder nach der Größe ihrer Winkel, was zum Beispiel zur A r t des rechtwinkligen oder des gleichwinkligen (Winkel 60°) Dreiecks führt. Weitere interessante Arten ergeben sich aus Unterscheidungen nach den Größenverhältnissen der einzelnen Bestimmungsstücke des Dreiecks. A l l diese Arten erhält man, indem man die Größenvariablen der einen Funktion, die das Dreieck allgemein definiert, m i t Konstanten ausfüllt. Dabei zeigt sich, daß die Variablen dergestalt voneinander abhängig sind, daß durch drei von ihnen alle anderen eindeutig bestimmt sind. Das hat zur Folge, daß einige Merkmalskombinationen, z. B. gleichseitig und rechtwinklig, schon durch den Allgemeinbegriff des Dreiecks ausgeschlossen sind; und dies w i r d zum Beleg für die Bestimmung der möglichen Arten durch den Gattungsbegriff angeführt 5 . Diese Abhängigkeit der Variablen innerhalb bestimmter mathematischer Funktionen hat zwar zu der Auffassung von der Bestimmung der Artbegriffe durch den Gattungsbegriff wesentlich beigetragen, ist aber eine Besonderheit, die nicht für jede Funktion i m semantischen Sinn, d. h. für jeden Variable enthaltenden Ausdruck gelten muß.
3 Lotze § 126, Bauch S. 280, Sigwart S. 357 f. 4 Cassirer S. 25. 5 So belegt Lotze seine i n § 122 aufgestellte Behauptung, daß w i r Allgemeinbegriffe bilden, „die das durchdringende Bildungsgesetz der einzelnen enthalten" i n § 126 am Beispiel des Begriffs Dreieck damit, daß dieser A r t e n w i e rechtwinkliges, gleichschenkliges Dreieck ausschließe, w e i l er nicht nur „eine Summe seiner Merkmale" ist, sondern „eine bestimmte F o r m der Vereinigung derselben vorschreibt", ähnlich Sigwart S. 357 f. Cassirer sieht neben dieser Abhängigkeit der Merkmale einer einzelnen A r t voneinander auch eine der verschiedenen A r t e n untereinander, k r a f t deren die einzelnen A r t e n „als v ö l l i g bestimmte Stufen i m allgemeinen Prozeß der Veränderung f i x i e r t " sind (S. 25). Dies deshalb, w e i l die zur Ausfüllung der Variablen der F u n k t i o n i n Cassirers Beispiel, den mathematischen Funktionen zweiter Ordnung, verfügbaren Konstanten ihrerseits eine geordnete Mannigfaltigkeit, die Zahlenordnung, bilden, so daß jede spätere aus früheren nach allgemeinen Regeln (der Zahlentheorie) ableitbar ist, vgl. S. 26. D a m i t hat sich Cassirer aber an noch spezielleren Eigenschaften bestimmter Funktionen u n d Gattungsbegriffe orientiert als Lotze. Mögen solche Ordnungen der Konstanten des Wertebereichs einer Variablen auch bei verschiedensten mathematischen, physikalischen u n d schließlich auch strafrechtlichen Begriffen zu finden sein, sie sind kein allgemeines Kennzeichen der Gattungsbegriffe und ihrer V a riablen.
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Letztlich ist diese Abhängigkeit der Arten von der Gattung, vor allem auch der Ausschluß bestimmter Merkmalskombinationen durch den Gattungsbegriff, nur eine Konsequenz des Verbots der contradictio in adjecto. Bei einer Begriffsdefinition, die bestimmte Beziehungen zwischen den Merkmalen, z. B. Größenverhältnisse, explizit festlegt oder aus der sie zu erschließen sind, wie etwa die Winkelsumme von 180° aus der Definition des ebenen Dreiecks, wäre es eben eine contradictio in adjecto, die Leerstellen m i t solchen Konstanten auszufüllen, die diese Beziehungen nicht aufweisen. Verallgemeinert man dies auf andere Gattungsbegriffe, so behält man von der artbestimmenden Potenz der Gattungsbegriffe nichts weiter übrig, als das Verbot, A r t merkmale aufzunehmen, die den i m Gattungsbegriff bereits definitiv getroffenen Bestimmungen widersprechen 6 . Damit werden auch nur bestimmte Arten (Merkmalskombinationen) ausgeschlossen; soweit die Gattungsdefinition keine Merkmalsbestimmungen explizit oder implizit enthält, könnte also nach Belieben und nach beliebigen Eigenschaften differenziert werden. Danach könnte man also von roten und grünen Parabeln, gestrigen und heutigen K r e i sen, sonnenbeschienenen Dreiecken oder südlich gelegenen Kegeln sprechen. Daß man es nicht tut, daß man sich vor allem i n der Mathematik bei der Bildung von Arten auf ganz bestimmte Differenzierungen beschränkt, beruht auf Verabredung. Wenn man einen mathematischen oder auch irgendeinen anderen Gattungsbegriff i n Form einer Funktion darstellt, werden für diejenigen Merkmale Variable eingeführt, für die Differenzierungen notwendig und allein zulässig sein sollen. M i t der Ausfüllung der Leerstellen durch Konstante gilt der Begriff als vollständig bestimmt. Andere Differenzierungen sind nicht zulässig und gelten als sinnlose Ausdrücke. Welche Konstanten als artbildende differentia erlaubt sind, w i r d ebenfalls ausdrücklich bestimmt, durch Angabe des sogenannten Wertebereichs der Variablen. Hieraus w i r d ersichtlich, warum die Vorstellung vom latenten Enthaltensein der Artbegriffe i m Gattungsbegriff gerade auch m i t mathematischen Beispielen belegt und m i t Hilfe der Darstellung von Begriffen als Funktionen erklärt wird. Sie ist für die Definition von Gattungsbegriffen in Form von Funktionen richtig, weil diese alle zulässigen Artmerk6 Bauch beschränkt sich von vornherein nicht auf mathematische Begriffe, u m zu belegen, „daß es schon v o m allgemeinen Begriff abhängt, was f ü r besondere Merkmale seine Spezies allein charakterisieren können" (S. 280). Er f ü h r t als Beispiele f ü r durch den Gattungsbegriff ausgeschlossene A r t merkmale neben dem dreieckigen Kreis u n d dem hölzernen Eisen, also F ä l len der contradictio i n adjecto auch solche an, wie den eierausbrütenden H u n d u n d den lebendige Junge gebärenden Vogel, bei denen mangels einer genauen Bestimmung des Gattungsbegriffs nicht eindeutig ist, ob ebenfalls eine contradictio i n adjecto vorliegt, oder sich der Ausschluß dieser A r t e n gar nicht aus dem Gattungsbegriff ergibt, sondern erst aus der Erfahrung.
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male explicit enthält, gilt aber nicht für jede andere Form der Gattungsdefinition. Man hat allerdings bei mathematischen Begriffen, wie dem des Dreiecks, die zulässigen Differenzierungen schon lange vor der Entdeckung der Funktion als Darstellungsform von Begriffen i n ganz bestimmter Weise festgelegt und diese Festlegung auch wohl für eine aus dem „Wesen" des Dreiecks resultierende Notwendigkeit gehalten. Aber gerade die Darstellung des Begriffs als Satzfunktion, die dazu nötigt, diese Festlegungen explizit zu machen, zeigt, daß es sich u m definitorisches Belieben handelt. Was würde ein Mathematiklehrer zum Beispiel seinem Schüler entgegenhalten, der i h m vorschlägt, die Dreiecke nach ihrer Farbe zu unterscheiden, w e i l sie, da sie Flächen sind, doch auch eine Farbe haben müssen? Er w i r d dies entweder damit abtun, daß diese Unterscheidung mathematisch uninteressant sei, oder er w i r d dem Schüler erklären, daß sein Vorschlag auf einem Mißverständnis des mathematischen Begriffs des Dreiecks beruhe. Ein Dreieck i m mathematischen Sinne sei kein realer Gegenstand und auch kein Teil eines solchen, etwa eines Körpers, sondern ein durch bestimmte Eigenschaften definierter mathematischer Begriff; zu diesen Eigenschaften gehöre aber nicht die, eine Farbe zu haben, deshalb sei es sinnlos, von der Farbe eines Dreiecks i m mathematischen Sinne zu sprechen. Was ist das aber anderes, als ein Hinweis darauf, daß die Funktion, durch die man den Begriff Dreieck bestimmt, keine Variablen für Farben enthält. Dies aber beruht ausschließlich auf einer Konvention, die von den Mathematikern für zweckmäßig erachtet wurde. Diese Abhängigkeit der für einen Gattungsbegriff zulässigen Arten von Definitionen und Konventionen sei noch an einem anderen Beispiel deutlich gemacht: Es könnte i n irgendeinem mathematischen Zusammenhang interessant sein, welche Lage ein Dreieck i n einer Ebene, etwa i m Verhältnis zu einem gegebenen Koordinatensystem einnimmt. I n der klassischen Trigonometrie der Ebene, wie sie etwa auf der Unterstufe des Gymnasiums gelehrt wird, pflegt man die Dreiecke nicht danach zu unterscheiden, wie sie i m Räume liegen. Ein Dreieck w i r d auch ohne Angaben hierüber als vollständig bestimmt angesehen; m. a. W., eine i n Funktionsform niedergeschriebene Begriffsdefinition des Dreiecksbegriffs, wie er i n der Trigonometrie normalerweise verwendet wird, enthält keine Variablen für diese Angaben. Sobald sich aber ein Bedürfnis nach solchen Angaben und entsprechenden Unterscheidungen zeigt, kann man diesem Mangel einfach abhelfen, indem man neue Variable i n die Begriffsdefinition einführt. Das Vorstehende dürfte gezeigt haben, worauf die artbestimmende K r a f t eines i n Funktionsform gegebenen Gattungsbegriffs beruht: nicht auf einer inhaltlich vorgegebenen Ordnung von Gattungen und A r t e n
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und nur zu einem geringen Teil auf logischen Gesetzen, sondern darauf, daß die Zahl der möglichen Variablen und i h r Wertebereich explicit m i t der Begriffsdefinition angegeben werden und zwar nach definitorischem Belieben und Zweckmäßigkeit 7 . Andere Formen der Definition enthalten diese Angaben nicht, deshalb lassen sich aus ihnen die zulässigen Spezifikationen der Gattung nicht entnehmen. Die Betrachtung mathematischer und naturwissenschaftlicher Beispiele lehrt aber zugleich, i n welchem Sinne die These von der Bestimmung der Arten durch die Gattung, vom latenten Enthaltensein der Artbegriffe in den Gattungsbegriffen richtig ist: I n einer exakten Sprache sind für jeden eingeführten Gattungsbegriff nicht nur die Bedingungen anzugeben, unter denen er erfüllt ist, also seine notwendigen Merkmale, sondern auch seine zulässigen Differenzierungen und damit die Arten, die innerhalb dieser Gattung möglich sind. Sonst liegt nämlich nicht fest, durch welche Angaben ein Gegenstand dieser Gattung vollständig bestimmt ist. Für die Jurisprudenz, die auf die natürliche Sprache angewiesen ist, w i r d sich solch eine Forderung allgemein kaum aufstellen lassen. Immerhin zeigt das Beispiel der exakten Wissenschaften, daß es jedenfalls nicht illegitim ist, innerhalb eines Gattungsbegriffs auch die zulässigen Arten zu bestimmen. Welche Vorstellungen w i r m i t einem Gattungsbegriff verbinden und was w i r m i t der Anwendung dieses Begriffes erreichen können, ist nicht nur von seinen notwendigen Merkmalen abhängig, sondern auch von den zugelassenen Differenzierungen 8 . Auch das zeigt die Betrachtung der mathematischen und naturwissenschaftlichen Gattungsbegriffe. Es stellt sich damit die Frage, ob w i r aus einem Strafgesetz ebenfalls definitive Angaben über die zulässigen Differenzierungen und damit über die bei seiner Anwendung möglichen Strafzumessungsgründe 7 Engisch, der eine irgendwie durch die „ N a t u r der Dinge" vorgegebene Ordnung der Gattungs- und Artbegriffe auch schon i m Bereich der N a t u r wissenschaften anzweifelt (vgl. Konkretisierung S. 163) stellt jedenfalls für die juristischen Begriffsbildungen fest, daß sie nicht aus „substantiellen Merkmalskombinationen" erwachsen, sondern aus spezifisch-juristischen „wohlbegründeten Interessen" u n d „Wertgesichtspunkten" u n d daß die ihnen unterfallenden Objektgruppen „ w i r k l i c h n u r unter dem — natürlich gesehen — sogar zufälligen juristischen B l i c k p u n k t zur Einheit zusammengefaßt werden" (vgl. Konkretisierung S. 164 f.). 8 Deshalb hängt auch die Bestimmung der Gattungsbegriffe nicht zuletzt davon ab, durch welche Differenzierungen sie i n A r t e n aufgegliedert werden sollen. Denn i m m e r h i n schränkt der Gattungsbegriff die möglichen A r t e n schon aus logischen Gründen ein, vor allem durch das Verbot der contradictio i n adjecto. M a n darf i m Gattungsbegriff keine Bestimmung treffen, die Eigenschaften ausschließen würde, die als A r t m e r k m a l e eingesetzt werden sollen. Daß dies zu großen Schwierigkeiten bei der B i l d u n g von Gattungsbegriffen führen kann, für die durchaus ein wissenschaftliches Bedürfnis besteht, zeigt Engisch am Beispiel des Verbrechensbegriffs u n d des strafrechtlichen Handlungsbegriffs, vgl. Konkretisierung S. 169 ff.
6 Puppe
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erhalten können, wenn w i r es als Satzfunktion auffassen, indem w i r die einzelnen Tatbestandsmerkmale selbst als Variable behandeln, also z. B. die Gesundheitsbeschädigung oder die körperliche Mißhandlung in § 223, Vermögensschaden und Vermögens vorteil i n § 263, das empfindliche Übel i n § 240 u. ä. W i r müßten also zunächst feststellen, welche Differenzierungen, d. h. welche Aufgliederung von Oberklassen i n Unterklassen, übergeordneten Eigenschaften i n untergeordnete für die einzelnen Tatbestandsmerkmale zulässig sein sollen. Vorgegeben sind diese Unterklassen und Untereigenschaften der Tatbestandsmerkmale ebenso wenig wie sonst eine Unterteilung von Gattungen i n Arten. Es ist damit eine Aufgabe der Definition der einzelnen Tatbestandsmerkmale, nicht nur die Bedingungen anzugeben, unter denen sie erfüllt sind, sondern auch die Unterscheidungen, die innerhalb eines Tatbestandsmerkmals zwischen verschiedenen Arten seiner Erfüllung vorzunehmen sind, Man kann das auch so ausdrücken: Es ist anzugeben, durch welche Artmerkmale oder Argumente der Satzfunktion ein Gegenstand der betreffenden Gattung vollständig zu bestimmen ist (wobei von mehreren Argumenten, zwischen denen eine strikte Abhängigkeit besteht, wahlweise nur eines festgesetzt werden darf). Es w i r d damit auch bestimmt, wann zwischen Gegenständen dieser Gattung keine Unterschiede gemacht werden dürfen, sie also i n dem Bereich, für den die Definition gilt, als gleichartig betrachtet werden. Wenn Differenzierungen i n mehreren Richtungen erfolgen sollen, kann ein Merkmal weiter i n Untermerkmale zerlegt und diese als neue Variable m i t eigenem Wertebereich und eigenen Unterklassen und Untereigenschaften zu deren Ausfüllung eingeführt werden. Ob oder wie es möglich ist, Differenzierungen i n einen Tatbestand einzuführen, die nicht an seine gesetzlichen Merkmale oder deren Untermerkmale anknüpfen, w i r d später zu erörtern sein, wenn die Entwicklung der tatbestandlichen Satzfunktion, m i t anderen Worten des Strafzumessungstatbestandes, aus dem gesetzlichen Tatbestand i m einzelnen dargestellt wird. M i t der These, daß all dies grundsätzlich ein Problem der Definition der einzelnen Arten von Verbrechen, d. h. der i n den Strafgesetzen beschriebenen Normwidrigkeiten ist, w i r d nicht vorausgesetzt, daß eine solche Definition tatsächlich vollständig zu leisten wäre. Gleichzeitig m i t dem Wertebereich der einzelnen Variablen der tatbestandlichen Satzfunktion ist festzulegen, wie sich die verschiedenen Ausfüllungsmöglichkeiten, also die zu unterscheidenden Eigenschaften der Tatbestandsverwirklichungen belastend oder entlastend auf die Strafzumessung nach dem betreffenden Gesetz auswirken sollen. Diese
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Festlegung ist tatbestandsabhängig, d. h., es ist nicht ausgeschlossen, daß sich ein Differenzierungskriterium, das zur Bildung von Unterklassen bzw. Unterarten bei verschiedenen Tatbeständen herangezogen wird, i m Kontext des einen belastend und i m Kontext des anderen entlastend auswirkt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Absicht der Verdeckung einer Straftat, die nach einer schon i m Gesetz vorgenommenen Differenzierung bei vorsätzlicher Tötung eine Qualifikation darstellt, während die gleiche Absicht bei Aussagedelikten nach § 157 ein Milderungsgrund ist. Die Untereigenschaften, nach denen innerhalb der Verwirklichung eines Tatbestandes differenziert wird, müssen also mehr leisten als eine nähere Bestimmung einzelner dieser Tatbestandsverwirklichungen zur Bildung von Unterklassen: Sie müssen zwischen diesen Unterklassen die Herstellung von Ordnungen ermöglichen. Denn das aufgrund der Ausfüllung der tatbestandlichen Satzfunktion festzusetzende Strafmaß (oder der Schuldstrafrahmen) w i r d nur durch seine Position innerhalb der Ordnung der verschiedenen Strafen nach ihrer Schwere erklärt, die der relativen Position der Tatbestandsverwirklichung innerhalb einer aufzustellenden Ordnung aller möglichen Tatbestands Verwirklichungen entsprechen soll. Eine Ordnung kann auf zweierlei Weise aufgestellt werden. Durch geordnete Aufzählung ihrer Glieder (Individuen, Klassen, Eigenschaften u. a.) oder durch Aufstellung einer Ordnungsrelation anhand bestimmter Eigenschaften dieser Glieder. Die zur Herstellung von Ordnungsrelationen geeigneten Eigenschaftsbegriffe werden gewöhnlich Ordnungsbegriffe genannt. Diese Ordnungsbegriffe unterscheiden sich von anderen Eigenschaftsbegriffen dadurch, daß man m i t ihrer Hilfe nicht nur etwas über Gleichheiten von Gegenständen aussagen kann, sondern Gegenstände miteinander in Beziehung bringen, die i n der betrachteten Hinsicht gerade verschieden sind. Deshalb w i r d auch i n der Anwendung solcher Ordnungsbegriffe auf die verschiedenen Tatbestandsverwirklichungen zum Zwecke der Strafzumessung etwas grundlegend Neues und Anderes gesehen, als eine Bildung von Unterklassen aus Oberklassen, als die w i r die Normkonkretisierung ja bisher angesehen haben. Dies w i r d m i t der Wendung vom Ubergang von Klassen zu Ordnungsbegriffen umschrieben, der sich i n der Strafzumessung vollziehen soll. W i r werden uns i m folgenden m i t dieser Vorstellung näher auseinanderzusetzen haben.
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2. Exkurs: Zum Verhältnis von Klassen- und Ordnungsbegriffen M i t dem Terminus Ordnungsbegriff, und insbesondere m i t den auch durch jene Wendung vom Uber gang von Klassen zu Ordnungsbegriffen angesprochenen Antagonismus zum Klassenbegriff, ist für Juristen seit dem Aufsatz von Radbruch über Klassen- und Ordnungsbegriffe 1 die Vorstellung von einer anderen Methode des Denkens verbunden, die sich durch Konkretheit, Lebensnähe, Orientierung am Einzelfall und Berücksichtigung fließender Ubergänge auszeichnen soll gegenüber einem abstrakten, systemorientierten, die fließenden Ubergänge des Lebens und die Verwandtschaften und Zusammenhänge zwischen den Phänomenen mehr oder weniger w i l l k ü r l i c h zerreißenden, wenn nicht gar lebensfremden und lebensfeindlichen Denken i n Klassenbegriffen 2 . W i r haben Anlaß, uns m i t diesem Antagonismus hier wenigstens kurz auseinanderzusetzen, w e i l er davon ausgeht, daß es sich bei den Ordnungsbegriffen um eine neue A r t von Begriffen m i t anderer Struktur handelt und nicht etwa um i n bestimmter Weise inhaltlich ergänzte Klassenbegriffe, die auch zur Bildung von Unterklassen aus einer gegebenen Oberklasse eingeführt werden können. Die Ordnungsbegriffe sollen die Vielfalt der Individuen durch Reihenbildung bewältigen und nicht wie die Klassenbegriffe durch A b straktion von dieser Vielfalt und durch Selbstbeschränkung auf einzelne Eigenschaften, die als Klassenkennzeichen die Individuen i n scharf getrennte Gruppen aufteilen sollen. Dementsprechend vertritt Radbruch i m Anschluß an Hempel / Oppenheim die These, daß die Anwendung eines Ordnungsbegriffs etwas anderes sei als die Bildung von Unterklassen aus einer Oberklasse und daß ein Ordnungsbegriff und der gleichnamige Klassenbegriff „ganz verschiedene Begriffe seien" 3 . Ordnungsbegriffe sollen also offenbar den unmittelbaren Zugriff auf die Individuen gestatten 3 *, ohne daß dabei ihre Intension preisgegeben werden müßte, was, wie w i r gesehen haben, bei Klassenbegriffen nicht möglich ist. Wenn dies richtig ist, ist nicht nur die A r t unzulässig, wie w i r hier die Ordnungsbegriffe eingeführt haben, nämlich zur Ordnung von Klassen und Eigenschaften innerhalb einer Klassen- bzw. Eigenschaftsvariablen. Unser ganzes bisheriges Verfahren, das von Eigenschaften und Untereigenschaften, Klassen- und Unterklassen und nicht unmittelbar von den einzelnen Individuen ausgehend zu einer Präzisierung der Rechtsfolge führen soll, wäre inadäquat, mindestens aber unzweckmäßig. Denn warum sollte man sich auf eine Ordnung von 1
Internationale Zeitschrift für Theorie des Rechts Band X I I S. 46 ff. 2 Vgl. hierzu Hassemer Strafrahmen S. 281 ff. 3 Radbruch Klassenbegriffe S. 51, Hempel / Oppenheim S. 40. 8a Hempel / Oppenheim S. 80.
2. E x k u r s : Z u m Verhältnis von Klassen- u n d Ordnungsbegriffen
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Eigenschaften, also A b s t r a k t i o n e n beschränken, w e n n m a n die I n d i v i d u e n selbst o r d n e n k a n n ? N u n g i b t es j e d e n f a l l s eine M ö g l i c h k e i t , I n d i v i d u e n z u o r d n e n , n ä m l i c h d u r c h A u f z ä h l u n g i n e i n e r b e s t i m m t e n R e i h e n f o l g e (geordnete N t u p e l ) . I n gleicher Weise k ö n n e n auch K l a s s e n d u r c h A u f z ä h l u n g v o n I n d i v i d u e n g e b i l d e t w e r d e n , n u r daß k e i n e R e i h e n f o l g e zwischen i h n e n festgelegt w i r d , s o n d e r n eine G l e i c h h e i t . A b e r beides i s t n u r m ö g l i c h , w o es u m eine endliche u n d b e s t i m m t e Z a h l v o n I n d i v i d u e n geht. Sonst b l e i b t n u r ü b r i g , e i n P r i n z i p der O r d n u n g s - oder K l a s s e n b i l d u n g a n zugeben, also eine O r d n u n g s r e l a t i o n b z w . eine G l e i c h h e i t s r e l a t i o n a u f g r u n d b e s t i m m t e r Eigenschaften der I n d i v i d u e n a u f z u s t e l l e n 4 . F ü r j e d e R e l a t i o n m u ß aber zunächst e i n Gegenstandsbereich a n gegeben w e r d e n , d. h. die Klasse v o n Gegenständen, a u f die sie a n g e w a n d t w e r d e n s o l l oder f ü r die i h r e A n w e n d u n g ü b e r h a u p t s i n n v o l l i s t 5 . Klassische B e i s p i e l e f ü r die A n w e n d u n g v o n O r d n u n g s b e g r i f f e n 4 Hempel u n d Oppenheim beschreiben dieses ordnende Prinzip durch zwei Relationen: eine gibt die Bedingungen an, unter denen zwei Glieder der Ordnung an gleicher Stelle stehen, die andere diejenigen, unter denen eines davon einem anderen v o r - bzw. nachgeordnet ist, vgl. S. 21 ff. M a n k a n n dasselbe übrigens durch eine einzige Relation erreichen, die angibt, w a n n ein Glied einem anderen v o r - oder gleichgeordnet ist. Die Gleichheitsrelation muß reflexiv, symmetrisch u n d transitiv sein, die Vorordnungsrelation i r reflexiv, asymmetrisch u n d transitiv, vgl. S. 26 ff. Auch Weinberger S. 169 f. Savigny Grundkurs S. 94 ff. Die beiden Relationen sind insofern voneinander abhängig, als ein Paar von Ordnungsgliedern, das die eine erfüllt, nicht gleichzeitig die andere erfüllen k a n n u n d umgekehrt die eine erfüllen muß, w e n n es die andere nicht erfüllt, so Hempel / Oppenheim S. 26 f., die dann von einem Paar von „verbundenen Relationen" sprechen, ebenso Savigny S. 94. Das zweite Erfordernis ist kein allgemeines Erfordernis aller O r d n u n gen, sondern n u r der totalen, d. h. derjenigen Ordnungen, die jedes Element ihres Feldes m i t jedem anderen i n Beziehung bringen. Die Ordnungsrelation ist dann eine konnexe Relation, vgl. Weinberger S. 178. Näher zu diesem Problem K a p i t e l I I 4. Z u beachten ist, daß Hempel u n d Oppenheim als Glieder der Ordnungen stets n u r I n d i v i d u e n oder „Objekte" einführen, vgl. S. 21 ff., niemals Klassen- oder Eigenschaftsbegriffe. 5 Vgl. Weinberger S. 170. Eine Unterklasse dieses Gegenstandsbereichs ist das sog. Feld der Relation. Es besteht genau aus den Gegenständen, f ü r die es einen oder mehrere Gegenstände gibt, die zu ihnen i n der betreffenden Beziehung stehen, vgl. Weinberger S. 171. Dies ist zunächst ein reines Definitionspostulat, es fragt sich also, w a r u m eigentlich auf eine solche Feldbestimmung nicht verzichtet werden kann. Zunächst lehrt uns schon unsere Erfahrung m i t der Alltagssprache, daß ein „Vergleichen" (!) zwischen Gegenständen n u r sinnvoll ist, wenn zwischen diesen Gegenständen gewisse Gemeinsamkeiten bestehen. M a n denke an jene scherzhaften Vergleiche, deren W o r t w i t z auf der Feststellung von Scheingemeinsamkeiten beruht, („Was ist der Unterschied zwischen ...?"). V o r allem aber lassen sich ohne eine Bestimmung des Feldes die formalen Eigenschaften einer Relation nicht nachprüfen, auch nicht diejenigen, die Hempel u n d Oppenheim selbst zur Charakterisierung der S t r u k t u r einer Ordnungsrelation angeführt haben, w i e beispielsweise die Transitivität der Gleichheitsrelation u n d der Ordnungsrelation, sowie die Voraussetzungen, die sie f ü r das Paar der verbundenen Relationen aufgestellt haben.
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l i e f e r t uns die P h y s i k m i t i h r e n B e s t i m m u n g e n d e r S t ä r k e oder Q u a n t i t ä t p h y s i k a l i s c h e r Erscheinungen. Diese setzt zunächst e i n e n B e g r i f f v o n d e r e n Q u a l i t ä t voraus, der d i e z u messenden, d. h . i n eine O r d n u n g z u b r i n g e n d e n E r s c h e i n u n g e n v o n a n d e r e n abgrenzt, i n b e z u g a u f d e n sie also zunächst als gleich angesehen w e r d e n u n d eine Klasse b i l d e n , das F e l d d e r z u b e s t i m m e n d e n O r d n u n g s r e l a t i o n . D a n n erst w e r d e n die f ü r die O r d n u n g r e l e v a n t e n D i f f e r e n z i e r u n g e n angegeben. So e n t s p r i c h t e t w a d e m K l a s s e n b e g r i f f elektrische S t r ö m e d e r O r d n u n g s b e g r i f f S t r o m s t ä r k e , d e r d u r c h eine F u n k t i o n m i t V a r i a b l e n f ü r b e s t i m m t e Eigenschaften e l e k t r i s c h e r S t r ö m e d a r g e s t e l l t w i r d , d . h . f ü r b e s t i m m t e U n t e r k l a s s e n der Klasse elektrischer S t r ö m e b z w . U n t e r eigenschaften d e r Eigenschaft eines Gegenstandes e i n e l e k t r i s c h e r S t r o m z u sein. Ebenso v e r h a l t e n sich e t w a B e w e g u n g u n d G e s c h w i n d i g k e i t , G e s c h w i n d i g k e i t u n d B e s c h l e u n i g u n g z u e i n a n d e r . D i e Gegenstände, a u f d i e e i n solcher O r d n u n g s b e g r i f f a n g e w a n d t w e r d e n k a n n , s i n d schon d a m i t d u r c h gewisse Eigenschaften c h a r a k t e r i s i e r t u n d klassifiziert®. 6 Auch Hempel / Oppenheim geben das letztlich zu, vgl. S. 41, betonen aber: „Statt zu sagen: Die Herstellung einer Ordnung setzt die A u f Weisung eines gemeinsamen Charakteristikums voraus, wäre es zutreffender, umgekehrt festzustellen: Der Nachweis eines solchen gemeinsamen, von Objekt zu Objekt n u r graduell verschiedenen Charakteristikums setzt die Möglichkeit einer Reihenordnung voraus, genauer er besteht überhaupt i n nichts anderem als der Angabe v o n Kriterien, die eine Reihenordnung der betrachteten Objekte ermöglichen." Vgl. S. 42. Zunächst ist hier n u r i n der ersten, abgelehnten Formulierung von dem „gemeinsamen Charakteristikum" die Rede, i n der zweiten gleich von dem „ n u r graduell verschiedenen Charakteristikum". Aber abgesehen davon hat diese Entgegensetzung wenig Sinn: I n der ersten Formulierung w i r d behauptet, daß eine Reihenordnung eine Gemeinsamkeit voraussetzt, i n der zweiten, daß ihre Aufstellung die Behauptung einer solchen Gemeinsamkeit impliziert. Es geht aber Hempel u n d Oppenheim offensichtlich u m etwas anderes als u m einen Unterschied zwischen Voraussetzung u n d I m p l i k a t i o n , nämlich u m eine A r t Methodenreinheit bei der Verwendung von Ordnungsbegriffen. Sie wollen dabei gänzlich ohne Klassenbegriffe auskommen. Sie vermeiden daher auch eine Bestimmung des Feldes ihrer Ordnungsrelationen, vgl. dazu Fußn. 5. Deshalb die Annahme, daß sich das gemeinsame Charakteristikum der geordneten Glieder aus der Ordnung ergeben müsse u n d nicht etwa umgekehrt die Ordnung aus der n u r graduell abstufbaren Gemeinsamkeit. Wegen dieser Reinheit der Ordnungsbegriffe legen Hempel / Oppenheim auch Wert auf die Feststellung, daß deren Definition von der der gleichnamigen Klassenbegriffe unabhängig sei, vgl. S. 40 f. u n d S. 80 f. Dort w i r d a m Beispiel einer Ordnung v o n Gegenständen nach ihrem Gewicht u n d einer Ordnung von Mineralien nach ihrer Härte gezeigt, daß der K o m p a r a t i v „schwerer" bzw. „ h ä r t e r " definiert werden kann, indem ein Verfahren angegeben w i r d , nach dem festzustellen ist, welcher v o n zwei K ö r p e r n der schwerere bzw. welches v o n zwei Mineralien das härtere ist, ohne daß festgelegt werden müßte, w a n n einem Gegenstand das Prädikat „schwer" oder „leicht", bzw. einem M i n e r a l das Prädikat „ h a r t " oder „weich" zuerkannt werden soll. Daraus ergibt sich indessen nicht, daß m a n bei der Aufstellung einer Ordnung ohne Klassenbegriffe und Klassifikationen auskommen könnte. Zunächst muß sichergestellt sein, daß die Anwendung der komparativen Begriffe „schwerer" oder „leichter" bzw. „ h ä r t e r " oder „weicher" auf die nach ihnen zu ordnenden Gegenstände überhaupt sinnvoll ist, d. h., es ist den
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Das g i l t sogar da, w o eine V a r i a b l e d e n W e r t N u l l erreichen k a n n , so daß m a n i n d e r Umgangssprache sagen w ü r d e , daß der G e g e n s t a n d d i e b e t r e f f e n d e Eigenschaft ü b e r h a u p t n i c h t h a t . A u f die M ö g l i c h k e i t , daß b e i O r d n u n g s b e g r i f f e n die Eigenschaft, a n h a n d d e r e n die O r d n u n g s r e l a t i o n a u f g e s t e l l t w i r d , auch d e n W e r t N u l l oder g a r e i n e n als n e g a t i v b e s t i m m t e n W e r t erreichen k a n n , w ä h r e n d b e i e i n e r K l a s s e n b e s t i m m u n g d u r c h eine Eigenschaft die E l e m e n t e der Klasse dieser Eigenschaft j a w o h l a u f w e i s e n m ü ß t e n , s t ü t z t R a d b r u c h seine These, es h a n d e l e sich b e i e i n e m O r d n u n g s b e g r i f f u m eine neue logische S t r u k t u r u n d b e i seiner A n w e n d u n g u m etwas g r u n d l e g e n d anderes als die B e s t i m m u n g einer Klasse u n d i h r e U n t e r t e i l u n g i n U n t e r k l a s s e n 7 . E r i g n o r i e r t d a b e i m i t der Umgangssprache d e n U n t e r s c h i e d zwischen d e m F a l l , daß eine E i g e n s c h a f t s v a r i a b l e d e n W e r t N u l l erreicht, u n d den, daß es s i n n l o s ist, i n b e z u g a u f e i n e n G e g e n s t a n d v o n dieser E i g e n schaft z u sprechen. I c h k a n n v o n e i n e m r u h e n d e n K ö r p e r sagen, er einzelnen Gegenständen nicht die Eigenschaft schwer oder leicht bzw. hart oder weich zuzusprechen, w o h l aber die Eigenschaft ein Gewicht bzw. eine Härte zu haben. Das ist bereits eine Klassifikation. Sie verhält sich zu der Feldbestimmung, d. h. zur Bestimmung der Klasse von Gegenständen, die geordnet werden sollen, so, daß sie das Feld entweder einschließen oder auch m i t i h m identisch sein kann. Geht das Feld über diese Klasse hinaus, so enthält es Gegenstände, die m i t keinem einzigen anderen i n einer der Ordnungsrelationen stehen. Die Fragen nach ihrer relativen Position i n der Ordnung wären so unsinnig w i e beispielsweise die, ob die Tat A des Täters Τ schwerer ist als meine Schreibmaschine oder ob der Bundeskanzler härter ist als Stahl. Der Notwendigkeit dieser Eigenschaftsbestimmung entgeht m a n auch nicht dadurch, daß man ein Vergleichsverfahren angibt, i n dessen Beschreibung die Eigenschaft nicht vorkommt. So definieren Hempel u n d Oppenheim S. 31 den Begriff „schwerer" durch eine Beschreibung der Anwendung einer zweischaligen Waage u n d S. 80 f. die Eigenschaft „härter" durch die Fähigkeit, die Oberfläche des anderen Minerals zu ritzen. Dies sind aber n u r Definitionen der Extensionen v o n schwerer bzw. härter. Ich k a n n nach diesen A n weisungen eine Ordnung von Gegenständen bzw. Mineralien nach ihrem Gewicht bzw. ihrer Härte aufstellen, ohne m i r einen Begriff von Härte oder Gewicht zu machen, weil, w i e w i r aus Erfahrung wissen, jeder Körper, der einen anderen auf der Waage überwiegt, schwerer ist als dieser u n d daß jedes M i n e r a l jedes weichere ritzt u n d von jedem härteren geritzt w i r d . Die Intensionen der Komparative schwerer oder härter sind m i r durch diese Verfahren aber ebenso wenig gegeben wie die des Eigenschaftsbegriffs V e r nunftwesen durch die Angabe „Zweifüßler ohne Federn u n d Fell". M a n k a n n freilich auch definitorisch festsetzen, daß die Intension des Ausdrucks „schwerer" die Eigenschaft sein soll, einen bestimmten Körper auf der Waage zu überwiegen, oder die Intension des Ausdrucks „härter" die Fähigkeit, eine bestimmte Oberfläche zu ritzen. Der leichteste Körper i m Universum bzw. i n dem zu ordnenden Feld hätte dann das Gewicht N u l l bzw. das weichste M i n e r a l die Härte Null. Dann ist die gemeinsame Eigenschaft aller Ordnungsglieder, die ich „Schwere" bzw. „ H ä r t e " genannt habe u n d die ich m i t den Ordnungsrelationen entweder definieren oder i m p l i z i t voraussetzen muß, die Fähigkeit eines Körpers, auf der Waage einen anderen zu heben oder von i h m gehoben zu werden, bzw. die Fähigkeit eines Minerals, ein anderes zu ritzen oder von einem anderen geritzt zu werden. 7 Vgl. Klassenbegriffe S. 51.
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habe keine Geschwindigkeit oder er habe die Geschwindigkeit Null, von einem sich m i t konstanter Geschwindigkeit bewegenden, er habe keine Beschleunigung oder die Beschleunigung Null. Das ist etwas anderes, als wenn ich sage: eine Primzahl hat keine Geschwindigkeit und eine Farbe keine Beschleunigung, d. h., es ist sinnlos, von der Geschwindigkeit von Primzahlen oder der Beschleunigung von Farben zu sprechen, w e i l i n deren Definition dafür keine Variablen enthalten sind. I m Recht werden Klassenbegriffe, für die eine bestimmte Eigenschaftsvariable für relevant erachtet wird, oft m i t dem Erfordernis versehen, daß diese Variable einen bestimmten Mindestgrad oder wenigstens nicht den Wert N u l l erreicht. Das ist eine inhaltliche Besonderheit unter anderem juristischer Klassenbegriffe und hat zur Folge, daß der betreffende Klassenbegriff nicht identisch ist m i t dem, der das Feld der juristisch relevanten Ordnungsrelation bestimmt, sondern eine Unterklasse davon beschreibt. Daraus, daß dann die juristisch relevante Ordnungsrelation über den juristischen Klassenbegriff hinaus angewandt werden könnte, ist nicht zu schließen, daß das Denken i n solchen Ordnungsrelationen nicht von Klassenbegriffen abhängt, sondern von logisch völlig anders strukturierten Ordnungsbegriffen, die auch m i t den gleichnamigen Klassenbegriffen nichts gemein haben und nie m i t ihnen gleichgesetzt werden dürfen, wie Radbruch behauptet. Es handelt sich hier vielmehr zunächst darum, zwei verschiedene Klassenbegriffe auseinanderzuhalten: den, der das Feld der j u r i stisch relevanten Ordnungsrelation bestimmt, und einen zweiten, engeren, der aus diesem Feld einen juristisch relevanten Ausschnitt angibt. Beide sollten zweckmäßigerweise nicht m i t dem gleichen Namen bezeichnet werden. Gerade das tut aber Radbruch, wenn er dem Klassenbegriff Verbrechen, der, so w i r d vorausgesetzt, durch einen Mindestgrad von Unrecht und Schuld allgemein bestimmt ist, einen Ordnungsbegriff des mehr oder weniger Verbrechens entgegensetzt, der m i t seinen Graduierungen von Unrecht und Schuld über die Grenzen des Klassenbegriffs des Verbrechens hinaus zum Wert N u l l und weiter zu den mehr oder weniger verdienstlichen Handlungen führt 8 . Der Gegensatz zwischen diesen beiden Begriffen liegt zunächst nicht i n einer verschiedenen logischen Struktur, sondern i n einer verschiedenen Bedeutung (sowohl extensional als auch intensional). Was hier Ordnungsbegriff des Verbrechens genannt wird, ist überhaupt kein Begriff von Verbrechen 9 , sondern ein Oberbegriff, unter den auch das Ver8 Vgl. Klassenbegriffe S. 51. 9 Z u Unrecht rügt deshalb Radbruch an dieser Stelle Mezger wegen einer unzulässigen Gleichsetzung verschiedenartiger Begriffe, w e i l dieser den V e r brechensbegriff der Tatbestands- u n d der allgemeinen Verbrechenslehre, d. h. den zunächst klassifikatorischen Begriff der Verbrechensart, wie er
2. Exkurs: Z u m Verhältnis von Klassen- und Ordnungsbegriffen
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brechen fällt und dessen Variable daher auch auf Verbrechen angewandt werden können. Dieser neue Klassenbegriff kann etwa sozialrelevante Handlung genannt werden. Die Vorstellung Radbruchs, daß ein Ordnungsbegriff m i t dem gleichnamigen Klassenbegriff nicht i n Zusammenhang stehe und insbesondere nicht aus i h m entwickelt werden könne, beruht also auf einer Begriffsvertauschung. Das gleiche gilt für die Vorstellung, daß es m i t Hilfe der gleichnamigen Ordnungsbegriffe möglich sei, die Grenzen der Klassenbegriffe zu überschreiten und i n gewissem Sinne überflüssig zu machen. Alles Denken i n Ordnungsbegriffen geht vielmehr zunächst von Klassenbegriffen und Klassifikationen aus, die das Feld der Ordnungsrelation bestimmen. Aber ist nicht wenigstens dann der unmittelbare Zugriff auf die Individuen möglich, wenn das Feld der Ordnungsrelation einmal abgesteckt ist, i n dem man die Ordnungsrelation auf die einzelnen Individuen anwendet? Es lassen sich anhand von Relationen zwischen Individuen ja Aussagen machen, die sich unmittelbar auf die Individuen selbst und nicht nur auf die Klassen oder Eigenschaften von ihnen beziehen, zum Beispiel innerhalb einer Ordnung nach Gewicht die Aussage „das Individuum X ist leichter als das Individum Y " oder „das Individum X ist ebenso schwer wie das Individuum Y " . Gerade i n solchen vergleichenden Aussagen über Individuen soll nach Radbruch und Hempel / Oppenheim die spezifische Anwendung und Leistung von Ordnungsbegriffen bestehen 10 und in ihnen soll die Berücksichtigung der fließenden Übergänge, des Mehr oder Weniger der Zusamenhänge und Ähnlichkeiten, die Lebensnähe und Konkretheit des Denkens i n Ordnungsbegriffen ihren Ausdruck finden, die es vor einem abstrahierenden, trennenden, Zusammenhänge mehr oder weniger w i l l k ü r l i c h zerreißenden Denken in Klassenbegriffen auszeichnen soll 1 1 . durch die einzelnen Tatbestände u n d die allgemeinen Voraussetzungen von Unrecht u n d Schuld konstituiert w i r d , i n der Strafzumessung als steigerungsfähigen Begriff betrachtet, vgl. Mezger L B (1949) S. 499, auch Bruns S. 394, Stratenwerth S. 29. Es ist aus logischen Gründen nicht nötig, neben dem Klassenbegriff des Verbrechens, des Unrechts, der Schuld usw. zum Zwecke der Strafzumessung eine neue A r t von Begriffen, die Steigerungsbegriffe Verbrechen, Unrecht u n d Schuld einzuführen u n d so unsere Sprache zu komplizieren. M a n braucht vielmehr die Klassenbegriffe n u r i n bestimmter Weise „anzureichern", u m aus ihnen steigerungsfähige zu gewinnen. Dabei bleibt die klassifikatorische F u n k t i o n der ursprünglichen Klassenbegriffe als Bestimmung des Feldes der Ordnungsrelationen erhalten; vgl. Engisch Konkretisierung S. 288 Fußn. 194: „Klassenbegriffe u n d Ordnungsbegriffe sind hier den Merkmalen nach identisch, der Ordnungsbegriff wächst aus dem Klassenbegriff heraus, indem gewisse Merkmale des letzteren abstufbar sind." 10 Hempel / Oppenheim S. 80 m i t Bezug auf ordnende Typenbegriffe, Radbruch S. 50. 11 Radbruch S. 46 f.; auch Engisch Konkretisierung S. 244.
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Ehe w i r das überprüfen können, indem w i r untersuchen, was solche vergleichenden Aussagen über Individuen innerhalb einer Ordnung bedeuten und was w i r m i t ihnen erreichen können, müssen w i r zunächst die Ordnung selbst haben und wissen, welche Bestimmungen sie uns gibt. W i r müssen uns also zunächst darüber klar werden, was für Arten von Aussagen w i r machen müssen, um eine Reihenordnung überhaupt aufstellen zu können. W i r können ein gegebenes Feld von Individuen, Klassen, Eigenschaften oder sonst irgendwelchen Gegenständen i n eine Reihenordnung bringen, indem w i r die einzelnen Glieder geordnet aufzählen, wobei w i r auch bestimmen können, daß mehrere von ihnen an ein und derselben Stelle stehen; w i r können aber auch stattdessen allgemein die Bedingungen angeben, die zwei Gegenstände erfüllen müssen, u m an gleicher Stelle zu stehen, und die Bedingungen, unter denen ein Gegenstand dem anderen vor- bzw. nachgeordnet sein soll. Das Letztere geschieht, wenn w i r eine Ordnung aufgrund von komparativen Begriffen, sogenannten Ordnungsbegriffen, aufstellen. Dazu sind also zwei verschiedene Relationen anzugeben, eine Gleichheitsrelation, und eine Relation der Vor- bzw. Nachordnung. W i r schreiben die erstgenannte A r t von Relationen „ x = y " , wobei „gleicht" nicht das arithmetische Gleichheitszeichen bedeutet, sondern die Gleichstelligkeit i n der Ordnung. Die zweite A r t von Relationen schreiben w i r „ x < y " , wobei das Zeichen „ < " nicht nur kleiner als bedeutet, sondern jedes Verhältnis der Vorordnung. Welche formalen Bedingungen diese beiden Relationen erfüllen müssen, um eine Ordnung zu ergeben, haben Hempel und Oppenheim ausführlich und anschaulich dargestellt 12 . Durch die Angabe der Bedingungen, unter denen Gegenstände der Ordnung an gleicher Stelle stehen, w i r d das gesamte Feld eingeteilt in disiuncte Klassen, i n sogenannte Äquivalenzklassen 13 . Ich kann die Aussage „ x = y " als Aussage über eine Relation verstehen, i n Worten etwa: „ X steht m i t y i n der Relation der Gleichheit." Ich kann sie aber auch als Aussage über eine Klassenzugehörigkeit verstehen, i n dem Sinne: „ X gehört zu der Klasse von Gegenständen, die y gleichgeordnet sind." Dasselbe gilt für die Relation der Vorordnung. Die Aussage „ x < y " kann ich verstehen als: „ X steht m i t y i n der Relation der Vorordnung" oder „ X gehört zu der Klasse von Gegenständen, die y vorgeordnet sind". Hempel und Oppenheim sehen den wesentlichen formalen Unterschied zwischen Klassen- und Ordnungsbegriffen darin, daß die Klas12
Vgl. Fußn. 4 i n diesem Kapitel. !3 Vgl. Weinberger S. 179.
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senbegriffe einstellige Funktionen, die Ordnungsbegriffe aber mehrstellige sind 1 4 . Nun zeigt sich aber, daß, so wesentlich dieser Unterschied auch sein mag, Ordnungsbegriffe sich auf einfache Weise i n Klassenbegriffe überführen lassen, indem man nämlich zunächst eine der beiden Leerstellen durch eine Konstante ausfüllt, also als Prädikat nicht ansieht „. = . " bzw. „. < .", sondern den Ausdruck „. = x " bzw. „. < x " 1 5 . Solange die Leerstelle χ nicht ausgefüllt ist, enthält dann dieser Ausdruck kein bestimmtes Prädikat, sondern eine Prädikatvariable, m i t anderen Worten eine Eigenschaft- und Klassenvariable, die durch Ausfüllung der Leerstelle χ m i t einem bestimmten Gegenstand ebenfalls zu einer Konstanten wird, zu einem vollständigen Ausdruck, der eine Klasse bzw. eine Eigenschaft bezeichnet. Wie werden nun die Prädikatoren verwendet, wenn eine Ordnung aufzustellen ist, als einstellige oder zweistellige? Zunächst muß dabei von bestimmten Gegenständen, wenigstens von einem Gegenstand ausgegangen werden, dessen für die Ordnung relevante Eigenschaften als positiv bestimmt vorausgesetzt werden. Bei metrischen Ordnungen ist das die Grundeinheit, beispielsweise das Urmeter oder das Urkilogramm. Es kann auch eine Äquivalenzklasse sein, d. h. eine Klasse von Gegenständen, von denen w i r von vornherein wissen, daß sie in bezug auf die ordnende Eigenschaft gleich sind; so wenn man die Einheit ein Gramm bestimmt als das Gewicht eines Wasserwürfels von einem Zentimeter Kantenlänge. Oder das Meter statt durch das Urmeter i n Paris durch die Angabe eines bestimmten Bruchteils der Wellenlänge der roten Kadmiumlinie. Bei einer nicht metrisierten Ordnung kann von jedem beliebigen Gegenstand ausgegangen werden. Nun macht man von diesem Gegenstand oder von dieser Äquivalenzklasse ausgehend Aussagen über die relative Stellung anderer Gegenstände zu diesen, d. h., man stellt für einen einzuordnenden Gegenstand fest, ob er nach den angegebenen Ordnungsrelationen dem Ausgangsgegenstand gleich-, vor- oder nachgeordnet ist. Für jeden neu einzuordnenden Gegenstand kann man dann die relative Position nicht nur zu dem Ausgangsgegenstand oder der Ausgangsklasse feststellen, sondern auch zu jedem bereits eingeordneten Gegenstand. Das ist nun aber nichts anderes als eine Subsumtion unter verschiedene Klassenbegriffe von der Form „ = X " , „ > X " oder „ < X " . Wenn aber, wie w i r gesehen haben, mehrstellige Prädikate, also Ordnungsbegriffe i m Sinne von Hempel und Oppenheim, sich durch 14 Vgl. S. 12 ff., S. 37 ff. Z u diesem Unterschied schon Frege F u n k t i o n u n d Begriff S. 36 f. 15 A u f diese Freiheit i n der W a h l des Prädikates eines Satzes oder einer Satzfunktion hat bereits Frege hingewiesen, vgl. F u n k t i o n u n d Begriff S. 36. Vgl. auch Savigny Grundkurs S. 34 f.
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bloße F o r m a l o p e r a t i o n e n i n einstellige, also K l a s s e n b e g r i f f e u m w a n d e l n lassen, w e n n w e i t e r die A u f s t e l l u n g einer O r d n u n g nach e i n e m O r d n u n g s b e g r i f f nichts anderes ist, als eine R e i h e klassifikatorischer Entscheidungen, d a n n scheint es n i c h t s i n n v o l l , a u f d e n Gegensatz zwischen e i n - u n d m e h r t e i l i g e n P r ä d i k a t e n e i n e n so p r i n z i p i e l l e n D u a l i s m u s zu g r ü n d e n , w i e H e m p e l u n d O p p e n h e i m u n d i h n e n f o l gend R a d b r u c h u n d Hassemer es t u n , die h i e r v o n z w e i e r l e i A r t e n des Denkens, k l a s s i f i k a t o r i s c h e m u n d O r d n u n g s d e n k e n sprechen. W i e aber s t e h t es d a n n m i t den A u s s a g e n ü b e r I n d i v i d u e n u n d i h r e B e z i e h u n g z u e i n a n d e r , die w i r a n h a n d e i n e r O r d n u n g m a c h e n k ö n n e n , w e n n diese e i n m a l a u f g e s t e l l t ist? H i e r ist zunächst z u beachten, daß m a n eine d u r c h e i n e n k o m p a r a t i v e n B e g r i f f aufgestellte O r d n u n g n i c h t n u r als O r d n u n g v o n I n d i v i d u e n auffassen k a n n , w i e dies H e m p e l u n d O p p e n h e i m ebenso w i e R a d b r u c h ausschließlich t u n , s o n d e r n auch als eine O r d n u n g v o n K l a s s e n u n d v o n E i g e n s c h a f t e n 1 6 , so w e n n i c h als G l i e d e r der O r d n u n g n i c h t die e i n z e l n e n I n d i v i d u e n ansehe, s o n d e r n d i e Ä q u i v a l e n z k l a s s e n , die d u r c h die G l e i c h h e i t s r e l a t i o n entstehen, u n d die Eigenschaften, die die Klassenkennzeichen dieser Ä q u i v a l e n z k l a s s e n sind, i n b e z u g a u f die die e i n z e l n e n e i n e r Ä q u i v a l e n z k l a s s e a n g e h ö r e n d e n I n d i v i d u e n also gleich sind, m . a. W . , d i e verschiedenen A b s t u f u n g e n oder G r a d e des O r d n u n g s b e g r i f f s s e l b s t 1 7 . W e n n i c h das tue, k a n n i c h 16 Das g i l t nicht für jede beliebige Ordnung. Es gibt z. B. Ordnungen von Klassen, die deshalb nicht als solche v o n I n d i v i d u e n interpretiert werden können, w e i l die Klassen nicht d i s j u n k t sind, d. h. einzelne I n d i v i d u e n i n mehreren dieser Klassen vorkommen. Diese Klassen können trotzdem geordnet sein, d. h., es können zwischen ihnen die beiden von Hempel u n d Oppenheim sogenannten verbundenen Relationen bestehen. Dann k a n n ich jeder Klasse i m Verhältnis zu einer anderen i n der Ordnung einen Platz zuweisen, aber nicht den Individuen, die i n mehreren Klassen vorkommen, die i n der Ordnung an verschiedener Stelle stehen. Deshalb habe ich keine Ordnung v o n Individuen. 17 Der Interpretation einer Ordnung als Ordnung von Klassen steht es auch nicht entgegen, w e n n die Ordnung dicht ist, d. h., w e n n sich zwischen je zwei Gliedern der Ordnung immer noch ein drittes angeben läßt, so daß es nicht möglich ist, eines als den unmittelbaren Nachbarn des anderen zu bestimmen u n d damit scharfe Grenzen innerhalb der Ordnung zu ziehen. Hempel und Oppenheim heben es S. 19 f. als einen wesentlichen V o r t e i l der Ordnungsbegriffe gegenüber den Klassenbegriffen hervor, daß n u r m i t ihrer Hilfe diese dichten Ordnungen zu bestimmen sind, während eine Unterteilung des Feldes i n Unterklassen eine solche dichte Ordnung nur unvollständig darzustellen vermag. Es sind aber dichte Ordnungen von Klassen ebenso denkbar wie solche von Individuen, u n d beide sind nicht vollständig darstellbar, sondern n u r allgemein durch die Ordnungsrelationen zu bestimmen. Daß uns die Ordnungsrelationen als zweistellige Prädikate die Möglichkeit geben, gleichwohl m i t diesen dichten Ordnungen umzugehen, liegt also nicht daran, daß sie uns von den Abgrenzungsproblemen der Klassenbegriffe überhaupt befreien und uns den unmittelbaren Zugang zum einzelnen I n d i v i d u u m verschaffen; w i r verschaffen uns vielmehr durch die zweite Leerstelle n u r eine Freiheit i n der A u s w a h l des Klassenbegriffs, den w i r einer Klassifikation innerhalb der Ordnung zugrundelegen, indem w i r zunächst diese
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immer noch anhand der Ordnung Aussagen über Individuen machen, ebenso wie anhand einzelner Klassenbegriffe; es werden dann aber Aussagen über Klassenzugehörigkeiten und Beziehungen zu Klassen sein, also Aussagen von der Form „ y gehört zu der Klasse K " oder „ y gehört zu einer Klasse, die Κ vorgeordnet ist". Dabei ist die Klasse Κ als gegeben vorausgesetzt. Wenn ich eine solche Aussage intensional interpretieren w i l l , muß ich nicht nur den Sinn der Ordnungsrelation kennen, sondern auch die für die Ordnung relevante Eigenschaft der Klasse K, m. a. W., den Grad der steigerungsfähigen Eigenschaft, der Κ zukommt. Dann gibt m i r der Vergleich des Individuums Y (oder auch der Klasse Ky) m i t der gegebenen Klasse Κ und deren ordnungsrelevanten Eigenschaften auch eine Eigenschaft des Individuums Y (bzw. der Klasse Ky), die allerdings vor allem bei Verwendung der Relation kleiner als verhältnismäßig vage sein wird. Wenn man aus einer Ordnung nach einem komparativen Begriff inhaltliche und praktische Folgerungen ziehen w i l l , w i r d man i n der Regel zunächst solche einstelligen Funktionen also Klassen- bzw. Eigenschaftsbegriffe aus ihr ableiten. Man kann zwar auch inhaltliche Aussagen aus der Relation allein gewinnen, indem man sich damit begnügt, deren Sinn zu verstehen, aber beide Glieder unbestimmt und unqualifiziert läßt. Man hat es dann allein m i t dem zweistelligen Prädikat zu tun 1 8 . So kann man etwa die Aussage machen, „die Tat A ist schwerer als die Tat B " und daraus die Folgerung ziehen, „der Täter von A ist schwerer zu bestrafen als der Täter von B", ohne etwas darüber zu zweite Leerstelle ausfüllen. Meistens können w i r diese A u s w a h l dann so treffen, daß die Einordnung des zu klassifizierenden Individuums eindeutig ist. 18 Dies ist die einzige F o r m von Aussagen, die Hempel u n d Oppenheim bei der Anwendung von Ordnungsbegriffen überhaupt zulassen, vgl. S. 80: „Die Typusbegriffe ordnender F o r m oder die ordnenden Typusbegriffe dienen, streng genommen, n u r zur Formulierung von Aussagen über die gegenseitige Stellung von Objekten (i. a. Individuen ), i n den typologischen Reihen" (Hervorhebung nicht i m Original), vgl. auch S. 82 ebenfalls i n bezug auf ordnende Typenbegriffe: „Die Definition des Ausdrucks χ ist ein reinerer Vertreter des Typus Τ als y setzt logisch die Definition des Typus Τ (also einen Klassenbegriff) weder voraus noch f ü h r t sie zu i h r h i n : Der klassifizierende u n d der ordnende Gebrauch des Typusbegriffes sind logisch v ö l l i g voneinander unabhängig." Kritisch dazu Kutschera S. 200. Hier erweist sich ihre auf S. 40 aufgestellte These, daß die Anwendung von Ordnungsbegriffen etwas anderes sei als B i l d u n g von Unterklassen aus Oberklassen als ein reines Postulat. Hempel u n d Oppenheim definieren ihre Ordnungen eben so, daß aus ihnen keine Klassenbegriffe entwickelt werden können, indem sie überhaupt n u r I n d i v i d u e n u n d zwei- oder mehrstellige Satzfunktionen zulassen, aber keine einstelligen. Sie zeigen dann, daß man auch bei einer derartigen Einschränkung ihrer Anwendung m i t den Ordnungsbegriffen noch inhaltliche u n d wissenschaftlich relevante Aussagen machen kann, wie etwa Aussagen über proportionale Abhängigkeiten z w i schen Ordnungen, sog. ordnende empirische Gesetze. Aber die B i l d u n g von Unterklassen aus Oberklassen anhand von Ordnungsbegriffen vermögen solche Aussagen nicht überflüssig zu machen oder zu ersetzen.
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wissen, w i e schwer d i e T a t A oder d i e T a t Β ist. N u r g e l a n g e n w i r a u f diese Weise, soviele V e r g l e i c h e m i t a n d e r e n G l i e d e r n der O r d n u n g w i r auch noch a n s t e l l e n m ö g e n , n i e z u e i n e r auch n u r a n n ä h e r n d e n B e s t i m m u n g der „ S c h w e r e d e r T a t A " , d. h. zu einer q u a l i t a t i v e n Eigenschaftsangabe. Z u e i n e r solchen m ü s s e n w i r aber k o m m e n , w e i l w i r i h r ebenf a l l s eine a b s o l u t u n d n i c h t n u r r e l a t i v z u a n d e r e n S t r a f e n b e s t i m m t e S t r a f e z u o r d n e n m ü s s e n 1 9 . W i r w e r d e n also, u n d dies g i l t n i c h t n u r f ü r die A n w e n d u n g v o n k o m p a r a t i v e n B e g r i f f e n i n d e r Strafzumessung, e i n e n V e r g l e i c h eines I n d i v i d u u m s (oder e i n e r Klasse v o n I n d i v i d u e n ) m i t e i n e m a n d e r e n erst d a n n anstellen, w e n n w i r f ü r eines d a v o n d e n i h m z u k o m m e n d e n G r a d des s t e i g e r u n g s f ä h i g e n B e g r i f f e s u n d d a m i t seine Ä q u i v a l e n z k l a s s e i n n e r h a l b der O r d n u n g w e n i g s t e n s u n g e f ä h r b e s t i m m t h a b e n 2 0 . D a n n aber a r b e i t e n w i r n i c h t m e h r m i t d e m z w e i s t e l l i g e n P r ä d i k a t , also m i t d e r R e l a t i o n a l l e i n , s o n d e r n m i t e i n e m e i n s t e l l i g e n , also e i n e m K l a s s e n - u n d Eigenschaftsbegriff, u n d w i r v e r g l e i c h e n n i c h t n u r m i t e i n e m I n d i v i d u u m , s o n d e r n auch m i t e i n e m d u r c h e i n I n d i v i d u u m b e s t i m m t e n K l a s s e n - b z w . Eigenschaftsbegriff. A l s O r d n u n g v o n K l a s s e n u n d Eigenschaften m u ß also eine k o m p a r a t i v e O r d n u n g i n t e r p r e t i e r t w e r d e n , w e n n aus i h r i n h a l t l i c h e u n d 19 Diese Insuffizienz der zweistelligen Ordnungsrelationen f ü r die Zwecke der Strafzumessung gibt auch Hassemer i n seinen Bemerkungen über Radbruchs Lehre von den Ordnungsbegriffen zu, vgl. Strafrahmen S. 285, i n dem er feststellt „daß auch das Ergebnis der richterlichen Strafzumessung ein entweder-oder-Urteil" u n d damit eine klassifikatorische Entscheidung ist. Allgemein weist Engisch darauf hin, daß die Inadäquatheit der Klassenbegriffe des Rechts gegenüber den fließenden Übergängen des Lebens zunächst ihre Ursache i n pragmatischen Notwendigkeiten hat u n d daß diese Inadäquatheit w o h l von jener anderen zu unterscheiden ist, die sich aus der Schwierigkeit ergibt, innerhalb fließender Ubergänge überhaupt scharfe Grenzen durch Klassenbegriffe zu bestimmen, „durch die fließenden Übergänge des Lebens scharfe Schnitte" zu legen (Radbruch). Jene praktische Inadäquatheit besteht auch dann, w e n n die Grenzen durch die fließenden Übergänge tatsächlich scharf u n d eindeutig zu ziehen sind, w i e bei Altersgrenzen, Zeitbestimmungen u n d Fristen oder sonst i n metrisierten Ordnungen, vgl. Engisch Konkretisierung S. 285 ff. 20 I n diesem Punkte besteht zwischen Hempel u n d Oppenheim einerseits u n d Radbruch andererseits eine entscheidende Divergenz: Während Hempel u n d Oppenheim S. 82 auf jede Klassifikation eines der Vergleichsgegenstände verzichten u n d damit f ü r den „ordnenden Gebrauch" von Begriffen nur Aussagen über das Erfülltsein einer Ordnungsrelation durch ein qualitativ nicht bestimmtes Individuenpaar zulassen, räumt Radbruch Klassenbegriffe S. 47 ein, daß das, w o m i t w i r den einzuordnenden Gegenstand vergleichen, i n aller Regel gar nicht bestimmte real gegebene I n d i v i d u e n sind, sondern „konstruierte Gebilde, die unter bestimmten Gesichtspunkten wesentliche Eigenschaften verschiedener Erscheinungen zusammenfassen" (Hervorhebung nicht i m Original). Radbruch folgert daraus: „Die Entgegensetzung der Ordnungsbegriffe zu den Klassenbegriffen scheint deshalb terminologisch nicht ganz glücklich." Dennoch entgeht Radbruch selbst nicht den Gefahren dieses unglücklichen Antagonismusses, indem er m i t Hempel u n d Oppenheim jede logische, semantische oder pragmatische Abhängigkeit der Ordnungsbegriffe von den gleichnamigen Klassenbegriffen negiert, vgl. S. 51.
2. Exkurs: Z u m Verhältnis von Klassen- u n d Ordnungsbegriffen
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praktische Folgerungen zu ziehen sind. Wenn es dagegen lediglich darum geht, überhaupt irgendwie eine Menge von Individuen zu ordnen, kann man sich m i t Aussagen über relative Positionen von I n d i v i duen begnügen. Dabei w i r d dann von jeglicher Qualifikation der Individuen und auch vom „Sinn" der Ordnungsrelationen abgesehen, nachdem die Ordnung einmal aufgestellt ist. Eine Verengung des Blickes auf einzelne Eigenschaften der Individuen findet nicht mehr statt, man hat es vielmehr m i t den Individuen allein zu tun. Aber dieser Durchgriff auf die Individuen bedeutet keineswegs einen Gew i n n an Konkretheit oder eine größere Offenheit der Aussagemöglichkeiten für Inhalte oder einen engeren Bezug zum „Leben". Er w i r d vielmehr durch eine noch weiter getriebene Abstraktion ermöglicht und durch einen Verzicht auf jeden Inhalt erkauft, der über die bloßen Ordnungsbeziehungen der Gleichheit und der Vorgeordnetheit hinausgeht. Es ist die Reduktion der Ordnung auf eine syntaktische Dimension, i n der nur noch formale Operationen, wie Abbildung, Umkehrung usw. möglich sind. Aber wenn dieser Weg des Durchgriffs auf die Individuen nicht zu einem engeren Bezug zum „Leben" und zu inhaltsreicheren Aussagen führt, woher kommt es dann, daß w i r Ordnungsbegriffe vorziehen, wo w i r es m i t fließenden Ubergängen zu tun haben, daß w i r meinen, m i t ihrer Hilfe den Erscheinungen des Lebens gerechter werden zu können als m i t einfachen einstelligen Klassenbegriffen, daß Radbruch dem klassifikatorischen Denken vorwirft, es „zersetze und zerstöre die Ganzheiten des Lebens", während die Ordnungsbegriffe eben diese fließenden Ubergänge und Zusammenhänge darzustellen vermögen 21 ? Es interessiert uns hier nicht so sehr die Tatsache, daß w i r m i t Ordnungsbegriffen bestimmte Sachverhalte, etwa propositionale Gesetze von der Form „je mehr . . . desto mehr . . . " oder „desto weniger . . . " formulieren können, weil diese Begriffe mehrstellige Prädikate darstellen. I n unserem Zusammenhang ist die Frage wichtig, wie die Anwendung von Ordnungsbegriffen, die, wie w i r gesehen haben, immer wieder zu Klassenbegriffen und Klassifikationen führt, uns gleichwohl oft die Abgrenzungsprobleme und ihre unbefriedigenden Lösungen ersparen kann, vor die uns die einfachen einstelligen Klassenbegriffe gerade da stellen, wo w i r es m i t fließenden Übergängen zu t u n haben. W i r hatten gesehen, daß sich aus einem komparativen Begriff die verschiedensten Klassen bilden und die verschiedensten Eigenschaften bestimmen lassen, indem man i n eine der beiden Leerstellen einer Ordnungsrelation irgendein Individuum oder irgendeine Klasse einsetzt, u m so ein einstelliges Prädikat zu erhalten. W i r erhalten so Aussagen über Eigenschaften und über Klassen innerhalb der Ord21 Vgl. Klassenbegriffe S. 46 f.
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nung, ohne diese selbst vollständig herstellen zu müssen. Wenn w i r anhand der Ordnung eine klassifikatorische Aussage über einen Gegenstand machen wollen, werden w i r die betreffende Klasse zweckmäßigerweise so wählen, daß die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit des Gegenstandes zu ihr eindeutig festzustellen ist. Es erübrigt sich dann auch meist eine genaue Abgrenzung der Klasse. W i r können also innerhalb einer Ordnung leichter m i t unscharfen und unbestimmten Klassenbegriffen arbeiten 22 . Die Anpassungsfähigkeit der Ordnungsbegriffe an das „Leben" und seine fließenden Ubergänge, die uns der Notwendigkeit enthebt, „scharfe Schnitte durch die fließenden Ubergänge zu legen" (Radbruch), verdanken w i r also nicht einer Loslösung von „klassifikatorischem Denken", sondern der Existenz von Klassenvariablen. Das kann man am besten so ausdrücken, daß man die Relationen selbst als Prädikatvariablen schreibt, also der IndividuenVariablen Y den Ausdruck „kleiner X " oder „gleich X " als Prädikat gegenüberstellt, wobei aber X ebenfalls eine Variable ist. Danach steht die Notwendigkeit der Anwendung von Ordnungsbegriffen i n der Strafzumessung also keineswegs unserem Verständnis der tatbestandlichen Satzfunktion entgegen, nach dem die i n ihr enthaltenen Variablen Klassen- und Eigenschaftsvariablen sind und nicht Individuenvariablen, sie spricht vielmehr entscheidend dafür. Denn die Ordnungsrelationen selbst lassen sich bei geeigneter Zerlegung als Klassen- und Eigenschaftsvariablen deuten.
22 Dies dürfte ein Grund, w e n n nicht gar der entscheidende, dafür sein, daß die Ordnungsbegriffe seit Hempel / Oppenheim u n d Radbruch auch i n der Rechtswissenschaft so selbstverständlich m i t dem Begriff des Typus, der Typologie u n d des typologischen Verfahrens i n Verbindung gebracht werden, während gegen ihre Verbindung m i t Klassenbegriffen u n d Klassifikationen, wie w i r gesehen haben, sogar starke Widerstände bestehen. Engisch stellt zwar f ü r die Rechtswissenschaft fest: „Die meisten sogenannten Typusbegriffe sind keine Steigerungsbegriffe, u n d die meisten Steigerungsbegriffe, die man antrifft, heißen nicht Typen." Er hält dies aber für eine terminologische Fehlentwicklung u n d befürwortet eine Einschränkung des Typusbegriffs auf Ordnungsbegriffe, vgl. Konkretisieung S. 289. Was den Typus derart zur Aufstellung von Ordnungen prädestiniert, ist zunächst dies, daß m a n von i h m i m Gegensatz zum Klassenbegriff vollständige Bestimmtheit u n d scharfe Abgrenzung gar nicht fordert. F ü r Typenbegriffe eröffnet deshalb erst eine Ordnung die Möglichkeit bestimmter u n d eindeutiger Aussagen durch geeignete Ausfüllung der von der Ordnung angebotenen Klassenvariablen. Das bedeutet einen Gewinn an Elastizität, an Aufnahmefähigkeit für neue Inhalte u n d damit auch größere Anpassungsfähigkeit an das „Leben", zumal man sich, solange man sich auf Einzelaussagen beschränkt, auch eine genaue Feldbestimmung meist ersparen kann. Das alles steht aber weder der Möglichkeit noch der Notwendigkeit entgegen, m i t Klassenbegriffen i n gleicher Weise w i e m i t Typenbegriffen ordnend zu verfahren.
3. Die Bestimmung des Wertebereichs der einzelnen Variablen
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3. Die Bestimmung des Wertebereichs der einzelnen Variablen als Tatbestandsauslegung Welche Eigenschaftsvariablen ein Tatbestand bzw. ein Tatbestandsmerkmal hat, welche Eigenschaften an ihre Stelle gesetzt werden können und wie diese i n eine Ordnung zu bringen sind, ist ebenso wie die Feststellung der Erfüllungsbedingungen des Tatbestandes eine Frage seiner Auslegung 1 . Dabei kann ein Tatbestandsmerkmal durch Begriffsbestimmung i n mehrere Komponenten zerlegt werden, die ihrerseits Konstante oder Variable sein können. Abgesehen von kurzen Bemerkungen zur Strafzumessung i n den Kommentierungen der einzelnen Tatbestände werden diese Auslegungsprobleme aber kaum allgemein erörtert, sondern dem Einzelfall und der Entscheidung durch die Rechtsprechung überlassen. Dabei handelt es sich u m Rechtsfragen, und die Berücksichtigung einer für den betreffenden Tatbestand unzulässigen Differenzierung ist ein revisibler Rechtsfehler 2 , dies auch dann, wenn diese Unzulässigkeit nicht aus anderen Rechtssätzen, etwa der Verfassung oder dem Sittengesetz, sondern nur aus dem Verständnis des Tatbestandes selbst und seiner Merkmale zu begründen ist®. Deshalb ist es auch ebenso unnötig wie falsch, i n solchen Fällen auf das Doppelverwertungsverbot zu rekurrieren, indem man die für unzulässig gehaltene Differenzierung innerhalb eines Tatbestandes zunächst wegdenkt, u m dann eine Doppelverwertung des Tatbestandsmerkmals selbst zu rügen. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Berücksichtigung des Alters des Opfers eines Tötungsdelikts und deren Rüge als Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot 4 . Sedes materiae ist nicht das Doppelverwertungsverbot, sondern der Menschbegriff der Tötungstat1 Denn die Tatbestände sind, nachdem sie die notwendigen Bedingungen der Strafbarkeit festgelegt haben, selbst auch ein Stück vorweggenommener Strafzumessung. Der gesamte besondere T e i l des Strafrechts u n d „das i h m zugrundeliegende Bewertungssystem läuft letzten Endes auf einen vorweggenommenen großen Katalog v o n Strafzumessungsgründen hinaus, die f ü r die abschließende Bestimmung der Strafhöhe allerdings noch näherer E r gänzung bedürfen . . . Bei der Ausfüllung des i h m (dem Richter) durch den Strafrahmen gewährten Ermessungsspielraums muß er sich nicht zuletzt nach den Intentionen des gesetzlichen Tatbestandes richten", so Bruns S. 70, vgl. auch Mezger L B (1949) S. 498, Nagler GS 94, 83, Spendei S. 230 f., auch Beling Verbrechen S. 247. 2 Zipf S. 211 f. 8 Diese Möglichkeit übergeht Zipf, indem er als Untergruppen der unzulässigen Heranziehung von Tatsachen n u r anführt: Die Verwertung von Tatsachen, die dem Täter nicht vorzuwerfen sind, die V e r w e r t u n g v o n V o r würfen, deren Erhebung selbst gegen Grundrechte des Täters (Beispiel B G H bei Dallinger M D R 67, 897) oder das Sittengesetz (Beispiel B G H bei Dallinger M D R 56, 272) verstößt, die Verwertung von Tatsachen, die prozeßordnungsw i d r i g ermittelt worden sind u n d schließlich den Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, vgl. S. 205 ff. 4 B G H VRS 5, 213, O L G K ö l n D A R 63, 306. Vgl. hierzu auch Bruns S. 369. 7 Puppe
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bestände, der wegen der prinzipiell gleichen Schutzwürdigkeit jedes Menschenlebens keine Variablen für irgendwelche Eigenschaften des Opfers wie Alter, Gesundheitszustand, Lebenserwartung oder gar, wie i n früheren Rechtsordnungen, für Stand oder Rechtsstellung enthalten darf. Eben diese Differenzierungen können i n anderen Tatbeständen angezeigt sein, wie etwa die nach dem Alter des Opfers bei der Verführung. Wieder zeigt sich hier die Tatbestandsabhängigkeit der vorzunehmenden Differenzierungen, die auch da zu beachten ist, wo der gleiche Ausdruck i n verschiedenen Tatbeständen vorkommt. Viele dieser Unterscheidungen sowie ihre Ordnung nach ihrer belastenden oder entlastenden Wirkung bedürfen allerdings ihrer T r i vialität wegen keiner besonderen Untersuchung. Sie ergeben sich aus dem Zweck der einzelnen Strafvorschriften, insbesondere dem geschützten Rechtsgut, aus ihrer Stellung i n Gesetz, teilweise auch aus den i m Gesetz selbst ausgeformten Privilegierungen und Qualifizierungen. So ergibt sich aus den Qualifikationen der §§ 224 ff. die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Unterscheidung der Körperverletzungen nach ihrer Schwere, aus § 239 Abs. 2 die Relevanz der Dauer der Freiheitsberaubung, aus der Privilegierung des § 248 a ist herzuleiten, daß der Wert der gestohlenen Sache für die Strafzumessung relevant ist, daß also die Diebstahlstatbestände nicht nur die Sachherrschaft oder das Eigentum als solches schützen, sondern auch den i n ihm verkörperten Vermögenswert, dies obwohl auch wertlose Sachen gegen Diebstahl geschützt sind 5 . Es gibt darüber hinaus Tatbestandsmerkmale, die schon ihrer alltagssprachlichen Verwendung nach Ordnungsbegriffe sind, also eine Eigenschaftsvariable enthalten und insofern unvollständige Ausdrücke sind. Dies sind die sogenannten steigerungsfähigen Begriffe, wie die Empfindlichkeit des Übels i n §240, die Gefährlichkeit des Werkzeugs i n § 223 a, die Roheit der Mißhandlung i n § 223 b, das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bei § 302 a, der Schaden bei § 253 und § 263, die Rücksichtslosigkeit und die grobe Verkehrswidrigkeit i n § 315 c, wohl auch die Fahrlässigkeit und die Leichtfertigkeit. Ein rohes Verhalten ist immer mehr oder weniger roh, ein rücksichtsloses mehr oder weniger rücksichtslos, ein fahrlässiges mehr oder weniger fahrlässig usw. Solche Begriffe werden i n der Umgangssprache oft unter stillschweigender Heranziehung von, allerdings meist nicht genau bestimmten, Vergleichsgliedern innerhalb einer Ordnung oder einer ebenfalls vage bleibenden Gradvorstellung gebraucht, die sich aus dem jeweiligen Zusammenhang ergeben. Der Satz „dieser Koffer ist leicht" ist nur sinnvoll und i n gewissem Sinne auch vollständig, 5 Vgl. Mezger L B (1948) S. 499.
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weil er einen Vergleich des Koffers m i t allerdings unbestimmt gelassenen, anderen Koffern i m Hinblick auf das Gewicht angibt. Die Übernahme solcher Begriffe i n einen Straftatbestand w i r f t deshalb besondere Schwierigkeiten auf, w e i l ein Strafgesetz als Garantietatbestand ein vollständiger Ausdruck sein muß und erst bei der Strafzumessung, sozusagen als Strafzumessungstatbestand, als ergänzungsbedürftige Satzfunktion aufgefaßt werden darf. Sind bei anderen Tatbestandsmerkmalen gewisse definitorische Ergänzungen nötig zur Festlegung ihrer zulässigen Differenzierung und deren Ordnung, u m sie i m Strafzumessungstatbestand als unvollständige Ausdrücke behandeln zu können, so ist es hier die Auffassung als vollständiger Ausdruck, die nicht ohne Ausfüllung von nach der alltagssprachlichen Verwendung des Ausdrucks als vorhanden vorausgesetzten Leerstellen erfolgen kann. Diese Ausfüllung geschieht durch Einsetzung einer, meist notwendig vagen, Bestimmung eines Mindestgrades des steigerungsfähigen Begriffs 6 . Die typischen steigerungsfähigen Begriffe können auch i n die Definition eines einzelnen Tatbestandsmerkmals eingeführt werden, auch wenn es i n der Alltagssprache nicht oder doch nicht bewußt als Steigerungsbegriff verwendet wird. Das geschieht implizit, wenn bei der Auslegung oder auch der Legaldefinition eines Tatbestandsmerkmals ein Erheblichkeitserfordernis eingeführt wird. Dies geschieht z. B. i n der Legaldefinition der geschlechtlichen Handlung durch § 184 c Abs. 1 oder der durch die Rechtsprechung aufgestellten Definition der körperlichen Mißhandlung i m Sinne des § 223 als „nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens" 7 . Ein solches Erheblichkeitserfordernis ist nicht möglich, wenn man sich den betreffenden Eigenschaftsbegriff nicht als einen i n bestimmter Richtung steigerungsfähigen vorstellt. Nicht umsonst ist i n § 184 c Ziff. 1 von Erheblichkeit i n Richtung auf das geschützte Rechtsgut die Rede. 6 Diese Möglichkeit, aus einem Ordnungsbegriff, also einem zweistelligen Prädikat, durch Ausfüllung der einen Leerstelle m i t einer Eigenschaftsbestimmung ein einstelliges Prädikat u n d damit einen Klassenbegriff zu gewinnen, haben w i r i m vorherigen K a p i t e l bereits beschrieben. Ihre erneute U m w a n d l u n g i n eine Eigenschaftsvariable für die Zwecke der Strafzumessung erfolgt dann dadurch, daß die klassifikatorische Bestimmung durch den Mindestgrad als Feldbestimmung i n die n u n nach dem Ordnungsbegriff aufzustellende Ordnung übernommen w i r d . Aus der Transitivität der Ordnungsrelationen ergibt sich, daß jede Tatbestandsverwirklichung, die einen höheren als diesen Mindestgrad erreicht, auch den Mindestgrad selbst erfüllt. M a n k a n n alle nach der Ordnung innerhalb des Feldes bestimmbaren Graduierungen, also als Spezialfälle des Mindestgrades einfügen, wenn m a n sie i n komparativer F o r m ausdrückt; sie alle sind Unterfälle der Eigenschaft, größer als der Mindestgrad zu sein. 7 Vgl. zuletzt B G H 25, 277.
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Ob ein Eigenschaftsbegriff i n bestimmter Richtung steigerungsfähig ist, kann ebenso streitig sein, wie sonst die Frage, welche Differenzierungen für ihn zulässig sind. Wenn man z. B. bei der Definition der Fahrlässigkeit die Möglichkeit erlaubten Risikos dadurch berücksichtigt, daß man nicht nur eine Gefährdung eines schutzwürdigen Interesses fordert, sondern auch ein Übergewicht dieses Interesses i m Vergleich zu dem vom Täter verfolgten, so erhält man eine Graduierung nach der Wertdifferenz zwischen diesen Interessen 8 . Sieht man dagegen die Fahrlässigkeit allein durch das Erfordernis der Gefährdung eines geschützten Interesses bestimmt, so ergibt sich diese Differenzierungsmöglichkeit aus der Fahrlässigkeitsdefinition nicht. Ob ein Begriff i m Tatbestand als steigerungsfähiger verwendet wird, ist Auslegungsfrage. Immerhin w i r d man vermuten können, daß dies meist dann geschieht, wenn der Begriff i n der Alltagssprache als i n bestimmter Richtung steigerungsfähig aufgefaßt wird. Das ergibt sich aus dem allgemeinen Erfordernis der Eindeutigkeit und Allgemeinverständlichkeit der Gesetzessprache. Erfordert der Garantietatbestand die Verwirklichung eines Mindestgrades eines steigerungsfähigen Begriffs, so ist die Übernahme der damit implizit vorausgesetzten Gradabstufung i n den Strafzumessungstatbestand auch aus inhaltlichen Gründen geboten. Dies ergibt sich aus dem Tatschuldprinzip, wonach die Gründe, die für das Ob der Strafe maßgebend sind, es auch für das Wie sein müssen 9 . Aus formalen Gründen wären Gesetzgebung und Rechtsprechung zwar nicht gehindert, einen Mindestgrad eines steigerungsfähigen Begriffs i n den Garantietatbestand einzuführen und gleichwohl die Graduierung dieses Merkmals für die Strafzumessung nach dem betreffenden Tatbestand für unerheblich zu erklären, w e i l es nur darauf ankommen soll, daß jener Mindestgrad überhaupt erreicht ist. Das wäre i m Strafzumessungstatbestand dadurch auszudrücken, daß die Ausfüllung der Leerstelle des steigerungsfähigen Begriffs, wie sie i m Garantietatbestand vorgenommen worden ist, also durch den Ausdruck größer als der Mindestgrad einfach als i n sich vollständiger Terminus stehenbleibt und nicht durch eine Variable ersetzt wird, deren Wertebereich nach unten durch jenen Mindestgrad begrenzt wird. 8 So etwa Maiwald G A 74, 257 ff. So schreibt Gössel i n seiner Besprechung von Bruns i n J A 74 S. 871: „Der Realgrund bestimmt die Strafe ganz u n d ungeteilt. Es sind deshalb v e r schiedene Realgründe für das ,Ob' u n d »Wie* der Strafe nicht denkbar. Jede Begründung des ,Wie' der Strafe ist zugleich eine des ,0b 4 derselben." A l l gemeiner zu diesem Zusammenhang zwischen Strafvoraussetzungen u n d Strafmaß Gallas ZStW 80, 3, Arthur Kaufmann J Z 67, 558, Koffka L K zu § 13 a. F. Rz. 9, Schönke / Schröder / Stree zu § 46 Rz. 3. 9
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Wenn aber ein Merkmal des Garantietatbestandes, also eine die Strafbarkeit begründende Eigenschaft der Tat, schon nicht anders aufgefaßt werden kann, denn als Verwirklichung eines Mindestgrades eines steigerungsfähigen Begriffs und damit als ein Ausschnitt aus einer vorausgesetzten Ordnung von Untereigenschaften, so ist damit die Relevanz dieser Ordnung für die Bestimmung von Unrecht und/oder Schuld vorausgesetzt, sie kann dann bei einer Unrechts- und schuldorientierten Strafzumessung nicht ignoriert werden 1 0 . Steigerungsbegriffe werden auch aus denjenigen Voraussetzungen der Strafbarkeit abgeleitet, die nicht i n den Tatbeständen selbst stehen, sondern sich als negative Erfordernisse aus den Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen ergeben. Dies geschieht dadurch, daß die Voraussetzungen einzelner Unrechts- und Schuldausschließungsgründe als Grenzwerte einer unter einem bestimmten Teilaspekt von Unrecht oder Schuld aufgestellten Graduierung verstanden werden, so daß das Fehlen der betreffenden Unrechts- oder Schuldvoraussetzungen als eine A r t Mindestgrad jener Ordnung erscheint. Hierfür eignen sich diejenigen Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe, die selbst steigerungsfähige Begriffe enthalten wie der rechtfertigende Notstand m i t seinem Erfordernis des wesentlichen Uberwiegens des gewahrten Interesses und der Entschuldigungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit, für den der Gesetzgeber selbst schon m i t dem Schuldminderungsgrund der verminderten Zurechnungsfähigkeit den entsprechenden Steigerungsbegriff als Graduierung von Schuld eingeführt hat 1 1 .
10 Das ist das von Mezger sogenannte „Gesetz der Grenzwertbestimmung" (vgl. L B [1949] S. 273 u n d S. 499) auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale angewandt, vgl. dazu Bruns S. 71. Koffka f ü h r t diese Abstufungen der T a t bestandsmerkmale aber auch die der allgemeinen Verbrechensmerkmale, soweit sie nicht allein den Erfolgsunwert, also die verschuldeten A u s w i r k u n gen der Tat betreffen, als Bestimmungen des Maßes der Pflichtwidrigkeit i n die Strafzumessung ein u n d gibt ihnen damit eine gesetzliche Legitimation aus § 46, vgl. L K zu § 13 a. F. Rz. 46 ff., während etwa Schänke / Schröder das Maß der Pflichtwidrigkeit v o r allem als Abstufung der Sorgfaltspflichtverletzung bei den Fahrlässigkeitsdelikten verstehen, vgl. Stree, 19. Aufl. zu § 46 Rz. 17.
u Vgl. Mezger L B (1948) S. 273 f. und S. 500 f. aus neuester Zeit Bruns S. 394, Stratenwerth, Tatschuld, S. 29, ausführlich zu diesem Problem auch Heinitz ZStW 63, 57 ff., u n k l a r B G H 26, 311. Radbruch sieht sich dagegen durch seinen Antagonismus von Klassen- u n d Ordnungsbegriffen sogar genötigt, dem Begriff der verminderten Zurechnungsfähigkeit die Qualität eines Steigerungs- u n d Ordnungsbegriffs abzusprechen u n d i h n n u r als einen vollständig klassifikatorisch bestimmten Unterfall der Zurechnungsfähigkeit auszulegen, vgl. Klassenbegriffe S. 50. Denn da die Begriffe des Strafgesetzes i m Subsumtionsverfahren als Klassenbegriffe auftreten, konnte Radbruch sie nicht gleichzeitig i m Strafzumessungsverfahren als Ordnungsbegriffe anerkennen. Kritisch hierzu Engisch Konkretisierung S. 187 f. u n d Fußn. 194.
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Aufgrund solcher Überlegungen w i r d von Unrecht und Schuld als steigerungsfähigen Begriffen gesprochen 12 . Es wäre vielleicht zweckmäßiger, hier nur von gewissen Unrechts- und Schuldelementen als steigerungsfähigen zu sprechen, schon um sie von dem tatbestandsbezogenen Begriff von Unrecht und Schuld zu unterscheiden, dessen Steigerungsfähigkeit sich schon daraus ergibt, daß die Tatbestände selbst steigerungsfähige Unrechts- und Schuldmerkmale enthalten. Auch hier setzt sich der Gedanke durch, den Mezger das Gesetz der Grenzwertbestimmung genannt hat 1 3 : Daß da, wo die Erreichung eines Mindestgrades eines steigerungsfähigen Begriffes Bestandteil oder Voraussetzung der Begründung von Strafbarkeit ist, diese Graduierung auch für die Strafzumessung relevant sein muß. Dieses Prinzip ist jedoch nicht so umzukehren, daß innerhalb eines Tatbestandes nur insoweit Differenzierungen zulässig sind, als er selbst schon steigerungsfähige Begriffe enthält. Es können vielmehr zum Zweck der Strafzumessung neue Variable i n die Tatbestandsbeschreibung eingeführt werden. Hier finden die i n § 46 Abs. 2 aufgeführten allgemeinen Gesichtspunkte zur Bewertung einer Straftat ihren Platz, soweit sie tatschuldrelevant sind und damit nach § 1 auf den Tatbestand zu beziehen sind. Außerdem können i n jedem Tatbestand noch weitere Variable eingeführt werden, denn auch die Aufzählung i n § 46 erhebt ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit („Dabei kommen namentlich i n Betracht"). Diese neuen Variablen, ob sie nun unter einen der Titel des § 46 Abs. 2 zu subsumieren sind oder nicht, müssen m i t ihrem Wertebereich, d. h. den zu ihrer Ausfüllung zulässigen Eigenschaftskonstanten und der zwischen diesen festgelegten Ordnung inhaltlich gerechtfertigt werden und zwar als Differenzierungen gerade innerhalb des betreffenden Tatbestandes 14 . Das bedeutet indessen nicht, 12 Mezger L B (1949) S. 499, Baumann A T § 401 2, Jescheck A T § 8311, Koffka L K zu § 13 (a. F.) Rz. 9, Bruns S. 394, Engisch Konkretisierung S. 287 f., Heinitz ZStW 63, S. 63; insbesondere zum Unrecht als steigerungsfähigem Begriff, Jescheck A T § 24 I 3 a, Kern ZStW 64, 255 m. w . Nachw., Noll ZStW 68, 181 ff.; insbesondere zur Schuld Frank 18. Aufl. S. 137 m. w. Nachw., Heinitz S. 63, Horn S K zu § 46 Rz. 37. 13 s. Fußnote 10. 14 § 46 Abs. 2 gibt, soweit er sich auf die Schuldzumessung bezieht, nicht mehr als eine A n l e i t u n g zur Aufschlüsselung von Straftatbeständen, wobei nicht jeder i n § 46 Abs. 2 genannte Gesichtspunkt f ü r jeden Tatbestand relevant sein muß, vgl. Koffka L K zu § 13 a. F. Rz. 23, w i e auch nicht u m gekehrt jeder f ü r einen Tatbestand relevante Wertungsgesichtspunkt unter einen der i n § 46 Abs. 2 aufgeführten T i t e l fallen muß. I n der Strafzumessungsanleitung des § 46 liegt deshalb eine Gefahr, die sich anscheinend bereits zu realisieren beginnt: Die Aufmerksamkeit der Strafzumessungslehre u n d der Praxis w i r d von den Tatbeständen weg auf jene allgemeinen T i t e l gelenkt, u n d die Frage nach der Zulässigkeit eines Schuldzumessungsgrundes w i r d weniger unter Tatbestandsgesichtspunkten entschieden als danach, ob er sich unter einen dieser T i t e l subsumieren läßt. Dabei ist dieses Subsum-
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daß diese Variablen jeweils nur in einem Tatbestand vorkommen dürften, sie können vielmehr auf ganze Gruppen von Tatbeständen oder gar auf alle Tatbestände anwendbar sein. Die Notwendigkeit eines Bezuges zum Tatbestand zeigt sich gerade an den Differenzierungskriterien des § 46 Abs. 1, die auf verschiedene Tatbestände oder auf alle anwendbar sind, weil sie für sich genommen wertfrei sind. Sie könnten ohne weiteres auf die den Tatbestand erfüllende Handlung selbst bezogen werden also auf das Handlungsindividuum, das ebenfalls ein wertfreier Begriff ist; nur ergeben sich dann nicht nur keine tatbestandsmäßigen Unwertgehalte und keine tatbestandsabhängigen Ordnungen, sondern überhaupt kein Unwert, also auch keine Unwertsgraduierung. Das gilt etwa für den Gesichtspunkt des bei der Tat aufgewandten Willens. Er ist als Differenzierungskriterium anwendbar auf jede A r t von Handlungen, auch auf die wertneutralen und die wertvollen. K r i t e r i u m für verschiedene Grade eines Unwerts w i r d er erst dann, wenn er auf eine wertwidrige Handlung und deren spezifische Wertwidrigkeit bezogen wird. Seine Einführung als Schuldzumessungsgrund setzt also schon die Bestimmung der durch diesen Willen hervorgerufenen Handlung als w e r t w i d r i g voraus. Diese aber erfolgt für strafrechtlich relevanten Unwert in den Tatbeständen. Deshalb lassen sich gerade die allgemeinen, auf verschiedene Tatbestände anwendbaren Strafzumessungsgesichtspunkte als solche erst i m Kontext m i t dem Tatbestand und als dessen nähere Bestimmung legitimieren. Der Wertebereich dieser Variablen kann, wie übrigens auch bei den i n die Definition eines einzelnen Tatbestandsmerkmals eingeführten, auf zweierlei Weise angegeben werden: Entweder durch einen Ordnungsbegriff oder durch Aufzählung der zulässigen Konstanten i n einer bestimmten Ordnung. Der einfachste und wohl auch häufigste Fall der letzteren ist die Dichotomie, in der eine bestimmte entlastende oder belastende Eigenschaft der Tatbestandsverwirklichung m i t ihrer Verneinung i n eine Ordnung gebracht wird, etwa Betrug aus Habgier oder nicht aus Habgier. Dabei ist es weder nötig, noch auch immer möglich, eine übergeordnete Eigenschaft anzugeben, zu der die beiden Glieder der Dichotomie i m Subordinationsverhältnis stehen. Das mag zwar unter Umständen nützlich sein, um den Grund der Differenzierung angeben zu können, ist aber jedenfalls dann nicht nötig, wenn die Aufzählung der zulässigen Eigenschaftskonstanten vollständig ist. tionsverhältnis für die Zulässigkeit des betreffenden Strafzumessungsgrundes weder notwendig noch hinreichend. Dem leisten die Kommentare V o r schub, indem sie die Zulässigkeit von Schuldzumessungstatsachen u n d Schuldzumessungserwägungen fast ausschließlich unter den T i t e l n des § 46 Abs. 2 erörterten, statt i n erster L i n i e bei der Kommentierung der einzelnen Tatbestände und allgemein unter der Grundlagenformel des § 46 Abs. 1, vgl. Koffka L K zu § 13 a. F. Rz. 22 ff., Schönke / Schröder / Stree zu § 46 Rz. 10 ff.
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Gibt man den Wertebereich durch eine Eigenschaft an, so kann dies zunächst eine solche sein, die m i t der Tatbestandsverwirklichung notwendig gegeben ist. Dies gilt beispielsweise für den bei der Tat aufgewandten Willen. Dann ist sichergestellt, daß der so angegebene Wertebereich alle möglichen Tatbestandsverwirklichungen erfaßt. Diese Vollständigkeit ist aber auch für solche Eigenschaften zu erreichen, die nicht für alle Tatbestandsverwirklichungen gegeben sind, einfach indem man ihre Verneinung ebenfalls i n den Wertebereich aufnimmt. Wenn irgendein nicht i m Tatbestand enthaltener Umstand für die Strafzumessung relevant ist, sei es als Milderungs- oder als Schärfungsgrund, so ist es auch sein Fehlen, und zwar i m umgekehrten Sinne. Man kann eine so entstehende Beschreibung des Wertebereichs als Kombination zwischen Aufzählung und Angabe eines allgemeinen Ordnungsgesichtspunktes betrachten. Man w i r d aber stattdessen i n der Regel den den Wertebereich angebenden Ordnungsbegriff so bestimmen, daß er auch den Wert N u l l erreichen kann, und zwar dann, wenn die betreffende Eigenschaft die für die betreffende A r t von Tatbestandsverwirklichungen möglich sein muß, i m konkreten Fall nicht gegeben ist. Ein Beispiel dafür bietet die Differenzierung nach dem bei einer Tat angerichteten Schaden und dessen Größe. Sie ist i n der angegebenen Weise möglich, auch wenn es Tatbestandsverwirklichungen gibt, die gar keinen Schaden zur Folge haben. Gegen die Einführung solcher Differenzierungen nach nicht begriffsnotwendigen Eigenschaften kann also, entgegen dem ersten Anschein, nicht eingewandt werden, daß sie nicht alle möglichen Tatbestandsverwirklichungen erfassen können 1 5 . Dennoch werden solche Differenzierungen, die sich nicht oder nicht allein auf den Inhalt eines notwendigen Merkmals beziehen, von Vertretern der klassischen Logik als Differenzierungen des betreffenden Begriffs abgelehnt. Sie werden als dem Begriff nicht immanente oder nicht wesentliche, sondern nur von außen an ihn herangetragene Unterscheidungen betrachtet 16 . Ein solcher Antagonismus mag seine Berechtigung haben, solange man davon ausgeht, daß sich die zulässigen Differenzierungen eines Begriffs aus dessen Merkmalen selbst, aus dessen Wesen ergeben, ohne daß es dafür weiterer Festlegungen bedarf 1 7 . W i r hatten aber oben, Kapitel I U I , gesehen, daß es hierzu auch dann ausdrücklicher deflatorischer Festsetzung bedarf, wenn eine Differenzierung an ein notwendiges Merkmal des Begriffs anknüpfen soll. Danach hat der Antagonismus zwischen begriffsimmanenten und nur von außen an den Begriff herangetragenen Differenzierungen aber 15
Siehe unten K a p i t e l I I 4. Vgl. etwa Sigwart S. 372 ff., dazu Engisch Begriffseinteilung Konkretisierung S. 165 f., Verbrechensdefinition S. 352 f. 17 Was Sigwart auch tut, vgl. S. 357. 16
S. 138 f.,
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erst dann einen Sinn, wenn diese Festsetzungen getroffen sind. Als von außen an den Begriff herangetragen würden dann nur solche Unterscheidungen erscheinen, die nicht durch diese Festsetzung zugelassen worden sind, auch i n Zukunft nicht zugelassen werden sollen, m. a. W. für die eine Satzfunktion, die den betreffenden Begriff darstellt, keine Variablen enthält. Diese fallen aber nur dann m i t den nicht an notwendige Begriffsmerkmale anknüpfenden Differenzierungen zusammen, wenn deren Einführung i n die Satzfunktion verboten worden ist. Der einzig mögliche Sinn jenes Antagonismus wäre also ein Verbot, Artbestimmungen für einen Gattungsbegriff zuzulassen, die sich nicht aus Untereigenschaften notwendiger Begriffsmerkmale ergeben. Ein solches Verbot müßte aber erst noch legitimiert werden und wäre jedenfalls für uns unzweckmäßig. Da die Tatbestandsbegriffe jedenfalls Zweckbegriffe sind, werden w i r jede Differenzierung i n sie aufnehmen, die uns bei ihrer Anwendung als erforderlich oder zweckmäßig erscheint, und nur die außerhalb des Begriffes lassen, die für unsere Zwecke irrelevant sind. Sie mögen dann als von außen an den Begriff herangetragene gelten. Aber selbst wenn man ein solches Verbot der Anknüpfung einer Differenzierung an nicht notwendige Begriffsmerkmale einführen wollte, könnte man damit zu keiner inhaltlichen Einschränkung kommen. Denn für jeden beliebigen Gattungsbegriff gilt, daß er notwendig das Merkmal „ A oder nicht A " enthält, wenn weder „ A " noch „nicht A " zu seinen Merkmalen gehört. M i t anderen Worten, für jede Eigenschaft, die nicht durch den Gattungsbegriff gefordert oder ausgeschlossen ist, gilt, daß jeder Gegenstand, der den Begriff erfüllt, sie notwendig hat oder nicht hat. A u f diese Weise läßt sich also jede überhaupt mögliche Differenzierung innerhalb eines Begriffs als eine an einem notwendigen Begriffsmerkmal anknüpfende einführen. Nach dem oben Gesagten ist zwischen zwei Arten von Tatbestandsbeschreibung zu unterscheiden, die unter Umständen sehr verschieden aussehen können: derjenigen, die die notwendigen Bedingungen der Tatbestandserfüllung angibt, und derjenigen, die darüber hinaus ihre zulässigen Differenzierungen bestimmt 1 8 . Die i n der klassischen Logik vertretene Einschränkung der zulässigen Unterteilung eines Gattungs18 Das ist der Sache nach das gleiche, was Beling i n der Lehre v o m V e r brechen S. 246 den „engeren" u n d den „weiteren" Tatbestand nennt. N u r erweckt Belings Formulierung den Eindruck, es handele sich bei dem weiteren Tatbestand u m einen i m Vergleich zum engeren dem Umfang nach weiteren Begriff, während i n Wahrheit beide umfangsgleich sein müssen. Beling macht auch nicht den Versuch, den weiteren Tatbestand irgendwie allgemein zu bestimmen u n d die Beziehung zu beschreiben, die zwischen beiden bestehen muß.
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begriffs auf Variationen notwendiger Merkmale hat ihre Ursache vielleicht i n einer Vernachlässigung dieses Unterschiedes. Die zweite A r t der Begriffsbestimmung kann mindestens m i t dem gleichen Recht wie die erste Anspruch darauf erheben, das für den Begriff Wesentliche auszudrücken. Welche Vorstellungen w i r m i t einem Begriff verbinden und zu welchen Zwecken w i r ihn gebrauchen können, hängt ebenso wie von seinen notwendigen Erfüllungsbedingungen von den Differenzierungen ab, die er zuläßt. Von der ersten A r t der Begriffsbestimmung sind die gesetzlichen Tatbestandsbeschreibungen, die Entwicklung der zweiten A r t von Tatbestandsbeschreibungen ist weitgehend der Rechtsprechung überlassen, aber auch eine, wenn auch bisher vernachlässigte Aufgabe der Dogmatik. Immerhin enthält das StGB selbst schon einzelne Festlegungen zulässiger Differenzierungen, nämlich neben den steigerungsfähigen Tatbestandsmerkmalen die jeweils für einen bestimmten Grundtatbestand angeordneten Qualifikationen und Privilegierungen, sowie die sogenannten Regelbeispiele bei den unbenannten Strafschärfungs- und Milderungsgründen. Die letzteren schreiben wie die ersteren die Berücksichtigung bestimmter Differenzierungen für den betreffenden Tatbestand zwingend vor, nur daß sie bei den Regelbeispielen durch andere Gesichtspunkte wieder ausgeglichen werden können 1 9 . Privilegierungen und Qualifikationen, ebenso wie die Regelbeispiele wären überflüssig und durch bloße Erweiterungen der Strafrahmen zu ersetzen, wenn sich die Differenzierungen aus den Gattungsbegriffen der Tatbestände und ihrem „Wesen" allein stringent herleiten ließen. Sie wären andererseits aber illegitim und i n gewissem Sinne falsch, wenn die für die Strafzumessung relevanten Differenzierungskriterien prinzipiell von den einzelnen Tatbeständen und ihren Merkmalen unabhängige Eigenschaften der strafbaren Handlung als solcher wären. Eine Strafzumessungsdogmatik, die inhaltlichen Einfluß auf die Strafzumessung gewinnen und zu ihrer Einheitlichkeit beitragen w i l l , muß danach trachten, möglichst viele solcher tatschuldrelevanten Differenzierungen allgemein zu beschreiben oder vollständig aufzuzählen und ihre Zulässigkeit als Differenzierungen der einzelnen Tatbestände und Tatbestandsmerkmale unter Unrechts- und Schuldgesichtspunkten inhaltlich diskutieren. Aber wieweit man diese Bemühungen auch vorantreiben mag, zu einer vollständigen Bestimmung auch nur eines einzigen Tatbestandes i m beschriebenen Sinne, also zu einem numerus clausus der für ihn zulässigen Variablen, werden sie nicht führen. Wenn, da Zahl und Wertebereich der innerhalb eines Gattungsbegriffs zur Bildung von ι» Vgl. amtliche Begründung zu E 62, S. 402.
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Arten zulässigen Variablen sich nicht aus den übrigen Begriffsbestimmungen ergeben, insbesondere nicht allein aus seinen notwendigen Merkmalen, könnten w i r einen solchen numerus clausus nur dann festlegen, wenn im vorhinein alle Differenzierungen bekannt wären, die für jede mögliche Erfüllung eines Tatbestandes als zulässig anerkannt werden sollen. Wegen der größeren Vielfalt der hier i n Betracht kommenden Tatsachen stieße ein solches Unterfangen auf noch größere Schwierigkeiten als die abschließende Bestimmung der notwendigen Erfüllungsbedingungen, deren Unmöglichkeit seit der Preisgabe der klassischen Subsumtionstheorie kaum noch angezweifelt wird. Das bedeutet nicht nur, daß die Begriffsbestimmung niemals abgeschlossen ist, sondern auch, daß die Zahl der auszufüllenden Leerstellen innerhalb der tatbestandlichen Satzfunktion unbestimmt gelassen werden muß. Es kann danach auch nicht festgestellt werden, wann die Satzfunktion durch Ausfüllung von Leerstellen m i t Konstanten ein vollständiger Ausdruck, also ein Satz wird, m i t anderen Worten, wann ein Gegenstand, der diesen Begriff erfüllt, vollständig bestimmt ist. Das ist aber keineswegs so exzeptionell und inakzeptabel, wie es zunächst scheinen mag. Denn die gleiche Unbestimmtheit gilt auch sonst für Ausdrücke i n natürlichen Sprachen. I n ihnen läßt sich nicht festlegen, wann ein Satz vollständig und keiner Ergänzung mehr fähig und bedürftig ist. Das zeigt sich daran, daß Ausdrücke i n natürlichen Sprachen, auch wenn sie i m Sinne der Grammatik vollständige Sätze sind, in vielfältiger Weise, durch Objekte, Attribute, Adverbialbestimmungen und alle Arten von Nebensätzen ergänzt werden können. Ob die m i t einem solchen Satz gegebene Bestimmung der einzelnen Satzteile ausreichend ist, läßt sich nicht durch allgemeine Regeln etwa als grammatische Eigenschaft der einzelnen Satzteile definitiv festlegen, sondern hängt vom Bedürfnis des jeweiligen Benutzers ab. Auch wenn eingeräumt wird, daß Funktoren in natürlichen Sprachen, beispielsweise die Verben, wenigstens eine bestimmte Zahl von notwendigen Leerstellen haben, nämlich das Subjekt und die von dem betreffenden Verb „verlangten" Objekte, ist es damit noch nicht ausgeschlossen, daß beliebige weitere Ergänzungen zur Voraussetzung für die Vollständigkeit eines m i t den betreffenden Verben gebildeten Satzes gemacht werden. Aber nicht einmal soweit Konventionen bestehen, nach denen ein Ausdruck bestimmte Ergänzungen als M i n i m u m verlangt, etwa das Verb „geben" ein Subjekt, ein Dativ- und ein Akkussativobjekt, sind diese Konventionen unverbrüchlich gültig. W i r sind zum Beispiel nicht gehindert, i n einem bestimmten Kontext und für einen bestimmten Zweck einen Satz wie „er hat das Buch hergegeben" oder „geben w i r dem Cäsar" als vollständig zu betrachten, obwohl der erste kein Dativ-, der zweite kein Akkussativobjekt enthält, und zwar
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auch dann, wenn w i r nicht bereits wissen, wem das Buch gegeben wurde bzw., was dem Cäsar gegeben werden soll, solange w i r uns nur nicht dafür interessieren. Nur i n exakten, künstlichen Sprachen ist die Anzahl der Leerstellen eines Funktors eindeutig festgelegt und daher unabhängig von den Ansprüchen der jeweiligen Benutzer zu ermitteln, wann ein Ausdruck vollständig ist. Ist aber die Zahl und A r t der Variablen einer tatbestandlichen Satzfunktion unbestimmt, so besteht auch nicht die Gefahr, daß die Bindung der Strafzumessung an den Tatbestand und das geforderte Bemühen um allgemeine Bestimmung von möglichst vielen seiner Variablen den Richter bei der Strafzumessung daran hindern werden, allen Besonderheiten des Einzelfalles voll Rechnung zu tragen. Er kann jederzeit neue Tatsachen in den Tatbestandskontext einführen, indem er die Variablen angibt, für die er sie als Konstante einsetzen w i l l . Dazu muß er zunächst bestimmen, ob sie sich auf ein einzelnes Tatbestandsmerkmal oder den Tatbestand als ganzen beziehen. Dann muß er ihren Wertebereich angeben, entweder durch geordnete Aufzählung der zulässigen Konstanten oder durch einen Ordnungsbegriff. Wenn all diese allgemeinen Bestimmungen auch selten explizit i n den Strafzumessungsgründen getroffen werden, so sind sie doch stets m i t der Einführung einer Strafzumessungstatsache implizit vorausgesetzt und sie werden auch explizit gemacht, sobald die Berechtigung der betreffenden Strafzumessungserwägung streitig wird. Daraus, daß nicht allgemein festgelegt werden kann, wieviele Leerstellen eine tatbestandliche Satzfunktion hat, das heißt durch welche Angaben eine Tatbestandsverwirklichung vollständig bestimmt ist, erklärt sich auch die Notwendigkeit, vom Tatrichter keine vollständige Darstellung aller relevanten Strafzumessungsgründe zu verlangen. Ein solches Erfordernis müßte ja revisionsrechtlich nachgeprüft werden können, und das setzt eine allgemeine und abstrakte Bestimmung jener Vollständigkeit voraus. 4. Formale Eigenschaften der tatbestandlichen Satzfunktion und ihrer Variablen Die prinzipielle Unvollständigkeit der tatbestandlichen Satzfunktion, d. h., die Unbestimmtheit der Zahl ihrer Leerstellen hat entscheidenden Einfluß auf die formalen Eigenschaften der einzelnen Variablen. Denn, da w i r die Satzfunktion niemals vollständig haben, können w i r die Eigenschaften, die sie als ganze aufweisen muß, nur dadurch sicherstellen, daß w i r sie von jeder einzelnen Variablen ebenfalls fordern. So muß etwa die Ordnung der Tatbestandsverwirklichungen nach ihrem Unrechts- und Schuldgehalt, die anhand der tat-
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bestandlichen Satzfunktion aufzustellen ist (um dann auf den Strafrahmen projiziert zu werden), i n dem Sinn vollständig sein, daß sie alle möglichen Tatbestandsverwirklichungen erfaßt. Denn sie muß sicherstellen, daß einerseits der Strafrahmen ausgeschöpft wird, andererseits jede mögliche Tatbestandsverwirklichung m i t ihrem Unrechts· und Schuldgehalt i n i h m untergebracht werden kann. Da w i r aber niemals eine endgültige vollständige Ordnung aller für den Tatbestand relevanten Unrechts- und Schuldkriterien haben, müssen w i r diese Vollständigkeit von jeder einzelnen Ordnung fordern, die w i r für eine Variable m i t anderen Worten für einen Strafzumessungsgesichtspunkt aufstellen. I n jeder dieser Ordnungen muß also jede mögliche Tatbestandsverwirklichung einen Platz finden. Das kann man, wie gezeigt, auch dann erreichen, wenn der eingeführte Ordnungsgesichtspunkt nicht notwendig auf alle Tatbestandsverwirklichungen zutrifft, indem man i n die Ordnung gleichzeitig seine Verneinung aufnimmt. Das bedeutet natürlich nicht, daß man sich jede dieser Ordnungen auf den gesamten Strafrahmen so projiziert vorstellen darf, daß sie ihn allein erschöpft. I m Gegenteil darf dies keine von ihnen tun, weil sonst i m Strafrahmen kein Platz mehr für ihre Kombinationen wäre, insbesondere nicht für die Kombinationen mehrerer entlastender oder belastender Gesichtspunkte. Die Klassen, i n die die einzelne Ordnung die möglichen Tatbestandsverwirklichungen einteilt, müssen disjunkt sein, d.h., eine einzelne Tatbestandsverwirklichung darf nicht mehreren dieser Klassen zugleich angehören. Sonst würden bei der Zuordnung der einzelnen Tatbestandsverwirklichungen zu den einzelnen Strafen des Strafrahmens mehrere verschiedene Strafmaße für sie herauskommen. Geordnet werden zwar nicht die einzelnen Tatbestandsverwirklichungen oder Handlungsindividuen, sondern zunächst nur Klassen von ihnen, aber m i t dem Ziel, aufgrund einer Abbildung dieser Ordnung auf den Strafrahmen nicht nur jeder dieser Klassen, sondern auch jedem ihrer Elemente eine Strafe eindeutig zuordnen zu können. Die Ordnung muß also nicht nur als Ordnung von Klassen bzw. Eigenschaften interpretierbar sein, sondern auch als Ordnung von Individuen 1 . Eine Ord1 Daß nicht jede Ordnung von Klassen ohne weiteres auch als Ordnung von I n d i v i d u e n interpretiert werden kann, sei nochmals an einem einfachen Beispiel deutlich gemacht: Ich habe irgendeine Klasse von I n d i v i d u e n so i n Unterklassen eingeteilt, daß eine der Klassen ein bestimmtes I n d i v i d u u m X enthält, eine andere dieses u n d noch ein weiteres I n d i v i d u u m Y dazu, die dritte diese beiden u n d noch ein weiteres u n d sofort bis zu der Klasse, die alle I n d i v i d u e n enthält. N u n k a n n ich diese Klassen leicht nach ihrer Größe, d. h. der Anzahl ihrer Elemente ordnen. Jede Klasse hätte i n dieser Ordnung eindeutig eine Stelle. A u f g r u n d dieser Ordnung könnte sogar jede Klasse zu jeder beliebigen anderen i n eine Beziehung der V o r - bzw. Nachgeordnetheit gebracht werden, die Ordnung wäre also total. Aber kein einziges I n d i v i d u u m könnte aufgrund seiner Klassenzugehörigkeit zu irgendeinem
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nung aller möglichen Tatbestandsverwirklichungen nach ihrer Schwere unter Heranziehung aller für den Tatbestand zulässigen Unrechts- und Schuldkriterien müßte so beschaffen sein, daß zwar noch mehreren Tatbestandsverwirklichungen ein und dieselbe Strafe zugeordnet wird, niemals aber mehrere Strafen ein und derselben Tatbestandsverwirklichung. Da w i r aber die vollständige Gesamtordnung aller möglichen Tatbestandsverwirklichungen nicht haben können, bleibt uns auch hier nichts anderes übrig, als das Erfordernis der Disjunktheit der Klassen zunächst für jede einzelne Ordnung zu verlangen, die w i r nach irgendeinem Strafzumessungsgesichtspunkt aufstellen. Die Gefahr, daß innerhalb einer Ordnung interferente (d.h. nicht disjunkte) Klassen entstehen, ist nicht erheblich bei Einführung von Ordnungsbegriffen, deren Graduierungen stets so festzulegen sind, daß sie einander ausschließen 2 ; sie ist ausgeschlossen bei den Dichotomien von Bejahung und Verneinung einer einzelnen Eigenschaft. Aber bei Aufzählung inhaltlich nicht voneinander abhängiger Glieder i n einer Ordnung ist darauf zu achten, daß sich die unter sie fallenden Klassen nicht „überlappen", oder gar einander vollständig einschließen. So können beispielsweise beim Raub nicht in eine Ordnung gebracht werden die Glieder: einfacher Raub, Raub unter Mitführen einer Schußwaffe und Raub m i t Todesfolge, obwohl man m i t einem gewissen Recht sagen kann, daß der einfache Raub weniger schwer wiegt als der m i t Schußwaffe und dieser weniger schwer als der m i t Todesfolge, so daß man diese Eigenschaften und die dazugehörigen Klassen selbst durchaus i n eine Ordnungsrelation bringen kann. Die Ordnungsglieder müßten vielmehr lauten: Raub ohne Schußwaffe und ohne Todesfolge, Raub m i t Schußwaffe und ohne Todesfolge, Raub ohne Schußwaffe und m i t Todesfolge, Raub m i t Schußwaffe und m i t Todesfolge. Das B e i s p i e l zeigt auch, daß es g r u n d s ä t z l i c h m ö g l i c h ist, m e h r e r e Ordnungen zu einer Gesamtordnung zu vereinigen, i n d e m m a n die A b anderen i n eine eindeutige Ordnungsbeziehung gebracht werden, w e i l alle bis auf das letzte mehreren Klassen angehören. M a n könnte freilich anhand der aufgestellten Ordnung der Klassen auch eine Ordnung der Individuen entwickeln, indem man jede Stelle i n der Individuenordnung durch die A n zahl der Klassen charakterisiert, denen das I n d i v i d u u m angehört. Denn es gibt i n der beschriebenen Klassenordnung ein I n d i v i d u u m , das allen Klassen angehört, ein zweites, das allen bis auf die erste angehört, u n d so fort bis zum letzten, das n u r der größten Klasse angehört. Aber diese Ordnung von I n d i v i d u e n ist nicht die gleiche wie die oben beschriebene Ordnung von 2 Klassen. Sie uist anderer aufgestellt. Hempel n d aufgrund Oppenheim zeigenOrdnungsrelationen S. 26 f. an einem Beispiel, daß es etwa durch ungenaue Meßmethoden dazu kommen kann, daß sich die Klassen, die i n der Ordnung je eine Stelle einnehmen, überschneiden u n d daß demzufolge die Transitivität der Gleichheitsrelation verloren geht. Das bedeutet, daß nicht mehr g i l t : Wenn χ gleich y und y gleich z, dann χ gleich z, vgl. hierzu auch Weinberg er S. 179 f.
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stufungen der einen i n die der anderen übernimmt. Wenn es nicht möglich ist, zwischen ihnen eine inhaltliche Beziehung herzustellen, kann das auch einfach durch Konjunktion geschehen. W i r können uns etwa die oben aufgezählte Ordnung als aus zwei i n dieser Weise kombinierten Dichotomien entstanden denken, die jeweils aus Bejahung und Verneinung einer erschwerenden Eigenschaft des Raubes bestehen: der Eigenschaft m i t oder ohne Schußwaffe, und der Eigenschaft m i t oder ohne Todesfolge. Wenn man dieses Kombinationsverfahren m i t mehreren Ordnungen durchführen würde, so würde die Zahl der Glieder der Gesamtordnung i n Abhängigkeit von der Zahl der Einzelordnungen und der Zahl ihrer Glieder sehr rasch wachsen, so daß die Fortsetzung des Verfahrens bald praktisch ausgeschlossen sein würde. Hinzu kommt, daß das Verfahren nur dann möglich ist, wenn die Einzelordnungen i n Form einer Aufzählung ihrer Glieder vorliegen, die bei kontinuierlichen Ordnungen, also vor allem bei Anwendung von Steigerungsbegriffen, nur unvollständig vorgenommen werden kann. Weiter zeigt sich hier ein neues Ordnungsproblem. Es muß nämlich für die Kombination mehrerer Ordnungen neu festgelegt werden, welche Position Glieder einnehmen sollen, die i n der einen Ausgangsordnung höher stehen als i n der anderen i m Verhältnis zu denen, für die das Umgekehrte gilt. I n unserem Beispiel hatten w i r uns implizit dafür entschieden, daß der Raub m i t Schußwaffe und ohne Todesfolge weniger schwer wiegt als der ohne Schußwaffe und m i t Todesfolge, ein Ergebnis, das aus keiner der beiden Ausgangsordnungen abzuleiten ist. Immerhin läßt es sich i n diesem sehr einfachen Fall aufgrund eines Vergleichs des Gewichts der beiden Einteilungsgründe der Ausgangsdichotomien leicht rechtfertigen, denn dieser Vergleich ergibt ohne weiteres den Primat der Variablen „ m i t oder ohne Todesfolge" gegenüber der Variablen „ m i t oder ohne Schußwaffe". Aber m i t der Feststellung eines solchen Primats ist es nicht getan, wenn die Ordnung nach dem zurücktretenden Gesichtspunkt aus mehr als zwei Gliedern besteht. Denn dann wäre weiter zu bestimmen, wie weit denn dieser Primat gehen soll, d. h. über wieviele Stufen der zurücktretenden Ordnung. Es versteht sich, daß diese Regelung noch komplizierter wird, wenn beide Ordnungen mehr als zwei Glieder enthalten und wenn gar mehr als zwei Ordnungen zu kombinieren sind. Zur Klarstellung sei noch darauf hingewiesen, daß mehrere der durch die Verknüpfung der Glieder der Ausgangsordnungen entstehenden Klassen i n der Verknüpfungsordnung an ein und derselben Stelle stehen dürfen, nämlich dann, wenn sie unter Unrechts- und Schuldgesichtspunkten die gleiche Bewertung erfahren. So könnte man beispielsweise bei einer Kombination der Ausgangsordnungen, die sich
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aus § 250 Ziff. 1 und Ziff. 2 ergeben, die Klasse „Raub ohne Schußwaffe und m i t Waffe oder Werkzeug i m Sinne des Abs. 2" und die Klasse „Raub m i t Schußwaffe und ohne die Voraussetzungen des Abs. 2" durchaus auf eine Stufe stellen. Die dargestellten praktischen und prinzipiellen Schwierigkeiten einer Gesamtordnung der für einen Tatbestand relevanten Unrechts- und Schuldkriterien führen dazu, daß so eine Ordnung immer nur i n Teilen aufgestellt werden kann, die auch noch i n sich unvollständig sind. Dam i t stellt sich die Frage, ob nicht ein Modell, das die Verknüpfung der Ordnungen auf die Rechtsfolgenseite verlegt, vorzuziehen wäre. Ein solches Modell könnte von der Vorstellung einer mehrdimensionalen Ordnung aller möglichen Tatbestandsverwirklichungen ausgehen, einer Ordnung, die soviele Dimensionen hat, wie der Tatbestand Variable 3 . Dann müßten entweder die linearen Teilordnungen einzeln auf den Strafrahmen projiziert und dann ihre Projektionen nach bestimmten Operationsregeln verknüpft werden oder es müßte, von der Projektion einer dieser Ordnungen ausgehend, angegeben werden, welche Veränderungen an ihr zur Darstellung aller übrigen Ordnungen innerhalb des Strafrahmens vorgenommen werden müssen, beispielsweise weitere Unterteilung der einzelnen Glieder, bestimmte Additionen, M u l t i plikationen oder sonstige Rechenoperationen. Es zeigt sich, daß dieses Modell auf noch größere Schwierigkeiten stößt als das zuvor betrachtete, größer insofern, als sie nicht einmal unvollständige Teillösungen gestatten, die ausreichend begründbar sind. Bei beiden alternativ genannten Möglichkeiten zur Verknüpfung der linearen Teilordnungen auf der Rechtsfolgenebene müssen mathematische Operationen angegeben werden, durch die die Positionen, die eine einzelne Tatbestandsverwirklichung innerhalb der verschiedenen linearen Ordnungen einnimmt, miteinander zu verrechnen sind. Dabei ist auch das Gewicht der verschiedenen Teilordnungen i m Verhältnis zueinander zu berücksichtigen und numerisch auszudrücken. Freilich kann man solche Operationen festlegen, etwa m i t Hilfe eines Punktsystems, durch das man zunächst die Gewichtigkeit der einzelnen Ordnungsgesichtspunkte i m Verhältnis zueinander ausdrückt 4 . Aber legitimieren läßt sich solch ein Rechenprogramm abstrakt nicht, es lassen sich allenfalls Einzelbeispiele anführen und durchrechnen, die zu einem annehmbaren Ergebnis führen 5 . 3 Hempel u n d Oppenheim sprechen anschaulich von einem mehrdimensionalen Merkmalsraum, i n dem durch die Angabe der Koordinaten f ü r jede einzelne graduierte Eigenschaft des Typus jedem I n d i v i d u u m ein Ort „ i n d i viduell" (!) zugewiesen w i r d , vgl. S. 66 f., vgl. auch Haag S. 68. 4 Vgl. etwa die Vorschläge zur Berechnung von Strafen von Haag S. 108 f. und Linstow S. 143 ff.
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Hinzu kommt, daß die an den Konstanten des Strafrahmens vorzunehmenden mathematischen Operationen entweder so ausgestaltet sein müssen, daß ihre Reihenfolge gleichgültig ist, oder ihre Reihenfolge müßte ebenfalls festgelegt sein. Dazu müßte aber auch die Reihenfolge der Tatbestandsvariablen festgelegt werden, deren „Einarbeitung" durch diese Operationen erfolgen soll. Dem steht aber wieder die prinzipielle Unbestimmtheit der Zahl der zulässigen Variablen entgegen. Wenn man also für einen Tatbestand, etwa eine einfach strukturierte Ordnungswidrigkeit, eine naturgemäß stark pauschalierte Strafzumessung für alle ihre Verwirklichung antizipieren wollte, etwa zur A u f stellung eines Taxensystems oder auch eines Computerprogramms, w i r d dem wohl eher ein Modell der zuerst geschilderten A r t zugrundegelegt werden, also eine Zusammenschreibung der verschiedenen Ordnungsgesichtspunkte, als irgendein Programm zur Verrechnung dieser Ordnungen auf der Rechtsfolgenseite, weil dieses sich eher allgemein legitimieren läßt. Interessant ist noch die Frage, ob man von der für einen Tatbestand aufgestellten Gesamtordnung, die wie gesagt vollständig niemals vorliegt, verlangen sollte, daß sie total ist, d.h., daß jedes ihrer Glieder zu jedem beliebigen anderen i n eine Ordnungsrelation gesetzt werden kann, i h m also eindeutig entweder vor-, nach- oder gleichgeordnet ist. Das ist m i t dem, was w i r Vollständigkeit der Ordnung genannt haben, noch nicht gewährleistet, sondern nur, daß jedes Glied zu irgendeinem anderen i n eine eindeutige Ordnungsrelation gebracht werden kann. Totalität der Gesamtordnung, die schließlich auf den Strafrahmen projiziert wird, würde bedeuten, daß w i r für jede einzelne Tatbestandsverwirklichung aus der Ordnung begründen können, warum sie i m Verhältnis zu jeder beliebigen anderen Verwirklichung des gleichen Tatbestandes schwerer oder leichter oder gleichschwer bestraft worden ist. Eine Relation, für die gilt, daß jedes beliebige 5 D a m i t soll nicht gesagt werden, daß dies keine Möglichkeit der L e g i t i mation sein könne. Diese Legitimation könnte akzeptiert werden, wenn h i n reichend viele u n d hinreichend verschiedene Beispiele durchgerechnet werden u n d die Ergebnisse i m Einzelfall das Rechtsgefühl u n d die Zweckvorstellungen befriedigen. Allerdings verdient ein solches Rechenprogramm nicht schon die Bezeichnung „rationale Strafzumessung" (Haag) i m Gegensatz zur bisher üblichen irrationalen, w e i l dort gerechnet u n d hier gewertet u n d geschätzt w i r d . Denn die Legitimation erfolgt i n beiden Fällen letztlich durch Wertung u n d Schätzung i m Einzelfall, w e i l das Programm u n d seine einzelnen Schritte abstrakt nicht zu legitimieren sind. U n d deshalb k a n n über die Richtigkeit (Gerechtigkeit, Zweckmäßigkeit) der Rechenergebnisse auch keine präzisere Aussage gemacht werden, als über die der freien richterlichen Zumessung. F ü r die Gewichtung der einzelnen Ordnungsgesichtspunkte wird- das von Linstow S. 27 ausdrücklich zugegeben. Wenn ein Rechenprogramm so erprobt u n d legitimiert ist, hat es allerdings ebenso w i e ein Taxensystem den Vorteil, bestimmte Gleichheiten zu garantieren u n d genau vorausberechenbar zu sein.
8 Puppe
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geordnete Paar verschiedener Gegenstände des Feldes sie erfüllt, d. h. i n diese Beziehung zueinander gesetzt werden kann, heißt eine konnexe Relation 6 . W i r können das Erfordernis der Totalität der Ordnung also auch dahin formulieren, daß die Ordnungsrelation, d. h. die Relation vorgeordnet oder gleich konnex sein muß 7 . Das Optimum wäre natürlich, daß diese totale Ordnung für alle Straftaten überhaupt möglich wäre, also nicht nur innerhalb eines einzigen Tatbestandes oder einer Tatbestandsgruppe. Man könnte dann jede Straftat m i t jeder beliebigen anderen ihrer Schwere nach vergleichen und feststellen, ob die für sie ausgeworfenen Strafen i m richtigen Verhältnis stehen. Dazu müßten aber alle Ordnungsgesichtspunkte aller Straftatbestände i n der oben beschriebenen Weise zusammengeschrieben werden. Es müßten alle möglichen Ordnungsgesichtspunkte für die Schwere von Straftaten zueinander ihrem Gewicht entsprechend wie oben geschildert in ein Verhältnis gebracht werden. Bei der Heterogenität der verschiedenen Tatbestände wäre der Versuch jedoch aussichtslos, sie alle und ihre verschiedenen Variablen auch nur i n ein ungefähres Vergleichsverhältnis nach dem Maße von Unrecht und Schuld zu setzen. Es wäre auch ein Irrtum, zu meinen, man täte dies schon dadurch, daß man auf sie alle einen Strafenkatalog anwende, dessen Möglichkeiten auf eine sehr einfache Weise i n eine totale Ordnung nach ihrer Schwere zu bringen sind, — sieht man einmal von dem Problem des Vergleichs von Geld- und Freiheitsstrafe ab, das gegenüber den Ordnungsproblemen, die uns bisher schon begegnet sind, auch verhältnismäßig gering ist. Denn ich kann zwei verschiedene Ordnungen auf ein und dieselbe dritte totale Ordnung projizieren, ohne sie zuvor i n irgendeine Beziehung miteinander zu bringen, geschweige denn β Vgl. Weinberger S. 178. Die K o n n e x i t ä t einer Ordnungsrelation ist nicht etwa, wie man vielleicht meinen könnte, schon durch ihre Transitivität gewährleistet. Hierfür ein einfaches Beispiel. Die Relation „ A b k ö m m l i n g sein v o n " ist transitiv, w e n n A A b k ö m m l i n g von Β ist und Β A b k ö m m l i n g von C, so ist auch A A b k ö m m l i n g von C. Wenn ich m i t Hilfe dieser Relation das Feld aller M e n schen ordne, werde ich Glieder finden, die i n überhaupt keiner Beziehung zueinander stehen, die Menschen, die nicht miteinander verwandt sind. M a n k a n n dem nicht etwa dadurch abhelfen, daß man alle Menschen, die nicht i n gerader Linie verwandt sind, einfach einander gleichordnet. Denn das würde zu Widersprüchen führen. Nehmen w i r an, A sei der Vater des Β u n d C sei m i t keinem von ihnen verwandt. Dann müßte nach der Definition der Gleichheitsrelation gelten: Β ist gleichgeordnet m i t C u n d C ist gleichgeordnet m i t A. Daraus ergibt sich wegen der Transitivität der Gleichheitsrelation: A ist gleichgeordnet m i t B. N u n ist aber A der Vater von B, also Β vorgeordnet. Die Relation „nicht A b k ö m m l i n g von" ist eben nicht transitiv, k a n n also nicht als Gleichheitsrelation i n einer Ordnung verwendet werden. Die Gleichheitsrelation bestünde hier zwischen denjenigen Personen, die Abkömmlinge ein u n d derselben Person sind, also zwischen Geschwistern. 7
4. Formale Eigenschaften der tatbestandlichen Satzfunktion
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sie zu einer einzigen totalen Ordnung zusammenzufügen. Man kann nun allerdings nach der Projektion eine totale Ordnung aus den beiden projizierten bilden, indem man die Projektion wieder umkehrt und einfach allen Elementen beider Ausgangsordnungen die gleiche Stelle gibt, denen das gleiche Glied der Ordnung zugewiesen ist, auf die sie projiziert worden sind, hier also die gleiche Strafe. Damit wäre nun aber nichts gewonnen, denn es geht gerade darum, die Zuordnung einzelner Glieder der beiden Ausgangsordnungen zu dem gleichen Strafmaß und i n der Folge auch die zu verschiedenen Strafmaßen aus inhaltlichen Beziehungen der beiden Ausgangsordnungen und ihrer Glieder selbst zu rechtfertigen. Es müßte also beispielsweise inhaltlich zu erklären sein, warum für eine Fundunterschlagung eines Werts von D M 250,—, eine unter leichtem Alkoholeinfluß bei einem Streit am Stammtisch ausgeteilte Ohrfeige und eine Straßenverkehrsgefährdung durch rücksichtsloses Vorfahrtsmißachten m i t leichtem Blechschaden ein und dieselbe Geldstrafe ausgeworfen wurde. M i t der umgekehrten Argumentation, daß sie eben deshalb gleich seien, weil für sie die gleiche Strafe verhängt worden ist, ist uns nicht gedient. Eine Ordnung der Verwirklichung eines Tatbestandes nach einem einzelnen Ordnungsbegriff w i r d vermutlich immer total sein, wenn sie das oben aufgestellte Vollständigkeitserfordernis erfüllt. Das ist zwar nicht schon aus formalen Gründen notwendig der Fall 8 , man w i r d aber die Ordnungsrelation (gemeint ist hier die Relation vorgeordnet oder gleich) zweckmäßigerweise so wählen, daß sie konnex ist (daß also jede beliebige Tatbestandsverwirklichung unter diesem Gesichtspunkt m i t jeder anderen verglichen werden kann). Die Ordnung ist dann eine totale sowohl als Ordnung von Klassen und Eigenschaften als auch als Ordnung von Individuen. Eine Ordnung von Tatbestandsverwirklichungen durch Aufzählung disjunkter Klassen i n bestimmter Reihenfolge ist, sofern sie i m obigen Sinne vollständig ist, auch total, und zwar ebenfalls sowohl als Ordnung von Klassen und Eigenschaften als auch als Ordnung von Individuen. Denn jede Eigenschaft bzw. Klasse ist schon aufgrund der Aufzählung jeder anderen vor- oder nachgeordnet, und jedes Individuum ist jedem anderen vor-, nach- oder gleichgeordnet, weil es i n einer und nur i n einer dieser Klassen vorkommt. Eine andere Frage ist, ob man die Beziehungen, die diese Ordnung jeweils zwischen zweien ihrer Glieder herstellt als inhaltlich richtig 8 So ist etwa die i n Fußnote 7 aufgestellte Relation vollständig i m obigen Sinne. Denn jedes Glied der Ordnung läßt sich zu irgendeinem anderen i n eine Ordnungsbeziehung bringen, w e i l jeder Mensch A b k ö m m l i n g seiner Eltern ist. Total wäre diese Ordnung, wie i n Fußnote 7 gezeigt, trotzdem nicht.
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I I . Die Ausfüllung der tatbestandlichen N o r m f u n k t i o n
und sinnvoll akzeptiert. Man könnte sich zum Beispiel i n einem mittelalterlichen Strafrecht für den Diebstahl folgende geordnete A u f zählung von Eigenschaften vorstellen: Diebstahl i m Freien, Diebstahl i n einem weltlichen Raum, Diebstahl i n einem kirchlichen Raum. Wenn wir, was in diesem Zusammenhang sinnvoll wäre, unter Raum jeden umschlossenen Bereich verstehen, also etwa auch Land- und Wasserfahrzeuge, und unter dem Freien jeden Ort, der nicht i n einem Raum liegt, und unter kirchlichen Räumen alle nicht weltlichen Räume, so haben w i r eine Aufzählung disjunkter Klassen von Diebstählen, die alle möglichen Diebstähle erfaßt. W i r könnten jetzt unter dem Gesichtspunkt einer für alle weltlichen Räume bestehenden besonderen Schutzherrschaft des Hausherrn, die der Dieb durch Friedensstörung verletzt, begründen, daß Diebstahl i n weltlichen Räumen schwerer wiegt als Diebstahl i m Freien. W i r könnten weiter unter dem Gesichtspunkt eines Sakrilegs begründen, warum Diebstahl i n einem kirchlichen Raum schwerer wiegt als Diebstahl i m Freien. Ob w i r nun auch akzeptieren, daß Diebstahl in einem kirchlichen Raum schwerer wiegt als i n einem weltlichen, hängt davon ab, ob w i r diese beiden Qualifikationen überhaupt als miteinander vergleichbar empfinden. Wenn nicht, müßten w i r zugestehen, daß zwischen ihnen überhaupt keine Ordnungsbeziehung nach der Schwere besteht. Unsere Ordnungsrelation wäre also nicht mehr konnex und die Ordnung nicht total. Man könnte nun die Vergleichbarkeit der beiden Qualifikationen etwa damit begründen, daß auch das Sakrileg des Kirchendiebstahls i n einer A r t Bruch einer Schutzherrschaft besteht, nämlich der Schutzherrschaft Gottes, die dann naturgemäß höherrangig wäre als die eines Menschen. Es bedarf aber nicht notwendig einer derartigen Zurückführung der beiden Qualifikationen auf einen gemeinsamen Nenner, um ihren Vergleich nach der Schwere als sinnvoll zu akzeptieren. I n dem oben gebildeten Beispiel einer Ordnung von Raubqualifikationen dürfte die höhere Einstufung der Qualifikation Raub ohne Schußwaffe und m i t Todesfolge i m Vergleich zur Qualifikation Raub m i t Schußwaffe und ohne Todesfolge auch und gerade dann einsichtig sein, wenn man den Unterschied zwischen beiden nicht allein i m Grad der manifestierten Gefährlichkeit sieht, also als einen quantitativen, sondern auch als einen qualitativen i m Unrechtserfolg. Welche Ähnlichkeiten zwischen zwei Straftaten bestehen müssen, damit w i r sie noch als in ihrer Schwere vergleichbar betrachten, w i r d kaum allgemein zu bestimmen sein. Dies hängt auch von der absoluten Schweredifferenz ab, die zwischen ihnen besteht. Je größer diese ist, desto eher werden w i r auch zwischen ganz unterschiedlichen Taten solche Vergleiche zu ziehen bereit sein, wie etwa zwischen einem Mißbrauch von Notrufen (§ 145 a Abs. 1 Ziff. 1) aus Ubermut i n ange-
5. Die inhaltliche Bindung der Strafzumessung
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trunkenem Zustand und ohne gefährliche Folgen einerseits und einem durch Erdrosseln begangenem Mord an der schlafenden Ehefrau zwecks Ermöglichung einer neuen Ehe. Je geringer die Schweredifferenz aber ist, desto eher w i r d man am Sinn eines solchen Vergleiches zwischen unähnlichen Straftaten zweifeln, wie etwa zwischen dem oben beschriebenen Mißbrauch von Notrufen und einer i m Streit provozierten Formalbeleidigung unter vier Augen. Aber hier zeigt sich ein rationaler Grund dafür, daß unsere gesetzlichen Tatbestände oft anschaulicher und weniger abstrakt formuliert sind, als es für die Garantiefunktion und für die Festlegung eines Strafrahmens notwendig wäre: Das Bedürfnis nach Gattungen oder Typen von Unrecht oder Schuld, innerhalb deren eine totale Ordnung nach der Schwere sinnvoll erscheint, so daß zwischen jeder möglichen oder vorgenommenen Verwirklichung der betreffenden Unrechts- und Schuldart und jeder anderen ein Vergleich nach der Schwere möglich ist. Auch das ist wohl mitgemeint, wenn von der Funktion der Tatbestände als Vertypungen von Unrecht und Schuld gesprochen wird. Nicht jeder Tatbestand w i r d dieses Ziel erreichen. Bei so abstrakt und unanschaulich formulierten Tatbeständen, wie etwa dem Betrug oder der Untreue w i r d man an der Möglichkeit zweifeln, all ihre vielgestaltigen Erscheinungsformen i n eine totale Ordnung bringen zu können. Aber diese Aufgabe der Tatbestände ist nicht ohne Einfluß auf ihre Ausgestaltung und vermag hier manches zu erklären, etwa warum bestimmte Alternativen i n einem Paragraphen zusammengefaßt und andere voneinander getrennt werden. Sie sollte auch bei der Formulierung neuer Strafgesetze berücksichtigt werden. 5. Die inhaltliche Bindung der Strafzumessung im Kontext der tatbestandlichen Satzfunktion Noch ist die Frage nicht beantwortet, ob das Tatschuldprinzip i n Verbindung m i t der Grundlagenformel, u m derentwillen w i r ein formal tatbestandsunabhängiges Strafzumessungskonzept, wie es Hassemer entwickelt hat, abgelehnt haben, durch die formale Einbeziehung der Strafzumessungstatsachen i n den Tatbestandskontext tatsächlich besser gewährleistet wird. Wenn die schuldrelevanten Strafzumessungstatsachen nur durch Ausfüllung einer aus dem Tatbestand abzuleitenden Satzfunktion eingeführt werden können, also als Konstante für Eigenschaftsvariable dieser Satzfunktion, müssen es Eigenschaften der Tat sein, die zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen oder dem Tatbestand als Ganzem i n Subordinationsverhältnis stehen, i m Verhältnis von A r t und Gattung. I n den Beschreibungen von Eigenschaften der Tat, die die Strafzumessungstatsachen darstellen, muß entweder ein
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I . Die Ausfüllung der tatbestandlichen N o r m f u n k t i o n
Tatbestandsmerkmal (oder der Tatbestand als Ganzes) begrifflich enthalten sein, so daß es aus diesen Aussagen ableitbar ist. Die Einteilungsgründe, nach denen innerhalb des Tatbestandes oder Tatbestandmerkmals differenziert wird, sind damit aber inhaltlich nicht eingeschränkt. W i r hatten zwar oben, Kapitel I I 3 gesehen, daß einzelne Einteilungsgründe sich schon aus der gesetzlichen Tatbestandsbeschreibung ergeben, insbesondere aus den vom Gesetz selbst gebrauchten steigerungsfähigen Begriffen. Aber darüber hinaus können und müssen weitere Differenzierungen i n die tatbestandliche Satzfunktion eingeführt werden, von denen zunächst nur verlangt wird, daß sie zu einem Tatbestandsmerkmal oder zu einem Tatbestand i n Subordination stehen. Daß das keine inhaltliche Einschränkung der Differenzierungskriterien bedeutet, hatten w i r i n anderem Zusammenhang, Kapitel I I 3, gesehen. Denn ein solches Subordinationsverhältnis besteht zwischen jeder Eigenschaft ,A' und der Eigenschaft „ A und B " bzw. „ A und nicht B", sofern die Eigenschaft A nicht die Eigenschaft Β selbst impliziert oder ausschließt. Daß die Einführung solcher Differenzierungskriterien, die zum Tatbestand oder einem Tatbestandsmerkmal in keine andere Beziehung zu setzen sind, als die der Konjunktion durchaus praktisch sinnvoll und gerecht sein kann, hatten w i r am Beispiel des Raubes und seiner Unterarten Raub m i t Schußwaffe und Raub ohne Schußwaffe gesehen. Zwischen dem Raub und dem Bei-sich-führen der Schußwaffe läßt sich keine andere Beziehung herstellen, als die des gleichzeitigen Gegebenseins dieser beiden Eigenschaften der Tat. Durch Konjunktion kann aber jedes beliebige differentium specificum m i t jedem beliebigen Tatbestand oder Tatbestandsmerkmal als Gattungsbegriff zur Bildung von Arten verknüpft werden. M i t der Einbeziehung der Strafzumessungstatsachen i n den Tatbestandskontext ist also eine Ausschaltung von nicht tatschuldadäquaten Zumessungsgründen auch nicht gewährleistet. Jenes Erfordernis, daß jede Strafzumessungstatsache die betreffende Tat als eine Unterart der i m Tatbestand beschriebenen Gattung von Unrecht und Schuld charakterisieren muß, das w i r dem Tatschuldprinzip entnommen hatten, erweist sich als ein rein formales, das die Strafzumessungsinhalte nicht einschränkt. Ein formal-logisches Verfahren zum Ausschluß von nichtschuldadäquaten Strafzumessungsinhalten haben w i r also nicht gefunden, und das sollte niemanden verwundern, weil es sich um ein inhaltliches Problem handelt. Deshalb kann sich die Bedeutung des Schuldprinzips für die Strafzumessung auch nicht i n dem aufgestellten Formalerfordernis erschöpfen. Ein Strafzumessungsgesichtspunkt muß sich nicht nur als Einteilungsgrund einer durch einen bestimmten Tatbestand definierten
5. Die inhaltliche Bindung der Strafzumessung
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Gattung von Straftaten i n Arten formulieren lassen, er muß als solcher inhaltlich dem Tatbestand und seinem Zweck adäquat sein. W i r sind also, darin ist Hassemer zuzustimmen 1 , zur Auffindung der adääquaten und zum Ausschluß der inadäquaten Strafzumessungsgründe auf inhaltliche Argumentation verwiesen. Aber gerade für diese inhaltliche Argumentation ist eine Integration der Strafzumessungserwägungen in den Kontext des einzelnen Tatbestandes notwendig, soweit sie Unrecht und Schuld betreffen. Macht man die Strafzumessung von der Tatbestandsverwirklichung unabhängig, so kann man der Grundlagenformel des § 46 nicht mehr gerecht werden, insbesondere fehlen dann Handhaben, solche Strafzumessungsgründe auszuschließen, die zwar unter irgendeinem Aspekt als belastend oder entlastend für den Täter gewertet werden können, aber nicht unter dem der Tatbestandsverwirklichung, weil dies dem Zweck des Tatbestandes und den m i t ihm verbundenen Begriffsvorstellungen zuwiderliefe. Nur unter Bezug auf den spezifischen Unrechtsgehalt der Tötung ist zu erklären, daß Gianettino Doria wegen seiner Anstiftung des Mooren zum Mordversuch an Fiesco nicht deshalb schwerer zu bestrafen wäre, weil er nur „hundert Zechinen und nicht mehr für des Fiesco Kopf" bezahlen wollte und dies auch dann, wenn Fiesco ihn deshalb zu Recht einen „knickrigen Mörder" nennt. Oder, um ein Beispiel aus der jüngsten Rechtsprechung zu nehmen: Holz berichtet i n MDR 76, S. 812 eine Entscheidung des BGH, nach der einem wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagten Ausländer strafschärfend angelastet werden darf, daß er sich auch nicht durch die drohende Ausweisung von der Tat habe abhalten lassen und dadurch die Existenzgrundlage seiner fünfköpfigen Familie aufs Spiel gesetzt habe. Sicher ist es verwerflich und i m konkreten Fall vorwerfbar, den Unterhalt von Frau und Kindern zu gefährden, nur hat das nichts mit dem Unrecht von Rauschgiftdelikten zu tun. Es ist kein adäquates Differenzierungskriterium für diese dem Schutz vor Suchtgefahr dienenden Tatbestände, inwieweit der Täter Risiken des Einkommensverlustes für die eigene Familie durch die Tat eingeht. Die notwendige inhaltliche Beziehung der schuldrelevanten Strafzumessungstatsachen zum gesetzlichen Tatbestand hat Beling in seiner Lehre vom „weiteren Tatbestand" auszudrücken versucht 2 . Solange man aber den Tatbestand als einen vollständigen Ausdruck versteht und ebenso die einzelnen Strafzumessungstatsachen, ist es nicht ohne ι Vgl. Strafrahmen S. 184 f. Vgl. Lehre v o m Verbrechen S. 246. Dieser Gedanke w u r d e aufgegriffen von Spendel S. 231 ff. u n d Lang-Hinrichsen, Engisch-Festschrift S. 359 ff., der, i m Prinzip m i t Beling übereinstimmend, diesem hier w o h l zu Unrecht Formalismus v o r w i r f t . 2
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I . Die Ausfüllung der tatbestandlichen N o r m f u n k t i o n
weiteres möglich, beide miteinander in Beziehung zu bringen 3 . Man müßte dazu erst wieder einen Funktor, d.h. einen Ausdruck m i t Leerstellen neu einführen, die gesuchte Beziehung also allgemein für alle Strafzumessungstatsachen bestimmen. W i r haben aber an Beispielen gesehen, daß die Beziehungen, die zwischen einem Tatbestand oder einem Tatbestandsmerkmal als Gattung und einem anerkannten differentium specificum bestehen, inhaltlich sehr verschiedene sein können. Deshalb kommen Versuche, diese Beziehung zu beschreiben, über unbestimmte Andeutungen nicht hinaus und führen zur Flucht in bildhafte, teilweise sogar allegorische Metaphern. So der Versuch von Spendel, die für einen Tatbestand zulässigen Strafzumessungstatsachen gegen die unzulässigen allgemein abzugrenzen: „Als reale Strafzumessungsgründe kommen somit nur Tatsachen i n Betracht, die irgendwie unter der Ausstrahlung und der Herrschaft der (durch den Tatbestand beschriebenen) Tat und i n einem inneren wesensmäßigen Zusammenhang m i t ihr stehen, die i n ihrer juristisch relevanten Sphäre liegen, die ihren Stempel tragen 4 ." Bestimmt man dagegen diese Beziehung inhaltlich, so muß dies für die einzelnen Tatbestände und ihre Merkmale gesondert geschehen. Man kommt dann zu nichts anderem als der tatbestandlichen Satzfunktion. Aber auch das ist nicht möglich, solange der Tatbestand selbst als vollständiger Ausdruck genommen wird. Denn seine Merkmale müßten ja i n den Bestimmungen der Beziehungen zu den zulässigen Strafzumessungstatsachen wiederkehren. Ließe man dann diesen Strafzumessungskontext neben dem den Strafrahmen bestimmenden Tatbestand und m i t i h m unverbunden stehen, so käme also jedes Tatbestandsmerkmal mindestens doppelt vor. Deshalb ist es nur konsequent, wenn Hassemer, der den Tatbestand als vollständigen Ausdruck behandelt, jede Berücksichtigung des Tatbestandes bei der Auswahl der Strafzumessungstatsachen als Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot ausschließt 5 . Selbst wenn man dies, wie Hassemer selbst 6 , als kriminalpolitisch erwünschtes Ergebnis ansieht und nicht als einen unter dem Grundsatz nulla poena sine lege inakzeptablen Mangel, bleibt die Notwendigkeit, eine wenigstens formale Verbindung zwischen dem den Strafrahmen bestimmenden Strafgesetz und seinem Tatbestand einerseits und der Strafzumessung andererseits herzustellen. Diese Notwendigkeit ergibt sich von der Seite des Strafgesetzes daraus, daß der Strafrahmen als Rechtsfolgenanordnung schon aus pragmatischen Gründen nicht als hinreichend bestimmt anerkannt 3 Vgl. dazu schon Frege über Begriff u n d Gegenstand S. 80. 4 Vgl. S. 235 f., w ö r t l i c h übernommen von Zipf S. 200. 5 Vgl. Strafrahmen S. 286. β Strafrahmen S. 287 f.
5. Die inhaltliche Bindung der Strafzumessung
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werden kann. Aus der Perspektive der Strafzumessung ergibt sich die gleiche Notwendigkeit daraus, daß ohne eine solche Beziehung nicht erklärt werden kann, warum die Strafgesetze überhaupt Strafrahmen aufstellen können und dürfen, um den Entscheidungsspielraum einer Strafzumessung einzuschränken, der „so uneingeschränkt wie möglich eine neuerliche materielle Diskussion des zur Entscheidung stehenden Lebensvorgangs aufgegeben ist" 7 , bei der „ganz neue, ganz andere Züge des Lebensvorgangs von Bedeutung" sind 8 , als die Unrechtsund Schuldkriterien des Tatbestandes. Daß sich hier für eine tatbestandsunabhängige Strafzumessung unüberwindliche Schwierigkeiten ergeben, zeigt gerade der Versuch Hassemers, die Funktion des Strafrahmens i n einer solchen Strafzumessungskonzeption wie folgt zu bestimmen: „Er vermittelt die Information, die sich aus der tatbestandlichen Qualifizierung eines Verhaltens ergibt, an das nachfolgende Verfahren der Strafzumessung; in der Vermittlung jedoch beseitigt er zugleich den klassifizierenden Charakter der Information: während sich aus dem Ergebnis der tatbestandlichen Verhaltensqualifikation der Strafrahmen m i t mathematischer Eindeutigkeit ergibt, beseitigt der Strafrahmen selbst als Brücke zum nachfolgenden Verfahren diese Eindeutigkeit und begründet die Möglichkeit — und die Notwendigkeit — juristischer Argumentation 9 ." Hassemer setzt hier offenbar Eindeutigkeit gleich m i t Vollständigkeit und stellt sich deshalb einen Klassenausdruck notwendig als vollständigen vor, da er es für nötig hält, „den klassifizierenden Charakter der Information" zu beseitigen, u m überhaupt Raum für „juristische Argumentation" i m Strafzumessungsverfahren zu schaffen. Was aber dann von jener Information über die tatbestandliche Verhaltensqualifikation eigentlich übrigbleibt, wenn ihr „klassifizierender Charakter" beseitigt ist, bleibt ebenso unklar wie, was der Strafrahmen selbst im Strafzumessungskontext darstellt und was aus dessen klassifikatorischem Charakter wird. Raum für inhaltliche juristische Argumentation läßt sich ohne völlige Preisgabe der sich „aus der tatbestandlichen Qualifikation eines Verhaltens ergebenden Klassifikation" eben nicht anders schaffen als durch Interpretation des Strafgesetzes selbst als unvollständiger, ergänzungsfähiger Ausdruck, der in sich weitere Bestimmungen zuläßt und fordert. Jede als nähere Bestimmung i n diesen Ausdruck eingesetzte Tatsache muß durch inhaltliche Argumentation als differentium specificum ? Vgl. S. 287. β Vgl. S. 286. » Vgl. S. 284.
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einer schwereren oder leichteren A r t der durch den Tatbestand beschriebenen Gattung von Unrecht und Schuld legitimieret werden. Sie muß also sinnvoll als Variable der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes oder eines einzelnen Tatbestandsmerkmals eingeführt werden können. Auf eine allgemeine Unterscheidung zwischen wesentlichen Differenzierungen eines Tatbestandes oder Tatbestandsmerkmals und nur akzidentiellen Unterschieden, die nur von außen an den Gattungsbegriff herangetragen werden, kann dabei nicht zurückgegriffen werden, diese ergibt sich vielmehr erst umgekehrt aus der Festlegung der für einen Gattungsbegriff zulässigen Differenzierungen. Rein formal betrachtet könnte jeder beliebige Umstand einer Tatbestandsverwirklichung als Variante jedes beliebigen Tatbestandsmerkmals eingeführt werden. Aber schon allein der Umstand, daß überhaupt eine Beziehung zwischen einer einzuführenden Strafzumessungstatsache und dem Tatbestand oder dem Tatbestandsmerkmal hergestellt werden muß, bestimmt den Inhalt des betreffenden Strafzumessungsgrundes m i t und übrigens auch den des Tatbestandsmerkmals. Dadurch w i r d es erst möglich, auch innerhalb der Strafzumessung zwischen strafbegründenden Tatsachen also denen, die als Erfüllung der Tatbestandsmerkmale Voraussetzung der Strafbarkeit sind, und Strafzumessungstatsacheri i m engeren Sinne zu unterscheiden: N u r die ersteren treten selbständig i m Strafzumessungskontext auf, die letzteren nur abhängig, als deren nähere Bestimmungen. Das gilt auch und gerade für solche Strafzumessungstatsachen, die auf verschiedene Tatbestände gleichermaßen anwendbar sind, wie die in § 46 angeführten Gesichtspunkte, soweit sie Schuldgesichtspunkte sind. Wer aus Habgier tötet, stiehlt, betrügt, hehlt, w i r d nicht deshalb schwerer bestraft, weil er die niedrige Gesinnung der Habgier an den Tag gelegt hat, sondern weil er sich durch sie zum Mord, Diebstahl, Betrug oder Hehlerei hat treiben lassen 10 . 6. Die Ausfüllung der tatbestandlichen Satzfunktion und das Doppelverwertungsverbot Aus dem zuletzt Gesagten ergibt sich schon, warum die Gefahr einer Doppelverwertung nicht schon dann besteht, wenn ein und derselbe Strafzumessungsgesichtspunkt auf mehrere durch eine Handlung geschehene Tatbestandsverwirklichungen Anwendung findet. Denn dieser Gesichtspunkt w i r d ja nicht als eine Eigenschaft der Handlung oder des Täters eingeführt, sondern als eine der Tatbestandsverwirk10
Näher hierzu u. K a p i t e l I I I 3.
6. Die Ausfüllung der Satzfunktion und das Doppelverwertungsverbot 123
lichung und als solche kann sie nicht identisch sein m i t irgendeiner Eigenschaft einer anderen Tatbestandsverwirklichung. Eigenschaften, die dem Täter zugeordnet werden oder auch der Handlung als solcher, mögen unter Präventionsgesichtspunkten eingeführt werden können, in die Schuldbemessung gehören sie nicht 1 . Es ist darauf hinzuweisen, daß sich hieraus nicht etwa ergibt, daß bei mehreren i n einer Handlung zusammentreffenden Tatbestandsverwirklichungen eine sie alle prägende Eigenschaft, etwa eine Charaktereigenschaft oder Motivation des Täters, sich i m Ergebnis stärker auswirken müßte, wenn sie i n jede Tatbestandsverwirklichung einzeln als deren Eigenschaft eingeführt würde, als dann, wenn sie als Eigenschaft des Täters oder seiner Handlung betrachtet wird. Es ist etwas anderes, ob einem Täter angelastet wird, habgierig zu sein oder sich habgierig betätigt zu haben und dabei Untreue und Betrug begangen zu haben, oder ob i h m vorgeworfen wird, einen durch Habgier motivierten Betrug und gleichzeitig eine ebenso motivierte Untreue begangen zu haben. Es ist also jedenfalls nicht durch das Doppelverwertungsverbot geboten, gleiche schuldrelevante Eigenschaften von Tatbestandsverwirklichungen, die i n einer Handlung zusammentreffen, nur einmal und zwar als Eigenschaften der Handlung einzuführen. Es stellt keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar, wenn sie als Eigenschaft einer jeden einzelnen Tatbestandsverwirklichung mehrfach eingeführt wird. Eine Gefahr der Doppelverwertung, vor der eine unmittelbar auf die Handlung bezogene Strafzumessung schon aufgrund ihres Ausgangspunktes sicher ist, besteht allerdings für eine an die Tatbestandsverwirklichung anknüpfende Strafzumessung gleichwohl. Wenn nämlich durch eine Handlung mehrere Tatbestände verwirklicht werden, so könnten bei der näheren Charakterisierung der Verwirklichung des einen Tatbestandes jeweils die Tatsachen als deren besondere Eigenschaften verwertet werden, die die Verwirklichung des anderen ausmachen. Bei zwei interferenten Klassen kann man die Durchschnittsklasse sowohl als Unterklasse der einen als auch der anderen ansehen, das Verhältnis von Gattung und A r t ist hier umkehrbar. So kann es zu einer Doppelverwertung beider Tatbestände kommen. Beispielsweise kann so beim tateinheitlichen Zusammentreffen von Betrug und Urkundenfälschung bei der Ausfüllung des Betrugstatbestandes die Tatsache eingeführt werden, daß eine falsche Urkunde 1
Vgl. Stratenwerth Tatschuld S. 29 u n d S. 36. Lang-Hinrichsen, EngischFestschr. S. 395, 361 f., Horn S K zu § 46 Rz. 40, Zipf Strafzumessung S. 25, m i t Einschränkungen Schaff stein, Gallas-Festschr. S. 112 f.
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zur Täuschung gebraucht worden ist, und bei der Urkundenfälschung die Tatsache, daß der Gebrauch der falschen Urkunde zu einer Täuschung geführt hat, die einen Vermögensschaden zur Folge hatte. I n einem System, i n dem mehrere Tatbestände auf ein- und dasselbe Handlungsindividuum selbständig anwendbar sind, ist dieser Gefahr anscheinend nicht anders zu begegnen, als durch die direkte Anwendung des Doppelverwertungsverbots selbst. Das würde bedeuten, daß die Verwendung von Eigenschaften, die Merkmale eines Tatbestandes sind, nicht zur Ausfüllung der Variablen eines anderen verwendet werden dürfen, solange dieser andere auf die gleiche Handlung anzuwenden ist. Wenn dagegen von mehreren i n einer Handlung zusammentreffenden Tatbeständen nur einer unmittelbar anwendbar ist, gilt gerade die umgekehrte Regel: Die Verwertung der Merkmale aller miterfüllten aber ausgeschlossenen Tatbestände zur näheren Bestimmung der Merkmale des maßgebenden Tatbestandes ist gesetzlich geboten. Das bedeutet aber, daß jeder Tatbestand als Satzfunktion für jeden anderen, der m i t ihm tateinheitlich zusammentreffen kann und milder ist, Leerstellen enthalten muß. Die Weite der Strafrahmen muß all diesen Variationsmöglichkeiten entsprechen. Allerdings dürfte die Hoffnung kaum berechtigt sein, die Strafrahmen wesentlich enger ziehen zu können, wenn die Strafzumessung nach jedem der tateinheitlich zusammentreffenden Strafgesetze gesondert erfolgt. Z u groß ist der Einfluß von solchen Eigenschaften der Straftaten, die i n den Tatbeständen unbestimmt gelassen worden sind, wie etwa die Schweregrade der verschiedenen Unrechtserfolge. Viele der für Unrecht- und Schuldgehalt der Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Eigenschaften müssen auch in den Tatbeständen unbestimmt bleiben, wenn man diese nicht um eine unübersehbare Vielzahl von Qualifikationen und Privilegierungen vermehren w i l l , die dem Richter nur Selbstverständliches sagen und im übrigen seinen Entscheidungsspielraum möglicherweise zu sehr einengen würden. W i r hatten gesehen, daß es die Aufgabe der Tatbestände ist, Unrechts- und Schuldtypen aufzustellen, die sinnvoll miteinander zu vergleichen und ihrer Schwere nach zu ordnen sind. Dies ist unvereinbar m i t der Forderung, in einem Tatbestand möglichst gleich schwere Unrechts- und Schuldgehalte zusammenzufassen, um die Strafrahmen möglichst eng halten zu können.
I I I . D i e Konzeption der Idealkonkurenz 1. Die Bedeutung der bisherigen Untersuchungsergebnisse für eine Konzeption der Idealkonkurrenz Unsere bisherigen Untersuchungen haben zunächst gezeigt, daß der heutigen Erklärung und vor allem der Handhabung der Idealkonkurrenz als notwendige Folge der sog. Handlungseinheit nur die Einheitstheorie zugrunde liegen kann, auch bei denjenigen Autoren, die sich ausdrücklich nicht zu ihr bekennen 1 , und daß diese Einheitstheorie notwendig einen tatbestandsapriorischen allgemeinen Begriff des Handlungsindividuums als des aller strafrechtlichen Beurteilung vorgegebenen Gegenstandes, der auch von den Autoren implizit angewandt wird, die ausdrücklich seine Möglichkeit oder seine Verbindlichkeit bestreiten 2 . W i r hatten dann aber weiter gesehen, daß auch aus der Annahme eines solchen tatbestandsapriorischen Begriffs des Handlungsindividuums allein nicht die Konsequenzen folgen, die die Einheitstheorie daraus zieht, nämlich, daß es gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt, für ein und dieselbe Handlung nach verschiedenen Strafgesetzen mehrere Strafen zu verhängen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Handlungsbeschreibung i n einem Straftatbestand und demzufolge auch i n einem aufgrund dieses Tatbestandes erlassenen Strafzumessungen rteil in einem extensionalen Kontext steht, d. h. durch jede andere Beschreibung der gleichen Klasse von Handlungen bzw. des gleichen Handlungsindividuums ersetzbar ist. Nicht zuletzt um die Extensionen der Tatbestände überhaupt unabhängig von ihren Intensionen darstellen und miteinander vergleichen zu können, hatten w i r den von der Einheitstheorie vorausgesetzten Begriff des Handlungsindividuums zunächst ebenfalls als möglich postuliert. Es zeigte sich dann, daß die Handlungsbeschreibungen i n den Strafgesetzen aus zweierlei Gründen nicht in einem extensionalen Kontext stehen können. Zunächst ist es nicht möglich, allein an Hand der Extensionen der Tatbestände einen Unterschied zwischen Ideal- und Gesetzeskonkurrenz anzugeben, der für den Einzelfall relevant ist. Es kann allein anhand des Einzelfalls nicht mehr erklärt werden, daß bei Idealkon1 s.o. K a p i t e l 12. 2 s. o. K a p i t e l 12.
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I I I . Die Konzeption der Idealkonkurrenz
kurrenz das strengere Gesetz maßgebend ist und bei Gesetzeskonkurrenz, insbesondere Spezialität, das speziellere, auch wenn es das m i l dere ist. Die Möglichkeit von gesetzlichen Privilegierungstatbeständen setzt also die Annahme voraus, daß sich die gesetzlichen Strafdrohungen auf die Intensionen und nicht nur auf die Extensionen der Tatbestände beziehen 3 . Von zentralerer Bedeutung ist der zweite Grund für die Notwendigkeit der intensionalen Interpretation der Tatbestände i n den Strafgesetzen: N i m m t man an, daß die Beschreibungen der m i t Strafe bedrohten Handlungen i n den Strafgesetzen durch jede andere Beschreibung der gleichen Handlungsklassen ersetzbar sind, so muß man ihnen jeden inhaltlichen Einfluß auf die weitere Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens absprechen. Das ist, wie w i r gesehen haben, m i t dem Tatschuldprinzip und der Bindung der Strafe an das Gesetz unvereinbar 4 . M i t der Ablehnung der Annahme, daß die Handlungsbeschreibungen i n den Strafgesetzen i n einem extensionalen Kontext vorkommen, war der herrschenden Lehre von der notwendig einheitlichen Strafe für ein Handlungsindividuum der Boden entzogen. Wenn sich die gesetzlichen Strafdrohungen auf einzelne Eigenschaften einer Handlung beziehen und nicht auf das Handlungsindividuum als solches, ist es kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, wegen verschiedener strafrechtsrelevanter Eigenschaften eines Handlungsindividuums verschiedene Strafen zu verhängen, solange diese Eigenschaften inhaltlich voneinander unabhängig sind. Die Identität des Handlungsindividuums ist also kein zureichender Grund für die Identität der Strafe. Nun hatten w i r aber den Nachweis zu führen, daß eine intensionale Interpretation der Straftatbestände jene Mängel vermeiden kann, um derentwillen w i r die extensionale verworfen hatten, insbesondere eine inhaltliche Bindung der Tatschuldzumessung an das Strafgesetz ermöglicht. U m die weiteren Schuldzumessungstatsachen überhaupt i n einen Kontext m i t dem Tatbestand zu bringen, mußten w i r diesen als unvollständige Bestimmung der tatbestandsspezifischen Tatschuld verstehen ebenso wie den Strafrahmen als unvollständige Bestimmungen der Rechtsfolge. W i r erhielten dadurch eine Satzfunktion m i t den Tatbestandsmerkmalen als Variablen für weitere Strafzumessungstatsachen und dem Strafrahmen als Variable für bestimmte Strafen. Das Ergebnis der Ausfüllung einer solchen gesetzlichen Normfunktion ist eine auf einen Einzelfall zugeschnittene, aber der Form nach abstrakte und allgemeine Strafzumessungsnorm 5 . 3 s.o. K a p i t e l 14. 4 s. o. K a p i t e l I 5. Näher hierzu
Kapitel I .
1. Die Bedeutung der bisherigen Untersuchungsergebnisse
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Aber damit war die postulierte inhaltliche Bindung der Schuldzumessung an den Tatbestand noch nicht sichergestellt, solange nicht ausgeschlossen war, daß i n die so geschaffenen Leerstellen des Tatbestandes beliebige Tatsachen als nähere Bestimmung der Schuld eingesetzt werden können. Ein logisches Verfahren zum Ausschluß irgend einer Strafzumessungstatsache aus der Schuldzumessung nach irgendeinem Tatbestand haben w i r nicht gefunden und konnten w i r nicht finden, weil es sich um ein inhaltliches Problem handelt 6 . W i r haben aber gefunden, daß schon unsere natürliche Sprache und erst recht wissenschaftliche Sprachen (ganz zu schweigen von Kunstsprachen) konventionale Festlegungen darüber enthalten, welche artbildenden Differenzierungen innerhalb eines Gattungsbegriffs zulässig sind 7 . Als besonders plastische Beispiele für die sprachliche Festlegung von solchen Eigenschaftsdifferenzierungen hatten w i r i n der natürlichen Sprache und i n der Rechtssprache die sog. steigerungsfähigen Eigenschaftsbegriffe gefunden 8 . Aber die Möglichkeit einer inhaltlichen Bindung der Strafzumessung an das einzelne Strafgesetz hängt davon ab, daß für alle Tatbestandsmerkmale die zulässigen näheren Bestimmungen durch sprachliche Konvention allgemein festzulegen sind. Diese Festlegungen knüpfen an die schon m i t den alltagssprachlichen Begriffsbildungen verbundenen Vorstellungen von den für einen Gattungsbegriff sprachlich sinnvollen Differenzierungen an. Sie sind ein Teil der Tatbestandsauslegung ebenso wie die Festlegung der notwendigen Bedingungen der Gattungsbegriffe; und ebenso wie die Festlegung der notwendigen Bedingungen der Tatbestandsverwirklichung kann die der zulässigen Unrechts- und Schulddifferenzierungen innerhalb der Verwirklichungen eines Tatbestandes niemals vollständig oder gar endgültig geleistet werden 9 . Aber aufgrund dieser Eigenschaft unserer Allgemeinbegriffe, spezifische m i t der Begriffsvorstellung mitgegebene Differenzierungsmöglichkeiten zu „fordern" und andere als unsinnig auszuschließen, ist es prinzipiell möglich, daß ein Straftatbestand, als ergänzungsfähiger Kontext (Satzfunktion) verstanden, die weitere Schuld- und Strafzumessung bestimmt, über die i m Gesetz explizit genannten Voraussetzungen der Strafbarkeit und über die Begrenzung des zulässigen Strafrahmens hinaus. Damit ist dargetan, daß eine intensionale Interpretation der Strafgesetze eine inhaltliche Bindung der Tatschuldzumessung an das Gesetz ermöglicht, wie sie das Tatschuldprinzip und der Grundsatz von der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafe fordern; β s. o. K a p i t e l I I 5. 7 Näher hierzu o. K a p i t e l I I 1. 8 Näher hierzu o. K a p i t e l I I 2. » s. o. K a p i t e l I I 3.
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I I I . Die Konzeption der Idealkonkurrenz
während ein nur extensionales Verständnis der Handlungsbeschreibungen i n den Strafgesetzen, wie es der h. L. von der Idealkonkurrenz zugrundeliegt, notwendig zu einer inhaltlich von den Straftatbeständen und ihren Unrechts- und Schuldvertypungen prinzipiell unabhängigen Strafzumessung führen muß 1 0 , die durch die Tatbestandsformulierung zwar auch Anregungen zu bestimmten Differenzierungen empfangen kann, aber jedenfalls keine Handhabe hat, die Schuldzumessung auf irgendwie durch den Tatbestand als Unrechts- und Schuldtypus legitimierte Zumessungstatsachen einzuschränken. Daraus, daß die Handlungsbeschreibungen i n den Strafgesetzen in einem intensionalen Kontext vorkommen, folgt nach dem bisher Gesagten, daß die Identität der von zwei Strafaussprüchen betroffenen Handlungen (sog. Handlungseinheit) für sich allein noch nicht zu einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot führt. Erklärt man also das Institut der Idealkonkurrenz als eine Konsequenz des Doppelverwertungsverbots, so ist die Handlungseinheit jedenfalls keine zureichende Bedingung der Idealkonkurrenz von Strafgesetzen. Aus der intensionalen Interpretation der Tatbestände ergibt sich aber auch, wann das Doppelverwertungsverbot eine einheitliche Strafzumessung für mehrere Tatbestandsverwirklichungen erfordert, nämlich dann, wenn nicht nur die tatbestandsmäßigen Handlungen identisch sind, sondern außerdem i n den nach den verschiedenen Tatbeständen gebildeten Strafzumessungsnormen gleiche Eigenschaften vorkommen. Denn dann sind die Strafzumessungstatsachen, die nach den verschiedenen Strafgesetzen die Höhe der Strafe i m konkreten Fall bestimmen sollen, ganz oder teilweise dieselben und müßten doppelt verwertet werden, wenn die Strafzumessung nach den verschiedenen Tatbeständen gesondert erfolgt. Eine solche Identität strafzumessungsrelevanter Eigenschaften in verschiedenen Strafzumessungsnormen kann auf zweierlei Weise zustande kommen: Entweder die Tatbestände, nach denen diese Normen zu bilden sind, weisen schon gemeinsame Merkmale auf, wie beispielsweise Betrug und Urkundenfälschung (in der Alternative des Gebrauchmachens) das Merkmal Täuschung; oder ein Merkmal eines Tatbestandes erscheint als nähere Differenzierung eines Merkmals eines anderen. So w i r d es z. B. als ein Differenzierungskriterium des Gewaltbegriffs der Nötigungsdelikte anzuerkennen sein, daß der Angegriffene körperlich verletzt wird. Dagegen erhebt sich der Einwand, daß es logisch ausgeschlossen sei, daß Merkmale eines Tatbestandes i n der nach einem anderen gebildeten Strafzumessungsnorm vorkommen; denn bei der Bildung von Straf10 s. o. Kapitel I 5.
1. Die Bedeutung der bisherigen Untersuchungsergebnisse
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zumessungsnormen fungieren ja die Tatbestandsmerkmale als Eigenschafts- und Klassenvariable und die Merkmale des Tatbestands der Strafzumessungsnorm als Individuenvariable, so daß Tatbestandsmerkmale m i t Strafzumessungskriterien gar nicht identisch sein können. Dieser V o r w u r f der Stufenvermischung t r i f f t aber allenfalls die der Kürze halber nicht ganz eindeutige Formulierung. Denn w i r bewegen uns hier ausschließlich auf der Stufe der Strafzumessungsnormen, nicht auf der der Tatbestandsmerkmale. Aber i n jeder aus einem Tatbestand entwickelten Strafzumessungsnorm treten die Tatbestandsmerkmale, genauer die ihnen entsprechenden Prädikate niederer Stufe, wieder auf zusammen m i t ihren i m Einzelfall erfüllten näheren Bestimmungen. Die Eigenschaftsvariable „ A r t von Körperverletzung" ist auszufüllen durch Ausdrücke wie: „Körperverletzung mittels einer Waffe", „Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung", „„geringfügige Körperverletzung" und nicht etwa durch „Waffe", „das Leben gefährdende Behandlung", „geringfügig" u. ä. Demnach kann also ein und dieselbe Eigenschaft i n der aus einem Tatbestand entwickelten Strafzumessungsnorm als Tatbestandsmerkmal erscheinen und i n der nach einem anderen entwickelten als nähere Bestimmung eines Tatbestandsmerkmals, so daß eine Doppelverwertungsgefahr entsteht. Tatbestände, von denen einer den anderen derart näher bestimmen kann, nennen w i r inhaltsverwandt. Die Rechtsfolgenregelung des § 52, nach der innerhalb der Strafzumessung nach dem strengeren Gesetz die Verwirklichung des milderen als Strafzumessungsgrund zu verwerten ist, scheint genau auf diejenigen Fälle zugeschnitten zu sein, in denen alle Merkmale des milderen Tatbestandes Einzelfälle des strengeren näher charakterisieren. Dann geht der mildere Tatbestand vollständig in der aus dem strengeren entwickelten Strafzumessungsnorm auf, aber diese würde genau so lauten, wenn es das mildere Gesetz nicht gäbe. Das mildere Gesetz ist also insofern latent i m strengeren enthalten, als die strafrechtliche Relevanz seiner Merkmale für die Fälle seines Zusammentreffens m i t dem strengeren Tatbestand bereits dadurch festgestellt ist, daß sie als zulässige nähere Bestimmungen von dessen Unrechts- und Schuldgehalt anerkannt werden. So erklärt es sich, daß die Verwirklichung des milderen Gesetzes bei Idealkonkurrenz keinen Anlaß dazu gibt, die Höchststrafe des strengeren zu überschreiten. Andererseits, und darin unterscheidet sich dieses latente Enthaltensein des einen Tatbestandes i m anderen von der Spezialität, sind die Merkmale des milderen Gesetzes nicht notwendig in denen des strengeren enthalten, es handelt sich nicht um ein Inklusionsverhältnis. Deswegen schlagen sie, sofern sie erfüllt sind, innerhalb des Strafrahmens des strengeren Gesetzes m i t ihrem Unwertgehalt strafschärfend zu Buch. 9 Puppe
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I I I . Die Konzeption der Idealkonkurrenz
Wenn alle Merkmale des leichteren Tatbestandes dergestalt i n der Strafzumessungsnorm des schwereren unterzubringen sind, haben w i r es also m i t einer A r t Idealfall der Idealkonkurrenz zu tun. Aber bereits dieser ideale Fall macht uns Schwierigkeiten. W i r sind bisher i m Einklang m i t dem Sprachgefühl, dem Rechtsgefühl und auch der Regelung des § 52 davon ausgegangen, daß das leichtere Delikt das schwerere näher charakterisiert und dadurch i n ihm aufgeht und nicht umgekehrt. Ist aber der leichtere Tatbestand eine mögliche nähere Bestimmung des schwereren, so gilt auch das Umgekehrte. Das w i r d i n der klassischen Logik als das Gesetz von der Vertauschbarkeit von Gattungs- und Artmerkmalen bezeichnet 11 . Eine nötigende Körperverletzung ist dasselbe wie eine körperverletzende Nötigung und ein Totschlag beim Widerstand gegen Vollstreckungshandlungen dasselbe wie ein Widerstand durch Totschlag. Entwickelt man also in den Fällen des Zusammentreffens derart inhaltsverwandter Strafgesetze die Strafzumessungsnorm aus dem milderen, so ergibt sich die gleiche Unrechts- und Schuldbeschreibung wie beim strengeren. Trotzdem können sich verschiedene Strafhöhen (oder Schuldstrafrahmen) ergeben und damit ein Widerspruch der beiden Strafzumessungsnormen. Wenn die Strafrahmen der beiden Gesetze sich wesentlich unterscheiden, müßte nämlich nach jedem von ihnen für ein und dieselbe Unrechts- und Schuldbeschreibung ein anderes Strafmaß herauskommen. Denn das Strafmaß w i r d ja nur relativ zu den Grenzen des Strafrahmens bestimmt. Wenn nun die Merkmale eines Tatbestandes nähere Bestimmungen der Merkmale eines anderen sind, so muß dies auch für deren nähere Bestimmungen gelten. Jeder Tatbestand müßte also einen hinreichend weiten Strafrahmen besitzen, um alle Varianten all der Tatbestände aufzunehmen, die m i t i h m inhaltsverwandt sind. Wenn der Gesetzgeber dem i n jedem Strafgesetz Rechnung tragen würde, müßten alle inhaltsverwandten Tatbestände die gleiche Strafobergrenze haben und zwar die desjenigen unter ihnen, der das schwerste Delikt beschreibt. Dann würden die aus ihnen für die gleiche Unrechts· und Schuldbeschreibung entwickelten Strafzumessungsnormen bei richtiger Bestimmung auch die gleiche Strafhöhe aufweisen, sie 11 I n der Klassenlogik k a n n man das so ausdrücken: Jedes Element der Durchschnittsklasse der Klassen a u n d β (Gattungen) ist sowohl ein Element von α als auch von ß. Dieser Satz ist i m Klassenkalkül als logische Wahrheit zu beweisen, vgl. Klug L o g i k S. 66 m i t Hinweis auf Whitehead / Russell Principia Mathematika 22 - 23. Da dieser Satz logisch w a h r ist, ist die Beschreibung der Durchschnittsklasse von α u n d β als Unterklasse von α m i t ihrer Beschreibung als Unterklasse von β nicht n u r extensional, sondern auch intensional identisch, m. a. W. die Eigenschaft ein Element derjenigen U n t e r klasse von α zu sein, deren Elemente auch zu β gehören, (die Eigenschaft β haben) ist die gleiche w i e die Eigenschaft ein Element von β zu sein, daß auch zu α gehört. Nichts anderes besagt der Satz von der Vertauschbarkeit von Gattungs- u n d Artmerkmalen.
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würden sich also nicht widersprechen, sondern wären identisch. Alle inhaltsverwandten Strafgesetze „besagen" dann für die Fälle ihres Zusammentreffens das gleiche und i n der Aufstellung der einen Strafzumessungsnorm könnte die Anwendung mehrerer Gesetze ebenso gesehen werden, wie i n der Zuerkennung eines zivilrechtlichen Anspruchs die Anwendung mehrerer Gesetze liegen kann, die für diesen A n spruch eine Grundlage liefern. Nun haben aber nicht alle inhaltsverwandten Strafgesetze gleiche Höchststrafen. Beispielsweise sehen die meisten Gewaltdelikte nicht lebenslänglich als Höchstmaß vor, obwohl sie m i t §212 und §211 unrechtsverwandt sind, da die Körperverletzung ein Sonderfall der Gewalt gegen die Person ist und die Tötung (jedenfalls nach ganz herrschender Lehre) ein Sonderfall der Körperverletzung. Diejenigen Gewaltdelikte, die die Möglichkeit lebenslanger Freiheitsstrafe eröffnen, tun das ausdrücklich für Fälle, i n denen vorsätzliche Tötung ausgeschlossen ist, nämlich die der leichtfertigen Todesverursachung. Es gibt also in unserem StGB Strafgesetze, aus denen sich miteinander unvereinbare Strafzumessungsnormen ergeben, d. h. Normen, die für den gleichen Strafzumessungstatbestand (die gleiche vollständige Unrechts- und Schuldbeschreibung) verschiedene Rechtsfolgen vorsehen. Dieser Widerspruch ist nicht dadurch zu beheben, daß w i r , wie es vielleicht zunächst natürlich erscheinen würde, zwar die Merkmale des milderen Tatbestandes als nähere Bestimmungen des strengeren anerkennen, aber nicht umgekehrt, also beispielsweise sagen, wenn ein flüchtiger Verbrecher den Beamten vorsätzlich erschießt, der ihn festnehmen w i l l , so ist das ein durch eine rechtswidrige Widerstandshandlung näher bestimmter und qualifizierter Totschlag, aber nicht eine durch Totschlag qualifizierte Widerstandshandlung. Denn das wäre unlogisch, weil aus der Zulässigkeit der Einführung der Merkmale des leichteren Tatbestandes als nähere Bestimmungen i n den strengeren nach dem Gesetz von der Vertauschbarkeit von Gattungs- und A r t merkmalen auch die Zulässigkeit des umgekehrten Verfahrens folgt. Wenn man also gleichwohl das letztere ausschließen und das erstere zulassen w i l l , so muß man eine entsprechende Regel i n einer Metastufe einführen, und diese Regel ist § 52. Indem § 52 den Vorrang des strengeren Gesetzes festlegt, erklärt er das mildere für partiell falsch, falsch insofern, als es auch Fälle erfaßt und zwar in ihrem ganzen Unrechts- und Schuldgehalt vollständig erfaßt, für die ein anderes Gesetz eine höhere Strafe zuläßt. Wenn w i r hier § 52 als Metanorm zur Beseitigung eines Widerspruchs zwischen Strafgesetzen erklären, so widersprechen w i r damit scheinbar der i n Kapitel I 4 aufgestellten These, daß die Unterscheidung zwischen 9"
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Ideal- und Gesetzeskonkurrenz und die Erklärung des Vorrangs der Privilegierung nicht möglich wäre, wenn man bereits § 52, der dem strengeren Gesetz den Vorrang einräumt, als Metanorm zur Beseitigung von Widersprüchen zwischen Strafgesetzen versteht. Nur scheinbar ist der Widerspruch, weil dem oben Ausgeführten eine andere Interpretation des § 52 zugrundelag, nämlich die der h. L., nach der dessen einzige Voraussetzung die Identität der von mehreren Tatbeständen erfaßten Handlung ist. Würde man bei dieser Interpretation § 52 als Beseitigung eines Widerspruches zwischen Strafgesetzen erklären, so müßte man einen solchen schon dann annehmen, wenn mehrere Tatbestände die gleichen Handlungen, i. S. eines tatbestandsunabhängigen Individualbegriffs der Handlung, erfassen. Das ist aber nur richtig, wenn die Tatbestände i n den Strafgesetzen i n einem extensionalen Kontext stehen. Daß unter dieser Prämisse der Unterschied zwischen Ideal- und Gesetzeskonkurrenz nicht mehr zu erklären ist und ein Widerspruch zwischen dem Vorrang des strengeren Gesetzes nach § 52 und dem Vorrang des spezielleren Gesetzes bei Zusammentreffen von Grundtatbestand und Privilegierung entsteht, halten w i r weiterh i n aufrecht 12 . Jetzt gehen w i r aber davon aus, daß die tatbestandlichen Unrechtsund Schuldbeschreibungen i n den Strafgesetzen i n einem intensionalen Kontext stehen und müssen von hier aus die Konkurrenzregeln und ihr Verhältnis zueinander neu erklären. W i r müssen also für unsere Interpretation des § 52 die folgenden Fragen beantworten: Warum w i r d von den sich widersprechenden Gesetzen das mildere für falsch erklärt und nicht das strengere? Wenn § 52 ebenso der Beseitigung eines Widerspruchs dient wie der Vorrang des spezielleren Gesetzes, wie rechtfertigt sich dann die Verschiedenheit dieser Vorrangregeln? Aber was bedeutet i n diesem Zusammenhang erklären? Es wäre völlig aussichtslos, aus den kollidierenden Strafgesetzen selbst ableiten zu wollen, welches von ihnen vorgeht. Denn ergäbe sich das aus ihnen, so würden sie sich nicht widersprechen. Es wäre also vergebens, den Vorrang des spezielleren Gesetzes (oder auch § 52 StGB) als logisches Prinzip erweisen zu wollen. Widersprechen sich Gesetze, so ist der Gesetzgeber also i m Erlaß von Vorrangregeln prinzipiell genauso frei, wie bei anderen Vorschriften. Die Vorrangregeln haben ihre Legitimation also zunächst darin, daß der Gesetzgeber sie erlassen hat oder (und), daß er bei der Gestaltung der ihnen unterfallenden Normen niederer Stufe von ihrer Gültigkeit ausgegangen ist. Die Normen, die einer Metastufe angehören, dürfen Näher hierzu o K a p i t e l I .
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sich nur nicht gegenseitig widersprechen, wenn nicht weitere Kollisionsnormen auf noch höherer Stufe notwendig werden sollen. Außerdem können sie, wie andere Gesetze auch, an Maßstäben der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit gemessen und diesen entsprechend ausgelegt werden. Wie aber kann eine solche Messung von Vorrangregeln an Gerechtigkeitsmaßstäben aussehen, wenn vorausgesetzt ist, daß der Gesetzgeber bei Bestimmung der Rechtsfolgen der untergeordneten Normen von diesen Vorrangregeln ausgegangen ist? Muß sie dann nicht auf eine K r i t i k der Rechtsfolgenbestimmungen auch der untergeordneten Normen hinauslaufen? Sie braucht das nicht, wenn sie sich darauf beschränkt, die Vorrangregeln und ihre Ergebnisse untereinander zu vergleichen und m i t denjenigen Fällen, für die überhaupt keine Vorrangregel gilt, also denen, in denen nur ein Tatbestand erfüllt ist und denen, i n denen mehrere Strafgesetze nebeneinander angewendet werden. Eine Vorrangregel kann also auch dann ungerecht sein, wenn der Gesetzgeber bei der Festsetzung von Rechtsfolgen von ihrer Gültigkeit ausgegangen ist. Die logische Verträglichkeit der Regeln der Idealkonkurrenz m i t denen der Gesetzeskonkurrenz ergibt sich schon daraus, daß die Tatbestände, von denen sie ausgehen, sich gegenseitig ausschließen. Der Grundsatz vom Vorrang des spezielleren Gesetzes ist nur zwischen Tatbeständen anwendbar, die i m Verhältnis der Inklusion stehen 13 , während die Idealkonkurrenz das Verhältnis der Interferenz voraussetzt 14 . Auch wenn man, wie das logisch korrekt wäre, den durch § 52 aufzulösenden Widerspruch nicht i n den zusammentreffenden inhaltsverwandten Tatbeständen findet, sondern erst i n den aus ihnen i n einem nicht rein logischen Verfahren entwickelten Strafzumessungsnormen, und dann den Grundsatz vom Vorrang des strengeren Gesetzes auf die Strafzumessungsnormen anwendet, kommt man nicht m i t der allgemeine Gültigkeit beanspruchenden Derogationswirkung der spe13 Es werden allerdings außer der Spezialität auch noch Formen der Gesetzeskonkurrenz anerkannt, bei denen die tatbestandlich bestimmten H a n d lungsklassen i m Verhältnis der Interferenz stehen u n d nicht die eine die andere einschließt, vgl. Klug ZStW 68 S. 406 f. Die Bezeichnung dieser Formen als Konsumtion oder Subsidiarität sind uneinheitlich. Aber w i r werden zeigen, daß die einzige Tatbestandskonstellation, f ü r die die Regeln der Gesetzeskonkurrenz passen u n d auf die sie tatsächlich auch angewendet werden, die Spezialität ist, während Konsumtion u n d Subsidiarität zu Recht bei der Strafrahmenbildung w i e bei der Strafzumessung genau nach den gleichen Regeln behandelt werden, w i e der Idealkonkurrenz, so daß n u r noch ein gänzlich überflüssiger Unterschied i n der Tenorierung ü b r i g bleibt, s. u. K a p i t e l V I 1. Deshalb verstehen w i r schon hier unter Gesetzeskonkurrenz allein die Spezialität. 14 Näher zu den möglichen Verhältnissen der Deliktsklassen untereinander und ihrer Einordnung i n die Konkurrenzform, Klug ZStW 68 S. 403 ff.
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zielleren Norm i n Konflikt. Denn von den zusammentreffenden Strafzumessungsnormen ist keine spezieller als die andere. Die logische Vereinbarkeit der verschiedenen Konkurrenzregeln ergibt sich also schon aus der extensionalen Betrachtung der Tatbestände. Es war ihre inhaltliche Rechtfertigung, die sich ohne die Intensionen der Tatbestände als unmöglich herausgestellt hatte, unmöglich deshalb, w e i l die extensionale Interpretation der Tatbestände nur für die Klassen der von ihnen erfaßten Handlungen einen Unterschied zwischen Idealkonkurrenz und Spezialität aufweisen kann für den Einzelfall, aber bei beiden Konkurrenzformen nur ein und denselben Befund ergibt, nämlich, daß ein und dieselbe Handlung (in einem allgemeingültigen und wertfreien Sinne) i n zwei tatbestandlich erfaßten Handlungsklassen vorkommt 1 5 . Erst die intensionale Interpretation zeigt den Unterschied i m Verhältnis der tatbestandlichen Unrechts- und Schuldbeschreibungen bei Idealkonkurrenz und Spezialität. Er besteht nicht nur darin, daß der Tatbestand des spezielleren Gesetzes den des generellen logisch impliziert, während bei idealkonkurrierenden Gesetzen jedes auch ohne das andere erfüllt sein kann. Das wäre ja auch nicht der gesuchte Unterschied i m Einzelfall. Dieser liegt darin, daß das speziellere Gesetz alle Unrechts- und Schuldmerkmale des generellen Tatbestandes ebenfalls explizit enthält, während bei idealkonkurrierenden, also zwar inhaltsverwandten, aber einander nicht implizierenden Tatbeständen die Merkmale des einen erst durch eine richterliche Strafzumessungsnorm i n den anderen eingeführt werden und nur für eine einzelne Strafbemessung, noch nicht i m gesamten Strafrahmen verwertet sind. Wollen w i r überprüfen, ob dieser Unterschied geeignet ist, die verschiedene Konkurrenzregelung zu rechtfertigen, so werden w i r diejenigen Fälle vergleichen, bei denen die Regeln der Idealkonkurrenz und die der Gesetzeskonkurrenz sich am krassesten unterscheiden, also das Zusammentreffen nur inhaltsverwandter Tatbestände, bei dem das strengere Gesetz vorgeht, m i t dem Zusammentreffen von Grundtatbestand und Privilegierung. Der Vorrang des strengeren Gesetzes bei Idealkonkurrenz erklärt sich aus einem Vergleich m i t den Fällen, i n denen nur das strengere Gesetz anwendbar ist. Es wäre absurd, den Täter unter der Bedingung besser zu stellen, daß er außer dem schwereren Tatbestand noch einen leichteren erfüllt hat, der i m Verhältnis zu jenem zusätzliches Unrecht beschreibt. Aus einem ähnlichen Vergleich, nämlich dem der Idealkonkurrenz m i t der Verwirklichung bloß des milderen Gesetzes, ergibt sich auch Näher hierzu o K a p i t e l I .
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die Verbindlichkeit von dessen Mindeststrafe. Auch hier gilt, daß es dem Täter nicht zum Vorteil gereichen kann, daß er neben dem m i l deren auch noch das strengere Gesetz verletzt hat 1 6 . Für das Verhältnis von Grundtatbestand und Privilegierung t r i f f t all das nicht zu, w e i l die Privilegierung die Unrechts- und Schuldbeschreibung des Grundtatbestandes vollständig enthält. Vergleicht man die Verwirklichung einer Privilegierung m i t der des Grundtatbestandes, so unterscheidet sie sich von jener nur durch das Vorhandensein von Milderungsgründen, aus denen sich der niedrigere Strafrahmen erklärt. Der Vorrang des spezielleren Deliktes, insbesondere der Privilegierung, ist also auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten vereinbar m i t dem Prinzip des Vorrangs des strengeren Gesetzes bei Idealkonkurrenz nach § 52. Aber erklärt werden kann dieser Gegensatz nur anhand der Intensionen der Tatbestände. Aber warum t r i f f t der Gesetzgeber überhaupt bei Aufstellung der einzelnen Strafgesetze widersprüchliche Regelungen, um diese Widersprüche dann durch verschiedene Vorrangregeln nachträglich erst auszuräumen? Damit sind w i r bei der Frage nach der gesetzestechnischen Zweckmäßigkeit der Konkurrenzregeln. Das Zusammentreffen mehrerer Tatbestände i n einer Handlung und die Existenz von inhaltsverwandten Tatbeständen kann der Gesetzgeber nicht vermeiden. Er müßte sonst Tatbestände streichen, deren Merkmale nach seiner Ansicht für sich allein strafbares Unrecht begründen, also i n den Fällen, i n denen dieses Unrecht von keinem anderen Tatbestand miterfaßt wird, auf die Strafbarkeit dieses Unrechts entgegen seiner Uberzeugung verzichten. W i r haben aber gesehen, daß der Gesetzgeber Widersprüche zwischen diesen Strafzumessungsnormen vermeiden kann, indem er allen inhaltsverwandten Tatbeständen die gleiche Höchststrafe zuordnet. (Nach der h. L. von der Idealkonkurrenz müßte er das sogar m i t allen Tatbeständen tun, die überhaupt „durch ein und dieselbe Handlung" v e r w i r k licht werden können.) Daß der Gesetzgeber das nicht t u t und sich stattdessen auf die Metanorm vom Vorrang des strengeren Gesetzes 16 Diese schon vor ihrer ausdrücklichen Aufnahme i n § 73 StGB (seit R G 73, 148 ff.) allgemein anerkannte Verbindlichkeit der Mindeststrafe des m i l dernden Gesetzes w a r allerdings durchaus nicht immer herrschend. I n den ersten Jahrzehnten der Geltung des RStGB wurde allgemein angenommen, daß das idealkonkurrierende mildere Gesetz vollständig u n d i n jeder H i n sicht von dem strengeren verdrängt werde, so noch 1949 Mezger L B 3. Aufl. S. 478, weitere Nachweise bei Geerds, S. 328 Fußnote 444. Die E r k l ä r u n g dafür k a n n w o h l n u r i n der Geschichte des Absorptionsprinzips gefunden werden, das erst nachträglich m i t der Handlungseinheit i n Verbindung gebracht w u r de, ursprünglich aber seinen G r u n d i n der I n k o m p a t i b i l i t ä t der Strafen hatte, vgl. die ausführliche geschichtliche Darstellung bei Geerds S. 34 ff., Baumgarten Idealkonkurrenz S. 2 f., Jescheck ZStW 67 S. 531, als historisches Beispiel Feuerbach L B §§ 126 - 132.
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verläßt, ermöglicht ihm aber bei vielen Tatbeständen engere Strafrahmen und damit bestimmtere Gesetze. Das sind die Tatbestände, bei denen er für alle Fälle, in denen verwandte strengere Gesetze nicht erfüllt sind, eine niedrigere Höchststrafe für ausreichend hält, als sie diese strengeren Gesetze vorsehen. Damit erweist sich das Prinzip des Vorrangs des strengeren Gesetzes als gesetzestechnisch zweckmäßig. Ähnliches gilt für den Vorrang des spezielleren Gesetzes, und zwar sowohl bei der Privilegierung, als auch bei der Qualifikation. Der Gesetzgeber könnte sich die damit zu behebenden Widersprüche zunächst einfach dadurch sparen, daß er die Spezialtatbestände wegläßt und statt dessen den Strafrahmen des Grundtatbestandes nach oben oder unten so erweitert, daß er auch den privilegierten und qualifizierten Fällen gerecht wird. Er braucht aber dann nicht einmal auf die Spezialtatbestände zu verzichten, u m den Widerspruch zum Grundtatbestand zu vermeiden, dazu genügt schon die beschriebene Erweiterung des Strafrahmens des Grundtatbestandes allein. Dann würden sich die Strafrahmen von Privilegierung und Qualifikation zu dem des Grundtatbestandes genau so verhalten wie die Tatbestände selbst: Der Strafrahmen der Privilegierung wäre ein Ausschnitt aus dem unteren Bereich des Strafrahmens des Grunddelikts so wie sein Tatbestand ein Ausschnitt aus dem dem Unwertgehalt nach unteren Bereich des Grundtatbestandes. Ebenso wäre der Strafrahmen der Qualifikation der obere Ausschnitt aus dem des Grunddelikts, während ihr Tatbestand dessen schwerstwiegende Sonderfälle beschreibt. Dann müßte bei Anwendung des Grundtatbestandes auf einen privilegierten Fall die gleiche Strafzumessungsnorm herauskommen wie bei Anwendung der Privilegierung und entsprechendes würde für die qualifizierten Fälle gelten. Es wäre dann gleichgültig, ob der Grundtatbestand angewendet wird, oder die lex specialis und man könnte in der Aufstellung der einen für beide gleichlautenden Strafzumessungsnorm auch die Anwendung beider sehen. Aber gerade w e i l der Gesetzgeber zwei Möglichkeiten geschaffen hat, zu dem gleichen Strafzumessungstatbestand zu gelangen, der doch nur einmal anzuwenden ist, kann er es sich leisten, daß die eine davon zu einer falschen Rechtsfolgenbestimmung führt, wenn er nur dafür sorgt, daß sie und nicht die andere durch eine Vorrangregel ausgeschlossen wird. Er kann also den Strafrahmen des Grunddeliktes so eng ziehen, daß er den Privilegierungen und Qualifikationen nicht mehr gerecht wird, obwohl der Grundtatbestand diese Fälle miterfaßt. W i r sind damit auf ein gemeinsames gesetzestechnisches Prinzip gestoßen, das sowohl dem Vorrang des strengeren Gesetzes bei Idealkonkurrenz als auch dem des spezielleren Gesetzes zugrundeliegt. Beide
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dienen der Gesetzesbestimmtheit und damit der Rechtssicherheit durch Ermöglichung engerer Strafrahmen. Wenn sich aus zwei zusammentreffenden Gesetzestatbeständen durch Ausfüllung und Konkretisierung gleichlautende Tatbestände von Strafzumessungsnormen ergeben, so w i r d durch geeignete Vorrangregeln dasjenige Strafgesetz verdrängt, das einen engeren Strafrahmen erhalten kann, wenn es diese Fälle des Zusammentreffens nicht m i t regeln muß. Unsere Konzeption der Idealkonkurrenz, nach der § 52 der Regelung des Zusammentreffens inhaltsverwandter Tatbestände dient, fügt sich also widerspruchsfrei und plausibel in die übrigen Konkurrenzregeln ein. Können w i r sie aber deshalb schon dem geltenden Recht substituieren, obwohl sie nicht den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers entspricht, weder denen des Gesetzgebers von 1871/7217, noch denen des Gesetzgebers von 197518? Der Gesetzgeber wie die h. L. gehen seit Erlaß des RStGB bis heute davon aus, daß die „eine Handlung" i. S. des §52 (§73 a. F.) so zu bestimmen ist, daß Tatbestände beliebigen Unrechts- und Schuldgehalts durch ein und dieselbe Handlung erfüllt werden können 1 0 , und das ist dann laut §52 die einzige Voraussetzung für die Verhängung nur einer Strafe aus dem Strafrahmen des strengsten „verletzten" Gesetzes. Dabei ist allerdings bemerkenswert, daß sich die Beispiele, an denen man die Notwendigkeit einheitlicher Beurteilung der i n einer Handlung zusammentreffenden Rechtsverletzungen aufzuzeigen pflegt, mei17 Der Gesetzgeber des RStGB von 1871 ging vermutlich von einem n a t u r gegebenen tatbestandsunabhängigen Handlungsbegriff aus, vgl. Geerds S. 244. 18 Daß der heutige Reformgesetzgeber den alleinigen u n d zureichenden G r u n d f ü r Idealkonkurrenz von Strafgesetzen i n der Identität der sie erfüllenden Handlung i. S. eines naturalistischen Handlungsbegriffs sieht, ergibt sich aus dem heutigen Stand der Lehre von der Idealkonkurrenz, s. hierzu o. Kap. I 2. Die Gutachter der großen Strafrechtskommission nahmen übereinstimmend einen naturgegebenen Unterschied zwischen Handlungseinheit u n d Handlungsmehrheit an, vgl. Jescheck ZStW 67 S. 537, Niese Materialien Bd. 1, S. 163, Voll Niederschriften Bd. 2 Anhang S. 171, 175. Dabei w u r d e zwar anerkannt, daß es dem Gesetzgeber frei stünde, diese unterschiedlichen Sachverhalte gleich oder verschieden zu behandeln, vgl. Jescheck ZStW 67, S. 541, Niese, S. 163. Die Relevanz dieses Unterschiedes f ü r die strafrechtlichen Folgen w u r d e aber darin gesehen, daß der Gesetzgeber bei Handlungsmehrheit zwischen Einheitsstrafe u n d Gesamtstrafe zu wählen habe, während für mehrere, durch eine Handlung verwirklichte Delikte Einzelstrafen nicht zugemessen werden könnten, ohne „untrennbar Zusammengehöriges auseinanderzureißen", Niese, S. 159, Voll S. 172, V o r schläge der Sachbearbeiter des B J M Niederschriften, Bd. 2, Anhang S. 193. Jescheck spricht von „Zerreißung von zusammengehörigen Sinneinheiten", vgl. ZStW 67, S. 542. 19 Besonders deutlich bringt dies Baumann i n A T § 411 2 a zum Ausdruck: „Haben w i r eine strafbare Handlung vor uns, so lassen w i r die einzelnen Vorschriften des besonderen T e i l Revue passieren. Vielfach ergibt erst die Komposition mehrerer Tatbestände das vollständige B i l d des konkreten Verbrechens."
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stens durch eine besonders auffällige und unbestreitbare Inhaltsverwandtschaft der zusammentreffenden Tatbestände auszeichnen 20 . W i r haben festgestellt, daß zwischen nicht inhaltsverwandten Strafgesetzen kein Widerspruch entstehen kann, auch wenn man ihre Tatbestandsmerkmale als Eigenschaftsangaben (Prädikate) auf einen allgemeinen tatbestandsapriorischen Handlungsbegriff bezieht, w e i l die Handlungsbeschreibungen i n den Strafgesetzen i n einem intensionalen Kontext vorkommen. Danach fehlt für das Zusammentreffen inhaltsfremder Tatbestände jede Notwendigkeit zur Aufstellung einer Vorrangregel. Wie aber, wenn der Gesetzgeber trotzdem eine aufgestellt hat? Das bedeutet dann, daß er das zurücktretende Gesetz für bestimmte Fälle revoziert hat. Dazu hat er die Kompetenz, aber auch diese Revokation muß sich an Gerechtigkeitsmaßstäben messen lassen, und wenn sie sich i m Vergleich zu anderen Fällen als ungerechtfertigt erweist, ist es i m Rahmen der allgemeinen Regeln über die Auslegung von Gesetzen zulässig, sie durch eine andere Interpretation des Gesetzes zu vermeiden. Bei einem Widerspruch zwischen Gesetzen ergibt sich die Gerechtigkeit einer Vorrangregel daraus, daß das dominierende Gesetz i m K o l l i sionsfall zu gerechteren Ergebnissen führt als das verdrängte. Besteht kein Widerspruch zwischen zwei Gesetzen, die jedes für sich hinreichende Bedingungen für eine Bestrafung festsetzen, so fragt sich, warum die Bedingungen des einen keine Strafbarkeit mehr begründen, sobald auch die des anderen erfüllt sind 2 1 . Ergibt sich die A n t w o r t auf diese Frage nicht einfach daraus, daß der Gesetzgeber selbst von dieser Vorrangregel ausgegangen ist, und die Strafrahmen entsprechend weit gesteckt hat, so daß innerhalb des Strafrahmens jedes Gesetzes dem Unwertgehalt jedes milderen Gesetzes Rechnung getragen werden kann, das m i t ihm durch „eine Handlung" verletzt werden kann? Damit ist, so scheint es, das mildere Gesetz zwar nicht durch die Logik, 80 Das gilt vor allem für das unverwüstliche Beispiel v o m gewaltsamen Beischlaf des Bruders m i t der (verheirateten) Schwester. Schmidhäuser bringt das Beispiel des Räubers, dessen Gewaltanwendung i n der vorsätzlichen Tötung des Opfers besteht, vgl. A T 18/40; Welzel erläutert i m L B § 3 0 1 den Gegensatz zwischen Idealkonkurrenz u n d Realkonkurrenz an einer Bezahlung m i t Falschgeld, die gleichzeitig Betrug u n d Währungsdelikt ist, wobei beiden Tatbeständen das Element der Täuschung gemeinsam ist. I n den Diskussionen der Großen Strafrechtskommission wurde das Beispiel des Zusammentreffens von Betrug u n d Urkundenfälschung (mit dem gemeinsamen Element der Täuschung) angeführt, u m die Bedeutung des Unterschieds zwischen Real- u n d Idealkonkurrenz f ü r ein Tatschuldstrafrecht deutlich zu machen, vgl. Gallas i n Niederschriften Bd. 2 S. 232 f. I n all diesen Fällen liegt, w i e w i r unter Kap. I I I 4 noch genauer zeigen werden, Inhaltsverwandtschaft der Tatbestände vor. 21 Dieser E i n w a n d wurde gegen das strenge Absorptionsprinzip erhoben, das nach der früher herrschenden Auffassung dem § 73 a. F. zugrundelag, vgl. etwa Habermaas S. 27, Goenders S. 38 f.
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aber durch den Gesetzgeber selbst für die Fälle seines Zusammentreffens m i t einem strengeren überflüssig gemacht worden. Aber: hat der Gesetzgeber tatsächlich i n seine Strafrahmen jeweils alle Möglichkeiten der Verwirklichung milderer Strafgesetze „durch ein und dieselbe Handlung" einbezogen, warum darf dieser Strafrahmen dann überschritten werden, wenn leichtere Tatbestände, die auch i n Tateinheit m i t einem strengeren hätten erfüllt werden können, in concreto i n Tatmehrheit zu dessen Verwirklichung stehen? Wenn die beiden Tatbestandsverwirklichungen ihrem Unrechts- und Schuldgehalt nach nichts miteinander gemein haben und die Handlung in einem tatbestandsunabhängigen und wertfreien Sinne bestimmt ist, besteht zwischen Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz keinerlei Wertunterschied 22 . Andererseits dürfte der Strafrahmen eines Gesetzes entgegen seinem Wortlaut nicht schon dann ausgeschöpft werden, wenn es als einziges anwendbar ist, sofern der gleiche Strafrahmen auch allen möglichen Fällen des Zusammentreffens m i t leichteren Delikten beliebigen Inhalts gerecht werden soll. Aber nicht nur darin, daß sie Unterschiede macht, deren Relevanz sie nicht dartun kann, nämlich die zwischen Handlungseinheit und Handlungsmehrheit bei unrechtsfremden Tatbeständen, zeigt die Interpretation des § 52 i. S. der h. L. und des historischen Gesetzgebers ihr Ungenügen. Sie behandelt andererseits auch Ungleiches gleich, nämlich das Zusammentreffen inhaltsverwandter und das inhaltsfremder Tatbestände i n „ein u n d derselben Handlung". Das Bedürfnis, hier zu differenzieren, hat sich auch unter der h. L. geltend gemacht, vor allem beim Zusammentreffen von Tatbeständen, deren Verwandtschaft besonders offenkundig ist, weil sie mehrere oder zentrale Merkmale gemeinsam haben. So erschien es ungerecht, das Zusammentreffen mehrerer Qualifikationen eines Grundtatbestandes oder das der Vollendung eines Grundtatbestandes m i t dem Versuch einer Qualifikation nach Regeln zu behandeln, die man für die Verwirklichung auch völlig heterogenen Unrechts „ i n einer Handlung" für angemessen hielt. Man schlug also diese Fälle, da eine besondere Regelung für sie nicht zur Verfügung steht, der Gesetzeskonkurrenz zu 2 5 . 22 M i t dem Versuch, einen Wertunterschied dadurch zu erklären, daß zwar nicht der Handlung, aber doch der rechtswidrigen Handlung ein eigenständiger, neben dem tatbestandsspezifischen Unrecht bestehender, aber i n jedem Strafausspruch mitberücksichtigter U n w e r t beigemessen w i r d , werden w i r uns i m folgenden K a p i t e l auseinandersetzen. Näher zu der Annahme einer generellen Schuldminderung bei Idealkonkurrenz wegen des n u r einmaligen Entschlusses zur Übertretung des Rechts, s. u. K a p i t e l I V 5. 23 So f ü r das Verhältnis von § 224 zu § 223 a R G 63, 243, von § 224 zu § 223 b R G 70, 357 (359) m i t i m Ergebnis zustimmender A n m . Mezger J W 37, 627 (628), B G H 4, 113, 117, Bay. ObLGSt 60, 285, neuerdings noch B G H G A 75, 85, für das Verhältnis mehrerer Raubqualifikationen B G H L M zu § 250, Nr. 2. I n
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A b e r da i n diesen F ä l l e n k e i n e r der z u s a m m e n t r e f f e n d e n T a t b e s t ä n d e n o t w e n d i g i m a n d e r e n e n t h a l t e n ist, w ü r d e die A n w e n d u n g der R e g e l n der Gesetzeskonkurrenz auch a u f diese K o n s t e l l a t i o n e n einen a n d e r e n r e l e v a n t e n U n t e r s c h i e d n i v e l l i e r e n , d e n zwischen d e m Z u s a m m e n t r e f f e n m e h r e r e r i n h a l t s v e r w a n d t e r T a t b e s t ä n d e u n d der V e r w i r k l i c h u n g a l l e i n desjenigen, der d i e a n d e r e n gemäß d e n R e g e l n der G e s e t z e s k o n k u r r e n z v o l l s t ä n d i g v e r d r ä n g e n soll. U m diesem U n t e r s c h i e d gerecht z u w e r d e n , s o l l l a u t B G H die E r f ü l l u n g d e r v e r d r ä n g t e n T a t b e s t ä n d e b e i der S t r a f z u m e s s u n g b e r ü c k s i c h t i g t w e r d e n u n d die U n t e r s c h r e i t u n g i h r e r S t r a f u n t e r g r e n z e n u n t e r s a g t sein, d a m i t d e m T ä t e r n i c h t a l l e i n daraus e i n V o r t e i l erwachse, daß er auch noch e i n anderes Strafgesetz v e r l e t z t h a t 2 4 . D a m i t gelangte m a n also w i e d e r z u r A n w e n d u n g der R e g e l n der Idealkonkurrenz. dem gleichen Sinne läßt B G H 10, 312 (315) die schwere Körperverletzung an der Schwangeren nach §224 hinter §218 (a. F.) zurücktreten, w e i l i n jeder Abtreibung eine (einfache) Körperverletzung der Schwangeren notwendig enthalten sei. Generell gegen eine Verdrängung der milderen von mehreren Qualifikationstatbeständen durch den strengsten hat sich aber neuerdings der Große Senat des B G H ausgesprochen, vgl. JZ 75, 677 (679), ebenso Geerds S. 194 ff., Schönke ! Schröder ! Stree v o r §52 Rz. 111, Lenckner ebenda vor § 223 Rz. 2, Maurach / Schroeder B T § 10 I I C. Der bisherigen Rechtsprechung schließen sich an Hirsch i n L K zu § 223 b Rz. 23, Lackner zu § 223 b A n m . 8, Welzel L B § 30 I I I , Warda JuS 64 S. 91 n i m m t Subsidarität an. Zwischen dem Versuch einer Qualifikation u n d der Vollendung des G r u n d delikts w i r d sogar ausdrücklich Spezialität angenommen von B G H 1, 152 (153 f.) m i t der Begründung, daß aus der Spezialität der vollendeten Qualifikation i m Verhältnis zum vollendeten Grunddelikt auch die Spezialität der versuchten Qualifikation gegenüber der Vollendung des Grunddelikts folge; ein Schluß, der trivialerweise falsch ist, w e i l die Vollendung des Grundtatbestandes m i t dem Erfolg eine Bedingung enthält, die der Versuch der Qualifikation nicht erfordert. Subsidiarität des vollendeten Grunddelikts nehmen an B G H 16, 122; 21, 265; 22, 248, zustimmend Hirsch i n ZStW 81, S. 929. Geerds stellt allgemein den Satz auf, daß es f ü r das Konkurrenzverhältnis auf den Unterschied zwischen Vollendung u n d Versuch nicht ankommen könne, vgl. S. 171, ohne dies weiter zu erklären. V o n Idealkonkurrenz gehen bei solchen Tatbestandskonstellationen aus B G H 10, 230; B G H L M zu § 73 (a. F.) Nr. 10, Schönke / Schröder / Stree vor § 52 Rz. 124 ff. Eser ebenda zu § 212 Rz. 14 b, Lackner vor § 52 A n m . V 1 m i t der einleuchtenden Begründung, daß andernfalls i m Schuldspruch kein Unterschied mehr zu den V e r suchsfällen gemacht werden könne, die keinerlei strafbaren Erfolg hatten. Letzte Klarheiten i n der ohnehin widersprüchlichen Rechtsprechung zu dieser Frage beseitigt B G H 21, 194 (195). H i e r bekennt sich das Gericht zunächst grundsätzlich zur völligen Verdrängung des vollendeten Grunddelikts. N u r ausnahmsweise soll Idealkonkurrenz möglich sein, wenn anderenfalls der Unrechtsgehalt der Tat nicht v o l l zum Ausdruck kommt. Anhaltspunkte dafür, w a n n solch eine Ausnahme gegeben ist, gibt die Entscheidung nicht, tatsächlich ist sie es immer. Näher zum Gesamtproblem der Unterscheidung von Ideal- u n d Gesetzeskonkurrenz u. K a p i t e l I V . 24 B G H 4, 113, 117; 16, 122; 21, 265; 22, 248, B G H G A 75, 85, Bay. ObLGSt 60, 285 (287). Ausdrücklich auch bei Spezialität w i r d die Berücksichtigung der lex generalis i n der Strafzumessung u n d die Einhaltung ihrer Mindeststrafe gefordert von B G H 1, 152 (155), 10, 312 (315). Die erste dieser Regeln kann bei w i r k l i c h e r Spezialität nicht befolgt werden, ohne Tatbestandsmerkmale doppelt zu verwerten; die zweite würde, konsequent angewandt, alle
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Der Versuch, das Zusammentreffen inhaltsverwandter Tatbestände angemessen i n ein System von Konkurrenzregeln einzuordnen, das zwischen Tateinheit und Tatmehrheit nach einem tatbestandsunabhängigen Handlungsbegriff unterscheidet und darüber hinaus nur die Gesetzeseinheit kennt, endete so i n einer bloßen Umetikettierung. Diese ist für die Rechtsfolgen i n den solchermaßen nominell aus der Idealkonkurrenz ausgegliederten Fällen ohne jede Bedeutung. Indem aber Fälle als Gesetzeskonkurrenz bezeichnet und nach den Regeln der Idealkonkurrenz behandelt werden, w i r d die begriffliche Unterscheidung der beiden Konkurrenzformen höchst wirksam diskreditiert 2 5 . Ihre theoretischen Grundlagen werden v e r w i r r t und i h r dann, konsequenterweise, ihr Erkenntniswert abgesprochen und ihre praktische Bedeutung genommen 26 . Auch wenn man also unterstellt, daß der Gesetzgeber bei der Strafrahmenbildung von der heutigen h. L. zur Idealkonkurrenz ausgegangen ist, erweist sich diese Interpretation und Abgrenzung der Vorrangregel des § 52 als unangemessen. Sie besteht keine der Vergleichsproben, denen man eine Vorrangregel zur Überprüfung ihrer Gerechtigkeit unterziehen kann. Die Anwendung der Vorrangregel i n den Grenzen, die die h. L. für sie zieht, ist weder gerechtfertigt i m Vergleich zu den Fällen, i n denen überhaupt keine Konkurrenz vorliegt, weil nur eines (das strengere) Gesetz verletzt ist, noch i m Vergleich zu den Fällen, i n denen beide Gesetze nebeneinander angewendet werden, also der Handlungsmehrheit, noch i m Vergleich zum Zusammentreffen inhaltsverwandter Tatbestände, das die h. L. jedenfalls i n der Strafrahmenfestsetzung nicht vom Zusammentreffen inhaltsfremder Tatbestände unterscheiden kann. Außerdem ist die Annahme, daß der Gesetzgeber i n seinen Strafrahmen dem § 52 bzw. dem § 73 a. F., so wie er heute allgemein verstanden wird, Rechnung getragen habe, wenigstens für einen guten Teil der noch geltenden Strafgesetze historisch falsch. Zur Zeit der Entstehung des RStGB und noch lange danach war das strenge AbsorpPrivilegierungen paralysieren. Hier mußte ein zunächst begangener logischer Fehler durch einen zweiten juristischen Fehler ausgeglichen werden. 25 Diese durch kein praktisches Anliegen gerechtfertigte Konfusion der Konkurrenzarten u n d ihrer Rechtsfolgen führte schließlich dazu, daß i m E 62 der Vorschlag von Niese i n Materialien Bd. 1, S. 164 u n d Jescheck i n ZStW 67, S. 541 f., bei Idealkonkurrenz eine Übeschreitung der Höchststrafe des strengeren Gesetzes u m 1/2 zu ermöglichen, u m auch dem Zusammentreffen mehrerer verschiedenartiger u n d fast gleich schwerer Gesetzesverletzungen gerecht werden zu können, vor allem m i t der Begründung abgelehnt wurde, daß danach die schwierige u n d unklare Unterscheidung zwischen Ideal- u n d Gesetzeskonkurrenz eine neue Maßgeblichkeit für die Strafhöhe erlangen würde, vgl. amtliche Begründung zu E 62 S. 192. 26 Näher hierzu u. Kapitel V I .
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t i o n s p r i n z i p h e r r s c h e n d 2 7 , das seine E n t s t e h u n g n i c h t der V o r s t e l l u n g v o n der H a n d l u n g als e i n e m d e m S t r a f r i c h t e r u n a b h ä n g i g v o m Gesetz v o n N a t u r aus vorgegebenen, n i c h t t e i l b a r e n B e u r t e i l u n g s g e g e n s t a n d v e r d a n k t , s o n d e r n der I n k o m p a t i b i l i t ä t v i e l e r S t r a f e n , insbesondere der i n früheren Zeiten häufig angedrohten Todesstrafen 28. D e r G r u n d s a t z „ p o e n a m a i o r absorbet m i n o r e m " w a r u r s p r ü n g l i c h ganz w ö r t l i c h z u verstehen. N i c h t e i n T a t b e s t a n d a b s o r b i e r t e d e n a n d e r e n u n d n i c h t eine B e s c h r e i b u n g d e r gleichen H a n d l u n g schloß die andere aus, s o n d e r n d i e V e r h ä n g u n g d e r e i n e n S t r a f e m a c h t e die d e r a n d e r e n gegen d e n gleichen D e l i n q u e n t e n u n m ö g l i c h oder sinnlos. D e m e n t s p r e c h e n d g a l t das A b s o r p t i o n s p r i n z i p u r s p r ü n g l i c h f ü r H a n d l u n g s m e h r h e i t w i e f ü r H a n d l u n g s e i n h e i t 2 9 u n d w u r d e erst n a c h t r ä g l i c h a u f die H a n d l u n g s e i n h e i t e i n g e s c h r ä n k t 3 0 u n d m i t d e r V o r s t e l l u n g v o n d e r U n t e i l b a r k e i t des v o r g e g e b e n e n H a n d l u n g s i n d i v i d u u m s i n V e r b i n d u n g g e b r a c h t 3 1 , m i t der es bis h e u t e b e g r ü n d e t w i r d .
27 Vgl. etwa Habermaas S. 27 Frank zu § 73, Anm. I V , zuletzt noch Mezger L B (3. Aufl. 1949) S. 478, weitere Nachweise bei Geerds S. 328, Fußnote 444. I n der Rechtsprechung w u r d e das strenge Absorptionsprinzip erst m i t der Entscheidung des Großen Senats i n R G 73, 148 ff. überwunden. 28 Vgl. die historischen Darstellungen bei Geerds, S. 34 ff., Baumgarten Idealkonkurrenz S. 2 f., auch Jescheck ZStW 67 S. 531. 29 Vgl. Geerds, S. 34 ff. 30 Die Unterscheidung zwischen zwei Erscheinungsformen der Deliktskonkurrenz wurde zunächst als rein klassifikatorische unabhängig von dem Satz „poena major absorbet minorem" von August Becker i n seiner Diss, von 1692 entwickelt. Er differenziert auf S. 12 zwischen „delicta specie plura ex uno eodemque facto (decendunt), quem simultaneum concur sum vocare liceat" u n d delicta „ex diversis separatis factis (promanant), hunc sucessivum appellare" (liceat). Hier t r i t t schon deutlich die auch i n den späteren Bezeichnungen Idealkonkurrenz u n d Realkonkurrenz ausgedrückte Vorstellung zutage, daß es sich bei der ersteren n u r u m eine Mehrheit juristischer Beurteilungen handeln soll, die sich auf ein u n d dieselbe W i r k l i c h k e i t (fact \m) bezieht, u n d n u r bei der letzteren u m eine wirkliche (reale) Mehrheit. V i e l später, Ende des 19. u n d Anfang des 20. Jahrhunderts, nachdem diese U n t e r scheidung durch ihre Verknüpfung m i t der zwischen Absorptions- u n d Cumulationsprinzip praktische Bedeutung zugewachsen war, haben die Gegner dieser Differenzierung es deshalb f ü r erforderlich gehalten zu betonen, daß bei Idealkonkurrenz die V e r w i r k l i c h u n g der verschiedenen Tatbestände genau so real ist, w i e bei Realkonkurrenz, vgl. etwa Hälschner S. 672, Lobe S. 93, S. 125, Coenders S. 38 f. Aber die Vorstellung, daß es sich bei Idealkonkurrenz u m eine rechtlich u n d irgendwie virtuelle Mehrheit bei faktischer, also wirklicher Einheit handelt, scheint heute noch w i r k s a m zu sein, selbst bei Autoren, die einen tatbestandsunabhängigen Handlungsbegriff nicht anerkennen. So beschreibt Geerds S. 275 die Idealkonkurrenz als die „ A n w e n d barkeit mehrerer Strafgesetze auf ein tatsächliches Geschehen", die wegen der „abstrahierenden Tatbestandssystematik" unseres Gesetzes notwendig werde. 31 Dies geschah erst durch den oben Kap. I 2 diskutierten Satz „ E i n V e r brechen ist eine Handlung, also kann eine Handlung auch n u r ein Verbrechen sein".
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Aber auch nachdem das Absorptionsprinzip m i t dem naturalistischen Begriff vom vorgegebenen Handlungsindividuum eine ganz andere Grundlage erhalten hatte, galt es noch lange i n seiner ursprünglichen Ausschließlichkeit fort, wie es durch die Inkompatibilität der Strafen bedingt war. Die Verletzung des absorbierten milderen Gesetzes schlug nach h. L. weder bei der Strafzumessung zu Buche, noch schloß sie die Unterschreitung seiner Mindeststrafe aus, wo diese höher lag als die des strengeren. Solange das strenge Absorptionsprinzip herrschend war, hatte der Gesetzgeber also gar keine Veranlassung, innerhalb der Strafrahmen den Möglichkeiten der tateinheitlichen V e r w i r k lichung leichterer Delikte irgendwie Rechnung zu tragen; er hätte sich vielmehr m i t anerkannten Rechtsgrundsätzen (eben dem strengen Absorptionsprinzip) i n Widerspruch gesetzt, wenn er es getan hätte. Als sich dann die Auffassung von der Bedeutung der milderen Gesetze bei Idealkonkurrenz vom Absorptionsgrundsatz zu dem heute geltenden Kombinationsprinzip wandelte und schließlich der Wortlaut des § 73 a a. F. entsprechend geändert wurde, sah man dafür kein H i n dernis darin, daß die bisherigen Strafrahmenbemessungen des StGB vom Absorptionsgedanken ausgegangen waren. Die gesetzlichen Strafrahmen allein, die unter der Herrschaft verschiedener Auffassungen von der Idealkonkurrenz entstanden sind, begründen danach keine unbedingte Bindung an die gerade heute herrschende Lehre von der Handlungseinheit, ihrer begrifflichen Bestimmung und ihren Konsequenzen für den Strafausspruch. Schließlich ist noch nicht entschieden, ob es überhaupt möglich ist, einen tatbestandsunabhängigen Handlungsbegriff zu konstituieren, der den Vorstellungen entspricht, die die h. L. und auch der heutige Gesetzgeber von der Handlung hat, und diesem Handlungsindividuum dann alle Tatbestandsmerkmale und alle Verbrechensformen (Vorsatz- wie Fahrlässigkeitsdelikt, Begehungs- wie echtes und unechtes Unterlassungsdelikt) als Eigenschaften zuzuordnen. Viele Autoren, darunter fast alle Verfasser von Spezialuntersuchungen zu dieser Frage aus neuerer Zeit 3 2 , halten die Aufstellung eines solchen allgemeinen Handlungsbegriffs für unmöglich. Wenn sie recht haben, stellt die heute herrschende Interpretation des § 52 als Regelung des Zusammentreffens mehrerer Tatbestands Verwirklichungen i n „ein- und derselben natürlichen Handlung" nicht nur eine überflüssige Kollisionsnorm dar, wo 32 So Geerds S. 249, Maiwald S. 76 u n d S. 93 ff., Honig Studien S. 13, Otter S. 153 ff., insbesondere S. 187, WelzeI L B §2911, Jescheck A T §6612, erstaunlicherweise auch schon i n ZStW 67 S. 540. Entschieden gegen die Möglichkeit, einen f ü r alle Tatbestände anwendbaren allgemeinen Handlungsbegriff aufzustellen, haben sich schon Binding H B S. 565 ff. u n d Finger L B Bd. I S. 367 f. und Fußnote 475, auch Frank zu § 74, Anm. I ausgesprochen.
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keine Kollision, d. h. kein Widerspruch zwischen Gesetzen besteht; sie ist auch nicht nur ungerecht i n ihren Ergebnissen; sie ist dann vielmehr in sich sinnlos. Wenn nicht zu bestimmen ist, was eine Handlung i n einem naturgegebenen tatbestandsunabhängigen Sinne ist, wie soll dann der Richter die Anweisung befolgen, nur auf eine Strafe zu erkennen, wenn mehrere Tatbestände „durch ein- und dieselbe natürliche Handlung" verwirklicht worden sind, aber mehrere Strafen auszuwerfen, wenn die mehreren Tatbestände durch verschiedene Handlungen erfüllt sind? Aber w i r wollen diese Frage auch jetzt noch nicht beantworten 3 3 , ehe w i r die eigene Konzeption der Idealkonkurrenz auf ihre Tragfähigkeit h i n überprüft haben und darauf, ob sie ohne einen tatbestandsapriorischen Handlungsbegriff auskommt 3 4 . Es ist prekär, eine Begriffsbildung daraufhin zu untersuchen, ob sie gelungen ist oder auch nur gelingen kann, solange man sich — aus welchen Gründen auch immer — nicht sicher ist, bei negativem Ergebnis auch ohne sie auskommen zu können. Das zeigen gerade jene Autoren, die einen tatbestandsapriorischen Handlungsbegriff ausdrücklich abgelehnt haben. Sie alle haben dann m i t der sog. „Formel des RG" einen solchen Begriff implizit doch vorausgesetzt, w e i l sie keine andere Möglichkeit sahen, § 52 überhaupt anzuwenden 35 . Bis jetzt haben w i r den § 52 nur erklärt als die notwendige und angemessene Verknüpfungsregel zwischen Strafgesetzen, deren Tatbestandsmerkmale sich gegenseitig näher bestimmen. Aber unter welchen Bedingungen bestimmen sich Tatbestände gegenseitig? Ist es möglich, daß nur ein Teil der Merkmale eines Tatbestandes jeweils innerhalb des anderen als dessen nähere Bestimmung berücksichtigt werden kann, ein anderer Teil aber nicht? Können w i r diese Konstellationen nicht vermeiden, so stehen w i r vor der Alternative, entweder die überschießenden Merkmale des milderen Tatbestandes überhaupt nicht anzurechnen, oder sie doch i m strengeren unterzubringen und damit die Bindung der Strafzumessung an die nach den Tatbestandsbegriffen zulässigen Differenzierungskriterien zu mißachten 36 . Wenn mehr als zwei Tatbestände sich nur teilweise gegenseitig charakterisieren, entstehen überdies ähnliche Probleme, wie sie die h. L. unter dem Stichwort „Klammerwirkung" behandelt 37 . Schließlich genügt es auch nicht, i n abstracto festzustellen, welche Tatbestände i n dem Sinne inhaltsverwandt sind, daß sie sich gegenseitig i n ihrem Unwert33 34 35 3β 37
s. dazu u. K a p i t e l I V 2 u n d 3. s. hierzu u. K a p i t e l I I I 7. s. o. K a p i t e l I 2. Dazu u. K a p i t e l I 5, I I 3 u n d 5. s. u. K a p i t e l I I I 5.
2. Die „Auflehnung gegen die Rechtsordnung"
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gehalt näher bestimmen, sobald sie zusammentreffen. Es muß auch die Beziehung des Zusammentreffens von Tatbeständen bestimmt werden. Ist nicht jedenfalls dazu ein tatbestandsunabhängiger Begriff des Handlungsindividuums unentbehrlich, das den verschiedenen Tatbeständen als Gegenstand der Prädizierung substituiert werden kann 3 8 ? 2. Die einmalige „Auflehnung gegen die Rechtsordnung" als Grund der Einheit der Strafe bei Tateinheit Unsere Konzeption der Idealkonkurrenz würde i m Vergleich zur h. L. zu keinerlei Einschränkungen des Anwendungsbereichs dieses Rechtsinstituts führen, wenn sich herausstellt, daß alle Tatbestände ein Unwertelement gemeinsam haben, das dann doppelt verwertet würde, wenn mehrere von ihnen nebeneinander auf ein Individuum angewandt werden. Baumgarten hat die Idealkonkurrenz auf einen solchen, nach allen Tatbeständen, unabhängig von ihrem Inhalt, relevanten Grund jeder Strafe gestützt, den er als „die Auflehnung des Täters gegen die Rechtsordnung" beschreibt 1 . Sehen w i r von der Frage ab, ob sich ein Begriff der Auflehnung gegen die Rechtsordnung bilden läßt, der auch alle Fahrlässigkeit^ delikte, inklusive der unbewußten Fahrlässigkeit und der sog. Vergeßlichkeitsdelikte umfaßt, so drängt sich doch schon für den Bereich der Vorsatzdelikte die Frage auf, ob die Auflehnung gegen die Rechtsordnung ihr notwendiges Element ist. Denn wie man diesen Begriff auch bestimmen mag, man w i r d nicht diejenigen Fälle unter i h n subsumieren können, i n denen der Täter überzeugt war, sich i m Rahmen der Rechtsordnung zu halten, i n denen i h m also jedes Unrechtsbewußtsein fehlte. Das Unrechtsbewußtsein w i r d aber nur von der Vorsatztheorie i n ihrer strengsten Form zur notwendigen Bedingung der Strafbarkeit aus einem Vorsatzdelikt gemacht. Indessen brauchen w i r uns m i t dem Streit um die Notwendigkeit des Unrechtsbewußtseins hier nicht weiter auseinanderzusetzen. Die sog. Schuldtheorie könnte das Argument von Baumgarten allenfalls auf diejenigen Fälle einschränken, i n denen ein Unrechtsbewußtsein tatsächlich vorhanden war. Außerdem ließe sich für die Fälle, i n denen es fehlt, vielleicht ein ähnliches allgemeines Unwertkriterium aller Tatbestände formulieren, wie etwa „betätigte Gleichgültigkeit gegen die Rechtsordnung" oder „Rücksichtslosigkeit gegen die Rechte anderer". Wenn diese Erklärung der Idealkonkurrenz richtig ist, so ergibt sich zunächst eine Teilidentität aller Strafzumessungsnormen, und damit 38 s. dazu u. K a p i t e l I I I 7. 1 Festschr. für Frank, S. 192 f., Idealkonkurrenz, S. 49 ff. 10 Puppe
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I I I . Die Konzeption der Idealkonkurrenz
für unsere Auffassung der Idealkonkurrenz folgende Alternative: Entweder müssen w i r nachweisen, daß alle Tatbestände Unrechts- bzw. Schuldvariable für die Merkmale aller anderen enthalten, deren Begehung m i t ihnen i n Tateinheit möglich ist und die milder sind; oder w i r müßten bei Tateinheit von ihrem Unrechtsgehalt nach heterogenen Tatbeständen auf die Bestrafung nach dem milderen Gesetz ganz verzichten. Je nachdem, welches Gewicht man dem Unwert der Auflehnung gegen die Rechtsordnung i m Vergleich zu den übrigen Unrechtselementen des zurückgetretenen Tatbestandes zumißt, w i r d man diese Ergebnisse als mehr oder weniger b i l l i g empfinden 2 . I n Wahrheit stehen w i r aber gar nicht vor dem geschilderten Dilemma. Auch wenn man zugibt, daß die Auflehnung gegen die Rechtsordnung ein allen Tatbestandsverwirklichungen gemeinsamer Strafgrund ist, ergibt sich noch nicht, daß bei einem Zusammentreffen mehrerer Tatbestandsverwirklichungen i n einer Handlung diese Eigenschaft identisch ist. Das setzt nämlich voraus, daß sie eine Eigenschaft der Handlung ist und auf einer Stufe m i t den Tatbestandsmerkmalen als Eigenschaften der Handlung steht. Versuchen w i r näher zu erklären, was eine einmalige Auflehnung gegen die Rechtsordnung ist, so können w i r etwa sagen, sie ist der bewußte Ungehorsam gegen eine Rechtsnorm. I n dieser Begriffserklärung kommt neben der Handlung die verletzte Rechtsnorm vor, und es w i r d zwischen beiden eine Beziehung hergestellt. Dies ist der Gegenstand, den w i r „die Auflehnung gegen die Rechtsordnung" nennen. Aber danach gibt es mindestens so viele Auflehnungen gegen die Rechtsordnung, wie Normen verletzt sind, gleichgültig, ob durch eine oder mehrere Handlungen. Auch von einer Teilidentität dieses Gegenstandes deshalb zu sprechen, w e i l eines der Glieder der Beziehung, die Handlung, identisch ist, wäre falsch. Es hätte ebensowenig Sinn, wie von zwei Punkten i m ebenen Koordinatensystem zu behaupten, sie seien teilidentisch, w e i l sie den gleichen X - W e r t haben. Eine Beziehung 3 besteht nicht aus ihren Gliedern wie 2 Baumgarten erkennt der Auflehnung gegen die Rechtsordnung als U n wertelement jeden Verbrechens bezeichnenderweise ein relativ zu den ü b r i gen Unwertmomenten großes Gewicht zu. I n Idealkonkurrenz S. 83 nennt er sie den „ K e r n jedes Verbrechens". 3 W i r gebrauchen hier u n d i m ganzen folgenden Text den Ausdruck Beziehung i n einem anderen Sinne als dies i n der Semantik u n d der Mathematik üblich ist. Dort versteht man unter einer Beziehung oder Relation die Klasse der geordneten Paare, T r i p e l oder sonst n-Dupel, die zueinander i n dem angegebenen Verhältnis stehen. Eine Relation ist also eine Klasse, die nicht durch ein einstelliges, sondern durch ein mehrstelliges Prädikat gebildet w i r d (vgl. Carnap, Aufbau, S. 54). Sie ist die Extension eines zwei- oder mehrstelligen Prädikats. Den Ausdruck Relation verwenden w i r ebenfalls i n diesem Sinne. Beziehung u n d Relation sind also f ü r uns nicht synonym. W i r wollen unter Beziehung aber jeweils ein solches geordnetes Paar (n-Dupel) verstehen. Die Bezeichnung „Beziehung" f ü r das einzelne geordnete Paar entspricht einem i n der Umgangssprache wie auch i n juristischen Texten
2. Die „Auflehnung gegen die Rechtsordnung"
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e i n Ganzes aus seinen T e i l e n , s o n d e r n i s t i m V e r h ä l t n i s z u i h r e n G l i e dern ein Gegenstand höherer O r d n u n g 4 . N u n k a n n m a n versuchen, d e m G e g e n s t a n d „ A u f l e h n u n g gegen d i e R e c h t s o r d n u n g " eine B e s t i m m u n g z u geben, die n i c h t die einzelne verletzte N o r m enthält, sondern an i h r e r Stelle einen Ausdruck für etwas, das a l l e n R e c h t s n o r m e n g e m e i n s a m ist. B l e i b t a u f d e r a n d e r e n S e i t e d e r B e z i e h u n g „ d i e H a n d l u n g " stehen, so w ü r d e sich daraus ergeben, daß a u c h j e n e r Gegenstand h ö h e r e r O r d n u n g (die H a n d l u n g i n i h r e r B e z i e h u n g z u diesem g e m e i n s a m e n K r i t e r i u m a l l e r N o r m v e r l e t z u n g e n ) f ü r eine H a n d l u n g n u r e i n m a l k o n s t i t u i e r t w e r d e n k a n n . M a n k ö n n t e e t w a sagen: d i e u n w e r t h a l t i g e Eigenschaft, eine A u f l e h häufigen Sprachgebrauch, dem w i r uns hier deshalb anschließen, w e ü A u s drücke, w i e geordnetes Paar, oder T r i p e l beim nicht semantisch oder mathematisch vorgebildeten Leser die Fehlvorstellung erwecken, daß es sich hier u m eine A r t Zusammenstellung v o n Gegenständen handelt, die innerhalb dieser Zusammenstellung selbständige Bestandteile bleiben, so daß m a n jede Aussage über das Paar als zwei Aussagen über seine Glieder verstehen u n d so das Paar i n jedem K o n t e x t wieder i n seine Glieder zerlegen kann. Wie w i r noch sehen werden, ist aber ein solches Paar, also eine Beziehung i n unserem Sinne, ein i m Verhältnis zu seinen Gliedern i n gewissem Sinne neuartiger u n d selbständiger Gegenstand, der nicht verwechselt werden darf m i t einer Aufzählung der Glieder, aber auch nicht m i t der Klasse seiner Glieder. Der Unterschied zwischen einer Aussage über die Beziehung i n unserem Sinne (das geordnete Paar) u n d „das Paar" als Aufzählung seiner Glieder sei hier aber schon an einem Beispiel anschaulich gemacht. Der A u s druck „ein nettes Ehepaar" bedeutet als Aussage über die Glieder dreierlei: daß erstens ein M a n n nett ist, zweitens eine F r a u nett ist, drittens diese beiden verheiratet sind. Wenn ich n u n aber ausdrücken w i l l , daß zwei eine gute Ehe führen u n d nett zueinander sind, k a n n ich ebenfalls sagen „ein nettes Ehepaar". A b e r das W o r t Ehepaar bedeutet dann nicht einfach die beiden verheirateten Personen, sondern einen anderen Gegenstand, eben deren Ehe als Beziehung. Dieser neue Gegenstand ist m i t H i l f e des zweistelligen Prädikats „verheiratet sein m i t " aus den I n d i v i d u e n konstituiert, die das Paar bilden, u n d der Satz über die Beziehung ist auch übersetzbar i n einen Satz über die Eheleute, aber der hätte dann eine andere Form, als die Aussage über die Relation. Er würde etwa lauten: „Die Eheleute benehmen sich nett zueinander." Unser Begriff von Beziehung darf auch nicht verwechselt werden m i t der Intension des mehrstelligen Prädikats, das die Beziehung herstellt. Beziehung i n unserem Sinne ist nicht etwas, was zwischen den Gliedern besteht, sondern ein selbständiger K o m p l e x aus den Gliedern. I n der Semantik w i r d das, was w i r hier Beziehung nennen, oft auch einfach als Sachverhalt oder Aussagename bezeichnet, w o es nicht nötig ist, sie von Aussagen m i t einstelligen Prädikaten terminologisch zu unterscheiden, vgl. z. B. Freundlich S. 50. Dabei w i r d durch die Bezeichnung als Name deutlich gemacht, daß hier die Aussage als Gegenstand weiterer Aussagen fungiert. W i r übernehmen auch diese Ausdrucksweise deshalb nicht, w e i l sie auf den m i t der Prädikatenlogik höherer Stufe nicht Vertrauten fremdartig w i r k e n muß u n d zu Verwechslungen etwa m i t grammatischen oder sonst metasprachlichen Aussagen über den Aussagesatz führen kann. 4 Sie die vorhergehende Fußnote u n d u. Kap. I I I 3 ff. allgemein zum U n t e r schied zwischen einem aus Teilen bestehenden Ganzen u n d einem aus Gegenständen niederer Stufe konstituierten selbständigen Komplex, Carnap A u f b a u S. 35 ff. io