Wunderbegriffe und logische Analyse 9783666562198, 9783525562192


115 12 28MB

German Pages [464] Year 1967

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Wunderbegriffe und logische Analyse
 9783666562198, 9783525562192

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

URBAN FORELL

Wunderbegriffe und logische Analyse Logisch-philosophische Analyse von Begriffen und Begriffsbildungen aus der deutschen protestantischen Theologie des 20. Jahrhunderts

V A N D E N H O E C K & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Edmund Schlink Band 17 Der schwedische Teil des Manuskripts übersetzt von Christiane Boehncke-Sjöberg

Gedruckt mit Unterstützung des schwedischen Staates © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1967 Printed in Sweden Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen Herstellung: Berlingska Boktryckeriet, Lund 1967 8688

Meinem

Vater

Pfarrer D. Birger Foreil in piam memoriam

Vorwort

Im letzten halben Jahrhundert haben die mathematische Logik und die auf ihren Begriffen und Methoden fußende analytische Philosophie einen unwahrscheinlichen Aufschwung genommen. Die Anwendbarkeit der modernen Logik und der ihr nahe verwandten analytischen Sprachphilosophie (Semantik) hat sich auf immer mehr Gebieten gezeigt, von mathematischer Grundlagenforschung, Wissenschaftstheorie und Kybernetik bis zur Spieltheorie, Werttheorie, Rechtswissenschaft, Ethik und den alten grundlegenden philosophischen Problemen. Es liegt für einen Religionsphilosophen nahe, auch nach der Verwendbarkeit der modernen Logik und analytischen Philosophie in der Religionsphilosophie zu fragen. Auch hier hat diese sich gezeigt, obwohl bisher meist in Ausführungen mit weitgehenden Verallgemeinerungen über die Religion und die religiöse Sprache. Besonders interessant ist es aber zu erforschen, was die analytische Philosophie ausrichten kann in der direkten Arbeit an theologischen Texten, um Begriffe und Gedanken in den Texten zu präzisieren und rational zu rekonstruieren. Dabei ist es natürlich von großer Bedeutung, daß das Textmaterial nach irgend welchen Prinzipien ausgewählt wird. Deshalb ist es angebracht, das Material aus einem bestimmten Gebiet zu wählen, das sachlich-thematisch sowohl wie sprachlich, national, zeitlich und konfessionell einigermaßen abgegrenzt und geschlossen ist. Ein solches Gebiet, dessen Textmaterial in der hier erwähnten Hinsicht einiges verspricht, ist die Wunderdiskussion im deutschsprachigen Europa auf protestantischem Boden in diesem Jahrhundert. Die hier vollzogene Wahl des Rahmens für das angeführte Material bildet sogar ein zu großes Thema, wenn alle dort diskutierten Probleme, die auch nur von logischem Interesse und von Interesse für die analytische Philosophie sind, behandelt werden sollen. Innerhalb dieses Rahmens ist es deshalb notwendig gewesen, eine thematisch-sachliche Begrenzung vorzunehmen. Das Studium der Begriffsbildungstypen und derjenigen Bestimmungselemente in Wunderbegriffen, die mit dem Wundertäter und mit dem Beobachter des Wunders und mit der Kommunikation zwischen ihnen 5

durch das Wunder zu tun haben, bildet schon ein sehr großes Thema, das aber auch einigermaßen abgeschlossen ist. Die Seiten der Wunderfrage, die mit wissenschaftstheoretischen Problemen der Naturwissenschaften und der Statistik zu tun haben, mußten aus dieser Arbeit fortgelassen werden. Es ist meine Hoffnung, diese Probleme in einer folgenden größeren Arbeit zu behandeln. Wenn ich nach Abschluß der Arbeit zurückblicke, erfüllt mich große Dankbarkeit. Mein erster Lehrer in Religionsphilosophie war der verstorbene Professor Harald Eklund. Ich werde seine Persönlichkeit und seinen Unterricht immer in dankbarer Erinnerung behalten. Dozent Tord Simonsson hat sich sehr um meine Arbeit bemüht, sowohl mit Kritik wie mit Ratschlägen. Er hat mich auch auf das Thema hingewiesen und eine Vorstudie zu dieser Arbeit als Lizentiatenarbeit angenommen. Mein jetziger Lehrer, Professor Hampus Lyttkens, kam in einem entscheidenden Stadium meiner Arbeit als Professor nach Lund, und seine Anleitung mit Ratschlägen sowohl wie wertvoller Kritik hat mir bei der Ausformung meiner Arbeit sehr geholfen. Professor Lyttkens sowohl wie Dozent Simonsson möchte ich meinen aufrichtigsten Dank aussprechen. Diese Arbeit hätte ich aber nicht schreiben können ohne sehr umfassende Fachstudien in Philosophie. Den entscheidenden Unterricht verdanke ich hier Herrn Professor Gunnar Aspelin. Seine Persönlichkeit und sein Unterricht, den ich jahrelang genossen habe, gehören zu meinen wertvollsten Erinnerungen. Sein Nachfolger, Professor Sören Hallden, hat mir durch eine äußerst strenge Musterung auch von Einzelheiten des Entwurfs zum ersten Teil entscheidend geholfen. Auch hat er mich veranlaßt, schon in einem relativ frühen Stadium die Arbeitsaufgabe zu begrenzen. Ihm und Professor Gunnar Aspelin möchte ich meinen tiefsten Dank aussprechen. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Theo Siegfried in Marburg, dessen Freundlichkeit ich es zu verdanken habe, daß einige Wochen in Marburg für meine Arbeit maximal ausgenutzt werden konnten. Der hochwürdigen theologischen Fakultät der Universität Lund will ich auch meinen ehrerbietigsten Dank aussprechen für Unterricht und finanzielle Unterstützung. Meine Arbeit ist auch durch Diskussionen mit Kameraden in vielen Seminarübungen gefördert worden. Ich danke den Mitgliedern der beiden Oberseminare in Religionsphilosophie und in theoretischer Philosophie in Lund. In dem Endstadium der Arbeit ist die Mitwirkung von Frau Dr. phil. Christiane Boehncke-Sjöberg besonders wichtig gewesen. Sie hat einen Teil der Arbeit vom Schwedischen ins Deutsche übersetzt und die übrigen Teile, die ich selbst auf Deutsch geschrieben habe, sprachlich gemustert 6

und korrigiert. Die Bibliographie hat Fräulein Fil. mag. Ing-Marie Werkström aufgestellt; das Personenregister hat Frau Pol. mag. Karin Andren, das Sachregister Teol. lie. Fil. kand. Jan Olov Tejde ausgearbeitet. Allen gebührt mein herzlicher Dank, den ich auch an alle diejenigen richten möchte, die mir beim Korrekturlesen und beim Ausschreiben des Manuskripts geholfen haben. Das zwölfte Kapitel meiner Arbeit ist in etwas kürzerer Form als Aufsatz in der 'Neuen Zeitschrift für systematische Theologie und Religionsphilosophie' 8. Band, Heft 3 veröffentlicht worden unter dem Titel „Wunder und Nicht-Objektivierbarkeit bei Bultmann vom logischen Gesichtspunkt aus". Ich danke dem Verlag Alfred Töpelmann in Berlin dafür, daß ich den Aufsatz in etwas erweiterter Form in meine Arbeit aufnehmen durfte. Meine beiden verstorbenen Eltern behalte ich in dankbarster Erinnerung. Die Finanzierung meiner gesamten Studien ist im wesentlichen durch sie erfolgt. Für großartige persönliche Unterstützung und Hilfe in den Jahren seit dem Tode meines Vaters danke ich besonders Fräulein Hertha Lattermann. Lund, im Februar 1967.

7

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

5

Einleitung

13

A. B. C. D.

13 16 19 22

Aufgabe und Methode Inhalt und Disposition Material und Literatur Interpunktion, Zitierung und Ausgestaltung der Anmerkungen . . . TEIL I Begriffsbildung,

Definition,

Begriff

Kap. x. Adäquatheitsbedingungen für Definitionen. Die allgemeine Struktur einer Begriffsbildung

25

A. Der Begriff 'Adäquatheitsbedingung für eine Definition' B. Einige Beispiele aus dem Material von Adäquatheitsbedingungen für Definitionen von Wunderbegriffen C. Logische Beziehungen zwischen Definitionen und Adäquatheitsbedingungen, und zwischen Momenten in den Begriffsbildungen überhaupt D. Stipulative Sätze, Werteinschätzung und Überredung

41 47

Kap. 2. Begriffsbildungen verschiedener Wunderbegriffe, umfängen und Einzelfällen ausgehen

49

die von Begriff s-

A. Extensionale Begriffsbildung, die von einzelnen Fällen und nicht-leeren Teilklassen des Begriffs ausgeht B. Begriffsbildung, die sich auf solche Fälle des Begriffs bezieht, die von anderen Quellen erwähnt und erörtert werden C. Umfangs- und Exemplarwahl, die sich auf Umfänge von Begriffen in anderen Quellen beziehen

Kap. 3. Begriffsbildungen verschiedener Wunderbegriffe, inhalten ausgehen

die von Begriffs-

A. Begriffsbildung, die von Konnotationen des Sprachgebrauchs ausgeht B. Begriffsbildung mit Bezug auf Begriffe in anderen Quellen unabhängig von den Worten, die die Quellen als Bezeichnung der Begriffe verwenden

25 32

'50 58 67

79 79 88 9

C. 'Die Frömmigkeit', 'die religiöse Erfahrung', 'die christliche Offenbarung' und ähnliche extensional unbestimmte Startpunkte der Begriffsbildung D. Logische Analyse von Sätzen über Begriffe bei extensional unbestimmten Gedankensubjekten wie der 'Frömmigkeit' u. dgl. Analytische und synthetische Sätze in der Begriffsbildung

110

Kap. 4. Begriff und Bestimmungselement

119

A. Die logische Relation zwischen Definiendum und Definiens: die Begriffe 'notwendige bzw. hinreichende logische Bedingung' B. Logische Beziehungen zwischen Bestimmungselementen und Wunderbegriffen C. Die Unterscheidung zwischen partikularen und totalen Wunderbegriffen. Die Beziehungen zwischen über- und untergeordneten Begriffen D. Die Stellung dieser Untersuchung zu dem analysierten Material. Die Begriffsbildungstypen und die künftige Analyse der Bestimmungselemente

96

119 124 129 137

T E I L II

Werk, Handlung, Ergebnis Kap. 5. Die Person des Wundertäters

145

A . Logische Beziehungen zwischen dem Bestimmungselement 'Werk Gottes' und Wunderbegriffen B. Der Umfang der Wirksamkeit Gottes. Konsequenzen der Auffassung, daß alles von Gott gewirkt sei C. Die Frage anderer Wundertäter als Gott D. Wunderbegriffe, die andere Wundertäter als Gott gestatten. Das Verhältnis verschiedener Wundertäter zueinander

167

Kap. 6. Handlung und Ergebnis

177

A. Die Bestimmung 'Werk Gottes' als eine Disjunktion von zwei Alternativen: Handlung oder Resultat B. Ketten von Resultaten. Die Teil- Ganzheitsrelation in ihrer Anwendung auf Handlungen, Ereignisse und deren Resultate C. Wunderbegriffe, die unter Berücksichtigung des Resultates des Wunders bestimmt werden: einfachere Fälle D. Komplexere Fälle: Bestimmungselemente, die das 'Gegensatzverhältnis' des Wunders zu etwas, z.B. zu 'Sünde' und 'Verderben', enthalten . . Kap. 7. Die Motive des Wundertäters. Motive und Resultate

145 155 163

177 183 188 196 207

T E I L III

Beobachter, Eindruck, Erkenntnis Kap. 8. Der Eindruck des Wunders auf den Beobachter

215

A. Einleitende Materialbeispiele und Begriffsdistinktionen. Die Begriffe 'auslösende Ursache' und 'Gegenstand' eines Wundererlebnisses . . .

216

10

B. Der Begriff 'Beobachter' und 'beobachten'. Direktes Beobachten oder Beobachten mittels der Sprache oder des Gedächtnisses C . Bestimmungselemente, die sich auf den intentionalen Inhalt des Wundererlebnisses beziehen D. Relationen zwischen dem Wunderobjekt und dem intentionalen Inhalt des Wundererlebnisses. Die logische Stellung eines intentionalen Inhalts E. Wunder im Verhältnis zu verschiedenen Beobachtern. Die logische Struktur der behandelten Bestimmungselemente Kap. 9.

Hilfsbegriffe und Kategorien mit dem Wundererlebnis

von Wundern im

222 231 238 244

Zusammenhang 254

A. Die Beschaffenheit des Beobachters als eine kausale Bedingung f ü r das Wundererlebnis B. Einige analytische Gesichtspunkte in bezug auf die Dispositionsbegriffe C. Beispiele aus dem Material f ü r verschiedene Kategorien von Wundern im Rahmen von Wunderbegriffen, die sich auf die Art des Wundererlebnisses beziehen D. Übersicht und Analyse der Kategorien von Wundern innerhalb des Umfangs von Bestimmungselementen, die das Wunder bestimmen, indem sie die Art des Wundererlebnisses bestimmen

254 263

268

281

Kap. 10. Das Wundererlebnis, die Begriffsbildung und die Sprache des Beobachters. Der Beobachter des Wunders und das Wort „Wunder"

288

Kap. Ii. Der Wissensstatus des Beobachters

298

A . Beispiele aus dem Material für Bestimmungselemente, die die Beziehung des Wunders zum Wissensstatus des Beobachters bestimmen . . . . B. Analytische Gesichtspunkte in bezug auf die Beziehung des Wunders zum Wissensstatus des Beobachters Kap. 12. Das Nicht-Objektivierbare

298 305 319

A . Das Wunder als etwas Nicht-Objektivierbares in der Darstellung Bultmanns B. Allgemeine logische Strukturzüge der Begriffe 'Objektivierung' und 'Nicht-Objektivierbarkeit' C. Präzisierende Analyse der Begriffe 'Objektivierung' und 'Nicht-Objektivierbarkeit' D. Anwendung der Analyse auf Beispiele aus dem Material, die mit Bestimmungen von Wunderbegriffen zu tun haben

319 328 335 344

T E I L IV Zeichen, Kap. 13. Die Bezeichnungsfunktion der Bezeichnete

Kommunikation des Wunders und das von dem Wun-

A . Einleitende Materialbeispiele für den Zeichenbegriff als Bestimmungselement in Wunderbegriffen

357 357 II

B. Bezeichnung und Ausdruck. Der allgemeine Zeichenbegriff und die Bezeichnungsfunktion des Wunders C. Das von dem Wunder Bezeichnete in Bestimmungen von Wunderbegriffen und von Wundern im Material D. Die logische Struktur verschiedener Typen von Sätzen über Bezeichnungsbeziehungen : E. Der Unterschied zwischen realen und fiktiven Bezeichnungsbeziehungen Kap. 14. Der Absender, der Empfänger und ihre Bedeutung für die Bezeichnungsbeziehung A. Zwei Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung: die Bedingungen des Absenders und des Empfängers B. Beispiele im Material zur Bedingung des Absenders, mit analytischen Kommentaren C. Beispiele im Material für die Bedingung des Empfängers, mit analytischen Kommentaren D. Ein zweiter Bezeichnungsbegriff, gegründet auf eine modale Schwächung der Bedingung des Empfängers E. Die logische Struktur und die Beziehungen der Bedingungen des Absenders und des Empfängers zu Bestimmungselementen, die sich auf den Wundertäter und auf den Beobachter beziehen

361 368 376 384

392 392 400 406 411 416

Kap. 15. Kommunikation und Offenbarung

425

A. Allgemeine logische Analyse der Kommunikationsbeziehung . . . . B. Eine Wundertheorie im Material, die die Kommunikationsbeziehung und den Offenbarungsbegriff aktualisiert

425

Schlußanmerkung über das Problem der anthropomorphen Gottesaussagen

446

Literaturverzeichnis A. Objektmaterial für die Untersuchung

449 449

B. Literatur, die nur in der Analyse verwendet worden ist

452

Abkürzungsverzeichnis

454

Personenregister

455

Sachregister

457

12

431

Einleitung

Α. Aufgabe und Methode Bei einem Studium von modernen Erörterungen der Wunderfrage bei deutschsprachigen protestantischen neutestamentlichen Exegeten und systematischen Theologen zeigt es sich, daß man mit einer ganzen Reihe von Wunderbegriffen und nicht nur mit einem einzigen Wunderbegriff arbeitet. Auch innerhalb der deutschen protestantischen Diskussion ist das Wort „Wunder" ein mehrdeutiges Wort. Diese Abhandlung wird sich die Aufgabe stellen, Wunderbegriffe zu untersuchen, die in der deutschsprachigen protestantischen neutestamentlichen Exegetik und systematischen Theologie in Europa belegt werden können. Eine Analyse verschiedener Begriffe soll ausgeführt werden, die in dem erwähnten Material durch das Wort „Wunder" oder durch gewisse Zusammensetzungen mit dem Wort „Wunder" wie z.B. „wunderbar" bezeichnet werden. Eine Begriffsanalyse verschiedener Wunderbegriffe ist an und für sich gleichbedeutend mit einer Analyse von verschiedenen Bedeutungen des Wortes „Wunder" in dem gewählten und angeführten Material. In dieser Untersuchung werden keine eigenen Definitionen von „Wunder" und keine eigenen Behauptungen über Wunder gemacht oder versucht, sondern es wird sich hier um eine Begriffsanalyse gänzlich auf Grund von Definitionen und Aussagen oder Versuchen zu Definitionen bei anderen Verfassern in dem Material handeln. Textabschnitte dieser Verfasser bilden den Gegenstand der Analyse in dieser Untersuchung, und die eigenen Definitionen und Aussagen dieser Verfasser bilden das Material, das als Beispiele diejenigen Kategorien belegt, die die Begriffsanalyse aufstellt. Die Aufgabe dieser Abhandlung ist aber hiermit noch nicht genügend umrissen. „Begriffsanalyse" kann viele verschiedene Dinge bedeuten. Im Rahmen einer Begriffsanalyse kommen außerdem noch andere Begrenzungen der Aufgabe hinzu - nämlich im Hinblick auf Gesichtspunkte, die logische Struktur und logische Kategorien betreffen. Das entspricht auch genau dem Hauptinteresse dieser Untersuchung, das darauf hinausläuft, ein theologisches Material mit der modernen Logik und der modernen analytischen Philosophie zu konfrontieren und das angeführte Material mit den Begriffen und Methoden dieser Disziplinen zu präzisieren und zu analysieren. i3

Die Aufgabe dieser Untersuchung wird zum Teil darin bestehen, mit dem gegebenen Material als Ausgangspunkt verschiedene Bestimmungselemente logisch zu klären, die als logische Bedingungen für einzelne Wimderbegriffe dienen oder in ihnen enthalten sind. Auch rein logische Beziehungen der Bestimmungselemente zueinander werden untersucht, wenn solche Beziehungen bestehen, die nicht unter den trivialen Fall der logischen Unabhängigkeit zwischen Bestimmungen fallen. Zum anderen werden die verschiedenen Kriterien dargestellt und analysiert, die von Verfassern in dem Material aufgestellt und angedeutet werden als Ausgangspunkt für Bestimmungen von Wunderbegriffen in dem Material, zusammen mit den verschiedenen Arten der Begriffsbildung, die in bezug auf Wimderbegriffe in dem Material belegt werden können. Diese Abhandlung behandelt Wunderbegn'//e. Eine Erörterung der Frage, ob Wunder wirklich stattgefunden haben oder nicht, und Argumente für oder gegen die Faktizität der Wunder werden hier nicht gegeben. Zu dieser Frage wird nicht Stellung genommen, und deshalb wird auch nicht diskutiert, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß Wunder wirklich stattgefunden haben. Diese Frage kann mit um so größerem Recht fortgelassen werden, als in der Inhaltsbestimmung eines Begriffs niemals die Antwort auf die Frage enthalten ist, ob der betreffende Begriff in der Wirklichkeit zutrifft oder nicht1. Weil es sich hier um eine Begriffsanalyse, genauer gesagt eine logische Analyse, handeln wird, so wird das Zutreffen von Begriffen in der Wirklichkeit, wenn überhaupt, nur als Glied innerhalb von Implikationen, d.h. nur in konditionaler Form, behandelt werden. Es dreht sich dann nur um die logischen Konsequenzen der Annahme, daß ein bestimmter Begriff in der Wirklichkeit zutrifft. In bezug auf jede bestimmte Stelle innerhalb eines Textes, wo das Wort „Wunder" in einem Satz vorkommt, kann man von einer Textstelle des Wortes „Wunder" sprechen2. Bei Textstellen des Wortes „Wunder" in dem hier behandelten Material ist es oft schwer zu entscheiden, ob es sich um eine Definition eines Wunderbegriffs oder um eine mehr oder weniger grundsätzliche Aussage über Wunder handelt. Die begriffsanalytische Untersuchung hier muß auch Aussagen über Wunder, nicht nur Definitionen, beachten, die auch wichtige Auskunft über begriffliche Zusammenhänge geben können. Eine Hauptaufgabe der Untersuchung wird es sein, die logische Form und Struktur derjenigen Sätze aus dem Material, die überhaupt analysiert 1

Daß andererseits ein Begriff eine Abstraktion aus der Wirklichkeit ist, ist insofern wahr, als einfache Begriffe aus der Wirklichkeit stammen müssen. Zusammengesetzte Begriffe brauchen dagegen nicht auf etwas Wirkliches zuzutreffen. 2 Vgl. den Begriff 'occurrence' bei Naess, Interpretation and preciseness. A contribution to the theory of communication, 6 f. 14

werden, zu explizieren soweit dies erforderlich ist, um die logische Struktur der Bestimmungselemente und die logischen Beziehungen der Bestimmungselemente zu verschiedenen Wunderbegriffen [Teil II-IV) und um die Arten der Begriffsbildung [Teil I) zu analysieren. Die Explikation der logischen Struktur von Sätzen aus dem Material führt zu einer Präzisierung dieser Sätze auf solche Punkte, die von zentralem logischen Interesse sind. Sätze aus dem Material werden so weit präzisiert, wie es erforderlich ist, damit sie als Beispiele scharfer Klassifikationen und Grenzziehungen von logischem und semantischem Interesse dienen können. Die Explikation der zum großen Teil getarnten logischen Struktur in gewissen Sätzen des Materials bildet ein Glied einer weiteren Aufgabe, die man rationale Rekonstruktion im Verhältnis zum Material nennen könnte". Diese rationale Rekonstruktion enthält auch die Explikation mancher logischen Beziehungen zwischen Sätzen in demselben Kontext oder bei verschiedenen Verfassern, die im Material implizite enthalten sind, deren sich aber die betreffenden Verfasser oft nicht selbst explizite bewußt sind. Ein Verfasser kann es selbst unterlassen, gewisse logische Konsequenzen eigener Aussagen auszusprechen. Einige solche logischen Konsequenzen von Sätzen in dem Material werden uns hier interessieren, weil sie logische Strukturfragen und logische Beziehungen zwischen Begriffen oder Sätzen erhellen. Sonst liefern die eigenen Intentionen der Verfasser in den angeführten Materialkontexten eine Richtschnur für die rationale Rekonstruktion, die hier ausgeführt werden soll. Die rationale Rekonstruktion wird sich innerhalb des Rahmens dessen halten, was als angemessene Deutungen der Intentionen des Materials angesehen werden kann, und dadurch wird dann auch bestimmt, wie weit die logische Analyse und die Präzisierungen in einzelnen Fällen gehen können. Die rationale Rekonstruktion geschieht am besten durch das Aufstellen von systematischen Disjunktionen, die je eine Reihe verschiedener Alternativen von Kategorien, Begriffen oder Sätzen umfassen. Solche systematischen Disjunktionen mit verschiedenen Alternativen kommen in der Darstellung von Begriffsbildungstypen und von Kriterien für Bestimmungen von Wunderbegriffen im ersten Teil und in der Darstellung der Bestimmungselemente und ihrer logischen Beziehungen zu anderen Begriffen in den übrigen Teilen vor. Die Wahl der systematischen Disjunk3

V g l . den Terminus „rationale Nachkonstruktion" in Carnap, Der logische A u f b a u der

Welt. [Siehe dort besonders §§ 54, 100, 1 4 3 ] . V g l . auch die Anwendung des Terminus „rational reconstruction" bei Reichenbach, Experience and prediction. A n analysis of the foundations and the structure of knowledge, 5 f . Doch handelt es sich in diesen Arbeiten nicht um eine logische Rekonstruktion vorliegender Texte.

15

tionen ist natürlich durch das Material bestimmt. Nur solche systematischen Disjunktionen werden angewendet, in welchen mindestens mehrere Alternativen in dem Material belegt werden können. In vielen Fällen wird keine logisch vollständige Disjunktion angestrebt, sondern diejenigen Alternativen werden angeführt, die in dem Material vorhanden sind. So wird z.B. nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, daß es mehr Begriffsbildungstypen von Begriffen überhaupt innerhalb der Wissenschaft geben kann, als diejenigen, die hier im ersten Teil dargestellt werden. B. Inhalt und Disposition Der erste Teil enthält sowohl eine Darstellung der Bedeutung meiner eigenen allgemeinen logisch-semantischen Analysentermini wie eine Analyse derjenigen Textbeispiele des Materials, in denen Kriterien als Ausgangspunkt für Bestimmungen von Wunderbegriffen und Momente von Begriffsbildungen aufgestellt werden oder implizite enthalten sind. In dem ersten Teil werden teils die allgemeinen technischen Termini der rationalen Rekonstruktion so weit bestimmt, wie es für das Verständnis ihrer logischen Struktur und Anwendung notwendig ist, und teils werden auch einzelne Begriffsbildungen und Kriterien für adäquate Bestimmungen von Wunderbegriffen in dem Material dargestellt. Die in der Abhandlung behandelten Bestimmungselemente werden im zweiten, dritten und vierten Teil behandelt. Der zweite Teil behandelt solche Bestimmungselemente in Wunderbegriffen, die sich auf die Person des Wundertäters, auf das Motiv des Wundertäters für die Hervorbringung des Wunders und auf das Resultat des Wunders beziehen. Solche Bestimmungen sind z.B. 'Werk oder Handlung Gottes' ( = 'gewirkt von Gott'), 'Werk [Gottes) zu unserem Heil' und 'heilbringend'. Die Begriffe der Handlung, des Ereignisses und des Resultats werden in diesem Teil Hauptbegriffe für die Analyse - die Analyse der dort behandelten Bestimmungselemente geschieht mit Hilfe der Analyse dieser zentralen Begriffe. Der dritte Teil behandelt solche Bestimmungselemente in Wunderbegriffen, die sich auf den Beobachter des Wunders, sein Erlebnis und auf den Erkenntnisstand des Beobachters beziehen. Solche Bestimmungen sind z.B. 'Staunen (bzw. Entsetzen oder Verwunderung) wecken', 'Gegenstand eines Werterlebnisses', 'den Gedanken an Gott bzw. an Gottes Walten in dieser Welt veranlassen', 'die Überzeugung wecken, daß das Göttliche nahe ist' und ähnliche Bestimmungen. Dazu kommt noch in diesem Teil die Behandlung des Begriffs der Nicht-Objektivierbarkeit, der vor allem durch Bultmann in die Diskussion der Wunderfrage eingeführt worden ist. Auch Nicht-Objektivierbarkeit sowohl wie Objektivierung sind ja Begriffe, die nur in bezug auf einen (möglichen) Beobachter oder auf 16

mehrere Beobachter zutreffen. Hauptbegriffe für die Analyse in diesem Teil werden die Begriffe des Eindrucks, des Erlebnisses, des Beobachtens, der Intentionalität, des Erkenntnisstandes und der Objektivierung, deren Analyse die Struktur der dort behandelten Bestimmungselemente klarstellt. Der vierte Teil behandelt den Zeichenbegriff und seine Stellung als Bestimmungselement in Wunderbegriffen. Das Hauptobjekt der Analyse sind hier der Zeichencharakter und die Zeichenfunktionen der einzelnen Wunder, was genau von der Zeichenfunktion des Wortes „Wunder" unterschieden werden muß. Die letztere, darunter besonders die Bedeutung des Wortes „Wunder", wird in der ganzen Abhandlung beleuchtet. Der Zeichenbegriff wird vor allem durch Verwendung der Begriffe des Absenders und des Empfängers eines Zeichens analysiert. Diese beiden Begriffe treffen auch auf die beiden Pole jeder Kommunikationsbeziehimg zu. Deshalb liegt es nahe, in demselben Teil, der den Zeichenbegriff behandelt, auch noch die Kommunikationsbeziehung zwischen Absender und Empfänger im Zusammenhang mit dem Offenbarungsbegriff zu behandeln, wobei Gott in dem hier angeführten Material meistens als Absender gedacht wird. Diese Abhandlung erhebt aber nicht den Anspruch, alle Bestimmungselemente in den Bestimmungen von Wunderbegriffen zu behandeln, die in der deutschen protestantischen Theologie des 20. Jahrhunderts vorkommen. Die Auswahl der behandelten Bestimmungselemente geschieht in erster Linie mit Rücksicht auf die Einheitlichkeit der Darstellung und die Klarheit in der Disposition der Abhandlung. Die Bestimmungselemente, die im zweiten bis vierten Teil behandelt werden, bilden zusammen eine Art systematischer Einheit insofern, als sie in eine Kette von Beziehungen zwischen Begriffen eingeordnet werden können, die alle behandelten Bestimmungselemente umfassen. Die systematische Einheit der Teile II-IV geht aus den folgenden Überlegungen hervor. Der übergreifende Gesichtspunkt des vierten Teils ist die Kommunikation zwischen dem Wundertäter als Absender des Wunderzeichens und dem Beobachter als Empfänger des Wunderzeichens. Auch der Zeichenbegriff wird hauptsächlich durch diese Kategorien analysiert. Der Wundertäter aber ist wiederum das Hauptthema des zweiten Teils, und der Beobachter des Wunders das Hauptthema des dritten. Dadurch schließt sich das Thema zu einer Einheit zusammen. Durch die Behandlung des Resultats des Wunders im zweiten Teil entsteht scheinbar ein Bruch in dieser Linie. Um aber die Absicht und das Motiv des Wundertäters strukturell zu verstehen, muß man sich auf das Resultat des Wunders beziehen. Auch der Handlungsbegriff, der ja eine zentrale Rolle für den Begriff des Wundertäters spielt, wird durch Beziehung auf das Resultat einer Handlung etwas geklärt. 2 - 566-3501

17

Die Beziehungen des Beobachters zum Wunder werden im dritten Teil natürlich auch etwas gründlicher und vielseitiger behandelt als nötig wäre, um nur die Kommunikationsbeziehung zwischen Absender und Empfänger des Wunders zu verstehen. Das Thema der Nicht-Objektivierbarkeit, das am Ende des dritten Teils gründlich behandelt wird im Anschluß an hauptsächlich Bultmann, wird wenigstens negativ durch den Begriff des Beobachters bestimmt, da ja Objektivierung eine Funktion des Beobachtens ist. Dadurch und durch den Begriff der Intentionalität hängt dieses Kapitel mit den übrigen Kapiteln des dritten Teils zusammen. In der Wunderdebatte, aus der ich das Material auswähle, kommen aber auch andere Bestimmungselemente von Wunderbegriffen vor, die hier nicht behandelt werden. Diese Bestimmungselemente sind solche, die wissenschaftstheoretische Probleme der Naturwissenschaften und der Statistik berühren, und diese Probleme führen ja in eine ganz andere Richtung als die semantischen Probleme im Zusammenhang der Kommunikation zwischen Absender und Empfänger. Dieser Umstand dürfte die unternommene Grenzziehung zwischen behandelten und nicht behandelten Bestimmungselementen motivieren. Um dem Material größere Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, will ich im folgenden die wichtigsten Haupttypen der nicht behandelten Bestimmungselemente anführen. Die Begriffe der Frequenz und Analogie und wissenschaftstheoretische Begriffe der Wahrscheinlichkeit und Statistik werden von den folgenden Bestimmungselementen berührt: 'ungewöhnlich', 'außernormal', 'unregelmäßig', 'außer Analogie', 'aus dem Rahmen der übrigen Weltereignisse herausfallend' und 'dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge widersprechend'. Eine Analyse dieser Begriffe würde auch den Begriff des Naturgesetzes behandeln müssen. Auf die Begriffe sowohl des Naturgesetzes wie der wissenschaftlichen Erklärung nehmen andere Bestimmungselemente Bezug: 'unerklärbar', 'unberechenbar', 'seinem geschichtlichen Kausalzusammenhange nach unerkennbar', 'Durchbrechung des Naturzusammenhangs', 'Ausnahme vom Naturgesetz', 'Durchbrechung der Naturgesetze' und 'aus der Welt nicht ableitbar'. Die drei erstgenannten Begriffe 'unerklärbar', 'unberechenbar' und 'seinem geschichtlichen Kausalzusammenhange nach unerkennbar' haben aber teils eine absolute, teils eine relative Form. Die relative Form nimmt im Unterschied zur absoluten Bezug auf den Beobachter, genauer gesagt auf den Erkenntnisstand des Beobachters, so daß etwas, was z.B. für einen Beobachter Α unerklärbar ist, für einen anderen Beobachter В nicht unerklärbar zu sein braucht. In der relativen Form werden diese Bestimmungen im dritten Teil behandelt, aber die Analyse dort nimmt überwiegend Bezug auf den Erkenntnisstand des Beobachters und nicht auf die Problematik der wissenschaftlichen Erklärung und ihre Struktur, die 18

aus den oben ausgeführten Gründen nicht in dieser Arbeit behandelt werden. Die Begriffe des Naturgesetzes, der Naturkraft und der wissenschaftlichen Erklärung spielen auch eine zentrale Rolle in der Frage, ob Wunder ein Handeln Gottes oder ein Resultat eines göttlichen Handelns bedeutet, das auf derselben logischen Stufe steht wie die Naturkräfte und Naturereignisse, oder ob das göttliche Handeln, auf das sich ein Wunderbegriff bezieht, auf einer anderen Stufe steht als die Naturereignisse. Der erstere Fall bedeutet, daß Gottes Handeln grundsätzlich in eine wissenschaftliche Erklärung eingefügt werden kann, der letztere Fall dagegen, daß es prinzipiell unmöglich ist, Gottes Handeln in eine wissenschaftliche Erklärung einzufügen. Diese naturwissenschaftlichen Aspekte des Handelns Gottes, die auch in den Schriften, denen das angeführte Material dieser Abhandlung entnommen ist, viel diskutiert werden, werden in dieser Abhandlung aber nicht weiter erörtert.

C. Material und

Literatur

Das Material in dieser Abhandlung ist innerhalb des Rahmens der deutschsprachigen protestantischen Theologie des 20. Jahrhunderts in Europa ausgewählt, und zwar aus Behandlungen der Wunderfrage von systematischen Theologen und neutestamentlichen Exegeten. Zur Kategorie der neutestamentlichen Exegeten können auch diejenigen gezählt werden, die sowohl die Auffassungen des Alten wie des Neuen Testaments in demselben Zusammenhang behandeln unter Betonung der Kontinuität zwischen beiden Testamenten. Die Einteilung in Exegeten und systematische Theologen ist eine grobe Kategorieneinteilung - systematische Theologen sprechen nämlich oft auch von der Auffassung und von dem Sprachgebrauch des Neuen Testaments in bezug auf Wunderbegriffe innerhalb des Rahmens einer systematischen Darstellung in der Wimderfrage. Die Anführung des Materials erhebt keinerlei Ansprüche auf irgend welche Vollständigkeit. Deshalb entsteht die Frage, aus welchen Gründen das Material ausgewählt wurde, das in dieser Abhandlung behandelt wird. Der übergeordnete Gesichtspunkt muß hier das Streben danach sein, nach bester Möglichkeit alle die verschiedenen Alternativen innerhalb der ausgearbeiteten systematischen Disjunktionen mit so klaren Beispielen wie möglich zu belegen. Hierbei muß die betreffende Alternative in der Disjunktion eine angemessene Deutung des Beispiels aus dem Material bilden, und das als Beleg für eine Alternative einer systematischen Disjunktion angewendete Materialbeispiel muß nach Möglichkeit so klar sein, daß andere Deutungen, die nicht in den Rahmen der betreffenden Disjunktion hineingehören, nicht angemessen sein können. Klare Belege werden 19

also für jede dargestellte systematische Alternative unklareren vorgezogen. In zweiter Linie wird auch versucht, die meist möglichen Variationen auch innerhalb der Alternative anzuführen. Wenn in den Anmerkungen andere Arbeiten, ohne zitiert oder referiert zu werden, als Belege für einen referierten oder zitierten Gedankengang angeführt werden, so liegt dem die Absicht zugrunde zu zeigen, daß der betreffende Gedankengang für mehrere Verfasser repräsentativ ist. Die Beispiele aus dem Material, die Alternativen einer systematischen Disjunktion belegen, können Beispiele für Bestimmungselemente oder für Begriffsbildungen und für Momente derselben sein. Es kann sich bei diesen Beispielen auch um Beispiele handeln, die die Anwendbarkeit der ausgeführten begriffsanalytischen Distinktionen aufzeigen. In dieser Untersuchung werden solche Sätze aus dem theologischen Material abstrahiert, die direkt eine Alternative der systematischen Disjunktionen als Beispiele belegen. Wenn als Beispiele für die Anwendbarkeit von begriffsanalytischen und logischen Distinktionen ganze theologische Gedankengänge oder Diskussionen angeführt werden, so werden diese Beispiele nur von denjenigen begriffsanalytischen Gesichtspunkten analysiert, die gerade an dieser Stelle in der Untersuchung ausgeführt werden. Die Auswahl des Materials ist auch von Gesichtspunkten bestimmt, die sich direkter auf Momente der Begriffsbildungen beziehen, und die erst nach der Behandlung dieser Dinge, d.h. am Ende des ersten Teils, dargestellt werden können1. Nach der Berücksichtigung dieser übergeordneten Gesichtspunkte für die Auswahl des Materials, d.h. wenn mehrere Beispiele für denselben Gedanken im Material zu finden sind, wird diejenige theologische Literatur bevorzugt, die explizite von Wundern und Wunderbegriffen handelt, die also die Wimderfrage in geschlossenen Zusammenhängen für sich behandelt. Monographien und Aufsätze über die Wunderfrage werden als Material allgemeinen systematisch-theologischen oder bibeltheologischen Darstellungen vorgezogen. In den letzteren werden besondere Abschnitte über die Wunderfrage eher gewählt als flüchtige Behandlungen der Wunderfrage in Zusammenhängen anderer Art. Wenn ein Verfasser durch eine Monographie oder einen Aufsatz über die Wunderfrage vertreten ist, so wird er überhaupt anderen Verfassern insofern vorgezogen, als in diesem Falle auch andere Arbeiten von ihm herangezogen werden, die die Wunderfrage nur nebenbei behandeln, wenn dies zur Komplettierung seiner anderen Ausführungen dienen kann. Wenn Beispiele von Exegeten angeführt werden, so sind sie aus einem Zusammenhang bei dem betreffenden Exegeten abstrahiert, der von der 1

Siehe unten. S. 141 f f .

20

Lehre und Auffassung oder von dem Sprachgebrauch der Bibel oder eines Teils der Bibel handelt. In dieser Untersuchung wird keine Stellung zu der Frage genommen, ob die Auffassung des betreffenden Exegeten von der Lehre oder von dem Sprachgebrauch der Bibel richtig ist. A u c h wenn ein Theologe einen anderen Theologen anführt, wird keine Stellung zu der Frage genommen, ob das Referat richtig ist. Man kann bei solchen Beispielen in dieser Hinsicht nur denjenigen Schluß ziehen, daß der angeführte Exeget oder Theologe die Lehre der Bibel oder die des anderen Theologen so-oder-so aufgefaßt hat. Die Auffassung der Bibel wird in dieser Untersuchung also immer nur sozusagen in Oratio obliqua angeführt. Trotzdem sind Beispiele aus den Schriften der Exegeten oft sehr angebracht, um die Anwendbarkeit der modernen Logik zu beleuchten. In dem Material kommt manchmal das W o r t „Wunder" in Zusammensetzungen vor, von denen das Adjektiv „wunderbar" wohl am häufigsten ist. Manchmal verwendet ein Verfasser beide Wörter und andere ähnliche Zusammensetzungen mit „Wunder-" abwechselnd, ohne klare Unterscheidung von verschiedenen Bedeutungen derselben. Die Frage, ob „Wunder" und „wunderbar" denselben Begriff bezeichnen, kann nicht allgemein entschieden werden, sondern es muß für jeden besonderen angeführten Kontext, w o das W o r t „wunderbar" oder andere Zusammensetzungen mit „Wunder" vorkommen, die Frage geklärt werden, ob der Verfasser die Zusammensetzung in derselben Bedeutung verwendet wie das W o r t „Wunder" selbst. W e n n in einem Fall ein Verfasser in dem Material eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen „Wunder" und einer seiner Z u sammensetzungen in bezug auf ihre Bedeutung macht, so wird die Bedeutung beider Wörter registriert. Daß das Material für diese Untersuchung auf deutsches protestantisches Gebiet begrenzt ist, wird nicht hindern, daß auch andere Literatur als Hilfsmittel der Begriffsanalyse zur Anwendung kommt, vor allem allgemeine analytische philosophische und logische Arbeiten. Solche philosophische und logische Literatur, die entweder angewendet worden ist oder auf die nur hingewiesen wurde, dient jedoch nicht als Material oder Objekt der Untersuchung, sondern nur als Hilfsmittel der Analyse. Diese beiden Kategorien von Literatur, Objektmaterial der Untersuchung einerseits und Hilfsmittel der Analyse andererseits, werden in dem Literaturverzeichnis getrennt angeführt. Die Referenzen in den Anmerkungen zu Hilfsmitteln der Begriffsanalyse erheben nicht den Anspruch, die wichtigsten Standard- und Originalwerke oder die neueste Spezialliteratur in der jeweils betreffenden Frage anzugeben. Statt dessen ist es mein Ziel gewesen, einige einleitende, übersichtliche und einigermaßen leicht zugängliche Arbeiten anzugeben, w o der Leser eine Einführung in und eine Übersicht über die jeweils be21

treffende Frage erhalten kann. Die Referenzen zu der logischen und analytisch philosophischen Literatur richten sich größtenteils an diejenigen Leser, die auf diesen Gebieten keine oder nur wenige Vorkenntnisse haben, und haben also zum größtenteil eine pädagogische Funktion. Die aus diesen Arbeiten angeführten Stellen sprechen allerdings nicht immer eine Ansicht aus, die mit meiner eigenen Auffassung in allen Punkten übereinstimmt, oder (häufiger) verwenden nicht immer ein Begriffssystem, das ich für das geeignetste halte. Nur wenn solche Abweichungen für meine eigene Analyse im Text von Bedeutung sind, werden sie aber angegeben. Da die Arbeit das Material aus so ganz anderen und verschiedenen Aspekten sieht als bisherige Arbeiten über theologisches Material, wird Sekundärliteratur, die direkt über die Verfasser des Materials handelt, nicht als Hilfsmittel angeführt oder benutzt. Für die logische Analyse ist das direkte Studium der Quellen selbst das einzig richtige - Sekundärliteratur über die Quellen leistet hier keine besondere Hilfe. Nur wird eine übersichtliche rein referierende Monographie über das Material und seine verschiedenen Verfasser und Richtungen bis 1933 benutzt", aber nur nebenbei in einem allgemeinen analytischen Zusammenhang. Dort kann aber der Leser einen Hinweis auf Material bekommen, das hier nicht behandelt oder angeführt wird. Daß diese Untersuchung keine geistesgeschichtliche Untersuchung ist, geht auch hervor aus der etwas mechanisch gezogenen Zeitgrenze des Materials um das Jahr 1900 herum. Aus arbeitsmäßigen Gründen mußte auch eine Spätgrenze für das Material gesetzt werden, und zwar um das Jahr 1965 herum". D. Interpunktion, Zitierung und Ausgestaltung der

Anmerkungen

Doppeltes Anführungszeichen („...") wird in zwei Fällen verwendet: bei Zitaten und - wenn von dem Worte die Rede ist, wenn über ein Wort 5

Siehe Marquardt, Das Wunderproblem in der deutschen protestantischen Theologie

der Gegenwart. Diese Arbeit gehört selbst nicht zum Material, sondern ist in Abteilung В des Literaturverzeichnisses verzeichnet. * Nach 1965 erschien eine sehr interessante Arbeit: Bejerholm & Hornig, W o r t und Handlung. Untersuchungen zur analytischen Religionsphilosophie, deren 4. Kapitel die Wunderfrage behandelt. Diese Arbeit konnte nur teilweise berücksichtigt werden, und zwar in den Anmerkungen des 1 1 . Kapitels dieser Abhandlung, in dessen Problemkreis sie thematisch hineingehört. Diese Arbeit nimmt aber auch in anderer Hinsicht als in bezug

auf die Zeit ihrer Erscheinung

eine Grenzstellung

ein: Bejerholm ist kein

deutscher Theologe, und die Arbeit hat einen Charakter, der es angemessen macht, sie als ein Hilfsmittel der Analyse anzusehen. A l s solches habe ich sie auch hier verwendet; sie ist also in der Abteilung В des Literaturverzeichnisses verzeichnet. Ihre V e r wendung als Material müßte nach dem oben Gesagten mit mehreren Fragezeichen versehen werden.

22

gesprochen wird. Einfaches Anführungszeichen (') wiederum wird benutzt um zu betonen, daß es sich um einen Begriff, um eine Bestimmung handelt. Ein Wort innerhalb einfacher Anführungszeichen bezeichnet den entsprechenden Begriff und nicht einen Gegenstand, der unter diesen Begriff fällt. Femer werden einfache Anführungszeichen benutzt bei Referaten von Gedankengängen eines Verfassers, wo die Ausdrucksweise des Referats sich eng an die Ausdrucksweise des referierten Originals anschließt und wo ich selbst nicht für die Klarheit der Ausdrucksweise als Kommunikationsmittel die Verantwortung übernehmen möchte. Längere, zusammenhängende Zitate werden in dem laufenden Text auch ohne Anführungszeichen angeführt, wenn sie mit kleinerem Druck in eigenen Absätzen für sich stehen. Umgekehrt ist alles, was mit kleinerem Druck in dem Text in Absätzen für sich steht, Zitat. Hebräische und griechische Wörter und Ausdrücke werden in den Zitaten in lateinischer Transkription angeführt auch in den Fällen, wo der zitierte Text die hebräischen oder griechischen Wörter oder Ausdrücke mit hebräischen oder griechischen Buchstaben schreibt. Wenn in den Zitaten Wörter oder Sätze ausgelassen sind, wird dies durch Punkte „ . . . " markiert. Erklärende Zusätze in Klammern innerhalb von Zitaten stammen, wenn die Verkürzung „seil." ihnen vorausgeht, von mir; sonstige Zusätze ohne „seil." stammen von dem jeweiligen Verfasser des Zitates. Die durch Kursivschrift erfolgten Hervorhebungen innerhalb von Zitaten entsprechen den Sperrungen, Kursivierungen und dem Fettdruck der zitierten Werke. Verschiedene Verfasser bedienen sich verschiedener Stilarten, um eine bestimmte Sache hervorzuheben. In den Zitaten wird nur eine und dieselbe Art der Markierung einer Hervorhebung oder Betonung des zitierten Verfassers verwendet. Der Unterschied zwischen Sperrung, Kursivierung und Fettdruck wird in den Zitaten nicht markiert. Was die Referenz zur angeführten Literatur in den Anmerkungen betrifft, so werden im allgemeinen nur der Name des Verfassers und die Seiten- oder Spaltennummer der angeführten Arbeit angegeben. Buch- und Aufsatztitel werden in den Anmerkungen nur in drei Fällen angeführt: i ] wenn der betreffende Verfasser durch mehrere Einheiten, Arbeiten oder Aufsätze in dem Literaturverzeichnis der Abhandlung vertreten ist, und 2] wenn eine Arbeit zum ersten Male in der Abhandlung angeführt wird, und 3) wenn ich die besondere Bemerkung für nötig halte, daß der zitierte Verfasser kein Theologe ist, sondern ein philosophischer Mithelfer in der Analyse. In dem ersten und dritten Fall, wenn der zweite Fall oben nicht zugleich vorliegt, werden entweder Abkürzungen der Titel angeführt7 oder 7

Eine besonders weitgehende Abkürzung liegt in „ G V " vor, und zwar für Bultmann, Glauben und Verstehen. In Kap. 12 dominiert Bultmann die Darstellung in einer Weise,

23

angeführte Arbeiten durch die Abkürzung „a.a.O." bezeichnet, und zwar so, daß keinerlei Mißverständnisse über das gemeinte Werk entstehen können. wie sonst in der Abhandlung kein einzelner Verfasser im Material. In den Anmerkungen des 12. Kapitels habe ich mir deshalb der Einfachheit halber die Abweichung von der sonstigen Praxis erlaubt, Bultmanns Namen vor der Angabe der Buchtitel ( „ G V " bzw. „Jesus") wegzulassen.

24

TEIL I

BEGRIFFSBILDUNG, DEFINITION, BEGRIFF

KAPITEL 1

Adäquatheitsbedingungen für Definitionen. Die allgemeine Struktur einer Begriffsbildung

A. Der Begriff 'Adäquatheitsbedingung für eine Definition Von Begriffsbildungen und von dem, was eine Begriffsbildung sein soll, wird hier in den drei ersten Kapiteln die Rede sein. Der Kern einer Begriffsbildung ist - wie man erwarten kann - die Definition des betreffenden Begriffs. Eine vollständige Definition besteht aus zwei Teilen, die man traditionell Definiendum und Definiens nennt 1 . Definiendum ist der Terminus, sprachliche Ausdruck oder Satz, der definiert wird bzw. der den definierten Begriff oder Satzinhalt bezeichnet. Definiens ist der Ausdruck oder Satz, der den Sinn des Definiendum angibt, durch den man das Definiendum und das von dem Definiendum Bezeichnete definiert. In einer stipulativen Definition wird stipuliert, daß Definiendum und Definiens synonym sein sollen, d.h. daß sie denselben Sinn haben sollen. In 1

Über Definitionen, ihre Teile und ihren Aufbau, vgl. z.B. Carnap, Einführung in die symbolische Logik mit besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendungen, 56 f , 84; Hempel, Fundamentals of concept formation in empirical science, 2 f f . ; Leonard, An introduction to principles of right reason, 3 1 6 f f . Was aber in der symbolischen Logik und in der analytischen Philosophie über Definitionen geschrieben wird, darf nur mutatis mutandis auf Definitionen in theologischem Material angewendet werden. Definitionen der letzteren Art erfüllen nicht alle (idealen!) Ansprüche einer Definition in den exakteren Wissenschaften: 1 } Nur in axiomatischen oder formalisierten Systemen (nicht im theologischen Material) kann man von einer Definition über eine Kette von Definitionen zurückgehen zu am Anfang des Systems aufgestellten Undefinierten Grundbegriffen, auf welche das Definiendum über die Kette der Definitionen zurückgeführt werden kann. 2) Das Definiens in einer Definition im theologischen Material erfüllt oft nicht die idealen Ansprüche an Klarheit. Es gibt überempirische Definientia! 25

einer nicht-stipulativen, theoretischen Definition, die wahr oder falsch ist, wird dieselbe Synonymität oder Sinngleichheit als eine Tatsache behauptet. Bei einer Begriffsbildung kommen aber nicht nur Definitionen vor, sondern es wird auch für diese Definitionen argumentiert. Eine Begriffsbildung enthält also sowohl Definitionen wie Argumente für Definitionen. Das Wort „Begriffsbildung" darf nicht allzu buchstäblich genommen werden: von dem logizistisch-begriffsrealistischen Gesichtspunkt3 aus, der der Arbeit zugrunde liegt, ist eine Begriffsbildung eigentlich eine Auffindung eines Begriffs zusammen mit einer Benennung des Begriffs. Wenn man diesen Vorbehalt im Auge behält, braucht der an sich verwendbare Terminus „Begriffsbildung" zu keinerlei Mißverständnissen Anlaß zu geben. Der Terminus „Argument für eine Definition" wird hier im weitesten Sinne gebraucht, demgemäß Argumente für Definitionen im Material vor der Definition präsentiert werden können, z.B. als heuristische Prinzipien, die die Auffindung einer adäquaten Definition des betreffenden Begriffs anleiten und lenken sollen. In diesem Falle können bei einem Verfasser heuristische Prinzipien ohne nachfolgende Definition vorkommen, wobei die Begriffsbildung bei dem Verfasser nur unvollständig und fragmentarisch bleibt. Andererseits können Argumente für Definitionen auch nach einer schon formulierten Definition präsentiert werden, und zwar als nachträgliche Argumente für die Definition. In dieser Arbeit werden nur solche Begriffsbildungen aus dem Material untersucht, die stipulative Definitionen und Argumente für stipulative Definitionen enthalten oder implizite voraussetzen. Ein heuristisches Prinzip für die Auffindung einer adäquaten stipulativen Definition hat etwa folgende logische Form: 'Jede adäquate Definition des Begriffs W soll die Bedingung Α erfüllen'. Ein nachträgliches direktes Argument für eine stipulative Definition wiederum hat etwa folgende logische Form: 'die [gegebene] Definition D erfüllt die Bedingung A'. In Kap. ι В und in den ganzen Kap. 2 und 3 werden Argumente aus dem Material präsentiert, die Verfasser des Materials für ihre stipulativen Definitionen und Begriffsbestimmungen anführen, einschließlich heuristischer Prinzipien für die Auffindung adäquater Definitionen, auch wenn ihnen bei einem Verfasser keine Formulierung einer Definition folgt. In Kap. ι В werden einzelne Argumente, in Kap. 2 und 3 ganze Hierarchien von miteinander zusammenhängenden Argumenten aus dem Material an2

Uber den Logizismus und seinen Gegensatz zum Nominalismus, vgl. z.B. Carnap,

Meaning and necessity. Α study in semantics and modal logic, 205 f f . ; Quine, From a logical point of view. 9 logico-philosophical essays, 9 f f . , 1 4 f f . , H 7 f f . , 1 2 7 f f . ; Scholz, Mathesis universalis. Abhandlungen zur Philosophie als strenger Wissenschaft, II. Abteilung passim.

26

geführt. Diese Hierarchien oder Argumentketten gehören gewissen charakteristischen Gattungen an, die wir Begriffsbildungstypen nennen wollen. Es muß scharf hervorgehoben werden, daß in dieser Arbeit keine eigenen Argumente für Definitionen und auch keine eigenen Definitionen von Wunderbegriffen aufgestellt werden. Es werden in dieser Arbeit auch keine heuristischen Prinzipien für die Auffindung einer adäquaten Definition eines Wunderbegriffs aufgestellt. Diese Arbeit enthält nur eine Untersuchung von Argumenten, heuristischen Prinzipien und Definitionen von Wunderbegriffen bei den Verfassern im Material, einschließlich solcher, die von ihnen implizite vorausgesetzt werden. In der Untersuchung der heuristischen Prinzipien und der Begriffsbildungstypen im Material wird eine rationale Rekonstruktion der Argumente und der Begriffsbildungen ausgeführt: die Reihenfolge der Argumente in der Präsentation dieser Arbeit folgt einer gewissen rekonstruierten logischen Ordnung, die sich nicht mit der Reihenfolge der Argumente und Definitionen bei Verfassern im Material zu decken braucht. In der logischen Rekonstruktion werden Argumente für Definitionen vor den Definitionen präsentiert. Unter diesen Argumenten finden sich heuristische Prinzipien als die wichtigsten von denjenigen, die als selbständige Momente der Begriffsbildungen in Kap. ι В und Kap. 2 und 3 aufgestellt werden. Diese heuristischen Prinzipien werden auch in der Darstellung durch Beispiele im Material für solche nachträglichen Argumente für bestimmte schon formulierte Definitionen beleuchtet, die das entsprechende heuristische Prinzip voraussetzen. Diese nachträglichen Argumente für Definitionen werden selbst aber nicht als eigene Momente in den Begriffsbildungstypen aufgestellt. Die Motivierung dafür ergibt sich aus der folgenden Überlegung: Bei einem nachträglichen Argument, das nach einer stipulativen Definition für diese Definition von einem Verfasser aufgestellt wird, muß die Verwendung eines Satzinhaltes,· daß die gegebene Definition D die Bedingung Α erfüllt, als Argument für D schon eine wenigstens implizite Stipulation von Seiten des Verfassers voraussetzen, durch die ein heuristisches Prinzip aufgestellt worden ist, daß jede adäquate Definition des betreffenden Begriffs die Bedingung Α erfüllen muß. Ohne ein solches implizite stipuliertes heuristisches Prinzip ist die Verwendung eines Satzes über eine schon gegebene Definition D als Argument für D qua Definition gegenstandslos. Mit einem solchen Argument für eine schon gegebene Definition ist ein heuristisches Prinzip schon vorausgesetzt. Für alle Arten von Argumenten gilt generell, daß sich mit theoretischen (wahren oder falschen] Sätzen allein nicht für eine stipulative Definition argumentieren läßt, wenn nicht jedenfalls eine Art heuristischer Stipula27

tion implizite vorausgesetzt ist, die eine Bedingung angibt, die jede adäquate Definition erfüllen soll. Eine Bedingung A, die nach einer heuristischen Stipulation jede adäquate Definition eines Begriffs erfüllen muß, werden wir eine „Adäquatheitsbedingung für Definitionen" nennen. Eine solche Adäquatheitsbedingung ist eine Eigenschaft, eine Bestimmung einer Definition. Wir werden aber auch ein heuristisches Prinzip, das eine solche Bedingung Α als notwendig für jede adäquate Definition des betreffenden Begriffs angibt, eine „Adäquatheitsbedingung für Definitionen (eines Begriffs)" nennen3. Eine Adäquatheitsbedingung dieser Art ist ein stipulativer Satz. Die Verwendung des Begriffs 'Adäquatheitsbedingung' im folgenden wird sich hauptsächlich auf stipulative Sätze beziehen. Im Zusammenhang damit wird weiter unten eine dritte Bedeutung des Terminus „Adäquatheitsbedingung" eingeführt. Eine notwendige Bedingung für das Zutreffen des Begriffs 'Adäquatheitsbedingung' in allen seinen alternativen Bedeutungen ist die folgende: (N] Ein Verfasser X im Material stipuliert, daß jede adäquate Definition des Begriffs W überhaupt die Bedingung Α erfüllen soll. Nur unter dieser Bedingung (N) ist sowohl Α wie das heuristische Prinzip, daß jede adäquate Definition des Begriffs W die Bedingung Α erfüllen muß, eine Adäquatheitsbedingung für Definitionen des Begriffs W. Die Bedingung Α sowohl wie ein solches Prinzip, das Α enthält, sind Adäquatheitsbedingungen immer nur relativ zu einem Verfasser X . In diesem Sinne ist der Begriff 'Adäquatheitsbedingung' relativ zum Material. Aber der Terminus „Adäquatheitsbedingung" selbst ist in dieser Arbeit als Terminus technicus aufgestellt worden und ist nicht dem Material entnommen. Eine Adäquatheitsbedingung als stipulatives Prinzip kann explizite von dem betreffenden Verfasser X formuliert oder implizite von X vorausgesetzt werden. Das letztere ist z.B. der Fall, wenn X behauptet, daß seine eigene formulierte Definition D die Bedingung Α erfüllt und außerdem diese Behauptung als Argument und Rechtfertigung für D als Definition des Wunderbegriffs verwendet. Eine solche Argumentierung setzt, • Klassische Beispiele für Adäquatheitsbedingungen finden sich in Tarskis Theorie über den Wahrheitsbegriff. Für eine Einführung und Übersicht darüber, siehe Pap, Analytische Erkenntnistheorie. Kritische Übersicht über die neueste Entwicklung in U S A und England, 57 f f . , 65 f.; Tarski, The semantic conception of truth. Vgl. Carnap, Introduction to semantics, 26 f., 5 3 f. Carnap spricht von „a definition of adequacy" als „а standard with which to compare proposed definitions . . .". „'Adequacy' means here simply agreement with our intention for the use of the term". a.a.O., 53.

28

wie wir oben gesehen haben, eine implizite Stipulation voraus, daß jede adäquate Definition Α erfüllen muß. Eine von einem Verfasser X gegebene Definition D kann in re entweder die Adäquatheitsbedingung Α des Verfassers erfüllen oder nicht. Auch wenn X der Ansicht ist, daß D die Bedingung Α erfüllt, kann seine Ansicht falsch sein. Wir haben eigentlich die drei folgenden möglichen Alternativen [ a ] - ( c ] : (a) D erfüllt A. In diesem Falle besteht eine Übereinstimmung zwischen der Definition und der Adäquatheitsbedingung eines Verfassers. (b) D erfüllt nicht A. Dann besteht keine Übereinstimmung zwischen Definition und Adäquatheitsbedingung. (c) Der betreffende Verfasser gibt nur eine Adäquatheitsbedingung an, aber formuliert keine Definition des betreffenden Begriffs. In diesem Falle kann die Frage der Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung zwischen Definition und Adäquatheitsbedingung gar nicht auftauchen. In jedem Falle ist die Nachprüfung, ob eine Definition eines Verfassers mit seinen eigenen Adäquatheitsbedingungen in Übereinstimmung steht oder nicht, sehr schwierig, weil die Termini im Material sehr vage und möglicherweise mehrdeutig sind. Auf die Frage einer solchen Übereinstimmung bei einem Verfasser wird in dieser Arbeit nur in klaren und flagranten Ausnahmefällen eingegangen. Untersuchen wir jetzt einmal näher, von welcher Art eine Bedingung Α als Eigenschaft und Bestimmung einer adäquaten Definition nach den Stipulationen im Material sein kann. In diesem Zusammenhang verdient die wichtige Tatsache Beachtung, daß die Theologen im Material nicht an logischen und formalen Eigenschaften der Definition des Wunderbegriffs an sich interessiert sind, sondern daß ihr Interesse sich vielmehr auf die Eigenschaften (in weitestem Sinne) und Beziehungen des Wunderbegriffs bezieht und gelegentlich auf semantische Eigenschaften des Wortes „Wunder", z.B. die allgemeine semantische Eigenschaft des Wortes „Wunder", daß es kognitiven Sinn hat und nicht nur ein Gefühlsausdruck ist4. Beispiele für Eigenschaften und Beziehungen des Wunderbegriffs sind die folgenden: in bezug auf den Umfang des Wunderbegriffs die Eigenschaft, einen nicht-universalen Umfang zu haben, so daß nicht alles Wunder ist; ferner die Eigenschaft, auf alle außerordentlichen Taten Jesu zuzutreffen, so daß die Klasse dieser Taten eine Teilklasse der Klasse aller Wunder ist5; ferner die Eigenschaft des Wunderbegriffs, auf einen ganz 1 Über semantische Begriffe und Beziehungen, siehe z.B. Carnap, Introduction to semantics, 8 f f . (§ 4); Symbolische Logik, 78 f. * Über Klassen und Teilklassen, siehe z.B. Carnap, Der logische Aufbau der Welt, 43 f.

29

bestimmten Gegenstand [Ding oder Ereignis] zuzutreffen, z.B. auf die sichtbare Wiederkunft des Herrn. Ferner ist es eine Eigenschaft eines Begriffs, wenn das Zutreffen des Begriffs auf einen Gegenstand X das Zutreffen eines anderen Begriffs auf X logisch impliziert6, z.B. wenn das Zutreffen des Wunderbegriffs die 'Heilsbedeutung' des Wunders oder die 'Beziehung des Wunders zur christlichen Frömmigkeit' impliziert. Ferner können wir uns epistemologische Eigenschaften eines Begriffs denken, z.B. wenn das Zutreffen des Wunderbegriffs auf einen Gegenstand nur dem religiösen Erleben oder dem religiösen Glauben erkenntnismäßig zugänglich wäre. Als semantische Beziehung eines Wunderbegriffs kann die folgende Bestimmung gelten: 'wird durch das Wort „dynamis" im Neuen Testament bezeichnet'. Mit diesen Beispielen ist keineswegs behauptet worden, daß diese Eigenschaften und Beziehungen auch de facto dem Wunderbegriff zukommen; es sind nur denkbare Beispiele für Eigenschaften eines Begriffs gegeben worden. Eigenschaften und Beziehungen ähnlicher Art von Begriffen sind aber als Eigenschaften von Wunderbegriffen in Adäquatheitsbedingungen der Art Α als Eigenschaften von Definitionen enthalten. Hiermit stehen wir vor der wichtigen Frage, wie Eigenschaften (einschl. Beziehungen)7 des Wunder begriff s in Eigenschaften von Definitionen enthalten sein können. Der Zusammenhang beider Arten von Eigenschaften ist der folgende: Daß eine Eigenschaft einem Wunderbegriff zukommt, ist ein Satzinhalt, der in einem Satz S formuliert werden kann. Der Buchstabe „S" steht hier für einen beliebigen solchen Satz, der einem Wunderbegriff eine Eigenschaft zuschreibt. Eine Eigenschaft einer Definition, die sich auf Eigenschaften des definierten Begriffs beziehen soll, muß darin bestehen, daß die Definition in irgendeiner logischen Beziehung zu einem Satz S steht. Die genauere Art der logischen Beziehung zwischen einer Definition D lind einem Satz S des oben genannten Typus wird erst in Kap. ι С dargestellt, und dabei wird auch auf das Problem eingegangen, wie stipulative Sätze in logischen Beziehungen stehen können. Soviel muß aber jetzt schon gesagt werden: die logischen Beziehungen müssen so geartet sein, daß S wahr ist als Folge einer adäquaten Definition. Entweder ist S wahr als unmittelbare Konsequenz der Definition oder als Konsequenz C§ ЗЗ]; Hilbert-Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, 4 3 f f . Über Teilklassen, a.a.O., 46. ' Über Implikation und logische Implikation, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 8 f . , I i [über materiale Implikation], 19 f . (über logische Implikation], 7

Die Auffassung der Beziehungen [Relationen] als einer speziellen A r t von Eigen-

schaften entspricht dem weiten Sinne des Wortes „Prädikat" in logischen Darstellungen. V g l . Carnap, Symbolische Logik, 4 f f . ; Hilbert-Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, 67 f f . ЗО

der Definition zusammen mit anderen Sätzen, die dadurch wenigstens implizite von dem Verfasser-Begriffsbildner im Material als wahr vorausgesetzt werden, wenn sie nicht ausdrücklich als wahr behauptet werden. Diese logischen Beziehungen müssen in einer Adäquatheitsbedingung enthalten sein, wenn diese sich auf Eigenschaften des Wunderbegriffs beziehen soll. Für die künftige Analyse ist also der folgende Typus von Eigenschaft einer Definition besonders wichtig: 'ergibt (ev. zusammen mit anderen Sätzen) als Konsequenz die Wahrheit von S' (als Bestimmung einer Definition, wobei S einem Wunderbegriff eine Eigenschaft zuschreibt). Im folgenden wird das Wort „Adäquatheitsbedingung" in drei verschiedenen Bedeutungen verwendet werden, die aber in einem engen logisch-systematischen Zusammenhang miteinander stehen. Die zwei ersten Bedeutungen sind uns schon begegnet: 1. Eine Eigenschaft, eine Bestimmung einer Definition, die das oben dargestellte Kriterium (N) erfüllt. Besonderes Interesse haben, wie gesagt, Bedingungen der Form: 'ergibt als Konsequenz die Wahrheit von S'. 2. Ein heuristisches Prinzip der Form: 'Jede adäquate Definition des Begriffs W soll die Bedingung (Adäquatheitsbedingung der ersten Kategorie) Α erfüllen.' Dem oben Gesagten zufolge hat die folgende speziellere Form ein besonderes Interesse: 'Jede adäquate Definition des Begriffs W soll als Konsequenz die Wahrheit von S ergeben.' 3. Die dritte Bedeutung wird erst jetzt in die Darstellung eingeführt und hat Verwendung auf stipulative Sätze einer anderen Gattung, nämlich von der Form: 'S soll gelten' (als Konsequenz jeder adäquaten Definition des Begriffs W). Ein Satz dieser Form ist Ausdruck genau derselben Stipulation und daher L-äquivalent8 mit einem heuristischen Prinzip der oben dargestellten spezielleren Form, die auf einen Satz der Art S Bezug nimmt. Deshalb ist es berechtigt, diese dritte Bedeutung des Terminus „Adäquatheitsbedingung" den anderen hinzuzufügen. In der ersten Bedeutung ist eine Adäquatheitsbedingung eine Bestimmung, eine Eigenschaft; in den zwei letzteren Bedeutungen ist eine Adäquatheitsbedingung ein stipulativer Satz. Bei der Analyse und der rationalen Rekonstruktion der Materialbeispiele in Kap. 1 B, 2 und 3 überwiegt die dritte Bedeutung, weil ein Satz dieser Art einen einfacheren Ausdruck derselben Stipulation darstellt als ein Satz der zweiten Bedeutung des 8

„L-äquivalent" wird als Verkürzung f ü r „logisch äquivalent" gebraucht. Über Äqui-

valenz und logische Äquivalenz, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 9, 1 1 bzw. 2 1 ; Meaning and necessity, 5 f., n , die Sätze 1 - 6 , 1 - 8 , 1 - 9 , 2 - 3 . c .

31

Terminus „Adäquatheitsbedingung", wenn der letztere Satz sich auf Eigenschaften des Wunderbegriffs bezieht. Doch geht eine Adäquatheitsbedingung der dritten Bedeutung immer implizite auf eine solche der zweiten Bedeutung zurück. Die dritte Bedeutung ist sekundär zu der zweiten und L-äquivalent mit einem Spezialfall derselben. Eine Adäquatheitsbedingung der Form 'S soll gelten' muß in einer Adäquatheitsbedingung der zweiten Art jedenfalls implizite enthalten sein, und diese letztere muß dem oben hingestellten Kriterium (N] für den Begriff 'Adäquatheitsbedingung' entsprechen. B. Einige Beispiele aus dem Material von Adäquatheitsbedingungen für Definitionen von Wunderbegriffen Aus dem Material werden wir jetzt in diesem Abschnitt Beispiele für Adäquatheitsbedingungen verschiedener Art anführen, und zwar sind diese Beispiele in manchen Fällen im Material explizite formuliert, in anderen Fällen dagegen implizite in Gedankengängen und Ausführungen des Materials enthalten. Wir werden zunächst die Aufmerksamkeit auf solche Adäquatheitsbedingungen richten, die sich auf extensionale Eigenschaften des Wunderbegriffs beziehen", d.h. auf Eigenschaften, die mit dem Umfang dieses Begriffs zu tun haben. Im Material kommt manchmal die Adäquatheitsbedingung vor, daß nicht alles Wunder sein kann, daß der Umfang des Begriffs 'Wunder' nicht universal, nicht allumfassend sein darf. So schreibt Weinel z.B.: Oder man wendet die Sache so, daß man sagt: D e m Frommen ist alles ein Wunder. Was von der einen Seite gesehen rein naturgesetzlich erscheint, das erlebt der Fromme unmittelbar als Wirken Gottes. Aber wenn man in dieser Weise das religiöse Erleben schlechthin Wunder nennt, so macht man ebenfalls aus dem Worte Wunder eine nichts mehr sagende Allgemeinheit 10 . * Über Extensionen und extensionale Eigenschaften eines Begriffs, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 39 ff., 98; Der logische Aufbau der Welt, 42 ff., 49 f., 58 f. [§§ 32, 33/ 37) 43); Meaning and necessity, 18 ff., 23 ff., 26 f. Die Extension eines Prädikatausdrucks ist dasselbe wie der Umfang desjenigen Begriffs, der die Intension oder Konnotation des Prädikatausdrucks bildet. 10 Weinel, Die Wunder Jesu, 74. Die Stipulation, daß der Umfang des Wunderbegriffs nicht allumfassend sein darf, tritt auch in der Äußerung hervor, es sei „irreführend, zu meinen, daß für das religiöse Bewußtsein alle Geschehnisse zu „Wundern" würden. Auf diese Weise wird der ganze Begriff nur bis zur Auflösung erweitert". Dunkmann, Religionsphilosophie. Kritik der religiösen Erfahrung als Grundlegung christlicher Theologie, 376. Vgl. Eck, Das Frömmigkeitsideal der modernen Theologie in gegnerischer Beleuchtung, 28; Herrmann, Der Christ und das Wunder. Vortrag gehalten auf der theologischen Konferenz zu Gießen am 18. Juni 1908, 31; Schlatter, Das Wunder in der Synagoge, 73· 32

Ein Wunderbegriff mit einem allumfassenden Umfang bekommt einen umso magereren Inhalt. Diese Konsequenz ist dem Verfasser unerwünscht. Für die Fruchtbarkeit des zu bestimmenden Wunderbegriffs könnte es aber ebenso wichtig sein, daß dieser nicht einen leeren Umfang hat, wie daß dieser Umfang nicht allumfassend ist. Eine Adäquatheitsbedingung mit dem Inhalt, daß der Wunderbegriff einen nichtleeren Umfang haben soll, ist in ihrer expliziten Formulierung als Adäquatheitsbedingung schwer im Material zu belegen. Die betreffende Adäquatheitsbedingung ist aber in denjenigen Fällen implizite vorausgesetzt, wenn der Begriffsbildner argumentiert oder stipuliert, daß die Begriffsbestimmung des Wunderbegriffs mit evidenten Tatsachen und als wahr bewiesenen Sätzen vereinbar sein muß, kurz: daß sie mit unserem Wissen übereinstimmen muß. So schreibt z.B. Schmeling als nachträgliches Argument, um seine schon gegebene Begriffsbestimmung zu rechtfertigen: Unsere Begriffsbestimmung widerstreitet in nichts den sicher gestellten Resultaten der Naturwissenschaften, in nichts den Gesetzen der Logik11. Nun könnte aber eine Definition, eine ßegri//sbestimmung an sich gar keinen anderen Sätzen, die nicht das Definiendum enthalten, widersprechen, wenn nicht zu dieser ßegn'//sbestimmung auch noch die Annahme hinzukommt, daß der Umfang des Begriffs nicht leer ist12. Deshalb scheint das Zitierte implizite die Adäquatheitsbedingung vorauszusetzen, daß der Umfang des definierten Begriffs nicht-leer ist. Wenn die entsprechende Annahme des nicht-leeren Umfangs aber den Naturwissenschaften und der Logik widersprechen würde, wäre die Annahme falsch. Weil sie aber nach einer Stipulation des Verfassers nicht falsch sein darf, darf sie deshalb auch nicht den Naturwissenschaften oder der Logik widersprechen. Im Material können auch solche Adäquatheitsbedingungen belegt werden, die sich auf den Inhalt, auf epistemologische, d.h. erkenntnisbezogene Eigenschaften des Wunderbegriffs beziehen oder solche, die sich auf logische Relationen des Wunderbegriffs zu anderen Begriffen beziehen. Eine vollständig explizierte Formulierung einer Adäquatheitsbedingung der letzteren Art muß sowohl den Begriff angeben, zu dem der 11

Schmeling, Die Wunderfrage, n i o . Schmelings Begriffsbestimmung selbst wird unten angeführt, siehe S. 85 f. 13 Eine stipulative Definition kann an sich niemals einem Satzinhalt widersprechen, sondern nur einem sprachlichen Satz widersprechen, der das Definiendum enthält. Widersprüche zwischen sprachlichen Sätzen lassen sich aber am häufigsten als logische Widersprüche immer durch die Annahme eliminieren, daß ein Wort oder Ausdruck in zwei verschiedenen Bedeutungen angewendet worden ist. 3 - 566-3501

33

Wunderbegriff in einer logischen Beziehung stehen soll, wie diese letztere logische Beziehung selbst näher bestimmen. Fr. Traub stellt implizite die folgenden Adäquatheitsbedingungen für eine richtige Definition des von ihm akzeptierten Wunderbegriffs auf: Das Wunder soll etwas 'Objektives' sein; das Wunder 'soll nicht der rationalen Kritik anheimfallen'; das Wunder soll eine Beziehung haben zur 'christlichen Frömmigkeit'; es soll 'Heilsbedeutung' haben, und der Wunderbegriff soll ein 'religiöser' Begriff sein. Diese Adäquatheitsbedingungen gehen aus dem hervor, was Traub über zwei andere Wunderbegriffe schreibt, „die in der Geschichte der Theologie sich herausgearbeitet haben: den rationalen und den religiösen Wunderbegriff" 1 * Traub schließt sich selbst nicht diesen Wunderbegriffen an: sie werden von ihm nur erwähnt, nicht akzeptiert. Er kritisiert sie, aber hebt auch ihre „Stärke" hervor. Gerade aus der Kritik sowohl wie aus der positiven Wertschätzung dieser Begriffe kann man sehr deutlich die Forderungen herauslesen, die Traub an den 'richtigen' Wunderbegriff und an seine richtige Bestimmung stellt11. " F. Traub, Zur Wunderfrage, 163. 14 Die Ausdrücke „der richtige Wunderbegriff" bzw. „die richtige Bestimmung des Wunderbegriffs" bedeuten hier dasselbe wie „der adäquate Wunderbegriff" bzw. „die adäquate Bestimmung [Definition) des Wunderbegriffs". Diese Ausdrucksweisen haben eine komplizierte logische Struktur und müssen deshalb geklärt werden. Fangen wir mit den folgenden Definitionen an: Der (dem Verfasser X zufolge) adäquate Wunderbegriff. = Df. der Begriff, der ( X zufolge) von dem Wort „Wunder" bezeichnet werden soll. = Df. der Begriff, der von der ( X zufolge) adäquaten Definition des Wortes „Wunder" definiert wird. Anstatt des Ausdrucks „die (eine) adäquate Definition des Wortes „Wunder" " werden wir oft den Ausdruck „die (eine) adäquate Definition des (adäquaten) Wunderbegriffs" verwenden. Vgl. unten S. 120, Anm. 3. Die adäquate Definition des Wortes „Wunder" ist dabei die von X stipulierte Definition dieses Wortes. Weil aber oft mehrere miteinander sogar nicht logisch äquivalente Definitionen die von X aufgestellten Adäquatheitsbedingungen erfüllen können, kann man das Wort „adäquate Definition" auch so verwenden, daß es X zufolge mehrere adäquate Definitionen des Wortes „Wunder" ( = eines adäquaten Wunderbegriffs) geben könnte. Entsprechend könnte man dann von mehreren adäquaten Wunderbegriffen sprechen. Das Wort „adäquat" hat also eine jeweils verschiedene Bedeutung nach dem bestimmten und nach dem unbestimmten Artikel. Für den letzteren Fall stellen wir die folgende Definition auf: Ein adäquater Wunderbegriff. = Df. ein Begriff, der von irgend einer adäquaten Definition des Wortes „Wunder" definiert wird. Der negative Ausdruck „nicht-adäquater Wunderbegriff" kann zwei verschiedene Bedeutungen haben je nachdem, ob er den Ausdruck „der adäquate Wunderbegriff" oder den Ausdruck „ein adäquater Wunderbegriff" negiert. Beide Bedeutungen fassen wir in der folgenden Definition zusammen: Nicht-adäquater Wunderbegriff. = Df. ein von dem Wort „Wunder" (oder seinen Synonymen) in einem faktischen Sprachgebrauch bezeichneter Begriff, der nicht der adäquate bzw. nicht ein adäquater Wunderbegriff ist. Es ist zu beachten, daß der Ausdruck „X zufolge" hier vor oder nach den Negations-

34

Z u e r s t behandelt T r a u b den 'rationalen' W u n d e r b e g r i f f : Der rationale Wunderbegriff wurzelt in der Scholastik und ist ein Stück ihrer natürlichen Theologie . . . Diese erkennt, daß Gott auf zweierlei Weise die Welt regiert: teils indem er der natürlichen Mittelursachen sich bedient, teils indem er unmittelbar in das Weltgeschehen eingreift. Im letzteren Falle haben wir das Wunder 15 . D i e „Stärke" der „rationalen W u n d e r t h e o r i e " ist T r a u b zufolge die folgende: „Sie verbürgt die volle Objektivität des W u n d e r s " . " W a s T r a u b als eine Stärke eines W u n d e r b e g r i f f s empfindet, will er natürlich auch als K o n s e q u e n z seiner eigenen Definition des v o n ihm akzeptierten W u n derbegriffs annehmen. Hier ist die erste Adäquatheitsbedingung Traubs angedeutet. A n d e r e Adäquatheitsbedingungen ergeben sich aus der Kritik, die T r a u b gegen den 'rationalen' Wunderbegriff richtet: d a ß nämlich das Wunder, das auf rationalem Grunde aufgebaut wird, auch der rationalen Kritik anheimfällt... Aber die Schwäche des rationalen Wunderbegriffs zeigt sich noch auf einem andern Punkte. Es fehlt ihm jede Beziehung zur christlichen Frömmigkeit... Natürlich, einzelne vergangene Wunder haben um ihres Inhalts willen die allergrößte religiöse Bedeutung... Aber ihre Heilsbedeutung wird nicht an der Stelle in Anschlag gebracht, an welcher der Wunderbegriff entworfen wird 1 '. D r e i Adäquatheitsbedingungen w e r d e n also n a c h T r a u b nicht

von dem

'rationalen' Wunderbegriff erfüllt. D i e erstere dieser drei Adäquatheitsbedingungen w i r d aber v o n dem 'religiösen' Wunderbegriff erfüllt. Dieser ist dem rationalen in doppelter Beziehung überlegen. Einmal unterliegt er nicht der Gefahr, von der wissenschaftlichen Kritik aufgelöst zu w e r d e n . . . Weiter aber ist es der große Vorzug des religiösen Wunderbegriffs, eben ein religiöser Begriff zu s e i n . . . Er verdankt seinen Ursprung gerade der Erkenntnis, daß das Wunder nur für den religiösen Glauben vorhanden ist und daß man sein eigentümliches Wesen nur darstellen kann, wenn man es vom religiösen Glauben aus verständlich macht".

zeichen eingesetzt werden kann und dann eine jeweils verschiedene Bedeutung der ganzen Ausdrücke ergibt. Im ersten Falle muß „ X zufolge" auch im rechten Glied der Definition unmittelbar nach „ein" eingesetzt werden. V o n dem ersten Fall gilt folgendes: Ein X zufolge nicht-adäquater Wunderbegriff ist ein von X abgelehnter, nicht-akzeptierter, nur erörterter Wunderbegriff. Darüber vgl. unten S. 89 f f . , besonders Anm. 4. 15 F. Traub, 163. " F. Traub, 164. 17 F. Traub, 165. Der religiöse Wunderbegriff wird selbst so bestimmt: „Dasselbe Ereignis betrachte ich unter dem religiösen Gesichtspunkt als Wunder, unter dem wissenschaftlichen Gesichtspunkt als natürlich bedingt. Die erstere Betrachtung tritt ein, wenn ich von einem Ereignis so berührt werde, daß ich darin die Nähe meines Gottes spüre." F. Traub, 164. Traub bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Schleiermacher.

35

Hier tritt die Adäquatheitsbedingung hervor, daß der Wunderbegriff ein 'religiöser Begriff sein soll; das bedeutet, daß „das Wunder nur für den religiösen Glauben vorhanden ist". Diese Adäquatheitsbedingung scheint einigen anderen von den erwähnten übergeordnet zu sein, und zwar, weil sie genereller ist. Diejenigen Adäquatheitsbedingungen, die sich auf die 'christliche Frömmigkeit' und auf die 'Heilsbedeutung' des Wunders beziehen, scheinen Spezialfälle, Spezifizierungen dieser generelleren Adäquatheitsbedingung zu sein, die diese letztere implizieren. Traubs eigene Definition des von ihm akzeptierten Wunderbegriffs, die ihm zufolge offensichtlich die von ihm aufgestellten Adäquatheitsbedingungen erfüllt, tritt in dem folgenden Kontext hervor: Das Wunder selbst aber können wir nunmehr definieren als das den Naturzusammenhang durchbrechende Wirken Gottes zu unserm Heil. Das Primäre ist das Wirken Gottes zu unserm Heil. Darin kommt der religiöse Charakter des Wunders zum Ausdruck. Darin liegt, daß das Wunder nur für den Heilsglauben vorhanden ist. Das Sekundäre ist die den Naturzusammenhang durchbrechende Wirkung. Diese Bestimmung tritt hinzu, wenn der religiöse Gedanke mit der Naturordnung zusammengedacht wird. N u n ist eine Wirkung Gottes zu unserm Heil immer eine glaubenschaffende Wirkung und eine glaubenschaffende Wirkung ist immer eine Offenbarung. Die Definition gewinnt dann die Form: Wunder ist eine glaubenschaffende, den Naturzusammenhang durchbrechende Offenbarung".

Daß auch das Bestimmungselement 'den Naturzusammenhang durchbrechend' als Bestimmungselement in dem akzeptierten Wunderbegriff Traubs eigene aufgestellte Adäquatheitsbedingungen wenigstens Traub zufolge erfüllt, läßt sich vielleicht am schwersten einsehen. Daß der Wunderbegriff auch durch dieses Bestimmungselement 'nicht der rationalen Kritik anheimfällt', versucht Traub durch längere wissenschaftstheoretische Ausführungen zu zeigen". Daß aber die Bestimmung 'den Naturzusammenhang durchbrechend' als Bestimmungselement im Wunderbegriff sogar von denjenigen Adäquatheitsbedingungen gefordert würde, die sich stärker positiv auf die 'Religion' und 'religiöse' Begriffe beziehen, begründet Traub durch die Annahme einer Theorie, daß der 'religiöse Glaube' als 'Vertrauen' und 'Hinwendung zu Gott' eben als 'freie Tat' „eine Durchbrechung des Naturzusammenhangs darstellt". Aber auch Gottes „auf unser Heil gerichtetes" Walten nimmt nach Traub Rücksicht auf diesen Glauben und ist insofern auch eine 'Durchbrechung des Naturzusammenhangs'20. Die kurz erwähnten Theorien von Traub unterscheiden sich in einer wesentlichen Hinsicht von Adäquatheitsbedingungen und stipulativen Definitionen, aber sie haben doch eine sehr wichtige Rolle in der BeF. Traub, 170. Vgl. 167. " Siehe besonders F. Traub, 172 ff. 20 F. Traub, 166. Vgl. 167.

19

Зб

griffsbildung. Der Unterschied liegt darin, daß die Theorien wahr oder falsch sind und nicht den Inhalt von Stipulationen bilden. D i e Formulierung der Theorien besteht immer aus wahren oder falschen Sätzen und nicht aus stipulativen Sätzen. Adäquatheitsbedingungen und stipulative Definitionen sind deshalb nicht in solchen Theorien und ihren rational rekonstruierten Formulierungen enthalten. D a s schließt aber keineswegs aus, daß solche Theorien wie die bei Traub belegten eine wichtige Rolle in der Begriffsbildung spielen, nämlich als logische 'Brücke' zwischen Adäquatheitsbedingungen und Definitionen. Sätze, die in solchen Theorien enthalten sind, werden w i r deshalb Hilfssätze

in der Begriffsbildung

nennen. D i e logische Stellung der Hilfssätze in der Begriffsbildung w i r d genauer im nächsten Abschnitt С dargestellt. So viel kann aber schon hier gesagt werden, daß in den allermeisten Fällen die Wahrheit irgendwelcher relevanten Hilfssätze eine notwendige

logische Bedingung dafür

ist, daß eine Definition eine aufgestellte Adäquatheitsbedingung erfüllt 21 . Manchmal gibt es aber mehrere alternative Möglichkeiten, Hilfssätze für eine Begriffsbildung z u wählen. So könnte man sich z.B. anscheinend alternative Theorien z u Traubs Theorien denken, die auch als Konsequenz ergeben würden, daß Traubs Definition seine eigenen Adäquatheitsbedingungen erfüllt. Eine erkenntnisbezogene Adäquatheitsbedingung, die sich auf den Erkenntniswert des 'religiösen Erlebens' bezieht, läßt sich bei Wendland feststellen: Man kann sich nicht bei der Lösung der Wunderfrage beruhigen, die darauf hinausläuft: der Begriff Wunder bringt die affektive Bedeutung eines Ereignisses zum Ausdruck, seine Beziehung zur religiösen Erfahrung; wenn wir dagegen dasselbe Ereignis erkenntnismäßig untersuchen, so komme ausschließlich seine Beziehung zu andern Ereignissen in Betracht. Vielmehr muß auch das Erkenntni«moment, das im Wunderbegriff liegt, zu seinem Recht kommen. Dies liegt darin: es gibt ein unmittelbares, persönliches Wirken Gottes, nicht bloß im geistigen sondern auch im sinnlichen Leben. Es gibt einen immer neuen Zustrom des überweltlichen göttlichen Lebens in die sinnliche, sichtbare Welt. Das sinnliche Dasein enthält Seiten, die ausschließlich dem religiösen Erleben sich enthüllen22. Z w e i Deutungen des Ausdrucks „das Erkenntnismoment, das im W u n derbegriff liegt" scheinen möglich z u sein, die aber nicht miteinander logisch unvereinbar z u sein brauchen: 21 Eine Definition kann eine Adäquatheitsbedingung erfüllen, die eine Eigenschaft von Definitionen ist. Eine solche Adäquatheitsbedingung entspricht der ersten der drei Bedeutungen dieses Wortes, die oben S. 31 unterschieden wurden. 22 Wendland, Der Wunderglaube im Christentum, 114. V g l . 6 f f . , 8; Ernst, Zur Verständigung über die Wunderfrage, 104 f. Die „Beziehung zur religiösen Erfahrung" stellt auch eine Adäquatheitsbedingung dar. V g l . Wendland, a.a.O., 7. Vgl. auch unten S. 96 f f .

37

a] Nach der einen Deutung bedeutet dieser Ausdruck, daß der Wunderbegriff andere Bestimmungselemente enthalten muß als solche, die sich auf die Beziehung des Wunders zum Bewußtsein des Beobachters beziehen. Die Fortsetzung des Zitats oben, die vom Wirken Gottes' spricht, stützt diese Deutung23. b ] Die andere Deutung gibt dem betreffenden Ausdruck den Sinn einer Aussage, daß das Wort „Wunder" einen kognitiven Sinn haben muß, einen theoretisch faßbaren Begriffsinhalt konnotieren muß24. Nach einer solchen Aussage genügt es nicht, wenn das Wort „Wunder" nur einen 'emotiven' Sinn hat und nur ein Gefühlsausdruck ist so wie die Wertwörter gemäß der emotiven Werttheorie 25 . Das Wort „Wunder" muß vielmehr eine semantische und nicht nur eine pragmatische Beziehung haben28. Nach der letzteren Deutung b) würde eine Adäquatheitsbedingung hervortreten, die sich auf semantische und pragmatische Eigenschaften des Wortes „Wunder" bezieht. Bisher haben wir nur Beispiele für solche Adäquatheitsbedingungen belegen können, die sich auf Eigenschaften des Wunderbegriffs beziehen. Wenn aber die semantische Beziehung des Wortes „Wunder" in Frage gestellt wird, wird überhaupt das Vorhandensein eines Wunder begriff s auch in Frage gestellt. Ohne semantische Beziehung bezeichnet ein Wort nichts, auch nicht einen Begriff. Trotzdem kann das Wort dann als Gefühlsausdruck eine pragmatische Beziehung haben. Ein anderer Kontext, der von der „Ableitung des Wunderbegriffes" handelt, findet sich bei Jelke 27 . In einer Adäquatheitsbedingung wird „der religiöse Charakter des Wunders" hingestellt. Jelke schreibt: „daß dieser also in der endgültigen Definition durchblicken muß, ist selbstverständ23

V g l . Wendland, a.a.O., 7; Ernst, 104 f . Wendlands eigene Begriffsbestimmung, siehe

unten S. 84 f . 21

Über Konnotation, vgl. z.B. Stebbing, Α

modern introduction to logic, 2 7 f f . Als

Konnotationen von sprachlichen Wörtern und Ausdrücken werden hier Begriffe ( = Begriffsinhalte), als Konnotationen von sprachlichen Sätzen Satzinhalte gelten. „Konnotation" steht hier f ü r dasselbe, was auch „Intension" genannt wird. Konnotationen sind intensionale, nicht extensionale Größen. Über intensionale und extensionale Größen, siehe Carnap, Symbolische Logik, 40 f f . , 98 f . Über Intensionen, siehe auch Carnap, Meaning and necessity, 18 f f . , 2 3 f f . , 27 f f . 25

Über die emotive Werttheorie, siehe z.B. A y e r , Language, truth and logic, 102 f f .

(Kap. V I ) ; a.a.O., 20 f f . ; Stevenson, Facts and values. Studies in ethical analysis, 5 5 f f . [Essay 4 ) , 79 f f . Über 'emotiven' im Gegensatz zum kognitiven Sinn, siehe ferner z.B. Stevenson, Ethics and language, 3 7 f f . (Kap. III); Facts and values, 20 f f . , 204 f f . M

Über die Unterscheidung zwischen semantischen und pragmatischen Beziehungen der

Sprache, siehe z.B. Carnap, Introduction to semantics, 8 f f . (§ 4 ) ; Symbolische Logik, 7 8 f.; Meaning and necessity, 2 3 3 f f . , 248 f f . (Supplement D und E ) . "

38

Jelke, Die Wunder Jesu, 5 f f . Der zitierte Ausdruck findet sich a.a.O., 9.

lieh"28. Er schreibt auch, daß „wir im Wunder auf alle Fälle ein spezifischreligiöses Phänomen erblicken"29. Ein größeres Gewicht scheint Jelke aber auf Adäquatheitsbedingungen epistemologischer Art zu legen, die sich also auf die Erkenntnis beziehen: „die Möglichkeit einer von Anfang an durchführbaren wissenschaftlichen Kontrolle der Bestimmung des Wunders" wird gefordert30. Diese Bedingung macht es nach Jelke wünschenswert, daß man nicht von einer abstrakten Definition des Wesens der Religion ausgeht und dann durch immanente Erwägungen einem konstruierten Wunder seinen festen Platz im Rahmen der Religion anzuweisen versucht31.

Eine gewisse Art Begriffsbildung erschwert nach Jelke die Erfüllung der epistemologischen Adäquatheitsbedingung. Eine epistemologische Adäquatheitsbedingung macht sich auch bemerkbar in Jelkes Versuch, das 'metaphysische' Wunder gegen das 'religiöse' auszuspielen: Beim religiösen Wunder handelt es sich um Dinge, die abgesehen von der religiösen Deutung mit den Objekten sonstiger Erfahrung durchaus übereinstimmen; beim metaphysischen Wunder dagegen um Erscheinungen, die für das erkennende Subjekt auch abgesehen von solcher religiösen Deutung eine wesentlich andersartige Beschaffenheit haben als die übrigen Ereignisse in der Welt. Da wird man doch gut tun, wenigstens in der wissenschaftlichen Darlegung den Begriff des religiösen Wunders auf sich beruhen zu lassen und unter Wunder stets das metaphysische Wunder zu verstehen32.

Diese epistemologische Adäquatheitsbedingung wird nach Jelke nur dann erfüllt, wenn „das, was die bestimmten Geschehnisse, die wir als Wunder bezeichnen wollen, vor allem sonstigen Erzählten unter rein natürlichem Gesichtspunkt voraus haben" auch in der Bestimmung des 'richtigen', d.h. des von Jelke akzeptierten Wunderbegriffs hervortritt33. Von solchen Bestimmungen müssen „charakteristische Eigenschaften des Wunders . . . , die primär religiöser Natur sind", genau unterschieden werden33. Die 30 Jelke, a.a.O., 9. Jelke, a.a.O., 10. 5 1 Jelke, a.a.O., 9 f. Jelke, a.a.O., 5. 32 Jelke, a.a.O., 20 f. Der von Jelke abgelehnte Begriff des 'religiösen Wunders' wird folgendermaßen bestimmt: „Demgegenüber soll es sich beim sog. religiösen Wunder um Tatsachen oder Ereignisse handeln, die auf den Frommen den Eindruck der Unmittelbarkeit des göttlichen Wirkens lediglich um der religiösen Deutung willen machen, die der Fromme allein aus seinem subjektiven Empfinden ihnen zuteil werden läßt." a.a.O., 19. In bezug auf diesen Begriff redet Jelke von einem „uneigentlichen Gebrauch des Wortes Wunder", a.a.O., 20. Jelke scheint sich aber bewußt zu sein, daß Fragen des Sprachgebrauchs Fragen der Konvention sind: „ A n sich ist nun freilich nichts dagegen zu sagen, wenn man in solchen Fällen von Wundern reden will." Das Zitierte drückt aber jedenfalls nicht den Willen Jelkes aus. Jelke schreibt auch, „daß das eine ganz andere Auffassung vom Wunder ist als die, um die es sich beim metaphysischen Wunder 33 Jelke, a.a.O., 10. handelt". a.a.O., 20. 28 28

39

letzteren haben Bedeutung für den rein 'religiösen' Charakter des zu bestimmenden Wunderbegriffs. Beide Bestimmungskomplexe dürften in Jelkes eigenem Wunderbegriff miteinander zu einer logischen Konjunktion kombiniert sein". Der von Jelke akzeptierte Wunderbegriff erfüllt also nach Jelkes Ansicht sowohl die epistemologischen wie die oben genannten 'religiösen' Adäquatheitsbedingungen. Ohne den Terminus „metaphysisch" in diesem Zusammenhang zu billigen, akzeptiert Jelke jedoch als seinen eigenen Wunderbegriff denjenigen, der ihm zufolge von anderen Verfassern der „metaphysische Wunderbegriff" genannt wird; dieser Begriff wird von ihm so bestimmt: Unter einem metaphysischen Wunder versteht man dabei ganz im Sinne unserer Auffassung des Wunders solche Erscheinungen, die aus den erfahrungsmäßigen Gesetzen des bisherigen Weltlaufes nicht erklärt werden können und also in dieser ihrer Unerklärbarkeit das Moment enthalten, das geeignet ist, den Menschen die Unmittelbarkeit des göttlichen Wirkens zum Bewußtsein zu bringen'5.

Diese Bestimmung erfüllt anscheinend nach Jelke seine aufgestellten Adäquatheitsbedingungen: diejenige der 'durchführbaren wissenschaftlichen Kontrolle' und diejenige, die sich auf den 'religiösen Charakter' des Wunders bezieht. Die letztere wird anscheinend durch den letzten Teil des angeführten Zitats als erfüllt angesehen. Diese Adäquatheitsbedingung bezieht sich aber auch auf ein anderes Moment in Jelkes Begriffsbestimmung, das so formuliert wird: Kaum minder wichtig ist das weitere Kennzeichen, das darin besteht, daß diese fraglichen Ereignisse zugleich Ausdrucksmittel eines sie selbst mitumfassenden einheitlichen Zusammenhanges sind, dessen Sinn und Bedeutung vom menschlichen Subjekt . . . im großen und ganzen deutlich und bekannt ist. Und zwar kommt als dieser so bekannte Sinn dieses Zusammenhanges einzig das in Frage, daß der lebendige Gott in seinem Handeln deutlich als der erkannt wird, der bemüht ist, seine Zwecke und Ziele den Menschen gegenüber durchzusetzen36.

Diese Teilbestimmung des Wunderbegriffs hat anscheinend die Aufgabe, den 'religiösen Charakter' des Wunders nach der oben aufgestellten entsprechenden Adäquatheitsbedingung zur Geltung kommen zu lassen. Die bisherige Analyse weist auf eine grundsätzlich wichtige allgemeine Tatsache hin, daß nämlich verschiedene Adäquatheitsbedingungen sich auf jeweils verschiedene Momente einer Begriffsbestimmung, auf jeweils verschiedene Bestimmungselemente des zu bestimmenden Begriffs beziehen können und dadurch auch von jeweils verschiedenen Momenten einer Begriffsbestimmung erfüllt werden37. Wenn ein Moment einer DeÜber logische Konjunktion, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 8, 11. Jelke, a.a.O., 19. V g l . 13, 21. Eine inhaltlich ähnliche Definition Jelkes findet sich a.a.O., 13, und ist unten angeführt, S. 65. 38 Jelke, a.a.O., 14. 37 Daß z.B. Jelkes akzeptierter Wunderbegriff ein 'relatives' Moment im Gegensatz zum 34 35

40

finition eine bestimmte Adäquatheitsbedingung erfüllt, werden wir deshalb sagen, daß auch die Definition selbst als Ganzes dieselbe Adäquatheitsbedingung erfüllt. C. Logische Beziehungen Adäquatheitsbedingungen

zwischen Definitionen und zwischen

in den Begriffsbildungen

und

Momenten

überhaupt

In Abschnitt Α wurde hervorgehoben, daß diejenigen Adäquatheitsbedingungen für Definitionen von Wunderbegriffen, die in dem hier behandelten Material explizite oder implizite vorkommen, sich praktisch immer auf Eigenschaften (im weitesten Sinne, einschl. Beziehungen] des Wunder begriffs beziehen38. Diese These ist insoweit von den Beispielen im vorigen Abschnitt В bestätigt worden. Ein beliebiger Satz, der einem Wunderbegriff eine Eigenschaft [im weitesten Sinne] zuschreibt, wurde in Abschnitt Α schematisch mit dem Buchstaben „S" bezeichnet. Die Adäquatheitsbedingungen, die als heuristische Prinzipien dienen (nach der zweiten Bedeutung das Wortes „Adäquatheitsbedingung" in Abschnitt A ] , können dann so formuliert werden: 'Jede adäquate Definition des Wunderbegriffs soll als Konsequenz die Wahrheit von S ergeben'. Dabei ist S irgendein Satz, der einem Wunderbegriff eine Eigenschaft zuschreibt. Gemäß einer solchen Adäquatheitsbedingung ist S wahr entweder als Begriff des sog. 'absoluten Wunders' enthält und daß dieser letztere Begriff deshalb von ihm abgelehnt wird, dürfte seinen Grund in Jelkes epistemologischer Adäquatheitsbedingung haben, die „die Möglichkeit einer . . . wissenschaftlichen Kontrolle der Bestimmung des Wunders" fordert. a.a.O., 9. Diese Forderung scheint nämlich das treibende Motiv hinter einem Gedankengang zu sein, der in folgender Weise formuliert wird: daß nämlich „das Urteil, ob wir es im einzelnen Falle mit solch einer direkten Verursachung Gottes zu tun haben oder ob nur der natürliche Zusammenhang alles Geschehens vorwaltet, doch lediglich davon abhängen kann, ob unser Verstand überzeugt ist, daß die sich ihm darbietende Unerklärbarkeit ihm eine . . . letztlich doch lösbare Aufgabe stellt oder ob hier eine Tatsache vorliegt, die aus all seiner Erfahrung herausfällt, für ihn also nicht lösbar ist . . . W o sind die Maßstäbe, die hier entscheiden, wenn man daran denkt, daß kein Mensch sagen kann, was sich künftig der menschlichen Erkenntnis darbieten und was ihr ewig verschlossen sein wird . . . Das aber macht . . . deutlich, daß für den Wunderbegriff der subjektive Erfahrungsinhalt des menschlichen Individuums oder auch des bestimmten Gemeinschaftskreises ausschlaggebend ist". Jelke, a.a.O., 18 f. Vgl. 2i. Dieser Gedankengang mit dem entsprechenden 'relativen' Moment in Jelkes Wunderbegriff scheint nur von seiner oben erwähnten epistemologischen Adäquatheitsbedingung bedingt zu sein und hat anscheinend nichts mit dem 'religiösen Charakter des Wunders' zu tun, der von einer anderen Adäquatheitsbedingung gefordert wird. 38 Die Eigenschaften des Wunderbegriffs müssen genau unterschieden werden von denjenigen Begriffen, die in dem Wunderbegriff als Bestimmungselemente enthalten sind.

41

unmittelbare Konsequenz der Definition oder als Konsequenz der Definition zusammen mit anderen Sätzen, die dadurch wenigstens implizite von dem Verfasser-Begriffsbildner als wahr vorausgesetzt werden, wenn sie nicht ausdrücklich als wahr behauptet werden. Diese Sätze sind die sog. Hilfssätze in der Begriffsbildung, von denen oben schon die Rede gewesen ist39. Damit ist aber die Frage aufgeworfen, wie die logische Beziehung zwischen einer Definition und einem Satz S der oben genannten Art näher bestimmt werden soll, im Rahmen dessen, daß S als Konsequenz der Definition wahr sein soll. Wir wollen eine betreffende Definition mit dem Buchstaben „D" bezeichnen". Es gibt dann in dem angegebenen Rahmen zwei mögliche logische Beziehungen zwischen D und S: x. D L-impliziert S41. Diese Möglichkeit, daß S eine unmittelbare Konsequenz von D ist, ist aber sehr selten verwirklicht; viel häufiger ist das Bestehen der zweiten Alternative: 2. D allein L-impliziert nicht S, aber: D & Ρ L-impliziert S", wobei Ρ ein theoretischer, wahrer oder falscher Satz ist, von dem man annehmen muß, daß Ρ für den betreffenden Verfasser als wahr gilt. Ρ soll weder mit D noch mit S identisch sein. Unter Voraussetzung von Ρ folgt S aus D. In diesem Falle ist Ρ nach einer schon eingeführten Terminologie ein Hilfssatz in der betreffenden Begriffsbildung, die auch D und S sowohl wie die Adäquatheitsbedingung, die S als Konsequenz von D hinstellt, umfaßt. Wenn Ρ ein Hilfssatz in einer Begriffsbildung sein soll, müssen die folgenden drei notwendigen Bedingungen erfüllt sein (die in der Darstellung der Alternative 2 oben schon erwähnt sind): χ. Ρ ist wahr oder falsch, also ein theoretischer Satz; 2. Ρ ist nicht identisch mit D oder S; und 3. Ρ gilt für den betreffenden Begriffsbildner als wahr. Hierbei wird Ρ entweder explizite von dem Begriffsbildner in seiner Begriffsbildung verwendet oder implizite vorausgesetzt. Ob eine implizite Voraussetzung von Ρ bei einem Verfasser vorliegt oder nicht, läßt sich nur beurteilen im Lichte einer von dem Verfasser selbst explizite formulierten Definition D. Sowohl D wie S müssen bei einem Verfasser explizite gegeben sein, wenn man in einer rationalen Rekonstruktion des Verfassers Ρ sozusagen supplieren können soll. s

" Siehe oben S. 3 7 . Im übrigen ist das hier Gesagte schon in Abschnitt Α

gesagt

worden. 40

V g l . oben S. 26 f f .

41

Das W o r t „L-impliziert" steht als verkürzte Formulierung für den Begriff der lo-

gischen Implikation. Siehe oben S. 30, A n m . 6. 42

„&." steht als Zeichen für logische Konjunktion. Siehe oben S. 40, A n m . 3 4 .

42

Im Schema 'D & Ρ L-impliziert S' kann Ρ (als Hilfssatz} eine logische Konjunktion sein. Den Begriff 'Hilfssatz' fassen wir aber in einem noch weiteren Sinne auf, demzufolge Ρ auch dann ein Hilfssatz ist, wenn Ρ ein Teilglied einer Konjunktion Ρ ι ist, die so beschaffen ist, daß D & Ρ ι den Satz S L-impliziert. ι und 2 stellen die beiden Alternativen dar, die in bezug auf logische Beziehungen zwischen D und S in einer Adäquatheitsbedingung der oben genannten A r t stipuliert werden können. Die eine oder andere logische Beziehung zwischen D und S braucht nicht explizite in einer solchen Adäquatheitsbedingung formuliert z u werden; eine Adäquatheitsbedingung kann sogar implizite beide alternativen logischen Beziehungen erlauben, indem sie implizite die Disjunktion zwischen beiden voraussetzt". Eine rationale Rekonstruktion kann in einer Präzisierung der betreffenden Adäquatheitsbedingung die eine oder andere der beiden möglichen logischen Beziehungen wählen, aber nur dann, wenn der Verfasser eine eigene ausgeführte Definition D formuliert hat, wobei diese bestimmte Definition des Verfassers als das eine Glied der logischen Beziehimg dient und die A r t dieser Beziehung deshalb mitbestimmt. Eine Adäquatheitsbedingung ist immer etwas, was ein Begriffsbildner aufstellt, und eigene Adäquatheitsbedingungen werden ja in dieser Abhandlung nicht aufgestellt, sondern es werden nur Begriffsbildungen in dem Material untersucht und rational rekonstruiert. Die logischen Beziehungen zwischen einem D und einem S, die in Einzelfällen untersucht werden, sind deshalb nur solche, die nach der expliziten oder impliziten und rational rekonstruierten Ansicht eines Verfassers im Material bestehen. V o r einer expliziten derartigen Behauptung eines Verfassers kann man die Frage stellen, ob die behaupteten Implikationen zwischen D und S auch de re vorliegen, aber nur dann, wenn der Verfasser wirklich eine eigene ausgeführte Definition D gegeben hat, so daß D eine gegebene bestimmte G r ö ß e ist und „ D " nicht nur als generelle Variable für jede adäquate Definition in einer rationalen Rekonstruktion des Verfassers steht". Bei einer rationalen Rekonstruktion wiederum hat man die Deutung des Verfassers und dessen, was er implizite behauptet, schon der Annahme der Wahrheit seiner Behauptungen angepaßt. Eine Definition ist in den Ausführungen oben so behandelt worden, daß sie in logische Beziehungen zu anderen Sätzen treten kann. Logische Beziehungen zwischen Definitionen und anderen Sätzen geben aber A n laß zu einem Problem, denn diejenigen Definitionen, von denen hier in " Über Disjunktion, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 7, n . 44 Über Variablen, vgl. Carnap, Symbolische Logik, 24 f f . Genauer gesagt sind die Buchstaben „ D " und „S" im Text eher als schematische Buchstaben anstatt als Variablen aufzufassen. Über die Unterscheidung beider Kategorien, siehe Quine, From a logical point of view, 108 f f . , n 8 f f .

43

der Behandlung von Begriffsbildungen und Adäquatheitsbedingungen die Rede ist, sind stipulative Sätze, die an sich weder wahr noch falsch sind. Alle solche Definitionen, die überhaupt durch stipulative Adäquatheitsbedingungen bedingt sind, sind stipulativ. Nicht-stipulative, z.B. sprachgebrauchsbeschreibende Definitionen sind nicht von stipulativen Adäquatheitsbedingungen bestimmt, sondern nur von Wahrheitsbedingungen". In dieser Beziehung sind nicht-stipulative Definitionen eben wahre oder falsche Sätze. Wir stehen hier also vor dem Problem, wie stipulative Definitionen, die weder wahr noch falsch sind, dennoch in logischen Beziehungen zu anderen Sätzen stehen können. Bei Sätzen ohne Wahrheitswert kann man im eigentlichen Sinne nicht mit logischen Beziehungen rechnen". Logische Beziehungen zwischen Sätzen ohne Wahrheitswert müssen wenigstens auf solche Beziehungen zwischen Sätzen mit Wahrheitswert zurückgeführt werden können. Ein gangbarer Weg wäre der folgende: Man leitet die problematische logische Beziehung ab von entsprechenden logischen Beziehungen zwischen Sätzen mit einem entsprechenden Inhalt wie die stipulativen Sätze, welche nur sozusagen das stipulative Moment entbehren. Die logischen Beziehungen dieser theoretischen Sätze sind dann dieselben, die zwischen den entsprechenden stipulativen Sätzen bestehen. Wenn also stipulative Sätze in logischen Beziehungen zu anderen Sätzen, theoretischen oder stipulativen, stehen können sollen, dann müssen sie in theoretische Sätze ubersetzt' werden können, wobei die letzteren in den entsprechenden logischen Beziehungen zu denselben Sätzen stehen müssen. Zu solchen logischen Beziehungen gehört nicht nur die Implikation einschl. der L-Implikation, sondern auch z.B. die Konjunktion. Für die stipulativen Adäquatheitsbedingungen der Form 'S soll gelten' ist die 'Übersetzung' einfach: als 'Übersetzung' nimmt man einfach den Satz S, und die logischen Beziehungen, die zwischen S und anderen Sätzen bestehen, werden dann auf 'S soll gelten' sozusagen übertragen. Grundsätzlich gilt dasselbe Verfahren auch für stipulative Definitionen. Einige konkretere Beispiele können die Art einer solchen 'Übersetzung' erläutern: Stipulative Adäquatheitsbedingungen, die die folgende Wahl ausdrücken: 45

Theoretische Sätze, die als deren 'Übersetzungen' dienen können:

Über verschiedene Arten von Definitionen, vgl. z.B. Leonard, Principles of right

reason, 2 7 1 f f . , 289 f f . ; Naess, Interpretation and preciseness, 1 4 2 - 1 8 5 ; Hempel, Fundamentals of concept formation, 2 f f . 48

Stipulative Sätze sind als Ausdruck von Stipulationen weder wahr noch falsch. Die

gewöhnliche zweiwertige Logik ist aber auf Verknüpfungen aufgebaut, die mit Hilfe der beiden Wahrheitswerte definiert werden.

44

Wahl der Quelle Q für den Wunderbegriff Wahl des Wortes „teras" als Synonym für „Wunder" Wahl von Erzählungen als Wundererzählungen Definition: 'Wunder'= D f. f"

'Der Wunderbegriff kommt in Q vor'. Das Wort „Wunder" ist synonym mit „teras". Die Berichte Β ι, В 2 . . . sind Wunderberichte 'Wunder' ist L-äquivalent mit f.

Kraft jeder vollständigen Definition ist ein logischer Äquivalenzsatz wahr, der zwischen den Begriffen, die von dem Definiendum bzw. von dem Definiens bezeichnet werden, eine logische Äquivalenz aussagt. Die logischen Beziehungen dieses Äquivalenzsatzes würden nach unserem entwickelten Übersetzungsprinzip auch diejenigen der entsprechenden Definition sein. Hinter diesen Übertragungsoperationen wird als allgemeine Regel vorausgesetzt, daß ein stipulativer Satz der Form 'S soll gelten' als L-äquivalent mit S gelten und dienen soll. Diese Stipulation liegt der oben angedeuteten Definition der logischen Beziehungen für stipulative Sätze zugrunde. Eine Begriffsbildung besteht sowohl aus stipulativen Definitionen wie stipulativen Adäquatheitsbedingungen und auch aus theoretischen Hilfssätzen, wenn diese nötig sind, um eine logische Brücke zwischen den Definitionen und den Adäquatheitsbedingungen zu schlagen. Der Begriff 'Adäquatheitsbedingung' wird hier in der Bedeutung 2 oder 3 in Abschnitt Α aufgefaßt, demgemäß eine Adäquatheitsbedingung ein stipulativer Satz ist. Wir werden aber den Terminus „Begriffsbildung" im folgenden so verstehen, daß in einer Begriffsbildung auch zwei oder mehrere verschiedene Adäquatheitsbedingungen verschiedenen Inhalts vorkommen können, die einander über- und untergeordnet sind. Die Beziehungen zwischen einer übergeordneten und einer untergeordneten Adäquatheitsbedingung sind genau analog den Beziehungen zwischen einer untergeordneten Adäquatheitsbedingung für eine Definition und dieser Definition: auch in der Beziehung zwischen über- und untergeordneten Adäquatheitsbedingungen können theoretische, wahre oder falsche Hilfssätze nötig sein, um eine logische Brücke zwischen ihnen zu schlagen". Auch solche Hilfssätze ge" Der Ausdruck „ = D f . " sagt aus, daß das linke Glied, Definiendum, als logisch äquivalent und synonym mit dem rechten Glied, Definiens, definiert wird. Vgl. Carnap, Introduction to semantics, 17; Hempel, Fundamentals of concept formation, 3. 48 Ein Beispiel kann das Gesagte illustrieren: 1 . Übergeordnete Adäquatheitsbedingung: 'Der Wunderbegriff soll von einem Wort in der Quelle Q bezeichnet werden'. 2. blilfssatz: 'Das Wort „dynamis" kommt in Q vor'.

45

hören dann in eine Begriffsbildung hinein. Den Begriff 'Adäquatheitsbedingung für' fassen wir auch als eine transitive Relation auf, insofern als eine übergeordnete Adäquatheitsbedingung (eine Adäquatheitsbedingung für eine untergeordnete Adäquatheitsbedingung) auch als eine Adäquatheitsbedingung für die betreffende stipulative Definition gelten soll". Eine Adäquatheitsbedingung, die einer anderen übergeordnet ist (bei einem Verfasser), gehört in dieselbe Begriffsbildung hinein wie jene. Kombinationen zwischen Adäquatheitsbedingungen können aber von zweierlei Art sein: entweder Über- und Unterordnving zwischen ihnen oder Beiordnung. Eine Beiordnung ist eine Konjunktion von Adäquatheitsbedingungen (manchmal aus verschiedenen Begriffsbildungstypen) ohne Über- und Unterordnung zwischen den Adäquatheitsbedingungen. Eine Kombination (Konjunktion) von verschiedenen Adäquatheitsbedingungen ist nur dann von Interesse, wenn sie sich auf dieselbe Definition oder auf dieselbe Klasse von adäquaten Definitionen eines Begriffs bezieht. Diese Voraussetzung wird hier in allen den Zusammenhängen gemacht, wo von Kombinationen zwischen Adäquatheitsbedingungen die Rede ist. Adäquatheitsbedingungen verschiedener Art entsprechen verschiedene Typen von Begriffsbildung. Zu Adäquatheitsbedingungen verschiedener Art gehören dann auch verschiedene Arten von Hilfssätzen, die die logische Brücke zu den stipulativen Definitionen bilden. Zu verschiedenen Typen von Begriffsbildung gehören auch teilweise verschiedene Typen von Definitionen in bezug auf ihre semantische Funktion und ihren semantischen Zweck. In der Darstellung der verschiedenen Begriffsbildungstypen in Kap. 2 und 3 wird auf diese verschiedenen Typen von Definitionen hingewiesen. Definitionen, die nicht-stipulativ, sondern theoretisch, wahr oder falsch sind, können in den Begriffsbildungstypen als Hilfssätze in der Begriffsbildung dienen - und nur in dieser Funktion haben nicht-stipulative Definitionen einen Platz in einer Begriffsbildung - in dem Sinne dieser Arbeit. In allen den verschiedenen Begriffsbildungstypen, die in Kap. 2 und 3 dargestellt werden, kommen Definitionen vor, die wir intensionale Definitionen nennen können50. Darin liegt kein Unterschied zwischen den 3. Untergeordnete Adäquatheitsbedingung: 'Der Wunderbegriff soll von dem Wort „dynamis" bezeichnet werden.' Die Konjunktion [3] & C 2 ] L-impliziert CO, wenn man die stipulativen Sätze [3) und CO in entsprechende theoretische Sätze übersetzt. Dieses Implikationsschema entspricht dem Schema oben 'D & Ρ L-impliziert S'. Siehe oben S. 42 f . " Über transitive Relationen, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 119. Etwas genauer kann der Gedankengang so formuliert werden: Wenn S 1 eine Adäquatheitsbedingung für S 2 ist und S 2 eine Adäquatheitsbedingung für D ist, so ist auch S 1 eine Adäquatheitsbedingung für D. 60

Über intensionale Definitionen, vgl. Leonard, Principles of right reason, 289 f f .

46

Begriffsbildungstypen: in einer trivialen Weise ist insofern jede Begriffsbildung intensional, als das Definiens in intensionalen Definitionen sich auf Begriffsinhalte beziehen muß, und solche intensionalen und zugleich stipulativen Definitionen sind die logischen Schlußpunkte einer jeden vollständig durchgeführten Begriffsbildung. Der Unterschied zwischen den Begriffsbildungstypen betrifft nicht Definiendum und Definiens in den stipulativen intensionalen Definitionen, sondern betrifft die Adäquatheitsbedingungen und die Argumente, die von dem Verfasser für die Definitionen gegeben werden. D. Stipulative Sätze, Werteinschätzung und Überredung Stipulative Sätze drücken immer eine Wahl aus, eine Wahl einer Quelle, eines Wortes für den Wunderbegriff oder von individuellen Erscheinungen, die als sichere Exemplare unter den Wunderbegriff fallen sollen. Eine stipulative Wahl kann immer unter dem Einfluß von Bewertungen und Werteinschätzungen - positiven oder negativen - stehen. In allen denjenigen Fällen, wo eine Werteinschätzung die stipulative Wahl beeinflußt, liegt ein bewußter oder unbewußter Versuch vor, eine positive oder negative Wertladung von einem Gegenstand zu einem anderen zu übertragen. Entweder wird dabei eine gegebene Wertladung eines Wortes von dem Wort auf einen Begriff und/oder auf Gegenstände übertragen, oder eine gegebene Wertladung von Gegenständen und Begriffen wird auf ein Wort übertragen. Der erstere Fall liegt vor, wenn das Wort „Wunder" eine schon feststehende und gegebene, positive oder negative Wertladung hat, und diese Wertladung versucht der Verfasser und Begriffsbildner dann auf den Inhalt des Definiens in seiner Definition des Wunderbegriffs zu übertragen, oder auch auf die Quellen, Wörter, singulären Erscheinungen oder erzählten Ereignisse u.dgl. zu übertragen, die der Verfasser in seiner Begriffsbildung als Ausgangspunkt wählt. Eine solche Wertübertragung ist nur im Verhältnis zu einem Empfänger dessen, was der Verfasser geschrieben oder gesprochen hat, wirksam, wobei der Empfänger dann auch dieselbe schon im voraus feststehende Werteinschätzung des Wortes „Wunder" wie der Absender haben muß. Der Absender versucht den Empfänger dazu zu veranlassen, seine Werteinschätzung von Begriffsinhalten und Erscheinungen u.s.w. zu akzeptieren, und zwar dadurch, daß er sie mit dem Worte „Wunder" verbindet. Der umgekehrte Fall liegt dann vor, wenn der Absender und der Empfänger einig sind in bezug auf eine positive oder negative Werteinschätzung einer Quelle, eines Verfassers, eines Begriffs, eines Wortes oder einer Erscheinung. In diesem Falle versucht der Absender den Empfänger dazu zu veranlassen, dieselbe Werteinschätzung im Hinblick auf das Wort 47

„Wunder" oder den Wunderbegriff zu akzeptieren, und zwar dadurch, daß der Absender in seiner Begriffsbildung des Wunderbegriffs sich auf eine oder einigen der Entitäten bezieht, deren Wert oder Unwert sowohl für den Absender wie für den Empfänger im voraus feststeht. Wenn der Absender versucht, durch Definitionen eine Übertragung von Wertladungen vom Definiendum auf das Definiens und dessen Inhalt oder vom Definiens und dessen Inhalt auf das Definiendum zu bewirken, so spricht man von Überredungsdefinitionen [engl, 'persuasive definitions'] 51 . Aber der Begriff der Überredung kann erweitert werden, insofern als man überhaupt von überredenden Momenten in Begriffsbildungen reden kann. So können z.B. die Adäquatheitsbedingungen, die im vorigen Abschnitt В aus dem Material angeführt wurden, eine Überredung ausdrücken. Dasselbe gilt von Argumenten, die ein Verfasser für seine schon gegebene Definition als Rechtfertigung vorbringt. Eine Wertübertragung, eine Übertragung einer gegebenen Wertladung von einer Entität auf eine andere, ist in dem hier behandelten Material sehr schwer festzustellen. Eine solche Feststellung müßte Werteinschätzungen 'hinter' den Formulierungen der angeführten Verfasser aufspüren, und das wäre eine psychologische, kausal-genetische Aufgabe außerhalb des Rahmens dieser Abhandlung. Noch ein Grund dafür, daß diese Abhandimg die genannte Aufgabe nicht zu lösen versuchen wird, kommt hinzu: Während Wertwörter wie „übel", „schlecht", „böse" und „gut" eine klare, schon feststehende Wertladung für alle haben, sowohl für Absender wie Empfänger einer ganzen Sprachgemeinschaft, so ist es nicht sicher und keineswegs eine bewiesene oder feststehende Tatsache, daß das Wort „Wunder" eine bestimmte, allgemein akzeptierte, positive oder negative Wertladung hätte. Höchstens könnte man sich fragen, ob Verfasser in dem Material eine Haltung des Sich-Wunderns, des Staunens, der Scheu, der Ehrfurcht gegenüber dem Worte „Wunder" auch darauf übertragen wollen, daß diese Haltung sich auch gegen das richten soll, was der betreffende Verfasser als Begriffsinhalt des Wortes definiert oder als Begriffsumfang des Wortes behauptet. Das aber sind alles Fragen, nicht feststehende Thesen". 51

Über 'persuasive definitions', siehe z.B. Stevenson, Ethics

and language, 206 f f . ,

2 7 7 f f . Über 'Persuasion' im allgemeinen, siehe a.a.O., 1 3 9 f f . Über Fälle, w o nicht nur eine Wertladung zwischen Wörtern und Ausdrücken übertragen wird, sondern w o durch diese Übertragung auch eine Wertverstärkung stattfindet, siehe Hallden, True love, true humour and true religion, 14, 84 f f . 52

Es ist übrigens auch möglich, daß die Wörter „Wunder" und „wunderbar" in bezug

auf Wertladungen und mögliche Überredungen verschiedene Funktionen aufzeigen. Hat z.B. das W o r t „wunderbar" immer eine positive Wertladung, während „Wunder" in dieser Beziehung in verschiedenen Fällen verschiedenartig auftritt? Ohne diese Fragen zu beantworten, soll hier nur auf die Fragen selbst hingewiesen werden.

48

KAPITEL 2

Begriffsbildungen verschiedener Wunderbegriffe, die von Begriffsumfängen und Einzelfällen ausgehen

Im folgenden werden wir einige charakteristische Typen von Begriffsbildungen darstellen, die im Material belegt werden können und die Wunderbegriffe betreffen. Jede solche vollständige Begriffsbildung enthält sowohl Adäquatheitsbedingungen, Hilfssätze wie Definitionen. Die Distinktion zwischen diesen Kategorien, die oben schon dargestellt worden ist, liegt der Einteilung der unten dargestellten Begriffsbildungstypen in Momente zugrunde. Es muß aber betont werden, daß die Reihenfolge der Momente in der Darstellung der Begriffsbildungstypen unten das Ergebnis einer logischen Bearbeitung ist und eine rationale Rekonstruktion der betreffenden Begriffsbildungen darstellt und nicht von der Reihenfolge der entsprechenden Momente in den Materialbeispielen abhängig ist. Sogar die Einteilung in verschiedene Momente stellt eine rationale Rekonstruktion dar: im Material lassen sich die Momente nicht immer in separate Sätze trennen. Auch sind im Material vollständige Begriffsbildungen selten. Oft werden daher einzelne Momente der Begriffsbildungstypen aus dem Material belegt, ohne daß man bei demselben Verfasser sämtliche Momente desselben Begriffsbildungstypus belegen kann. Man kann in solchen Fällen von einer impliziten Tendenz in Richtung auf den betreffenden Begriffsbildungstypus bei dem betreffenden Verfasser sprechen. Manchmal kann sogar nur ein Moment eines Begriffsbildungstypus bei einem Verfasser klar belegt werden. Wenn man nur Hilfssätze bei einem Verfasser belegen kann, ist es nicht sicher, daß der Verfasser den dargestellten Begriffsbildungstypus überhaupt repräsentiert. Solche Beispiele werden nur angeführt, wenn sie die Art der betreffenden Hilfssätze näher illustrieren können, und dann wird auch erwähnt, daß der Verfasser im übrigen nicht den betreffenden Begriffsbildungstypus repräsentiert. Ein Verfasser kann manchmal bewußt mit mehreren Bedeutungen des Wortes „Wunder" operieren. In einem solchen Fall ist es möglich, daß eine bei ihm belegte Begriffsbildung sich ausschließlich auf eine dieser Bedeutungen, nur auf einen seiner Wunderbegriffe bezieht. Verschiedene Wunderbegriffe können genau wie verschiedene Begriffe überhaupt mit Hilfe von verschiedenen Arten von Begriffsbildungen und Adäquatheitsbedingungen bei demselben Verfasser bestimmt werden. 4 - 566-3501

49

Die Typen von Begriffsbildungen, die im folgenden dargestellt werden, kann man in groben Umrissen in zwei verschiedene Gruppen einteilen. Wir haben einerseits Begriffsbildungen, die ihren Ausgangspunkt in sicheren Exemplaren, in Einzelfällen oder in Begriffsumfängen (Klassen von Erscheinungen) nehmen. Solche Begriffsbildungstypen werden in diesem Kapitel behandelt. Im nächsten Kapitel (Kap. 3) werden andererseits solche Begriffsbildungstypen dargestellt, die ihren Ausgangspunkt direkt in Begriffsinhalten und Konnotationen nehmen. A. Extensionale Begriffsbildung, die von einzelnen Fällen und nicht-leeren Teilklassen des Begrjjfs ausgeht Im Material tritt ein Typus von Begriffsbildung hervor, der seinen Ausgangspunkt in Erscheinungen nimmt, die von dem Begriffsbildner im Material selbst als wirklich vorhanden oder geschehen angesehen werden. Diese Erscheinungen will der Begriffsbildner als Wunder bezeichnen und damit unter den Umfang dieses Begriffs fallen lassen. Der Begriff 'Wunder' bei dem analysierten Verfasser, d.h. bei dem Begriffsbildner, wird dann bestimmte gemeinsame Charakteristika dieser vom Verfasser als Wunder hingestellten Erscheinungen enthalten. Hierbei behauptet der Verfasser die Faktizität dieser Erscheinungen oder setzt diese Faktizität wenigstens voraus. Eine Begriffsbildung, die von solchen als Wunder hingestellten Erscheinungen ausgeht, werden wir eine extensionale Begriffsbildung nennen. Der Terminus „Erscheinung" wird hier in seiner weitesten Bedeutung angewendet, und zwar für sowohl Dinge wie Ereignisse sowohl physischer wie psychischer Art. In einer Begriffsbildung extensionaler Art kann man logisch drei Hauptmomente unterscheiden, die jeweils für sich behandelt werden sollen. Mom. ι. Adäquatheit she dingungen, die eine Wahl von Erscheinungen, die „Wunder" genannt werden sollen, ausdrücken. Diese Wahl ist eine Wahl von singulären Exemplaren, die als Elemente in dem Umfang des betreffenden Wunderbegriffs eingeschlossen sein sollen. Wesentlich ist hierbei, daß der Verfasser, der diese Begriffsbildung vertritt, selbst der Ansicht ist, daß es sich um faktische Erscheinungen, um in der Wirklichkeit vorliegende Exemplare handelt. Alternativ drücken die Adäquatheitsbedingungen eine Wahl von Teilklassen der Klasse aller Wunder aus, genauer gesagt eine Wahl von Teilklassen, deren Elemente „Wunder" genannt werden sollen", und die dem betreffenden Begriffsbildner zufolge nicht umfangsleer sind, die von dem betreffenden Verfasser als nicht umfangsleer angesehen werden. 53

Über Elemente einer Klasse, siehe z.B. Carnap, Der logische Aufbau der Welt, 44 C§ ЗЗ]; Hilbert-Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, 45.

50

Eine Begriffsbildung der hier erwähnten Art bezieht sich auf eine bestimmte Klasse von Erscheinungen und stellt diese Klasse als Teilklasse der Klasse aller Wunder hin. Eine Adäquatheitsbedingung der entsprechenden Art hat die logische Form 'Alle Elemente der Klasse К sind Wunder', wobei К dem Begriffsbildner zufolge eine nicht-leere Klasse ist. Dabei spielt es keine größere Rolle, ob К sogar als identisch mit der Klasse aller Wunder hingestellt wird. Ferner ist zu beachten, daß es wahre und falsche Sätze gibt, die genau denselben theoretischen Inhalt haben wie eine Adäquatheitsbedingung, die aber nicht in die Begriffsbildung hineingehören. Ein solcher Satz über den Umfang oder über einen Teilumfang des Wunderbegriffs ist nicht ein Teil einer Adäquatheitsbedingung. Nur wenn der Satz als Argument für die Definition des Verfassers dient oder als Teil eines heuristischen Hilfsmittels, um eine adäquate Definition des Wunderbegriffs erst zu finden, ist der Satz ein konstitutiver Teil einer Begriffsbildung. Adäquatheitsbedingungen, die sich direkt auf singuläre Exemplare und nicht nur auf Klassen beziehen, sind Fälle einer Art Sätze, die ich quasi-ostensive Definitionen nennen will. Diese beziehen sich genau wie ostensive Definitionen auf singuläre Erscheinungen und Exemplare des definierten Begriffs". Der Unterschied ist der, daß diese Erscheinungen in den ostensiven Definitionen direkt gezeigt werden, während sie in den quasi-ostensiven Definitionen nur erwähnt und beschrieben werden. Da es sich in dieser Untersuchung um eine Analyse von Texten handelt, können ostensive Definitionen übrigens nicht Gegenstand der Behandlung werden, während quasi-ostensive Definitionen sehr wohl in Texten vorkommen können. Quasi-ostensive Definitionen erwähnen eine bestimmte singuläre Erscheinung und sagen aus, daß alles, was dieser Erscheinung in wesentlicher Hinsicht ähnlich ist, unter den definierten Begriff fällt. Man kann mit der Aufzählung weiterer Erscheinungen, weiterer Exemplare des Begriffs fortfahren, damit deren gemeinsame Charakteristika hervortreten. Die quasi-ostensiven Definitionen, die zu einer extensionalen Begriffsbildung gehören, dienen als Adäquatheitsbedingungen und bilden nicht die logische Schlußphase dieser Art Begriffsbildung. Quasi-ostensive Definitionen können aber auch außerhalb einer Begriffsbildung vorkommen und sind dann wahre oder falsche Sätze ohne argumenteile oder heuristische Bedeutung für die inhaltliche Bestimmung des betreffenden Begriffs. "

Über ostensive Definitionen, auf Deutsch „Hinweisungsdefinition", vgl. Pap, Analy-

tische Erkenntnistheorie, 5 2 , 180, 189. V g l . auch Leonard, Principles of right reason, 3 1 3 f f . ; Stebbing, A modern introduction to logic, 422 f., dort auch „extensive definition" genannt; dieser Terminus deckt vielleicht auch das, was ich „quasi-ostensive Definitionen" nenne.

51

Mom. 2. Hilfssätze in der Begriffsbildung, die die Frage beantworten, welche gemeinsamen Eigenschaften oder Relationen, kurz: welche gemeinsamen Charakteristika die als Wunder gewählten singularen Exemplare und Erscheinungen haben. Mom. 2 kann deshalb auch in einer rationalen Rekonstruktion einer extensionalen Begriffsbildung meistens nicht ganz von dem Mom. ι getrennt werden, weil Elemente aus Mom. 2 meistens schon in Mom. 1 enthalten sind, und zwar deshalb, weil einige Charakteristiska der Exemplare des Begriffs "Wunder' schon in Adäquatheitsbedingungen des Mom. ι erwähnt werden müssen. Man kann nämlich keine Gegenstände und Erscheinungen beschreiben oder erwähnen, ohne irgendein Charakteristikum dieser Gegenstände oder Erscheinungen zu erwähnen. Bezieht man sich nur auf einzelne Exemplare des Begriffs, braucht man allerdings nicht gerade gemeinsame Charakteristika der erwähnten Exemplare zu nennen. Das ist allerdings anders, wenn man sich auf eine Teilklasse des Begriffsumfangs bezieht, ohne deren einzelne Elemente zu nennen: der Klassenname deutet dann schon ein gemeinsames Charakteristikum der Elemente an. Mom. 3. Stipulative intensionale Cd.h. inhaltliche) Definitionen sind solche stipulative Definitionen, die sich direkt auf den Inhalt des Begriffs beziehen. Die stipulativen intensionalen Definitionen des Mom. 3 drücken eine freie Wahl aus, die darin besteht, daß man einige von den gemeinsamen Bestimmungen der in Mom. 1 gewählten Erscheinungen und Exemplare, die unter den Wunderbegriff fallen sollen, zu Bestimmungselementen des Wunderbegriffs auswählt. Alle gemeinsamen Bestimmungen der gewählten Wunderexemplare wird man nicht erlangen können - man wird sich mit der Wahl einiger bestimmter gemeinsamer Charakteristika der in Mom. 1 ausgewählten Erscheinungen abfinden müssen. Welche Bestimmungen man von allen den gemeinsamen Bestimmungen als notwendige Bestimmungselemente des Wunderbegriffs auswählt, ist eine Frage der freien Stipulation. Die ausgewählten Bestimmungselemente bilden zusammen den ganzen notwendigen Begriffsinhalt des definierten Wunderbegriffs. Der durch eine extensionale Begriffsbildung bestimmte Wunderbegriff darf nur solche notwendigen Teilinhalte enthalten, die gemeinsam für die in Mom. ι ausgewählten Wunderexemplare sind, wenn der Verfasser konsequent sein will. Wenn der Verfasser, der Begriffsbildner, andere Teilinhalte dem Inhalt des Wunderbegriffs hinzufügt, folgt die Konsequenz, daß mindestens eine als Wunder ausgewählte Erscheinung kein Wunder ist, weil sie ja dann nicht alle notwendigen Bestimmungen des Wunderbegriffs hat. Bei dem Verfasser sind dann die Adäquatheitsbedingungen des Mom. χ zusammengenommen nicht logisch vereinbar mit der Definition des 52

Mom. 3. Der Verfasser kann aber glauben, daß sie vereinbar sind, und deshalb die Adäquatheitsbedingungen als solche in seiner Begriffsbildung verwenden. Nach der Bestimmung des Begriffs 'Adäquatheitsbedingung' in Kap. ι Α sprechen wir auch in einem solchen inkonsequenten Falle von Adäquatheitsbedingungen55. Unter Voraussetzung der logischen Vereinbarkeit der Momente 1 und 3 in einer vorliegenden extensionalen Begriffsbildung ist Mom. 3 von den Momenten 1 und 2 zusammen abhängig, aber nur unvollständig abhängig, nicht vollständig von Mom. 1 und 2 determiniert5". Die Frage, welche von den gemeinsamen Charakteristika der ausgewählten Wunderexemplare (in Mom. 1] man (in Mom. 3) als Inhalt des Wunderbegriffs auswählt, kann aus Rücksicht auf andere Arten von Adäquatheitsbedingungen als die in Mom. 1 entschieden werden. Mom. 3 ist deshalb nicht vollständig von den Momenten 1 und 2 determiniert, weil man aus dem Umfang eines Begriffs niemals den Begriffsinhalt deduzieren kann. Derselbe Umfang kann nämlich zugleich Umfang mehrerer verschiedener Begriffe verschiedenen Inhalts sein57. Ein größerer Kontext bei Schmidt kann als Beispiel für eine extensionale Begriffsbildung dienen. Er schreibt: W i r machen uns nicht anheischig, das Wunder a priori zu deduzieren, sondern gedenken auf induktivem W e g e durch Beobachtung der uns durch Erfahrung verbürgten Tatsachen sein W e s e n zu erkennen 58 . Siehe oben S. 29, Fall [b]. Wenn eine stipulative Definition oder Adäquatheitsbedingung hinreichend bedingt und vollständig abhängig ist von vorhergehenden Momenten in der Begriffsbildung zusammengenommen, d.h. von der Konjunktion der vorhergehenden Momente, so ist die logische Beziehung die folgende: Eine oder mehrere Adäquatheitsbedingungen in Konjunktion mit Hilfssätzen implizieren zusammen eine stipulative Definition oder eine untergeordnete Adäquatheitsbedingung. Das Vorderglied der Implikation ist eine Konjunktion von einer Adäquatheitsbedingung und einem Hilfssatz, eventuell von mehreren Adäquatheitsbedingungen und Hilfssätzen. Ferner ist zu bemerken, daß jede Abhängigkeit einer stipulativen Definition oder Adäquatheitsbedingung von einer anderen Adäquatheitsbedingung (ev. zusammen mit Hilfssätzen] die Über- und Unterordnung zwischen ihnen impliziert, und zwar ist der abhängige Satz der untergeordnete. Diese Über- und Unterordnung besteht auch dann, wenn die Abhängigkeit nicht vollständig ist und der abhängige Satz deshalb von dem übergeordneten Satz zusammen mit etlichen Hilfssätzen nicht hinreichend bedingt ist. Der zweite Fall der nicht vollständigen Abhängigkeit besteht dann, wenn die Konjunktion von einer Adäquatheitsbedingung und einem Hilfssatz, eventuell von mehreren Adäquatheitsbedingungen und Hilfssätzen, nicht die abhängige Definition oder die untergeordnete Adäquatheitsbedingung impliziert. " Über die Möglichkeit, daß eine Klasse den Umfang mehrerer Begriffe bildet, siehe z.B. Carnap, Meaning and necessity, 18; Russell, Introduction to mathematical philosophy, 13 f.; Stebbing, A modern introduction to logic, 141. 58 Schmidt, Begriff und Bedeutung des Wunders, 176. 55

ee

53

A n einer anderen Stelle heißt es: Um den Begriff des Wunders zu bestimmen, müssen wir uns zunächst darüber verständigen, in welchem Umfang diese Bezeichnung „Wunder" gemeint ist".

Die folgenden Erscheinungen zählt Schmidt zunächst als Wunder auf: Jesu terata, d.h. die von ihm gewirkten Wunder, 'was Gott an den Trägern der Heilsoffenbarung gewirkt hat', Jesus selbst, die 'für Jesu Person und Erlösungswerk grundleglichen Akte', und 'Jesu Erlösungswerk' 5 '. Die Aufzählung der folgenden Wunder wird mit der folgenden Wendung „Dann folgt aber weiter, daß" eingeleitet'0. Vielleicht könnte man diese Wendung so deuten, daß sie sich auf die gemeinsamen Charakteristika der schon aufgezählten Wunder und derjenigen, die danach aufgezählt werden, insofern bezieht, als diese gemeinsamen Charakteristika sozusagen das Bindeglied zwischen den schon aufgezählten und den danach erwähnten Wundern bilden. Von den Wundern, die im folgenden von Schmidt aufgezählt werden, heißt es bald, daß sie „Wunder genannt werden können"60, bald heißt es von einem der Wunder, daß „es als Wunder bezeichnet werden muß""1, bald von einem anderen der aufgezählten Wunder, daß es „an diesem Wundercharakter partizipiert"82. Die folgenden Erscheinungen werden ferner als Wunder hingestellt: 'alle von Jesu Person auf Grund seines Werkes ausgehende Wirkung auf Erden, vor allem die Ausgießung des Heiligen Geistes' und 'daß der zum Vater erhöhte Mittler [Christus] seinen Geist in Menschenherzen Wohnung machen ließ'. Dieses Wunder ist nach Schmidt „ein bleibendes", bzw. „ein sich stetig erneuerndes durch die Geschichte der Kirche". Das letztere wird mit dem Wunder gleichgestellt, 'daß aus Sündern Gottes Kinder werden'62. Weiterhin nennt Schmidt die folgenden Erscheinungen als Wunder: 'die zukünftige Heilsvollendung sowohl des einzelnen als der ganzen Menschheit Gottes', 'die sichtbare Wiederkunft des Herrn', 'die Auferweckung der Toten', 'das Herrlichkeitsreich Christi' und 'die Schaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde'63. Wenn Schmidt sich der Begriffsbestimmung nähert, wählt er aber vielleicht nur eine Kategorie der oben aufgezählten Wunder als Ausgangspunkt der Begriffsbildung, und zwar 'diejenigen Tatsachen, die sich auf die geistliche Wiedergeburt beziehen', von denen er behauptet, daß sie „die allergrößten Wunder" sind64: Hieraus folgt dann aber auch . . w e n n es sich nun darum handelt, den Begriff des Wunders zu formulieren, also das Wesen des Wunders festzustellen, daß wir dann von diesen allergrößten Wundern unsern Ausgang nehmen müssen . . . Da bieten sich nun die geistlichen Wunder als diejenigen Tatsachen dar, welche 58 ,0 61

Schmidt, 172. Schmidt, 173. Schmidt, 174.

54

Schmidt, 173. " Schmidt, 174. " Schmidt, 175.

82

uns am nächsten liegen und der Erforschung ihres Wesens am leichtesten zugänglich sind65. Das letztere gab auch eine Motivierung für diese W a h l , nämlich die Rücksicht auf die Erfahrung. D i e letztgenannten W u n d e r w e r d e n charakterisiert als „diejenigen, in welchen w i r Gottes Wundermacht am unmittelbarsten als Grund unsres ewigen Heiles erfahren" ββ . Die extensionale Begriffsbildung wird bei Schmidt kombiniert mit einer epistemologischen Adäquatheitsbedingung und z w a r so, daß die letztere die W a h l des Umfangs, die W a h l der Wunderexemplare (Mom. ι oben) bestimmt. Eigentlich zeigt der angeführte Kontext Fragmente zweier Begriffsbildungen auf: die eine geht aus von einem weiteren Umfang, der viele Erscheinungen umfaßt und der „mit dem Umfang der Heilsgeschichte zusammenfällt"", die andere dagegen von einem engeren Umfang, dessen W a h l von einer epistemologischen Adäquatheitsbedingung abhängig ist, nämlich von der Rücksicht auf die Erfahrbarkeit der als W u n d e r gewählten Erscheinungen. Beide Begriffsbildungen führen anscheinend z u demselben Ergebnis bei Schmidt in bezug auf seine Begriffsbestimmung, wobei der weitere Umfang doch für die Begriffsbestimmung entscheidend ist. W ä h r e n d Schmidt sich aber sehr ausführlich bei Adäquatheitsbedingungen und Hilfssätzen aufhält, ist es schwer, seine eigentliche Begriffsbestimmung z u finden. D e r folgende Satz könnte jedoch als eine Definition gedeutet werden, und z w a r im engen Anschluß an den gewählten Umfang des Begriffs: Wunder im eigentlichen Sinne ist ein der Heilsgeschichte angehörendes Geschehnis und ist ein Moment der Offenbarung, durch welche Gott in Christo der durch die Sünde verderbten Welt das Erlösungsheil beschafft"8. Unmittelbar davor redet Schmidt von „der dogmatischen Feststellung des Begriffes", welche dem K o n t e x t zufolge die zitierte Begriffsbestimmung anscheinend ausdrücken soll68. Die epistemologische Adäquatheitsbedingung bei Schmidt zeigt auf einen Tatbestand von großer grundsätzlicher Bedeutung: D i e W a h l von Wunderexemplaren oder von Teilklassen von W u n d e r n in Mom. ι kann wiederum von anderen Adäquatheitsbedingungen abhängig sein. Diese Bedingungen könnte man Regeln für Exemplarwahl b z w . Regeln für Umfangswahl nennen. Eine solche Regel ist die oben angeführte epistemologische bei Schmidt, die besagt, daß der als Ausgangspunkt für die Begriff sbildung gewählte Teil des Begriffsumfangs f ü r die Erfahrung bestimmter menschlicher Subjekte zugänglich sein soll. Bei näherem Nachdenken zeigt es sich, daß die Exemplarwahl nur unSchmidt, 176. " Schmidt, 175.

e5

Schmidt, 174. "8 Schmidt, 179.

67

55

vollständig von der epistemologischen Adäquatheitsbedingung determiniert ist: die eine Exemplarwahl ausdrückende Adäquatheitsbedingung ist nicht vollständig von einer epistemologischen Regel für die Exemplarwahl abhängig, auch wenn man einen Hilfssatz hinzufügt, der die epistemologische Stellung der gewählten Exemplare beschreibt und darlegt. Eine Exemplarwahl bzw. eine Umfangswahl kann von vielen Regeln verschiedener Art abhängig sein, nicht nur von solchen epistemologischer Art". Ein Umfang kann wiederum auf zweierlei Weise gewählt werden: einmal so, daß man die einzelnen Elemente oder Exemplare eines nach dem anderen spezifiziert oder aber so, daß man eine ganze Teilklasse der Klasse aller Wunder so bestimmt, daß man eine für die Klasse konstitutive Eigenschaft angibt, ohne die einzelnen Elemente aufzuzählen. Im letzteren Falle muß klar zum Ausdruck kommen, daß der Begriffsbildner diese Klasse als nicht-leer ansieht. Dieser letztere Fall ist von Schmidt oben angedeutet worden - klar tritt er aber bei Beth hervor. Beth ist der Ansicht, daß ein adäquater Wunderbegriff auf die Gebetserhörungen zutreffen muß, und diese bilden ihm zufolge keine leere Klasse - sonst müßte man das ganze Christentum aufgeben70. Diese Adäquatheitsbedingung tritt in der Kritik hervor, die Beth gegen das vorbringt, was er als „relatives Wunder" bezeichnet: Auf die Gebetserhörung in dem oben von uns als christlich befürworteten Sinne kann dieser Wunderbegriff nicht angewendet werden; wollte man ihn darauf anwenden, so würde er die Zuversicht des Gebetes zerstören71. Die Wahl eines Begriffsumfangs drückt sich hier in einer Adäquatheitsbedingung aus, die Beth zufolge nur von dem Begriff 'absolutes Wunder' erfüllt wird. Der Wunderbegriff, der auf die Gebetserhörung zutrifft, ist nämlich der Begriff des „absoluten" Wunders, des 'eigentlichen' Wunders72. · ' Andere Arten von Regeln f ü r Exemplarwahl werden unten in Abschnitt С dargestellt, und zwar solche, die sich auf den Umfang eines Begriffs in einer anderen Quelle beziehen. Gerade die Begriffsbildung des angeführten Verfassers, Schmidt, ist von Regeln dieser A r t abhängig, und deshalb wird sie auch unten in Abschnitt С weiter analysiert. 70

Beth, Wunder und Naturwissenschaft, 1008.

71

Beth, a.a.O., 1 0 1 8 . Der Begriff des 'relativen Wunders', der in dem Zitierten kritisiert

wird, wird an einer anderen Stelle folgendermaßen bestimmt: „Damit meinen wir aber gewöhnlich doch nichts anderes, als daß etwas eingetreten ist, das für unsere Kenntnis des natürlichen Zusammenhangs unbegreiflich ist, von dem wir aber voraussetzen, daß es sich im vollen Einklang mit dem regelrechten natürlichen Zusammenhang befindet, auch ohne daß der persönliche Gott in andrer Weise dabei wirksam gewesen ist, als durch die ganz regelmäßige Weltleitung." a.a.O., 1 0 1 9 . V g l . a.a.O., 1 1 2 4 : Ein relatives Wunder beruht nach Beth „auf einer regelrechten und nur unsrem Fassungsvermögen undurchsichtigen, jedoch rein natürlich entstandenen Ursachenverkettung". 72

V g l . Beth, a.a.O., 1008 f . Über das Verhältnis dieses Wunders zum Gebet und zur

Gebetserhörung heißt es u.a.: „Denn die Leugnung des Wunders schließt das Zuversicht-

56

D i e regelrechte Definition des absoluten W u n d e r s w i r d so formuliert: Wir können sonach ein absolutes Wunder als ein Ereignis definieren, das, obzwar in dem gewöhnlichen Ablauf der natürlichen Ereignisse nicht angelegt und innerhalb dieses zusammenhängenden Ablaufes fremd, von Gott in denselben eingeführt ist unter Aufrechterhaltung und Benutzung der festen Naturgesetze . Diese Begriffsbestimmung des Begriffs 'absolutes W u n d e r ' erfüllt nach Beth aber auch andere Adäquatheitsbedingungen als diejenigen, die die Klasse der Gebetserhörungen als nicht-leere Teilklasse der W u n d e r aufstellt. Eine davon folgt direkt logisch aus der genannten Bedingung ohne Hinzunahme von Hilfssätzen: nämlich die Bedingung, daß der U m f a n g des Begriffs 'absolutes W u n d e r ' nicht-leer sein soll. Denn w e n n eine Teilklasse (der Gebetserhörungen) von W nicht-leer ist, so muß auch die Klasse W selbst nicht-leer sein. In einer allgemeinen übergeordneten heuristischen

Adäquatheitsbe-

dingung tritt diese logische Konsequenz dann hervor, w e n n Beth an einer Stelle eine referierte Definition von 'absolutem W u n d e r ' ablehnt mit der Begründung, daß sie zur Folge haben würde, daß der betreffende W u n derbegriff einen leeren U m f a n g haben, also auf nichts zutreffen w ü r d e ; diese Folgerung w ä r e unvermeidlich, w e n n man nämlich die Kenntnisse der Naturwissenschaften berücksichtigte 74 . Die Adäquatheitsbedingung,

daß der zu definierende Begriff

nicht-leeren Umfang haben muß, ist notwendig in und von jeder

einen exten-

liche Gebet aus. Ein kindliches Vertrauensverhältnis zu dem in strenge unverbrüchliche Gesetze eingespannten Gott ist unmöglich . . . Wenn ich nun leugne, daß Gott ein Wunder, etwas das nicht im gewöhnlichen Gang der Entwickelung liegt, tun kann, dann kann ich nicht auf ihn gänzlich trauen." a.a.O., 1008. Vgl. F. Traub, 167, wo in einem ähnlichen Gedankengang allerdings nicht so deutlich eine Adäquatheitsbedingung für die Begriffsbildung hervortritt. 73 Beth, a.a.O., 1124. Nach Beth „ist das absolute Wunder, das Wunder im eigentlichen Sinne, nach unserer Anschauung ein Ereignis, das nur durch das besondere Wirken des persönlichen Gottes in dem einzelnen Falle zustande gebracht werden kann". 74 Beth, a.a.O., 1 1 1 9 . Vgl. 1014. Die Forderung eines nicht-leeren Umfangs macht die Definition des Begriffs 'absolutes Wunder' von naturwissenschaftlichen Überlegungen abhängig. Die „Aufhebung eines Naturgesetzes" ist unmöglich - also darf das 'absolute Wunder' nicht als eine solche 'Aufhebung' definiert werden. [Vgl. Traub, 176, wo allerdings die Adäquatheitsbedingung des nicht-leeren Umfangs nicht so deutlich als solche hervortritt.] Beths Annahme, daß der Umfang des Begriffs 'absolutes Wunder' nicht-leer ist, kann ihre Vereinbarkeit mit der Naturwissenschaft dadurch behaupten, daß es Beth zufolge eine grundsätzliche Lücke in dem Erkennen der Natur gibt: wir kennen nach Beth nicht den „Organismus", nur den „Mechanismus" der Natur. Damit dürfte u.a. dies gemeint sein, daß wir nicht alle einzelnen singulären Faktoren in der Natur kennen. Beth, a.a.O., i i 2 i f . Die Adäquatheitsbedingung des nicht-leeren Umfangs ist schon oben erwähnt worden, siehe S. 33.

57

sionalen Begriffsbildung impliziert, die ja immer von einem dem Begriffsbildner zufolge nicht-leeren Umfang des Begriffs ausgeht. Eine solche Adäquatheitsbedingung ist die allen anderen übergeordnete heuristische Voraussetzung einer jeden extensionalen Begriffsbildung. B. Begriffsbildung, die sich auf solche Fälle des Begriffs bezieht, die von anderen Quellen erwähnt und erörtert werden Eine Art von Begriffsbildung nimmt ihren Ausgangspunkt in Beschreibungen und Erzählungen anderer Verfasser und anderer Quellen; diese anderen Verfasser, deren Beschreibungen und Erzählungen zum Ausgangspunkt der Begriffsbildung genommen werden, sind nicht mit dem Vertreter der betreffenden Begriffsbildung identisch. Solche Erzählungen anderer Quellen haben wir z.B. in den Wundererzählungen der Bibel, die von Theologen im Material zum Ausgangspunkt ihrer Begriffsbildung des Wunderbegriffs genommen werden. Eine Wahl solcher Erzählungen als Ausgangspunkt für die Begriffsbildung enthält implizite die Wahl der erzählten Ereignisse, der beschriebenen Erscheinungen als Wunder, als Exemplare, die unter den Wunderbegriff fallen sollen. Hierbei braucht der Begriffsbildner aber nicht Stellung dazu zu nehmen, ob diese Ereignisse oder Erscheinungen in der Wirklichkeit vorliegen oder vorhanden gewesen sind: es genügen nur gedachte, angenommene Wunderexemplare. Dies letztere ist das Merkmal, das diesen Begriffsbildungstypus von einer extensionalen Begriffsbildung unterscheidet. Vier Momente in dem betreffenden Begriffsbildungstypus werden getrennt dargestellt, von denen die drei letzteren den drei Momenten in der extensionalen Begriffsbildung analog sind. Mom. ι. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl von Quellen, Verfassern und Autoritäten ausdrücken, bei denen der Begriffsbildner seine gewählten Erzählungen belegen will. Mom. 2. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl von bestimmten Erzählungen und Beschreibungen der in Mom. ι gewählten Quellen als Wundererzählungen und Wunderbeschreibungen ausdrücken. Diese Wahl enthält implizite die Wahl bestimmter erzählter und beschriebener Ereignisse und Erscheinungen, die dem Begriffsbildner zufolge als Wunder gelten sollen. Der Vertreter dieser Begriffsbildung bezieht sich hier auf Erzählungen und Berichte anderer Verfasser und Quellen. Die Faktizität des Erzählten und Berichteten wird von dem Begriffsbildner einer Begriffsbildung der hier dargestellten Art als unwesentlich für die Begriffsbildung selbst angesehen. Z u jeder solchen Adäquatheitsbedingung gibt es aber als Bestandteil 58

derselben einen Satz genau desselben kognitiven Inhalts, der wahr oder falsch ist. Solche Sätze sind vom Typus: 'Die Erzählung S ist eine Wundererzählung' bzw. 'Das von der Erzählung S erzählte Ereignis χ ist ein Wunder'. Wenn ein solcher Satz in einem Argument für die Definition des Wunderbegriffs oder in einem heuristischen Prinzip für die Auffindung einer solchen adäquaten Definition enthalten ist und nur dann, ist der Satz ein Bestandteil einer Begriffsbildung, und zwar als Bestandteil einer Adäquatheitsbedingung. Wenn ein solcher Satz aber nicht Bestandteil einer Adäquatheitsbedingung ist, gehört er gar nicht in die Begriffsbildung hinein. Ein analoges Verhältnis zu wahren oder falschen Sätzen haben auch die Adäquatheitsbedingungen des Mom. ι oben. Adäquatheitsbedingungen des Mom. 2 sind, wenn sie den Inhalt der gewählten Erzählungen erwähnen, stipulative, quasi-ostensive Definitionen. [Nicht-stipulative, quasi-ostensive Definitionen sind wahre oder falsche Sätze der oben genannten Art, die sich schon auf den gegebenen Inhalt des Wunderbegriffs stützen.) Auch in dieser Hinsicht entspricht Mom. 2 hier dem Mom. 1 der extensionalen Begriffsbildung. Quasi-ostensive Definitionen innerhalb der hier erörterten Begriffsbildung beschreiben nicht direkt die betreffenden gewählten singulären Erscheinungen, sondern sie erwähnen und beschreiben diese Erscheinungen in einem nicht-extensionalen Zusammenhang, wo eine Einleitungsklausel vom Typus Ά sagt, daß' oder dgl. wenigstens vorausgesetzt, wenn nicht explizite formuliert ist1. Eine quasi-ostensive Definition läuft etwa auf das Folgende hinaus: 'Die hiermit beschriebene Erscheinung und alle ähnlichen werde ich ein Wunder nennen.' Man kann danach auf immer mehr erzählte und beschriebene Erscheinungen hinweisen, bis der Leser oder Hörer selbst gemeinsame Charakteristika aller dieser Erscheinungen erkennt. Adäquatheitsbedingungen des Mom. 2 sind von solchen des Mom. 1 abhängig, wenn man zu den letzteren Hilfssätze hinzufügt, die aussagen, daß die gewählten Erzählungen und Erscheinungen auch de facto in der gewählten Quelle vorliegen. Doch ist die Abhängigkeit des Mom. 2 von Mom. ι zusammen mit Hilfssätzen dieser Art nur unvollständig: Adäquatheitsbedingungen des Mom. 2 sind durch Mom. 1 unter Hinzunahme von geeigneten Hilfssätzen nicht vollständig determiniert. Der Grund der unvollständigen Abhängigkeit des Mom. 2 von Mom. 1 ist der einfache, daß es mit der Wahl der Quellen an und für sich nicht präjudiziell ist, welche Erzählungen in dieser Quelle man nun weiterhin wählen soll. Die beiden Momente 1 und 2 sind explizite bzw. implizite in den 1 Uber extensionale und nicht-extensionale Zusammenhänge, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 41; Der logische Aufbau der Welt, 57 ff., 62. (§§ 43, 45); Meaning and necessity, 46 ff., 53 ff.; Frege, Über Sinn und Bedeutung; Quine, From a logical point of view, 139 f f .

59

folgenden Beispielen aus dem Material enthalten. Stange redet über die „biblische Vorstellung von Wundern" und erwähnt den „Wunderbegriff der biblischen Wundererzählungen"2. Weinel steht zwar dem Umfang des Wunderbegriffs negativ gegenüber, er nimmt Stellung gegen die Faktizität der berichteten Wunder, meint aber, daß die biblischen Wunderberichte für den Inhalt des 'eigentlichen' Wunderbegriffs normierend seien: Der Glaube an das Wunder in diesem seinem eigentlichen und von den biblischen Wundererzählungen immer wieder geforderten Sinn ist im Rahmen der modernen wissenschaftlichen Welterkenntnis nicht mehr zu halten3.

In diesen beiden Beispielen ist Mom. ι klar und deutlich enthalten, und Mom. 2 ist in allgemeiner und unbestimmter Form angedeutet. Adäquatheitsbedingungen des Mom. 2 können auch von anderen Arten von Adäquatheitsbedingungen bedingt sein als denjenigen des Mom. ι. Entsprechend den Regeln für Exemplar- und Teil-Umfangswahl in der extensionalen Begriffsbildung können wir hier von Regeln für die Wahl von Wunder er zählungen sprechen. Man kann sich z.B. denken, daß der Sprachgebrauch der gewählten Quelle den Rahmen für die Wahl der Wundererzählungen bestimmt4. Mom. 3. Hilfssätze, die gemeinsame Charakteristika derjenigen erzählten Erscheinungen beschreiben, die in Mom. 2 als Wunderexemplare ausgewählt worden sind. Es handelt sich hier um gemeinsame Charakteristika der erzählten Erscheinungen den gewählten Erzählungen zufolge, d.h. nach dem, was in den Erzählungen behauptet wird oder aus dem Inhalt der Erzählungen logisch deduziert werden kann. Die Anzahl solcher Charakteristika ist immer eine ziemlich begrenzte, auch wenn die Grenze dieser Charakteristika eine fließende bleiben muß wegen der Vagheit in den gewählten Erzählungen. Die Hilfssätze des Mom. 3 enthalten wenigstens implizite eine Oratio obliqua: bei einer Explikation dieser Sätze müssen sie formuliert werden als Sätze, die eine untergeordnete Klausel vom Satzcharakter enthalten; diese Klausel tritt innerhalb des übergeordneten Satzes in einem Stange, Naturgesetz und Wunderglaube, 50 f . Weinel, 74. Weinel bestimmt diesen Wunderbegriff folgendermaßen: „Für „Wunder" hat nicht nur die Bibel, sondern die antike Religion überhaupt vier Worte, die deutlich ausdrücken, was damit gemeint ist. „Wunder" sind diese Dinge, Vorgänge, über die man sich „wundert", weil sie „außergewöhnlich", „seltsame Dinge" sind. In Wahrheit sind sie freilich, wie die antike Frömmigkeit meint, „Zeichen", an denen man die Gegenwart und Wirkung Gottes oder eines Gottes erkennt. Denn sie sind „Kraftwirkungen", „Kräfte" eben dieser Gottheit." Weinel, 73 f . Seine Begriffsbestimmung ist auch von einer Adäquatheitsbedingung extensionaler A r t abhängig, darüber siehe oben S. 32 f . 4 Über den Sprachgebrauch als Ausgangspunkt einer im übrigen extensionalen Begriffsbildung siehe unten S. 74 f f . 2

3

60

nicht-extensionalen Zusammenhang, in Oratio obliqua, auf. Die Explikation von Hilfssätzen des Mom. 3 würde Sätze vom folgenden Typus ergeben: 'Lukas erzählt, daß . . . ' , 'Aus Markus' Erzählungen so-und-so folgt, daß χ die-und-die Eigenschaften hat'. Gemäß einem logischen Gesetz für nicht-extensionale Zusammenhänge folgt die Wahrheit eines untergeordneten Satzes, z.B. 'daß eine so-und-so geartete Heilung stattgefunden hat', nicht logisch aus der Wahrheit des ganzen übergeordneten Satzes vom Typus 'Lukas erzählt, daß . . .'5. Wenn der Begriffsbildner von einem in einer anderen Quelle erzählten Wunder ein Charakteristikum behaupten würde, das weder in der Erzählung explizite enthalten ist noch aus der Erzählung logisch folgt, so würde entweder seine Behauptung falsch sein, und zwar wenn sie die logische Form und den Inhalt einer relevanten Oratio obliqua haben würde, oder der Begriffsbildner würde die Wirklichkeit, die Faktizität des Erzählten behaupten oder implizieren. In dem letzteren Falle wäre die Behauptung ein Glied einer extensionalen Begriffsbildung, wenn sie überhaupt einer Begriffsbildung als Hilfssatz angehören würde. Es ist ferner zu bemerken, daß Hilfssätze des Mom. 3 schon in allen solchen Adäquatheitsbedingungen des Mom. 2 implizite enthalten sein können, die den Inhalt der gewählten Wundererzählungen erwähnen, also in jeder quasi-ostensiven Definition des Mom. 2. Der Grund ist der, daß man nicht von einem Ereignis oder einer Erscheinung erzählen kann und auch nicht den Inhalt einer solchen Erzählung erwähnen kann, ohne eine ganze Reihe bestimmter Charakteristika der erzählten Erscheinungen zu erwähnen. Ist dann irgendein Charakteristikum dabei erwähnt, das allen gewählten erzählten Erscheinungen und Ereignissen gemeinsam ist, so ist ein Hilfssatz des Mom. 3 dadurch impliziert. Der letztere Fall muß sogar vorliegen, wenn der Inhalt der gewählten Erzählungen vollständig wiedergegeben wird. Ein Beispiel des Moments 3 liegt vor, wenn Schmeling eine Ausführung mit definitorischer Absicht mit den folgenden Worten einleitet: „Vergegenwärtigen wir uns nun die gemeinsamen Charakterzüge der berichteten Wunder'". Diese Worte beziehen sich auf die biblischen Wunder im A T und NT. 5

Siehe oben S. 59, A n m . 1.

β

Schmeling, 1063. Im folgenden werden bei Schmeling nicht nur die gemeinsamen Cha-

rakteristika dieser berichteten Wunder dargestellt, sondern Schmeling erörtert fast die ganze angebliche Extension des Wunderbegriffs in der Bibel, wobei viele Spezialzüge einzelner Wunder auch dargestellt werden und die Wunder in Teilklassen mit besonderen Unterscheidungsmerkmalen eingeteilt werden. A l s Zusammenfassung der gemeinsamen Merkmale folgt zuletzt eine Definition, die dann übrigens auch durch Adäquatheitsbedingungen abhängig ist, die von dem Sprachgebrauch ausgehen. Diese werden zusammen mit der Definition unten S. 85 f f . dargestellt.

61

Mom. 4. Stipulative intensionale (im Unterschied zu quasi-ostensiven] Definitionen des Wunderbegriffs, die eine Wahl von manchen oder von allen den in den Erzählungen enthaltenen oder aus ihnen deduzierbaren gemeinsamen Bestimmungen der erzählten Erscheinungen ausdrücken. Das Definiens einer solchen stipulativen intensionalen Definition stellt diese ausgewählten gemeinsamen Bestimmungen als Teilinhalte in dem Wunderbegriff hin, so daß diese Teilinhalte zusammen den Inhalt des Wunderbegriffs erschöpfen. Mom. 4 entspricht dem Mom. 3 in dem extensionalen Begriffsbildungstypus. Die Momente 2 und 3 des hier erörterten Begriffsbildungstypus begrenzen die Auswahl der Teilinhalte in dem Wunderbegriff in Mom. 4 auf solche, die allen den erzählten Wundern als gemeinsame Bestimmungen zukommen, und zwar zufolge der Erzählungen oder dem, was aus den Erzählungen logisch folgt. Mom. 4 ist also abhängig, aber nicht hinreichend determiniert von den vorangehenden Momenten 2 und 3. Der Grund dafür ist, daß ein Begriffsinhalt niemals aus einem Begriffsumfang abgeleitet werden kann, auch nicht von einem nur behaupteten oder angeblichen Umfang7. Wie viele der in den Erzählungen enthaltenen oder aus den Erzählungen deduzierbaren gemeinsamen Charakteristika man als Inhalt des Wunderbegriffs nimmt, und die Frage, ob man alle diese Charakteristika als Inhalt dieses Begriffs ansieht, sind Fragen einer freien Wahl, die Antwort auf sie ist an sich logisch unabhängig von den Momenten 2 und 3 oben. Eine Andeutung einer Begriffsbildung der hier relevanten Art findet sich bei Thielicke, und zwar in bezug auf denjenigen Wunderbegriff, dem er sich selbst am liebsten anschließen möchte und der einer von den drei Wunderbegriffen ist, die von Thielicke erwähnt werden8. Er schreibt: Damit haben wir uns den Weg freigemacht zu dem dritten Begriff des Wunders, wie ihn die Bibel verwendet... Sie brauchen sich nur einige Wunder Jesu vorzustellen, um sofort ein entscheidendes und von allem bisher Gesagten auch Mnterscheidendes Wesensmerkmal zu entdecken. Das Wunder ist nämlich für biblisches Denken auf jeden Fall ein Geschehen von Gott her'.

Der Ausdruck „allem bisher Gesagten" bezieht sich auf die beiden vorher von Thielicke referierten Wunderbegriffe. Der Ausgangspunkt in Wundererzählungen wird auch in Thielickes allgemeinem Programm angedeutet, nämlich zu 7

V g l . oben S. 53.

" Thielicke, Der Glaube der Christenheit. I. Teil, 339 f f . Thielickes definitorische A b sichten treten im folgenden hervor: „Wir müssen erst einmal eine saubere und klare Begriffssprache gewinnen", a.a.O., 339. • Thielicke, a.a.O., 344.

62

prüfen, was die Wundergeschichten des Neuen Testaments über das Verhältnis Gottes zur W e l t und zu unserm ganz persönlichen Leben zu sagen haben 10 .

Dieser biblische Wunderbegriff wird selbst folgendermaßen bestimmt: Das biblische Wunder ist auf keinen Fall n u r . . . auf meinen Sehakt beschränkt, sondern es ist ein A k t , der „draußen in der Welt" durch Gottes majestätische Schöpfermacht Ereignis wird 11 .

„Wunder" bedeutet hier 'Gottes Werk oder Handlung'. Der Ausdruck „nur auf meinen Sehakt beschränkt" bezieht sich auf den zweiten Wunderbegriff, den Thielicke erwähnt, ohne sich ihm anzuschließen, und zu dem er seinen eigenen Wunderbegriff in Kontrast stellt18. Thielickes eigener Wunderbegriff gliedert sich als eine Disjunktion von „ z w e i . . . Gestaltungsformen des Wunders": eine Disjunktion zwischen Gottes Handeln oder Werk „im Medium der Naturgesetze" 13 und Gottes Handeln oder Werk, wodurch „die Naturgesetze durchbrochen werden"." Ein größerer Kontext bei Jelke über die „Ableitung des Wunderbegriffes" scheint von einer epistemologischen Adäquatheitsbedingung als einer Regel für die Wahl der Wundererzählungen auszugehen, nämlich von der „Möglichkeit einer von Anfang an durchführbaren wissenschaftlichen Kontrolle der Bestimmung des Wunders". Diese Bedingung wird am leichtesten dann erfüllt, „wenn man bestimmte konkrete Erscheinungen der bestimmten christlichen Religion zum Ausgangspunkt nimmt"15. Weiter unten heißt es: iso kommen für die Eruierung des Wunderbegriffes ganz bestimmte Erscheinungen der grundleglichen Geschichte dieses Christentums, speziell bestimmte Geschehnisse aus dem Leben des Stifters der christlichen Religion in Frage 16 .

Soweit kann es sich anscheinend um eine rein extensionale Begriffsbildung handeln. Aber dies wird als unmöglich gelten müssen im Lichte der folgenden Ausführung, in der behauptet wird, daß es für diese Gewinnung des Begriffes des Wunders gar nicht notwendig ist, daß wir zunächst die objektive geschichtliche Wirklichkeit der in Frage kommenden Erscheinungen sicherstellen 18 .

Jelke behauptet, daß es sich „bei unserer rein begrifflichen Feststellung" nicht um „die Frage nach der geschichtlichen Wirklichkeit der betreffenThielicke, a.a.O., 339. Thielicke, a.a.O., 344. Vgl. 354 f. 12 Siehe Thielicke, a.a.O., 341 f f . Dieser von Thielicke nur erwähnte Wunderbegriff wird unten ausführlich behandelt S. 269 f f . " Siehe Thielicke, a.a.O., 344 f f . Über Disjunktion zwischen Begriffen, siehe unten S. 125, Definition Ό 7. 14 Thielicke, a.a.O., 346 f. 18 Jelke, a.a.O., 10. 15 Jelke, Die Wunder Jesu, 9. 10 11

63

den Erscheinungen" handelt. Jelke erwähnt seine Begriffsbildung durch die W e n d u n g „dieser von festumrissenen Erzählungen neutestamentlichen 4X7

Wunderberichten]

ausgehende

Weg

(seil, alt- und der

Bestim-

mung . Soweit bewegen wir uns innerhalb des Rahmens des Mom. 2 oben, der W a h l von (erzählten) Erscheinungen. Diese W a h l ist hier von der oben erwähnten epistemologischen Adäquatheitsbedingung bedingt. Diese W a h l wird auch irgendwie von dem Folgenden ausgedrückt: Welches sind nun die biblischen Geschehnisse, speziell die Geschehnisse im Leben Jesu, die wir als Wunder bezeichnen wollen? . . . Liegt in dem Fehlen eines feststehenden Ausdruckes eine gewisse Schwierigkeit, so wird dieser M a n g e l . . . wieder ausgeglichen durch die Konstantheit, mit der die Evangelien immer wieder auf das Auffallende bestimmter Handlungen Jesu aufmerksam machen18. Hier scheint auch eine gemeinsame Charakteristik der gewählten Erscheinungen der gewählten Quelle zufolge gegeben zu werden: das A u f fallende dieser Erscheinungen ist nach den Erzählungen der Evangelien dieser gemeinsame Charakterzug 1 9 . A b e r andererseits scheint der T e x t diese gemeinsame Bestimmung als heuristisches Prinzip für die Auffindung der Wundererzählungen z u verwenden. M a n könnte hier vor noch einer Regel für die W a h l der erzählten Erscheinungen stehen außer der obengenannten epistemologischen Regel. Diese Regel würde einen Teilinhalt des Wunderbegriffs geben, mit deren Hilfe man die Wundergeschichten aus der gewählten Quelle auswählen könnte. Eine nähere Betrachtung dieser Geschichten würde dann den ganzen Inhalt ergeben oder wenigstens noch mehr Teilinhalte des Wunderbegriffs hinzufügen 20 . Eindeutiger auf der Stufe des Mom. 3 dieser Begriffsbildung liegt die folgende Beschreibung gemeinsamer Charakteristika der gewählten Erscheinungen: Ebenso den Elementen der Natur gegenüber wie dem Persönlich-Geistigen gegen wird uns Jesus als der Wirker einzigartiger Taten geschildert. Diese beiden Beobachtungen, einmal das Kennzeichen des Außergewöhnlichen und zum andern 1T

Jelke, a.a.O., 11.

18

Jelke, a.a.O., 11 f .

" Noch deutlicher wird eine gemeinsame Charakteristik der als Wunder

gewählten

Erscheinungen durch die folgenden Worte von Jelke gegeben: „So sehr hier die A u s drücke wechseln, so klar ist es allemal der außerordentliche Eindruck auf die Umgebung, auf den es den Evangelisten ankommt. Betrachten wir einmal die bei Matthäus in Frage kommenden Stellen . . . die Tendenz bleibt immer dieselbe: der außerordentliche Eindruck, den bestimmte Taten Jesu auf seine Umgebung hervorrufen, soll konstatiert werden." Jelke, a.a.O., 12. 20

Das ist nur eine mögliche Deutung. Gegen diese Deutung spricht das Zitat in A n m .

19. In diesem Zitat scheint ein Fall des Mom. 3 einer Begriffsbildung der hier aktuellen A r t vorzuliegen.

64

das Erscheinen auf physischem und psychischem Gebiete nehmen wir nun zum Ausgangspunkte unserer Definierung des Begriffes Wunder 21 .

Hiermit scheinen wir die Begriffsbestimmung des Mom. 4 des hier erwähnten Begriffsbildungstypus erlangt zu haben. Der erste Teil der Definition selbst wird von Jelke folgendermaßen formuliert: Unter dem Wunder verstehen wir ein Ereignis, das uns ebenso auf dem Boden der Natur wie der Geschichte begegnet, und das sein eigentliches Kennzeichen darin hat, daß es auf den Beobachter den Eindruck des Außergewöhnlichen macht, daß es für die menschliche Auffassung aus dem Rahmen des gewohnten Verlaufes der Dinge in Natur und Geschichte herausfällt und daher dem menschlichen Nachdenken zum Problem wird22.

Dieser Teil der Definition ist nach Jelke abhängig sowohl von den Wundererzählungen der Bibel wie von seiner oben erwähnten epistemologischen Adäquatheitsbedingung. Die letztere bedingt dagegen kaum den zweiten Teil der Definition, die wahrscheinlich von den gewählten Erzählungen zusammen mit einer allgemeinen Adäquatheitsbedingung bedingt ist, derzufolge das Wunder ein religiöses Phänomen sein soll23. Dieser zweite, 'religiös zentralere' Teil von Jelkes Definition ist oben in einem früheren Abschnitt schon angeführt worden24. Begriffsbildungen, die von anderen Verfassern erzählte Ereignisse zum Ausgangspunkt wählen, enthalten und aktualisieren Sätze vom Typus 'NT erzählt, daß . . ' J e s u s behauptet, daß . . . ' mit untergeordneten Klauseln, welche innerhalb solcher Sätze in einem nicht-extensionalen Zusammenhang, d.h. in Oratio obliqua, vorkommen. Diese Beobachtung ist schon oben ausgeführt worden. Um den Inhalt einer Begriffsbildving der oben genannten Art zu beleuchten, ist es aber von großem Wert, nicht nur Sätze dieses relativ einfacheren Typus zu beachten, sondern auch einen etwas komplizierteren Satztypus zu analysieren, der auch einen nicht-extensionalen Zusammenhang darstellt. Diesen Satztypus können wir durch das folgende Beispiel (SJ illustrieren: CS) 'Die Bibel redet von Wundern25. Jelke, a.a.O., 13. V g l . auch das oben in Anm. 19. Zitierte. Jelke, a.a.O., 13. 23 Diese Adäquatheitsbedingung ist oben S. 38 f . unter den Beispielen von einzelnen Adäquatheitsbedingungen im Material dargestellt worden. 21 Siehe oben S. 40. Andere Bestimmungen Jelkes der religiösen bzw. der metaphysischen Wunderbegriffe sind S. 39 f. dargestellt worden. Jelke schließt sich selbst dem metaphysischen Wunderbegriff an, weil пит dieser Begriff seine epistemologische Adäquatheitsbedingung erfüllt. 25 Vgl. Beth, Wunder und Naturwissenschaft, 1116: „ V o n beiden Arten des Wunders (seil, relative und absolute Wunder] wird auch in der Bibel geredet." Das Zitierte ist nicht in einer Begriffsbildung enthalten. 21

22

s - 566-3501

65

CS] enthält das Wort „Wunder" im Pluralis. Ein anderes Beispiel desselben Satztypus wie (S) ist: 'NT erzählt Naturwunder'. Was über (S) gesagt werden wird, gilt mutatis mutandis auch für dieses und andere ähnliche Beispiele. Es ist nicht möglich, (S) nach dem folgenden Muster zu analysieren: 'Die Bibel schreibt, daß ( 3 χ) Wunder (x)' (ev. mit der Hinzufügung, daß es sich um mehrere Wunder handelt; eine Minimianzahl kann mit Hilfe sehr komplizierter prädikatlogischer Formeln angegeben werden) Denn [S] bezieht sich nicht auf eine einzelne generelle Aussage in der Bibel, sondern CS] bezieht sich auf eine ganze Menge von Aussagen in der Bibel, von denen jede ein konkretes, einzelnes Ereignis erzählt, und diese Ereignisse nennt der Referent, der CS) aussagt, „Wunder". Aber durch CS) kann man sich andererseits nicht direkt auf mehrere konkrete Ereignisse beziehen, denn daraus, daß eine Quelle von Ereignissen spricht, folgt nicht, daß diese Ereignisse auch de facto vorhanden wären. Hier tritt ein sehr wichtiger Punkt hervor in bezug auf Sätze über von anderen Personen erzählte Erscheinungen: Solche Sätze handeln auch von sprachlichen Sätzen, genauer gesagt von sprachlichen Sequenzen von Sätzen. Solche Sätze handeln deshalb vom Sprachgebrauch, aber in einer anderen Weise als Sätze, die ganz bestimmte Wörter erwähnen. Sätze über von Anderen erzählte Erscheinungen handeln eigentlich von Erzählungen Anderer von diesen Erscheinungen, obwohl sie nicht aussagen, daß gewisse bestimmte Wörter und sprachliche Ausdrücke in den Erzählungen vorkommen. Solche Sätze sprechen vielmehr von dem Inhalt der Erzählungen in einer mehr oder weniger bestimmten Weise. Der Satz CS) oben sagt also dasselbe wie der Satz: 'Die Bibel enthält Wunderberichte.' Das Wort „Wunderbericht" bezeichnet eine Art sprachlicher Sequenz von Sätzen, die als eine logische Konjunktion dieser Sätze dient und die ein Ereignis erzählt, das von dem Referenten, dem Verfasser des Wortes „Wunderbericht", „Wunder" genannt wird. Die hier dargestellte Art der Begriffsbildung, die von Erzählungen in anderen Quellen ausgeht, wobei gewisse erzählte und erwähnte Erscheinungen als unter den Wunderbegriff zählende Fälle hingestellt werden, zeigt große grundsätzliche Verwandtschaft auf mit dem extensionalen Begriffsbildungstypus, der im vorigen Abschnitt behandelt wurde. Es ist deshalb von grundsätzlichem Interesse nachzuforschen, wie eine Kombination zwischen einer Begriffsbildung der letzteren Art und einer " »С 3 x)" ist ein Existenzoperator. Darüber, siehe Carnap, Symbolische Logik, 34 f . „Wunder OD" ist eine Satzformel, die besagt, daß χ ein Wunder ist. Über Satzformeln, siehe Carnap, a.a.O., 3 4 f . „[ 3 x ] Wunder (зс)" bedeutet also: 'es gibt mindestens ein χ so daß * ein Wunder ist'. Uber die Definition der Zahlbegriffe durch die Prädikatenlogik, siehe Carnap, a.a.O., 141 f .

66

extensionalen Begriffsbildung logisch aufgebaut wäre. In einer Kombination dieser Art wäre das Mom. ι einer extensionalen Begriffsbildung, das die Wahl von Exemplaren als Elementen in dem Umfang des zu bestimmenden Wunderbegriffs oder die Wahl von angeblich nicht-leeren Teilklassen dieses Umfangs ausdrückt, abhängig von einer Bezugnahme auf Erzählungen anderer Quellen. Die Wahl solcher Erzählungen würde sich in Regeln für Exemplarwahl ausdrücken" und solche Adäquatheitsbedingungen ergeben, die wenigstens unvollständig das Mom. ι einer extensionalen Begriffsbildung determinieren würden. In einer solchen Kombination müßte die Wahl von Exemplaren als Elementen in dem Umfang des Wunderbegriffs diejenigen Erscheinungen umfassen, die in den gewählten Erzählungen anderer Quellen erwähnt werden. Die Abhängigkeit einer extensionalen Begriffsbildung von Rücksichten auf Erzählungen in anderen Quellen läßt sich in drei Momenten darstellen: Mom. ι. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl von Erzählungen als Wunder er zählungen ausdrücken. Diese Wahl enthält die Wahl von Erscheinungen, die in anderen Quellen erwähnt werden, als Fälle, die unter den Wunderbegriff gezählt werden. Mom. ι ist seinem Inhalt nach identisch mit Mom. 2 der in diesem Abschnitt behandelten Begriffsbildung. Mom. 2. Hilfssätze, die die Wahrheit der gewählten Erzählungen und damit die Faktizität der erzählten Erscheinungen behaupten. Mom. 3. = . Mom. ι einer extensionalen Begriffsbildung. Die erzählten Erscheinungen werden als Exemplare innerhalb des Umfangs des Wunderbegriffs gewählt.

C. Umfangs- und Exemplarwahl,

die sich auf Umfänge

Begriffen in anderen Quellen

von

beziehen

Noch kompliziertere Kombinationen als die eben dargestellten sind Kombinationen zwischen einer extensionalen Begriffsbildung und solchen Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl des Umfangs eines Begriffs in einer anderen Quelle ausdrücken, die nicht von dem Begriffsbildner herrührt. Die Wahl des Umfangs eines Begriffs in einer anderen Quelle als des Umfangs des Wunderbegriffs kann entweder von der Form sein, daß der (faktische) Umfang eines Wortes28 in der betreffenden Quelle gewählt wird oder so, daß der Umfang eines Begriffs unabhängig von der Über Regeln für Exemplarwahl siehe oben S. 55 f . Mit dem Umfang eines Wortes wird hier der Umfang desjenigen Begriffs gemeint, der die Konnotation des betreffenden Wortes bildet. Der Umfang eines Wortes wird von Carnap Extension genannt, siehe z.B. Symbolische Logik, 40 f f . 27

28

67

Wortwahl der Quelle für diesen Begriff gewählt wird. Es handelt sich in den hier aktuellen Fällen um den Umfang des betreffenden Wortes und des betreffenden Begriffs und nicht um den Inhalt des Begriffs bzw. die Konnotation des gewählten Wortes. Ein Verfasser und Begriffsbildner kann als Umfang für seinen Wunderbegriff (bzw. als Teilumfang seines Wunderbegriffs) den Umfang [bzw. einen Teilumfang) eines bestimmten Begriffs in einer bestimmten Quelle wählen, und zwar ohne den Inhalt desselben als Inhalt seines Wunderbegriffs zu wählen. Man kann stipulieren, daß der Wunderbegriff mit einem anderen Begriff umfangsgleich sein soll, ohne daß die beiden Begriffe inhaltlich identisch zu sein brauchen29. Wenn der Begriffsbildner den Umfang seines Wunderbegriffs nach dem Umfang eines Begriffs in einer Quelle normiert, so ist gerade seine eigene Auffassung von diesem Umfang normierend, ganz gleich ob diese Auffassung dem Begriffsbildner zufolge mit derjenigen der Quelle des Begriffs übereinstimmt oder nicht. Wenn die Wahl des Begriffsbildners sich nach der Auffassung der Quelle von dem Umfang des Begriffs richtet, bedeutet dies nur, daß nach der Ansicht des Begriffsbildners der Begriffsbildner und die Quelle dieselbe Auffassung über diesen Umfang haben. Es ist zu bemerken, daß eine Quelle auch implizite durch ihre Anwendung des Begriffs auf einzelne Fälle selbst eine Aussage über den Umfang dieses Begriffs machen kann. Wenn ein Begriffsbildner sich bewußt einer solchen Aussage anschließt, macht er auch eine Erzählung in der betreffenden Quelle normierend für den Umfang des betreffenden Begriffs, eventuell für den Umfang seines Wunderbegriffs. In bezug auf die Beschreibung des Umfangs eines Begriffs in einer anderen Quelle und dieser Quelle zufolge tritt also die Wahrheitsfrage auf zwei Stufen hervor, weil eben zwei verschiedene Fragen hier involviert sind: es handelt sich teils um die Frage des Umfangs eines Begriffs einer anderen Quelle zufolge, d.h. gemäß der Auffassung einer anderen Quelle, und teils um die ganz andere Frage, ob die Auffassung der Quelle wahr oder falsch ist. Die erstere Frage betrifft das, was die Quelle über den Umfang des Begriffs ausgesagt hat. Aber die Aussage der Quelle kann wahr oder falsch sein. Auch die Aussage der Quelle, daß ein bestimmter Begriff auf eine bestimmte singulare Erscheinung zutrifft, und daß diese Erscheinung deshalb unter den Umfang des Begriffs fällt, kann wahr oder falsch sein30. Die Frage der Identitätsbedingungen für Begriffe ist sehr umstritten. Die logische Äquivalenz stellt eine schwache Identitätsbedingung für Begriffe dar. Darüber vgl. Carnap, Meaning and necessity, i 8 f . , die Lehrsätze 4 - 1 1 , 4 - 1 3 , 4 - 1 5 , 5 - 2 . Über die Möglichkeit einer stärkeren Identitätsbedingung, vgl. a.a.O., 56 f . Über L-Äquivalenz zwischen Begriffen siehe unten S. 122, Definition D 4. 30 Ein Beispiel bei Beth deutet die Möglichkeit der letzteren Alternative an: „Daß sich in der Uberlieferung und in der Vorstellung selbst der Augenzeugen dies oder jenes Ein-

68

Die ausgeführten Überlegungen erhalten größere Präzision, wenn wir drei verschiedene Bedeutungen des Ausdrucks „Umfang eines Begriffs in einer Quelle Q" unterscheiden [Umfang Nr. 1 - 3 ) : Umfang Nr. 1: Der Umfang des Begriffs Q zufolge. = . Die angebliche Klasse aller angeblichen Erscheinungen, die Q zufolge unter den Begriff fallen. Es ist zu bemerken, daß dieser Umfang ganz oder teilweise fiktiv sein kann. Die Ausdrücke „Klasse" und „Umfang" werden hier uneigentlich gebraucht, und zwar in Oratio obliqua31. Umfang Nr. 2: Der faktische Q-bezogene Umfang des Begriffs. = . Die Klasse aller faktisch vorliegenden Erscheinungen, die von Q erwähnt werden und von denen Q handelt und die de facto unter den Begriff fallen. Die Klasse kann leer sein, aber die Ausdrücke „Klasse" und „Umfang" werden hier im eigentlichen Sinne gebraucht. Umfang Nr. 3: Der faktische totale Umfang des Begriffs überhaupt. = . Die Klasse aller wirklichen Erscheinungen überhaupt, die unter den Begriff fallen (auch derjenigen, die nicht von Q erwähnt werden]. Umfang Nr. 2 ist immer eine Teilklasse von Umfang Nr. 3. Ein Grenzfall liegt vor, wenn beide Klassen identisch sind. In bezug auf alle drei Klassen müssen wir aber noch eine Unterscheidung ausführen, nämlich zwischen dem Umfang dieser Klassen de facto und dem Umfang der drei Klassen nach der Ansicht eines Verfassers und Begriffsbildners (im Material). Beide können übereinstimmen, aber sie können auch voneinander abweichen. Bei der Analyse eines Verfassers im Material werden wir nur nach der Ansicht dieses Verfassers über die drei Klassen fragen.

zelne verschoben hat und daß ein einzelnes bestimmtes Ereignis von ihnen als ein absolutes Wunder empfunden und gedeutet ist, ohne auf solche Würdigung Anspruch zu haben, ist keineswegs ausgeschlossen". Beth, Die Wunder Jesu, 28. Nach der Aussage des Zitierten können die erwähnte Quelle und der zitierte Verfasser eine verschiedene Auffassung über den Umfang des Begriffs des 'absoluten Wunders' haben. 31 In diesem Falle werden die angeblichen Erscheinungen, die Q zufolge unter den Begriff fallen, von Q erwähnt; dieser Tatbestand impliziert aber nicht die Existenz dieser Erscheinungen in der Wirklichkeit. In bezug auf angebliche individuelle Erscheinungen spricht man auch von nichtreferierenden Zusammenhängen, wenn man Q:s Auffassung in Oratio obliqua beschreiben will. Vgl. Carnap, Der logische Aufbau der Welt, 59 f f . [§§ 43-45]; Frege, Sinn und Bedeutung, 49 ff.; Quine, From a logical point of view, 139 f f ·

69

Daß der Verfasser mit Q übereinstimmt in bezug auf den Umfang eines Begriffs in Q bedeutet, daß die Umfänge Nr. ι und 2 nach der Ansicht des Verfassers übereinstimmen, und daß infolgedessen der Umfang Nr. 2 keine leere Klasse bildet. Der Umfang Nr. 3 kann dagegen auch nach der Ansicht des Verfassers in diesem Falle eine weitere Klasse als der Umfang Nr. 2 sein. Die Wahl des Umfangs Nr. 2 oder Nr. 3 eines Begriffs in einer anderen Quelle muß sachgemäß mit einer extensionalen Begriffsbildung kombiniert werden. Die Wahl des Umfangs eines Begriffs in einer anderen Quelle als des Umfangs oder Teilumfangs des Wunderbegriffs drückt sich aus in stipulativen Adäquatheitsbedingungen, die als Regeln für Exemplarund Umfangswahl dienen32. Die Wahl des Umfangs eines Begriffs in einer anderen Quelle kann nach zwei Alternativen geschehen, wie oben schon angedeutet wurde: der Begriffsumfang kann nämlich entweder der Umfang eines Wortes in der betreffenden Quelle sein oder der Umfang eines Begriffs, der in der Quelle vorkommt, ohne von einem einzigen Worte in der Quelle bezeichnet zu sein. In einer Kombination zwischen einer Wahl des Umfangs eines Begriffs in einer anderen Quelle und einer extensionalen Begriffsbildung werden wir vier Momente getrennt darstellen: Mom. ι. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl der Quellen Q ausdrücken, auf die der Umfang des Wunderbegriffs des Begriffsbildners bezogen werden soll. Mom. 2. Regeln für Exemplar- und Umfangswahl. Diese sind in ihren präzisierten, rational rekonstruierten Formulierungen von einem der folgenden drei Typen, die wir in schematischer Form so darstellen: ι 'Der Wunderbegriff soll den gleichen Umfang haben wie der Begriff f, dessen Inhalt in der Quelle Q vorkommt', oder 2 'Der Umfang des Wunderbegriffs soll eine Teilklasse des Umfangs eines Begriffs f sein, dessen Inhalt... etc'. Hierbei wird vorausgesetzt, daß der Umfang von f auch einen Teilumfang hat, der außerhalb des Umfangs des Wunderbegriffs liegt. Schließlich haben wir die dritte Alternative: 3 'Der Umfang von f oder eine Teilklasse dieses Umfangs soll eine Teilklasse des Umfangs des Wunderbegriffs sein'. Dieser dritten Alternative zufolge hat der Wunderbegriff einen Teilumfang, der außerhalb des Umfangs von f liegt33. "

Siehe oben S. 5 5 f . Solche Regeln in bezug auf den Umfang Nr. 2 liegen in einem

schon erwähnten Falle vor - nämlich wenn die Regeln sich auf in der Quelle erzählte Erscheinungen beziehen. Siehe сфеп S. 67. M

Eine Darstellung der drei Fälle kann anschaulich durch Venns Diagramme ausgeführt

werden: 70

In allen drei Fällen ist es unwesentlich für den Begriffsbildner, ob der Umfang von f mit den Angaben der Quelle Q übereinstimmt. Mit dem Umfang von f ist hier der faktische Q-bezogene oder totale Umfang von f, also der Umfang Nr. 2 oder 3 von f nach dem Schema der drei Arten von Umfängen oben gemeint. Regeln für Exemplar- und Umfangswahl des Mom. 2 brauchen nicht unbedingt eine der drei oben genannten Alternativen festzulegen. Eine Regel kann in bezug auf diese Alternativen unklar und unbestimmt sein, so daß sie die logische Form einer Disjunktion von zwei oder von allen diesen Alternativen hat. Mom. 3. Hilfssätze, die den faktischen Q-bezogenen oder totalen Umfang von dem in der Quelle Q belegten Begriff f oder die einen Teilumfang dieses Umfangs beschreiben, ohne Rücksicht auf die Auffassung der Quelle Q von diesem Umfang. Mom. 4.=Mom. ι in der extensionalen Begriffsbildung: Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl des Umfangs oder eines Teilumfangs des Wunderbegriffs ausdrücken; diese Wahl ist durch Mom. 2 und Mom. 3 oben logisch bedingt und bezieht sich auf den in Mom. 2 beschriebenen Umfang. Darauf folgt dann eine extensionale Begriffsbildung34. Bei einer Adäquatheitsbedingung des Mom. 2 vom ersten Typus, d.h. wenn eine vollständige Umfangsgleichheit stipuliert wird, ist Mom. 4 vollständig abhängig von den Momenten 2 und 3 zusammen; wenn aber nur eine partielle Umfangsgleichheit stipuliert wird [in den Fällen 2 und 3

Fall 1

Wunder

f

(& (&) Fall 2

Wunder

f

Fall 3

Wunder

f

Die beiden Zirkel stellen die Umfänge der beiden Begriffe dar. Von den drei Sektoren bezeichnet der linke die Klasse der Erscheinungen, die Wunder sind, aber nicht unter f fallen; der mitdere Sektor die Klasse derjenigen Erscheinungen, die unter beide Begriffe fallen, also den gemeinsamen (Teil]-Umfang der beiden Begriffe. Der rechte Sektor bezeichnet die Klasse aller Nicht-Wunder, die unter f fallen. Ein schwarz gezeichneter Sektor bezeichnet eine leere Klasse, ein mit „x" gezeichneter Sektor eine nicht-leere Klasse. Wo keine Zeichnung vorliegt, haben wir über den Umfang dieser Klasse keine Information, oder besser: es liegt dann eine Disjunktion zweier Möglichkeiten vor, nämlich der leeren oder der nicht-leeren Klasse. Der Fall 3 oben zergliedert sich deshalb in zwei Teilfälle, deren Unterscheidung für unsere Zwecke jedoch nicht von primärer Bedeutung ist. Über Venn's Diagramme, siehe z.B. Quine, Methods of logic, 69 ff. 34 Siehe oben S. s o f f . 71

im Mom. 2 oben], ist auch Mom. 4 nur unvollständig abhängig von Mom. 2 und 3. Ein Spezialfall einer Kombination der Art des oben dargestellten Schemas ist derjenige, in dem die Adäquatheitsbedingungen des Mom. 1 oben [die Regeln für Exemplar- und Umfangswahl] Bezug auf den Sprachgebrauch der gewählten Quelle nehmen. Diese Adäquatheitsbedingungen drücken dann eine Wahl eines Wortes in der betreffenden Quelle als (teilweise] umfangsgleich mit dem Worte „Wunder" aus. Der 'Begriff f' in dem Schema oben, (Mom. 2 und 3] und sein faktischer Umfang haben dann die folgenden Funktionen: Der Begriff f ist dann identisch mit dem Sinn, mit der Konnotation des als ganz oder teilweise umfangsgleich mit „Wunder" gewählten Wortes T, an manchen oder an allen seinen Textstellen in Q, wobei Q diesen Sinn des Wortes Τ bestimmt. Der faktische Umfang Nr. 2 bzw. Nr. 3 des Begriffs f ist identisch mit dem faktischen Umfang des Wortes Τ an den betreffenden Textstellen in Q, wobei dieser Umfang von Τ nicht mit den Angaben darüber in Q übereinzustimmen braucht. Ein Beispiel eines klar positiven Falles von eigenem Anschluß eines Verfassers an die Auffassung anderer Quellen über den Umfang mancher Begriffe als positiver Stütze für die eigene Auffassung von dem Umfang des eigenen Wunderbegriffs tritt in einem größeren Kontext bei Schmidt hervor. Der Kontext ist in einem größeren Zusammenhang enthalten, der eine Kombination mehrerer Begriffsbildungstypen exemplifiziert: eine extensionale Begriffsbildungslinie wird mit einer sprachgebrauchsbezogenen kombiniert, zusammen mit einer Bezugnahme auf die Auffassung anderer Quellen über den Umfang bestimmter Begriffe35. Die Wahl des Umfangs des Wunderbegriffs stützt sich auf Argumente, die sich auf die Auffassung anderer Quellen über den Umfang bestimmter Begriffe beziehen. Schmidts Wahl von Quellen geht aus dem folgenden hervor: Dürfen wir uns hiernach auch dogmatisch und biblisch berechtigt halten, die Bezeichnung „Wunder" in der angegebenen Weitschaft des Umfanges zu neh3β men . . . .

Das auf die Dogmatik bezogene Argument enthält sowohl eine nähere Spezifizierung von Quellen wie eine nähere Angabe von Begriffsinhalten und Begriffsumfängen und wird folgendermaßen formuliert: 35 Der Teil von Schmidts Begriffsbildung, der zu dem rein extensionalen Begriffsbildungstypus gehört, ist oben schon dargestellt worden, siehe S. 53 f f . 36 Schmidt, 175.

72

Im allgemeinen ist ja nun dieser Umfang des Begriffs auch von der dogmatischen Wissenschaft anerkannt. In der Dogmatik ist es herkömmlich, das Wunder als Korrelat der [übernatürlichen] Offenbarung zu bezeichnen, als eine Form, in welcher sich diese vollzieht. Von der Offenbarung hat schon die altlutherische Dogmatik anerkannt, daß sie nicht auf die kanonische Periode der Heilsgeschichte zu beschränken ist, sondern... sich über die ganze Gegenwartszeit der Kirche erstreckt. Dann kann auch das Wunder nicht auf jene Periode beschränkt J 37 werden .

Hier wird anscheinend vorausgesetzt, daß es keine anderen Formen von Offenbarung geben kann als Wunder. Diese Voraussetzung scheint sogar durch Stipulation in den Wunderbegriff hineingelegt zu sein. Daß die Wortwahl für den mit 'Wunder' ganz oder teilweise umfangsgleichen Begriff in den Quellen nicht allein entscheidend ist, geht aus der auf das NT gegründeten Argumentierung hervor, „daß diese Erweiterung, wenn auch nicht nach dem Buchstaben, so doch der Sache nach durchaus dem Neuen Testament entspricht"37. In der folgenden auf das NT bezogenen Argumentierung zeigt Schmidt auf den Umfang eines einzigen Begriffs ganz unabhängig von der Wortwahl im NT für diesen Begriff dadurch, daß er darauf hinweist, daß Jesus der Darstellung des Johannesevangeliums zufolge bewußt manche entscheidenden Ähnlichkeiten zwischen mehreren einzelnen Erscheinungen fixiert haben soll. Diese Erscheinungen würden dadurch implizite durch die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen ihnen als dem Umfang eines einzigen Begriffs zugehörig aufgefaßt werden. Schmidt schreibt, daß der Herr selbst nach dem Evangelium Johannes sich beflissen zeigt, seine Wunderwerke, die terata, ihrer Einzigartigkeit zu entkleiden und ihnen andere, der Zukunft vorbehaltene erga gleich- und überzuordnen37.

Schmidt behauptet, daß Jesus mit den letztgenannten „zukünftigen" Wundern vor allem „die mit der Sendung des Parakleten beginnende geistliche Erneuerung" gemeint haben soll, „welche er als Totenerweckung kennzeichnet und damit dem wunderbarsten seiner Wunder als gleichartig zur Seite stellt"38. Aber Schmidt gelangt durch Berufung auf Jesus zu neuen Wundern: Wiederum aber stellt er dieser zur Seite die zukünftige leibliche Totenerweckung. Und wenn es diese gegenwärtig - zukünftigen, geistlich - leiblichen Werke sind, welche der Herr Joh. 3 , 1 2 unter ta epigeia befaßt, so stellt er ihnen mit ta epourania alles dasjenige gegenüber, was sich auf seine Person und sein Erlösungswerk bezieht, so daß es auch biblisch gerechtfertigt erscheint, beide unter der gleichen Kategorie zusammenzufassen38.

Diese letztere „Gegenüberstellung" soll anscheinend nicht eine entscheidende Ähnlichkeit zwischen beiden Gliedern ausschließen, die Schmidt 37

Schmidt, 174.

38

Schmidt, 175.

73

zufolge Jesus selbst [die Quelle in diesem Falle) durch seine Zusammenstellung der beiden Glieder bewußt fixiert haben soll. Der betreffende Begriff bei Jesus dürfte nach Schmidt wenigstens einen Umfang haben, der einen Teilumfang des Wunderbegriffs bildet. Dieser Begriff ist aus der Quelle ausgewählt, unabhängig von der Wortwahl der Quelle für den Begriff. In dem zuletzt angeführten Kontext ist deshalb eine Adäquatheitsbedingung des Mom. 2 im Schema oben implizite vorausgesetzt, die den Umfang eines Begriffs in einer Quelle [hier: bei Jesus) wenigstens als Teilumfang des Wunderbegriffs auswählt. Dieser nicht auf einen Sprachgebrauch bezogenen Adäquatheitsbedingung sind doch aber bei Schmidt auch sprachgebrauchsbezogene Adäquatheitsbedingungen beigeordnet, die sich auf den Umfang mancher Wörter in dem gewählten Sprachgebrauch beziehen. Der größte Teil seiner Begriffsbildung ist sogar durch Bezugnahme auf 'biblischen oder kirchlichen' Sprachgebrauch bestimmt. In dem von ihm beschriebenen Sprachgebrauch konzentriert Schmidt sein Hauptinteresse auf den Umfang des Wortes „Wunder" und anderer seiner Ansicht nach mit seinem Wunderbegriff ganz oder teilweise umfangsgleicher Wörter3". Sprachgebrauchsbezogene Adäquatheitsbedingungen diktieren die Wahl desjenigen Umfangs, der als Ausgangspunkt für den extensionalen Teil seiner Begriffsbildung dienen soll. Die Wahl des Umfangs für den Begriff 'Wunder' ist dann abhängig vom Sprachgebrauch neben anderen oben schon angeführten Gesichtspunkten. Die übergeordneten sprachgebrauchsbezogenen Adäquatheitsbedingungen gehören unter das Mom. 1 in dem Schema oben und drücken eine Wahl von Quellen und Anwendern des Wortes „Wunder" und der mit ihm umfangsgleichen oder teilweise umfangsgleichen Wörter aus. Diese Adäquatheitsbedingungen bestimmen (obwohl in unvollständiger Weise) die Wahl der genannten Wörter, die dadurch von dem Verfasser als ganz oder teilweise umfangsgleich mit dem Worte „Wunder" stipuliert werden. Die letztere Wahl drückt sich in Adäquatheitsbedingungen aus, die unter das Mom. 2 in dem Schema oben gehören. Die Wahl der Quellen, der Verfasser und der Anwender des Wortes „Wunder" oder der mit ihm ganz oder teilweise umfangsgleichen Wörter wird von Schmidt innerhalb eines weiten Rahmens ausgeführt, der sowohl die griechische und hebräische Bibel wie kirchliche Quellen auf Latein und Deutsch, besonders innerhalb des Luthertums, umfaßt. Außer der Wahl der Bibel, besonders des NT, als Quelle für seinen Wunderbegriff wird die Wahl der übrigen Quellen und Anwender des für "

Siehe z.B. Schmidt, 1 7 2 : „ U m den Begriff des Wunders zu bestimmen, müssen wir

uns zunächst darüber verständigen, in welchem Umfange diese Bezeichnung „Wunder" gemeint ist." V g l . oben S. 54. Das Wort „gemeint" könnte auch die Beziehung auf den Sprachgebrauch unterstreichen.

74

Schmidt normierenden Sprachgebrauchs u.a. durch die folgenden Ausdrücke angedeutet: „der kirchliche Sprachgebrauch"40, „populärkirchlichem Sprachgebrauch"11, „die Kirche in ihren Liedern"", „singt unsere Kirche"", „Paul Gerhardt"", „singen wir"" und „unsere Lieder"". Die Worte „wir" und „unsere" deuten an, daß es sich nicht nur um eine Beschreibung des Sprachgebrauchs anderer handelt, sondern daß der Verfasser sich selbst diesem Sprachgebrauch anschließt. Das wird in demselben Kontext auch durch die Wendung „wenn wir von „Wundern" reden" unterstrichen". Um etwas weiter unten, etwas später auf die Wörter zurückzukommen, die mit dem Worte „Wunder" umfangsgleich sein sollen oder mit dem Worte „Wunder" einen teilweise gemeinsamen Umfang haben sollen, werden wir zunächst den Hauptgang seiner Begriffsbildung in Umrissen zeichnen. In seiner Sprachgebrauchsbeschreibung des Umfangs des Wortes „Wunder" zählt Schmidt Erscheinungen auf, die von dem für Schmidt normierenden Sprachgebrauch als 'Wunder' bezeichnet werden, und Schmidt gelangt zu der Schlußfolgerung, daß „der Umfang, in welchem die Bezeichnung „Wunder" Anwendimg leidet, mit dem Umfang der Heilsgeschichte zusammenfällt"47. Schmidt argumentiert für eine Verwendung des Wortes „Wunder" in einer sehr weiten Bedeutung, deren Umfang die ganze 'Heilsgeschichte' und sowohl physische wie innerpsychische Erscheinungen umfaßt. Die Einzelheiten in Schmidts Begriffsbildung können nur im Zusammenhang mit den Wörtern studiert werden, die nach Schmidt umfangsgleich mit „Wunder" sein sollen oder wenigstens mit „Wunder" einen teilweise gemeinsamen Umfang haben sollen. Die meisten Wörter, die in diesem Zusammenhang angeführt werden, decken Schmidt zufolge nur einen Teilumfang des Wunderbegriffs. Im folgenden werden wir von der Anwendung des Wortes „Wunder"' selbst im deutschen lutherischen 'kirchlichen' Sprachgebrauch absehen, die ja für Schmidts Begriffsbildung auch eine große Rolle spielt48. Wir konzentrieren unser Interesse vielmehr auf Schmidts Behandlung anderer Wörter als „Wunder" in anderen Sprachen als dem Deutschen. Unter den griechischen Wörtern im NT ist „dynamis" für seine Begriffsbildung das Entscheidende. Schmidt weist auf dieses Wort hin als eine gewöhnlichere Bezeichnung im NT für die 'äußeren Wunder' (saemeia, 40

Schmidt, Schmidt, 42 Schmidt, 46 Schmidt, " Schmidt, dung oben 11

172. " Schmidt, 172. 174. " Schmidt, 173. 173. " Schmidt, 174. 172. 174. Vgl. die Darstellung des extensionalen Teils in Schmidts BegriffsbilS. 53 f f . Schmidts Begriffsbestimmung ist dort angeführt worden, siehe

S. 5518

Siehe Schmidt, 172 f f . Siehe oben.

75

Zeichen) als „teras", wobei der Umfang von „teras" ganz auf diese 'äußeren Wunder' beschränkt ist". Aber außerdem hat Schmidt zufolge „dynameis" einen viel weiteren Umfang als „teras", und dieser weitere Umfang motiviert für Schmidt den Umfang seines eigenen Wunderbegriffs. Mit dem Wort „dynameis" werden Schmidt zufolge die äußeren Wunderereignisse im N T „als Wirkungen göttlicher Macht gekennzeichnet". Von Schmidt selbst werden u.a. die 'Menschwerdung' und 'Auferstehung' Christi und „der gegenwärtige Christenstand", d.h. der gegenwärtige Zustand des bekehrten, wiedergeborenen Christen, „ebenso nun als Wirkungen göttlicher Macht" bezeichnet. Aus diesem Grund meint Schmidt, es sei „biblisch berechtigt . . . die Bezeichnung „Wunder" in der angegebenen Weitschaft des Umfanges zu nehmen", so daß der Umfang des Wunderbegriffs alle Personen, Ereignisse, Zustände und Tatsachen der ganzen Heilsgeschichte umfaßt". Dem Worte „dynamis" wird von Schmidt ein sehr weiter Umfang gegeben, und zwar durch seinen zentralen Begriffsinhalt 'Wirkung göttlicher Macht'. Auch dieser Begriffsinhalt ist als Bestimmungselement in Schmidts Wunderbegriff enthalten. Der Umfang von „dynamis" umfaßt sowohl 'äußere' wie 'innere' Erscheinungen, und diesen weiten Umfang stützt Schmidt anscheinend auf den Umfang des Wortes „thaumasion" im NT. Die Wörter „thaumasion" bzw. „thaumaston" entsprechen Schmidt zufolge im N T genau dem deutschen „Wunder" in der Bedeutung 'staunenerregendes Ereignis'. Schmidt schreibt, daß im Neuen Testament das genau entsprechende thaumasion bzw. thaumaston, thaumazein ohne Unterscheidung auf Vorgänge der äußeren wie der inneren Welt bezogen wird".

Diese Beobachtung motiviert für Schmidt die Stipulation, daß sein endgültiger Wunderbegriff auf Erscheinungen dieser beiden Kategorien zutreffen soll. Denselben totalen faktischen Umfang wie Schmidts Wunderbegriff hat nach ihm das Wort „dynamis". Dieser Umfang ist weiter als derjenige, der durch die faktische Anwendung dieses Wortes im N T von Schmidt belegt wird. Diese beiden angeblichen Sachverhalte widersprechen sich aber nicht, wie die grundsätzlichen Ausführungen oben ergeben haben: Der totale faktische Umfang kann eine weitere Klasse bilden als der NT-bezogene faktische Umfang. Aber außerdem stimmt anscheinend die Auffassung des N T nach Schmidts Ansicht mit seiner eigenen Auffassung über den Umfang von „dynamis" insofern überein, als der angebliche Umfang von „dynamis" dem N T zufolge mit dem faktischen NT-bezogenen Umfang von „dynamis" Schmidt zufolge übereinstimmt. Sowohl in bezug auf den faktischen NT-bezogenen Umfang wie in Schmidt, 175.

76

bezug auf den faktischen totalen Umfang sind aber nach Schmidt die Wörter „teras" und „saemeion" im N T nur teilweise umfangsgleich mit seinem Wunderbegriff - die Umfänge kreuzen sich. Über das Wort „Wunder" als Übersetzung und Substitut für „teras" heißt es: Im Sprachgebrauch des Neuen Testaments ist die Anwendung dieses Ausdrucks, mit welchem Luther das griechische teras wiedergibt, beschränkt auf jene sinnenfälligen, staunenerregenden Wirkungen, welche Gott, um die Heilsverkündigung seiner Gesandten zu beglaubigen, durch sie gewirkt hat, dieselben, welche auch saemeia heißen, darum, weil sie . . . bestimmt sind, auf etwas Anderes, Höheres hinzudeuten60.

Schmidt meint aber, „teras" im N T konnotiere einen viel engeren Begriff als 'Wunder': T e r a s . . . ist eben durch den Sprachgebrauch in seiner Anwendung auf sinnenfällige Erscheinungen in der Natur beschränkt, während „Wunder" = „staunenerregendes Ereignis" eine solche Beschränkung nicht erleidet51.

Schmidt konstatiert übrigens in bezug auf den Umfang von „teras": к

Allein über diesen eng begrenzten Bereich ist der kirchliche Sprachgebrauch tatsächlich weit hinausgeschritten. Wenn wir von „Wundern" reden im Bereich der Heilsgeschichte . . . so denken wir keineswegs a l l e i n . . . an jene terata".

Nicht nur griechische Wörter, sondern auch dieser 'kirchliche Sprachgebrauch' bestimmen, wie wir oben gesehen haben, die Begriffsbildung von Schmidts Wunderbegriff. Der faktische totale Umfang des Wortes „teras" ist also nach Schmidt enger als der faktische totale Umfang des Wunderbegriffs. Andererseits haben nach Schmidt „teras" und „saemeion" auch einen Umfang außerhalb des Umfangs des Wunderbegriffs, und zwar schon der faktische NT-bezogene Umfang von „teras" und „saemeion". Dieser faktische NT-bezogene Teilumfang von „teras" und „saemeion" außerhalb des Umfangs des Wunderbegriffs umfaßt nach Schmidt die „dämonischen Wirkungen". Diese können Schmidt zufolge „doch nicht als Wunder im eigentlichen Sinne g e l t e n . . . weil sie eben nicht im Dienste des Erlösungswerkes stehen"". Gott allein tut Wunder, meint Schmidt, und diese Ansicht belegt er aus dem Psalter. Er fährt fort: „und die Wunder, die er tut, sind durchweg Werke seiner heilschaffenden Gerechtigkeit"54. Die Extension des Wortes „teras" kreuzt sich also nach dem ausgeführten Gedankengang Schmidts mit dem Umfang des Wunderbegriffs, und zwar so, daß jeder der beiden Umfänge einen Teilumfang hat, der 00

Schmidt, 172.

"

Schmidt, 172.

"

Schmidt, 175.

63

Schmidt, 191. V g l . 180.

51

Schmidt, 180. Die zuletzt referierte und zitierte Stelle gibt eine Andeutung in Rich-

tung auf eine Berücksichtigung hebräischer Wörter. A n einer anderen Stelle wird die Anwendung des Wortes „Wunder" in bezug auf Personen (Jesus] durch einen Hinweis auf Jesajas Gebrauch des Wortes „peleh" gerechtfertigt. Schmidt, 172.

77

außerhalb des anderen Umfangs liegt. Wenn wir die Extension von „teras" als den Umfang eines Begriffs f bezeichnen, so ist die angebliche Situation die, daß ein Teilumfang von f eine Teilklasse des Umfangs des Wunderbegriffs bildet65. Wir stehen hier vor dem Falle 3 des Mom. 2 in dem oben dargestellten Schema des hier erörterten Begriffsbildungstypus. Mehr als eine Seitenlinie zur Argumentierung vom NT her erscheint die Berufung auf die Einteilung der altlutherischen Dogmatik von den Wundern in miracula potentiae und miracula gratiae. Der letztere Terminus deckt nach Schmidt auch „das fortgehende Wirken des Heiligen Geistes zur Herstellung einer neuen Menschheit"". Das Wort „miracula" könnte doch anscheinend von Schmidt als umfangsgleich mit seinem Wunderbegriff aufgefaßt werden, soweit man sich aufgrund von Schmidts Ausführungen ein Urteil darüber bilden kann. In den angeführten Gedankengängen bei Schmidt finden sich auch Andeutungen einer Berücksichtigung von Begriiisinhalten als normierend für den Inhalt des zu bestimmenden Wunderbegriffs. Die Konnotation des Wortes „dynamis" scheint in Form der Bestimmung "Wirkung göttlicher Macht' implizite als Bestimmungselement des Wunderbegriffs aufgenommen zu sein; der Begriff der 'Heilsgeschichte' scheint auch eine inhaltliche, nicht nur eine umfangsbezogene Bedeutung für den Wunderbegriff zu haben; und das Wunder „in der Dogmatik" ist als „Korrelat der [übernatürlichen] Offenbarung" auch in bezug auf seinen Begriffsinhalt bestimmt". Diese Überlegungen zeigen, wie schwer es ist, ungemischte Beispiele eines einzigen Begriffsbildungstypus zu erhalten. Die erwähnte Bezugnahme auf Begriffsinhalte als normierend für den Inhalt des Wunderbegriffs zeigt auf das Thema des nächsten Kapitels hin, zu dem wir jetzt übergehen. 55

Die Kreuzung zwischen dem Umfang von „teras" und dem Umfang des Wunderbegriffs bei Schmidt ist ein Beispiel für den Fall Nr. 3 im Mom. 2 in dem Begriffsbildungsschema oben. Diese Kreuzung der Umfange kann auf zwei verschiedene Weisen interpretiert werden, die einander allerdings nicht widersprechen. Nach der einen Deutung bildet ein Begriff f den Sinn von „teras" in allen seinen Textstellen; f und der Wunderbegriff haben einen gemeinsamen Teilumfang, aber jeder der beiden Begriffe hat auch einen Teilumfang außerhalb des Umfangs des anderen Begriffs. In diesem Falle ist nur eine Teilklasse des Umfangs von f als Teilklasse in dem Umfang des Wunderbegriffs enthalten. Die Situation bei Schmidt kann aber auch eine andere Deutung erhalten: „teras" steht an einigen Textstellen im N T für einen Begriff f , in anderen Textstellen im N T für einen anderen Begriff f a , dessen Umfang ganz außerhalb des Umfangs des Wunderbegriffs liegt, während der Umfang von f aber eine Teilklasse der Klasse aller Wunder bildet. Vgl. oben S. 70 f., Anm. 33. Beide Deutungen sind insofern vereinbar, als der Umfang von f die beiden Umfange von f und f als Teilklassen unter sich umfaßt. Das, was hier über „teras" in Schmidts Deutung gesagt worden ist, gilt ebenso für „saemeion" bei Schmidt. 56

Schmidt, 174.

78

57

Siehe oben S. 73, 75 f.

KAPITEL 3

Begriffsbildungen verschiedener Wunderbegriffe, die von Begriffsinhalten ausgehen

A. Begriffsbildung, die von Konnotationen

des

Sprachgebrauchs

ausgeht Bei manchen Verfassern erscheint ein Typus von Begriffsbildung, nach dem die Konnotation des Wortes „Wunder" sich nach den Konnotationen bestimmter Wörter richtet, die in anderen Quellen und bei anderen Verfassern als dem Verfasser, der die betreffende Begriffsbildung vertritt, vorhanden sind. Zwei Alternativen dieser Art der Begriffsbildung gibt es: die eine Alternative nimmt ihren Ausgangspunkt bei dem deutschen Wort „Wunder" und bezieht sich dabei auf dieses Wort in anderen deutschen Quellen bzw. im vorhandenen Sprachgebrauch. Die andere Alternative geht von anderen Wörtern als „Wunder" in anderen Sprachen als der deutschen Sprache aus. Besonders hervortretend in unseren Zusammenhängen ist die Funktion des Wortes „Wunder" als einer Übersetzung von Wörtern aus dem neutestamentlichen Griechisch. Gemeinsam für Begriffsbildungen dieser beiden Alternativen ist dies, daß der Begriffsbildner durch die Konnotation bestimmter Wörter in faktisch vorliegenden Quellen und im faktisch vorliegenden Sprachgebrauch zu dem Begriffsinhalt gelangt, den er als Konnotation des Wortes „Wunder" hinstellen will. Vier Momente in einer Begriffsbildung dieses Typus werden getrennt dargestellt: Mom. ι. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl von Quellen, Verfassern oder Benutzern des Wortes „Wunder" oder derjenigen Wörter, die man als synonym zum Worte „Wunder" auswählen will, ausdrücken. Im letzteren Falle handelt es sich oft um eine Wahl von Quellen oder Verfassern in einer anderen Sprache als Deutsch". Mom. 2. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl von Wörtern ausdrücken, die man mit dem Worte „Wunder" übersetzen will und die man 58 Die stipulative Wahl in diesem Mom. ι kann aus verschiedenen Gründen geschehen. Der Begriffsbildner kann z.B. die Quellen und Verfasser als Autorität haben, oder er kann eine besondere Kommunikationsabsicht haben, die sich auf eine Gruppe von Personen richtet, in der die betreffenden Quellen gelesen werden.

79

als synonym mit dem W o r t e „ W u n d e r " auswählen w i l l " , z.B. W a h l v o n griechischen W ö r t e r n aus dem N T . Z u diesem M o m e n t gehören Definitionen v o n „ W u n d e r " als synonym mit anderen W ö r t e r n in anderen Sprachen, aber auch stipulative Sätze, die den eigenen A n s c h l u ß an einen schon vorliegenden Sprachgebrauch in bezug auf das W o r t „ W u n d e r " ausdrücken. Stipulative lexikalische D e finitionen und stipulative W o r t - W o r t - D e f i n i t i o n e n gehören z u

diesem

Moment. W e n n v o n einem Synonymitätsverhältnis, d.h. einem Verhältnis der Konnotationsgleichheit

zwischen

„Wunder"

u n d W ö r t e r n in

anderen

Sprachen die Rede ist, so w i r d eine solche Synonymität entweder durch stipulative Definition gesetzt, w a s A u s d r u c k einer freien W a h l ist, w o die Frage v o n w a h r oder falsch nicht entstehen kann. In diesem Falle befinden wir uns im Rahmen des hier relevanten Begriffsbildungstypus. O d e r aber der Verfasser geht dabei aus v o n einer schon feststehenden Konnotation des W o r t e s „ W u n d e r " u n d der mit ihm synonymen W ö r ter, w e n n er eine Synonymität zwischen „ W u n d e r " u n d anderen W ö r t e r n in einem bestimmten Sprachgebrauch feststellt. Solche A u s s a g e n setzen schon voraus, d a ß der Begriff bereits bestimmt ist u n d gehören deshalb nicht in eine Begriffsbildung hinein. M o m . 2 ist abhängig, aber nicht hinreichend determiniert v o n M o m . ι . M o m . ι begrenzt die A u s w a h l innerhalb des M o m . 2. Mom. 2 ist abhängig v o n Mom. ι als Adäquatheitsbedingung

zusammen mit Hilfssätzen, die die

Frage beantworten, w e l c h e W ö r t e r in der gewählten Q u e l l e vorkommen. D i e W a h l v o n Synonymen z u d e m W o r t e „ W u n d e r " ist o f t begrenzt auf bestimmte K o n t e x t e u n d Textstellen in der gewählten Quelle. W e n n dies der Fall ist, ist auch eine stipulative W a h l v o n K o n t e x t e n u n d T e x t stellen, in denen die gewählten W ö r t e r mit „ W u n d e r " synonym sein sollen, durch die Adäquatheitsbedingungen in M o m . 2 ausgedrückt' 0 . M a n k a n n also z w i s c h e n partieller und totaler Synonymität unterscheiden. D i e W a h l v o n K o n t e x t e n liegt grundsätzlich auf der Stufe v o n M o m . 1, auf derselben Stufe w i e die W a h l der Q u e l l e n für die W ö r t e r , die mit „ W u n " Die Relation der Synonymität zwischen Wörtern oder sprachlichen Ausdrücken wird hier so gefaßt, daß zwei miteinander synonyme Wörter oder Ausdrücke dieselbe Intension oder Konnotation haben, denselben Begriff oder Satzinhalt bezeichnen müssen. Synonymität zwischen sprachlichen Ausdrücken entspricht also Identität zwischen Begriffen oder Satzinhalten. Über die Frage der Identitätsbedingungen für Begriffe, siehe oben S. 68, Anm. 29. Die L-Äquivalenz stellt eine schwache Identitätsbedingung für Begriffe dar, die auf jeden Fall bei Identität zwischen Begriffen oder Satzinhalten erfüllt ist. Synonyme Wörter oder Ausdrücke sind also eo ipso auch L-äquivalent miteinander. Die umgekehrte Implikation ist umstritten. Uber L-Äquivalenz zwischen Begriffen bzw. zwischen sprachlichen Größen siehe unten S. 122 f f . Über Synonymität vgl. Naess, Interpretation and preciseness, 5 ff., 10 ff., und passim. 110 Über den Begriff der Textstelle siehe oben S. 14.

80

der" synonym sein sollen. Die gewählten anderen Wörter können Anwendungen haben, in denen sie nicht dieselbe Konnotation haben wie sie das Wort „Wunder" bei dem Begriffsbildner hat bzw. haben soll. Verfasser und Begriffsbildner im Material sind manchmal bereit, gewisse bestimmte Wörter in manchen, aber nicht in allen ihren Kontexten mit „Wunder" zu übersetzen. Beispiele werden weiter unten angeführt. Hier nur ein Beispiel, demzufolge „teras und Wunder sich doch nicht ganz decken"61. Manchmal wird nicht nur ein Wort als synonym mit „Wunder" gewählt, sondern mehrere. Bei den meisten Verfassern, die hier angeführt werden, ist es nicht ein einziges Wort im NT, das als direkt synonym mit „Wunder" hingestellt wird, sondern mehrere Wörter werden als Сpartiell, d.h. für bestimmte Kontexte und Textstellen] synonym mit „Wunder" hingestellt62. Im Material wird oft ein Synonymitätsverhältnis zwischen „Wunder" und anderen Vokabeln, besonders im griechischen NT, ausgesagt, wobei es aber oft von der einzelnen Aussage her schwer zu entscheiden ist, ob die Synonymität stipuliert wird als Mom. 2 einer Begriffsbildung der hier dargestellten Art, oder ob die Synonymität nur ausgesagt wird auf Grund eines schon gegebenen Sprachgebrauchs, wobei die Aussagen nicht zu einer Begriffsbildung gehören. Nur der ausführliche Kontext der Aussagen bei dem Verfasser könnte bestenfalls die Frage entscheiden, aber auch der Kontext gibt oft keine nähere Antwort auf diese Frage. Die Unbestimmtheit in bezug auf diese Frage haftet den beiden folgenden Beispielen an. Ein Beispiel für eine behauptete oder stipulierte Synonymität liegt vor, wenn Stählin schreibt, daß „die griechische Sprache des Neuen Testaments zwei Vokabeln [seil, teras und saemeion] für das wunderbare Ereignis gebraucht, die in ihrem Sinn deutlich unterschieden sind"63. Etwas ausführlicher spricht Naumann vom 'Wunder' als ungefähr gleichbedeutend mit „einem geläufigen Begriff für Wunder... im Sinne der Juden" und als Inhalt von „Vorstellungen, die die Zeitgenossen mit "

Schmidt, 1 7 5 . V g l . oben S . 7 6 f f .

"

In einem solchen Falle w i r d die Frage aufgeworfen, w i e die logischen Beziehungen

zwischen der Konnotation des W o r t e s „ W u n d e r " und den Konnotationen der angeführten griechischen W ö r t e r z u denken sind. V i e l e Kombinationen sind hier möglich: Die Konnotation von „ W u n d e r " kann die logische Form einer Disjunktion der Konnotationen einiger griechischer W ö r t e r haben. Oder aber die Konnotation von „ W u n d e r " ist als eine Konjunktion

von

den

entsprechenden

Konnotationen

[einiger)

der

gewählten

griechischen W ö r t e r zu verstehen. In beiden Fällen brauchen natürlich die Konnotationen der griechischen W ö r t e r einander nicht auszuschließen; sie können sehr w o h l logisch vereinbar sein. M a n kann sich auch eine kompliziertere Kombination von K o n junktion und Disjunktion denken als die bestehende Relation zwischen den betreffenden Konnotationen. Uber Disjunktion und Konjunktion zwischen Begriffen, siehe unten S . 1 2 5 , die Definitionen D 6 und D 7 . "

Stählin, Symbolon, 1 5 8 . V g l . Schmeling, 1 0 5 7 .

6 - 566-3501

81

den geläufigen Begriffen verbanden". Insoweit haben wir es mit einer Wahl der Quelle oder der Benutzer derjenigen Wörter zu tun, die dem Worte „Wunder" entsprechen [sollen). In diesem Zusammenhang werden somit die Wörter „dynamis", „saemeion" und „teras" als die Bezeichnung des Neuen Testaments für 'Wunder' angedeutet, wobei „teras" und „saemeion" als „geläufige Bezeichnung für Wunder" im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs der Juden zur Zeit des NT:s hingestellt werden". Mom. 3. Hilfssätze, die eine Sprachgebrauchsbeschreibung von der Konnotation der gewählten Wörter in der gewählten Quelle und in den gewählten Kontexten ergeben. Entweder handelt es sich um Beschreibung der Konnotation des Wortes „Wunder" in den gewählten Quellen oder bei den gewählten Verfassern. Oder es handelt sich um Sprachgebrauchsbeschreibung der anderen gewählten Wörter als „Wunder" in den gewählten Quellen bzw. bei den gewählten Verfassern, und zwar Beschreibving der Konnotation der betreffenden Wörter. Zu diesem Moment gehören sprachgebrauchsbeschreibende intensionale Definitionen von Wörtern, die wahr oder falsch sind, z.B. Definitionen von „Wunder" oder von anderen Wörtern in anderen Texten und Quellen". Diese Definitionen stellen die Konnotation des Wortes „Wunder" oder der anderen entsprechenden Wörter in den betreffenden Quellen fest. Wir haben zwei Formen von Sprachgebrauchsbeschreibung zu unterscheiden: 1. Direkte Beschreibung der Konnotation des Wortes „Wunder" oder der anderen Wörter, die dann eben explizite genannt werden, und 2. Indirekte Beschreibung anderer Wörter als „Wunder" mit Benutzung des Wortes „Wunder" als Repräsentant für diese anderen Wörter. Zu diesen beiden Formen müssen noch einige Bemerkungen gemacht werden. Zu ι : Sprachgebrauchsbeschreibung von „Wunder" in anderen deutschen Quellen ist eine Frage von wahr oder falsch und hat nichts mit eigener Stipulation zu tun. Zu 2: a) Man kann die Konnotation von „teras" im NT und überhaupt von anderen Wörtern als „Wunder" beschreiben durch Benutzung des Wortes „Wunder", ohne daß die Synonymität beider vorher stipuliert ist, " Naumann, Die Wertschätzung des Wunders im Neuen Testament. Biblisch-theologische Untersuchung, 74 f. 65 Über sprachgebrauchsbeschreibende Definitionen, vgl. z.B. Leonard, Principles of right reason, 276 f., 281 ff., 294 f.; Naess, Interpretation and preciseness, 41 ff., 169 f f .

82

nur auf Grund einer Anwendung von orthodoxen Übersetzungsoperationen. Hier ist es nur die Frage von wahr und falsch. b) Die Synonymität zwischen dem Wort „Wunder" und anderen Wörtern kann als eine Sprachgebrauchsbeschreibung beider Glieder behauptet werden; in diesem Falle ist diese Synonymität nicht stipuliert. Eine Sprachgebrauchsbeschreibving dieser Art ist eine freistehende Größe, gehört nicht zu einer Begriffsbildung der hier erwähnten Art, denn Mom. 2 fehlt hier: die Synonymität ist ja nicht stipuliert, sondern behauptet, und zwar in bezug auf einen schon [einigermaßen] feststehenden Sprachgebrauch. c] Es kann aber eine stipulative Wahl in einer Anwendung des Wortes „Wunder" als Übersetzung eines anderen Wortes implizite enthalten sein, und zwar auch in einer Sprachgebrauchsbeschreibung dieses anderen Wortes. Eine solche stipulative Wahl von Synonymen für „Wunder" gehört zu Mom. 2 oben. In einer solchen Anwendung des Wortes „Wunder" ist implizite eine Kombination enthalten von einer Stipulation (Mom. 2), daß bestimmte Wörter mit „Wunder" übersetzt werden sollen, und einer Sprachgebrauchsbeschreibung der Konnotationen dieser anderen Wörter in denjenigen Kontexten, für die eine Synonymität zwischen „Wunder" und diesen anderen Wörtern stipuliert ist (Mom. 3). Wenn von dem Worte „Wunder" im NT die Rede ist, kann es sich um eine solche Sprachgebrauchsbeschreibung handeln66. Eine sprachgebrauchsbeschreibende Definition von „Wunder" in nicht-deutschen Quellen kann also eine implizite Stipulation von der Art des Mom. 2 oben enthalten. Nur im letzteren Falle c) können sprachgebrauchsbeschreibende Sätze als Hilfssätze des Mom. 3 in einer Begriffsbildung dieser Art enthalten sein. Über das Verhältnis der Momente a) und c) zueinander ist dies zu sagen, daß auch eine stipulierte Synonymität kraft orthodoxer Übersetzungsoperationen bestehen kann, denen man sich in einer stipulativen Wahl angeschlossen hat. Ein solcher Anschluß würde sich in Regeln für die Übersetzung von „Wunder" durch andere Wörter ausdrücken, die "

Alle erwähnten Fälle, sowohl 1 wie 2 a ) - c) könnten in bezug auf das folgende

Beispiel diskutiert werden: „Denn wenn man den alten Sprachgebrauch bezüglich des „Wunders" prüft, merkt man sehr bald, daß es eigentlich drei ganz verschiedene Begriffe von Wunder gibt, die völlig kritiklos durcheinander gebraucht zu werden pflegen, und zwar gleicherweise in der christlichen wie in der antichristlichen Literatur." Thielicke, Der Glaube der Christenheit, 3 3 9 . Thielicke fährt dann damit fort, den Sinn dieser drei Begriffe zu bestimmen, wobei er sich anscheinend dann nur dem einen dieser drei Begriffe als seinem eigenen Wunderbegriff anschließt. Siehe oben S. 62 f . Es ist nicht klar, ob die Wendung „alten Sprachgebrauch" sich auch z.B. auf den Sinn griechischer und lateinischer Wörter beziehen soll, und ob in diesem Falle die Übersetzung dieser Wörter mit „Wunder" in diesem Kontext auf Grund orthodoxer Übersetzungsoperationen erfolgt oder auf Grund einer implizite vorausgesetzten Sprachgebrauchsbeschreibung sowohl des Wortes „Wunder" wie der anderen Wörter und einer darauf begründeten Behauptung der Synonymität dieser Wörter, oder ob die Übersetzung sich auf eine stipulierte Synonymität stützt.

S3

einem früheren Sprachgebrauch entnommen sind. Solche Regeln wären besondere Adäquatheitsbedingungen für Mom. 2 oben, die selbst auf die Stufe des Mom. 1 gehören würden. Die Wahl dieser Regeln wäre also der Wahl der Quelle und der Kontexte für die gewählten Wörter beigeordnet". Aber nun zurück zu Mom. 3 mit seiner empirischen Sprachgebrauchsbeschreibung. Die folgende Sprachgebrauchsbeschreibung bei Wendland bezieht sich sowohl auf die deutsche, lateinische, griechische wie auf die hebräische Sprache: Das deutsche „Wunder", das lateinische miraculum und mirabile, das griechische thaumasion und thaumaston, das hebräische peleh und niphlaah weisen auf die Wortbedeutung hin: eine Begebenheit, die Verwunderung erregt, ein staunenswertes Ereignis. Das Wunder wird oth=saemeion oder Zeichen genannt, sofern es auf das Wirken Gottes hindeutet; geburah=dynamis, dymasteia=Machttat, gedolah, alilah=Großtat, noraah=furchtbares Ereignis, sofern es den überlegenen Willen Gottes zur Ausführung bringt und in den Menschen den Eindruck eines Außerordentlichen erweckt. Die Begriffe mopheth=teras heben das Außergewöhnliche des Ereignisses hervor. Es ist wichtig, darauf zu achten, welcher Wunderbegriff in dem religiösen Liede herrscht. Kommt doch die religiöse Sprache viel unmittelbarer im Liede zum Ausdruck als in theologischen Abhandlungen. Es ist auffallend, wie häufig die Dichter unserer Kirchenlieder von den Wundern Gottes reden. Überall finden wir den religiösen Wunderbegriff' 8 . Die genaue Beziehung zwischen diesem religiösen Wunderbegriff und denjenigen Begriffen, die die Konnotationen der verschiedenen angeführten Wörter bilden, ist hier nicht ganz klar: aber anscheinend stehen wir vor einer Konjunktion von Begriffsgliedern, die zusammen den betreffenden Wunderbegriff bilden. Diese Annahme wird bestätigt, wenn man die angeführte Sprachgebrauchsbeschreibung mit der folgenden Bestimmung des religiösen Wunderbegriffs vergleicht. Dieser religiöse Wunderbegriff wird nach einer Sprachgebrauchsbeschreibung für das Wort „Wunder" in mehreren verschiedenen Kirchenliedern und Hymnen folgendermaßen bestimmt: Somit liegen zwei Merkmale in dem Wunder: einmal das Staunenswerte, Unerwartete, das sich oft zum Unerklärlichen steigert. In diesem allgemeinen Sinn kann man auch von Wundern außerhalb des religiösen Glaubens sprechen. Das Hauptmerkmal des religiösen Wunders ist: Gott wirkt in dem Ereignis, das wir als Wunder bezeichnen. Da nun Gott nur von der religiösen Erfahrung erkannt eT

Solche Regeln, die orthodoxe Übersetzungsoperationen als normierend auswählen, bilden einen Spezialfall von Regeln, die eine Wahl von Übersetzerin] aus der [in Mom. ι oben) gewählten Quelle ausdrücken. Solche Regeln bestimmen, daß man diejenigen Wörter als synonym mit „Wunder" auswählen soll [Mom. 2 oben), welche der (die) Übersetzer mit dem Wort „Wunder" übersetzt hat (haben), und zwar in Übersetzungen aus den (in Mom. 1 oben) gewählten Quellen und Kontexten. Die Regeln der betreffenden Art gehören zur Stufe des Mom. 1 oben. " Wendland, Der Wunderglaube im Christentum, 4.

84

werden kann, ist das dritte Merkmal die Beziehung eines Ereignisses auf das Heil des Menschen".

Mit der Begriffsbestimmung sind wir bei dem nächsten Moment dieses Begriffsbildungstypus, Mom. 4, angelangt. Mom. 4. Stipulative intensionale Definitionen, die den Anschluß des Begriffsbildners an den von ihm beschriebenen Sprachgebrauch ausdrücken. Solche Definitionen beziehen sich auf die Konnotation des Wortes „Wunder" auf Grund einer Beschreibung eines Sprachgebrauchs. Stipulative intensionale Definitionen, die zu diesem Mom. 4 gehören, sind von Adäquatheitsbedingungen der Momente 1 und 2 zusammen mit Hilfssätzen aus Mom. 3 abhängig. Grundsätzlich soll diese Abhängigkeit vollständig sein: Mom. 4 soll durch Mom. 2 und 3 zusammen in der Regel hinreichend determiniert sein. Die Beschränkung auf gewisse Kontexte der gewählten Wörter soll schon in Mom. 2 enthalten sein, und die für die Begriffsbildung relevante Sprachgebrauchsbeschreibung in Mom. 3 bezieht sich dann nur auf diese Kontexte. Aber durch die Stipulation in Mom. 4 könnte entweder nur ein Teil der in Mom. 3 beschriebenen Konnotation oder auch eine noch reichere Konnotation als die in Mom. 3 beschriebene ausgewählt werden als Konnotation des Wortes „Wunder"' 0 . Wenn dies der Fall ist, ist die Abhängigkeit des Mom. 4 von Mom. 2 und 3 nicht vollständig. Die Abweichung in Mom. 4 kann bedingt sein durch Rücksichten auf Adäquatheitsbedingungen anderer Art, die nicht zu einer Begriffsbildung der hier erwähnten Art gehören. In diesem Falle liegt eine Kombination einer sprachgebrauchsbezogenen Begriffsbildung mit einer Begriffsbildung anderer Art vor. Der sprachgebrauchsbezogene Begriffsbildungstypus kann durch einen größeren Kontext bei Schmeling eine ausführliche Beleuchtung erhalten. Die Begriffsbestimmung selbst wird so formuliert: A u c h nach der Bibel sind die Wunder außergewöhnliche Vorgänge. Aber in Hinsicht auf ihre Übernatürlichkeit ergibt sich nur soviel, daß sie Wirkungen übermenschlicher und überweltlicher geistiger Mächte sind. Sie geben sich als solche durch ihr zwar unerwartetes, aber anscheinend absichtsvolles und zweckmäßiges Eintreten und Verlaufen zu erkennen. Die Wunder Gottes sind nach der Bibel " Wendland, a.a.O., 5 f. 70 Eine Abweichung einer Definition des Mom. 4 von den Momenten 2 und 3 kann auch in Form einer Präzisierung von vagen Ausdrücken stattfinden, welche in der Analyse in Mom. 3 enthalten sind. Ein vager Ausdruck läßt mehrere Präzisierungsmöglichkeiten offen: Welche Präzisierung der vagen Formulierung des Mom. 3 man nun als adäquate Formulierung des Wunderbegriffs wählen soll, ist eine neue Wahl, die nicht schon in Mom. 2 ausgedrückt ist. Über Vagheit und Präzisierung siehe unten S. 139 ff.

85

außergewöhnliche Vorgänge, welche unversehens zugleich mit einer äußern oder inneren Wendung unsers Lebens eintreten und uns in ihrer blitzartig aufleuchtenden Absichtlichkeit und Übereinstimmung mit den Weissagungen der Schrift bei dem Zurücktreten aller erkennbaren natürlichen Kausalitäten für den Augenblick den überwältigenden Eindruck machen, unmittelbar von dem allmächtigen Gotte zum Heile von Menschen herbeigeführt zu sein71.

Hiermit scheint Schmeling eine Begriffsbestimmung von zwei Wunderbegriffen zu geben, denen beiden er sich selbst anschließt. Er bestimmt hier zuerst einen weiteren Wunderbegriff und geht dann zu einem engeren Wunderbegriff über, der durch die Worte „Wunder Gottes" konnotiert wird. Dieser engere Wunderbegriff ist dem weiteren untergeordnet. Die Bestimmung sowohl des weiteren wie des engeren Wunderbegriffs stützt sich und bezieht sich auf die Bibel, u.a. auf den Sprachgebrauch der Bibel. Oben haben wir gesehen, daß Schmeling in seiner Begriffsbildung sich auch auf biblische Wundererzählungen bezieht72. Der eigene Anschluß an diese beiden Wunderbegriffe „nach der Bibel" stützt sich auch auf den deutschen Sprachgebrauch. Über seine Bestimmung der beiden Wunderbegriffe schreibt Schmeling nachträglich: Unsere Begriffsbestimmung hebt die subjektiven Seiten am Wunder stark hervor. Aber das entspricht der Mehrzahl der Bezeichnungen des Wunders und dem deutschen Worte Wunder am allerersten7'.

Hier sehen wir den Sprachgebrauch als ein Argument für die eigene Begriffsbestimmung, und dieses Argument kann sich auf eine ausführliche Sprachgebrauchsbeschreibung sowohl „der Mehrzahl der Bezeichnungen des Wunders" in der Bibel wie des deutschen Wortes „Wunder" beziehen. Eine Sprachgebrauchsbeschreibung des Wortes „Wunder" im deutschen Sprachgebrauch liegt vor, wenn Schmeling schreibt, daß „unser deutsches „Wunder" auch für Außergewöhnliches und daher Auffälliges, was das in malam partem ist, gebraucht wird" 71 . Aber auch der Sprachgebrauch der Bibel wird von Schmeling dargestellt: Von Wundern berichtet die Bibel, die Parallelberichte je nur einmal mitgerechnet, rund an achtzig Stellen. Die Bezeichnungen dafür sind verschieden71.

Im folgenden werden mehrere hebräische und griechische Wörter nacheinander aufgezählt und durch verschiedene Textstellen der Bibel belegt. Man erhält den Eindruck, daß der Wunderbegriff nach Schmeling als eine logische Disjunktion der verschiedenen Konnotationen der verschiedenen 71 72 73 74

Schmeling, Siehe oben Schmeling, Schmeling,

86

1109. S. 61. 1109. 1057.

Wörter aufzufassen ist, besonders da diese Wörter nach Schmeling für untereinander sehr verschiedene Erscheinungen verwendet werden und zwar im Rahmen dessen, was nach Schmeling anscheinend unter den biblischen Wunderbegriff fällt. Die Sprachgebrauchsbeschreibung Schmelings hinsichtlich zweier hebräischer Wörter, „oth" und „peleh", läßt die Konnotationen dieser Wörter auch in solchen möglichen Fällen zutreffen, in denen der Wunderbegriff nach Schmeling nicht zutreffen würde. Nach Schmeling kann oth auch „Feldzeichen, Bundesweisen" und peleh „empörende Lästerungen" bedeuten. Ihre Bedeutung im Rahmen des Wunderbegriffs wird folgendermaßen dargestellt: oth von aoah bezeichnen dürfte mehr ein Zeichen, nach welchem wir uns im Handeln zu richten haben, b e d e u t e n . . . Pelek von palah absondern bezeichnet das Außerordentliche einer Tatsache, wird daher sowohl von den Wundern der Schöpfung, als auch von denjenigen in der Geschicht-Israels . . . gebraucht'4.

Ein anderes Beispiel, das sich auch auf die Bibel und auf den deutschen Sprachgebrauch bezieht, findet sich bei Titius: Im Gegenteil halte ich es für dringend geboten, für den Wundergedanken einzutreten - nicht im Gegensatze zur Gesetzmäßigkeit des Geschehens, sondern zur Ergänzung dieses Gedankens. A m Wunder in diesem Sinne festzuhalten, ist dadurch gerechtfertigt, daß wir so nur den biblischen Sprachgebrauch herstellen. Nirgends bedeutet in der Schrift „Wunder" eine Durchbrechung oder gar Aufhebung der Naturgesetze, sondern zunächst, was auch unser deutsches Wort ins Auge faßt, das Verwunderliche, Auffallende, Außerordentliche. Dazu kommt, wie besonders deutlich der griechische Ausdruck (saemeion=Zeichen] hervorhebt, daß das Wunder auf Gott hinweist, zu zeigen bezweckt, daß seine Hand im Spiele ist. So ist Wunder der religiöse Name für jede außerordentliche Begebenheit' 5 .

In dem Zitierten werden die Bibel und der deutsche Sprachgebrauch als Quellen gewählt. Unter den biblischen Wörtern für 'Wunder' wird allerdings nur „saemeion" ausdrücklich genannt - von den anderen ist nur durch indirekte Umschreibung die Rede. Doch hat Titius hier sicher an bestimmte Wörter gedacht. Der Sinn der intendierten und erwähnten Wörter wird angegeben. Dadurch finden sich hier wenigstens implizite die drei ersten Momente einer sprachgebrauchsbezogenen Begriffsbildung wieder'6. Titius, Religion und Naturwissenschaft. Eine Antwort an Professor Ladenburg, 90 f . Eine Begriffsbestimmung wird an einer unten zitierten Stelle angedeutet. Siehe unten S. 265. Dort wird eine hinreichende Bedingung f ü r den Wunderbegriff aufgestellt. Eine regelrechte Definition müßte allerdings eine sowohl hinreichende wie notwendige Bedingung für den definierten Begriff aufstellen. Siehe unten S. 119. Übrigens ist der Zusammenhang zwischen dieser Andeutung einer Begriffsbestimmung und den vorher formulierten Adäquatheitsbedingungen auch vage und unbestimmt. 75

76

87

В. Begriffsbildung mit Bezug auf Begriffe in anderen Quellen unabhängig von den Worten, die die Quellen als Bezeichnung der Begriffe verwenden In einem Typus von Begriffsbildung wird der Begriff "Wunder' [oder ev. eine Teilbestimmung in dem Begriff 'Wunder') als ein Begriff oder Vorstellungsinhalt in einer anderen Quelle oder bei einem anderen Verfasser hingestellt ohne Bezugnahme auf die Wahl der sprachlichen Bezeichnung dieses Begriffs in der betreffenden Quelle oder bei dem betreffenden Verfasser. Dieser Typus von Begriffsbildung involviert Sätze über Begriffe in anderen Quellen oder bei anderen Verfassern. Jeder Satz über einen Begriff in einer anderen Quelle impliziert den Satz, daß der betreffende Begriff in der betreffenden Quelle vorliegt. Und ein Satz, daß ein Begriff in einer Quelle vorhanden ist, impliziert wiederum, daß der betreffende Begriff von Worten und sprachlichen Ausdrücken konnotiert ist, ohne daß damit die Antwort auf die Frage impliziert wäre, welche diese Worte und sprachlichen Ausdrücke nun sind. In einer Begriffsbildung dieses Typus werden wir vier Momente, die explizite oder implizite darin enthalten sind, getrennt darstellen. Mom. ι. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl der Quelle, des Verfassers, der Gruppe von Verfassern ausdrücken, bei denen der Begriffsbildner den Wunderbegriff belegen will. Ein Beispiel einer solchen Wahl würde dann vorliegen, wenn ein Verfasser das Vorkommen des zu bestimmenden Begriffs in der Bibel als Adäquatheitsbedingung aufstellen würde. Mom. 2. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl eines Begriffs in der gewählten Quelle oder bei dem gewählten Verfasser ausdrücken, und zwar derart, daß der Begriffsbildner diesen Begriff oder eine Präzisierung dieses Begriffs als Inhalt oder Teilinhalt seines Wunderbegriffs hinstellen will. Es kann sich um eine Wahl eines partiellen oder eines totalen Wunderbegriffs handeln; es kann sich um Teilbestimmungen oder Totalbestimmungen des Wunderbegriffs handeln1. Das, was als Konnotation oder Teilkonnotation des Wortes „Wunder" gewählt wird, ist ein Begriff oder die Präzisierung eines Begriffs, der in einer anderen Quelle vorkommt, abgesehen davon, ob die Quelle für diesen Begriff eine bestimmte Wortanwendung hat. Die betreffende Wahl ist also unabhängig von der Wort1

Über partikulare und totale Wunderbegriffe siehe unten S. 129 f f . Über Totalbestim-

mung, Teilbestimmung und Teilinhalt eines Wunderbegriffs siehe unten S. 1 2 5 f . Über vage Begriffe und Präzisierungen von Begriffen siehe unten S. 139 f f .

88

anwendung der Quelle für den gewählten Begriff. Adäquatheitsbedingungen des Mom. 2 haben manchmal den Charakter stipulativer Definitionen auf einer vorläufigen Präzisionsstufe. Es kann auch wahre oder falsche Sätze über den Wunderbegriff in einer Quelle geben, die einen entsprechenden Inhalt haben wie stipulative Adäquatheitsbedingungen des Mom. 2 und die nicht in eine Begriffsbildung hineingehören. Sätze und Behauptungen dieser Art setzen den Inhalt des Wunderbegriffs als durch andere Rücksichten bestimmt und gegeben voraus, oder sie erörtern von dem Verfasser abgelehnte Wunderbegriffe, wobei das Wort „Wunder" im Anschluß an einen früheren Sprachgebrauch verwendet wird. Mom. 2 ist abhängig, aber nicht hinreichend determiniert von Mom. 1 zusammen mit einem Hilfssatz, der besagt, daß der betreffende Begriff de facto in der Quelle vorkommt. Der Hilfssatz braucht nur vorausgesetzt, nicht explizite formuliert zu sein. Die Frage des Vorkommens eines Begriffs in einer Quelle ist in der Abhängigkeitsbeziehung des Mom. 2 von Mom. 1 als Teilfrage enthalten. Bei einer Wahl eines Begriffs in einer anderen Quelle als Konnotation oder Teilkonnotation des Wortes „Wunder" muß eine notwendige Bedingung erfüllt sein: der Begriff muß nach Ansicht des Begriffsbildners in der Quelle vorkommen, entweder verwendet oder explizite fixiert. Aber auch unter dieser Voraussetzung ist die Abhängigkeit des Mom. 2 von Mom. 1 nur unvollständig. Die Wahl des betreffenden Begriffs kann auch von anderen Adäquatheitsbedingungen abhängig sein, die nicht zu dem hier dargestellten Begriffsbildungstypus gehören. Diese anderen Adäquatheitsbedingungen sind in einem solchen Falle aber dem Mom. 1 dieses Begriffsbildungstypus beigeordnet und dienen dann als Regeln für Begriffswahl. Solche Regeln können z.B. epistemologischer Art sein oder die logischen Beziehungen des gewählten Begriffs zu anderen Begriffen betreffen2. Mom. 3. Analyse der Begriffe, die als Totalbestimmung oder Teilbestimmungen des Wunderbegriffs ausgewählt sind. Eine solche Analyse drückt sich in Hilfssätzen für die Begriffsbildung aus. Sie ist immer zugleich eine Analyse der betreffenden Quellen. Ob ein Satz über einen Begriff in einer anderen Quelle ein Hilfssatz in der Begriffsbildung ist oder nicht, läßt sich allein aus dem Inhalt oder aus der logischen Form des Satzes nicht entscheiden. Sätze über Begriffe in anderen Quellen, die nicht zu einer Begriffsbildung gehören, können entweder den Wunderbegriff als durch andere Rücksichten bestimmt voraussetzen, oder sie können 'Wunderbegriffe' in anderen Quellen erörtern, denen der Verfasser sich aber nicht als seinen 2

Solche Arten von Adäquatheitsbedingungen sind oben S. 33 f f . angeführt worden.

89

eigenen Wunderbegriffen anschließen will3. Solche Sätze außerhalb einer Begriffsbildung sind schon im Zusammenhang mit Mom. 2 oben erwähnt worden. Mom. 4. Stipulative intensionale Definitionen, die eine eigene Wahl desjenigen Begriffs oder einer Präzisierung desjenigen Begriffs ausdrücken, den die Analyse in Mom. 3 dargelegt hat, und zwar als Konnotation oder Teilkonnotation des Wortes „Wunder". Solche stipulativen Definitionen gehören einer höheren Präzisierungsstufe an als stipulative Definitionen des Mom. 2 oben. Stipulative Definitionen des Mom. 4 sind abhängig von Adäquatheitsbedingungen des Mom. 2, die einen Begriff in einer Quelle als Wunderbegriff auswählen, zusammen mit Hilfssätzen des Mom. 3, die den gewählten Begriff analysieren. Wenn der Begriff, der in Mom. 4 gewählt wird, genau derjenige ist, der in Mom. 3 als Resultat der Analyse hervortritt, so ist die Abhängigkeit des Mom. 4 von Mom. 2 und 3 zusammengenommen vollständig. Wenn der Begriffsbildner in Mom. 4 dagegen einen reicheren oder einen ärmeren oder einen präziseren Inhalt für seinen Wunderbegriff wählt als denjenigen, der in Mom. 3 in der Analyse hervortritt, so ist die stipulative Definition nicht hinreichend von den vorausgehenden Momenten determiniert. Eine unvollständige Abhängigkeit, eine nicht hinreichende Determination des Mom. 4 von Mom. 2 und 3 muß implizite schon in dem Inhalt des Mom. 2 vorgezeichnet sein: Wenn in Mom. 2 nur Teilinhalte für den Wunderbegriff aus einer Quelle ausgewählt werden, wird die Ergänzung dieser Teilinhalte zu dem ganzen Inhalt des Wunderbegriffs in Mom. 4 stets von Mom. 2 unabhängig bleiben. Umgekehrt: wenn in Mom. 2 bestimmt wird, daß der Wunderbegriff nur einen Teilinhalt eines gewählten Begriffs bilden soll, so ist die Antwort auf die Frage, welchen Teilinhalt er bilden soll, nicht durch Mom. 2 und 3 determiniert. Dasselbe gilt mutatis mutandis, wenn der Wunderbegriff eine Präzisierung des in Mom. 2 gewählten Begriffs darstellt. Aus dem folgenden Grunde ist es schwer, eine wirkliche Trennung zwischen Mom. 3 und den Momenten 2 oder 4 im Material vorzunehmen: Wenn nämlich die Wahl des Begriffs als Wunderbegriff unabhängig ist von der Wortwahl der Quelle, so ist die Wahl des Wortes „Wunder" für 3

Sätze über Begriffe in anderen Quellen, genauer gesagt in der Geschichte der Theologie, die nicht als Inhalt seines eigenen Wunderbegriffs gelten dürfen, finden sich z.B. bei F. Traub, 163 ff. Er will sich selbst nicht zwei von ihm erörterten Wunderbegriffen als solchen anschließen. Diese Wunderbegriffe, der 'rationale' und der 'religiöse' Wunderbegriff, werden also von ihm nicht als Wunderbegriffe vertreten oder akzeptiert. Die Sätze über die von Traub abgelehnten Wunderbegriffe sind kombiniert mit einer Kritik [obwohl auch mit einer Darlegung ihrer 'Stärken'). Der Kontext ist oben ausführlich angeführt und kommentiert worden. Siehe oben S. 34 f.

90

diesen Begriff von selten des Begriffsbildners in der Beschreibung und in der Analyse dieses Begriffs in Mom. 3 schon Ausdruck für eine freie, stipulative Wahl. Sätze über einen Begriff, die im übrigen wahr oder falsch sind, enthalten aber ein stipulatives Moment in der Wahl gerade des Wortes „Wunder" als Bezeichnung des betreffenden Begriffs4. Ohne dieses stipulative Moment aus Mom. 2 oder 4 gehören Sätze vom Typus des Mom. 3 gar nicht in den hier dargestellten Begriffsbildungstypus hinein. Ohne das stipulative Moment ist nämlich der Wunderbegriff auf Grund von Rücksichten anderer Art bestimmt, und die analysierenden Sätze haben dann keinen Platz in der Begriffsbildung dieses Begriffs5. Nach der grundsätzlichen Erörterung dieses Begriffsbildungstypus werden wir jetzt zu Beispielen aus dem Material übergehen. Die Wahl der Bibel als Quelle für den akzeptierten Wunderbegriff kann bei Thielicke belegt werden. Thielickes Begriffsbildung ist aber kein eindeutiges Beispiel für den hier dargestellten Typus6. Ein etwas eindeutigeres Beispiel für eine Begriffsbildung der hier erörterten Art liegt bei Keßler vor. Sie schreibt: Welches ist der letzte unverlierbare Inhalt des Wunderbegriffs? . . . die Frage nach der A r t der Verbindung von Gottes- und Wunderglauben ist darum die Frage nach dem letzten Inhalt des religiösen Wunderbegriffs 7 . Es besteht wirklich eine Inkonsequenz und Diskrepanz, wenn ein Verfasser das Wort „Wunder" für einen Begriff verwendet, den er als Wunderbegriff ablehnt. Die Inkonsequenz kann nur dann eliminiert werden, wenn der betreffende Verfasser in seiner von ihm selbst abgelehnten Verwendung des Wortes „Wunder" implizite eine Sprachgebrauchsbeschreibung macht. Diese Sprachgebrauchsbeschreibung braucht sich nicht nur 1

auf das deutsche Wort „Wunder" zu beziehen, sondern kann sich auch auf andere Wörter in anderen Sprachen beziehen, die der Verfasser mit dem Wort „Wunder" übersetzt. Im letzteren Falle ist jedoch diese Übersetzung mit dem Worte „Wunder" nicht in Konsequenz mit den Absichten, die der Verfasser sonst mit der Verwendung dieses Wortes hat und die zur Ablehnung der Konnotation des Wortes „Wunder" an der betreffenden Textstelle der Übersetzung als eines Wunderbegriffs führt, wenn in der Übersetzung nicht implizite eine Sprachgebrauchsbeschreibung auch des deutschen Wortes „Wunder" enthalten ist. V g l . oben S. 83, den Fall 2 b. Ähnliche Tatbestände bestehen im Zusammenhang mit einer sprachgebrauchsbezogenen Begriffsbildung. V g l . oben S. 82 f f . , die Fälle 2 a und b. ° Thielicke schließt sich anscheinend selbst dem dritten von ihm erörterten Wunderbegriff an. Bei ihm wird der „dritte Begriff des Wunders" als derjenige hingestellt, „wie ihn die Bibel verwendet . . . Das Wunder ist nämlich für biblisches Denken auf jeden Fall ein Geschehen von Gott her", und zwar in der 'objektiven' W e l t außerhalb des Bewußtseins des Beobachters. Thielicke, Der Glaube der Christenheit, 344. Thielickes Begriffsbildung bezieht sich aber auch auf Erzählungen in der Bibel und ist ausführlich im Zusammenhang eines Begriffsbildungstypus dieser A r t oben dargestellt worden. Siehe oben S. 62 f . 5

Keßler, Zur „modernen Wunderbeurteilung", 915. V g l . Über Offenbarung und Wunder, 2, 56: „Das religiöse Wunder ist göttliches Thun." Vgl. auch a.a.O., 74.

7

91

Der Ausdruck „letzte unverlierbare Inhalt" zeigt, daß die Verfasserin hier anscheinend von einem Wunderbegriff spricht, den sie selbst akzeptieren will. Eine Adäquatheitsbedingung für die Wahl des Begriffs tritt hier hervor: nämlich ein enger Zusammenhang zwischen Wunderbegriff und Gottesbegriff. Die Art der Beziehung wird aber nicht näher bestimmt. Ebenso deutlich wie diese Adäquatheitsbedingung tritt im folgenden die Forderung einer Übereinstimmung des Wunderbegriffs mit einem Begriff in bestimmten Quellen hervor. Als Repräsentanten für diese gewählten Quellen stellt Keßler zwei moderne Denker hin: Dennert und Harnack. Darüber schreibt Keßler: Ich meine nun: das, worin jene beiden so verschiedenen Richtungen angehörenden Männer übereinstimmen, bis in die Inkonsequenzen hinein, kann als maßgebend angesehen werden . . . für die Beantwortung der Frage nach dem letzten Inhalt des Wunderbegriffs oder nach der A r t der Verbindung von Gottesglauben und Wunderglauben im menschlichen Denken 8 .

Mit Dennert und Harnack als Repräsentanten wird eine große Gruppe von Quellen gewählt, die die ganze Religionsgeschichte umfaßt. Keßler wählt also einen solchen Begriff zum Inhalt ihres Wunderbegriffs, der einen gemeinsamen Inhalt in vielen Quellen bildet, einen Begriff, in dem diese Quellen Keßler zufolge miteinander übereinstimmen. Diese gewählten Quellen decken auch zeitlich ein sehr breites Register: sie umfassen moderne zeitgenössische Verfasser gerade verschiedener Richtungen sowohl wie die älteste Religionsgeschichte und erstrecken sich dabei über die gesamte Religionsgeschichte. Dabei dienen als Hilfssätze in der Begriffsbildung weitgehende Annahmen einer Übereinstimmung zwischen diesen so verschiedenartigen Quellen wenigstens in bezug auf einen Begriff. Die Konjunktion dieser Hilfssätze zusammengenommen bildet eine sehr weitgehende empirische Annahme, die also nicht als eine Stipulation angesehen werden kann. A m deutlichsten tritt sie in der folgenden Formulierung hervor: A n anderer Stelle [Religiöse Wirklichkeit. G ö t t i n g e n . . . 1903. Vergleichende Religionswissenschaft und Inspiration der heiligen Schrift. Ebenda 1905) habe ich darzutun versucht, daß der Wunderbegriff, der sich als der primäre im religiösen Denken eines Harnack und Dennert behauptet, sich auch in den von der vergleichenden Religionswissenschaft erschlossenen Beurkundungen primitiven religiösen Denkens findet und eben die Gleichheit aller religiösen Vorstellungen ausmacht 9 . Keßler, Zur „modernen Wunderbeurteilung", 916. Keßler bezieht sich auf diejenigen Arbeiten von Dennert und Harnack, die im Literaturverzeichnis, Abteilung A , unter diesen Namen angeführt sind. Im übrigen werden Dennert und Harnack in dieser Abhandlung nicht behandelt. " Keßler, a.a.O., 919. Die im Zitat erwähnten Arbeiten von Keßler finden sich mit vollständigen Angaben im Literaturverzeichnis, Abteilung A. In diesen Arbeiten findet sich keine Begriffsbildung des Wunderbegriffs. Nur der Inhalt der Hilfssätze in Keßlers hier 8

92

D e s schweren Problems, wie man solche weitgehenden empirischen Behauptungen verifizieren kann, ist sich die Verfasserin anscheinend bewußt. D o c h will sie sich diese A u f g a b e dadurch erleichtern, daß sie sich an das 'moderne' Denken hält und die Übereinstimmung der gewählten Quellen in bezug auf den Wunderbegriff einfach thetisch voraussetzt. Aber sollte den ihrer Natur nach sehr unsicheren Versuchen, sich mit Hilfe von allerlei Urkunden in das Denken der ältesten Zeiten zu versetzen, nicht gerade in unserm Fall ein Verfahren zur Kontrolle dienen können, das von der Annahme ausgeht, diejenige Verbindung von Gotteserkenntnis und Wunder, die sich noch in dem wunderscheuen... modernen Denken zu behaupten vermag, sei als die w a h r e . . . auch der springende Punkt, der Ursprung der ganzen im religiösen Wunder gegebenen Verbindung? Die damit angenommene letzte Gleichartigkeit alles menschlichen Denkens ist doch auch die Voraussetzung der rückwärtsschauenden geschichtlichen Betrachtungsweise10. D a s schon Zitierte könnte aber den Verdacht erwecken, daß eigentlich das 'moderne' zeitgenössische religiöse D e n k e n als für den Wunderbegriff ausschlaggebend aufgefaßt wird, und daß die älteren Quellen nur wegen ihrer Übereinstimmung mit den modernen Quellen als normierend für den Wunderbegriff hingestellt werden 1 1 . D o c h ist hier die Tatsache nicht z u übersehen, daß die Übereinstimmung der modernen Quellen mit den älteren religiösen Quellen als ein A r g u ment benutzt wird, u m den eigenen Anschluß an den betreffenden W u n derbegriff z u begründen und z u unterbauen. M a n könnte die Lage so auffassen, daß eine Menge Adäquatheitsbedingungen vorausgesetzt sind, entsprechend der Menge der gewählten Quellen, und daß es wegen empirischer Tatsachen problematisch ist, ob alle Adäquatheitsbedingungen zusammen von einer Definition erfüllt werden können, weil es eben problematisch ist, ob eine Übereinstimmung in bezug auf einen und denselben Begriff überhaupt zwischen allen gewählten Quellen besteht. W e n n alle Adäquatheitsbedingungen sich nicht mit einer Definition in Übereinstimmung befinden können, so muß notwendig eine Inkonsequenz in der betreffenden Begriffsbildung vorliegen, wenigstens in bezug auf bestimmte empirische Fakten. Grundsätzlich und generell gilt nämlich, daß die dargestellter Begriffsbildung ist in den erwähnten Arbeiten ausführlicher und mit Beispielen entwickelt. Doch wird in diesen Arbeiten keinerlei Bezug auf Dennert oder Harnack genommen. V g l . über das Wunder in den „Naturreligionen" auch Über O f f e n barung und Wunder, 50 f . 10 Keßler, Zur „modernen Wunderbeurteilung", 916. 1 1 Diese Vermutung wird durch das folgende Zitat bestätigt: „Wollte man skeptisch annehmen, die Verschiebungen in den Begriffsinhalten endeten schließlich damit, daß die Begriffe einen völlig neuen Inhalt erhielten, und die „ältesten Menschen" hätten unter der Gottheit etwas völlig Anderes verstanden als die modernen, dann hätte es für uns nicht mehr Sinn und Aussicht, nach dem Inhalt ihres Gottes- und Wunderbegriffs z u fragen als nach den Denkinhalten eines Wahnsinnigen." Keßler, a.a.O., 916.

93

Falschheit eines Hilfssatzes die Nicht-Übereinstimmung einer Definition mit einer Adäquatheitsbedingung (oder zweier Adäquatheitsbedingungen miteinander) zur Folge haben kann. Aber nun zurück zu dem weiteren Gedankengang Keßlers. Über die Art der Verbindung zwischen „Gotteserkenntnis und Wunderglaube" bei Dennert und Harnack, die ja für Keßlers eigenen Wunderbegriff maßgebend ist, heißt es zunächst: Diese Verbindung steht nicht in ausschließendem Widerspruch zu der Vorstellung vom unverbrüchlichen Naturzusammenhange, sonst würden Harnack und Dennert nicht Beides zugleich festhalten können. 3. Es muß ein Wunderbegriff unveräußerlichen Inhalts in Beider Denken verquickt sein mit einem Wunderbegriff, den ihr Denken ablehnt, sonst könnten Harnack und Dennert nicht in widerspruchsvoller Weise das Wunder zugleich festhalten und ableh12 nen .

Die zitierten Sätze enthalten in der Begriffsbildung sowohl analysierende Hilfssätze, und zwar über Begriffe bei zwei Verfassern, wie entsprechende Sätze über den von jenen abgelehnten Wunderbegriff. Der von jenen abgelehnte Wunderbegriff impliziert die Aufhebung eines allgemeinen Naturgesetzes, wenn er in einem Einzelfalle zutreffen würde. Dieser Begriff wird auch von Keßler als Wunderbegriff abgelehnt, und der oben im Zitat genannte „Wunderbegriff unveräußerlichen Inhalts" bei Dennert und Harnack ist Keßler zufolge der 'richtige' Wunderbegriff12. Darüber heißt es an einer anderen Stelle, daß es einen Wunderbegriff gibt, der dem kausalen Zusammenhange nicht widerspricht, und daß dieser Wunderbegriff den Urkunden und ddr lebendigen Bezeugung religiöser Erkenntnis weit besser entspricht als der Wunderbegriff, der sich mit der Überzeugung vom unverbrüchlichen Naturzusammenhang denkend nicht vereinigen läßt13.

Als normierende Quellen für den 'richtigen' Wunderbegriff werden auch in diesem Zitat „die Urkunden und die lebendige Bezeugung religiöser Erkenntnis" hingestellt. Dieser von Keßler akzeptierte Wunderbegriff erhält seinen Inhalt durch eine 'Verbindung zwischen Gotteserkenntnis und Wunderglaube', deren Art Keßler zufolge „jede christliche Predigt" bietet und die folgendermaßen charakterisiert wird: Für die Predigt sind alle biblischen Wunder nicht Ereignisse, die der Vergangenheit angehören . . . sondern unzeitliche Vorgänge, in denen an einem äußerlichen Geschehen bildlich ein innerlicher, in diesem Zusammentreffen als göttliches 12

Keßler, a.a.O., 918. Keßler, a.a.O., 920. Vgl. Über Offenbarung und Wunder, 54, wo derselbe Gedanke in der Bibel belegt wird. Vgl. a.a.O., 60 f . die Unterscheidung von „Kausalität" und „bildlicher Wirklichkeit" und die Behauptung einer Erkenntnis der „Freiheit" in „Parallelität" zum kausalen Erkennen. Vgl. ferner a.a.O., 59, 77, 90, über die 'Unvorstellbarkeit' des „göttlichen Thuns" und der Wunder als äußerer Naturvorgänge. 13

94

Tun erfaßter Vorgang ins Bewußtsein tritt; und dieses Ineinssetzen von äußerer Wahrnehmung und Gefühlsregung macht erst das Wesen des Glaubens aus, indem es das Gottesbewußtsein als Bewußtsein einer höheren geistigen Einheit von Ich und Welt mit sich f ü h r t . . . Nur so kommt man für die Vorstellung eines Eingreifens Gottes, die sich, wie Harnack sagt, immer wieder für das Wunder „aufdrängt", aber bloß „bildlich" zu verstehen ist, zu einem Inhalt, bei dem mit dem Schlußverfahren jeder logische Widerspruch zu dem wissenschaftlichen Erkennen f o r t f ä l l t . . . Dagegen ist in allen Fällen, gleichviel ob der Vorgang in engerem Sinne übernatürlich gedacht wird oder nicht, das Kennzeichen sowohl alles religiös Wunderbaren als aller Gotteserkenntnis die räum- und zeitlose Vergegenwärtigung jener Verbindung. Wir finden sie bei der Geburtsund bei der Auferstehungsgeschichte Jesu Christi als ein Geborenwerden, als ein Auferstehen Christi in uns, mit i h m 1 4 . . . D e r v o n Keßler akzeptierte Wunderbegriff w i r d in dem Zitierten andeutungsweise bestimmt. Zusammenfassend kann über diese Begriffsbildung Keßlers gesagt werden, daß sie von einem Begriff in bestimmten anderen Quellen ausgeht. M a n könnte aber in bezug auf die gewählten Quellen im allgemeinen die Frage stellen, w i e fest abgegrenzt und bestimmt sie sind. Diese Frage betrifft natürlich nicht die erwähnten Verfasser, sondern diejenigen Quellen, die von Keßler durch allgemeine Ausdrücke bezeichnet werden. Dafür, daß diese allgemeinen Ausdrücke bestimmte Quellen bezeichnen, spricht allerdings die empirisch-religionsgeschichtliche Orientierung in Keßlers Äußerungen. D o c h wird das Problem in bezug auf den 11 Keßler, Zur „modernen Wunderbeurteilung", 918 f. Vgl. 921: „Die religiös erbauliche Betrachtung hebt Raum- und Zeitschranken auf, indem sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinssetzt, und eben darauf beruht die innere Einheit der Schrift, wonach in derselben unzeitlichen Identitätserkenntnis die weissagenden Bilder und Gestalten der ersten Blätter mit denen der letzten, Adam mit Christus, ineinsgeschaut werden." Vgl. die von Keßler selbst erwähnten Arbeiten. Siehe oben S. 92, auch Anm. 9. Vgl. auch Über Offenbarung und Wunder, 49 f., 56, 62 f., 66, 68, 78 f., 82 f., 92 f . Besonders an diesen Stellen finden sich in ausführlicherer Form Gedanken desselben Inhalts wie in dem oben Zitierten, doch ohne dort eine analoge Stellung in Keßlers Begriffsbildung des Wunderbegriffs einzunehmen. Für inhaltlich gesehen denselben Wunderbegriff werden in dieser Arbeit teilweise andere Adäquatheitsbedingungen angeführt; über die schon gegebene Begriffsbestimmung („des biblischen Wunders") heißt es dort: „Ihre Rechtfertigung besteht in den Vorzügen, daß damit der Begriff biblisch einheitlich geworden und logisch unanfechtbar, aber nicht rationalistisch kraft- und bedeutungslos, vielmehr unauflöslich verbunden mit dem lebendigen Glaubensbewußtsein . . . Vor allem ist er so aus der Beschränkung auf eine ferne Vergangenheit der schriftgemäßen Allgegenwärtigkeit zurückgewonnen, und das in völliger Übereinstimmung mit der praktischen Anwendung der biblischen Wunder in Predigt und sonstigem Glaubenszeugnis. Endlich hat die hier vertretene Begriffsbestimmung den Vorzug, enge förderliche Verbindung mit andern religiösen Begriffen einzugehen." [a.a.O., 72). Verschiedene Begriffsbildungstypen sind von diesen Adäquatheitsbedingungen vertreten. Als Quellen für den Wunderbegriff werden hier die Bibel, die Predigt und das „sonstige Glaubenszeugnis" gewählt. Logische und extensionale (hier zeitbezogene) Eigenschaften des Begriffs werden außerdem angeführt zusammen mit Beziehungen des Begriffs zu „andern religiösen Begriffen".

95

Ausdruck „die Urkunden und die lebendige Bezeugung religiöser Erkenntnis" insofern besonders brennend, als es sich fragt, ob dieser Ausdruck einen fest umrissenen Umfang hat15. Dieser Ausdruck bezieht sich vielleicht nicht auf bestimmte Quellen, sondern hat vielleicht einen sehr unbestimmten Umfang ohne feste Grenzen. Die problematischen Wörter in diesem Ausdruck sind die beiden Adjektive „lebendig" und „religiös". Oft drücken solche Wörter Werteinschätzungen aus; oft auch haben sie eine überredende Funktion". Allgemeine vage Ausdrücke der erwähnten Art werden uns im nächsten Abschnitt begegnen, und zwar in Schlüsselstellungen für die Begriffsbildung. Der erwähnte Ausdruck Keßlers könnte vielleicht auch als ein Beispiel für den Begriffsbildungstypus verwendet werden, der im nächsten Abschnitt dargestellt wird. C. 'Die Frömmigkeit', 'die religiöse Erfahrung', 'die christliche Offenbarung' und ähnliche eoctensional unbestimmte Startpunkte der Begriffsbildung In einem Typus von Begriffsbildung wird der Begriff "Wunder' (oder ev. ein Bestimmungselement im Wunderbegriff] als ein Gedankeninhalt bei einem Glaubens- oder Gedankensubjekt hingestellt, das einen allgemeineren und unbestimmteren Charakter trägt, so wie 'der religiöse Glaube', 'die Frömmigkeit', 'die christliche Religion', 'die Offenbarung' und ähnliche Größen. Der Begriff, der in einer Begriffsbildung dieser Art als Inhalt oder Teilinhalt des Wunderbegriffs gewählt wird, ist dem Begriffsbildner zufolge Objekt oder ein objektiver Inhalt für das Bewußtsein des von ihm gewählten Gedankensubjekts. Ausdrücke wie „der Fromme", „das religiöse Bewußtsein" und ähnliche bezeichnen nicht eine bestimmte andere Quelle oder einen bestimmten Verfasser. Derartige Ausdrücke weisen auch nicht auf bestimmte abgegrenzte Gruppen von Quellen oder Verfassern hin. Der Hauptunterschied zwischen dem Typus von Begriffsbildung, der von einem allgemeineren und unbestimmteren Gedankensubjekt ausgeht, und demjenigen Typus, der von Begriffen in anderen Quellen oder bei anderen Verfassern ausgeht, betrifft eben die Art und die logische Stellung des Glaubens- oder Gedankensubjekts bzw. des Aussagesubjekts. Wenn es sich um Begriffe in einer anderen Quelle oder bei einem anderen Verfasser handelt, so ist die Quelle bzw. der Verfasser dem Begriffsbildner zufolge eine extensional bestimmte, fixierte, in der Wirklichkeit gegebene Größe und insofern ein fester Ausgangspunkt für die Begriffsbildung. Solche fest bestimmten 15

Keßler, Zur „modernen Wunderbeurteilung", 920. Siehe oben S. 94.

16

Über Wörter als Ausdruck von Werteinschätzungen und als Mittel zur Überredung,

siehe oben S. 47 f.

96

Größen sind z.B. das Neue Testament und Luther. Ganz anders verhält es sich bei den erwähnten allgemeineren Gedankensubjekten: „Der religiöse Glaube", „der Fromme" und ähnliche Ausdrücke bezeichnen keine in der Wirklichkeit gegebenen Größen, sondern sie sind mehr oder weniger vage, unbestimmte und mehrdeutige Bezeichnungen für irgendwelche Begriffe, so wie das Wort „Wunder" selbst. Bei einer Begriffsbildung der entsprechenden Art handelt es sich eher um eine Relation zwischen dem Wunderbegriff und einem solchen Begriff wie 'religiöser Glaube', 'Frömmigkeit' oder dgl., wobei die letzteren Begriffe streng genommen es genau so nötig hätten, genauer präzisiert und bestimmt zu werden, wie der Wunderbegriff. Die sog. allgemeineren und unbestimmteren Gedankensubjekte, von denen hier die Rede ist, sind also Allgemeinbegriffe, die Quellen oder Personen qualifizieren können, entweder direkt als Bestimmungen von Quellen oder Personen oder so, daß sie auf Bewußtseinserscheinungen oder auf Gedankeninhalte als Exemplare zutreffen können, wobei diese Bewußtseinserscheinungen oder Gedankeninhalte von einer Quelle ausgedrückt oder bezeichnet sein können oder bei einer Person vorliegen können. Auch wenn diese Begriffe als Bestimmungen von Quellen oder Personen dienen, enthalten sie eine Bezugnahme auf Bewußtseinserscheinungen einer bestimmten Qualität oder auf Gedankeninhalte. Eine Bezugnahme auf solche Gedankensubjekte wie 'der Glaube', 'die religiöse Erfahrung' und 'das religiöse Bewußtsein' ist oft schwer zu unterscheiden von der Aufstellung solcher Adäquatheitsbedingungen, die sich auf die epistemologischen Eigenschaften des zu bestimmenden Begriffs oder auf seine logischen Beziehungen zu anderen Begriffen beziehen17. Der hier erörterte Typus von Begriffsbildung ist eigentlich als ein sehr komplizierter Spezialfall einer solchen anzusehen, die in epistemologischen Eigenschaften und logischen Beziehungen des Wunderbegriffs zu anderen Begriffen ihren Ausgangspunkt nimmt. Die abstrakte und komplizierte Art dieses Begriffsbildungstypus macht es zweckmäßig, zuerst einen größeren typischen Kontext aus dem Material als Beispiel anzuführen, ehe die verschiedenen Momente dieses Begriffsbildungstypus in abstracto dargestellt werden. Als das beste und vielseitigste Beispiel des hier erörterten Begriffsbildungstypus führen wir Gedankengänge bei Stange an, dessen Begriffsbildung als paradigmatisch für diesen Begriffsbildungstypus angesehen werden kann. Als Ausgangspunkt für die Begriffsbildung wird zunächst 'das religiöse Bewußtsein', 'die religiöse Überzeugung' gewählt: 17

Solche Adäquatheitsbedingungen sind oben in Kap. ι В dargestellt. Siehe besonders

F. Traub, 1 6 5 , oben S. 3 5 f., und Wendland, in demselben Abschnitt, S. 3 7 . 7 - 566-3501

97

Eine befriedigende Lösung des Wunderproblems wird man nur dann gewinnen können, wenn man von der Analyse des religiösen Bewußtseins a u s g e h t . . . Der Begriff des Wunders hat nur unter der Voraussetzung der Religion einen Sinn und gründet sich auf bestimmte Tatsachen des religiösen L e b e n s . . . Die Überzeugung von der Wirklichkeit des Wunders ist vielmehr ein Moment der religiösen Überzeugung 18 .

A n einer anderen Stelle wird 'das religiöse Bewußtsein' als Gedankensubjekt eingeschränkt und spezifiziert zu dem 'spezifisch christlichen Glauben', der natürlich einen engeren Ausgangspunkt für die Begriffsbildung bildet als 'das religiöse Bewußtsein': Bei Seeberg findet allerdings insofern ein wichtiger Fortschritt statt, als er sich von vornherein darüber klar ist, daß es sich nicht um irgend ein beliebiges religiöses Bewußtsein handelt, daß es vielmehr der spezifisch christliche Glaube ist, von dem aus das Verständnis für das Wunder zu gewinnen ist18.

Der engere, 'spezifisch christliche' Ausgangspunkt der Begriffsbildung wird als ein „Fortschritt" positiv bewertet. Doch weist Stange an einer anderen Stelle in eine entgegengesetzte Richtung, wenn er sowohl von einem 'heidnischen' wie von einem 'biblischen' Wunderbegriff redet20. Man könnte vielleicht die beiden einander anscheinend widersprechenden Stellen so deuten, daß wir hier einen von Stange erörterten Wunderbegriff, nämlich den 'heidnischen' einerseits, und andererseits einen von Stange akzeptierten Wunderbegriff, nämlich den 'biblischen', vor uns haben. Daß Stange das Wort „Wunder" auch für den nur erörterten und nicht akzeptierten Wunderbegriff verwendet, könnte seinen Grund in einer Rücksichtnahme auf einen geläufigen Sprachgebrauch haben. Allerdings weicht dann die eigene Verwendung des Wortes „Wunder" von dem von Stange selbst akzeptierten Wunderbegriff ab. Dies spricht dafür, daß Stange vielmehr mit zwei Wunderbegriffen als solchen rechnet, die beide auf 'religiöses Bewußtsein' und 'religiöse Überzeugung' als Ausgangspunkt für ihre Begriffsbildung bezogen sind, während nur der 'biblische' Wunderbegriff 'den spezifisch christlichen Glauben' als Ausgangspunkt für seine Begriffsbildung hat. Dabei würde Stange dem 'biblischen' und 'christlichen' Wunderbegriff insofern eine größere Bedeutung beimessen, als nur dieser Wunderbegriff Stange zufolge in der Wirklichkeit zutrifft. Auch in diesem ит/angsbezogenen Sinne läßt sich ja von dem 'richtigen' „Verständnis für das Wunder" sprechen21. Aber auch für den Wunderbegriff im allgemeinen, der anscheinend für 18 Stange, Naturgesetz und Wunderglaube, 57. Vgl. 84; Wendland, Der Wunderglaube im Christentum, 114, 133. " Stange, a.a.O., 58. 20 Stange, a.a.O., 12. Stange spricht dort von dem „Unterschied, welcher zwischen dem heidnischen und dem biblischen Wunderbegriff besteht". 21 Vgl. Stange, a.a.O., 58, oben zitiert.

98

sowohl die 'biblische' wie für die 'heidnische' Religion einen gemeinsamen Nenner bildet, ist 'das religiöse Bewußtsein' und 'das religiöse Erleben' nicht der einzige Ausgangspunkt der Begriffsbildung. Dieser Ausgangspunkt würde Stange zufolge nicht genügen: W i r haben es beim Wunder nicht mit dem Tatbestand des religiösen Erlebens überhaupt, sondern mit einem ganz bestimmten Tatbestand auf dem Gebiet des religiösen Erlebens zu tun. Darin nämlich besteht die Eigentümlichkeit des Wunderproblems, daß uns im Wunderglauben eine Aussage des religiösen Bewußtseins entgegentritt, welche zugleich für den Zusammenhang unseres empirischen Bewußtseins sich als bedeutungsvoll e r w e i s t . . . W e n n es bloß darauf ankommen soll, die Eigenart des religiösen Erlebens im Unterschied von dem empirischen Bewußtsein festzustellen, so müssen notwendiger Weise diejenigen Momente am Wunderbegriff ignoriert werden, in denen derselbe sich als ein für beide Sphären des Bewußtseins in Betracht kommender Begriff erweist 22 .

Auch das 'empirische Bewußtsein' und seine Beziehung zum 'religiösen' Bewußtsein ist von Bedeutung für die Begriffsbildung. Ein ähnlicher Gedanke wird so formuliert, daß das Verständnis des Wunders nur dann gewonnen werden kann, wenn nicht bloß die Eigenart des religiösen Erlebnisses überhaupt festgestellt wird, sondern zugleich auch auf die Konsequenzen Rücksicht genommen wird, welche sich aus dem Wunderglauben für die Beurteilung des natürlichen Geschehens in der W e l t ι 23 ergeben .

Hier tritt eine Adäquatheitsbedingung hervor, die eine logische Beziehung zwischen dem Wunderbegriff und dem Begriff 'des natürlichen Geschehens in der Welt' aufstellt. Diese könnte aber eine Konjunktion zweier Aussagen enthalten, und zwar durch zwei verschiedene Bedeutungen des Ausdrucks „die Beurteilung des natürlichen Geschehens in der Welt". Dieser Ausdruck kann einerseits sich lediglich auf das oben genannte 'empirische Bewußtsein' überhaupt beziehen. Andererseits kann in diesem Ausdruck der Teilausdruck „des natürlichen Geschehens in der Welt" das äußere, physische Geschehen im Gegensatz zu dem innerpsychischen Geschehen bei einem individuellen Subjekt des 'religiösen Bewußtseins' bezeichnen. Hiermit ist eine neue Adäquatheitsbedingung angedeutet, wonach der Wunderbegriff auf physische Ereignisse und nicht (nur?] auf psychische Ereignisse zutreffen können soll, soweit es die logische, auf dem Inhalt des Begriffs begründete Möglichkeit betrifft. Dieser Adäquatheitsbedingung zufolge lehnt Stange ausdrücklich den Gedanken ab, „als ob es sich auch beim Wunder lediglich um einen Vorgang in der Sphäre der menschlichen Subjektivität handle"24. Der genauere Stange, a.a.O., 62 f. Vgl. oben Kap. 1 B, die epistemologischen Adäquatheitsbedingungen bei Wendland und Jelke, S. 37 f f . 23 Stange, a.a.O., 83. Vgl. 63. 21 Stange, a.a.O., 84. 22

99

Inhalt dieser Adäquatheitsbedingung tritt in den folgenden Worten hervor: Bei dem objektiven Charakter des Wunders handelt es sich . . . um die Frage, ob die Ereignisse, die der Wunderglaube erlebt, lediglich in der Sphäre des subjektiven Erlebens sich abspielen oder aber ob sie auch in den Zusammenhang des objektiven Weltgeschehens sich einfügen, resp. wie das möglich ist. In dem Begriff des Wunders liegt unter allen Umständen eine Beziehung auf den Begriff der Natur und diese Beziehung auf den Naturbegriff muß notwendiger Weise verdunkelt werden, wenn man bei der Erklärung des Wunders lediglich von dem subjektiven Erlebnis ausgeht25.

Die logische Beziehung des Wunderbegriffs zum Naturbegriff ist in dieser Adäquatheitsbedingung enthalten. Dabei ist es nicht ganz klar, ob der Wunderbegriff nur auf äußere Erscheinungen der physischen Natur Anwendung haben soll, oder ob er sowohl auf äußere wie auf innerpsychische Erscheinungen Anwendung haben kann28. Diese Unklarheit beruht darauf, daß die Art der logischen Beziehung zum Naturbegriff nicht näher bestimmt wird, und daß sowohl der Umfang des Begriffs 'natürliches Geschehen in der Welt' in dieser Beziehung unklar ist wie der Begriff 'empirisches Bewußtsein' in bezug auf den Umfang der Klasse aller seiner möglichen Objekte. Soviel ist aber sicher, daß Stange zufolge die Art der logischen Beziehung zwischen Wunderbegriff und Naturbegriff bei verschiedenen Arten von Wundern jeweils verschieden ist: Das Verhältnis, in dem der Wunderbegriff zum Naturbegriff steht, kann von ganz entgegengesetzter Art sein. Daraus geht in unwiderleglicher Weise hervor, daß es keine genügende Bestimmung des Wunderbegriffs sein kann, wenn lediglich auf sein Verhältnis zum Naturbegriff reflektiert wird. Ob aber das Verhältnis des Wunderbegriffs zum Naturbegriff in dieser wie in jener Weise sich gestaltet, das ist durch die Beschaffenheit des Gottesbegriffs bedingt. Infolgedessen wird man zu der Annahme berechtigt sein, daß der Schlüssel für das Verständnis des Wunderbegriffs irgendwie im Gottesbegriff gegeben sein muß".

Die Schlußfolgerung ist hier die, daß die Beziehung zum Naturbegriff den Inhalt des Wunderbegriffs nicht erschöpfen kann. Deshalb tritt eine neue Adäquatheitsbedingung hervor, die eine logische Beziehung des Wunderbegriffs zum Gottesbegriff als entscheidend für den Wunderbegriff hinstellt. Die genauere Art dieser Beziehung tritt dann hervor, wenn sie mit der Beziehung des Wunderbegriffs zum Begriff 'des [natürlichen) Geschehens Stange, a.a.O., 64. Vgl. 63; Wendland, a.a.O., 7, 114. Vgl. Stange, a.a.O., 105: „Aber weil es sich dabei um Vorgänge unseres inneren Lebens handelt, so wollen wir von diesen Wundern der Bekehrung absehen. Dagegen haben wir es mit Vorgängen auf dem Gebiet des äußeren Geschehens zu tun, wenn es sich um die Wunder der Gebets erhörung handelt." 27 Stange, a.a.O., 19 f. 85

28

IOO

in der Welt' zu einer neuen logischen Beziehung des Wunderbegriffs z u dem komplexeren Begriff 'Verhältnis des göttlichen Wirkens zum Weltgeschehen' zusammengefügt wird. Der Wunderbegriff soll ein Verhältnis des göttlichen Wirkens zum Weltgeschehen enthalten28 oder - wie es in der Begriffsbestimmung selbst angedeutet wird - ein Weltgeschehen im Verhältnis zum göttlichen Wirken bestimmen. Hiermit sind wir bei der untergeordneten Adäquatheitsbedingung angelangt, von der aus die Bestimmung des Wunderbegriffs direkt ihren Ausgangspunkt nehmen kann. Der Kontext der Begriffsbestimmung fängt mit einem Hilfssatz an: Es ist nicht die Kategorie der Ursache, die dem religiösen Bewußtsein das V e r hältnis Gottes zur W e l t verständlich macht; es ist vielmehr der Begriff des Willens, den wir auf das Verhältnis Gottes zur W e l t anwenden 29 .

Hier wird der Begriff 'Verhältnis Gottes ( c l e s göttlichen Wirkens) zur Welt (zum Weltgeschehen)' im Verhältnis zum Begriff des 'religiösen Bewußtseins' als eines Gedankensubjekts näher bestimmt. Die Begriffsbestimmung selbst ist von dieser Analyse abhängig und schließt sich unmittelbar dem Hilfssatz an: Indem wir die Begriffe der Schöpfung und der Vorsehung mit dem Begriff des Wunders in Verbindung bringen, haben wir es mit dem Gedanken zu tun, daß das Sein der W e l t und das Geschehen in ihr eine Offenbarung des göttlichen Willens ist. Und damit ist dann zugleich auch f ü r den Begriff des Wunders eine rein religiöse Orientierung g e w o n n e n . . . Das konstitutive Merkmal f ü r den Wunderbegriff besteht vielmehr darin, daß wir es mit einer Betätigung des göttlichen Willens zu tun haben 29 .

Die Bestimmung gilt dem „Wunder im allgemeinen" und bezieht sich also auf den totalen Wunderbegriff 30 . Die Definition erfüllt Stange zufolge anscheinend die übergeordnete Bedingung, wonach der Wunderbegriff Gegenstand des 'religiösen Bewußtseins' sein soll: „eine rein religiöse Orientierung" ist ja mit dieser Bestimmung für den Wunderbegriff gewonnen. Zuletzt sollen nur noch Stanges Adäquatheitsbedingungen für den totalen Wunderbegriff zusammengefaßt werden: i . Adäquatheitsbedingungen, die sich auf das Gedankensubjekt

des W u n -

28 Vgl. Stange, a.a.O., 85: „Nun soll aber in beiden Fällen der Begriff des Wunders zum Ausdruck bringen, daß es sich beide Male um ein bestimmtes Verhältnis des göttlichen Wirkens zum Weltgeschehen handelt." Die „beiden Fälle" sind zwei untergeordnete Gattungen von Wundern: einerseits die 'Wunder der Schöpfung' und der 'Vorsehung' und andererseits die 'Wunder der Gebetserhörung' und der 'Heilsgeschichte'. 29 Stange, a.a.O., 87. 30 Vgl. Stange, a.a.O., 15: „Zu einer methodisch einwandfreien Bestimmung des Wunderbegriffs wird man vielmehr nur dann gelangen können, wenn man imstande ist, ein für alle Arten des Wunders geltendes Merkmal nachzuweisen."

101

derbegriffs beziehen: auf das 'religiöse Bewußtsein, Erleben', auf die 'religiöse Erfahrung' und auf das 'empirische Bewußtsein'. 2. Eine, die sich auf die Kategorien der Objekte bezieht, auf die der Wunderbegriff zutreffen kann: nicht [nur] auf innerpsychische Erscheinungen, sondern fauch] auf physische Erscheinungen der Außenwelt. Es fragt sich, ob diese Adäquatheitsbedingung derjenigen der Gruppe ι untergeordnet ist, die sich auf das 'empirische Bewußtsein' bezieht. 3. Solche, die sich auf logische Beziehungen zu anderen Begriffen [außer den Gedankensubjekten in Gruppe 1) beziehen: zu den Begriffen 'das natürliche Weltgeschehen', 'Natur' und 'Gott'. Die logische Beziehung des totalen Wunderbegriffs zum Naturbegriff ist eine Disjunktion mehrerer alternativer logischer Beziehungen, von denen jede jeweils nur für eine Art von Wundern gilt. Diese Adäquatheitsbedingungen sind jeweils Adäquatheitsbedingungen der Gruppe 1 untergeordnet. Diesen Adäquatheitsbedingungen der Gruppe 3 ist dann wiederum diejenige untergeordnet, die sich auf den Begriff 'Verhältnis des göttlichen Wirkens zum Weltgeschehen' bezieht. Die Zusammenfassung von Stanges Adäquatheitsbedingungen kann als Anleitung dienen für die Analyse des hier erörterten Begriffsbildungstypus und für seine Zerlegung in Teilmomente. Zuerst werden aber nur noch einige Probleme in bezug auf die Adäquatheitsbedingung der Gruppe 2 bei Stange erörtert. Erstens kann die Feststellung gemacht werden, daß die Gruppe 2 eine sachgemäße, integrierende Stellung innerhalb des hier erörterten Begriffsbildungstypus nur dann einnehmen kann, wenn die Gruppe 2 mindestens einer der Adäquatheitsbedingungen der Gruppe 1 untergeordnet ist. Wenn das nicht der Fall ist, hat Stange diesen Begriffsbildungstypus mit einer Adäquatheitsbedingung anderer Art kombiniert. Zweitens läßt sich Gruppe 2 sicher so deuten, daß sie sich auf irgendwelche logischen Beziehungen des Wunderbegriffs zu einem anderen Begriff bezieht, der vielleicht sogar als eine notwendige logische Bedingung für den Wunderbegriff aufgefaßt werden könnte. (Ein Wunder muß Stange zufolge notwendig eine physische Erscheinung der Außenwelt sein?) Gruppe 2 wäre in dieser Hinsicht der Gruppe 3 bei Stange grundsätzlich ähnlich. Eine Regel wie diejenige in Gruppe 2 kann auch in anderen Typen von Begriffsbildungen vorkommen, und zwar als Regel für Umfangswahl, für Wahl von Wörtern oder für Wahl von Erzählungen. Nach diesen Überlegungen können wir jetzt die Momente desjenigen Begriffsbildungstypus darstellen, der von allgemeinen, unbestimmteren Gedankensubjekten ausgeht. In einer Begriffsbildung dieser Art werden wir 4 Momente getrennt darstellen. 102

Mom. ι. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl eines allgemeinen, unbestimmten Gedankensubjekts ausdrücken, das man zum Ausgangspunkt für die Bestimmung des Wunderbegriffs wählen will. In einer solchen Adäquatheitsbedingung kann z.B. 'der Fromme' oder 'der religiöse Glaube' oder dgl. als der Bezugspunkt hingestellt werden, von dem aus man den Wundeibegriff normieren, oder bei dem man ihn belegen will. In groben Umrissen hat eine solche Adäquatheitsbedingung die Form: 'Der Wunderbegriff soll Gegenstand des Bewußtseins des Frommen, (bzw. des religiösen Glaubens oder dgl.] sein'. Adäquatheitsbedingungen dieser Art finden sich in der Gruppe ι in der Zusammenfassung von Stanges Adäquatheitsbedingungen oben. Eine Adäquatheitsbedingung dieser Art scheint bei Herrmann vorausgesetzt zu sein. Die „Vorstellung vom Wunder" ist anscheinend nach Herrmann richtig nur dann, wenn darin „die in der Bibel herrschende Religion" sich ausspricht. Es genügt nicht, daß der Begriff in der Bibel vorkommt, denn in der Bibel gibt es Herrmann zufolge auch andere, nichtreligiöse Vorstellungen, die nicht normierend für den Wunderbegriff sein können". Dieser Gedankengang ist ein Beispiel für eine Kombination und Beiordnung zweier Größen als Ausgangspunkt für die Bestimmung des Wunderbegriffs. Eine bestimmte Quelle, die Bibel, wird zusammen mit einem unbestimmteren Gedankensubjekt, der 'Religion', zu einem solchen Ausgangspunkt gewählt. Diese Wahl drückt sich in einer wenigstens vorausgesetzten Adäquatheitsbedingung aus, die als eine logische Konjunktion zweier Adäquatheitsbedingungen analysiert werden kann. Das eine Glied der Konjunktion bezieht sich auf die Bibel, und das andere Glied bezieht sich auf die 'Religion'. Die beiden Glieder gehören zu verschiedenen Begriff sbildungstypen: das auf die Bibel bezogene Glied gehört zu demjenigen Typus, der sich auf Begriffe in anderen Quellen bezieht, und das letztere gehört zu dem hier relevanten Begriffsbildungstypus. 31

Herrmann, Noch einmal: Soll es eine besondere theologische Geschichtsforschung

geben?, 4 5 5 . Herrmann schreibt: „Die Frage, ob wir räumliche Vorgänge wegen ihrer auffallenden Erscheinung jemals als Wunder ansehen sollen, wird . . . von mir verneint. Freilich tritt auch in biblischen Berichten diese Auffassung . . hervor . . . A b e r daß in einer solchen Vorstellung vom Wunder die in der Bibel herrschende Religion sich ausspreche, deren Wahrheit uns überwunden hat, werden wir doch nicht sagen können. Denn diese Religion der Bibel ist Zuversicht zu dem barmherzigen Gott, der allmächtig und verborgen in allem Wirklichen lebt und wirkt. V o n einer solchen Religion, die unser Leben an eine unverbrüchliche Ordnung bindet und zugleich es über die Schranken des Irdischen erhebt, zeigt jene Vorstellung von Wundern, die in räumlichen V o r gängen sich vollziehen sollen, keine Spur." Hier wird auch der Begriff 'Religion der Bibel', der ja als Ausgangspunkt f ü r die 'richtige' Bestimmung des Wunderbegriffs hingestellt wird, etwas näher bestimmt. Eine klare Begriffsbestimmung des Wunderbegriffs gibt Herrmann in diesem Aufsatz nicht: f ü r eine solche wenigstens dem Ansatz nach siehe Ethik, 5 7 ; Der Christ und das Wunder, 4 1 , 42 f .

103

Ganz allgemein gesprochen kann Mom. ι oben solchen Adäquatheitsbedingungen beigeordnet werden, die die Wahl einer oder mehrerer bestimmter Quellen oder Verfasser ausdrücken. Aber Mom. ι des hier relevanten Begriffsbildungstypus kann auch Begriffsbildungen anderer Art übergeordnet werden, und zwar so, daß eine Adäquatheitsbedingung des Mom. ι sowohl die Wahl einer bestimmten Quelle oder eines bestimmten Verfassers bestimmen kann wie die Wahl bestimmter Wörter oder Erzählungen aus der betreffenden Quelle. Eine Quelle, ein Wort, eine Erzählung kann als durch ein Gedankensubjekt wie den 'religiösen Glauben' qualifiziert aufgefaßt werden. Dasselbe gilt von einem bestimmten Umfang, von einer bestimmten Klasse und von bestimmten Erscheinungen. Diese können z.B. Gegenstand eines religiösen Kultus sein und von einem Begriffsbildner als Gegenstand z.B. des 'religiösen Bewußtseins' hingestellt werden. Adäquatheitsbedingungen des Mom. ι können deshalb als übergeordnete Regeln für Quellenwahl, Wortwahl, Wahl von Erzählungen und für Extensions- und Exemplarwahl auftreten. Mom. 2. Adäquatheitsbedingungen, die eine Wahl eines Begriffs oder von Begriffen ausdrücken, zu dem oder zu denen der Wunderbegriff in einer besonderen logischen Beziehung oder in logischen Beziehungen besonderer Art stehen soll. In einem Grenzfall kann es sich um eine Wahl von Bestimmungselementen [Teilbestimmungen oder Totalbestimmungen) des Wunderbegriffs handeln. Die logischen Beziehungen zum Wunderbegriff können aber auch anderer Art sein32. Die gewählten Begriffe müssen aber jedenfalls von dem Begriffsbildner als Gedankeninhalte des gewählten Gedankensubjekts angesehen werden, um in Adäquatheitsbedingungen des hier erörterten Begriffsbildungstypus enthalten zu sein. Sätze, die eine solche Ansicht des Begriffsbildners ausdrücken, sind Hilfssätze, die als logisches Bindeglied zwischen Mom. ι und Mom. 2 dienen. Solche Hilfssätze haben die logische Form einer Oratio obliqua, wo der gewählte Begriff in einer untergeordneten Klausel vorkommt und wo die übergeordnete Klausel von dem gewählten Gedankensubjekt handelt. Mom. 2 dieses Begriffsbildungstypus umfaßt die beiden Gruppen 2 und 3 von den Adäquatheitsbedingungen bei Stange, Gruppe 2 allerdings unter der Bedingung ihrer Unterordnung unter Gruppe 1, die ja Beispiele des Mom. 1 dieses Begriffsbildungstypus enthält. Die Gruppe 3 bei Stange zeigt, daß eine Über- und Unterordnung verschiedener Adäquatheitsbedingungen auch innerhalb des Mom. 2 bestehen kann. Die Gruppe 3 bei Stange zeigt auch, daß eine Adäquatheitsbedingung des Mom. 2 eine Disjunktion mehrerer logischer Beziehungen zwischen dem gewählten Begriff und dem Wunderbegriff zulassen kann, die verschiedenen Arten von 32

Über verschiedene mögliche logische Beziehungen zwischen Begriffen, siehe unten

Kap. 4 Α und B.

104

Wundern entsprechen können, von denen der Wunderbegriff wiederum eine Disjunktion bildet33. Die Wahl von Begriffen, zu denen der Wunderbegriff in einer bestimmten logischen Relation stehen soll, drückt sich in Adäquatheitsbedingungen einer Art aus, die auch außerhalb des hier erörterten Begriffsbildungstypus vorkommen können. Adäquatheitsbedingungen dieser Art sind in einem anderen Zusammenhang schon angeführt worden34. Solche Adäquatheitsbedingungen nehmen im Verhältnis zu den vorhin erörterten Begriffsbildungstypen eine selbständige, beigeordnete Stellung ein. Da Mom. ι des hier erörterten Begriffsbildungstypus, wie wir gesehen haben, Adäquatheitsbedingungen vieler verschiedener Arten übergeordnet werden kann, so kann Mom. 2 Adäquatheitsbedingungen entsprechend vieler anderer Arten beigeordnet werden, die auch Mom. 1 untergeordnet sind. Die Sonderstellung dessen, was hier unter Mom. 2 zusammengefaßt ist, insofern als Mom. 2 einen integrierenden Teil einer Begriffsbildung dieses Typus bildet, hängt vielleicht mit dem folgenden Umstand zusammen: Das in Mom. 1 ausgewählte Gedankensubjekt ist ja keine bestimmte vorfindliche Quelle, sondern zeigt sich als ein Allgemeinbegriff, der direkt oder indirekt Bewußtseinserscheinungen inhaltlich qualifiziert. Zur möglichen Präzisierung des betreffenden Allgemeinbegriffs gehört deshalb die Angabe der möglichen Gedankeninhalte, die zu einem derart qualifizierten Bewußtsein gehören, und zwar durch Angabe des Inhaltsgebietes dieser Inhalte. Diese Angabe geschieht übrigens durch Hilfssätze, die die logische Verbindung zwischen Mom. 1 und Mom. 2 bilden. Ein Inhaltsgebiet umfaßt natürlicherweise die Inhalte, die zu einem bestimmten Begriff in einer logischen Beziehung mehr oder weniger bestimmter Art stehen. Der Wunderbegriff, der Inhalt eines Gedankensubjekts sein soll [Mom. 1), kann daher eo ipso als in einer der betreffenden logischen Beziehungen zu einem solchen Begriff stehend aufgefaßt werden [Mom. 2]. Die integrierende Zugehörigkeit des Mom. 2 zu dem hier erörterten Begriffsbildungstypus wird auch durch die folgenden Materialbeispiele bei Hunzinger und Künneth bestätigt. Aber erst zu den übrigen Momenten dieses Begriffsbildungstypus 1 Mom. 3. Die analysierenden Hilfssätze, die den Übergang zu den Definitionen vermitteln, enthalten sowohl eine Analyse der gewählten Begriffe wie der logischen Beziehungen dieser Begriffe zu demjenigen Begriff, der in Mom. 4 als Inhalt des Wunderbegriffs gewählt wird. Für Mom. 2 und 3 auch in diesem Begriffsbildungstypus gilt, daß es 83

Über Disjunktion zwischen Begriffen, siehe unten S . 1 2 5 , Definition D 7 .

84

Siehe oben, Kap. 1 B, besonders den angeführten Kontext von F. Traub, S. 3 4 f f .

105

theoretische Sätze geben kann, die denselben theoretischen Inhalt haben wie Adäquatheitsbedingungen des Mom. 2 oder Hilfssätze des Mom. 3, die aber nicht in eine Begriffsbildung hineingehören" 5 . Mom. 4. Hier finden sich die stipulativen ititensionalen Definitionen, die den Inhalt des eigenen Wunderbegriffs des Begriffsbildners bestimmen. Eine solche Definition ist nur in einem Grenzfall vollständig abhängig von Mom. 2 und 3 zusammen, nämlich w e n n der in Mom. 2 gewählte Begriff in Mom. 2 als Totalbestimmung des Wunderbegriffs hingestellt wird. In bezug auf alle anderen in Mom. 2 gewählten logischen Beziehungen zwischen dem in Mom. 2 gewählten Begriff und dem Wunderbegriff gilt, daß die Abhängigkeit des Mom. 4 von Mom. 2 und 3 in diesen Fällen unvollständig ist. Der hier erörterte Begriffsbildungstypus soll jetzt eine weitere Beleuchtung erhalten durch andere ausführliche Beispiele aus dem Material. Ein größerer Kontext bei Hunzinger zeigt eine Begriffsbildung der hier erörterten A r t auf, in Kombination mit epistemologischen Adäquatheitsbedingungen. D i e G r e n z e zwischen den verschiedenen A r t e n von A d ä quatheitsbedingungen ist bei Hunzinger fließend. A l s eine Adäquatheitsbedingung wird „die rein religiöse Natur und Selbständigkeit des christlichen Wunderglaubens dem Welterkennen gegenüber" hingestellt 3 ". Diese Adäquatheitsbedingung könnte als eine epistemologische gedeutet werden, und zwar mit einer Tendenz, den Wunderbegriff von empirisch-deskriptiven Bestimmungsinhalten z u trennen und die Erkenntnis von Wundern von 'gewöhnlicher' empirischer Erkenntnis z u unterscheiden. D i e 'Religion' und das 'Christentum' als unbestimmte Gedankensubjekte werden in dieser Formulierung angedeutet, aber sie treten noch klarer hervor in dem folgenden Zitat: In der Gegenwart dagegen fangen wir an, uns darauf zu besinnen, daß es in Hinsicht der Wunderfrage nur ein Entweder - Oder gibt. Entweder ist der Wunderglaube als ein zu überwindender Restbestand veralteter Geschichts- und Naturbetrachtung... als ein rudimentäres religiöses Organ aufzugeben, oder aber er muß in das Zentrum der christlichen Religion gestellt werden37. Die ganzen Ausführungen Hunzingers entscheiden sich für die letztere Alternative, und zwar, weil sie der ersteren Alternative widersprechen. Die letztere Alternative deutet also eine Adäquatheitsbedingung an. In diese Richtung zeigt auch das W o r t „ m u ß " in der zitierten Formu35 In dieser Frage sei auf das hingewiesen, was oben über die Momente 2 und 3 derjenigen Begriffsbildung, die von einem Begriff in einer bestimmten Quelle ausgeht, gesagt wurde. Siehe oben S. 88 f f . 3β 37

Hunzinger, Das Wunder. Eine dogmatisch-apologetische Studie, 18. Hunzinger, a.a.O., 34.

106

lierung dieser Alternative. Der ganze Kontext weist übrigens auch auf eine implizite vorausgesetzte Adäquatheitsbedingung extensionaler Art hin, daß nämlich der Wunderbegriff einen nicht-leeren Umfang haben soll". Diese Voraussetzung ist in der implizite vorausgesetzten Ablehnung der ersteren Alternative in dem Zitat oben enthalten. Sie gehört an sich nicht dem hier dargestellten Begriffsbildungstypus an - sie ist entweder dem diesem Typus angehörenden Teil der Begriffsbildung beigeordnet oder vielleicht sogar übergeordnet. Das Wort „christliche Religion" bezieht sich auf ein unbestimmtes Gedankensubjekt, das allerdings etwas auf der Grenze zwischen solchen Gedankensubjekten und einer Gruppe bestimmter Quellen und Verfasser liegt, insofern als das 'Christentum' ein geschichtlich gegebener Komplex ist, dessen Unbestimmtheit in seiner weiten Ausdehnung und vor allem in seinen fließenden Grenzen liegt. Die 'christliche Religion' wird auch betont als Ausgangspunkt für die Bestimmung des Wunderbegriffs hingestellt, wenn Hunzinger andeutet und voraussetzt, daß es richtig sei, „die Lehre vom Wunder in ihrem organischen und zentralen Zusammenhang mit dem christlichen Heilsglauben zu begründen39." 'Der christliche Heilsglaube' scheint hier das für die Begriffsbildung normierende Gedankensubjekt zu sein, genauer gesagt ist er eine Spezies unter dem Begriff 'christliche Religion'. Eine logische Beziehung zwischen dem Wunderbegriff und dem Begriff 'Heil' scheint auch von dieser Adäquatheitsbedingung impliziert zu sein. Wenn diese Adäquatheitsbedingung vom Wunderbegriff erfüllt werden soll, so ist es unmöglich und ein 'Irrtum', das Wunder auf dem Boden der Schöpfungsordnung Gottes, innerhalb der Lehre von der Schöpfung, Erhaltung und Regierung der W e l t durch den allmächtigen Gott, verständlich zu m a c h e n . . . Das Wunder erscheint so als eine vereinzelte Ausnahme in einem sonst durch eine lückenlose Kette von Mittelursachen, von Gesetzen, regulierten Ablauf des Geschehens, indem Gott an einzelnen Punkten, w o er gerade will, diesen regulären Ablauf u n t e r b r i c h t . . . Die Wunder werden auf diese Weise zu einzelnen irrationalen Momenten innerhalb des im übrigen natürlich vermittelten Zusammenhanges der Naturveränderungen 40 .

Weiter unten fügt Hunzinger hinzu: Ist es nichts anderes und nichts mehr als so etwas, so steht es jedenfalls nicht im Mittelpunkte des christlichen Heilsglaubens 41 .

Die Negation des Inhaltes des ersteren Zitats ist eine notwendige Bedingung dafür, daß der Wunderbegriff im „Mittelpunkte des christlichen Heilsglaubens" stehen können soll, mit alledem, was nach Hunzinger zum Vgl. oben S. 33· Hunzinger, a.a.O., 31. Vgl. Beth, Das Wunder. Prinzipielle Erörterung des Problems, 4. 40 Hunzinger, a.a.O., 31 f. 41 Hunzinger, a.a.O., 33. 38

3"

107

Inhalt dieses Ausdrucks gehört. Und daß der Wunderbegriff 'im Mittelpunkte des christlichen Heilsglaubens' stehen soll, ist wiederum eine Adäquatheitsbedingung für die 'richtige' Definition des Wunderbegriffs. Aus dieser Adäquatheitsbedingung zusammen mit solchen implizite vorausgesetzten Hilfssätzen, die den Inhalt dieses 'christlichen Heilsglaubens' angeben, folgt also logisch die Negation, das Nicht-Bestehen von logischen Implikationsbeziehungen zwischen dem Wunderbegriff einerseits und den Begriffen 'Schöpfung', 'Erhaltung der Welt' und 'Regierung der Welt' andererseits. Man könnte sich hier eine negativ formulierte Adäquatheitsbedingung denken, die vollständig abhängig wäre von der auf den 'christlichen Heilsglauben' bezogenen Adäquatheitsbedingung zusammen mit Hilfssätzen, die den Inhalt dieses Heilsglaubens beschreiben. A n einer anderen Stelle nimmt Hunzinger seinen Ausgangspunkt von der 'religiösen Erfahrung'. Er schreibt mit Zustimmung über andere Theologen das Folgende: . . . wo mir der Fortschritt zu sein scheint, hat man die zentrale und organische Bedeutung des christlichen Wunderglaubens in neuer und fruchtbarer Weise e r f a ß t . . . Theologen wie Reinhold Seeberg, Carl Stange, Joh. Wendland sind mit W . Herrmann darin völlig einig, daß das Wunder zu den „Hauptsachen" im Christentum gehört und in den Mittelpunkt der christlichen Heilserfahrung gestellt werden muß . . . sie versuchen den Wunderglauben aus dem Zentrum der religiösen Erfahrung heraus verständlich zu machen. Soll dieses geschehen, so muß . . . das Wunder im engsten Zusammenhange mit den Grundbegriffen des Glaubens, der Offenbarung, Heilserfahrung, Sünde und Gnade behandelt werden".

In diesem Zusammenhang ist es möglich, solche Wörter wie „Glauben", „Offenbarung" und „Heilserfahrung" so aufzufassen, daß sie sich auf unbestimmte Gedankensubjekte als Ausgangspunkt für die Begriffsbildung beziehen. Aber sie könnten auch so aufgefaßt werden, daß sie einfach Begriffe bezeichnen, zu denen der Wunderbegriff in einer gewissen logischen Beziehung stehen soll. Die letztere Deutung schließt nicht die erstere aus; dagegen kann nur die letztere und nicht die erstere Deutung auf die Wörter „Sünde" und „Gnade" appliziert werden. Die Begriffsbestimmung selbst schließlich, die Hunzinger auf Grund der oben angeführten Überlegungen aufstellt, wird so formuliert: Das Wunder ist die spezifische Erscheinungsform der göttlichen Offenbarung 43 . Hunzinger, a.a.O., 35 f . Hunzinger, a.a.O., 36. Man könnte die angeführte Bestimmung als eine vorläufige nach A r t des Mom. 2 oben auffassen. Sie wird nämlich in den folgenden Ausführungen Hunzingers näher beleuchtet. So schreibt er, „daß das Wunder in solchen Wirkungen besteht, in denen Gott auf einem bestimmten Gebiet dem Menschen seine Wirklichkeit und Wirksamkeit enthüllt". a.a.O., 42. Ferner heißt es: das Wunder „besteht in Wirkungen, in denen Gott uns erlöst". a.a.O., 50. 42

43

108

Soweit Hunzinger. Ein anderer großer Kontext bei Künneth geht von der „Christusoffenbarung" aus: Ein gültiger Wunderbegriff läßt sich nur aus dem uneingeschränkten, auch ein spezifisches Weltverständnis setzenden christlichen Gottesgedanken, der als solcher wesenhaft trinitarisch bestimmt ist, entfalten... Das Wunder erfährt seine tiefste Begründung im Gottesbegriff, der als ein christlicher durch die Offenbarung, speziell durch die Christusoffenbarung, eindeutig seine Norm und seinen Inhalt erfährt. Diese Offenbarung hinwieder ist nicht etwas in der Welt Vorfindbares, dem Menschen zur Verfügung stehend, sondern nur kraft des testimonium Spiritus Sancti „offenbar" . . . Der Einsatz für ein fruchtbares theologisches Gespräch über das Wunder ist darum primär in der Offenbarungserkenntnis gegeben44.

Adäquatheitsbedingungen, die sich auf unbestimmte Gedankensubjekte beziehen, sowohl wie solche, die sich auf logische Beziehungen des Wunderbegriffs zu anderen Begriffen beziehen, treten hier hervor. Als unbestimmte Gedankensubjekte in Adäquatheitsbedingungen der ersteren Art werden hier der 'christliche Gottesgedanke', aber vor allem die 'Christusoffenbarung' und die Offenbarungserkenntnis' hingestellt. Sie werden als 'Norm' bzw. als 'Einsatz für ein fruchtbares Gespräch über das Wunder' hingestellt - beide Bestimmungen deuten an, daß diese Größen dem Verfasser als Gedankensubjekte dienen. Wenn man sich die Frage stellt, ob nicht das Wort „Christusoffenbarung" eine bestimmte historische Quelle bezeichnen müßte, bekommt man im Gegensatz zu dieser Vermutung sehr bald die Auskunft, daß diese Offenbarung nicht „etwas in der Welt Vorfindbares, dem Menschen zur Verfügung stehend" sei, wobei Künneth auch auf das 'testimonium Spiritus Sancti' als Gedankensubjekt hinweist45. Soweit liegt der angeführte Gedankengang im Rahmen des Mom. ι des hier erörterten Begriffsbildungstypus. Als Begriffe, zu denen der Wunderbegriff in einer Art enger logischer Beziehung stehen muß, werden die 'Welt', der 'trinitarische Gott' und die 'Offenbarung' hingestellt. Die letztere gibt Künneth zufolge dem christlichen Gottesbegriff und damit dem Wunderbegriff 'seinen Inhalt'. Das Wort „nur" in dem ersten Satz des angeführten Zitats weist auf die Tatsache hin, daß der Verfasser an eine Adäquatheitsbedingung für den Wunderbegriff denkt: nur die Erfüllung der angegebenen Bedingung kann einen 'richtigen' Wunderbegriff, eine richtige Bestimmung dieses Begriffs, ergeben. Eine Wahl von Begriffen als Bestimmungselementen in dem Wunder44

Künneth, Das Wunder als apologetisch-theologisches Problem, 1 3 f .

45

Daß Künneth aber auch mit einer Adäquatheitsbedingung rechnet, die sich auf die

Bibel als bestimmte Quelle bezieht, geht möglicherweise aus dem folgenden hervor: „Die offenbarungsbegründete Wunderidee grenzt sich bedeutsam gegen alle außerbiblischen Wundervorstellungen ab." Künneth, 1 5 .

109

begriff selbst ist dann schwer zu unterscheiden von einer Wahl von Begriffen, zu denen der Wunderbegriff in anderen logischen Beziehungen stehen muß, wenn die logische Beziehung zwischen den Begriffen nicht näher angegeben und bestimmt wird. Beide Arten von Wahl scheinen ineinander verwoben zu sein bei Künneth, wenn er das Folgende schreibt: Die Grundlage des christlichen Wunderbegriffes ist die Offenbarung, weil die Offenbarung Gottes selbst das Wunder schlechthin d a r s t e l l t . . . Das Wunder ist Offenbarungsereignis entsprechend der doppelten Einsicht: einmal, die Welt ist von Gott geschaffen, und sodann, die W e l t ist von Gott versöhnt. Erstere bedeutet die unbedingte Souveränität Gottes über die W e l t und versteht das Wunder als einen Erweis dieser Naturüberlegenheit, letztere besagt die Sündenüberlegenheit und begreift das Wunder als Überwindung der durch die Sünde vollzogenen Sonderung des Menschen von G o t t " .

D. Logische Analyse von Sätzen über Begriffe bei extensional unbestimmten

Gedankensubjekten

wie der

u. dgl. Analytische und synthetische in der

'Frömmigkeit' Sätze

Begriffsbildung

Der zuletzt dargestellte Begriffsbildungstypus, der bei allgemeineren, extensional unbestimmten Gedankensubjekten seinen Ausgangspunkt nimmt, kann erst dann eine genauere logische Klärung erhalten, wenn die logische Struktur solcher Sätze, die sich auf Begriffe bei Gedankensubjekten der erwähnten Art beziehen, genauer bestimmt und dargestellt wird. Dabei gewinnt diese Darstellung an Klarheit, wenn Sätze über Begriffe bei extensional unbestimmten Gedankensubjekten in bezug auf logische Struktur mit solchen Sätzen verglichen werden, die sich auf Begriffe in bestimmten Quellen oder bei bestimmten Verfassern beziehen. Sätze über einen Begriff in einer anderen Quelle oder bei einem anderen Verfasser haben die logische Form eines nicht-extensionalen Zusammenhangs. Ein solcher Zusammenhang wird am besten formuliert durch eine übergeordnete Klausel wie: Ά sagt [ist der Ansicht), d a ß . . . ' oder dgl. In einer Begriffsbildung, die von einem Begriff in bestimmten Quellen ausgeht, können die Quellen durch Eigennamen, singuläre Kennzeichnungen" oder durch Bezeichntingen für Allgemeinbegriffe bezeichnet wer" Künneth, 14 f. Über den Inhalt des Wunderbegriffs selbst schreibt er u.a: „Die Eigenart des christlichen Wundergedankens prägt sich wesensmäßig in dem Begriff der Synthese aus. Das Wunder ist schöpferische Synthese durch Gott als Durchsetzung seiner menschheitsbezogenen Heilsoffenbarung." Künneth, 15. " Über singuläre Kennzeichnungen und deren semantische Funktionen vgl. z.B. Carnap, Symbolische Logik, 143 ff.; Frege, Sinn und Bedeutung, 39 ff.; Quine, Methods of logic, 215 f f . Über die orthodoxe Theorie Russells, siehe Carnap, a.a.O., 146; Meaning and necessity, 34 f.; Russell, Introduction to mathematical philosophy, 167 f f . (Kap. 16]; On denoting. IIO

den. Auch Bezeichnungen für Allgemeinbegriffe sind hier möglich, wenn der Umfang dieser Wörter eine fest umrissene und abgegrenzte Größe bildet. Sätze über Begriffe in anderen Quellen, die diese Quellen durch eine Bezeichnung eines Allgemeinbegriffs bezeichnen (denotieren)48, haben eine kompliziertere logische Struktur, die sich in universalen Konditionalsätzen darstellen läßt, deren Nachsätze die logische Form eines nicht-extensionalen Zusammenhangs haben. Das folgende Schema kann die logische Form dieser Sätze darstellen: (%): χ ist eine Quelle der Art (Klasse) Κ. ^ .χ sagt (ist der Ansicht), daß . . . , : &: К ist eine nicht-leere Klasse". Das Schema stellt eine logische Konjunktion von einem universalen Implikationssatz00 und einem Satz über den Umfang der Klasse К dar. Eine ähnliche logische Form haben die Sätze, die sich auf ein allgemeineres, unbestimmteres Gedanken- oder Glaubenssubjekt beziehen, und zwar haben auch sie die logische Form eines universalen Implikationssatzes; das eine Glied der Implikation hat die logische Form eines nichtextensionalen Zusammenhangs. Wenn es sich um Sätze über Begriffe bei solchen allgemeineren, extensional unbestimmteren Gedankensubjekten handelt, sind aber innerhalb des Rahmens solcher universalen Implikationssätze mehrere Alternativen möglich in bezug auf die logische Stellung der Teilglieder zueinander. Diese Alternativen werden unten durch Schemata (I, II u.s.w.) dargestellt. In diesen Schemata wird das Wort „Frömmigkeit" als Beispiel für das Gedanken- und Glaubenssubjekt verwendet. Der Ausdruck kann gegen einen beliebigen anderen Ausdruck ausgetauscht werden, der sich auch auf ein solches Gedankensubjekt bezieht, ohne daß die ausgeführten logischen Gesichtspunkte deshalb ihre Gültigkeit verlieren würden. Anstatt „Frömmigkeit" könnten z.B. solche Ausdrücke stehen wie „religiöser Glaube", „christlicher Glaube", „lebendige Religion" etc. Und nun zu den Schemata für die verschiedenen Alternativen, die ein Satz über einen Begriff bei einem allgemeineren Gedankensubjekt erfüllen kann. (I, II, Ia, IIa). 48

Über Denotation, siehe Carnap, Meaning and necessity, 126. Vgl. 97, Anm. 1. Leonard, Principles of right reason, 231 f., dort „referents of terms" genannt; Russell, On denoting, 1 1 1 ff. Der Terminus „Denotation" wird hier in der Abhandlung so verwendet, daß ein Wort oder Ausdruck, das/der einen Begriff konnotiert, jede einzelne Erscheinung denotiert, die unter den konnotierten Begriff fällt. Ein Terminus denotiert also jedes einzelne Element derjenigen Klasse, die den Umfang (die Extension) dieses Terminus bildet. " „ ( * ) " ist ein Alloperator, der dasselbe bedeutet wie „Für alle χ gilt, daß", „ D " steht für Implikation, „&." für logische Konjunktion. Über leere und nicht-leere Klassen siehe Carnap, Symbolische Logik, 126. Über Alloperatoren, a.a.O., 34 f. 50 Über universale Implikationssätze, siehe Carnap, Symbolische Logik, 36 f. III

I. (%]: χ hat Frömmigkeit.

glaubt, daß p.

In Schema I bedeutet der Nachsatz „x glaubt, daß p" soviel wie, daß χ Wunderglauben hat. Denn „p" steht hier für einen Satzinhalt, der den Wunderbegriff enthält und zwar so, daß ρ entweder der allgemeine Satzinhalt ' ( 3 χ ) Wunder (%)' ist oder der singuläre Satzinhalt 'Wunder (a)', wobei „a" für eine individuelle Erscheinung steht51. I bedeutet, daß Frömmigkeit bei einer Person χ eine hinreichende Bedingung dafür ist, daß χ Wunderglaube hat, d.h. dafür, daß χ glaubt, daß der Wunderbegriff keinen leeren Umfang hat bzw. auf eine bestimmte Erscheinung zutrifft. Nach I könnte aber dieser Glaube auch ohne eine Frömmigkeit vorhanden sein. I sagt nämlich nicht, daß Wunderglaube eine hinreichende Bedingung für Frömmigkeit wäre. Der Wunderglaube ist aber I zufolge eine notwendige Bedingung für Frömmigkeit, weil Frömmigkeit eine hinreichende Bedingung für den Wunderglauben ist. Allgemein gilt, daß wenn S eine hinreichende Bedingung für Τ ist, auch Τ eine notwendige Bedingung für S ist, und umgekehrt 52 . II. (%]: χ glaubt, daß р. э .χ hat Frömmigkeit. Nach II ist Frömmigkeit eine notwendige Bedingung für den Glauben an Wunder. Nach II kann also dieser Glaube nicht ohne Frömmigkeit vorhanden sein. Dagegen könnte Frömmigkeit vorliegen ohne Wunderglauben: der Wunderglaube braucht nach II nicht eine notwendige Bedingung für Frömmigkeit z u sein: er ist aber nach II eine hinreichende Bedingung für Frömmigkeit. I und II bezeichnen eine sehr starke Beziehung zwischen Frömmigkeit und Wunderglaube, die wohl nicht immer den Intentionen des Materials entspricht. Es fragt sich deshalb, ob man nicht schwächere Beziehungen finden könnte. Erstens können I und II entweder für analytische oder für synthetische Sätze stehen, wobei natürlich die synthetische Deutung die schwächere Variante darstellt". W e n n I und II für analytische Sätze stehen, muß die Implikation [die von „ Э " bezeichnet wird] eine L-Implikation, eine logische Implikation 51

..С 3

ist ein Existenzoperator, der dasselbe bedeutet wie „Es gibt mindestens

ein x, so daß". Die Formel „Wunder [x]" bedeutet dasselbe wie „x ist ein Wunder" bzw. „Der Wunderbegriff trifft auf χ zu". Über Existenzoperatoren, vgl. oben S. 66, Anm. 26. 52

Über hinreichende und notwendige logische Bedingungen, siehe unten Kap. 4

А

und B. Daß die beiden Relationen die Umkehrungen von einander sind, ergibt sich aus den Definitionen D 1 und D 2, S. 121. 53

Über analytische und synthetische Sätze, vgl. Carnap, Symbolische Logik, 15 ff., 18 f.;

Meaning and necessity, 8 ff., 69 ff.; Pap, Analytische Erkenntnistheorie, 193 f f . (Kap. V I А ] . Für eine Diskussion der Schwierigkeiten dieser Unterscheidung, vgl. auch Quine, From a logical point of view, 20 f f .

112

sein. In diesem Falle ist eine bestimmte Beziehung zum Wunderbegriff im Begriff der Frömmigkeit enthalten, und zwar durch den Begriff des Wunderglaubens, der ja in einer logischen Implikationsbeziehung zum Begriff der Frömmigkeit steht. Die hinreichenden und notwendigen Bedingungen in den Schemata I und II sind dann logische Bedingungen. Die Deutung von Schema I als Schema für einen analytischen Satz hat· ein besonderes Interesse, wenn der Terminus „Frömmigkeit" in I gegen „christliche Religion", „Christentum" oder einen anderen Ausdruck für eine bestimmte Religion ausgetauscht wird. In dieser Deutung könnte man einen solchen Ausdruck so deuten, daß er (den Glauben an) den ganzen logisch-semantischen, intentionalen Glaubensinhalt des christlichen Glaubens in seiner 'richtigen' Interpretation bezeichnet. Nach I in dieser Deutung wäre der Wunderbegriff, genauer gesagt, Satzinhalte über das Zutreffen des Wunderbegriffs in der Wirklichkeit (bzw. auf eine bestimmte Erscheinung) in diesem ganzen Glaubensinhalt des christlichen Glaubens enthalten. Das Fürwahrhalten des ganzen Glaubensinhalts würde das Fürwahrhalten eines Satzinhaltes über das Zutreffen des Wunderbegriffs logisch implizieren. Nach der Deutung von I und II als Schemata für synthetische Sätze würden 'Frömmigkeit' und Wunderglaube einander nur kausal bedingen. Es würde sich dann nicht um hinreichende bzw. um notwendige logische Bedingungen handeln, sondern um entsprechende kausale Koexistenzbedingungen". I und II können aber auch dadurch abgeschwächt werden, daß die Vordersätze der universalen Implikationen in I und II mit anderen Sätzen konjungiert werden. Dadurch erhalten wir Ia bzw. IIa. Ia. (%): χ hat Frömmigkeit & / ( χ ) . ^ . χ glaubt, daß p". Nach Ia ist Frömmigkeit nur ein Glied einer hinreichenden Bedingung für den Wunderglauben". Frömmigkeit braucht allein nicht eine hinreichende Bedingung für den Wunderglauben zu sein. Ia kann wahr sein, auch wenn I falsch ist. Die interessante Deutung von Ia ist, daß Ia für einen synthe61 Über kausale Koexistenzbedingungen, vgl. Pap, a.a.O., 129. Dort werden Koexistenzgesetze von Sukzessionsgesetzen unterschieden. Bei Sukzessionsgesetzen ergibt die Zeitordnung eine Schwierigkeit, die Relationen 'notwendige' bzw. 'hinreichende Bedingung' als die Umkehrungen voneinander zu verstehen, wenn nur die Ursache und nicht die Wirkung als Bedingung aufgefaßt wird. V g l . oben S. 112. 5S Die Formel „/(%)" bedeutet, dass die Bestimmung f auf χ zutrifft. Im Schema I a kann „f" für eine ganze Konjunktion oder Disjunktion von Bestimmungen stehen. Über komplexe Bestimmungen, siehe unten S. 125, die Definitionen D 6 und D 7. 5β Über Glieder einer hinreichenden Bedingung, vgl. unten S. 127 f., Satz L 4. Beachte, daß der Vordersatz der Implikation in I a eine Konjunktion ist. Die ganze Konjunktion ist eine hinreichende Bedingung für den Nachsatz der Implikation, aber die Glieder der Konjunktion sind nur Glieder einer solchen hinreichenden Bedingung.

8 - 566-3501

"3

tischen Satz steht, und zwar weil es sehr zweifelhaft ist, ob '/(x)' hier eine begrifflich interessante analytisch-logische Brücke zwischen den Begriffen 'Frömmigkeit' und 'Wunderglauben' enthalten kann". IIa. [%):. x glaubt, daß p.&.x glaubt, daß q & г: з \χ hat Frömmigkeit. Nach IIa ist Wunderglaube Glied einer hinreichenden Bedingung für Frömmigkeit. Wunderglaube braucht allein nicht eine hinreichende Bedingung für Frömmigkeit zu sein. Wunderglaube könnte auch ohne Frömmigkeit vorliegen, d.h. II könnte falsch sein. IIa kann als Schema für einen analytischen Satz gedeutet werden, der also eine L-Implikation zwischen den beiden Hauptgliedern aussagt. In diesem Falle ist p ein solcher Glaubensinhalt, der dazu beiträgt, den betreffenden Glauben als Frömmigkeit logisch zu qualifizieren, wenn nämlich ρ als Glaubensinhalt zusammen mit einer Reihe anderer Satzinhalte als Glaubensinhalte für dieselbe Person vorkommt. Das andere Glied der hinreichenden Bedingung für Frömmigkeit kann auch eine Disjunktion sein, weil „q" und „r" für beliebige verschiedene religiöse Satzinhalte stehen können, je nach den Intentionen des Begriffsbildners. In diesem Falle könnten viele andere alternative Kombinationen von Satzinhalten als Glaubensinhalte einen solchen Glauben ergeben, der mit dem Wunderglauben zusammen eine Frömmigkeit logisch bedingen könnte. In diesem Falle sind der Wunderbegriff und solche Satzinhalte, die den nicht-leeren Umfang dieses Begriffs, d.h. das Zutreffen des Wunderbegriffs in der Wirklichkeit, logisch implizieren, in dem totalen logisch-semantischen, intentionalen Glaubensinhalt der 'Frömmigkeit' enthalten. Dieser totale logisch-semantische Glaubensinhalt ist die Klasse aller derartigen logisch-semantischen Glaubensinhalte (Satzinhalte und Begriffe), die dazu logisch beitragen, den betreffenden Glauben als eine 'Frömmigkeit' zu qualifizieren. Diese Deutung von IIa paßt noch besser für den Glaubensinhalt des Christentums, derzufolge der Wunderbegriff in dem totalen Glaubensinhalt des Christentums enthalten wäre. Diese Deutung fordert, daß im Schema IIa der Terminus „Frömmigkeit" gegen „Christentum" oder einen Ausdruck, der dieses Wort oder das Adjektiv „christlich" enthält, ausgetauscht wird. Eine andere Linie der Schwächung der Schemata I und II (bzw. Ia, IIa) erweitert die Betrachtung dessen, was χ glaubt, dahin, was daraus logisch folgt, oder was das Geglaubte logisch impliziert. Nach dieser Deutungslinie ist der Wunderbegriff in Satzinhalten enthalten, die von bestimmten geglaubten Satzinhalten logisch impliziert sind, oder die bestimmte geglaubte Satzinhalte logisch implizieren, und diese geglaubten Satzinhalte haben Dagegen kann I a eine kausale Beziehung derart aussagen, daß wenn Frömmigkeit zusammen mit bestimmten anderen Bedingungen f auf χ zutrifft, der Wunderglaube bei χ hinreichend kausal determiniert ist. 67

1X4

insofern dieselbe logische Stellung wie 'p' in den Schemata oben, als sie Gegenstände eines Glaubens sind mit derselben logischen Beziehung zum Begriff der "Frömmigkeit' wie der Glaube an ρ in den Schemata oben. Nach dieser Linie müssen die Schemata I, II, Ia, IIa oben in folgender Weise modifiziert werden: die Klausel „ χ glaubt, daß p" muß ausgetauscht werden gegen eine kompliziertere Formel, entweder gegen „ ( 3 s): χ glaubt, daß s. & . s 3 p " oder gegen „ ( 3 s ) : χ glaubt, daß s. & .p^s'ÜS. Hierbei behält „p" inhaltlich dieselbe Stellung wie in den Schemata oben, d.h. p enthält den Wunderbegriff, der ρ zufolge in der Wirklichkeit (ev. auf eine bestimmte Erscheinung) zutrifft. In diesen Klauseln könnte man allerdings noch eine Modifizierung ausführen: in den Implikationen könnte der Vordersatz mit noch einem Satz konjungiert werden, so daß „s^>p" zu „s & r.=>p" und „p^s" zu „p & t.=>s" erweitert (und geschwächt!) werden könnten. Der totale Glaubensinhalt einer Religion oder des Christentums würde dieser Deutungslinie zufolge auch die logischen Konsequenzen und Prämissen derjenigen Satzinhalte enthalten, die in diesem totalen Glaubensinhalt enthalten sind. Diese Klärung verschiedener logischer Alternativen in bezug auf Sätze über Begriffe (Wunderbegriffe) bei allgemeineren und unbestimmteren Gedankensubjekten erhellt in entsprechender Weise die logische Struktur und die logischen Beziehungen der Teilglieder zueinander in den diesen Sätzen inhaltlich entsprechenden Adäquatheitsbedingungen des Mom. ι in dem betreffenden Begriffsbildungstypus. Adäquatheitsbedingungen des Mom. ι in diesem Begriffsbildungstypus drücken eine Wahl eines allgemeineren, unbestimmteren Gedankensubjekts als normierend für den Wunderbegriff aus". Man kann sagen, daß solche Adäquatheitsbedingungen Stipulationen ausdrücken, daß ein Satz vom Typus der Schemata I, II, Ia, IIa oder ihrer oben erwähnten Modifikationen wahr sein soll als Konsequenz der 'richtigen' Definition des Wunderbegriffs" 0 . Weil in bezug auf die Schemata oben und deren Modifikationen stipuliert wurde, daß 'p' den Wunderbegriff enthalten soll, stellen diese Schemata und ihre Modifikationen Sätze über Wunderbegriffe bei unbestimmteren, allgemeineren Gedankensubjekten dar. Dieselben Schemata können 58 ..С 3 »)" ist е ' п Existenzoperator höherer logischer Stufe, der Satzinhalte als Wertbereich hat. Er sagt dasselbe wie „Für mindestens einen Satzinhalt gilt . . . " Die betreffenden Formeln gehören einer nicht-extensionalen Sprache an, vgl. Carnap, Symbolische Logik, 41 f . „Satzinhalt" steht hier für dasselbe, was bei Carnap durch das Wort „Proposition" bezeichnet wird. " Siehe oben S. 103 f . 60 V g l . oben, Kap. 1, Abschnitte Α und C , die Darstellung der logischen Beziehungen zwischen Adäquatheitsbedingungen und Definitionen.

"5

aber leicht als generellere Schemata dienen, wenn man diese Stipulation fallen läßt. Generell gilt, daß derjenige in ρ enthaltene Begriff [bzw. die Begriffe in p] als derjenige Begriff (bzw. diejenigen Begriffe] bei dem betreffenden Gedankensubjekt zu gelten hat, von dem (bzw. denen] in den Schemata oben die Rede ist. Wenn hier von Sätzen über Begriffe bei allgemeineren Gedankensubjekten geredet wird, sind dabei diejenigen Begriffe gemeint, die in dem Satzinhalt 'p' der oben dargestellten Schemata enthalten sind. Die oben dargestellten Schemata und ihre Modifikationen stehen also in ihrer in bezug auf „p" generalisierten Deutung allgemein für Sätze über Begriffe bei allgemeineren, extensional unbestimmteren Gedankensubjekten. Solche Sätze finden wir als Hilfssätze in der entsprechenden Begriffsbildung", die als logische Brücke zwischen Mom. ι und Mom. 2 dieses Begriffsbildungstypus dienen. Wir haben oben zwei Deutungen dieser Schemata erwähnt, denen zufolge die Schemata entweder für analytische oder für synthetische Sätze stehen können. Die Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Sätzen läßt sich infolgedessen auch in bezug auf die erwähnten Hilfssätze vornehmen. Die Hilfssätze in diesem Begriffsbildungstypus, die sich auf unbestimmtere Gedankensubjekte beziehen, können analytische Sätze sein, die eine Begriffsanalyse des betreffenden Gedankensubjekts als eines Allgemeinbegriffs enthalten. Darin unterscheiden sich diese Hilfssätze von entsprechenden Hilfssätzen in den zuvor erörterten Begriffsbildungstypen, die sämtlich synthetische Sätze sein müssen, weil sie sich auf empirische Größen als in der Wirklichkeit vorhanden beziehen: auf andere Quellen, Verfasser, auf Sprachgebrauch, Erzählungen oder auf andere Erscheinungen, die von solchen Sätzen als in der Wirklichkeit vorhanden und infolgedessen als Elemente nicht-leerer Klassen hingestellt oder vorausgesetzt werden. Hilfssätze, die sich dagegen auf Begriffe bei allgemeineren, unbestimmteren Gedankensubjekten beziehen, brauchen dagegen nicht als auf empirische Größen bezogen aufgefaßt werden; sie können ebensowohl als analytische Sätze über logische Beziehungen zwischen Begriffen gelten. Wenn ein solcher Satz falsch wäre, würde er einen logischen Widerspruch implizieren. Auch die Hilfssätze des Mom. 3 desselben Begriffsbildungstypus sind als analytische Sätze aufzufassen, eben weil sie logische Beziehungen zwischen Begriffen aussagen. Wenn alle diejenigen Hilfssätze analytisch sind, die in einer Begriffsbildung sozusagen eine logische Brücke zwischen der Definition und den Adäquatheitsbedingungen schlagen, so sind auch diejenigen theoretischen Sätze, die den Adäquatheitsbedingungen inhaltlich genau entsprechen, analytische Sätze. In einem abgeleiteten Sinne könnte man in diesem Falle von analytischen Adäquatheitsbedingungen el

Siehe oben S. 104 f .

116

sprechen; solche könnten im Mom. ι und 2 desjenigen Begriffsbildungstypus enthalten sein, der sich auf allgemeinere und extensional unbestimmtere Gedankensubjekte als Ausgangspunkt der Begriffsbildung bezieht. Adäquatheitsbedingungen, die sich auf logische intensionale Beziehungen zwischen Begriffen beziehen, sind als analytisch aufzufassen, ganz gleich, ob sie in Mom. 2 des erwähnten Begriffsbildungstypus vorkommen, oder ob sie als selbständige Adäquatheitsbedingungen in Kombination mit Begriffsbildungen anderer Art dienen62. Denn wenn ein Satz S (der inhaltlich einer Adäquatheitsbedingung entspricht] aus einer Definition zusammen mit nur analytischen Sätzen Ρ (Hilfssätzen} logisch folgt, so muß S selbst auch analytisch sein'3. Solche Sätze können sich aber nicht auf bestimmte empirische Größen in dem Sinne beziehen, daß sie die Existenz dieser Größen in der Wirklichkeit implizieren. Adäquatheitsbedingungen, die inhaltlich synthetischen Sätzen entsprechen, sind nicht analytisch, indem sie sich auf das Vorhandensein empirischer Größen beziehen. Derart sind diejenigen Adäquatheitsbedingungen, die zu irgendeinem der Momente der vorher erörterten Begriffsbildungstypen gehören. Um ein allseitiges Bild von der Funktion solcher Ausdrücke zu bekommen, die sich auf allgemeinere und unbestimmtere Gedankensubjekte beziehen, genügt es nicht, verschiedene alternative logische Formen und Inhalte bestimmter Sätze darzustellen. Es muß nämlich auch beachtet werden, daß solche Ausdrücke wie „Frömmigkeit", „lebendige Religion" und dgl. auch eine überredende propagandistische Funktion und eine Wertladung haben können". Sätze, die solche Ausdrücke enthalten, können auch als Rekommendationen oder als Propaganda für eine Ablehnung dienen. Es kann sich hierbei um eine Rekommendation einer bestimmten Begriffsbestimmung handeln oder um Propaganda gegen eine bestimmte Begriffsbestimmung. Ein Wunderbegriff kann als solcher z.B. mit der folgenden Begründung abgelehnt werden: „Es ist ja nicht das lebendige Wunder der Religion""5. Umgekehrt kann eine gegebene Begriffsbestimmung eine nachträgliche " Über Adäquatheitsbedingungen dieser A r t außerhalb des im vorigen Abschnitt erwähnten Begriffsbildungstypus, siehe oben Kap. 1 B.

С

" 3 V g l . Carnap, Symbolische Logik, 20, Lehrsatz L 6 - i . a ; 19, Lehrsatz L 5 - 2 . С . Über die Funktion von Definitionen als L-wahren Sätzen, siehe a.a.O., 56 f . Uber L-Wahrheit als Explikation des Begriffs 'analytisch', siehe a.a.O., 18. V g l . ferner Quine, Truth by Convention, 250 f f . 64 e5

Über Überredung und Wertladung sprachlicher Ausdrücke, siehe oben S. 47 f . Steinmann, Die geistige O f f e n b a r u n g Gottes in der geschichtlichen Person Jesu, 53.

Der Verfasser lehnt hier „den scholastischen Wunderbegriff" ab, der an einer anderen Stelle auch als „das Unableitbarkeitswunder" bezeichnet wird [a.a.O., 47) und „das Unableitbare, Unerklärbare" als Bestimmungselement enthält. a.a.O., 50. " 7

überredende Rekommendation erhalten, z.B. dadurch, daß der so bestimmte Begriff z.B. als der Wunderbegriff „der christlichen Offenbarung" bezeichnet wird. Ein Satz vom Typus „Der so-und-so bestimmte Wunderbegriff ist der Wunderbegriff der Frömmigkeit" kann dasselbe besagen wie „Es ist gut, das Wunder als so-und-so beschaffen aufzufassen" oder wie „Als Frommer mußt Du das Wunder als so-und-so beschaffen auffassen". Natürlich kann eine Begriffsbestimmung auch im voraus rekommendiert werden durch einen Satz, der wie eine Adäquatheitsbedingung aussieht, der aber eigentlich dazu dient, den Leser positiv zu den folgenden Ausführungen des Verfassers zu stimmen.

118

KAPITEL 4

Begriff und Bestimmungselement

Die Abhandlung wird in den folgenden Teilen die Aufmerksamkeit auf die Bestimmungselemente in den Wunderbegriffen konzentrieren, die einen Teilinhalt oder den ganzen Inhalt eines Wunderbegriffs im Material bilden oder enthalten. Ein und dasselbe Bestimmungselement kann, inhaltlich gesehen, bei verschiedenen Verfassern in dieser Hinsicht eine verschiedene Stellung einnehmen. Dieses Kapitel wird den Begriff 'Bestimmungselement' näher explizieren. (Abschnitt B). Dazu ist die Erklärung mancher Hilfsbegriffe nötig. (Abschnitt А]. An die Bestimmung des Begriffs 'Bestimmungselement' schließt sich dann die Behandlung gewisser prinzipieller Probleme in bezug auf Begriffe und in der Behandlung der Bestimmungselemente in den folgenden Kapiteln an. (Abschnitt С und D], Erst nach oder im Zusammenhang mit diesen Erklärungen können gewisse Fragen in bezug auf die Stellung dieser Untersuchung zum Material geklärt und beantwortet werden. (Abschnitt D). A. Die logische Relation zwischen Definiendum und Definiens: die Begriffe 'notwendige bzw. hinreichende logische Bedingung' Das Definiens in einer Definition muß, um vollständig zu sein, eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den definierten Begriff bzw. Satzinhalt bzw. für den definierten sprachlichen Ausdruck oder Satz (Definiendum) angeben, und die betreffende notwendige Bedingung muß mit der betreffenden hinreichenden Bedingung identisch sein. Dieser Satz gilt für alle diejenigen Definitionen, die in Kap. 2 und 3 intensionale Definitionen genannt wurden1 und die von extensionalen, darunter ostensiven, und auch von quasi-ostensiven Definitionen unterschieden wurden2. Für die extensionalen Definitionen gilt das oben Behauptete nicht. Das, was definiert wird, kann entweder ein Begriff oder Satzinhalt, ein 1 Über intensionale Definitionen siehe oben S. 46 f. Solche bilden das letzte Moment der Begriffsbildungen, die in Kap. 2 А, В und Kap. 3 А, В und С dargestellt wurden. 2 Über quasiostensive Definitionen siehe oben S. 5 1 , 59.

119

sprachlicher Terminus, Ausdruck oder Satz sein3. Den sprachlichen Terminus, Ausdruck oder Satz, der definiert wird und der sich direkt auf den definierten Begriff oder Satzinhalt bezieht, nennen wir Definiendum. Ein Definiendum ist immer ein Teil einer Definition. Beides sind sprachliche Größen. Nun können alle Definitionen von Termini, Ausdrücken bzw. von Begriffen auf Definitionen von Sätzen bzw. von Satzinhalten zurückgeführt werden. Dies folgt daraus, daß die Begriffe "hinreichende bzw. notwendige logische Bedingung' in bezug auf Begriffe auf die entsprechenden logischen Bedingungen in bezug auf Satzinhalte zurückgeführt werden können. Und die Begriffe 'hinreichende bzw. notwendige logische Bedingung' in bezug auf sprachliche Größen können auf die entsprechenden Begriffe in bezug auf diejenigen Begriffe und Satzinhalte zurückgeführt werden, die von den betreffenden sprachlichen Größen bezeichnet werden. Die Aufgabe dieses Abschnitts ist im folgenden die Klärung der Begriffe 'notwendige bzw. hinreichende logische Bedingung', besonders in bezug auf Begriffe. Begriffe sind hier von besonderem Interesse, weil diese Abhandlung im folgenden Begriffe analysieren wird, und weil ein Bestimmungselement in einem Begriff selbst ein Begriff ist. Auf den Begriff 'Bestimmungselement' aber richtet sich das Hauptinteresse in diesem Kapitel. Wir wenden uns deshalb der Aufgabe zu, die Begriffe 'notwendige bzw. hinreichende logische Bedingung für einen Begriff zu klären. Eine notwendige bzw. hinreichende logische Bedingung für einen Begriff ist selbst ein Begriff. Aus einem Satzinhalt, daß ein Begriff g eine notwendige logische Bedingung für einen anderen Begriff / ist, folgt der Satzinhalt, daß g in dem Inhalt des Begriffs / enthalten ist. Wenn dagegen der Inhalt von f in dem Inhalt von g enthalten ist, so ist g eine hinreichende logische Bedingung für f. In diesem Fall ist der Sachverhalt, daß ein bestimmter Gegenstand unter g fällt, eine hinreichende Bedingung dafür, daß derselbe Gegenstand auch unter f fällt. Die genannten Tatbestände werden unten in einer Soweit es sich um stipulative intensionale Definitionen handelt, werden sie hier so aufgefaßt, daß eine Definition eines sprachlichen Ausdrucks äquivalent ist mit einer Definition des Begriffs oder des Satzinhaltes, den der sprachliche Ausdruck bezeichnet [konnotiert]. Nach dieser hier vorausgesetzten Konzeption definiert eine Definition eines sprachlichen Ausdrucks zugleich den Begriff oder Satzinhalt, der von diesem Ausdruck konnotiert wird, und umgekehrt definiert eine Definition eines Begriffs (oder Satzinhaltes] zugleich den sprachlichen Ausdruck (Definiendum], der in der Definition als Bezeichnung dieses Begriffs (oder dieses Satzinhaltes] verwendet wird. In bezug auf stipulative intensionale Definitionen wird hier also keine Unterscheidung gemacht zwischen Definitionen sprachlicher und nicht-sprachlicher Größen: beides geschieht zugleich. Vgl. oben S. 34 f., A n m . 14. Vgl. Hempel, Fundamentals of concept formation, 4; Leonard, Principles of right reason, 295 f . ('Conceptual Definitions' definieren auch sprachliche Größen!] 3

120

etwas genaueren logischen Terminologie in den Definitionen D 1-4 und den Lehrsätzen S i - S 2 formuliert. Wir stellen zuerst die folgenden Definitionen, D 1 und D 2, auf, wobei die schematischen Buchstaben „g" und „f" genau wie oben für Begriffe stehen. Di.

'g ist eine notwendige logische Bedingung für / ' = D f .

'/ L-impliziert g'. D 2. 'g ist eine hinreichende logische Bedingung für / ' = D f . 'g L-impliziert /'\ Der Begriff 'L-Implikation zwischen Begriffen' muß jetzt näher definiert werden. D 3. '/L-impliziert g ' = D f . 'Es ist logisch notwendig, daß (x) · f(x] ^g(x)' 5 . D 3 gibt die Bedeutung des rechten Gliedes von D 1 an. Die Bedeutung des rechten Gliedes von D 2 erhält man, wenn man in D 3 die Buchstaben „f" und „g" den Platz tauschen läßt. Das rechte Glied von D 3 läßt sich kürzer , , { x ) - f [ x ] L-impliziert g (x)" schreiben6. Dieses rechte Glied ist ein intensionaler Allimplikationssatz, der einen extensionalen Allimplikationssatz „ W ' / M ^ g M " als untergeordnetes Glied enthält. Dieser extensionale Satz besagt, daß für jedes χ gilt, daß χ dann die Eigenschaft g hat, wenn χ die Eigenschaft / hat. Eine Implikation zwischen Begriffen wird zurückgeführt auf eine Implikation zwischen Satzinhalten, die von einem und demselben Gegenstand χ handeln und die von diesem Gegenstand die betreffenden Begriffe prädizieren. Von dem intensionalen Allimplikationssatz щ D 3 gilt, daß er nicht nur deshalb wahr sein kann, weil der Vordersatz ,,/Cx]" in dem betreffenden untergeordneten extensionalen Allimplikationssatz immer, d.h. für alle x, falsch ist. Daduch wird ein trivialer Fall ausgeschlossen, der einen extensionalen Allimplikationssatz wahr machen kann7. Andererseits setzt der 4

Über notwendige und hinreichende Bedingungen, vgl. von Wright, A treatise on in-

duction and probability, 66 f f . [Kap. 3 , § 2, The Logic of Conditions); dort handelt es sich allerdings nur um extensionale, nicht um intensionale Beziehungen zwischen Begriffen. 5

Über logische Notwendigkeit und andere modale Begriffe, siehe Carnap, Meaning

and necessity, 1 7 3 f f . V g l . Pap, Analytische Erkenntnistheorie, Kap. V I . Über intensionale Zusammenhänge, die logische Modalitäten enthalten, siehe Carnap, a.a.O., 48 ff. * Über das Verhältnis der L-Implikation zur logischen Notwendigkeit, siehe Carnap, Meaning and necessity, 1 1 , Definition 2-3Л5; 1 7 4 f f . Eine L-Implikation zwischen zwei Satzinhalten besteht dann und nur dann, wenn eine L-Implikation (im Sinne Carnaps) zwischen zwei Sätzen besteht, die die betreffenden Satzinhalte bezeichnen. Über L Implikation zwischen Sätzen, siehe Carnap, Symbolische Logik, 2 0 f.; Meaning and necessity, 1 1 . 7

Eine materiale (=extensionale) Implikation ist wahr, wenn der Vordersatz falsch ist.

Eine extensionale universale Implikation ist wahr, wenn der Vordersatz immer [d.h.

121

intensionale Allimplikationssatz in D 3 auch nicht notwendig voraus, daß der Vordersatz in dem untergeordneten extensionalen Allimplikationssatz manchmal, für manche Gegenstände χ wahr ist. Jener intensionale Satz macht keine Voraussetzung der betreffenden Art. Sätze, die die logische Notwendigkeit einer Allimplikation aussagen, reden von rein begrifflichen inhaltlichen Beziehungen zwischen Begriffen. Manchmal kann ein Begriff eine sowohl notwendige wie hinreichende Bedingung für einen anderen Begriff sein. Für diese Beziehung gilt der folgende Satz, der aus D 1 und D 2 zusammengenommen folgt. S i. g ist eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für / dann und nur dann, wenn die folgende logische Konjunktion gilt: 'f L-impliziert g. & .g L-impliziert /'. Aus D 3 folgt dann: S 2. Die Konjunktion J L-impliziert g. & .g L-impliziert /' ist dann und nur dann wahr, wenn die folgende Konjunktion gilt: 'Es ist logisch notwendig, daß (x) · / (%} Dg [χ) : & : Es ist logisch notwendig, daß [x] -g (%] 00'· Diese Konjunktion läßt sich kürzer schreiben: '{x]-f g (Υ) : & : ( x ) - g 0 0 L-impliziert

CO L-impliziert

f{x)'.

Wenn ein Begriff eine sowohl notwendige wie hinreichende Bedingung für einen Begriff ist, so werden wir sagen, daß die beiden Begriffe L-äquivalent miteinander sind. Dies folgt aus S 1 zusammen mit der folgenden Definition: D 4. 'f ist L-äquivalent mit g ' = D f . '/ L-impliziert g. & .g L-impliziert /'. In entsprechender Weise besteht eine L-Äquivalenz zwischen Satzinhalten dann und nur dann, wenn die beiden Satzinhalte sich gegenseitig L-implizieren". Die L-Äquivalenz zwischen Begriffen läßt sich daher in entsprechender Weise auf die L-Äquivalenz zwischen Satzinhalten zurückführen wie die L-Implikation zwischen Begriffen auf die L-Implikation zwischen Satzinhalten. So läßt sich die Konjunktion oben in dem rechten Glied von S 2 auch durch den folgenden L-Äquivalenzsatz formulieren: ' 0 0 · f 0 0 i s t L-äquivalent mit g 0 0 ' · für alle Gegenstände χ ] falsch ist. Darüber siehe Carnap, Symbolische Logik, 1 1 , bzw. 36. Über die Wahrheit sprachlicher Sätze, siehe Carnap, a.a.O., 16, 98 ff.; Meaning and necessity, 5 f., 25 f . Über extensionale Sätze überhaupt, siehe Carnap,

Symbolische

Logik, 41 ff., 43 ff. 8

Eine L-Äquivalenz zwischen Satzinhalten besteht dann und nur dann, wenn die

Sätze, die diese Satzinhalte bezeichnen, miteinander L-äquivalent sind. Über L-Äquivalenz zwischen Sätzen, siehe Carnap, Symbolische Logik, 2 1 ; Meaning and necessity, 1 1 .

122

Bei der Konfrontation zwischen der oben ausgeführten Analyse und dem Material wird vorausgesetzt, daß in Definitionen von Wunderbegriffen das Wort „Wunder" das Definiendum ist; ferner wird vorausgesetzt, daß das Wort „Wunder" für den schematischen Buchstaben „ f " in den Definitionen und Sätzen D i - D 4 bzw. S 1 und S 2 oben eingesetzt werden muß, falls man gewisse Sätze im Material genauer umformulieren und nach den Schemata der oben angeführten Definitionen und Lehrsätze präzisieren will. Dann muß man auch das Wort „Wunder" für J " in denjenigen Sätzen einsetzen, die aus D i - D 4, und aus S 1 und S 2 logisch abgeleitet werden können. Die ausgeführten Analysen haben auch Konsequenzen für die logische Stellung der intensionalen Definitionen und ihre Beziehungen zu anderen Sätzen'. Wenn eine intensionale Definition eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den definierten Begriff oder Satzinhalt bzw. für den definierten sprachlichen Ausdruck oder Satz [Definiendum) angeben soll, ist es leicht zu verstehen, daß ein logischer Äquivalenzsatz, der eine logische Äquivalenz zwischen Definiendum und Definiens einer Definition oder zwischen den Begriffen oder Satzinhalten, die vom Definiendum und Definiens einer Definition bezeichnet werden, aussagt, wahr sein kann kraft der entsprechenden Definition. Auch bei einer LÄquivalenz sind nämlich beide Glieder der L-Äquivalenz sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingungen füreinander. Eine L-Äquivalenz kann daher bestehen als Konsequenz davon, daß man Termini so-oder-so definiert hat. In entsprechender Weise kann kraft einer Definition ein Satz wahr sein, der eine L-Implikation zwischen Definiendum und Definiens oder zwischen den von diesen Ausdrücken bezeichneten Begriffen oder Satzinhalten aussagt. Eine solche Definition, die eine L-Implikation begründet, kann sogar unvollständig sein10. Die Begriffe 'notwendige bzw. hinreichende logische Bedingung', 'LImplikation' und 'L-Äquivalenz' haben wir in dem Gedankengang oben auch in bezug auf sprachliche Termini und Sätze verwendet. Die genannten logischen Beziehungen bestehen dann zwischen sprachlichen Termini oder sprachlichen Sätzen [in einer gewissen Sprache S), wenn die entsprechende Beziehung zwischen den Begriffen oder Satzinhalten besteht,

' Über die logische Funktion von Definitionen im Verhältnis zu anderen Sätzen in der Logik und Mathematik, siehe Quine, Truth by convention. Die Gesichtspunkte dort können aber nur mutatis mutandis auf Definitionen in einem theologischen Material angewendet werden. V g l . oben S. 2 5 , A n m . 1. 10

Eine L-Implikation folgt immer aus einer L-Äquivalenz, aber nicht immer timgekehrt.

Dies folgt aus D 4 oben. Siehe Carnap, Symbolische Logik, 2 1 , L 6-6. a.

123

die von diesen sprachlichen Termini oder sprachlichen Sätzen [in einer gewissen Sprache S) bezeichnet, genauer gesagt: konnotiert werden11. B. Logische Beziehungen zwischen Bestimmungselementen und Wunderbegriffen Solche Bestimmungselemente, wie sie in den folgenden Kapiteln erörtert werden, können im Verhältnis zu den verschiedenen Wunderbegriffen, die bei den Verfassern im Material vorkommen, eine verschiedene Stellung einnehmen: in den meisten Fällen dienen solche Bestimmungselemente nur als Teilbestimmungen von Wunderbegriffen, während sie in einigen anderen Fällen (an anderen Textstellen, bei anderen Verfassern) als Totalbestimmungen von Wunderbegriffen auftreten; in dem letzteren Falle bilden sie eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den betreffenden Wunderbegriff. Teilbestimmungen von Wunderbegriffen müssen auf eine bestimmte Weise mit anderen Teilen zusammengefügt sein, damit der so zusammengefügte Komplex dieser Teilbestimmungen einen dem Wunderbegriffe L-äquivalenten Begriff bildet, m.a.W. damit die Teilbestimmungen zusammen eine vollständige sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den betreffenden Wunderbegriff ergeben. Zwei solche Arten, Begriffe und Bestimmungen [damit auch Teilbestimmungen eines Begriffs) zu Komplexen zusammenzufügen, haben in diesem Zusammenhang eine entscheidende Bedeutung: logische Konjunktion und Disjunktion. Komplexe können ihrerseits Teile sein von übergeordneten Komplexen. Dadurch können Konjunktion und Disjunktion miteinander kombiniert werden in verschiedener Über- und Unterordnung. Eine zusammengesetzte notwendige Bedingung bzw. eine zusammengesetzte hinreichende Bedingung kann also entweder ein konjunktiver oder ein disjunktiver Komplex von einfacheren Bestimmungselementen sein. Diese Bestimmungselemente können ihrerseits konjunktive oder disjunktive Komplexe von noch einfacheren Bestimmungen sein u.s.w. Es ist von unerhört großer logischer Bedeutung zu bemerken, daß Negationen, Konjunktionen und Disjunktionen von Begriffen (Bestimmungen, Eigenschaften einschließlich Relationen) hier als Begriffe und nicht als Sätze aufgefaßt werden. Dies ist umso wichtiger zu bemerken, als oben Implikationen und Äquivalenzen zwischen Begriffen so hingestellt worden sind, daß sie Satzinhalte bilden, die eine Beziehimg zwischen zwei Begriffen aussagen. Übrigens können Konjunktionen und Disjunktionen (auch die betreffenden komplexen Begriffe) mehr als zwei Glieder haben. 11

In bezug auf L-Implikation und L-Äquivalenz geht C a m a p den umgekehrten W e g :

er läßt diese Beziehungen primär zwischen sprachlichen Sätzen bestehen. V g l . Symbolische Logik, 19 f f . ; Meaning and necessity, 1 1 . V g l . oben, A n m . 6, 8.

124

Doch können Negationen, Konjunktionen und Disjunktionen von Begriffen mit Hilfe von entsprechenden Verknüpfungen zwischen Satzinhalten definiert werden, genauer gesagt durch die Terminologie entsprechender Verknüpfungen zwischen Aussagefunktionen12: D 5 . Negation: 'Nicht-g (%]'=Df. 'Nicht-(gO)) & С 3 эО D 6. Konjunktion: '/ & g & h ( V ) ' = D f . 7 0 ] & g(x) &

У=х'·

hfr)'.

D 7. Disjunktion: ' f V g V h ( V ) ' = D f . ' / (>] V g [χ] V h W " . Da der Begriff 'Bestimmungselement' ein zentraler Begriff in dieser Untersuchung ist, ist es von Bedeutung, die verschiedenen logischen Beziehungen genauer darzulegen, die ein Bestimmungselement im Verhältnis zu gegebenen Wunderbegriffen im Material haben kann. Fünf solche einfacheren Arten von Bestimmungselementen können vom logischen Gesichtspunkt aus unterschieden werden, wenn man sie nach ihrer logischen Funktion im Verhältnis zu dem betreffenden Wunderbegriff einteilt: 1. 2. 3. 4.

eine sowohl notwendige wie hinreichende Bedingung. eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. hinreichende, aber nicht notwendige Bedingung. Teilglied einer notwendigen Bedingung, das für sich allein keine notwendige Bedingung ist. 5. Teilglied einer hinreichenden Bedingung, das allein für sich nicht eine hinreichende Bedingung ist. Die Unterscheidung dieser fünf möglichen Fälle in bezug auf die logische Funktion eines Bestimmungselements ermöglicht es, jetzt eine Terminologie zu präzisieren, die in den vorangehenden Kapiteln schon mehrmals angewendet wurde. Ich rechne mit drei engeren Begriffen als dem Begriff 'Bestimmungselement': 1. Der Terminus „Totalbestimmung" deckt den Fall 1 oben, aber nur diesen Fall. 2. Die Termini „Teilbestimmung" oder „Teilglied" decken in disjunktiver Weise alle übrigen Fälle [2-5]. 3. Der Terminus „Teilinhalt" [in bezug auf sprachliche Größen: „Teil" Über Aussagefunktionen, vgl. Carnap, Der logische Aufbau der Welt, 37 f. C§ 28]. 13 Vgl. hierzu Carnap, Symbolische Logik, 106 f., D 28-1. Eine Konjunktion und eine Disjunktion können zwei oder mehrere Glieder haben. Die Definitionen D 6 und D 7 gelten mutatis mutandis für Konjunktion bzw. Disjunktion mit zwei oder mehreren Gliedern. Die Negation im rechten Glied von D 5 bestimmt nur das erste Glied der Konjunktion. „ = " steht für Identität zwischen Gegenständen, „ V " für Disjunktion. Über Identität, siehe Carnap, Symbolische Logik, и 1 f. Vgl. Der logische Aufbau der Welt, 216 ff. (§ 159]; Frege, Sinn und Bedeutung; Quine, From a logical point of view, 65 ff. (Aufsatz IV).

125

konnotation"} deckt nur die Fälle 2 und 5. Ein 'Teilinhalt' kann also definiert werden als ein Bestimmungselement, das eine nicht hinreichende Bedingung des zu bestimmenden Begriffs bildet. Nicht alle dieser fünf Funktionen eines Bestimmungselements schließen aber einander aus. Die folgenden drei Konjunktionen von zwei einfacheren Arten von Bestimmungselementen sind möglich: 2 & 5, 3 & 4, 4 &. 5. Die Art 2 oben ist also vereinbar mit 5, 3 mit 4 und 4 mit 5. Würde man die fünf Arten (=Funktionen) oben so auffassen, daß sie alle einander gegenseitig ausschließen würden, so würden sie auf der anderen Seite nicht alle Möglichkeiten erschöpfen: zu den fünf Möglichkeiten 1 - 5 oben kämen die drei genannten Konjunktionen hinzu, so daß die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten zusammen 8 wäre. Man müßte dann zwar den 8 Alternativen einen anderen Inhalt geben, so daß keine Alternative eine Konjunktion von zwei anderen der 8 Alternativen wäre - die 8 Alternativen würden vielmehr einander ausschließen und zusammen alle Möglichkeiten erschöpfen, die von dem Begriff 'Bestimmungselement' zugelassen sind. Die logische Struktur der oben erwähnten fünf Funktionen eines Bestimmungselements im Verhältnis zu dem betreffenden Begriff wird jetzt etwas erhellt durch die Aufstellung von logischen Lehrsätzen (L i - L 6), die auf den oben aufgestellten Definitionen von den Begriffen 'notwendige bzw. hinreichende logische Bedingung'14 sowohl wie auf den Definitionen von Negation, Konjunktion, Disjunktion15 und L-Implikation" von Begriffen zusammen mit Gesetzen der Logik aufbauen. Analogien zu den satzlogischen Gesetzen für Konjunktion und Disjunktion im Verhältnis zur Implikation gelten auch für die entsprechenden Verknüpfungen zwischen Begriffen17. In den folgenden Lehrsätzen rechnen wir mit logischer Implikation zwischen Begriffen". L i. Wenn eine notwendige Bedingung eine Konjunktion ist, so ist jedes Teilglied der Konjunktion allein für sich eine notwendige Bedingung [für denselben Begriff], und umgekehrt". 11

D ι und D 2 oben S. 1 2 1 .

15

D 5 , D 6 und D 7 oben S. 1 2 5 .

"

D 3 oben S. 1 2 1 .

17

Über solche satzlogischen Gesetze, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 3 2 . Für

Konjunktion im Verhältnis zur Implikation, siehe Satz L 8-6.n [ 8 ) , [ 9 ] . Für Disjunktion im Verhältnis zur Implikation, L 8-6.0 [ 3 ) , [ 4 ) . 18

Logische Implikation wurde in D 3 oben S. 1 2 1 mit Hilfe von materialer univer-

saler Implikation zwischen Aussagefunktionen definiert. Über Aussagefunktionen, siehe oben Anm. 12. 1B

Z u den Lehrsätzen L 1 - L 2 ,

126

vgl. von Wright, A

treatise on induction and prob-

Wenn eine notwendige Bedingung für f eine Konjunktion ist, z.B. 'g & h & k', so gilt nach D ι in Abschnitt Α folgendes: f impliziert 'g & h & k'. Aber daraus folgt auch, daß f jedes der drei Glieder g, h und k allein für sich impliziert. Auch in umgekehrter Richtung gilt die logische Folgebeziehung. L 2. Wenn eine hinreichende Bedingung eine Disjunktion ist, so ist jedes Teilglied der Disjunktion allein für sich eine hinreichende Bedingung [für denselben Begriff], und umgekehrt. Wenn eine hinreichende Bedingung für f eine Disjunktion ist, z.B. 'g V h V k', so gilt nach D 2 folgendes: 'gVhVk' impliziert f. Daraus folgt aber auch, daß g allein für sich / impliziert und daß h und k allein für sich f impliziert. Die Folgebeziehung geht auch in umgekehrter Richtung. L 3. Ein Teilglied einer notwendigen Bedingung, das selbst allein für sich nicht eine notwendige Bedingung [für denselben Begriff) ist, muß ein disjunktives Teilglied der betreffenden notwendigen Bedingung sein. Diese notwendige Bedingung muß also eine Disjunktion sein. Durch Kontraposition von L 1 gilt das Folgende20: Wenn ein Teilglied einer notwendigen Bedingung allein für sich nicht eine notwendige Bedingung ist, so kann die betreffende notwendige Bedingung nicht eine Konjunktion von diesen Teilgliedern sein. Die notwendige Bedingung muß dann eine Disjunktion sein. L 4. Ein Teilglied einer hinreichenden Bedingung, das selbst allein für sich nicht eine hinreichende Bedingung [für denselben Begriff] ist, muß ein konjunktives Teilglied der betreffenden hinreichenden Bedingung sein. Diese hinreichende Bedingung muß also eine Konjunktion sein. ability, 68. Z u L ι vgl. Satz Τ 8 bei von Wright; Z u L 2 Satz Τ 7. L 1 stützt sich auf die erwähnten satzlogischen Gesetze für Konjunktion, und L 2 auf die erwähnten Gesetze für Disjunktion [oben Anm. 17]. Beide stützen sich ferner darauf, daß diese Gesetze auch für die entsprechenden universalen Äquivalenzen gelten, [Siehe Carnap, Symbolische Logik, 53, Satz L 13-4.8 und d.) und ferner auf das Distributionsgesetz L 15-2.с ( ι ) , a.a.O., 62. Die Gesetze für Konjunktion und Disjunktion im Verhältnis zur Implikation gelten auch für die stärkere logische Implikation, vgl. Hilbert-Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, 37 ff., 39; die Grundformeln [7) und (10] mit Hilfe von (3), [5), (6), (8) und [9), ergeben die entsprechenden Gesetze. 20 Die Kontraposition der Negation findet sich der Sache nach in den folgenden Lehrsätzen in Carnap, Symbolische Logik, 3 i : L 8 - 6 . i , ( i ) - ( 5 ] , unter den Namen „Gesetze der Wendung [Transposition)". Der Terminus „Kontraposition" findet sich in Hilbert-Bernays, Grundlagen der Mathematik, I, 84. Dasselbe Gesetz für logische Implikation siehe Hilbert-Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, 39, Grundformel (12).

127

Durch Kontraposition von L 2 gilt folgendes: Wenn ein Teilglied einer hinreichenden Bedingung allein für sich nicht eine hinreichende Bedingung ist, so kann die betreffende hinreichende Bedingung nicht eine Disjunktion von diesem Teilglied und anderen Teilgliedern sein. Wenn (nach L 4) g nicht f impliziert, so kann auch nicht 'g V h V k' f implizieren. Die hinreichende Bedingung ist infolgedessen eine Konjunktion. L 3 und L 4 erhellen zwei interessante logische Begriffe, nämlich die Kategorien 4 und 5 der oben genannten Arten von Bestimmungselementen: disjunktive Teilglieder von notwendigen Bedingungen, die für sich allein keine notwendige Bedingung für denselben Begriff bilden, und andererseits konjunktive Teilglieder von hinreichenden Bedingungen, die selbst nicht hinreichend für denselben Begriff sind. Da ein Definiens eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den definierten Begriff bezeichnet, so folgen ferner die folgenden zwei Lehrsätze (L 5 und L 6] aus L i - L 4: L 5. Wehn ein Definiens eine Konjunktion bezeichnet [wenn infolgedessen eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den definierten Begriff eine Konjunktion ist), so ist jedes Teilglied in der Konjunktion allein für sich eine notwendige ( L i ) , aber nicht immer eine hinreichende Bedingung (L 4) für den definierten Begriff. L 6. Wenn ein Definiens eine Disjunktion bezeichnet (und wenn infolgedessen eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den definierten Begriff eine Disjunktion ist), so ist jedes Teilglied in der Disjunktion allein für sich eine hinreichende (L 2), aber nicht immer eine notwendige Bedingung (L 3) für den definierten Begriff. Die Lehrsätze L i - L 6 erhellen den Begriff 'Bestimmungselement' in allen seinen verschiedenen Arten dadurch, daß sie die verschiedenen möglichen logischen Beziehungen erhellen, in denen ein Bestimmungselement im Verhältnis zu dem bestimmten Begriff stehen kann. Ein Bestimmungselement braucht also nicht eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den betreffenden Wunderbegriff zu sein. Daraus folgt aber auch, daß ein Bestimmungselement als solches auch in einem schwächeren Satz" als in einer vollständigen Definition oder in einem L-Äquivalenzsatz hingestellt werden kann. Ein L-Implikationssatz oder eine unvollständige Definition genügt, um einen Begriff als Bestimmungselement eines Wunderbegriffs zu erwähnen. In der künftigen Analyse der Bestimmungselemente kann also ein Bestimmungselement auch 21 Die Termini „stärker" und „schwächer" in bezug auf Sätze, Satzinhalte und Begriffe •werden hier so gebraucht, daß ein 'stärkerer' Begriff (Satzinhalt, Satz) einen 'schwächeren' logisch impliziert, aber nicht umgekehrt.

128

durch einen L-Implikationssatz oder durch eine unvollständige Definition als Präzisierung eines Beispiels aus dem Material belegt werden, wenn ein bestimmtes Bestimmungselement in einer bestimmten logischen Funktion nicht durch eine vollständige Definition aus dem Material belegt werden kann. Es gibt auch andere mögliche logische Beziehungen zwischen Begriffen als die, die durch den Begriff 'Bestimmungselement' gedeckt werden. In den Analysen der folgenden Teile werden uns derartige andere Beziehungen begegnen, z.B. die Beziehung zweier Klassen, wenn die eine die Abbildung der anderen in bezug auf eine bestimmte Relation ist22. So ist z.B. die Klasse aller Väter von [mindestens) einem Studenten die Abbildung der Klasse aller Studenten in bezug auf die Vaterrelation. Eine entsprechende Relation trifft dann zwischen den Begriffen 'Vater von [mindestens] einem Studenten' und 'Student' zu. Es ist zu bemerken, daß die logischen Beziehungen, die außerhalb der Anwendung des Begriffs 'Bestimmungselement' liegen, nur definiert werden können mit Hilfe von Begriffen der Relationslogik. Adäquatheitsbedingungen, die logische Beziehungen zwischen Wunderbegriffen und anderen Begriffen darstellen, sind oft schwer zu unterscheiden von Definitionen und von solchen Sätzen, die Bestimmungselemente in Wunderbegriffen angeben23. Die Klasse der Begriffe, zu denen der Wunderbegriff in einer logischen Beziehung steht, umfaßt nämlich auch solche Begriffe, die als Bestimmungselemente in dem betreffenden Wunderbegriff enthalten sind. Die Schwierigkeit der genannten Unterscheidung besteht gerade in solchen Fällen, wo der Verfasser im Material die Art der logischen Beziehung zwischen dem Wunderbegriff und dem anderen Begriff nicht näher bestimmt. C. Die Unterscheidung zwischen partikularen und totalen Wunderbegriffen. Die Beziehungen zwischen über- und untergeordneten Begriffen Ein Bestimmungskomplex, ein Begriff kann von einem Verfasser im Material entweder als eine Bestimmung von nur einigen Wundern oder als eine Bestimmung von allen Wundern hingestellt werden. In manchen Fällen wird im Material eine Bestimmung als konstitutiv für eine bestimmte Gattung von Wundern hingestellt, und in anderen Fällen kann 22

Über die Abbildung einer Klasse in bezug auf eine bestimmte Relation, siehe Carnap, Symbolische Logik, 127. 23 Vgl. die Beispiele in Kap. 1 В und 3 C . Siehe oben, den angeführten Kontext von Traub S. 34 f f . [besonders die 'Heilsbedeutung' des Wunders S. 3 5 ] , von Hunzinger S. 106 f f . ('Heil' und 'Offenbarung' S. 108), und den Kontext von Künneth S. 109 f . ('Offenbarung' S. 1 1 0 ] . 9 - 566-3501

X29

dieselbe Bestimmung als eine Bestimmung aller Wunder hingestellt werden. In manchen Fällen gibt sich vielleicht ein Verfasser damit zufrieden, einen engeren Wunderbegriff zu bestimmen, der auch ihm selbst zufolge nicht auf alle Wunder zutrifft, sondern nur auf manche von ihnen. Wenn die Rede ist von nur einer gewissen Gattung von Wundern oder von einem Wunderbegriff, der einem Verfasser zufolge nicht auf alle Wunder zutrifft, kann die Situation bei dem analysierten Verfasser auf verschiedene Weise interpretiert werden: a) Entweder haben wir es mit einem generellen Wunderbegriff zu tun, der als übergeordneter Begriff verschiedene untergeordnete, spezifische Begriffe unter sich hat, b) oder wir stehen vor mehreren, ganz verschiedenen Wunderbegriffen von verschiedenem logischen Typus2*. Wenn es unter den Bestimmungsgegenständen, die von einem Verfasser als Wunder hingestellt werden, Gegenstände von verschiedenem logischen Typus gibt, so müßten vielleicht die Gegenstände der verschiedenen logischen Typen als ganz verschiedenen Wunderbegriffen zugehörig angesehen werden, da sich Schwierigkeiten ergeben könnten, wenn man Klassen von Gegenständen von verschiedenem logischen Typus als gleichgeordnete Teilklassen einer größeren Klasse zusammenführt. In einem solchen Falle wäre der betreffende Wunderbegriff systematisch mehrdeutig in dem technischen Sinne der logischen Typentheorie25. Wir werden aber den ersten Fall a) oben betrachten, und in diesem Falle nennen wir die untergeordneten, spezifischen Wunderbegriffe partikulare Wunderbegriffe und den generellen Wunderbegriff nennen wir einen totalen Wunderbegriff. Ein Begriff ist ein partikularer oder ein totaler Wunderbegriff nur relativ zum Material, d.h. je nachdem ein bestimmter Verfasser ihn als solchen hingestellt hat. So kann der totale Wunderbegriff eines Verfassers bei einem anderen Verfasser vielleicht nur als ein partikularer Wunderbegriff dienen. Ferner ist ein partikularer Wunderbegriff im Material immer nur ein partikularer Wunderbegriff relativ zu einem totalen Wunderbegriff desselben Verfassers, der als solcher bei dem Verfasser wenigstens implizite vorausgesetzt, wenn nicht explizite formuliert ist. Jeder partikulare Wunderbegriff ist mindestens einem totalen Wunderbegriff im Material untergeordnet. Ein partikularer Wunderbegriff ist im Verhältnis zu einem ihm über24

Über logische Typen, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 80 ff.; über logische

Stufen, a.a.O., 65 f. Die Einteilung in Stufen ist die grundlegende: Verschiedene Stufen implizieren verschiedene Typen, aber nicht immer umgekehrt. Über logische „Gegenstandssphären", vgl. Carnap, D e r logische A u f b a u der Welt, 3 8 ff. 25

Über 'systematische Mehrdeutigkeit', vgl. z.B. Stebbing, Α modern introduction to

logic, 1 6 1 f.

130

geordneten totalen Wunderbegriff ein untergeordneter, spezifischer Begriff, während der totale Wunderbegriff ein generellerer Begriff ist. Ganz allgemein werden wir einen übergeordneten, generellen Begriff „Genus" und einen untergeordneten, spezifischen Begriff „Spezies" nennen. Dabei ist zu bemerken, daß sowohl die Begriffe 'Genus' wie 'Spezies' Relationsbegriffe sind. Ein Begriff / ist Genus nur im Verhältnis zu bestimmten anderen Begriffen und auch Spezies nur im Verhältnis zu bestimmten Begriffen. Ein Begriff kann dagegen nicht im Verhältnis zu demselben Begriff g sowohl Genus wie Spezies sein. Die Begriffe 'Genus' und 'Spezies' schließen einander in derselben Beziehung aus. Die Relationen 'Genus' und 'Spezies' sind Umkehrungen voneinander: Wenn f ein Genus im Verhältnis zu g ist, so ist g eine Spezies im Verhältnis zu f, und vice versa25. Die Beziehungen eines partikularen zu einem ihm zugeordneten totalen Wunderbegriff sowohl wie die generelleren Beziehungen zwischen einer Spezies / und einem Genus im Verhältnis zu / können am besten weiterentwickelt werden, wenn man die logischen Begriffe zur Hilfe nimmt, die in der Darstellung schon eingeführt worden sind: Konjunktion, Disjunktion, Implikation, notwendige bzw. hinreichende Bedingung. Mit Hilfe dieser Begriffe formulieren wir die folgenden Lehrsätze für das Verhältnis zwischen Genus und Spezies: 1. Ein Genus ist eine Disjunktion, ein disjunktiver Komplex aller seiner Spezies. Zu beachten ist, daß die Glieder eines disjunktiven Begriffs nicht einander auszuschließen brauchen; die Umfänge der Glieder dürfen sich kreuzen". Eine Konsequenz von i.: Ein totaler Wunderbegriff, der mindestens einem partikularen Wunderbegriff zugeordnet ist, ist ein disjunktiver Komplex. Die partikularen Wunderbegriffe, denen der totale Wunderbegriff zugeordnet ist, sind Glieder der betreffenden Disjunktion, die aber außerdem auch solche Glieder enthalten kann, die im Material nicht explizite als partikulare Wunderbegriffe hingestellt sind. 2. Die Konjunktion '/ & g' von einem Genus / und einem anderen Begriff g ist eine Spezies von / und eine Spezies von g, wenn f und g nicht miteinander identisch sind, und wenn der eine Begriff nicht den anderen Begriff L-impliziert. " Uber Umkehrungen von Relationen, siehe Camap, Symbolische Logik, ΪΙ6. 27 Es handelt sich um eine einschließliche, inklusive Disjunktion. Die Definition von 'Disjunktion' zwischen Begriffen findet sich in D 7, S. 125 oben. 'Disjunktion' zwischen Begriffen wird dort durch 'Disjunktion' zwischen Satzinhalten [bzw. zwischen Aussagefunktionen] definiert. Die letztere Disjunktion wiederum ist dort so verstanden, wie sie in dem Satzkalkül verstanden wird: als inklusive Disjunktion. Darüber siehe Carnap, Symbolische Logik, 7, 1 1 . Für Disjunktion zwischen Begriffen, vgl. a.a.O., 107, D 28-1 .b. 131

Wir können daher den Ausdruck „Wunder &. h" als Schema für einen partikularen Wunderbegriff aufstellen, wenn „Wunder" dabei für den ihm zugeordneten totalen Wunderbegriff steht. Hierbei wird vorausgesetzt, daß 'Wunder' nicht h L-impliziert, denn im entgegengesetzten Falle wäre 'Wunder & h' L-äquivalent mit 'Wunder'". Ein partikularer Wunderbegriff kann aber mit dem ihm zugeordneten totalen Wunderbegriff nicht L-äquivalent sein. 3. Eine Spezies / L-impliziert jedes Genus im Verhältnis zu f . Eine Spezies ist eine hinreichende logische Bedingung für sein Genus: Säugetier zu sein ist eine hinreichende logische Bedingung dafür, Wirbeltier zu sein. Ein Genus wiederum ist eine notwendige logische Bedingung für jede von seinen Spezies: Wirbeltier zu sein ist eine notwendige logische Bedingung dafür, Säugetier zu sein. Die Konjunktion 'Wunder & h' L-impliziert den Begriff 'Wunder'2". 'Wunder & h' ist eine hinreichende logische Bedingung für 'Wunder'. Der Begriff 'Wunder' wiederum ist eine notwendige logische Bedingung für 'Wunder & h'. Die Beziehungen zwischen Begriffen, die konstitutiv sind für die Begriffe 'Genus' und 'Spezies' und für die Begriffe 'partikularer bzw. totaler Wunderbegriff', sind intensional, d.h. sie nehmen Bezug auf Begriffsinhalte. Allerdings folgen aus solchen intensionalen Beziehungen auch extensionale Beziehungen, d.h. Beziehungen zwischen den Umfängen von Begriffen. Umfange von Begriffen sind Klassen. Aus extensionalen Beziehungen folgen auch einige intensionale Beziehungen. So ist der extensionale Fall, der im Anfang dieses Abschnitts angedeutet wurde und der sich auf manche, aber nicht alle Wunder bezog, hinreichend aber nicht notwendig, um einen partikularen Wunderbegriff als Spezies eines totalen Wunderbegriffs zu konstituieren. Sowohl ein partikularer wie ein totaler Wunderbegriff könnte z.B. umfangsleer sein. 18

Generell gilt: aus dem Satzinhalt 'g L-impliziert ti folgt, daß 'g & h' mit g L-äquivalent ist, und umgekehrt. Für die satzlogische Analogie hierzu, siehe Carnap, Symbolische Logik, 3 1 , Satz L 8 - 6 . j (3). Die Gültigkeit dieses Satzes auch für universale Implikationen folgt aus L 1 3 - 3 Λ a.a.O., 52. Die Gültigkeit dieser Sätze auch für L Implikation und L-Äquivalenz folgt durch Hinzunahme der Lehrsätze L 6-4, L 6 - 7 , L 6 - i . a . und L6-6.a. a.a.O., 20 f. L-Implikation und L-Äquivalenz zwischen Sätzen und Satzformeln begründen dieselben Beziehungen zwischen Satzinhalten nach den Voraussetzungen in Abschnitt Α oben. Durch die letzteren Beziehungen werden in Abschnitt Α die entsprechenden Beziehungen zwischen Begriffen definiert, siehe oben D 3, D 4 auf S. 121 f . 29

Eine Konjunktion impliziert ihre eigenen Glieder. Siehe Carnap, Symbolische Logik, 27, Satz 8-2.b. Über die Übertragbarkeit dieses Gesetzes auf Prädikate gilt mutatis mutandis das oben in Anm. 19 Gesagte.

132

Der Umfang einer Disjunktion von Begriffen ist eine Klasse d, die die Umfange der Glieder (Spezies] der Disjunktion als Teilklassen unter sich einschließt. Nun könnten aber beliebig viele dieser Teilklassen umfangsleer sein, und der Fall ist möglich, daß nur eine Teilklasse von d nicht-leer ist. Dann fällt diese Teilklasse mit der Klasse d zusammen30. Daraus, daß zwei Begriffe denselben Umfang haben, läßt sich also nichts in bezug auf ihre intensionalen Beziehungen zueinander schließen, mit der trivialen Ausnahme der logischen Vereinbarkeit, falls der Umfang nicht-leer ist. Dagegen müssen umgekehrt zwei L-äquivalente Begriffe eo ipso auch denselben Umfang haben31. Durch Kontraposition der Negation folgt daraus: wenn zwei Begriffe nicht denselben Umfang haben, dann können sie auch nicht miteinander L-äquivalent sein. Soweit das Verhältnis zwischen extensionalen und intensionalen Beziehungen. Nun zurück zu den intensionalen Beziehmgen partikularer Wunderbegriffe. Eine vollständige Definition auch eines partikularen Wunderbegriffs soll in ihrem Definiens eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für diesen partikularen Wunderbegriff hinstellen. Wir werden darum im folgenden unser Interesse auf die Frage konzentrieren, wie notwendige und hinreichende logische Bedingungen für partikulare Wunderbegriffe aussehen im Verhältnis zu entsprechenden Bedingungen für einen totalen Wunderbegriff, der diesen partikularen Wunderbegriffen als Genus übergeordnet ist. 4. Nehmen wir zuerst den Begriff g als eine hinreichende logische Bedingung für einen partikularen Wunderbegriff. Wir benutzen hierbei die oben eingeführte schematische Bezeichnung eines partikularen Wunderbegriffs „Wunder & h". Daß g eine hinreichende Bedingung für 'Wunder &.h' ist, bedeutet folgendes: g L-impliziert 'Wunder 8t h'. Daraus folgt wiederum der folgende Satzinhalt: g L-impliziert 'Wunder'. Aus dem Gesagten folgt, daß hinreichende Bedingungen für einen partikularen Wunderbegriff auch hinreichende Bedingungen sind für den totalen Wunderbegriff, der dem betreffenden partikularen Wunderbegriff als Genus übergeordnet ist. Das, was die Konjunktion 'Wunder & h' impliziert, impliziert auch 'Wunder'. Dagegen gilt das Umgekehrte nicht notwendig in allen Fällen: eine hinreichende Bedingung für einen totalen Wunderbegriff braucht nicht eo ipso auch eine hinreichende Bedingung für einen partikularen Wunderbegriff, der diesem totalen Wunderbegriff untergeordnet ist, zu sein. 30 Zwei Klassen sind identisch, wenn sie genau dieselben Elemente С=Mitglieder] haben. Siehe Hilbert-Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, 46. 31 Darüber, daß zwei L-äquivalente Begriffe eo ipso auch denselben Umfang haben, siehe Carnap, Meaning and necessity, 18 f., 14, 10 die Sätze 4-10 bis 4-15, 3-5 und 2-1.

1ЗЗ

5· Wenn g eine notwendige Bedingung für einen partikularen Wunderbegriff ist, gilt eo ipso das folgende: 'Wunder &.h' L-impliziert g. Dies folgt wiederum aus dem Satzinhalt, daß der Begriff 'Wunder' allein g Limpliziert32. Dagegen folgt der letztere Satzinhalt nicht aus dem ersteren, daß die Konjunktion 'Wunder fkti g L-impliziert. Notwendige Bedingungen für einen totalen Wunderbegriff sind also auch notwendige Bedingungen für jeden partikularen Wunderbegriff, der dem totalen Wunderbegriff als eine Spezies desselben untergeordnet ist. Wenn der Begriff 'Wunder' g L-impliziert, so L-impliziert die Konjunktion 'Wunder & ti auch g. Dagegen gilt das Umgekehrte nicht notwendig in allen Fällen. Sowohl Bestimmungselemente in Wimderbegriffen wie andere Begriffe, die einem Verfasser im Material zufolge zu dem Wunderbegriff in irgendeiner Art logischer Beziehung stehen sollen, können eine Art - mehr oder weniger systematischer - Mehrdeutigkeit haben, die von dem Verfasser im Material selbst bemerkt und erwähnt wird. Einen solchen von dem Verfasser im Material selbst als mehrdeutig bemerkten und erwähnten Begriff werden wir einen „explizite mehrdeutigen Begriff" nennen. Explizite mehrdeutige Begriffe aktualisieren ähnliche logische Probleme wie die Relation zwischen partikularen und totalen Wunderbegriffen, worauf wir später nach der Präsentation einiger Beispiele aus dem Material zurückkommen werden. Einen explizite mehrdeutigen Wunderbegriff finden wir bei Mensching. Nach ihm soll zunächst von dem allgemein üblichen Begriff des Wunders ausgegangen werden, und ihn wollen wir folgendermaßen definieren: Wunder ist das Ereigniswerden des Unmöglichen. Der Begriff des Unmöglichen ist dabei eine variable Größe; denn es kann sich handeln lim das von dem Frühzeitmenschen für unmöglich Gehaltene, das aber nach heutiger Erkenntnis keineswegs unmöglich ist, oder um das nach heutiger Erkenntnis absolut Unmögliche33.

Daß der Begriff das 'Ereigniswerden des Unmöglichen' ein explizite mehrdeutiger Begriff ist, wird von Mensching selbst durch den Ausdruck „variable Größe" angedeutet. Unmittelbar darauf nennt Mensching selbst dann einige von den verschiedenen Bedeutungen, die unter diesen Begriff fallen". 32 'Wunder & h' L-impliziert immer 'Wunder' [Siehe oben, Anm. 29}. Wenn 'Wunder' dann wiederum g L-impliziert, so folgt die erwähnte L-Implikation zwischen 'Wunder & h' und g aus der Transitivität der L-Implikation. Darüber siehe Carnap, Symbolische Logik, 20, Lehrsatz L6-3.b. 33 Mensching, Das Wunder im Glauben und Aberglauben der Volker, 9. 31 Dies geschieht übrigens noch ausführlicher an einer anderen Stelle, wo Mensching auch die explizite Mehrdeutigkeit des Begriffs des Unmöglichen durch den Ausdruck

134

Manchmal kann ein solcher explizite mehrdeutiger Wunderbegriff seine explizite Mehrdeutigkeit erhalten durch eine entsprechende explizite Mehrdeutigkeit in einem anderen Begriff, zu dem der Wunderbegriff dem Verfasser zufolge in einer gewissen logischen Beziehung steht. Ziller schreibt z.B.: „Ist der biblische Gottesbegriff... kein einheitlicher, so kann auch der biblische Wimderbegriff kein einheitlicher sein"35. Ziller spricht ferner von „Wandlungen ... die, denen der Gottes- und Weltanschauung entsprechend, die biblischen Wundervorstellungen durchgemacht haben"". Der Wunderbegriff der Bibel wird von Ziller hier als explizite mehrdeutig hingestellt und diese Mehrdeutigkeit im Wunderbegriff ist ihm zufolge eine Funktion einer entsprechenden Mehrdeutigkeit im Gottesbegriff der Bibel. Das oben zuletzt angeführte Beispiel könnte logisch so rekonstruiert werden, daß der Wunderbegriff zuerst definiert würde als eine bestimmte Beziehung zu Gott, z.B. 'Gottes Handlung'. Der nächste logische Schritt wäre der, daß der Verfasser die Mehrdeutigkeit im Gottesbegriff konstatiert; damit impliziert er weiterhin eine entsprechende Mehrdeutigkeit im Wunderbegriff. Wir gehen jetzt zu der Frage über, welche logischen Beziehungen zwischen Begriffen bei einem explizite mehrdeutigen Begriff bestehen. Wir werden auch bei dem Vorliegen eines explizite mehrdeutigen Begriffs bei einem Verfasser im Material diesen Begriff auf zwei verschiedene Weisen interpretieren können, die den Alternativen a] und b) am Anfang dieses Abschnitts entsprechen. a) Entweder ist der explizite mehrdeutige Begriff ein Genus, eine Disjunktion von verschiedenen Spezies, b] oder der 'explizite mehrdeutige Begriff ist nicht ein Begriff im eigentlichen Sinne, sondern ein Inbegriff mehrerer ganz verschiedener Begriffe von verschiedenem logischen Typus. Dieser Fall liegt nur dann vor, wenn es Vinter den Bestimmungsgegenständen, die nach einem Verfasser unter den 'mehrdeutigen' Begriff fallen, Gegenstände von verschiedenem logischen Typus gibt. Der Fall b] ist aber kontrovers, vielleicht genügt der Fall a) für alle Textstellen im Material von explizite mehrdeutigen Be„verschiedene Bezugsmöglichkeiten" andeutet. Er fährt fort: „Es kann sich um Unmögliches an sich oder um Unmögliches für den Menschen handeln, wobei dann wieder z u unterscheiden ist, ob das an sich Unmögliche auch von denen, die davon berichten, f ü r unmöglich gehalten wird oder von uns heute auf Grund unserer Kenntnis der Naturgesetze." Ferner schreibt er, daß w i r „beachten müssen, daß auch das f ü r den Durchschnittsmenschen Unmögliche zwar in früherer Zeit als solches galt, heute aber f ü r durchaus menschenmöglich gelten m u ß , weil es heute natürlich erklärbar ist". Mensching, 79. 35 Ziller, Die biblischen W u n d e r in ihrer Beziehung zu den biblischen W e l t - und G o t tesvorstellungen, 4 f. 38 Ziller, 5.

135

griffen. Die gegebenen Beispiele aus dem Material deuten auch in die Richtung von Fall a) oben. Oft wird ein explizite mehrdeutiger Begriff von dem Verfasser selbst und in den Quellen, auf die der Verfasser sich bezieht, von einem einzigen Wort bezeichnet. Wenn ein Wort, das von einem Verfasser im Material erwähnt wird, auch von diesem Verfasser selbst als mehrdeutig bemerkt und dargestellt wird, werden wir von einem „explizite mehrdeutigen Wort" sprechen. Alternativ sprechen wir von einer „explizite mehrdeutigen Anwendung" eines Wortes. So können z.B. bei einer Begriffsbildung, die von dem Sprachgebrauch ausgeht, die Wörter, die als Ausgangspunkt für die Begriffsbildung gewählt werden37, mehrere verschiedene Konnotationen oder eine ganze Reihe von [obgleich einander verwandten) Konnotationen haben, deren Vorhandensein dem betreffenden Verfasser bewußt ist. Vielleicht nimmt der Verfasser alle die verschiedenen Konnotationen eines solchen Wortes als Teilglieder der Konnotation des Wortes „Wunder" in seine eigene Anwendung dieses Wortes auf. In einem interessanten Beispiel, wo der Sprachgebrauch anscheinend wenigstens implizite als ein Ausgangspunkt für die Begriffsbildung dient, wird gerade der Wechsel in den Bedeutungen, die Mannigfaltigkeit der Konnotationen der Wörter betont, die der Verfasser als Ausgangspunkt für seine Begriffsbildung nehmen will. Unter diesen Wörtern befindet sich in erster Linie das Wort „Wunder" selbst38. Der Verfasser, Rade, will den Terminus „Wunder" beibehalten und fährt fort: D e r Zusammenhang mit den Begriffen, die frühere Geschlechter in die alten W o r t e hineingelegt haben, ist trotz aller Wandlungen des Verständnisses zu wertvoll, als daß w i r ihn entbehren könnten. Ich als evangelischer Theologe kann ein Wort, das in der Bibel und im Gesangbuch noch heute lebt, nicht als wertlos und abgestorben in die Rumpelkammer werfen 8 8 .

Interessant ist hier aber, daß die Konnotationen derjenigen Wörter, von denen Rade in seiner Behandlung der Wunderfrage ausgehen will, nicht direkt als Inhalt in den eigenen Wunderbegriff aufgenommen werden - es genügt ihm zufolge ein (logischer?) „Zusammenhang" zwischen ihnen. Die Konnotationen der betreffenden Wörter, die übrigens von Rade nur durch eine allgemeine Beschreibung präsentiert und nicht im einzelnen aufgezählt und genannt werden, dienen am ehesten als Begriffe, zu denen der eigene Wunderbegriff in einer logischen Beziehung stehen soll, aber 37 38 38

Siehe oben S. 79 f f . , Mom. 2 des dort erörterten Begriffsbildungstypus. Rade, Das religiöse Wunder, III f. Rade, a.a.O., IV.

136

die Art dieser logischen Beziehung wird nicht näher erwähnt. Der Verfasser behauptet hier explizite eine Mehrdeutigkeit in demjenigen Begriff, zu welchem der Wunderbegriff in (irgend) einer logischen Beziehung stehen soll. Das Beispiel wäre als ein Fall einer sprachgebrauchsbeschreibenden Begriffsbildung zu deuten möglich, in der die logische Äquivalenz oder Implikation zwischen den Konnotationen der gewählten Wörter und dem Wunderbegriff durch einen schwächeren Zusammenhang zwischen ihnen ersetzt worden ist. Vielleicht kann auch dieses Beispiel als Illustration dafür dienen, daß die Grenze zwischen der Wahl eines Begriffs als Inhalt oder Teilinhalt eines Wunderbegriffs und der Wahl von schwächeren logischen Beziehungen zwischen Begriffen als logische Implikation innerhalb der Begriffsbildungen stets eine fließende ist40.

D. Die Stellung dieser Untersuchung zu dem analysierten Material. Die Begriffsbildungstypen und die künftige Analyse der Bestimmungselemente Bei der Bestimmung der logischen Beziehungen zwischen Begriffen und der logischen Struktur von Sätzen gewisser Art wurden diese durch logische schematische Formeln dargestellt und exemplifiziert. So wurde z.B. das 'Aussehen' von universalen Implikationssätzen durch logische Schemata präsentiert. Es war auch die Rede von Begriffen, die als Komplexe von anderen Begriffen hingestellt wurden, und Beispiele von solchen disjunktiven oder konjunktiven Komplexen wurden in Form von logischen Formeln gegeben. Andererseits wurde oben von Beispielen für das Wort „Wunder" im Material geredet, von Definitionen und Sätzen in theologischen Arbeiten aus dem Material, von All-Implikationssätzen im Material; es ist von Beispielen aus dem Material als Beispielen der logischen Form '( 3 χ']. Wunder [*) · · ·' die Rede gewesen. Das Material, das in dieser Untersuchung behandelt wird, enthält aber nicht logische schematische Formeln, enthält nicht Existenzoperatoren", und enthält kein Zeichen „Df" um anzugeben, daß ein Satz als Definition hingestellt wird. Deshalb wird das Problem aufgeworfen, wie die logischen Untersuchungen mit logischer schematischer Apparatur sich zu dem Material und dessen Sätzen und Definitionen von dem Wort „Wun10 41

Vgl. oben S. i 2 9 . Über Existenzoperatoren vom Typus „С 3 * ] " siehe oben S. 1 1 2 , Anm. 5 1 . 137

der" verhalten. Wir stehen hier vor zwei Sprachstufen - der Sprachstufe des Materials und andererseits der Sprache der logischen Schemata und der erklärenden Darstellungen zu diesen Schemata. Die Beziehung zwischen diesen beiden Sprachstufen wirft die Frage auf, wie diese Untersuchung sich überhaupt zu dem behandelten Material verhält. Die Sprache des Materials steht insofern auf der logischen Stufe der unter den Logikern sogenannten 'Alltagssprache', (ganz abgesehen von der Berechtigung der Rede von einer Sprache der 'Theologie' bzw. von einer Sprache, die von metaphysischen Schulbildungen beeinflußt ist), als die logische Form und Struktur der Sätze zum größten Teil getarnt und verborgen ist und nur in einer unvollständigen und unklaren Weise von diesen Sätzen exhibiert wird". Wenn man die in dieser Untersuchung ausgewählten und behandelten Sätze aus dem Material in eine Sprache übersetzen würde, die klar und genau gewisse wesentliche logische Strukturzüge exhibiert und aufzeigt, so würden diese so übersetzten Sätze formuliert werden können als Substitutionsbeispiele (Einsetzungsbeispiele)" für diejenigen logischen Schemata, die in der Abhandlung angewendet werden. Bei einer solchen Einsetzung (Substitution) müßte man die schematischen Prädikatszeichen und die Variablen gegen deskriptive, nicht-logische Konstanten austauschen", die dem Inhalt des übersetzten Satzes entsprechen. Die Sätze im Material sind aber oft lang und kompliziert. Es sind deshalb in den meisten Fällen nur Teilinhalte dessen, was in solchen langen Sätzen behauptet wird, die aus diesen Sätzen abstrahiert werden können und die von solchen Sätzen ausgesagt werden, die direkt gemäß der logischen Schemata formuliert sind und die deshalb aus diesen Schemata in der oben angegebenen Weise durch Substitution (Einsetzung) entstehen. Auch Fragesätze im Material können implizite Behauptungen und Definitionen enthalten, die in Form von selbständigen Sätzen expliziert werden könnten. Definitionen sind oft implizite in solchen Wendungen im Material wie „ . . . Wunder, d.h. . . . " enthalten. Die logische Untersuchung dieser Abhandlung verwendet fachmäßige, logische Termini, die nicht im Material vorkommen, z.B. „Definiendum", „Allimplikationssatz". Aber auch fachmäßige Termini, z.B. „Definition", „Satz" und „Begriff", die im Material vorkommen können, aber die im Material nicht bestimmt werden, werden in der logischen Arbeit ver-

42

Über Alltagssprache und logische Form, vgl. Quine, Methods of logic, 39 ff. (§ 8 ] ;

Stebbing, Α modern introduction to logic, 1 1 5 ff. (Kap. V I I I ) . Vgl. auch das, was in der Beziehung über Definitionen oben gesagt worden ist, S. 25, A n m . 1. "

Über Substitution (Einsetzung), siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 24 ff., 44 ff.

41

Über deskriptive und logische Konstanten, siehe z.B. Carnap, Symbolische Logik, 7,

1 6 f., 95; Meaning and necessity, 85 f f .

138

wendet. Diese Termini müssen in dieser Untersuchung in einer bestimmten Bedeutung verwendet werden, die nicht direkt aus der Anwendung des Materials abgeleitet werden kann. Nun gibt es aber auch solche fachmäßigen Termini, die im Material nicht nur vorkommen, sondern dort auch eine gewisse Bestimmung erhalten. In der Analyse der Bestimmungselemente müssen nämlich auch Termini verwendet werden, die diese Bestimmungselemente bezeichnen. Solche Termini gibt es selbstverständlich auch im Material, dem ja die Bestimmungselemente entnommen sind. Im Material variieren aber die Ausdrucksweisen von Verfasser zu Verfasser, bei verschiedenen Verfassern auch da, wo wir für die Zwecke der Analyse von demselben Bestimmungselement sprechen können. Wir müssen also unterscheiden zwischen den Termini für Bestimmungselemente im Material und den Termini für dieselben Bestimmungselemente in der Analyse. Die letzteren werden so gewählt, daß sie sozusagen die variierenden Ausdrucksweisen der verschiedenen Verfasser im Material zusammenfassen. Die Termini im Material sind vage. Aber diese Vagheit wird nicht bei denjenigen Termini der Analyse eliminiert, die Bestimmungselemente im Material bezeichnen. Auch die letzteren Termini, z.B. der Terminus „Werk Gottes" in der Sprache der Analyse, sind vage". Wenn auch die Termini der Analyse für Bestimmungselemente vage sind, so ist damit implizite zugegeben, daß auch die Bestimmungselemente selbst (so wie der Terminus „Bestimmungselement" dann in der Analyse verwendet wird) vage sind, damit stehen wir vor vagen Begriffen. Wir müssen dann fragen, was ein Vager Begriff' bedeuten kann. Vorläufig kann soviel gesagt werden, daß ein vager Begriff in der Analyse als Repräsentant steht für alle die präzisen Begriffe, die Präzisierungen des vagen Begriffes bilden. Alle Präzisierungen eines solchen Begriffs können gemeinsame logische Merkmale aufzeigen und zwar gerade diejenigen, die für die logische Analyse das Hauptinteresse haben. Was die Analyse über einen vagen Begriff aussagt, sagt sie über alle Präzisierungen des vagen Begriffs aus. Wenn über den vagen Begriff eine Disjunktion mit zwei oder mehreren Alternativen ausgesagt wird, so gelten einige Alternativen für manche Präzisierungen des vagen Begriffs und andere Alternativen wiederum für andere Präzisierungen desselben Begriffs. Die Stellung der Analyse zu vagen Begriffen (Bestimmungselementen] wird aber erst dann klar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Analyse von Bestimmungselementen in den folgenden Teilen von zwei verschie-

45 Über Vagheit von. Termini, siehe z.B. Leonard, Principles of right reason, 26 f.; Stebbing, A modern introduction to logic 19 ff. Für eine viel ausführlichere, aber auch sehr technische und mathematische Behandlung dieses Problems, vgl. Black, Vagueness: A n exercise in logical analysis.

1З9

denen Arten ist, die wir unter den Ziffern „ i " und „2" unten kurz erläutern wollen: 1. Die erste Art der Analyse untersucht nur die logischen Beziehungen [z.B. als notwendige oder hinreichende Bedingung] des behandelten Bestimmungselements zum Wunderbegriff. Dabei werden oft auch die umfangsmäßigen, extensionalen Beziehungen zwischen dem Bestimmungselement und dem Wunderbegriff untersucht, wobei die Anwendung der Klassenlogik aufgezeigt werden kann. In dieser Art der Analyse wird das Bestimmungselement an und für sich selbst nicht untersucht, und dann spielt die Vagheit des Bestimmungselements keine größere Rolle. Eine Analyse dieser Art wird in Teil II, Kap. 5, ausgeführt und betrifft das Bestimmungselement 'Werk Gottes'. 2. Die zweite Art der Analyse untersucht die logische Struktur des analysierten Bestimmungselements selbst, und die logischen Beziehungen desselben zu anderen, klareren und besser bestimmten Begriffen als dem Wunderbegriff, die deshalb auch eine Aufklärung geben über das Bestimmungselement an sich. Hier spielt eine Vagheit des Bestimmungselements eine größere Rolle. Andererseits hilft die Analyse hier, Präzisierungen des Bestimmungselements zu geben. Analysen dieser Art dominieren in den Untersuchungen der Abhandlung ab Teil II, Kap. 6 und in den folgenden Kapiteln. Wir müssen jetzt etwas näher auf die Frage eingehen, was ein vager Begriff ist. Wenn oben gesagt worden ist, daß ein vager Begriff als Repräsentant für alle seine Präzisierungen steht, so könnte man genau so gut sagen, daß das vage Wort, der vage Terminus der Analyse, der diesen 'vagen Begriff bezeichnet, eigentlich nicht einen, sondern mehrere verschiedene (und zwar präzise) Begriffe bezeichnet. Versuchen wir die folgende Definition: Der Ausdruck „Der (vage) Begriff Ά ' (z.B. 'Werk Gottes')" dient in der Analyse als synonym mit: „Jeder präzise Begriff, der eine Konnotation bildet von irgendeinem derjenigen Termini oder Ausdrücke im Material, die durch den Terminus „A" in der Analyse (z.B. „Werk Gottes") zusammengefaßt sind, und zwar gemäß irgendeiner möglichen Präzisierung eines solchen Terminus oder Ausdrucks im Material." In dieser Definition bezieht sich das Wort „Jeder" auf mindestens zwei solche präzisen Begriffe, wenn Ά ' ein vager Begriff ist. Gibt es nämlich nur einen solchen präzisen Begriff, so ist der Begriff Ά ' gar nicht vage, sondern als identisch mit dem betreffenden präzisen Begriff ist dann Ά ' selbst präzis. Die Definition bezieht sich auf mehrere logischen Schritte: Wir haben zuerst den Fachterminus, der verschiedene Ausdrücke und Termini im Material zusammenfaßt. Dann können diese verschiedenen 140

Termini und Ausdrücke im Material wiederum durch verschiedene Präzisierungen präzisiert werden. Der Fachterminus steht als Repräsentant auch für alle diese Präzisierungen, von denen jede einen präzisen Begriff bezeichnet. Es ist zu bemerken, daß wir nur von 'vagen Begriffen', aber nicht von 'vagen Klassen' reden. Eine Klasse muß um ihrer Identität willen von ihren Elementen, Mitgliedern konstituiert werden und muß deshalb absolut feste Grenzen haben: für jeden Gegenstand χ muß bestimmt sein, ob χ ein Element der betreffenden Klasse ist oder nicht. Die Beziehungen zwischen Begriffen und Klassen sind dann die folgenden: Ein extensional vager Begriff hat als seinen Umfang mehrere Klassen. Ein präziser Begriff sowohl wie ein nicht-extensional vager Begriff hat nur eine Klasse als Umfang". Wenn man Vagheit gradiert, so folgt aus diesen Sätzen, daß extensionale Vagheit einen höheren Grad von Vagheit darstellt als eine nicht-extensionale Vagheit. Bei sowohl extensionaler wie nicht-extensionaler Vagheit ist jedoch ein vager Begriff nur im uneigentlichen Sinne ein Begriff zu nennen. Ein vager Begriff ist der Repräsentant sämtlicher Begriffe, die Konnotationen irgendeiner möglichen Präzisierung eines vagen Wortes bilden. Soweit die Frage der Terminologie der Analyse der Bestimmungselemente im Verhältnis zum Material. Die Analyse der Bestimmungselemente hat aber auch Beziehungen zu der schon ausgeführten Analyse der verschiedenen Begriffsbildungstypen. Es würde die Analyse der Bestimmungselemente in den folgenden Teilen zu schwerfällig machen, wollte man den ganzen Apparat mitschleppen, den die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Begriffsbildungstypen und deren verschiedenen Momenten bildet. Außerdem sind aber die klaren, ausgeprägten Fälle und Typen von Begriffsbildungen im Material schon in Kapitel ι B, 2 und 3 angeführt und erörtert worden. Die Materialbeispiele, die im folgenden herangezogen werden, sind meistens in bezug auf den Typus der Begriffsbildung so unklar und unbestimmt, daß ein endgültiges Einordnen derselben in einen bestimmten Begriffsbildungstypus sich nicht durchführen läßt. Im letzteren Falle lassen sich aber zwei gröbere Unterscheidungen treffen, und diese werden auch in den folgenden Teilen angewendet werden. Die erste Unterscheidung betrifft die Frage, ob das aus dem Material angeführte Beispiel eine Referenz zur Auffassung der Bibel, besonders des NT:s, enthält, d.h. ob der Verfasser des Beispiels sich dort auf die Auffassung oder auf den Sprachgebrauch der Bibel beruft. Falls diese Frage 48

Über extensionale und andere Vagheit, vgl. z.B. Carnap, Meaning and necessity,

235 ι , 239 ff·

141

bejaht werden kann, so stehen wir vor einer Disjunktion von drei Typen von Begriffsbildung: i. Begriffsbildung mit Ausgangspunkt bei Wörtern und sprachlichen Ausdrücken im N T [der Bibel), oder 2. Begriffsbildung mit bezug auf Erzählungen im NT (der Bibel), oder 3. Begriffsbildung mit bezug auf Begriffe im NT (der Bibel) unabhängig davon, welche sprachlichen Bezeichnungen das NT [die Bibel) für die Begriffe verwendet47. Wenn ein Verfasser sich bei einem Wunderbegriff nicht auf die Bibel bezieht, so haben wir die Disjunktion von allen übrigen Typen von Begriffsbildung außer den drei obengenannten vor uns. Glieder einer solchen Disjunktion sind auch Begriffsbildungen aus dem Sprachgebrauch anderer Quellen als der Bibel und mit Begriffen in anderen Quellen als der Bibel als Ausgangspunkt. Die zweite Unterscheidung, die im folgenden auf die angeführten Beispiele Anwendung findet, ist die grobe Unterscheidung zwischen Sprachbeschreibung ohne eigene Stipulation einerseits und Stipulation andererseits. Wenn ein angeführtes Beispiel nur Sprachbeschreibung ohne eigene Stipulation des Verfassers enthält, so ist der Wunderbegriff in dem Beispiel nur repräsentiert und erwähnt von dem Verfasser des Beispiels. Das Beispiel enthält dann nur deskriptive Aussagen über den Sprachgebrauch, darunter ev. sprachgebrauchsbeschreibende Definitionen. Bei einem Beispiel einer eigenen Stipulation eines Verfassers stehen wir vor einem Wunderbegriff, der von dem angeführten Verfasser akzeptiert ist, dem sich der Verfasser selbst angeschlossen hat. Wir stehen, kurz gesagt, hier vor der Unterscheidung zwischen im Material nur repräsentierten und erwähnten Wunderbegriffen einerseits und akzeptierten und anerkannten Wunderbegriffen andererseits. Wenn wir die beiden oben ausgeführten Unterscheidungen kreuzen, erhalten wir 4 Kategorien von Wunderbegriffen in bezug darauf, wie der betreffende Verfasser sich auf sie bezieht und sie bestimmt; um die Bestimmungsgründe auseinanderzuhalten bezeichnen wir diese Kategorien mit bzw. „1.1", „1.2", „2.1" und „2.2". 1.1. Wunderbegriffe, die mit Referenz zum Sprachgebrauch der Bibel (hier besonders aktuell: des NT:s) bestimmt werden, die aber nur repräsentiert und erwähnt sind. Beispiele aus dem Material, die diese Wunderbegriffe belegen, enthalten nur empirische Beschreibung des Sprachgebrauchs ohne eigenen Anschluß an dieselbe Verwendung des Wortes „Wunder". 1.2. Wunderbegriffe, die mit Referenz zur Auffassung oder zum Sprachgebrauch der Bibel bestimmt werden (wie in 1.1.), die aber außerdem 47

Die drei erwähnten Alternativen sind Spezialfälle (in bezug auf N T als Quelle] der

Begriffsbildungstypen, die oben in den folgenden Abschnitten behandelt wurden: Kap. 2 С und 3 A , 2 В bzw. 3 B.

142

akzeptiert und anerkannt sind durch die eigene Stipulation des Verfassers. г л . Wunderbegriffe, die ohne Referenz zur Bibel bestimmt werden und die nur repräsentiert und erwähnt sind. Diese Wunderbegriffe sind in solchen Beispielen erwähnt, die nur eine empirische Beschreibung des Sprachgebrauchs oder der Auffassungen einer anderen Quelle als der Bibel enthalten. 2.2. Wunderbegriffe, die ohne Referenz zur Bibel bestimmt werden, die aber von dem Verfasser selbst akzeptiert und anerkannt sind durch eine eigene Stipulation des Verfassers. Erst diese beiden Paare von Unterscheidungen, die in den vier Kategorien 1.1—2.2 zum Ausdruck kommen, machen es möglich, einige Auswahlprinzipien für die Auswahl des Materials zu formulieren außer den Prinzipien, die schon in der Einleitung formuliert worden sind. Erst jetzt können diejenigen Gesichtspunkte angeführt werden, die sich direkter auf Momente in und Typen von Begriffsbildungen beziehen. Diese Gesichtspunkte ergeben eine Rangordnung zwischen den vier erwähnten Kategorien 1.1-2.2 in bezug auf die Auswahl der Beispiele aus dem Material. Zwei Regeln können festgestellt werden: 1. Definitionen und Sätze über den Wunderbegriff, die ein eigenes Akzeptieren und eine eigene Anerkennung des Wunderbegriffs bei dem Verfasser ausdrücken oder damit kombiniert sind, sind in erster Linie dazu qualifiziert, in der Abhandlung angeführt zu werden, wenn die übrigen in der Einleitung aufgestellten Bedingungen erfüllt sind48. Beispiele mit eigenem Akzeptieren eines Wunderbegriffs werden an erster Stelle ausgewählt vor solchen, bei denen kein eigenes Akzeptieren ausgedrückt ist. In der Rangordnung der vier Kategorien liegen also 1.2 und 2.2 an der Spitze. 2. Unter den Beispielen mit Referenz zum Sprachgebrauch einer anderen Quelle ohne eigene (auch implizite) positive Stellungnahme für den betreffenden Wimderbegriff werden in erster Linie solche ausgewählt, die sich auf das NT oder die Bibel beziehen. Die Beispiele, die sich auf andere Quellen als die Bibel beziehen, werden nur zuletzt angeführt, um eine Lücke innerhalb einer systematischen Disjunktion in der Darstellung zu füllen". Unter den Kategorien oben wird also 1.1 vor 2.1 in der Auswahl der angeführten Beispiele bevorzugt. Beide kommen aber gemäß Regel ι oben erst in zweiter Linie nach den Kategorien 1.2 und 2.2 infrage. 48

Darüber, siehe oben S. 19 f f . " Vgl. oben S. 19 f.

14З

TEIL II

WERK, H A N D L U N G , ERGEBNIS

KAPITEL 5

Die Person des Wundertäters

A. Logische Beziehungen zwischen dem Bestimmungselement 'Werk Gottes' und Wunderbegriffen In vielen theologischen Bestimmungen von Wunderbegriffen und in Sätzen hier angeführter Theologen über Wunder dient als Bestimmungselement eine Bestimmung, die ich hier (im Verhältnis zu den verschiedenen Formulierungen des Materials) der Kürze halber zusammenfassend „Werk Gottes" nennen möchte; diese Bestimmung bezeichnet Gott als den Hervorbringer des Wunders. Vom logischen Gesichtspunkt aus erscheinen hier als das Interessanteste und gleichzeitig Grundlegendste, was man dem Material abgewinnen kann, die verschiedenen Umfangsrelationen, die man als alternativ zwischen dem Begriff 'Werk Gottes' und Wunderbegriffen herrschend im Material belegen kann, und im Zusammenhang damit die verschiedenen Funktionen als notwendige oder hinreichende logische Bedingung für Wunderbegriffe oder als Teilglied einer solchen oder als Kombination von beiden, die dieses Bestimmungselement verschiedenen Standpunkten zufolge haben kann, die im Material belegt sind. Eine logische Analyse des Bestimmungselementes selbst zusammen mit seiner Zergliederung in Teilalternativen folgt erst in Kap. 6. In dem vorliegenden Kapitel werden nur die alternativen logischen Beziehungen der Bestimmung "Werk Gottes' zu Wunderbegriffen, in denen sie als Bestimmungselement dient [Abschnitt Α und B) 1 und zu anderen Bestimmungen untersucht, die sich gleichfalls lediglich auf die Person des Wundertäters, und zwar auf andere Wundertäter als Gott, beziehen (Abschnitt С und D). Der Umfang der Bestimmung "Werk Gottes' im VerVgl. oben S. 140, die beiden verschiedenen Arten von Analysen der Bestimmungselemente. Hier handelt es sich um die erste der beiden dort erwähnten Arten. 1

10 - 566-3501

145

hältnis zur Allklasse wird im Zusammenhang mit ihren umfangsmäßigen Beziehungen zu Wunderbegriffen im Material behandelt [Abschnitt B]. Das Bestimmungselement, das hier in der Darstellung durch den Terminus „Werk Gottes" bezeichnet wird, bezieht sich lediglich auf die Person des Wundertäters. Dieser Terminus sagt an sich dasselbe wie die Termini „von Gott hervorgebracht" oder „von Gott gewirkt", ist aber als Substantiv sprachlich leichter handzuhaben. Der Terminus wird hier als Terminus technicus für ein Bestimmungselement angewendet, das als eine sehr weite Disjunktion die gemeinsame Konnotation für viele verschiedene Ausdrucksweisen im Material bildet und das wohl auch verschiedene theologische Gottesbegriffe zuläßt. Der Terminus „Werk Gottes" dient als eine disjunktive Zusammenfassung vieler Wörter und Ausdrücke im Material2. Zuerst nennen wir die wichtigsten Substantive, die durch das Wort „Werk" zusammengefaßt werden außer dem Wort „Werk" selbst: „Handeln", „Handlung", „Tun", „Tat", „Walten", „Wirksamkeit", „Wirken" und „Wirkung". Der Terminus „Werk Gottes" faßt auch solche Ausdrücke wie „Betätigung des göttlichen Willens", „Resultat des göttlichen Willens" und verschiedene andere Ausdrücke und Umschreibungen im Material zusammen, die als äquivalent mit irgendeiner der genannten Ausdrücke oder ihrer Zusammensetzungen mit dem Genitiv „Gottes" beurteilt werden können. In der Bedeutung am nächsten zu dem Terminus „Werk Gottes" in seiner ganzen Weite dürfte außer den erwähnten Ausdrücken „von Gott hervorgebracht" und „von Gott gewirkt" die Partizipialkonstruktion „aus der Hand Gottes hervorgegangen" kommen. Die Zusammenfassung der erwähnten Ausdrücke, der Terminus „Werk Gottes" braucht natürlich nicht mit jedem dieser Ausdrücke synonym oder logisch äquivalent zu sein, sondern die Zusammenfassung bildet eher eine Disjunktion, und zwar eine inklusive, denn die Konnotationen der verschiedenen Ausdrücke gehen sicherlich gradweise ineinander über. Die Disposition innerhalb des vorliegenden Abschnittes wird der Einfachheit halber den verschiedenen alternativen umfangsmäßigen Relationen folgen, die Belegen im Material zufolge zwischen dem betreffenden Bestimmungselement 'Werk Gottes' und Wunderbegriffen herrschen. Diese Belege sind entweder Behauptungen oder Definitionen, die eine derartige umfangsmäßige Relation zur Folge haben. Folgende Alternativen finden wir im Material belegt: 1. 'Alle Wunder sind Werke Gottes und alle Werke Gottes sind Wunder', 2. 'Alle Wunder sind Werke Gottes, aber nicht alle Werke Gottes sind Wunder', 2

Vgl. oben S. 139 f., über Fachtermini der Analyse für Bestimmungselemente und ihre Beziehungen zum Material, dem diese Bestimmungselemente entnommen sind.

146

3· Die Disjunktion von ι und 2: 'Alle Wunder sind Werke Gottes'. Diese Disjunktion impliziert an sich nichts in der Frage, ob alle Werke Gottes Wunder sind, 4. 'Nicht alle Wunder sind Werke Gottes, aber alle Werke Gottes sind Wunder' 3 . Die logischen Beziehungen dieser vier Alternativen zueinander sind die folgenden: (4) ist logisch unvereinbar mit allen übrigen Alternativen ( 1 - 3 ) . Die Alternativen ( 1 } und [2) sind unvereinbar miteinander. C3) ist die Disjunktion von ( 1 ] und [2]. Daraus folgt, daß (3] von ( 1 ) impliziert wird sowohl wie von (2]. Da [3) aber nicht ( 1 ) und auch nicht [2) impliziert, ist es angebracht, (3} als eine selbständige Alternative zu behandeln. Die vierte Alternative wird erst weiter unten in Abschnitt D behandelt 3

Eine Darstellung dieser vier Alternativen kann anschaulich durch Benutzung von Venns Diagrammen ausgeführt werden: 1

Wunder

2

Werke Gottes

Wunder

3

Werke Gottes

Wunder

Werke Gottes

4

Wunder

Werke Gottes

Die beiden Zirkel stellen die Umfange der beiden Begriffe 'Wunder' und 'Werk Gottes' dar. Zur Deutung von Venns Diagrammen siehe oben S. 70 f., Anm. 33. Den drei ersten Alternativen ist dies gemeinsam, daß der linke Sektor eine leere Klasse darstellt und daß der mittlere Sektor (wie übrigens auch im 4. Falle!) keine Angabe enthält über den leeren oder nichtleeren Umfang der entsprechenden Klasse. Die Alternativen 1 - 3 unterscheiden sich gegenseitig nur in bezug auf den rechten Sektor. Der linke Sektor bezieht sich auf die Klasse derjenigen Wunder, die nicht Werke Gottes sind, während der mittlere Sektor sich auf die Klasse derjenigen Wunder bezieht, die zugleich Werke Gottes sind. Der rechte Sektor wiederum stellt die Klasse der Werke Gottes dar, die nicht Wunder sind. Die konjunktiven Teilglieder der Alternative 4, die durch den linken und den rechten Sektor dargestellt sind, sind Negationen der entsprechenden Teilglieder der Alternative 2. Diese Sektoren haben in den beiden Fällen 2 und 4 eine einander kontradiktorisch entgegengesetzte Markierung.

47

werden. In diesem Abschnitt werden die Alternativen Ci—зЗ jeweils für sich behandelt werden, und im Zusammenhang damit die verschiedenen möglichen intensionalen Beziehungen zwischen der Bestimmung 'Werk Gottes' und dem jeweils betreffenden Wunderbegriff, die diese extensionalen Alternativen logisch implizieren. i. Der Standpunkt, daß alle Wunder Werke Gottes seien und alle Werke Gottes Wunder, daß mit anderen Worten die Bestimmungen "Werk Gottes' und 'Wunder' dieselbe Extension, denselben Umfang hätten, findet sich als Konsequenz aus Definitionen im Material belegt. Definitionen, die diesen Standpunkt implizieren, müssen "Werk Gottes' als sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den Wunderbegriff als Definiendum enthalten. Das bedeutet, daß das Definiens hier "Werk Gottes' als Totalbestimmung enthält. Aus solchen Definitionen folgt, daß die beiden Begriffe denselben Inhalt, dieselbe Intension haben, und damit auch denselben Umfang. Dagegen folgt aus einer Behauptung, daß beide Begriffe denselben Umfang haben nicht, daß sie deshalb auch denselben Inhalt haben*. Eine Defintion der hier erörterten Art ließe sich leicht in die Wendung „das Wunder als Wunder, d.h. in seiner göttlichen Gewirktheit" hineindeuten5. Ebenso deutet bei Cremer die Wendung „das Handeln Gottes, also das Wunder" in die Richtung einer solchen implizite vorausgesetzten Definition6. Bei Hunzinger läßt die Wendung „die Wahrnehmung des Wunders und damit des göttlichen Waltens in der Natur" erkennen, daß "Werk Gottes' eine notwendige logische Bedingung für den Wunderbegriff ist'. Daß es auch eine hinreichende logische Bedingung ist, dürfte aus einer Wendung desselben Verfassers hervorgehen, die „Schöpfung Gottes" und „absolutes Wunder" als Äquivalente behandelt8, sowie daraus, daß „aus der Hand des lebendigen persönlichen Gottes hervorgegangen" offenbar als logisches Äquivalent zu „Wunder ihrem Ursprung nach" hingestellt wird". Eine Äquivalenz sowohl der entsprechenden Bestimmungen wie der Bestimmung 'Gottes allmächtigem Walten allein ihren Fortbestand verdankt' 1

Umfangsgleichheit impliziert nicht denselben Inhalt. Siehe oben S. 68. Dagegen gilt die Implikation in entgegensetzter Richtung. Siehe oben S. 133. 5 Weber, Historisch-kritische Schriftforschung und Bibelglaube, 177. Für die Äquivalenz der beiden Glieder spricht auch die folgende Aussage bei demselben Verfassen „In der einheitlichen Mannigfaltigkeit des Wunderwaltens wird die mannigfaltige Einheitlichkeit des göttlichen Wirkens überhaupt erfaßt." Weber, a.a.O., 73. * Cremer, Weissagung und Wunder im Zusammenhang der Heilsgeschichte, 26. 7 Hunzinger, Das Christenthum und die moderne Wunderscheu, 50. 8 Hunzinger, a.a.O., 5 1 : „Dieser theistische und christliche Gottesbegriff, der die ganze Welt zu einer fortdauernden Schöpfung Gottes und damit zu einem absoluten Wunder macht, bildet die unerschütterliche Grundlage der Religion."

148

und "Wunder ihrer Entwicklung nach' könnte in die Wendung „mit anderen Worten" hineingedeutet werden, die bei dem Verfasser entsprechende Ausdrücke miteinander verbindet". Eine logische Äquivalenz läßt sich auch aus folgender Aussage explizieren: Das konstitutive Merkmal f ü r den Wunderbegriff besteht vielmehr darin, daß wir es mit einer Betätigung des göttlichen Willens zu tun haben 10 .

Daß auch alle Werke Gottes Wunder sind, dürfte Stange - zumindest in bezug auf den biblischen Wunderbegriff - im folgenden aussagen; demzufolge der biblische Wunderbegriff sich nicht bloß auf einzelne singulare Ereignisse bezieht, sondern f ü r das gesamte göttliche Wirken charakteristisch ist 1 1 .

Ein Exeget sagt ziemlich klar aus, daß "Wunder im weiten Sinne' nur recht und schlecht das Bestimmungselement "Werk Gottes' enthalte12. 2. Das erste Glied der These, alle Wunder seien Werke Gottes, aber nicht alle Werke Gottes seien Wunder, nämlich, daß alle Wunder Werke Gottes seien, erscheint in dem folgenden: Es gibt nur einen Wirker von Wundern, das ist einzig Gott; denn es gibt nur Einen, der schöpferisch zu handeln vermag.

Daß ein Wunder überhaupt ohne Hervorbringer sein könnte, schließt der Verfasser, Schlatter, aus, der den Willen Gottes hinter allem sieht; er behauptet, daß der natürliche Prozeß das Resultat seines Willens ist, genau so, wie der wunderbar entstehende E f f e k t 1 3 .

In diesem Zitat ist offenbar auch enthalten, daß nicht alle Werke Gottes Wunder sind, das zeigt sich auch, wenn Schlatter sagt: „das göttliche Wirken . .. durch das Wunder oder durch die Natur" ' Hunzinger, a.a.O., 52, wird als notwendig für das Christenthum die These aufgestellt „daß die Welt mit ihrem Leben nicht ewig und aus sich selbst erklärbar, sondern aus der Hand des lebendigen persönlichen Gottes hervorgegangen ist und seinem allmächtigen Walten allein ihren Fortbestand verdankt - mit anderen Worten, daß sie sowohl ihrem Ursprung als auch ihrer Entwicklung nach ein unleugbares Wunder ist." 10 Stange, Naturgesetz und Wunderglaube, 87. 11 Stange, Das Frömmigkeitsideal der modernen Theologie, 9. Vgl. Wunder und Heilsgeschichte, 22. 12 Rupprecht, Das Wunder in der Bibel. Eine Einführung in die Welt der göttlichen Offenbarung und der biblischen Weltanschauung, 42. 13 Schlatter, Das christliche Dogma, 59. 14 Schlatter, a.a.O., 59. Auf Gott führt übrigens Schlatter die Menschen, ihr Leben, ihre Person, ihr Wissen zurück, „die Vorgänge, die uns zu Lebenden machen". a.a.O., 29. Siehe auch a.a.O., 27. Nichts spricht dafür, daß Schlatter diese letzteren Erscheinungen als Wunder auffaßte.

49

Auch bei Cremer begegnet uns eine klare Verneinung des Satzes, alle Werke Gottes seien Wunder15. Daß hingegen alle Wunder von Gott hervorgebracht sind, dafür finden sich bei Cremer klare Belege an vielen Stellen, z.B. wenn er folgendes schreibt: So sind also die Wunder Thaten Gottes in seiner Offenbarung und geschehen nur im Zusammenhange dieser Offenbarung, der Heilsoffenbarung1'. Aus der extensionalen Teilthese der hier erörterten These, daß nicht alle Werke Gottes Wunder sind, folgt die folgende intensionale These: die Bestimmung 'Werk Gottes' kann allein nicht eine hinreichende logische Bedingung für den Wunderbegriff sein. Dagegen folgt aus dieser intensionalen These nicht umgekehrt die entsprechende extensionale: es wäre nämlich die Möglichkeit denkbar, daß es vom intensionalen Gesichtspunkt für den Wunderbegriff wesentlich wäre, die Bestimmung 'Werk Gottes' nicht als hinreichende Bedingung sondern nur als Teilinhalt zu enthalten und infolgedessen dem Wunderbegriff wesentlich wäre, mehr Teilinhalte als 'Werk Gottes' zu enthalten, obwohl als eine faktische Tatsache alle Werke Gottes Wunder wären. Die These, alle Wunder seien Werke Gottes, aber nicht alle Werke Gottes seien Wunder, läßt sich überhaupt nur in Behauptungen und nicht in reinen Definitionen belegen. Die These folgt nämlich nicht aus irgendeiner intensionalen Behauptung über die inhaltlichen, begrifflichen Beziehungen zwischen dem Wunderbegriff und dem Begriff 'Werk Gottes', infolgedessen folgt sie auch nicht aus irgendeiner Definition". 3. Dagegen läßt sich das konjunktive Teilglied dieser These, nämlich der Standpunkt, daß alle Wunder Werke Gottes seien, nicht nur in Behaup15

Dies, daß nicht alle Werke Gottes Wunder sind, wird deutlich in dem folgenden Text ausgesagt: „Endlich aber ist auch überhaupt zwischen dem Walten der göttlichen Vorsehung, der Gebetserhörung, der gütigen und der ernsten Leitung unserer Geschicke und der Wunderwirksamkeit Gottes scharf zu unterscheiden. Daß Joseph nach Ägypten verkauft wurde, geschah unter dem Walten der Vorsehung Gottes . . . , denn so wurden Jakob und die Seinen in der Hungersnot erhalten. Dagegen die Speisung Israels in der Wüste mit Manna und die Speisung der fünftausend Mann ohne Weiber und Kinder mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen durch Jesus war ein Wunder. Alle Wunder die Jesus gethan, sind Gebetserhörungen, . . . aber nicht alle Gebetserhörung ist ein Wunder." Cremer, 5 1 . 16

Cremer, a.a.O., 79. Vgl. doch dazu eine der vorläufigen Bestimmungen des Wunderbegriffs bei Münchmeyer, Der chrisdiche Glaube und das Wunder, 273: „Ein Wunder nennen wir ein solches Geschehen, welches unserer Ueberzeugung nach von Gott gewirkt ist nicht nach der Naturordnung und durch dieselbe, sondern durch eine besondere Einwirkung Gottes, die wir von seinem gewöhnlichen Wirken in der Naturordnung unterscheiden." Diese Definition ist mit einer impliziten Behauptung über Gottes „gewöhnliches Wirken in der Naturordnung" verknüpft, und erst diese Behauptung impliziert, daß nicht alle Werke oder Handlungen Gottes Wunder sind. 17

150

tungen im Material belegen, sondern auch in Definitionen. Beispiele solcher Behauptungen und Definitionen sind oben unter Punkt ι und 2 schon gegeben worden. Denn die These, daß alle Wunder Werke Gottes seien, ist als konjunktives Teilglied sowohl in der unter Punkt 1 wie in der unter Punkt 2 oben behandelten These enthalten. Jene These bildet ferner die Disjunktion der beiden unter Punkt 1 und 2 behandelten Thesen. Nun hätte die Behandlung dieser Disjunktion hier kein selbständiges Interesse über die Behandlung ihrer beiden Glieder oben in Punkt 1 und 2 hinaus, wenn es nicht Typen von Definitionen gäbe, die als solche diese Disjunktion implizieren, ohne ihre beiden unter Punkt 1 und 2 oben erörterten Glieder jeweils für sich zu implizieren. Solche Definitionen sind also Belege für diese Disjunktion, ohne an und für sich Belege zu sein für eines der beiden unter Punkt 1 und 2 erörterten Glieder dieser Disjunktion. Die Verfasser dieser Definitionen im Material könnten allerdings neben den Definitionen durch Behauptungen Belege geben für einen der unter Punkt ι oder 2 erörterten Standpunkte. Da Belege aus dem Material für diese Standpunkte aber schon angeführt sind, wollen wir uns hier auf die Definitionen der angedeuteten Art als solche konzentrieren18. Allen Definitionen, die die These implizieren, daß alle Wunder Werke Gottes seien, ohne eine Antwort auf die Frage, ob alle Werke Gottes Wunder sind, zu implizieren, muß gemeinsam sein, daß 'Werk Gottes' als notwendige logische Bedingung für den Wunderbegriff gewählt wird. Diesen Definitionen zufolge muß mit anderen Worten eine Erscheinung ein Werk Gottes sein, um ein Wunder sein zu können, um „Wunder" genannt zu werden. Soweit besteht eine völlige Übereinstimmung dieser Definitionen mit denjenigen, die oben unter Punkt 1 angeführt wurden. Im Unterschied zu den letzteren Definitionen implizieren aber die Definitionen der hier erörterten Art nichts bestimmtes in der Frage, ob alle Werke Gottes Wunder sind. Die Unbestimmtheit in dieser letzteren Frage erlaubt zwei Alternativen hinsichtlich der Stellung der Bestimmung 'Werk Gottes' als hinreichender logischer Bedingung für den Wunderbegriff: a) Der einen Alternative zufolge ist es unklar, ob 'Werk Gottes' eine hinreichende logische Bedingung für den Wunderbegriff ist, oder ob es mit anderen Bestimmungselementen konjungiert werden muß, damit eine hinreichende logische Bedingung vorliegt; im letzteren Falle ist 'Werk Gottes' nur ein Glied einer hinreichenden logischen Bedingung für den Wunderbegriff. 18

Außer

denjenigen Beispielen, die in diesem Abschnitt unter Punkt 3

angeführt

werden, finden sich andere Beispiele von Definitionen der erwähnten A r t in anderen Zusammenhängen: sie treten explizite oder implizite hervor in angeführten Beispielen aus dem Material z.B. in Kap. 6 C , D und Kap. 7 unten, und auch sonst in einzelnen Fällen.

151

b) Der zweiten Alternative nach ist es klar, daß 'Werk Gottes' allein keine hinreichende logische Bedingung für den Wunderbegriff ist, sondern nur ein Glied einer solchen, das mit anderen Gliedern konjungiert werden muß, wenn ein vollständiges Definiens des Wunderbegriffs vorliegen soll. Man könnte meinen, aus der letzteren Alternative müsse folgen, daß nicht alle Werke Gottes Wunder sind, und daß es somit von einer solchen Definition her keineswegs unbestimmt ist, ob alle Werke Gottes Wunder sind. Aber jener Satz ergibt sich nicht logisch aus einer solchen Definition. Es wäre nämlich die Möglichkeit denkbar, daß es vom intensionalen Gesichtspunkt aus für den Wunder begriff wesentlich wäre, mehr Bestimmungselemente als 'Werk Gottes' zu enthalten, daß aber die Konjunktion zwischen allen diesen Bestimmungselementen denselben Umfang hat, wie das Bestimmungselement 'Werk Gottes' allein". In diesem Fall wären nämlich auch alle Werke Gottes Wunder. Beide Begriffe hätten dann denselben Umfang, ohne deshalb denselben Inhalt zu haben. Es liegt in der Natur der Sache, daß die erstere Alternative, derzufolge es unklar ist, ob 'Werk Gottes' eine hinreichende logische Bedingung für den Wunderbegriff ist, und bei der nur klar ist, daß es eine notwendige logische Bedingung für den Wimderbegriff ist, sich nicht durch regelrecht und vollständig ausgeführte Definitionen im Material belegen läßt", sondern nur durch definitorische Sätze und durch Sätze, die auf eine implizite vorausgesetzte Definition irgendeiner Art hinweisen". Eine Definition, die für sich betrachtet den Eindruck erweckt, daß "Werk Gottes' als sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den Wunderbegriff angesehen wird, liegt uns in folgendem vor: Darum läßt sich aufs kürzeste definieren: Wunder sind Gottestaten. Beides ist identisch: an einen lebendigen Gott glauben und an Wunder glauben". Aber bereits auf der nächsten Seite begegnet eine Aussage, die stark dagegen spricht, daß der Verfasser die Bestimmung "Werk Gottes' als hinreichend für den Wunderbegriff ansieht: 19

Vgl. Carnap, Meaning and necessity, 18 f., die Sätze 4 - 7 und 4-8. Eine vollständige Definition soll eine sowohl notwendige wie hinreichende logische Bedingung für den definierten Begriff enthalten. Siehe oben S. 1 1 9 f. 20

21 Siehe z.B. Bultmann, Jesus, 160 f. Bultmann scheint durch den Ausdruck „d.h." eine Gleichstellung von „als Wunder bezeichnen" mit „auf eine göttliche Kausalität zurückführen" vorzunehmen, wobei er im weiteren Verlauf u.a. schreibt: „Der Wunderglaube Jesu bedeutet . . . daß für ihn bestimmte Geschehnisse direkt als Handeln Gottes galten, daß er bestimmte Vorgänge in besonderem Sinn auf den Willen Gottes zurückführte." a.a.O., 161. Die Worte „bestimmte", „direkt" und „in besonderem Sinn" können den Verdacht erwecken, daß die göttliche Kausalität doch nicht hinreichend sei, um ein Wunder zu konstituieren. 22

Wendland, Der Wunderglaube im Christentum 1, Vgl. 55.

152

Der Begriff des Wunders ist notwendig, weil Gott nicht lediglich der W e l t immanent ist . . . Wenn Gottes Wesen über die W e l t hinausführt, muß das innerweltliche Wirken Gottes den Charakter des Wunders tragen, denn Gott bringt sein transcendentes Wesen innerhalb der W e l t zur Geltung 23 .

Etwas weiter unten heißt es, daß wenn „der Glaube an Wunder . . . erkenntnismäßige Bedeutung hat", dies einen Glauben daran bedeuten müsse, daß es „ein stetiges schaffendes Wirken Gottes in der Welt" gibt24. Hier wird anscheinend vorausgesetzt, daß Werke eines in der Welt vollständig immanenten Gottes keine Wunder wären, ferner, daß es für das Wunder wesentlich wäre, 'in der Welt' vorzukommen, von einem transzendenten Gott sozusagen Von außen' hervorgebracht zu sein. Die Bestimmung 'in der Welt' scheint einen Zusatz im Verhältnis zu "Werk Gottes' zu bilden, besonders, wenn behauptet wird, Gott habe ein 'transzendentes Wesen'. Der erörterte Wunderbegriff Wendlands ist anscheinend der von ihm als „religiöser Wunderbegriff" bezeichnete Begriff, und für diesen Wunderbegriff ist 'Werk Gottes' allein keine hinreichende logische Bedingung. Denn der 'religiöse Wunderbegriff' wird bei Wendland definiert durch eine Definition nach der zweiten oben erwähnten Alternative, aus der klar hervorgeht, daß 'Werk Gottes' keine Totalbestimmung ist, sondern mit anderen Bestimmungselementen konjungiert ist. Diese Definition wird so formuliert: Somit liegen zwei Merkmale in dem Wunder: einmal das Staunenswerte, Unerwartete, das sich oft zum Unerklärlichen steigert. In diesem allgemeinen Sinn kann man auch von Wundern außerhalb des religiösen Glaubens sprechen. Das Hauptmerkmal des religiösen Wunders ist: Gott wirkt in dem Ereignis, das wir als Wunder bezeichnen. D a nun Gott nur von der religiösen Erfahrung erkannt werden kann, ist das dritte Merkmal die Beziehung eines Ereignisses auf das Heil des Menschen 25 .

Zwei Bestimmungselemente außer der Bestimmung *Werk Gottes' sind hier genannt. Daß das zuerst genannte Bestimmungselement auch in dem 'religiösen' Wunderbegriff enthalten ist, geht aus dem hervor, was Wendland in einer Anmerkung zur Definition hinzufügt: " Wendland, a.a.O., 2. " Wendland, a.a.O., 6. 25 Wendland, a.a.O., 5 f. An einer anderen Stelle tendiert Wendland zu der Auffassung, daß alle Werke Gottes de facto Wunder sind. Siehe a.a.O., 85 f. Vgl. unten S. 156, Anm. 33. Vgl. oben S. 84 f. Dieselben Bestimmungselemente treten bei Schütz hervor [Schütz, Das biblische Wunder, 142), der das „Wesen des biblischen Wunders" und das, „was die Theologie in engerem Sinne unter Wunder versteht", klären will. Schütz, 141. Die Definition von Schütz ist unten angeführt, siehe S. 177, Anm. 2. Außerhalb seiner Definition nimmt Schütz eine negative Stellung zu der Frage, ob alle Werke Gottes auch Wunder im engeren [ = in der Definition definierten) Sinne sind, ein. Siehe unten S. 161, Anm. 62. 15З

Das Unerklärliche als Moment des Wunders ist nicht aus ihm auszuschließen . . . Das religiöse Wunder wird stets sowohl die Wirkung Gottes als auch das Geheimnisvolle und Unbegreifliche des Vorgangs betonen26. Das betreffende Bestimmungselement wird etwas schwankend durch verschiedene Termini bezeichnet, die jeweils in etwas verschiedene Richtung zeigen. Ähnliche Bestimmungselemente finden sich in der Definition Traubs, nur daß das 'Unerklärliche' sich zu dem den 'Naturzusammenhang Durchbrechenden' verschärft hat: „Der genauere Begriff des Wunders, daß es nicht bloß Wirkung Gottes, sondern den NaturZusammenhang durchbrechende Wirkung Gottes ist" wird von Traub so definiert, daß das Wunder als „das den Naturzusammenhang durchbrechende Wirken Gottes zu unserem Heil" bestimmt wird27. Zwei derjenigen Bestimmungselemente, die in Wendlands Definition des 'religiösen' Wunderbegriffs hervortraten, finden sich bei Delling, wenn er die Paulusbriefe als Stütze für die Auffassung heranzieht, „daß sich in den urchristlichen Gemeinden Geschehnisse ereignet" hätten, „die in ihnen als Wunder verstanden wurden", was wenigstens „vorläufig" dasselbe bedeuten soll wie „als außergewöhnliche, von Gott gewirkte Vorkommnisse"28. Es liegt nahe, in dem verdeutlichenden Zusatz „außergewöhnliche . ..", der offenbar als Explikation des Terminus „Wunder" gemeint ist, eine Voraussetzung definitorischer Art zu sehen. Das Bestimmungselement 'außergewöhnlich' ist hier mit 'von Gott gewirktes Vorkommnis' konjungiert. Bei Heim wird - zumindest implizite - eine Definition vorausgesetzt, in der außer 'Werk Gottes' auch andere Bestimmungselemente figurieren: Das Wunder, d.h. das Aufbrechen unbekannter Kraftquellen zum Zweck göttlicher Selbstoffenbarung, erscheint unter diesen Voraussetzungen als das eigentliche Wesen der Natur, als die Grundform alles Geschehens29. Die Definition ist hier verbunden mit einer Behauptung, die implizieren könnte, daß alle Werke Gottes Wunder sind, aber nur unter der Voraussetzung, daß die Bestimmung 'Werk Gottes' nach Heim nicht einen weiteren Umfang hat als das Wort „Geschehen" in diesem Kontext, dessen 2

" Wendland, a.a.O., 5, Anm. 1. F. Traub, 170. Die ganze Definition Traubs findet sich oben S. 36. Vgl. bei Herrmann die Identifikation von dem, „was der Glaube ein Wunder nennt" mit dem „Wirken der speziellen Fürsorge Gottes auf uns selbst". Der Christ und das Wunder, 70. Für Traub dürften nicht alle Werke Gottes Wunder sein, denn alles ist Werk Gottes, ohne daß deshalb alles Wunder ist. Siehe, a.a.O., 169: „Das Interesse der Frömmigkeit ist nur darauf gerichtet, alles Geschehen auf Gott zurückzuführen." 58 Delling, Das Verständnis des Wunders im Neuen Testament, 266. " Heim, Der gegenwärtige Stand der Debatte zwischen Theologie und Naturwissenschaft, 59. Vgl. unten S. 2 1 3 . 27

154

Umfang ja sehr wohl auf die empirische Welt, auf die 'Natur' beschränkt sein kann, während eine solche Beschränkung sich nicht direkt für die Bestimmung 'Werk Gottes' bei Heim belegen läßt. Ein Beispiel für die Behauptung, daß alle Wunder Werke Gottes seien, die nicht dazu Stellung nimmt, ob alle Werke oder Handlungen Gottes Wunder sind, finden wir implizite in der Wendung „das „Woher" des Wunders als einer Tat Gottes"30.

B. Der Umfang der Wirksamkeit

Gottes.

Konsequenzen

der Auffasssung, daß alles von Gott gewirkt sei Ein neues Problem hinsichtlich des Umfangs der Bestimmung "Werk Gottes' taucht auf, wenn man bedenkt, daß einer im Material vorkommenden Auffassung zufolge alles von Gott gewirkt oder eine Handlung Gottes ist31. Wenn 'Wunder' schlecht und recht als 'Werk Gottes' definiert wird, so wäre die Konsequenz dieses Standpunktes, daß alles [zumindest alle Geschehnisse] Wunder wären. Will man indes diese Konsequenz, daß alles Wunder ist, vermeiden, so muß man die Definition von 'Wunder' durch andere Bestimmungselemente als 'Werk Gottes' komplettieren oder evtl. ersetzen - oder aber die Überzeugung, daß Gott hinter allem stehe, fallen lassen. i. Wenn alle Werke Gottes Wunder sind [was die Folge ist, wenn beide Begriffe denselben Umfang haben) und die Werke Gottes alles umfassen, Gott alles gewirkt hat32, so ergibt sich die Schlußfolgerung, daß alles Wunder sein muß. Beide Prämissen und ihre Schlußfolgerung finden sich Thielicke, Das Wunder. Eine Untersuchung über den theologischen Begriff des Wunders, 94. 31 Das logische Wort „alles" muß sich natürlich nur auf die Gegenstände einer logischen Stufe oder auf diejenigen eines logischen Typus beziehen. Mann kann die Frage stellen, ob aus der betreffenden These folgt, daß Gott selbst ein Wunder ist. Wie verhält Gott sich zur Allklasse? Eine universale Aussage muß sich auf einen logischen Typus oder eine logische Stufe beschränken. Zu welcher logischen Stufe Gott gehört, ist der Sache nach ein uraltes Streitproblem. Ein handelndes Subjekt müßte an sich zu der logischen Stufe der individuellen, singulären Gegenstände gehören. Das Problem kann hier nur angedeutet werden. Über logische Stufen und Typus, siehe Carnap, Symbolische Logik, 65 f., 80 f f . Über die Allklasse, siehe a.a.O., 126. 32 Siehe oben Alt. 1, S. 148 f. Diese Alternative wird von dem angeführten Standpunkt logisch impliziert. Dagegen gilt die Implikation nicht in umgekehrter Richtung. Nach dieser Alternative 1 sind die beiden Begriffe 'Wunder' und 'Werk Gottes' umfangsgleich. Dies folgt aus dem angeführten Standpunkt, denn nach diesem Standpunkt sind alle Werke Gottes Wunder und auch alle Wunder Werke Gottes. Das letztere folgt daraus, daß alle Erscheinungen Werke Gottes sind. Dagegen folgt aus der Umfangsgleichheit der beiden Begriffe (Alt. 1 oben) an sich nicht, daß der Umfang des Begriffs 'Werk Gottes' alles umfaßt. 30

155

im Material belegt. Bevor Belege hierfür angeführt werden, muß folgende logische Möglichkeit beachtet werden: Alles kann W u n d e r sein, ohne daß alles von G o t t gewirkt ist - in diesem Fall hätte der Wunderbegriff einen weiteren Umfang als ' W e r k Gottes' - der letztere Begriff würde nur eine Teilklasse aller W u n d e r konstituieren. Dieser Standpunkt dürfte sich im Material äußerst schwer belegen lassen. Die Materialbelege für den Standpunkt, daß alles W u n d e r ist, die im folgenden angeführt werden, gehen vielmehr von der Prämisse aus, daß alles von G o t t gewirkt ist. Mandel gibt „religiöser Allgemeinbegriff des W u n d e r s " als einen von mehreren Wunderbegriffen an und definiert dies als „die allgemeine W i r k samkeit Gottes in a l l e m " " b z w . spricht von dem „Wunder" als in einer der Bedeutungen des W o r t e s gleich dem „unmittelbaren W i r k e n Gottes in allem Sein und Geschehen" und fügt hinzu: „dieser religiöse Allgemeinbegriff des Wunders ist zweifellos der christlichen Weltanschauung eigen"". Offensichtlich faßt er alles W i r k e n Gottes als W u n d e r auf. A b e r die Wirksamkeit Gottes umschließt seiner Meinung nach auch alles: „Der religiösen Weltanschauung sei alles Sein und Geschehen ein unmittelbares T u n Gottes". Er charakterisiert die Auffassung der 'christlichen Weltanschauung' in dem Satz, daß „alles letzten Endes Gottes W e r k und T u n •

j " in (10)80. Dies gilt auch für das folgende Schema ( n ] und ähnliche analog konstruierbaren Schemata. In Analogie zu (10) ergibt sich auch eine Schwächung von [8), die (8) von der entsprechenden Bedingung wie in (10] abhängig macht: [ I I ] '( 3 z] ( 3 r]: ·ζ denkt an χ zur Zeit t : : ( 3 y] ·у ist Wundererlebnis & χ ist extensionales Objekt für у & у gehört zu ζ & у geschieht zu t.' Die Operatoren vor dem Vordersatz der ganzen Implikation haben die ganze folgende Formel als Skopus, d.h. sie binden die entsprechenden Variabein „z" und „t" in der ganzen Satzformel81. ( I I ) ist eine Schwächung von (3] bzw. [8). [II] ist bis jetzt die allgemeinste und schwächste Form überhaupt und wird sogar von (3) impliziert ohne (3) wiederum zu implizieren. Hier tritt der entsprechende Begriff 'potentielles Wunderobjekt für irgend einen Beobachter zu irgend einer Zeit' hervor. Dies ist der allgemeinste Begriff 'potentielles Wunderobjekt', und er ist von dem allgemeinsten Begriff 'Wunderobjekt' in [3) impliziert, aber die Implikation besteht nicht in umgekehrter Richtung. In analoger Weise wie in (10} und [ n ] kann man schwächere Entsprechungen zu [2) und zu ( 4 ) - [ 6 ] bilden. Die Schwächung von (2 a) bildet sich in Analogie mit (10), nur mit der Zeit entsprechend quantifiziert so wie in (2 а]. Die schwächeren Entsprechungen zu ( 4 ] - ( 6 ) bilden sich in Analogie zu С11), nur daß „z" und „t" anstatt dessen mit demselben Operator quantifiziert werden müssen wie jeweils in [4), (5) oder [6]. Es ist wichtig zu bemerken, daß der Begriff 'Wunderobjekt in der Beziehung R' generell den Begriff 'potentielles Wunderobjekt in der Beziehung R' impliziert, aber nicht umgekehrt, wobei R aus einer bestimmten Beziehung zu Person und Zeit in singulärer oder in generalisierter Form besteht. Jedes Wunderobjekt ist eo ipso ein potentielles Wunderobjekt in derselben Beziehung R, aber nicht notwendig umge80

Über Kausalimplikationen, vgl. Pap, Analytische Erkenntnistheorie, 30 ff. Über den Skopus von Operatoren und über gebundene Variablen, siehe Camap, Symbolische Logik, 34 f. Den Skopus nennt Carnap „Operand". 81

250

kehrt, denn die Formen (10), ( n ) und die in analoger Weise konstruierbaren Formen, die den Begriff 'potentielles Wunderobjekt in der Beziehung R' bestimmen, sind von entsprechenden stärkeren Formen impliziert, die den Begriff 'Wunderobjekt in der Beziehung R' enthalten, aber sie implizieren nicht selbst diese stärkeren Formen. Der Vordersatz der Kausalimplikationen in (10} und in ( n ) und in den analogen Satzformen ist nämlich logisch in dem Hintersatz enthalten, der mit der entsprechenden stärkeren Form logisch äquivalent (identisch] ist. Die stärkere Form impliziert deshalb den Vordersatz der entsprechenden schwächeren Form, aber auch die ganze schwächere Form selbst, denn der einzige Unterschied zwischen dem Fall, daß χ ein Wunderobjekt ist und dem Fall, daß χ ein potentielles Wunderobjekt und kein Wunderobjekt ist, besteht nur darin, daß in dem letzteren Falle die betreffende Person zur betreffenden Zeit nicht an χ denkt98. Wenn der Vordersatz in einer der schwächeren Formen wahr ist, fällt das potentielle Wunderobjekt mit dem Wunderobjekt zusammen. Analoge Beziehungen bestehen übrigens zwischen den Begriffen 'Wunderstimulus' und 'potentieller Wunderstimulus'. Auch wenn in der Analyse der Materialbeispiele im nächsten Kapitel doch der Einfachkeit halber nur die Begriffe 'Wunderobjekt' bzw. "Wunderstimulus' explizite hervortreten, so können sie in diesen Zusammenhängen leicht erweitert werden zu den Begriffen 'potentielles Wunderobjekt' bzw. 'potentieller Wunderstimulus', besonders da die Erscheinungen, die unter diese Begriffen fallen können, zu derselben logischen Kategorie gehören. Die schwächeren Formen (10], ( 1 1 ] und die in analoger Weise konstruierbaren Formen enthalten sämtlich eine kausale Implikation, wie oben in den Kommentaren zu (io) schon erwähnt wurde. Damit deuten sie Dispositionseigenschaften bei dem Beobachter a bzw. ζ an". Dispositionseigenschaften des Beobachters werden im nächsten Kapitel behandelt werden. Um das Thema des nächsten Kapitels etwas weiter anzuschneiden, muß auch bemerkt werden, daß man [io], ( n ) und alle ähnlichen Satzformen noch weiter schwächen kann dadurch, daß man den Vordersatz der Implikation noch mehr erweitert zu einer Konjunktion von zwei oder mehreren Gliedern. Den Vordersatz in (10) und ( n ] kann man mit noch einer Bedingung konjungieren, die sich auf die Beschaffenheit des Beob*' Im übrigen sind die Faktoren gleich. Eine Kausalimplikation besteht übrigens immer nur relativ zu einer gegebenen Theorie, zu gegebenen Gesetzen und zu einer Reihe von übrigen gegebenen Einzelfaktoren. In dem hier aktuellen Falle ist die Beschaffenheit des Beobachters ein solcher relevanter Faktor. "

Siehe unten, Kap. 9, Α - B . Über den Zusammenhang zwischen Kausalimplikation und

Dispositionen, vgl. Pap, a.a.O., 2 7 ff., 30 ff., 140 ff.

251

achters a bzw. ζ bezieht und dadurch auf besondere Kategorien von Beobachtern. Der so entstandene Vordersatz der Implikationen in (10] oder (11) wäre dann etwa von der folgenden Form: 'z denkt an χ zur Zeit t & z hat die Beschaffenheit Bi'. Nach diesem Muster könnte man z.B. einen Begriff 'potentielles Wunderobjekt für alle Frommen' definieren durch eine solche doppelte Schwächung von (5) oder (6]; führen wir diese für (6) durch: (12) '(z) (r): · ζ denkt an χ zu t & ζ ist fromm zu t : э : ( Э у) · у ist Wundererlebnis & χ ist extensionales Objekt für у & у gehört zu ζ & у geschieht zu t.' Mit С12] haben wir das Thema des nächsten Kapitels stark angeschnitten und auch ein Muster für die Präzisierung von Materialbeispielen, die dort angeführt werden, gegeben84. Ehe wir zu diesem Kapitel übergehen, werden wir aber noch ein logisches Thema in bezug auf die Begriffe 'Wunderobjekt' und 'Wunderstimulus' zu behandeln haben, das von den angeführten Schemata aktualisiert wird. Die Satzformen [7) und [8) oben aktualisieren den Begriff 'die Abbildung der Klasse der Wundererlebnisse in bezug auf die extensionale Objektsrelation'. Alle x, die (7] oder [8) erfüllen, bilden die Elemente derjenigen Klasse, die die Abbildung der Klasse der Wundererlebnisse in bezug auf die Relation 'extensionales Objekt für' bildet. Diese Abbildung ist identisch mit der Klasse derjenigen Erscheinungen, die zu mindestens einem Wundererlebnis in der extensionalen Objektsrelation stehen. Diese Klasse ist die Klasse aller Wunderobjekte. Generell ist die Abbildung einer Klasse Q in bezug auf eine Relation R identisch mit der Klasse derjenigen Objekte, die zu mindestens einem Element der Klasse Q in der Relation R stehen86. Wenn Q leer ist, so muß die Abbildung von Q in bezug auf jegliche Relation auch leer sein8'. Gäbe es keine Wundererlebnisse, würde es auch keine Wunderobjekte geben. Dieser strukturelle Begriff läßt sich weitgehend auf diejenigen Klassen anwenden, die die Umfänge vieler vorhin behandelten Bestimmungselemente bilden. Auch auf die Klasse der Beobachterstimuli bzw. der Wun81 Die Beschaffenheit des Beobachters wird überhaupt in Kap. 9 Α behandelt. D a ß Wunder von manchen Verfassern im Material als etwas aufgefaßt werden, das auf Beobachter einer bestimmten Beschaffenheit einen Eindruck bestimmter A r t macht, wird in demselben Abschnitt ausgeführt und durch Beispiele aus dem Material belegt, siehe unten S. 255.

" Siehe Carnap, Symbolische Logik, 127. · · Dieser Satz läßt sich aus Definition D 32-6. a. bei Carnap, a.a.O., 127, ableiten, wenn man jedes Glied der in D 32-6. a. ausgesagten Äquivalenz negiert.

252

derstimuli kann dieser Abbildungsbegriff angewendet werden. Die Klasse der Beobachterstimuli ist die Abbildung der Klasse aller Erlebnisse in bezug auf die Stimulusrelation, d.h. in bezug auf die Relation 'auslösende Ursache von'. Die Klasse der Wunderstimuli ist die Abbildung der Klasse aller Wundererlebnisse in bezug auf die Konjunktion der beiden Relationen 'auslösende Ursache von' und 'extensionales Objekt für'". " Vgl. D ι und D 3 oben S. 219, 222. Auch auf die Umfange vieler Bestimmungselemente, die oben in Teil II behandelt wurden, läßt sich der logische Begriff der Abbildung einer Klasse anwenden: Die Klasse aller Erscheinungen, die von einer transzendenten Geistesmacht gewirkt sind [Kap. 5 D oben), ist die Abbildung der Klasse der transzendenten Geistesmächte in bezug auf die Relation 'gewirkt von'. Die Klasse der Erscheinungen, die ein Resultat der Erlösung und des Heils haben [Kap. 6 C), ist die Abbildung der Klasse aller Erlösungs- und Heilsfälle in bezug auf die Relation 'als Resultat hervorbringen'. In ähnlicher Weise könnte man den Abbildungsbegriff in bezug auf alle Bestimmungselemente anwenden, die sich auf die Person des Wundertäters (Kap. 5] oder auf das Resultat [Kap. 6, C, D) oder auf das Motiv des Wundertäters (Kap. 7) beziehen.

25З

KAPITEL 9

Hilfsbegriffe und Kategorien von Wundern im Zusammenhang mit dem Wundererlebnis

A. Die Beschaffenheit

des Beobachters für das

als eine kausale

Bedingung

Wundererlebnis

Oben haben wir gesehen, daß ein und dieselbe Erscheinung, ein und derselbe Beobachterstimulus, bei verschiedenen Beobachtern verschiedene Arten von Erlebnissen auslösen kann1. Wenn nun aber dieselbe Erscheinung verschiedene Arten von Erlebnissen bei verschiedenen Beobachtern hervorruft, kann offenbar das Erlebnis eines Beobachters angesichts einer Erscheinung nicht nur kausal von der Art der Erscheinung bedingt sein, sondern eine Erklärung für die verschiedenartigen Erlebnisse verschiedener Beobachter angesichts derselben Erscheinung muß auch die eigene Beschaffenheit der verschiedenen Beobachter berücksichtigen. Verschiedene Beschaffenheit verschiedener Beobachter kann also verschiedene Erlebnisse verschiedener Beobachter angesichts desselben Beobachterstimulus zur Folge haben. Da der Begriff 'Wunder' durch Hinweis auf den Eindruck des Beobachters bestimmt wurde, ist damit auch die Beschaffenheit des Beobachters für die Frage relevant, ob ein und dieselbe Erscheinung für einen bestimmten Beobachter ein Wunder ist oder nicht. Indessen zeigt es sich auch in den Fällen, in denen der Begriff 'Beobachterstimulus' sich nicht auf das, was 'Eindruck macht', anwenden läßt", daß die Beschaffenheit des Beobachters eine entscheidende kausale Bedingung für die Art des Eindrucks ist. Auch wenn der Beobachterstimulus ein Bericht von einem Wunder ist und für zwei verschiedene Beobachter dieselbe Konnotation hat, können gleichwohl die Erlebnisse der Beobachter, die von dem Wunderbericht ausgelöst werden, bei den beiden Beobachtern je nach ihrer verschiedenen Beschaffenheit verschieden sein. Der Beobachterstimulus ist hier nicht identisch mit dem Objekt (dem Wunder), von dem der Beobachterstimulus berichtet, aber man kann auch in einem solchen Fall davon sprechen, daß beide Entitäten auf den Beobachter 'Eindruck machen', und dieser Eindruck hängt von der Beschaffenheit des Beobachters ab. In einigen Gedankengängen im Material, denen zufolge das Wunder Siehe oben S. 244 f. Diese Fälle sind die, in denen die Typen 3 und 4 der vier verschiedenen Typen des Beobachtens zutreffen. Siehe oben S. 224. Die betreffenden Typen sind: Beobachtung durch Vermittlung der Sprache oder durch Erinnerung.

1

2

254

das ist, was auf den Beobachter 'Eindruck macht', kommen auch Hinweise auf die Beschaffenheit des Beobachters als bestimmenden kausalen Faktor für die Art des Eindrucks des Wunders auf den Beobachter vor. Es wird an mehreren Stellen von dem Wunder als von etwas gesprochen, das charakteristische Wirkungen auf 'den Frommen' hat8. Rade spricht über „das religiöse Wunder, das Ereignis, über das wir als fromme Menschen uns wundern"4 und darüber, daß „der Fromme als solcher Wunder erlebt und tut"6. Die Ausdrücke „fromme Menschen" bzw. „der Fromme" beziehen sich offenbar auf eine bereits vorhandene Beschaffenheit eines Beobachters, „uns wundern" wiederum auf die unmittelbareren Wirkungen des Wunders. In diesem und ähnlichem Zusammenhang kann „Frömmigkeit" als auf eine Reihe von Eigenschaften des Beobachters des Wunders bezüglich gedeutet werden. Die Beschaffenheit des Beobachters in einer Beobachtersituation von der Art, welche das vorliegende Kapitel voraussetzt, ist von kausaler Bedeutung für das Vorhandensein eines Wunders auch dann, wenn in einem gegebenen Fall noch andere Bestimmungselemente in dem betreffenden Wunderbegriff enthalten sind als solche, welche von dem Eindruck des Wunders auf den Beobachter handeln, da bei einigen Theologen das Wunder ebensowohl in dem Wundererlebnis des Beobachters bestehen kann wie in dem Beobachterstimulus, der das Wundererlebnis auslöst. In dem ersteren Fall ist das Wundererlebnis selbst ein Wunder, aber auch das Vorkommen eines solchen psychischen Wunders wird abhängig von der Beschaffenheit des Beobachters. Die Bedeutung der Beschaffenheit des Beobachters für sowohl Vorkommen wie Art des Wundererlebnisses wird bei Thielicke deutlich, demzufolge anscheinend sowohl Stimulus wie Wundererlebnis Wunder sein können. Einer von Thielickes drei fixierten Wunderbegriffen dürfte diesen weiten Umfang gestatten. Er wird folgendermaßen charakterisiert: Es gibt aber auch noch einen weiteren Begriff vom Wunder. Die zweite Art, wie man die Wunderfrage behandelt, besteht darin, daß man sagt: Wunder bestehen nicht in einem außergewöhnlichen, übernatürlichen Geschehen, wie das etwa bei Jesus vorliegt, wenn er einen Kranken heilt. Das Wunder besteht vielmehr in einer ganz bestimmten Betrachtungsart der Natur. Es ist eine Form unseres Sehaktes8.

Im Zusammenhang mit diesem seinem Wunderbegriff, der sich offenbar sowohl auf den Stimulus wie auf das Wimdererlebnis anwenden läßt, betont Thielicke nachdrücklich gerade die Beschaffenheit des Beobachters 3

Rade, Das religiöse Wunder, 25 f., 27; Stanges Lehre vom Wunder, 153; Fr. Traub, 167. 4 Rade, Das religiöse Wunder, 3. 6 Rade, a.a.O., 8. " Thielicke, Der Glaube der Christenheit, 341.

255

als wesentlich dafür, ob der Wunderbegriff auch auf einen bestimmten konkreten Fall zutrifft. Es wird hervorgehoben, daß es „bei dieser Sehweise auf eine gewisse Begabung, auf eine gewisse Form religiöser Genialität" ankommt. Da Wunder nur innerhalb unserer Subjektivität stattfinden, bedarf es logischerweise auch einer bestimmten Veranlagung der Subjektivität, um sie Ereignis werden zu lassen, um also Wunder zu „sehen". Der eine Mensch, der diese Begabung nicht hat, sieht in einem Bergmassiv wirklich ganz nüchtern nur Ausbuchtungen der Erdrinde, und der andere, der sogenannte „religiös Begabte", sieht darin eine Liturgie der Schöpfung, einen geologischen Lobpreis des Schöpfers in seiner majestätischen Herrlichkeit.

Im Zusammenhang damit wird von „dieser doppelten Art zu sehen und zu hören" gesprochen7. In dem zuletzt angeführten Text beziehen sich „Begabung" „Form religiöser Genialität" „Veranlagung der Subjektivität" offensichtlich auf irgendwelche Eigenschaften des Beobachters. Als Beispiel für Stimuli wird „Bergmassiv" genannt, aber die Einordnung des Wunders selbst in dieses Kategorienschema Thielickes ist nicht ganz klar. Ein Wunder braucht ihm zufolge offenbar kein äußerer Stimulus zu einem Wundererlebnis zu sein; das Wundererlebnis selbst kann offenbar auch Wunder sein: „Da Wunder nur innerhalb unserer Subjektivität stattfinden". Das zuletzt angeführte Zitat aktualisiert einen wichtigen Umstand, daß nämlich der Stimulus - z.B. ein Bergmassiv - , der ein bestimmtes Erlebnis bei einem Beobachter auslöst, so daß dieser z.B. „darin eine Liturgie der Schöpfung, einen geologischen Lobpreis des Schöpfers in seiner majestätischen Herrlichkeit" sieht, ganz und gar nicht dasselbe Erlebnis bei einem anderen Beobachter auszulösen braucht8. Die kausalen Relationen zwischen der Beschaffenheit des Beobachters, dem Beobachterstimulus und den aktuellen Erlebnissen des Beobachters, die durch den Beobachterstimulus ausgelöst werden, können eine gewisse Präzisierung erhalten durch Anwendung der drei Dispositionsbegriffe 'Stimulus' (auslösende Ursache), 'Disposition' und 'Response' (das verursachte Ereignis). Die Beschaffenheit des Beobachters läßt sich präzisieren durch den Begriff 'Disposition'; der Beobachterstimulus fällt unter den Begriff 'Stimulus', und die von diesen beiden Faktoren verursachten Erlebnisse des Beobachters lassen sich mit Hilfe des Begriffs 'Response' präzisieren. Die Anwendung dieser Begriffe auf die Wirkung des Wunders auf das Bewußtsein des Beobachters des Wunders erhält also folgendes Aussehen: das Wunder selbst wirkt als Stimulus, insofern es ein Erlebnis bei dem T

Thielicke, a.a.O., 343.

8

V g l . hierzu Schmeling, 1067, 1109.

256

Beobachter auslöst. Dispositionen des Beobachters bestehen in dauernden, latenten Charakteristika des Beobachters des Wunders, des Empfängers des Eindrucks. Solche Dispositionen können kognitiver, emotioneller oder willensmäßiger Art sein. Response ist in einer solchen Situation das ausgelöste, verursachte Erlebnis des Wunders und sein Eindruck auf den Beobachter. Generell gelten folgende Relationen zwischen Stimulus, Disposition und Response in einer gegebenen kausalen Situation: eine Response ist kausal abhängig sowohl von einem Stimulus wie von einer Disposition, wobei der Stimulus als auslösende Ursache fungiert, während die Disposition eine latente Beschaffenheit des Gegenstandes ist, der von dem Stimulus beeinflußt wird und durch die betreffende Response reagiert. Ferner gilt, daß eine Disposition auf eine gesetzmäßige Art die Beschaffenheit des Stimulus mit der Beschaffenheit der Response verbindet. Eine Disposition bedeutet eine bestimmte kausale Beschaffenheit, eine charakteristische gesetzmäßige Art zu wirken, die ein Gegenstand in Relation zu seiner Umgebung hat'. Eine Präzisierung einer gegebenen Disposition setzt mit Notwendigkeit eine genauere Präzisierung der gesetzmäßigen kausalen Relationen zwischen Stimulus und Response voraus, die in der betreffenden Disposition impliziert sind. So ist 'Response' nur ein Relationsbegriff: etwas kann Response lediglich in Relation zu einem bestimmten Stimulus und einer bestimmten Disposition sein. Stimulus wiederum kann etwas nur in Relation zu einer gegebenen Response sein. Es ist wichtig zu unterstreichen, daß die Einführung der Dispositionsbegriffe eine Präzisierung im Verhältnis zu entsprechenden Gedankengängen im Material bedeutet. Die Vagheit des Materials in dieser Hinsicht macht es wünschenswert, angesichts der angeführten Materialbeispiele zu erwähnen, daß diese Beispiele Dispositionen des Beobachters des Wunders eher andeuten als explizite nennen. Bei Rade wird eine Möglichkeit angedeutet, die noch nicht behandelt wurde, und die unter Verwendung des Dispositionsbegriffs so formuliert werden kann, daß ein Wunder als Stimulus selbst eine neue Disposition hervorbringt. Die Fälle, die bisher in der Darstellung herangezogen wurden, betrafen eher das Wunder als Stimulus zu einem momentanen Erlebnis. Daß ein Wunder bei dem Beobachter neue Dispositionen zu erwecken " Über die Dispositionsbegriffe, siehe Pap, Analytische Erkenntnistheorie, 2 7 ff., 1 3 9 f f . [ f ü r die formallogischen Aspekte, besonders in Anschluß an Carnaps Theorien). Für die [leichter zugänglichen) ontologischen Aspekte, siehe Broad, T h e mind and its place in nature, K a p . X , besonders 4 3 2 f f . ; T h e „nature" of a continuant, 4 7 3 f f . Eine übersichtliche Darstellung im Anschluß an Broad findet sich bei Stevenson, Ethics

and

language, 4 6 f f . 17 - 566-3501

257

vermag, wird in zwei Sätzen bei Rade über 'das religiöse Wunder' angedeutet; er sagt, es habe die Tendenz, uns in der Stimmung des Sichwundern zu erhalten und sogar uns den Sinn zu wecken und zu bilden für die Aufnahme und Entdeckung immer neuer Anlässe zum Sichwundern10 und erwähnt in einem anderen Satz Das echte Wunder, . . . das uns die Ahnung jener Zusammenhänge in die Seele blitzt, das uns den Sinn für den Sinn der Welt und ihrer Geschichte öffnet11. Die Ausdrücke: „Sinn für Entdeckung immer neuer Anlässe zum Sichwundern", „Ahnung jener Zusammenhänge" und „Sinn für den Sinn der Welt und ihrer Geschichte" deuten Dispositionen an, die gemäß dieser Präzisierung der Gedanken des Verfassers von dem 'religiösen Wunder' verursacht werden. Solche neuen Dispositionen können ihrerseits bei bestimmten Gelegenheiten aktualisierte momentane Responsen in Form neuer aktueller Erlebnisse kausal bedingen, z.B. „Sichwundern" von Seiten des Beobachters gegenüber neuen Stimuli, „neuen Anlässen". Ein Stimulus kann also einmal eine neue Disposition schaffen, und zum anderen eine zeitlich begrenzte singuläre Response auslösen. Eine Disposition, die durch ein Wunder als Stimulus verursacht wurde, kann generell ihrerseits als eine Response auf das Wunder als Stimulus im Verhältnis zu einer übergeordneten Disposition des Beobachters gesehen werden". Am ausführlichsten werden die Dispositionsbegriffe bei Jelke angedeutet, der über den Wunderbegriff u.a. folgendes schreibt: „Wunder sind m s also Tatsachen, die durch ihre Eigenart Grund der Gewißheit um die Wirklichkeit Gottes werden" 13 . „Das Merkmal der von vornherein gegebenen Beziehung zu unserem religiösen Bewußtsein" ist dem Verfasser zufolge für den echten Wunderbegriff notwendig. Ferner wird in bezug auf die Eigenart der Wunder gesagt, in ihrer „Beziehung zum religiösen Bewußtsein liegt zugleich eine Beziehung zum subjektiven Zustand des menschlichen Bewußtseins" 11 . Ferner wird gesagt, "Wunder' seien „raumzeitliche Phänomene"16. Dies reicht in diesem Zusammenhang als Charakteristik des Wunderbegriffs bei Jelke, der uns hier beschäftigt. Bereits hier wird eine Disposition durch den Ausdruck „Gewißheit um die Wirklichkeit Gottes", genauer gesagt eine kognitive Disposition, angedeutet. Dieser Ausdruck dürfte eine Disposition bezeichnen 10

11 Rade, a.a.O., 3. Rade, a.a.O., 26. Über hierarchische Über- und Unterordnung verschiedener Dispositionen, siehe Broad, The „nature" of a continuant, 473 f f . 13 Jelke, Religionsphilosophie, 255. Vgl. unten Anm. 2 1 . 14 15 Jelke, a.a.O., 257. Jelke, a.a.O., 255. 12

258

können, die von einem Wunder geschaffen wird, oder auch ein aktualisiertes Wundererlebnis, wobei das erstere eine einleuchtendere Deutung ist. Möglicherweise kann die Erwähnung eines „subjektiven Zustandes des menschlichen Bewußtseins" in diesem Kontext für die Deutung der Wirkung des Wunders als eines aktualisierten Wundererlebnisses sprechen. Ganz gleich, ob die charakteristische Wirkung des Wunders auf den Beobachter eine Disposition oder ein Wundererlebnis ist, beruht sie ihrerseits auf einer Disposition, die bei dem Beobachter schon vor dem Wunder vorhanden ist. Im ersteren Fall ist die vorhandene Disposition eine übergeordnete Disposition, d.h. eine Disposition dazu, neue Dispositionen zu erwerben, wobei diese neuen Dispositionen Responsen im Verhältnis zu der übergeordneten Disposition bilden. Im letzteren Fall ist sie eine Disposition erster Ordnung, d.h. eine Disposition zu momentanen Erlebnissen. Ein Wunderbegriff kann natürlich durch eine Bestimmung von Wirkungen beider Arten bestimmt werden. Jelke deutet die Disposition, die kausal die für den Wunderbegriff charakteristische Wirkung auf den Beobachter bedingt, durch den Ausdruck „religiöses Apriori" an. Dieses religiöse Apriori' bestimmt er als „die Fähigkeit des Menschen, des Wirkens und damit des Seins des überweltlichen Gottes inne zu werden" 1 ". Er schreibt auch, „religiöses Apriori" sei die dem Menschengeist innewohnende Fähigkeit, reine Geistigkeit zu erfassen. Nur vermöge seiner „Anlage auf den absoluten Geist" ist dem Menschengeiste ein Innewerden Gottes als der absoluten Geistigkeit möglich 17 .

Der Ausdruck „menschlicher Geist" wird definiert als „die erlebende und wollende Einheit des bewußten Seins", also etwas klar Psychisches". Ob „inne zu werden" und „erfassen" ihrerseits als auf Dispositionen oder aktuelle Erlebnisse Bezug nehmend gedeutet werden sollen, ist ungewiß. Vermutlich wird eine Hierarchie von Dispositionen immer höherer Ordnung angedeutet, die mit den aktualisierten Erlebnissen beginnt und deren Spitze das 'religiöse Apriori' bildet. Femer ist zu bemerken, daß von den Erlebnissen, auf die Bezug genommen wird und die die äußersten Aktualisierungen dieser Dispositionen sind, gesagt wird, sie hätten einen intentionalen Inhalt "Wirken und Sein des überweltlichen Gottes', 'reine Geistigkeit', 'absolute Geistigkeit'. Eine Disposition kann eine Disposition zu Erlebnissen [als Responsen) mit bestimmten intentionalen Inhalten sein. " Jelke, a.a.O., 223. 17

Jelke, a.a.O., 230. Dort steht ein Hinweis auf R. Seeberg, Christliche Dogmatik, I, 104. 18 Jelke, a.a.O., 227.

259

Was nun die Stimuli betrifft, die das 'religiöse Apriori' auslösen, so nennt Jelke diese „Stoff, an dem es sich betätigt"1", und erklärt, sie könnten „raumzeitliche Größen oder auch Vorstellungen von raumzeitlichen Größen" sein", sowie bestimmte Wahrnehmungen, das heißt durch das Apriori der erkennenden Vernunft verarbeitete Sinnesempfindungen oder raumzeidich gegebene Phänomene, welche auf den Menschengeist so wirken, daß die religiöse Vernunfttätigkeit des Menschen in Funktion tritt20. Hier werden sowohl äußere Stimuli außerhalb des Beobachters angedeutet wie innere, psychische Stimuli. Bestimmte Erlebnisse können neue, für den Wunderbegriff typische Wirkungen in Form von Erlebnissen oder Dispositionen verursachen. Daß die äußeren Stimuli, die das 'religiöse Apriori' auslösen, von Jelke als Wunder aufgefaßt werden, folgt aus dem Gesagten. Wie es sich mit inneren, psychischen Stimuli in bezug auf die Anwendung des Wunderbegriffs verhält, ist nicht klar. Es wurde oben gesagt, daß verschiedene Beschaffenheit verschiedener Beobachter verschiedene Erlebnisse dieser Beobachter angesichts desselben Beobachterstimulus zur Folge haben kann. Unter Verwendung der Dispositionsbegriffe läßt sich das genereller auf folgende Art aussagen: verschiedene Dispositionen verschiedener Beobachter können verschiedene Responsen verschiedener Beobachter angesichts desselben Stimulus zur Folge haben. Aber auch eine andere Kombination gilt: dieselbe Disposition kann verschiedene Arten von Stimuli mit verschiedenen Responsen verbinden, so wie eine mathematische Funktion verschiedene Argumente mit verschiedenen Werten der betreffenden Funktion verbindet. Diese letztere These wird von Gedankengängen, die sich gerade bei Jelke finden, impliziert. Jelke unterscheidet in bezug auf äußere Stimuli zwischen verschiedenen Arten, die er mit Wirkungen verschiedener Art auf den Beobachter korreliert. Die Disposition ist in beiden Fällen das 'religiöse Apriori', doch manifestiert sie sich durch verschiedene Responsen verschiedener Stimuli. Dies eben befindet sich in völliger Übereinstimmung mit dem erwähnten Prinzip, daß dieselbe Disposition verschiedene Arten von Stimuli mit verschiedenen Arten von Responsen verbinden kann. Die Verschiedenheit der Response verlegt der Verfasser auf den intentionalen Inhalt der Wundererlebnisse und dessen Relation zu dem äußeren Stimulus, welch letzteren er „Wunder" nennt". 18 20

Jelke, a.a.O., 230. Jelke, a.a.O., 247.

al

Vgl. Jelke, a.a.O., 255: „Solche eigenartigen . . . aus der Analogie alles sonstigen Geschehens herausfallenden und ebenso durch ihr ganzes Auftreten in Beziehung zum religiösen Bewußtsein des sie wahrnehmenden Menschen stehenden raumzeitlichen Phänomene nennen wir Wunder."

260

Die erste Alternative in bezug auf den Charakter des Stimulus und den damit korrelierten Charakter der Response wird so dargestellt, daß von dem 'religiösen Subjekt' gesagt wird, es sei überzeugt, daß dieses Eigenartige und damit der Offenbarungscharakter dem Gegebenen objektiv a n h a f t e t . . . Dabei kann nun das Eigenartige mehr ethischpersönlichen oder auch mehr unpersönlich-naturhaften Charakter haben. Je mehr das Erstere der Fall ist, desto mehr wird das religiöse Subjekt sich veranlaßt sehen, die gegebenen Phänomene in die überweltliche Sphäre zu rücken, das heißt, diese Phänomene werden nicht nur die Realität darstellen, die die religiöse Vernunftbetätigung zum Funktionieren brachte, sondern werden zugleich Objekt dieser Vernunftbetätigung sein22.

Als Beispiel werden 'heilige Personen' mit ihrer „geistig-inneren Einwirkung" herangezogen. Die Eigenschaft, Stimulus zu sein, wird in der Wendung angedeutet, „Realität, die die religiöse Vernunftbetätigung zum Funktionieren brachte" und in „das Gegebene", das charakterisiert wird durch „das Eigenartige" und „Offenbarungscharakter" und entweder durch „ethisch-persönlichen" oder „unpersönlich-naturhaften Charakter". Es besteht hier eine Tendenz, den Stimulus in dem intentionalen Inhalt des Wundererlebnisses in sehr intime Relation zu dem Göttlichen und Transzendenten zu rücken und zum Gegenstand von 'Verehrung' werden zu lassen. Ferner ist zu beachten, daß der 'ethisch-persönliche' Charakter des Stimulus von Jelke als Frage des Grades aufgefaßt wird, zur Eigenschaft wird, die kompariert werden kann. Die andere Alternative in bezug auf den Charakter des Stimulus und der von dem Stimulus ausgelösten Response wird folgendermaßen dargestellt: Der andere Fall ist der, daß das Eigenartige der raumzeitlich gegebenen Phänomene vorwiegend unpersönlich-naturhaften Charakter trägt23.

Diese Phänomene werden dann dem Verfasser zufolge nicht 'verabsolutiert'. Darüber schreibt er: Hier bleibt dem religiösen Subjekte nichts anderes übrig, als diese Phänomene als etwas Gewirktes anzusehen und sich dann vorstellungsmäßig die Realität zu vergegenwärtigen, die als die diese Phänomene wirkende Ursache in Frage kommt. In diesem Falle ist das von der religiösen Vernunft zu Verabsolutierende nicht das wahrnehmungsmäßig gegebene Eigenartige selbst, sondern das Vorstellungsgebilde, auf das uns das genannte Gegebene führt 23 .

A n einer anderen Stelle heißt es, das religiöse Subjekt habe die Möglichkeit, bestimmte Ereignisse als Wunder anzusehen, nämlich dann, wenn es diese Phänomene in einen Zusammenhang einer Wirkungskette stehen weiß, die sich ihm, dem religiösen 22

Jelke, a.a.O., 254.

2S

Jelke, a.a.O., 254 f.

261

Subjekte selbst, als eine übernatürliche ausgewiesen hat. Diese Wirkung wird dann freilich auf dem Boden der geistigen Erfahrung liegen, somit persönlicher Art sein". Wenn also dem äußeren Stimulus, dem Wunder, 'ethisch-persönlicher' Charakter fehlt, und er statt dessen 'naturhaften' Charakter hat, so wird dieser Stimulus Jelke zufolge ein Erlebnis [Response] auslösen mit der Eigenschaft, daß dessen intentionaler Inhalt keine 'Verabsolutierung' des Stimulus enthält, sondern nur den Gedankeninhalt, daß der Stimulus übernatürliche Ursachen habe. Dieses ist jedenfalls als eine (offenbar hinreichende, möglicherweise notwendige) Bedingung angegeben, damit ein äußerer Stimulus von nur 'naturhaftem' Charakter als Wunder angesehen werden kann. Vielleicht reicht es nicht aus, daß der Stimulus ein Erlebnis auslöst, dessen Inhalt von 'dem Absoluten' handelt. Der Inhalt muß möglicherweise auch dies enthalten, daß der Stimulus von diesem 'Absoluten' hervorgebracht sein muß, wenn der Stimulus als ein Wunder aufgefaßt werden soll. In diesem Fall hat Jelkes Bestimmung des Wunderbegriffs, die in unserer Analyse von Jelke anfangs zitiert wurde, hier einen weiteren Zusatz oder möglicherweise eine Präzisierung erfahren. Vielleicht deutet die Wendung „wenn es (seil, das religiöse Subjekt) diese Phänomene in einem Zusammenhang einer Wirkungskette stehen weiß, die sich dem religiösen Subjekte als übernatürlich ausgewiesen hat" eine besondere Disposition als Bedingung für das Wundererlebnis an über das 'religiöse Apriori' hinaus, eine Disposition, die Jelkes Prämissen zufolge sich auf der Grundlage des 'religiösen Apriori' als übergeordneter Disposition selbst gebildet haben muß. Eine gegebene Disposition kann im Verhältnis zu einem Wunder als Stimulus zwei verschiedene Positionen einnehmen: entweder als eine bereits vorhandene Disposition des Beobachters vor seiner Konfrontation mit dem Wunder, oder aber als eine Disposition, die vom Wunder geweckt wurde. Im letzteren Fall muß es eine andere Disposition höherer Ordnung geben, die bei dem Beobachter vor der Konfrontation mit dem Wunder vorhanden ist und ihn dazu disponiert, von dem Wunder die neue Disposition zu erhalten. Bei Rade begegnet auch der Gedanke, daß der 'Glaube' zwei verschiedene Relationen hinsichtlich des 'religiösen Wunders' haben kann, entsprechend den beiden verschiedenen Relationen zwischen einer Disposition und einem Stimulus, auf die wir aufmerksam machten. Über das 'religiöse Wunder' schreibt er:

"

Jelke, a.a.O., 258.

262

Auch der Fromme unserer Tage erlebt es überall da, wo ihm inmitten des natürlichen Geschehens der Glaube an einen höheren ewigen Sinn der Geschichte geweckt oder bestätigt wird25. Hier sind die beiden Wörter „geweckt" und „bestätigt" zu beachten. Das erstere bezieht sich auf die Entstehung des 'Glaubens'2", das letztere auf seine Aktualisierung, seine Manifestation in Form irgendeiner Response, wobei 'der Glaube' eine bereits vorhandene Disposition sein muß, die Rade zufolge weiterhin 'gestärkt' werden kann. Dies letztere setzt ja voraus, daß die Disposition bereits vorliegt.

B. Einige analytische Gesichtspunkte auf die

in bezug

Dispositionsbegriffe

Der Begriff 'Disposition' diente als Hilfsmittel bei der Begriffsanalyse des Typus von Situationen, die darin bestehen, daß zwei Beobachter auf verschiedene Weise, in Form von verschiedenartigen Erlebnissen, auf ein und denselben Stimulus reagieren2'. Aber in vielen Fällen kann auch ein und derselbe Beobachter zu verschiedenen Zeitpunkten auf Ereignisse derselben Art in verschiedener Weise reagieren27. Generell in solchen Fällen als einzigen Erklärungsgrund die These heranzuziehen, daß die [eine von den) Dispositionen des betreffenden Beobachters sich geändert haben und durch eine (mehrere) andere Disposition (en) ersetzt worden seien, dürfte nicht befriedigen. Eine eingehendere Analyse des Inhalts der Dispositionsbegriffe wird Alternativen zu einer derartigen Verfahrensweise ergeben. Von logischer Seite werden Dispositionen als kausale Charakteristika perdurierender Dinge bezeichnet, die von Charakteristika momentaner 'Stadien' oder Zustände von Dingen und Gegenständen zu unterscheiden sind28. Daß Personen (Beobachter) auch hier zu den perdurierenden Dingen gezählt werden, ist klar. Die Anwendung der Dispositionsbegriffe auf perdurierende Substanzen ist so weit, daß sich mit Fug und Recht behaupten läßt, alle kausalen Substanzeigenschaften seien Dispositionen29. Kausale Eigenschaften von Substanzen enthalten nämlich charakteristische Arten, in der Gegenwart ganz bestimmter Arten von Einflüssen zu wirken. Die Dispositionsbe25 Дас1е, a.a.O., 27. Vgl. Stange, Wunder und Heilsgeschichte, 19, wo Stange Wendlands Wunderauffassung kritisiert. 28 Zur Entstehung des Glaubens durch ein Wunder, vgl. auch Herrmann, Der Christ und das Wunder, 38 f., 52, 54 f . 27 Die Möglichkeit dieser beiden Fälle wird schon in Kap. 8 Ε vorausgesetzt. 28 Siehe z.B. Broad, The mind and its place in nature, 430 ff.; Stebbing, Α modern introduction to logic, 266 f. 2" Vgl. dazu Broad, a.a.O., 432 ff.; Stebbing, a.a.O., 266 f.

263

griffe bilden das Gelenk, in dem die Substanz- und Kausalbegriffe zusammenhängen. Das Wesentliche für den Begriff 'Disposition' ist nun, daß eine Disposition in einem gesetzmäßigen, eindeutigen Zusammenhang (über einen Zeitraum bei einem perdurierenden Ding) besteht zwischen dem Vorkommen von Stimuli mit ganz bestimmten Eigenschaften und dem Vorkommen von Responsen ebenfalls mit bestimmten Charakteristika. In diesen Charakteristika sind auch bestimmte raumzeitliche Relationen zwischen Stimulus und Response enthalten. Noch genauer kann man sagen, daß der Begriff 'Disposition' immer folgendes Formschema erfüllt: Wenn ein Stimulus mit ganz bestimmten Eigenschaften Α mit einem Gegenstande konfrontiert wird ohne Gegenwirkung, so liegt die Disposition Bi bei diesem Gegenstand dann und nur dann vor, wenn eine Response von der Art B2 in Verbindung mit diesem Gegenstand eintrifft. Dieser Zusammenhang ist ein Minimalinhalt der Dispositionsbegriffe, der sich durch die Mittel der extensionalen Logik darstellen läßt30, wenn man von den Schwierigkeiten absieht, die Art der relevanten 'Gegenwirkungen' zu bestimmen. Von dem, was diese Begriffe darüber hinaus enthalten können und was sich nicht in der Terminologie der reinen Logik aussagen läßt, sehen wir hier ab. Der logisch darstellbare Minimalinhalt läßt sich also in der Formel [S) geben: (S) СэО:· С 3 x) - А О ) & R i f e У) & - ρ : => :Bi(y) · = · С Э ζ) · Β 2 ( » & R 2 ( Z , у). Hierbei ist χ ein Stimulus, Bi die Dispositionseigenschaft, у das perdurierende Ding und ζ die Response. Α und B2 sind Eigenschaftskomplexe des Stimulus bzw. der Response, und Ri und R2 sind bestimmte Relationen raum-zeitlicher Art zwischen dem Stimulus bzw. der Response einerseits und dem Ding у andererseits, ,,-p" bezeichnet das Fehlen von 'Gegenwirkungen'31. Die Termini „Stimulus" und „Response" denotieren Gegenstände einer individuellen logischen Kategorie [individuelle Zustände oder Ereignisse). Die Ausdrücke „( 3 * ) A O ) & RiO, y)", „ B i t » " und „C 3 ζ) Β 2 (ζ) & Rz 30

Über die Schwierigkeiten, die Dispositionsbegriffe mit den Mitteln der extensionalen

Logik restlos zu definieren, siehe Pap, a.a.O., 2 7 ff., 139 ff., w o mehrere Versuche einer solchen Definition diskutiert werden. 31

In Formel S oben ist „ [ y ] " ein Alloperator, „ [ 3 * ) " bzw. „ [ 3 z ] " sind Existenz-

operatoren, „ э "

steht für Implikation, „ = "

für Äquivalenz. Über Operatoren, siehe

Carnap, Symbolische Logik, 34 f. Über Äquivalenz, siehe Carnap, a.a.O., 9, 1 1 . Vgl. oben S. 3 0 f . , A n m . 6, 8; S. i n f., A n m . 49, 5 1 . Der Begriff der 'Gegenwirkungen' ist der unklarste Punkt in der Theorie über die Dispositionsbegriffe.

264

С2/ у)" stehen schematisch für Sätze. Die Satzinhalte, die von „ ( 3 χ) А ( * ] & Ri(%, у ) " schematisch bezeichnet werden, sollen hier „Stimulusbedingungen" genannt werden, sowohl wie die singulären Satzinhalte, die von Sätzen derselben logischen Form wie der Formel „A(Y) &. Ri[x, у ) " bezeichnet werden können, wenn „x" einen ganz bestimmten Stimulus bezeichnet. Eine Stimulusbedingung besteht also in dem Satzinhalt, daß irgendein Stimulus oder ein bestimmter Stimulus χ eine Eigenschaft А und eine Relation Ri (der Konfrontation) zu einem bestimmten Ding у hat. Alternativ soll der Terminus „Stimulusbedingung" eine Klasse aller derjenigen Satzinhalte bezeichnen können, die eine bestimmte Aussagefunktion erfüllen, d.h. die von einer offenen Satzformel ,,A(x] &Ri(x, у ) " bezeichnet werden können". Wichtig ist hierbei nur, daß „Ri" eine bestimmte Art von Relationen der Konfrontation bezeichnet, die für den Stimulusbegriff konstitutiv sind. Zwei logische Folgen der Formel (S] sind klar: Einerseits bedeutet das Fehlen einer Response vom Typus B2 beim Vorhandensein eines Stimulus vom Typus Α ohne 'Gegenwirkung', daß keine Disposition Bi vorliegt. Andererseits muß das Fehlen der Disposition Bi in einem bestimmten Fall bedeuten, daß das Vorhandensein eines Stimulus vom Typus Α allein für sich keine Response vom Typus B2 auslöst. Von der dunklen und unklaren Möglichkeit von 'Gegenwirkungen' wird im folgenden abgesehen. Unter Zuhilfenahme der obigen Darstellung können wir uns folgender Äußerung über Wunder zuwenden: Jedes Ereignis, das geeignet ist, unser Leben durch seine Gewalt zu ergreifen und innerlich umzuformen, so daß wir unsern Lebenszweck erkennen oder fester zu ergreifen vermögen, ist ein Wunder. Insbesondere verdienen die geistigen Einwirkungen der Gnade Gottes auf unser Innenleben, Wiedergeburt, Bekehrung, Erweckung unseres religiösen Lebens diesen Namen . . . Aber ebenso können äußere Vorfälle den Charakter des Wunders gewinnen, sobald sie in unerwarteter Weise die Zusammenstimmung unseres Lebenszweckes mit dem wirklichen Weltlauf erweisen33.

Dem ersten Satz zufolge ist ein 'Ereignis' ein Wunder, wenn es 'geeignet' ist, eine bestimmte Wirkung auf den Beobachter auszuüben. Das gestattet die Möglichkeit, daß in einem bestimmten Fall diese Wirkung auf den Zuschauer ausbleibt. Das Wort „unser" deutet eine Bezugnahme auf bestimmte Beobachter an. In der folgenden Diskussion dieses Zitats gehen wir von der sehr engen Deutung aus, nach der die Beobachtung direkt erfolgt ohne Vermittlung der Sprache und der Begriff 'BeobachterstiÜber offene Satzformeln, siehe Carnap, a.a.O., 24 f., 35. Titius, Religion und Naturwissenschaft, 91. V g l . oben S. 87, Anm. 76. Vgl. Wobbermin, Zum Streit um die Religionspsychologie, 75. 32

as

265

mulus' infolgedessen zutreffen kann". Nur diese Alternative wird also diskutiert. Wir wollen daher das folgende Satzschema betrachten: ( s i ) 'Stimulus χ mit der Eigenschaft Α ist geeignet, eine Wirkung der Art oder mit der Eigenschaft B2 auf den Beobachter yi hervorzurufen'. Dieser Satz ist vereinbar mit der Negation eines Satzes, in dem yi gegen У2 ausgetauscht ist, vom Typus: (s 2) 'Stimulus χ mit der Eigenschaft Α ist nicht geeignet, eine Wirkimg von der Art oder mit der Eigenschaft B2 auf den Beobachter уг hervorzurufen'. Die Vereinbarkeit von (s 1} und (s 2) folgt daraus, daß die Beobachter yi und уг verschiedene Dispositionen haben können. Aber (s 1) ist auch vereinbar mit (s 3): (s 3] 'Stimulus χ mit der Eigenschaft Α ruft nicht zum Zeitpunkt t eine Wirkung mit der Eigenschaft B2 auf den Beobachter yi hervor'. Eine solche ausgebliebene Wirkung beim Vorhandensein eines bestimmten Stimulus ohne 'Gegenwirkung' muß bedeuten, daß es keine Disposition gibt, die gesetzmäßig einen Stimulus dieser Art A, die χ repräsentiert, mit einer Wirkung auf den Beobachter vom Typus B2 verbindet. Dies muß vereinbar sein mit (s 1 ] , wenn (s i j mit (s 3) vereinbar sein soll. Den Schlüssel zum Verständnis dieser Vereinbarkeit liefert die Bedeutung des Ausdrucks „geeignet hervorzurufen" in (s 1 ) . Dieser Ausdruck impliziert nicht das Vorhandensein einer Disposition, die einen Stimulus mit der Eigenschaft Α mit einer Wirkung der Art B2 verbindet, sondern nur das Vorkommen einer anderen Disposition, die eine Wirkung der Art B2 abhängig macht von einer Stimulusbedingung von größerer Komplexität als Ά С*) & Ri (x, у 1)', wobei der Ausdruck „Ri [x, yi]" sich auf die Konfrontation des Stimulus χ mit dem Beobachter yi bezieht. Diese komplexere Stimulusbedingung enthält im Falle von Ά (χ] & Ri [χ, yi}' diese Bedingung als Teilglied, aber auch andere Bedingungen, vielleicht geradezu Bedingungen psychischer Art bei dem Beobachter yi. In einem solchen Fall kann der relevante Stimulus ein komplexer Gegenstand sein, der χ als Teil enthält, wobei χ allein nicht der relevante Stimulus in Relation zu der betreffenden Disposition und Response ist. Da®* Siehe oben S. 224, die Typen 1 ] und 2) der dort unterschiedenen vier Typen des Beobachtens.

266

bei setzt (s ι ] voraus, daß diese übrigen Bedingungen über Ά [χ) & Ri (χ, yi)' hinaus wenigstens meistens in der Biographie von yi vorliegen. Dagegen setzt (s i ) nicht voraus, daß diese übrigen Bedingungen immer zutreffen sollten. Mit diesen Erörterungen sind wir zu einem Erklärungstypus für die Fälle vorgedrungen, in denen derselbe Beobachter zu verschiedenen Zeitpunkten auf die gleiche Art Stimulus verschieden reagiert; dieser Fall wurde im Anfang dieses Abschnitts erwähnt. Dieser Erklärungstypus setzt nicht voraus, daß die Dispositionen des Beobachters sich von dem einen Zeitpunkt zum anderen verändert haben: der springende Punkt bei diesem Erklärungstypus ist vielmehr, daß diese verschiedenen Reaktionen auf dieselbe Sorte Stimulus von der Art Α innerhalb des Rahmens derselben Disposition stattfinden können, wobei diese Disposition in solchem Fall Stimuli von komplexerer Art als Stimuli der Art Α voraussetzt, wobei die anderen Teile dieser Stimuli als die, welche die Eigenschaft Α haben, für das Bewußtsein des Beobachters zu dem einen Zeitpunkt vorliegen, jedoch nicht zu dem anderen. Die Gegenstände der Art A, angesichts derer derselbe Beobachter zu verschiedenen Zeitpunkten verschieden reagiert, sind nur Teile von umfassenden Situationen, die in ihrer Ganzheit die relevanten Stimuli bilden. Wenn ein Beobachter yi angesichts zweier Stimuli der gleichen Art Α verschieden reagiert, kann man von diesem Erklärungstypus her den Schluß ziehen, daß Ά С*) &. Ri Сχ, yi)' keine hinreichende Stimulusbedingung für irgendeine von den Dispositionen bei dem Beobachter yi ist, sondern höchstens ein Teilglied einer solchen Stimulusbedingung. Wenn innerhalb des Rahmens derselben Disposition verschiedene Responsen auftreten, sind die relevanten Stimulusbedingungen in diesen verschiedenen Fällen verschieden". Im Material können sowohl Stimuli wie Dispositionen in Relation zueinander und zu der in der Bestimmung eines Wunderbegriffs angegebenen Response unvollständig angegeben sein. Man kann sich Fälle denken, in denen theologische Materialbeispiele den Wunderbegriff in bezug auf Stimuli gebrauchen, die allein nicht hinreichend sind, damit das Vorliegen der von dem Theologen angegebenen Disposition bei irgendeinem Beobachter у generell dem Vorliegen der angegebenen Response äquivalent ist. Die Eigenschaften des Stimulus, die erforderlich sind, damit ein solcher gesetzmäßiger Zusammenhang vorliegt, können unvollständig angegeben sein. Wir haben indessen den Terminus „Stimulus" in einem unbestimmten Sinne gebraucht, der zuweilen nur einen Teil einer Ganzheit bezeichnet, der vorhanden sein muß, damit ein gene35

Wir haben schon gesehen, daß dieselbe Disposition verschiedene Arten von Stimuli mit verschiedenen Arten von Responsen verbinden kann. Siehe oben S. 260.

267

reiler gesetzmäßiger Zusammenhang mit einer Disposition und einer Response vorliegen kann. In der Formel (S] oben müßte in diesem Fall der Teil des Vordersatzes „A C*0 Ri [x, y ) i n der Implikation ausgetauscht werden gegen eine Konjunktion vom Typus „Ai (xi) & Ri (xi, 3>) & A 2 (хг) & R (x2, yj & Аз Оз] & R 3 (хз,у У oder dgl. mit der entsprechenden Erweiterung der Quantifizierung. Die Terminologie, die bisher gebraucht wurde, bedeutet, daß „Stimulus" in einem solchen Fall von x\, X2 und хз jeweils für sich gebraucht wird, während der relevante Stimulus in einem solchen Fall ein Komplex ist, der x\, %г und хз als Teile enthält. Aufgrund dieser Reservationen ist es berechtigt zu sagen, daß die angeführten Materialbeispiele Dispositionen eher andeuten als erwähnen. Dabei kann die Möglichkeit vorliegen, daß ein Terminus im Material gelegentlich eine Dispositionseigenschaft als Konnotation hat, die in der Wirklichkeit nicht zutrifft, wodurch dem Dispositionsterminus die Denotation fehlt. Daß der Wunderbegriff, der in der Terminologie eines solchen Dispositionsterminus definiert wird, Gefahr läuft, ebenfalls keine Denotation zu haben, ist klar und hängt davon ab, wie die Definition ausgestaltet ist. Vermutlich kommt es jedoch öfter vor, daß der Dispositionsterminus im Material so vage ist, daß er nur eine bestimmte Disposition bezeichnen kann, wenn er ordentlich präzisiert wird, z.B. dadurch, daß in einem gegebenen Fall Stimuli und deren gesetzmäßige Relation zu verschiedenen Responsen präzisiert werden, wobei auch sowohl die Stimulusbedingungen wie die Responsen präzisiert und vollständiger spezifiziert werden müssen, als das im Material geschehen ist.

C. Beispiele aus dem Material für verschiedene Kategorien von Wundern im Rahmen von Wunderbegriffen, die sich auf die Art des Wundererlebnisses beziehen Bestimmungselemente, die Wunderbegriffe mit Bezug auf die Art des Wundererlebnisses bestimmen, gestatten verschiedene Alternativen in bezug darauf, was als Wunder zu betrachten ist36. Es wurde einige Male erwähnt, daß Wundererlebnisse als solche von einigen Theologen als Wunder aufgefaßt werden können38. Es wurden jedoch nur vereinzelte Beispiele aus dem Material angeführt und auch das nur beiläufig. Alle übrigen bisher vorgelegten Beispiele aus dem Material deuten an oder setzen voraus, daß Wunderobjekte, also extensionale Objekte für Wundererlebnisse, Wunder sind, ohne Wunder einer anderen Kategorie anzudeuten, insoweit überhaupt irgendeine Stellungnahme zur Kategorie des Wunders in den Beispielen angedeutet wird. s

" Siehe oben S. 218, Anm. 13; S. 255.

268

In diesem Abschnitt werden uns Materialbeispiele beschäftigen, von denen sich mit gutem Grund sagen läßt, daß sie eine Anwendung von Wunderbegriffen auf Gegenstände mehrerer verschiedener Kategorien andeuten, auch solche, die bisher in diesem Kapitel noch nicht genannt wurden. Thielicke bestimmt einen der Wunderbegriffe, mit denen er rechnet, auf die Weise, daß einer einleuchtenden Deutung zufolge der betreffende Wunderbegriff sowohl auf Wunderobjekte zutrifft wie auf Wundererlebnisse". Auch von Wundererlebnissen wird angedeutet, daß sie Wunder sind. Einer anderen möglichen Deutung zufolge sind es eben die Wundererlebnisse, die primär und in erster Linie Wunder sind, während Wunderobjekte zwar „unter dem Gesichtspunkt des Wunders" gesehen werden können38, das Wunder selbst aber das 'Sehen' des Beobachters ist, das Wundererlebnis als solches. Thielickes Zweideutigkeit hinsichtlich dieser beiden Deutungsalternativen konzentriert sich in der Zweideutigkeit des Ausdrucks „unter dem Gesichtspunkt des Wunders", von dem her ein Wunderobjekt 'gesehen werden' kann. Daß ein Wunderobjekt von diesem Gesichtspunkt her gesehen werden kann, läßt sich auf zweierlei Art deuten: einmal kann das bedeuten, daß ein Wunderobjekt ein Wunder sein kann, oder aber nur 'das Sehen' ist Wunder, und Wunderobjekt ist nur das betreffende Objekt des Wunders ( = des Wundererlebnisses). Der Kontext soll hier in extenso wiedergegeben werden. Thielicke exemplifiziert den hier aktuellen Wunderbegriff an Goethe und behauptet, daß dieser Wunderbegriff auf bestimmte Erlebnisse Werthers und evtl. auf das extensionale Objekt dieser Erlebnisse zutreffen kann: Man kann sich . . . folgendes vorstellen: Derselbe Werther, der hier ergriffen die letzte Wirklichkeit und das „Wehen des alliebenden Vaters" spürt, der könnte in der nächsten Stunde schon als Wissenschaftler über ein Mikroskop gebeugt sitzen und an dem Käferlein die Verdauungsvorgänge oder die Fortpflanzungseigenschaften feststellen. Er könnte sie also statt unter dem Gesichtspunkt des „Wunders", d.h. hier: statt unter dem Gesichtspunkt der Transparenz f ü r den alliebenden Vater, als Naturforscher unter dem Gesichtspunkt der Naturgesetzlichkeit sehen39.

'Gesichtspunkt des Wunders' wird hier anderen Arten von 'Gesichtspunkten' gegenübergestellt, die für den Begriff des Wundererlebnisses nicht konstitutiv, ja vielleicht mit ihm unvereinbar sind. Man könnte meinen, daß das Zitat klar zu verstehen gibt, daß nicht nur WundererlebThielicke, Der Glaube der Christenheit, 341 f. " Thielicke, a.a.O., 342. " Thielicke, a.a.O., 342. Das Wort „sie" bezieht sich auf „dieselbe Wirklichkeit" an einer Stelle bei dem Verfasser vor der zitierten Stelle. Vgl. ferner Wendland, der Wunderglaube, 86 f. 37

269

nisse, sondern auch deren Stimuli bzw. extensionale Objekte Wunder sind. Indessen sollen hier andere ausführliche Äußerungen in derselben Arbeit wiedergegeben werden, die dafür sprechen, daß es die Wundererlebnisse sind, die Wunder sind, und die keine Stütze für die Annahme bilden, daß auch deren Stimuli bzw. extensionale Objekte Wunder sein könnten. Man könnte sogar gewisse Wendungen im Text als eine ausdrückliche Leugnung dieser letzteren Möglichkeit deuten. Thielicke, der mit mehreren Wunderbegriffen rechnet, von denen hier nur einer relevant ist", fragt sich, „worin die zweite Art von Wunder besteht", d.h. worin der hier aktuelle Wunderbegriff besteht. Er antwortet folgendermaßen: darin, daß ein bestimmter Punkt der Wirklichkeit, in diesem Falle das liebe dampfende Tal oder die Mücklein oder Gräslein oder Käferchen, also ein bestimmter Punkt der Natur, plötzlich durchsichtig wird und ich dahinter auf einmal die göttliche, gestaltende Wirklichkeit sehe, die das alles schafft 41 .

Weiter unten heißt es - indem noch deutlicher betont wird, daß das Wundererlebnis das Wunder ist: Genauer ausgedrückt, müßte man so sagen: Das Wunder besteht hier bei Goethe nicht darin, daß gleichsam in der Welt sich irgend etwas veränderte... Sondern das Wunder besteht darin, daß sich im Auge Werthers, in seiner Art zu sehen, etwas verändert. Das Wunder vollzieht sich deswegen nicht draußen in der gegenständlichen Wirklichkeit, sondern es vollzieht sich in meinem Innern, in der Art, wie ich ergriffen werde und wie ich unter dem Eindruck dieser Ergriffenheit ganz neue Dinge sehe. Das Wunder besteht mit anderen Worten in meiner persönlichen Subjektivität, in meinem Sehakt

Derselbe Gedankengang wird weiter unten variiert: Dieser Begriff des Wunders besagt: Die Wunder geschehen nicht als draußen in der äußeren Wirklichkeit, sondern vollziehen sich als innerhalb meines Auges, in meiner Sehweise. Das Wunder haftet Gegenstand, sondern an der Perspektive; es bezieht sich nicht auf die keit, sondern auf mein Verhältnis zur Wirklichkeit 42 .

Vorgänge Vorgänge nicht am Wirklich-

Insbesondere aus den beiden zuletzt angeführten Zitaten könnte man vielleicht herauslesen, daß nur Wundererlebnisse Wunder sind. Eine Stütze dafür, daß auch deren Stimuli bzw. extensionale Objekte Wunder sein können, gibt es nicht. Vielleicht kann man in bestimmten Wendungen eine dritte Kategorie von Wundern angedeutet sehen, die uns bisher nicht begegnet ist, und 40 So ist bei Thielicke z.B. das 'biblische Wunder' etwas ganz anderes als der hier behandelte Wunderbegriff; dieses 'biblische Wunder' wird nicht mit Bezug auf die A r t des Wimdererlebnisses bestimmt. Siehe a.a.O., 344. 41 Thielicke, a.a.O., 342. 12 Thielicke, a.a.O., 343. Vgl. a.a.O., 344.

270

zwar Wunder, die aus einer ganzen Beobachtersifuation bestehen, die sowohl Wunderobjekt wie Wundererlebnis als Teile umfaßt. Vom Wunderobjekt könnte man dieser Möglichkeit entsprechend sagen, daß es ein Teil eines Wunders ist, ohne selbst ein Wunder zu sein. Diese dritte Kategorie von Wundern könnte man sich gemeint denken in der Wendung: „daß ein bestimmter Punkt der Wirklichkeit, in diesem Falle das liebe dampfende Tal oder die Mücklein oder Gräslein oder Käferchen, also ein bestimmter Punkt der Natur [seil. Wunderobjekt) plötzlich durchsichtig wird und ich (seil, der Beobachter) dahinter auf einmal die göttliche, gestaltende Wirklichkeit sehe [seil. Wundererlebnis)", sowie in der Behauptung, daß das Wunder „sich nicht auf die Wirklichkeit, sondern auf mein Verhältnis zur Wirklichkeit" beziehe. Die angeführten Wendungen, die diese dritte Kategorie andeuten, ließen sich indes auch deuten als nicht nur eine in Zeit und Raum gegebene konkrete Ganzheitssituation andeutend, sondern auch als Andeutungen einer vierten Kategorie von Wundern. Ein Wunder dieser vierten Kategorie besteht in einem abstrakten Sachverhalt, der wiederum darin besteht, daß [vgl. „daß" oben) eine bestimmte Relation [als Allgemeinbegriff) ein Wunderobjekt mit einem Wundererlebnis einer bestimmten Art verbindet und daß das betreffende Wundererlebnis einen intentionalen Inhalt einer bestimmten Art hat. Ein solcher abstrakter Sachverhalt ist nicht logisch kommensurabel mit konkreten Erscheinungen in Zeit und Raum. Vom logischen Gesichtspunkt aus wäre man daher berechtigt, von einer vierten Kategorie von Wundern zu sprechen. Indessen läßt sich diese Kategorie im Material nur durch eine haarspalterische Deutung einiger Wendungen in dem oben angeführten Zitat belegen. Ganz innerhalb des Rahmens der beiden ersten Kategorien von Wundern, Wunderstimuli-Wunderobjekten bzw. Wundererlebnissen, scheint Mensching sich zu bewegen, der diese beiden jedoch klar herausmeißelt, so daß seine Gedanken angeführt zu werden verdienen, auch auf die Gefahr hin, daß dabei bereits erwähnte Gesichtspunkte wiederholt werden. Er schreibt in bezug auf den 'religiösen' Wunderbegriff, einen von mehreren Wunderbegriffen, mit denen er rechnet, aber der einzige bei ihm, der uns in diesem Zusammenhang angeht: Bei dem rein religiösen Wunder dagegen tritt die objektive Seite ganz zurück und wichtig bleibt allein das subjektive Erlebnis des Sich-Wunderns".

A n einer anderen Stelle wird „das innere Sich-Wundern als konstitutives Element des Wunders" erwähnt". Hieraus geht auf alle Fälle hervor, daß 43 41

Mensching, 82. Vgl. a.a.O., 28, 47. Mensching, 96.

271

Mensching seinen 'religiösen' Wunderbegriff in bezug auf die Beschaffenheit des Wundererlebnisses bestimmt. Ferner unterscheidet er klar zwischen dem Wundererlebnis einerseits und Wunderstimuli, die es auslösen, andererseits: Auch hier können objektive Vorgänge den Anstoß bilden für dieses Erlebnis. Dinge und Vorgänge, Persönlichkeiten und deren Produktionen, wie Worte und Taten, können Durchbruchstellen des Ewigen und Heiligen werden48.

Hier erhalten wir eine sehr interessante Aufzählung von möglichen Wunderstimuli. Es erhebt sich indes die Frage: Mit welchen Kategorien von Erscheinungen rechnet Mensching als 'religiösen' Wundern? Mit Wundererlebnissen oder Wunderstimuli oder beiden? Das letztere scheint der Fall zu sein. Zunächst einmal wollen wir sehen, was er über Wundererlebnisse als Wunder sagt: Das eigentliche Wunder im Α . T. i s t . . . ein inneres G e s c h e h e n . . . Da also das eigentlich Wunderhafte in der religiösen Begegnung mit der göttiichen Wirklichkeit l i e g t . . . so ist es verständlich, daß im Α . T. die phänomenalen Wunder überhaupt zurücktreten vor der überwältigenden Dominanz rein innerlicher Wunder, denen überhaupt keine äußere Erscheinung entspricht, die sich ausschließlich innerhalb des Jahve begegnenden Menschen selbst ereignen".

A n einer anderen Stelle wird der Begriff 'religiöses Wunder' definiert: Unter religiösem Wunder wollen wir die unter Staunen und Verwunderung geschehende Begegnung mit dem Heiligen verstehen47.

Interessant ist ferner, daß Mensching zufolge Wundererlebnisse als Wunder nicht von irgendwelchen äußeren Wunderstimuli ausgelöst zu werden brauchen - diese können gänzlich fehlen: „Reine Erlebniswunder" sind „auch . . . ohne objektive Phänomengrundlage möglich"48. Das Vorliegen eines Wundererlebnisses gestattet also 2 Alternativen: 1. Das Wundererlebnis ist ausgelöst von einem äußeren Wunder stimulus, oder 2. das Wundererlebnis findet ohne äußeren Stimulus statt: Das religiöse Wunder als solches i s t . . . das Ereigniswerden der Begegnung mit dem Heiligen entweder durch das Medium objektiver Phänomene oder sogar ganz unter Verzicht auf jede objektive Vermittlung rein in der Tiefe der Seele selbst4".

In beiden Fällen wird das Wundererlebnis als ein Wunder angesehen: wenn ein äußerer Wunderstimulus ein 'religiöses' Wunder ist, so muß Mensching zufolge das von diesem Stimulus ausgelöste Wundererlebnis auch ein Wunder sein. " Mensching, 82. " Mensching, 32. " Mensching, 78.

272

Mensching, 83. *" Mensching, 80.

48

Daß ein äußerer Stimulus ein 'religiöses' Wunder sein kann, geht auch klar aus Menschings Text hervor: „Vorgänge z.B. des Naturverlaufs" können als Wunder im religiösen Sinne aufgefaßt w e r d e n . . . Der religiöse Wundercharakter hängt daher ausschließlich davon ab, ob in dem wie immer gearteten objektiven Geschehen das Erlebnis der Begegnung mit dem Heiligen stattfindet50.

Es ist indes zu beachten, daß der Wundercharakter des Stimulus gänzlich von der Beschaffenheit des durch den Stimulus ausgelösten Wundererlebnisses abhängt. Mehrere Kategorien von Wundern behandelt Rade in recht komplizierten Verbindungen, auch mit vagen Grenzen zwischen den Kategorien. Es werden vor allem Kategorien von Wundern angedeutet, die individuellen Charakter tragen, die logisch kommensurabel sind mit räumlichzeitlichen Erscheinungen. Rade schreibt nämlich von dem „metaphysischen Ort des religiösen Wunders" im Verhältnis zur natürlichen und zur übernatürlichen Wirklichkeit 51 : Der Ort, wo die beiden Welten zusammenkommen, ist genau der Ort, wo das Wunder seinen Sitz hat. Es ist die Tatsache des Einzelnen, Einzigen, Individuellen, ins Allgemeine nicht Auflösbaren. Dieser Tatsache begegnen wir auch in der Natur, auch in der anorganischen Natur 52 .

Das Reich des Wunders ist dem Verfasser zufolge das Individuelle53. Die individuellen Kategorien von Wundern, die uns bisher beschäftigt haben, sind Wunderstimuli bzw. Wunderobjekte, sowie Wundererlebnisse und Ganzheiten, die aus Teilen dieser beiden Kategorien zusammengesetzt sind. Es liegt daher nahe, bei Rade nach diesen Kategorien zu suchen, da er den 'Ort' des Wunders auf das 'Individuelle' fixiert. Aus anderen Stellen bei Rade geht hervor, daß sowohl die Wundererlebnisse wie ihre Wunderstimuli bzw. Wunderobjekte Wunder sein können: Aber schließlich lebt auch die christliche, die evangelische Frömmigkeit davon, daß sich doch immer wieder Wahrnehmungen einstellen davon, daß dieses natürliche Dasein rings um uns her, ja dieses natürliche Dasein unserer eigenen Person - uns „zum Besten dienen" m u ß . . . im weiten Blick auf all die geistigen, geistlichen und ewigen Werte, deren Würdigung und Ahnung den Vorzug des religiösen Menschen ausmacht... Und die Begebenheiten und Eindrücke, von denen so der Fromme lebt, die sind - das religiöse Wunder 54 . Mensching, 78. Vgl. 32. Rade, Das religiöse Wunder, 17 f. 52 Rade, a.a.O., 18. M Rade, a.a.O., 21 f. " Rade, a.a.O., 25. 50 6t

18 - 566-3501

27З

Wunderstimuli bzw. Wunderobjekte sind hier angedeutet durch das Wort „Begebenheiten", Wundererlebnisse durch „Eindrücke". Dabei ist offensichtlich der intentionale Inhalt des Wundererlebnisses konstitutiv für den Wunderbegriff als solchen. Was Beispiele für Wunderstimuli als 'äußere' Geschehnisse betrifft, spricht Rade davon, daß der Fromme religiöse Wunder tun kann55. Ein klareres Beispiel für ein 'äußeres' Geschehnis als Wunder wird von dem Verfasser beigebracht, dessen Ansicht nach ein „Wunder . . . für fromme Eltern die Geburt ihres Kindes" ist. Das Geschehnis wird dem Verfasser zufolge „durch seinen Wert für die Eltern zum stärksten persönlichen Erlebnis"58. Das Wundererlebnis, das durch das äußere Ereignis, die Geburt, ausgelöst wird, schließt Rade zufolge ein Werterlebnis ein. Daß die Eigenschaft, ein Werterlebnis zu sein, konstitutiv für den Begriff des Wundererlebnisses und damit indirekt auch für den Begriff des 'religiösen' Wunders ist, der ja in bezug auf die Art des Wundererlebnisses bestimmt wird, geht aus einer Abgrenzung des Wunderbegriffs des 'religiösen' Wunders von dem der 'Geschichtsforschung' hervor, wobei das für das 'religiöse Wunder' Bezeichnende angeblich „in nichts Anderem als in dem besonderen Werte, den eine geschichtliche Begebenheit für den religiösen Menschen hat"", besteht. Damit will Rade jedoch nicht sagen, daß der Wunderbegriff der 'Geschichtsforschung' mit dem 'religiösen' Wunderbegriff unvereinbar wäre. Im Gegenteil: „Beiderlei Wunder kann sich kreuzen und decken"". Sie können in einem Einzelfall zusammenfallen, brauchen das aber nicht in allen Fällen zu tun. Dagegen läßt sich von allen Wundererlebnissen, die selbst 'religiöse' Wunder sind oder von solchen ausgelöst werden, sagen, daß sie Werterlebnisse sind. Es finden sich bei Rade auch Andeutungen im Hinblick auf Wundererlebnisse als Wunder: „Wir bezeichnen wohl auch ästhetisch einen Eindruck als Wunder"59. An einer anderen Stelle heißt es: Der Eindruck, den der gestirnte Himmel und das Gewissen auf uns machen, . . . erfüllt für den modernen Menschen, der zugleich Religion hat, vollkommen alle Bedingungen des religiösen Wunders60.

Hier wird von einem 'Eindruck' als einem Wunder gesprochen. Neue Kategorien von Wundern rücken ins Blickfeld, wenn Rade auf der einen Seite das 'Einzelne' - offenbar dasselbe wie das 'Individuelle', das er als den 'metaphysischen Ort des religiösen Wunders' bezeichnete, und auf der anderen Seite 'große Zusammenhänge' und 'Ganzheiten' einander gegenüberstellt. Rade schreibt: Rade, a.a.O., 13. " Rade, a.a.O., 12. 57 Rade, a.a.O., 24. 55

274

58 59 80

Rade, a.a.O., 23. Rade, a.a.O., 3. Rade, a.a.O., 12.

Eine einzelne Einsicht, eine einzelne Entdeckung und Erfahrung blitzt in uns auf, sie erleuchtet unermeßliche Fernen . . . das Wunder, das wir erlebten, war der einzelne, isolierbare, außerordentliche Moment, der die Hülle brach. Reden wir von großen Zusammenhängen als einem Wunder . . . , so ist das ein sekundärer Sprachgebrauch, eine Übertragung des Ursprünglichen. Der ursprüngliche echte Wunderbegriff haftet am Einzelerlebnis61. Weiter unten heißt es, daß „der Einzeleindruck das Primäre ist"62. Es ist hier zu bemerken, daß „einzelne Einsicht, Entdeckung", „Einzelerlebnis" sowie „Einzeleindruck" hier [vielleicht etwas ungewöhnlich) gedeutet werden muß als nicht nur auf das einzelne, individuelle Wundererlebnis Bezug nehmend; der springende Punkt ist hier vielmehr, daß sich diese Worte darauf beziehen, daß das in Frage stehende Wundererlebnis ein individuelles Objekt hat, mit anderen Worten sich auf das Wundererlebnis eines Einzelobjekts bezieht63. Wunder einer individuellen Kategorie sind uns bei Rade reichlich begegnet, und ihm zufolge ist dies „der ursprüngliche echte Wunderbegriff", möge er nun auf das Wunder er lebnis, „Einzelerlebnis" oder auf dessen individuelle Objekte angewendet werden. Diesen Kategorien stellt er „große Zusammenhänge" gegenüber, die als Wunder zu bezeichnen nur „sekundärer Sprachgebrauch, eine Übertragung des Ursprünglichen" ist64. Damit kommen wir zu der Frage, in welche Kategorie von Wundern wir 'die großen Zusammenhänge' einordnen sollen und in welcher Relation zu Wundererlebnissen und zu deren individuellen Stimuli bzw. Objekten diese Kategorie steht. Am plausibelsten ist, daß wir es hier mit dem intentionalem Inhalt von Wundererlebnissen, am ehesten von Satzinhaltscharakter, als einer Kategorie von Wundern zu tun haben. Diese Kategorie ist von abstrakt-logischem Typus. Wir stehen hier also vor Andeutungen einer fünften Kategorie von Wundern. Als mögliches Objekt für "Verwunderung' wurde ja oben u.a. „das Ganze der R e g e l . . . , wie Menschenkinder zum Leben kommen" herausgestellt65. Das Wort „Regel" el

Rade, a.a.O., 9 f. «2 Rade, a.a.O., 12. " Das geht aus zwei anderen Stellen hervor, an denen Rade das Wort „Einzelerlebnis" verwendet. In dem einen Falle wird „Einzelerlebnis" in Gegensatz gestellt zu „Entdeckung, daß man einem großen Ganzen angehört". a.a.O., 9. Es ist dann klar, daß „Einzelerlebnis" sich auf die logische Stellung des Objekts des Erlebnisses bezieht, daß dies etwas Individuelles ist und kein abstrakter logischer Sachverhalt, der sich mit einem Satz bezeichnen ließe wie z.B. „daß man einem Ganzen angehört". A n der anderen Stelle heißt es: „Man kann nun die Verwunderung sehr wohl auf das Ganze der Regel ausdehnen, wie Menschenkinder zum Leben kommen; aber starke Hebel des Wundergefühls dem biologischen Gesamtphänomen gegenüber ist das Einzelerlebnis dieses einzigen mir geborenen Kindes." a.a.O., 12. Das Wort „Einzelerlebnis" wird hier gerade gebraucht, wenn das Objekt individuell ist, z.B. 'das einzige mir geborene Kind', im Gegensatz zu einem abstrakten Objekt, z.B. einer Regel oder einem 'Gesamtphänomen'. 64 Rade, a.a.O., 10. 3

05

Rade, a.a.O., 12. Siehe oben, Anm. 63.

275

wie auch die folgende Wendung deuten auf einen Satzinhalt als intentionalen Inhalt des Wundererlebnisses hin. Daß 'große Zusammenhänge' den intentionalen Inhalt von Wundererlebnissen neben dem Wunderobjekt bilden, dürfte auch aus dem Folgenden hervorgehen: So überkommt uns alle die Größe der Tatsache der Moral zunächst in der Beobachtung eines Einzelfalles von Gewissensentscheidung an uns oder an Anderen, oder die Größe der Tatsache des Sternenhimmels im Aufschauen zu der Lichterwelt da oben in einer hellen Nacht" 6 .

Hier deuten die Ausdrücke „die Größe der Tatsache der Moral" und „die Größe der Tatsache des Sternenhimmels" intentionale Inhalte an, die sich sehr wohl in Sätzen formulieren ließen, während „Einzelfall von Gewissensentscheidung" und „Lichterwelt in einer hellen Nacht" Stimuli bzw. Objekte von Erlebnissen andeutet. Daß die letzteren individuelle Erscheinungen sind, deutet das Wort „Einzelfall" an. Im primären Sinne sind, wie wir gesehen haben, bei Rade nur individuelle Erscheinungen Wunder. Erst durch Übertragung wenden wir den Wunderbegriff dann auf Tatsachen an, die als historische Ereignisse nicht gelten können, die aber so, wie sie uns plötzlich oder immer und immer wieder eindrucksvoll aufgehen, dennoch wie historische Ereignisse auf uns wirken: ζ. B. die Tatsache des Gewissens in uns oder die des gestirnten Himmels über uns".

Hier sind die „historischen Ereignisse" offenbar als dem individuellen logischen Typus angehörig und als mögliche Wunderstimuli anzusehen. „Tatsache" dürfte sich auf intentionale Inhalte von nicht individuellem Typus, sondern von Satzinhaltstypus, beziehen. Das neue, was in diesem Zitat gesagt wird, ist, daß solche „Tatsachen . . . so, wie sie uns . . . eindrucksvoll aufgehen" auch „auf uns wirken" können. Legt man die Formulierungen buchstäblich aus, so wird hier von den intentionalen Inhalten der Wundererlebnisse gesagt, sie seien kausal wirksam. Indessen muß eine Kausalität von dem Typus, den das Zitat meint, von innerpsychischer Art sein: es ist ein Wundererlebnis, das kraft seines intentionalen Inhalts als Bestimmung wirkt und ein anderes Erlebnis mit bestimmten Charakteristika verursacht. Oder aber es läßt sich hier ein kausaler funktioneller Zusammenhang zwischen bestimmten intentionalen Inhalten und anderen Charakteristika bei einem und demselben Erlebnis andeuten. Von größtem Interesse ist hier jedoch der Umstand, daß intentionale Erlebnisinhalte Rades Andeutungen zufolge den Charakter tragen können, ββ eT

Rade, a.a.O., 10 f. Rade, Stanges Lehre vom Wunder, 153.

276

Wunder zu sein. Ein Beispiel über die erwähnten hinaus liegt uns vor, wenn Rade ein „Wunder" sieht in der unbegreiflichen Zusammengehörigkeit eines in sich selbst sinnlosen Naturgeschehens mit der sinnreichen Fülle des geschichtlichen Daseins"8. Er fügt hinzu: „Wo wir die wahrnehmen, da ahnen, da spüren wir Gott"68. Hier haben wir Andeutungen zweier verschiedener intentionaler Inhalte vor uns, wobei der erstere sozusagen 'den Gedanken hinlenkt' auf den letzteren, 'Gott'. Vielleicht haben wir hier den Schlüssel zu Rades genereller, übergreifender Bestimmung des 'religiösen Wunderbegriffs', nämlich 'den Gedanken zu Gott hinzulenken'70. So bestimmt er nämlich diesen Wunderbegriff, wenn er auf Wunderstimuli bzw. Wunderobjekte angewendet wird. Wundererlebnisse wiederum müssen, um solche zu sein, 'Gott' zum intentionalen Inhalt haben. Es läge dann nahe sich zu denken, daß die übrigen intentionalen Inhalte von Wundererlebnissen, um Wundercharakter haben zu können, sozusagen auch 'den Gedanken hinlenken' müssen auf 'Gott', auch wenn das etwas anderes bedeuten muß, wenn es sich um Wunderstimuli handelt, die individuelle räumlich-zeitliche Erscheinungen sind, als wenn es sich um intentionale Inhalte von individuellen Wundererlebnissen handelt. Daß ein intentionaler Inhalt Α wiederum 'den Gedanken auf Gott lenkt', kann bedeuten, daß ein kausaler funktioneller Zusammenhang besteht zwischen den Bestimmungen 'Bewußtsein von A ' und 'Bewußtsein von Gott' als Bestimmungen ein und desselben Wundererlebnisses, oder auch, daß einem Erlebnis mit der ersten Bestimmung immer ein solches mit der letzteren Bestimmung folgt. Möglicherweise ist der Zusammenhang nicht universell, sondern gilt nur in den meisten Fällen, auch in einem solchen Fall, in dem man wahrheitsgemäß sagen kann, daß Α 'den Gedanken zu Gott hinlenkt'. Bei einem anderen Theologen, Mandel, treffen wir ebenfalls auf Andeutungen, die sich so deuten lassen, daß auch der intentionale Inhalt von Wundererlebnissen als abstrakter Gedankeninhalt Wunder sein kann. Außerdem kann das, was Mandel als 'innere, geistliche' Wunder bezeichnet, aufgefaßt werden als sowohl Wundererlebnisse wie Dispositionen zu Wundererlebnissen deckend. Als eine neue Kategorie von Wundern begegnen uns hier somit einleuchtenden Deutungen zufolge zum ersten Male Dispositionen zu Wundererlebnissen. Mandel rechnet ausdrücklich mit 'inneren, geistlichen' Wundern einerseits sowie mit deren 68

Rade, Das religiöse Wunder, 25 f.

ββ

Rade, a.a.O., 26.

70

Über Rades grundlegende Bestimmung des religiösen Wunderbegriffs [in bezug auf

Wunderobjekte zunächst), siehe oben S. 236 f .

277

intentionalen Inhalten andererseits. Diese beiden Kategorien von Wundern liegen im Rahmen eines der vielen Wunderbegriffe, mit denen Mandel rechnet, unter denen jedoch die übrigen uns hier nicht interessieren71. Wir wollen zunächst sehen, was Mandel von den 'inneren, geistlichen' Wundern sagt: „Die Wunder, von denen das Christentum redet, sind in erster Linie innere, geistliche Wunder (miracula gratiae) Vom 'inneren, geistlichen Leben', 'unserem persönlichen Sein', heißt es: Dieses u m f a ß t also unsere Selbstbestimmung und unsere Zuständlichkeit, unser aktives W o l l e n und unser passiv ausgelöstes Begehren und Streben, unsere freie, f o r m a l e Selbstbetätigung und unsere zuständlich bestimmte W i l l e n s b e s c h a f f e n heit. In dieser Sphäre h a b e n Religion u n d G o t t , W u n d e r g l a u b e und W u n d e r ihren genuinen Ort™.

Fragt man, welche Züge und Eigenschaften dieser 'inneren, geistlichen' Wunder dieselben zu Wundern machen, so sieht man bald, daß Mandel auf ihren intentionalen Inhalt als für ihren Wundercharakter konstitutiv hinweist: Diese inhaltliche Bestimmtheit des persönlichen Seins ist es, w e l c h e die G r u n d lage f ü r die christliche Wunderanschauung bildet".

Ferner heißt es: D a s christliche Personleben ist . . . die zentrale, innerste Bestimmtheit des M e n schen durch einen schlechthin überweltlichen Inhalt 74 .

Von dieser „Bestimmtheit" heißt es später: „das Wunderbare an ihr ist und bleibt freilich für alle ihre Träger eben ihr Inhalt"75. Die Wendungen „das christliche Personleben" und „Bestimmtheit des Menschen" deuten auch Dispositionen zu Wundererlebnissen an als mögliche Wunder neben den Wundererlebnissen selbst. Der Terminus „Bestimmtheit" in diesem Kontext bezieht sich auf eine Art Eigenschaft eines Menschen, und das stimmt gut zu der Deutung des Terminus als auf eine Disposition Bezug nehmend, da Dispositionen ja auch Eigenschaften perdurierender Dinge sind, zu denen auch Menschen zu zählen sind. Es erhebt sich dann das Problem, wie man sich zu denken hat, daß solche Dispositionen zu Wundererlebnissen intentionale Inhalte haben können, denn diese „Bestimmtheit" liegt ja angeblich „durch einen schlechthin Mandels generellster Wunderbegriff, „das Wunder, d.i. eine aus dem empirischen Kausalzusammenhang unerklärbare Wirklichkeit" [Mandel, 13; vgl. 42] zergliedert sich begrifflich in viele alternative Formen, die unter zwei Haupttypen zusammengefaßt werden können: den 'kosmologischen, kausalen oder empirischen Wunderbegriff' [Mandel, 42) und den 'religiösen, inhaltlichen, transzendentalen Wunderbegriff' (Mandel, 43). Der letztere Wunderbegriff ist es, der im folgenden dargestellt werden soll. 71

72

Mandel, 14.

278

73

Mandel, 17.

74

Mandel, 16.

75

Mandel, 18.

überweltlichen Inhalt" vor, wird aber nicht als eine Bestimmtheit eines Wundererlebnisses ausgesagt, sondern als eine Bestimmtheit bei Menschen. Die Antwort dürfte sein, daß intentionale Inhalte primär Inhalte von Erlebnissen sind, im übertragenen Sinne aber als Inhalte von Dispositionen bezeichnet werden können, wenn sie nämlich intentionale Inhalte der Erlebnisse sind, die Responsen, Manifestationen der betreffenden Disposition bilden. N u n kommt indessen auch bei Mandel der Gedanke vor, daß auch solche intentionalen Inhalte selbst Wunder sein können: Die inhaltliche Bestimmtheit des in Christus erschlossenen Personlebens ist es, die uns in eine schlechthin wunderbare, überempirische Wirklichkeit hineinstellt und uns diese zum Bestimmungsgrund unseres Innersten macht". Die uberempirische' Wirklichkeit ist Mandel zufolge 'wunderbar' und dient als 'Bestimmungsgrund' für unser 'Innerstes', also als eine A r t intentionaler Inhalt. Nicht nur das W o r t „wunderbar", sondern auch „Wunder" begegnet bei Mandel als Prädikat für diesen intentionalen Inhalt: „Dieser Inhalt ist das Wunder, d.h. die schlechthin überempirische Wirklichkeit, im grundlegenden Sinn'"7, und an einer anderen Stelle heißt es, daß „das Wunder grundleglich in dem Inhalt der wahren, gottbestimmten Religion selbst besteht" 78 . Es heißt auch: Vollends aber ist die spezifische Gestaltung des religiösen Inhalts ein Wunder . . . ist der Inhalt der Religion Theozentrismus. Als solcher ist er durch und durch ein Wunder für das empirische ... Bewußtsein*. Haben wir nun gesehen, daß der Wundercharakter der 'inneren' Wunder in ihrem intentionalen Inhalt begründet ist, aber auch, daß diese intentionalen Inhalte selbst Wunder sein können, ergibt sich als nächste Frage, was den Wundercharakter dieser intentionalen Inhalte konstituiert. Mandels Antwort hierauf ist, dieser liege in dem 'überempirischen' Charakter dieses Inhalts. Hierbei beruft er sich auf seinen generellsten Wunderbegriff, der sozusagen eine kleinste gemeinsame Konnotation für all die verschiedenen Wunderbegriffe bildet, mit denen er rechnet". Sowohl die 'inneren' Wunder wie deren intentionale Inhalte stellt Man78 Mandel, 20. Mandel, 16. " Mandel, 19. Mandel, 19. Siehe oben. Vgl. Mandel, 43, w o es in bezug den wunderhaften intentionalen Inhalt heißt: „der Inhalt oder Bestimmungsgrund des durch Christus erschlossenen Personlebens [Gott der Herr) ist der Sinnenwelt [Atheismus) und dem natürlichen Personleben [Sünde) heterogen, ja entgegengesetzt; dieser überweltliche und übernatürliche [Theozentrismus) Inhalt des christlichen Personlebens ist das Wunder [vgl. Definition in A I ) im grundlegenden Sinn." Die erwähnte Definition ist so formuliert: „Wunder, d.h. empirisch unerklärbare Wirklichkeit." Mandel, 42. Vgl. oben, Anm. 71. 78

7"

279

del nebeneinander als zwei Arten von Wundern, deren Wundercharakter mit der Relation zur 'überempirischen', nicht-räumlich-sinnlichen Sphäre zu tun hat. Diese letzteren Bestimmungen, uberempirisch', 'nicht-räumlich-sinnlich' selbst dienen als Bestimmungen des intentionalen Inhalts, wenn dieser intentionale Inhalt entweder als intentionaler Inhalt eines 'inneren' Wunders oder selbst als Wunder dienen soll. Generell läßt sich sagen, daß den Gedankengängen Mandels zufolge ein intentionaler Inhalt eines 'inneren' Wunders stets auch selbst ein Wunder ist. Dieser Umstand zeigt eine gewisse strukturelle Analogie zu einem oben angeführten Gedanken bei Mensching: wenn ein Stimulus ein 'religiöses Wunder' ist, so ist auch das Wundererlebnis, das durch ihn ausgelöst wird, ein Wunder80. Die beiden erwähnten Kategorien von Wundern bezeichnet Mandel als einerseits „Religion" bzw. „Gotteserkenntnis", andererseits „Inhalt der Religion", vor allem „Gott" 81 . Daß etwas 'Geistliches', 'Persönliches' Wunder sein kann, sei es auch nur kraft seines intentionalen Inhalts, geht aus dem Satz hervor: „Das erste Wunder ist die Gotteserkenntnis nach ihrem Gegenstand, das zweite nach ihrer Begründung in der Menschheit"82. Der intentionale Inhalt als Wunder erhält eine prägnante Formulierung, wenn Mandel vom „gegenständlichen Inhalt der Religion, [Gott] als das Wunder im spezifisch-religiösen Sinn" spricht83. Dieser Inhalt der Religion ist 'überempirisch': Das empirische Bewußtein hält die räumlich-sinnliche Welt für die einzige Wirklichkeit; diesen Anspruch durchbricht die Religion und insofern ist sie mit ihrem Inhalt ein Wunder84.

'Die Religion' wird sicherlich als etwas 'Inneres', 'Geistliches', 'Persönliches' aufgefaßt: A n der Religion, wie sie sich uns durch ihre sittliche Erneuerung des Personlebens und durch ihre persönlich überzeugende Erfassung des überweltlichen Inhalts als die wahre zu erkennen gibt, ist eine doppelte Seite zu unterscheiden: sie ist eine Bestimmtheit des Personlebens und sie enthält einen überweltlichen Inhalt85.

Die Religion ist nach Mandel ein Wunder und gehört als etwas 'Geistliches', 'Inneres' zu den 'inneren, geistlichen' Wundern. 'Innere, geistliche' Wunder, so wie dieser Begriff uns bei Mandel begegnet, dürften entweder Wundererlebnisse oder Dispositionen zu solchen sein, d.h. mit einem Wundererlebnis als zugeordneter Response. Der Terminus „Religion" deutet mehr auf eine Disposition als ein momentanes Erlebnis hin, während die Ausdrücke „Gotteserkenntnis" und „Er80 81 82

Siehe oben S. 272. Mandel, 20. Siehe ferner Anm. 82. Mandel, 32.

280

83 84 85

Mandel, 31. Mandel, 20. Mandel, 31.

fassung des überweltlichen Inhaltes" zumindest ebenso stark Dispositionen andeuten wie Wundererlebnisse. Daß insbesondere „Religion" eine Disposition andeutet, geht daraus hervor, daß 'Religion' von Mandel identifiziert wird mit 'Bestimmtheit des Personlebens'. Aus Gründen, die oben angeführt wurden, dürfte dies letztere als eine Disposition oder eine Reihe von Dispositionen eines Menschen zu deuten sein. Dieses 'geistliche Wunder' betrachtet Mandel auch als kausal abhängig von seinem Inhalt: „Diese Bestimmtheit des innersten Willens . . . ist nun freilich auch kausal abhängig von ihrem Inhalt", und dieser Inhalt, „ihr Bestimmungsgrund" wird vom Verfasser angesehen als durch die Aufnahme des Inhalts ins Bewußtsein, durch Hören und Erwägen, Annehmen und Glauben vermittelt. So verhält es sich wenigstens, nachdem jene Bestimmtheit und ihr Inhalt einmal in die Menschheit eingeführt ist".

Soweit ich sehen kann, läßt sich ein solcher intentionaler Inhalt nur innerhalb einer rein innerpsychischen Kausalkette 'Hören, Erwägen, Glauben' als kausal relevant auffassen, als Bestimmung von Erlebnisakten und Dispositionen, die einander in einer Ursachenkette verursachen, bedingen bzw. auslösen".

D. Übersicht und Analyse der Kategorien von Wundern innerhalb des Umfangs von Bestimmungselementen, die das Wunder bestimmen, indem sie die Art des Wundererlebnisses bestimmen Innerhalb des Rahmens für Bestimmungselemente, die Wunder bestimmen, indem sie die Art des Wundererlebnisses bestimmen, wurde eine ganze Reihe verschiedener Kategorien von Wundern erwähnt und durch Explikation einer Anzahl von Beispielen aus dem Material exemplifiziert. Nun ist es an der Zeit, einen systematischen Überblick über diese Kategorien nebst einigen analytischen Gesichtspunkten im Hinblick auf sie zu geben. Um der Übersichtlichkeit willen soll auch eine Präsentation der verschiedenen formalen Strukturtypen von Bestimmungselementen vorgenommen werden, die das Wunder bestimmen, indem sie die Art des Wundererlebnisses bestimmen, und diese Typen sollen in Relation gesetzt wer8

" Mandel, 18.

87

Ein äußerer Stimulus sprachlicher A r t wird hier angedeutet durch das W o r t „Hören",

das sich ja auf einen Auffassungsakt mit einem Objekt von Zeichencharakter beziehen dürfte, da es einen Inhalt vermitteln soll. Dagegen findet sich bei Mandel kein Beleg dafür, daß dieser äußere Sprachstimulus als Wunder angesehen wird, im Gegensatz zu dem, was bei einem früher angeführten Verfasser der Fall war. Siehe oben S. 272.

281

den zu den Kategorien von Wundern, als mögliche Bestimmungen von Wundern einer von diesen Kategorien. Die Übersicht über die Kategorien wird mit einer Behandlung der Kategorien beginnen, die von individuellen, konkreten Gegenständen gebildet werden, entweder räum- und zeitbestimmten Erscheinungen oder auch solchen, die von demselben logischen Typus sind wie räum- und zeitbestimmte Erscheinungen. Diese können einmal perdurierende Dinge sein und zum anderen zeitliche Schichten von solchen, aber auch konkrete, individuelle Ereignisse. Wir haben zunächst drei derartige individuelle Kategorien von Wundern gefunden. 1. Wunderstimuli bzw. Wunderobjekte, d.h. Erscheinungen, die Wundererlebnisse auslösen bzw. Gegenstand von solchen sind, sowie - fügen wir im Lichte dessen, was die Analyse der Dispositionsbegriffe ergeben hat, hinzu - Erscheinungen, die Dispositionen zu möglichen Wundererlebnissen verursachen bzw. Gegenstand von solchen sind, die vorliegen würden, wenn eine gewisse Disposition von der entsprechenden Response aktualisiert würde. Zu dieser ersten Kategorie müßte man überhaupt die potentiellen Wunderstimuli bzw. die potentiellen Wunderobjekte rechnen, d.h. Erscheinungen, die Wunderstimuli bzw. Wunderobjekte wären, wenn ein geeigneter Beobachter mit ihnen konfrontiert werden bzw. an sie denken würde88. 2. Wundererlebnisse als Wunder. Ein Wundererlebnis kann auch ein Wunderstimulus bzw. Wunderobjekt sein, wenn es ein anderes Wundererlebnis auslöst bzw. dessen Objekt ist. Ein solches Wundererlebnis ist ein 'innerer', psychischer Wunderstimulus bzw. ein solches Wunderobjekt. Zwischen den Kategorien ι und 2 besteht somit kein Ausschließungsverhältnis. Sie bilden Alternativen einer inklusiven Disjunktion. 3. Als dritte Kategorie haben wir Ganzheitssituationen, die als extensive Teile sowohl ein Wunderstimulus-Wunderobjekt enthalten wie ein Wundererlebnis. Wir können dann zu den Kategorien von Wundern übergehen, die von abstrakten logischen Größen gebildet werden, die nicht mit konkreten Erscheinungen in Zeit und Raum logisch kommensurabel sind. Sie sind logisch von einem anderen Typus als räum- und zeitbestimmte Erscheinungen. Wir haben drei solche Kategorien im Vorhergehenden belegt, die unten unter den Rubriken 4)-6] dargestellt werden. In engstem Zusammenhang mit ihnen wird noch eine Kategorie von individuellen Entitäten als möglichen Wundern erwähnt werden: 4. Dispositionen zu Wundererlebnissen. Diese sind Eigenschaften von 88

Uber die Begriffe 'potentielles Wunderobjekt' bzw. 'potentieller

siehe oben S. 249 f f . , Satzformel [ 1 0 ) f f .

282

Wunderstimulus',

perdurierenden Personen oder von zeitlichen Ausschnitten aus den Totalbiographien von Personen. Den letzteren Zusatz zu machen ist notwendig, wenn man davon sprechen können soll, daß Dispositionen im Laufe der Biographie einer Person entstehen oder aufhören. Was sich indessen im Material als Andeutungen von Dispositionen deuten läßt, kann aber auch Dispositionsexemplare oder Dispositionsbedingungen andeuten. Daher müssen wir auch mit solchen Entitäten als möglichen Wundern rechnen. Dispositionsexemplare sind Eigenschaftsexemplare und damit als individuelle Entitäten zu klassifizieren. Sie gehören deshalb einer Kategorie an, die zusammen mit den drei ersten Kategorien in eine Gruppe gehören. Dispositionsbedingungen dagegen sind Satzinhalte, die das enthalten, daß eine gewisse Dispositionseigenschaft eine gewisse individuelle Substanz bestimmt. 5. Sachverhalte, daß eine Relation zwischen einem WunderstimulusWunderobjekt und einem Wundererlebnis besteht und/oder daß ein Wundererlebnis einen intentionalen Inhalt bestimmter Art hat. Wir können hier - im Lichte des Dispositionsbegriffs - ergränzend die Sachverhalte hinzufügen, daß eine Relation zwischen einem WunderstimulusWunderobjekt und einer Disposition zu Wundererlebnissen gewisser Art besteht und/oder daß eine solche Disposition (in übertragenem, aber wohldefiniertem Sinne] intentionale Inhalte bestimmter Art hat. 6. Intentionale Inhalte von Wundererlebnissen. Die intentionalen Inhalte von Wundererlebnissen dürften entweder Satzinhaltscharakter oder Begriffsinhaltscharakter tragen. Wenn es Satzinhalte sind, brauchen diese indessen nicht wahr zu sein. Die Kategorie der Dispositionen verlangt eine etwas ausführlichere Behandlung. Im Zusammenhang hiermit sollen bereits zitierte und erörterte Beispiele aus dem Material noch einmal kurz aufgegriffen werden, in denen man eine Andeutung einer Disposition als Alternative zur Andeutung eines Wundererlebnisses erkennen kann. Wir haben in Kap. 8 Α und С als Beispiel für Arten von Wundererlebnissen Charakteristika wie 'Erregtheit', 'Verwunderung', 'Staunen', 'Erschrecken', 'Glauben an etwas [bestimmt Angegebenes)', 'eine Vorstellung von etwas (bestimmt Angegebenem] haben', 'sehen' betrachtet. Hierbei wurde nur die Möglichkeit dargestellt, daß diese Charakteristika Wundererlebnissen eignen. Indessen könnten diese Charakteristika auch als Dispositionen eines Beobachters eines Wunders gedeutet werden. Dispositionen könnten hier den Platz von Wundererlebnissen einnehmen, mit dem Vorbehalt, daß Dispositionen Eigenschaften sind und nicht individuelle Erscheinungen. Dasselbe gilt für einige Beispiele im vorigen Abschnitt: 'Religion', 'Gotteserkenntnis' u.s.w. In den Zusammenhängen, in denen Dispositionen auf diese Weise den 283

Platz von Wundererlebnissen einnehmen können, muß man auch (im übertragenen Sinne) analoge Dinge von Dispositionen sagen können, wie man sie in diesen Zusammenhängen von Wundererlebnissen sagen kann. In solchen Zusammenhängen kann man sinnvoll fünf Bestimmungsarten von einem Wundererlebnis prädizieren: daß es ein gewisses Wunderobjekt hat, daß es von einem Beobachterstimulus ausgelöst ist, daß es eine gewisse phänomenelle Erlebnisqualität hat, daß es eine gewisse intentionale Attitüde ausdrückt und daß es einen gewissen intentionalen Inhalt hat. Es entsteht dann das Problem festzustellen, was diese Bestimmungsarten bedeuten können, wenn sie auf Dispositionen angewendet werden. Wir beginnen mit den drei letzteren, deren Bestimmung am wenigsten problematisch ist. Wir können folgende Definitionen aufstellen: Die phänomenelle Qualität bzw. die intentionale Attitüde der Disposition B = Df. die phänomenelle Erlebnisqualität bzw. die intentionale Attitüde der Erlebnisse, die eine Response auf В bilden, die В aktualisieren. Der intentionale Inhalt der Disposition В = Df. der intentionale Inhalt der Erlebnisse, die eine Response auf В bilden. Das Wunderobjekt der Disposition В = Df. das Wunderobjekt der Erlebnisse, die eine Response auf В in Relation zu gewissen Stimulusbedingungen bilden. Daß die Disposition В durch einen gewissen Beobachterstimulus verursacht wurde, läßt sich dagegen nicht generell als äquivalent mit etwas ansehen, was sich in der Terminologie der entsprechenden Behauptung über die auslösende Ursache von Wundererlebnissen formulieren läßt. Der Ursachenbegriff hat eine ganz andere Bedeutung, wenn er von Dispositionen gebraucht wird, als wenn er von individuellen räum- und zeitbestimmten Erscheinungen [als aktualisierten Geschehnissen) verwendet wird. Hier muß ferner der Beobachter, richtiger gesagt die zeitliche Schicht des Beobachters, die die Disposition В trägt, klar spezifiziert werden. Was verursacht wird, ist nicht В an und für sich, sondern der Umstand, daß В bei einem bestimmten (zeitlichen Teil von einem) Beobachter vorliegt. Es kann aber auch die Wirkung in einem solchen Fall aufgefaßt werden als ein bestehender individueller Zustand, der ein Dispositionsexemplar einschließt. Die Veränderung des Beobachters zu einem gewissen Zeitpunkt, die darin besteht, daß eine Disposition bei ihm entsteht, läßt sich dagegen als von einem Stimulus verursacht bezeichnen in demselben Sinne, wie wenn ein Stimulus ein Wundererlebnis verursacht. Wir wollen nun eine Übersicht über die Typen von Bestimmungselementen geben, die als Bestimmungen von Wundern der verschiedenen oben genannten Kategorien fungieren können, und uns dabei weiterhin an die Typen von Bestimmungen halten, die das Wunder in Relation zu der Art des Wundererlebnisses bestimmen und die in dem Inhalt von Wun284

derbegriffen enthalten sein können, die im Material exemplifiziert oder angedeutet werden. i. Typen von Bestimmungselementen, die Wunderstimuli bzw. Wunderobjekten angehören können: Ca} 'löst ein Erlebnis mit der phänomenellen Erlebnisqualität und/oder der intentionalen Attitüde Α und/oder dem intentionalen Inhalt В aus bei dem Beobachter X zum Zeitpunkt t'. (b) 'ist Objekt eines Erlebnisses etc. . . . ' (wie in (a]). (c) 'verursacht eine Disposition mit der phänomeneilen Qualität und/ oder der intentionalen Attitüde Α und/oder dem intentionalen Inhalt В bei dem Beobachter X zum Zeitpunkt t'. (d) 'ist Objekt einer Disposition vom Typus Α und/oder mit dem intentionalen Inhalt В bei dem Beobachter X vom Zeitpunkt t an'. [Hier ist die Zeitbestimmung eine Bestimmung der Disposition, oder richtiger: der zeitlichen Schicht des Beobachters, welche die Disposition trägt]. Beispiele für phänomeneile Erlebnisqualitäten (A): 'Verwunderung', 'Staunen', 'Überraschung', 'Aufrüttelung', 'Erschreckung', 'Schauern'89. Beispiele für intentionale Attitüden (A): 'Eindruck', 'uns unmittelbar zum Bewußtsein kommt', 'die konkrete Vorstellung', 'wahrnehmen', 'innewerden', 'spüren', 'sehen', 'ahnen', 'fühlen', 'Glaube', 'Werterlebnis'90. Beispiele für intentionale Inhalte (B]: 'Gott', 'Nähe und Wirken Gottes', 'gegenwärtige allerhöchste Majestät', 'Walten Gottes', 'daß Gott in dem Wunder wirkt', 'Heil', 'Heilsbedeutung des Wunders', 'das Wunder als Kundmachung Gottes', 'einen höheren ewigen Sinn der Geschichte'90. Eine intentionale Attitüde besteht in der Art der Stellungnahme zu einem intentionalen Inhalt91. Ein Erlebnis wird von einem intentionalen Attitüdenbegriff bestimmt, wenn und nur wenn das Erlebnis einen intentionalen Inhalt hat. Hingegen kann ein Erlebnis eine phänomeneile Erlebnisqualität haben, ohne einen intentionalen Inhalt zu haben. Doch kann die Terminologie, die oben in dem Schema unter Punkt i ) für Bezeichnungen phänomeneller Erlebnisqualitäten verwendet wurde, auch zur Bezeichnung intentionaler Attitüden dienen. Diese Zweideutigkeit gilt dann auch bei entsprechenden Beispielen aus dem Material. Für potentielle Wunderstimuli bzw. potentielle Wunderobjekte gelten dieselben Bestimmungsmöglichkeiten, nur mit der Einschränkung, daß sie hierbei als potentielle Bestimmungen dienen, deren Zutreffen abhängig ist von der Bedingung, daß der potentielle Wunderstimulus mit dem betreffenden Beobachter konfrontiert wird bzw. daß der Beobachter an das potentielle Wunderobjekt denkt'2. "

Siehe oben S. 2 1 6 f.

91

Siehe oben S. 242 f.

Siehe oben die Materialbeispiele in Kap. 8 C , S. 2 3 1 f f .

92

Siehe oben, Anm. 88.

285

Es ist zu bemerken, daß auf den Beobachter X und den Zeitpunkt t nicht in bestimmter Form Bezug genommen zu werden braucht als auf einen bestimmten Beobachter oder einen bestimmten Zeitpunkt, sondern es kann auf Beobachter und Zeitpunkt Bezug genommen sein in quantifizierter Form, die durch einen Existenzoperator expliziert werden kann. Anstatt „Beobachter X " und „Zeitpunkt t" im obigen Schema kann also alternativ „irgendein Beobachter" bzw. „irgendein Zeitpunkt" geschrieben werden. 2. Typen von Bestimmungselementen, die auf Wundererlebnisse zutreffen können: die phänomeneilen Erlebnisqualitäten, intentionale Attitüden bzw. intentionalen Inhalte des Erlebnisses. Irgendein expliziter Bezug auf einen bestimmten Beobachter ist für Bestimmungselemente dieser Typen nicht relevant. Wenn ein Wundererlebnis obendrein noch ein Wunderstimulus bzw. ein Wunderobjekt ist, kann das betreffende Wundererlebnis auch durch Bestimmungselemente bestimmt werden, die unter Punkt i. angegeben wurden. Beispiele: siehe oben Beispiele für Α bzw. für B. 3. Typen von Bestimmungselementen, die auf Ganzheitssituationen der oben erwähnten Art zutreffen können: 'der ein Erlebnis mit der phänomeneilen Erlebnisqualität Α 1 und/oder der intentionalen Attitüde A 2 und/oder dem intentionalen Inhalt В bei dem Beobachter X zum Zeitpunkt t als extensiven Teil sowie auch den Wunderstimulus bzw. das Wunderobjekt dieses Erlebnisses einschließend als extensiven Teil hat'. Auch hier kann auf Beobachter und Zeitpunkt in quantifizierter Form Bezug genommen werden'3. 4. Typen von Bestimmungselementen, die auf Dispositionen zutreffen können: analog (aber nicht identisch mit!] denen, die Wundererlebnisse bestimmen". Beispiele für Dispositionen als Wunder: 'das christliche Personleben', 'Bestimmtheit des Menschen durch einen überweltlichen Inhalt', 'Gotteserkenntnis', 'Erfassung des überweltlichen Inhaltes'85. 5. Sachverhalte von hier aktueller Art können in bezug auf ihre Konstituenten bestimmt werden: in bezug auf die Bestimmungen desjenigen Wundererlebnisses, von dem der betreffende Sachverhalt handelt und die er enthält, sowie ferner in bezug auf die Relationen zwischen Wunderobjekt einerseits und Wundererlebnis andererseits, wenn diese Relationen 93 84 95

Siehe oben, Punkt 1. Siehe oben, Punkt 2. Siehe oben Mandel, S. 278 f f .

286

in dem Sachverhalt enthalten sind. Analog verhält es sich mit Sachverhalten, die eine Disposition an der Stelle des Wundererlebnisses haben. Beispiel: daß ein bestimmter Punkt der Wirklichkeit . . . plötzlich durchsichtig wird und ich dahinter auf einmal die göttliche, gestaltende Wirklichkeit sehe, die das alles schafft". 6. Intentionale Inhalte in Wundererlebnissen dürften, wo sie als Wunder angesehen werden, ihren Wundercharakter nicht durch eine Bestimmung in bezug auf die Beschaffenheit des Wundererlebnisses [hier: phänomeneile Erlebnisqualität] erhalten. Diese Kategorie ist daher hier ein Grenzfall: die Beschaffenheit des intentionalen Inhalts kann den Wundercharakter eines Erlebnisses bzw. eines Stimulus zu diesem bzw. eines Objektes desselben bzw. einer Disposition zu einem solchen Erlebnis entscheiden. Aber die Beschaffenheit des Erlebnisses dürfte nicht entscheidend sein für den eventuellen Wundercharakter des intentionalen Inhalts. Beispiele für intentionale Inhalte als Wunder: 'das Ganze der Regel, wie Menschenkinder zum Leben kommen', 'die Tatsache des Gewissens', 'die imbegreifliche Zusammengehörigkeit eines in sich selbst sinnlosen Naturgeschehens mit der sinnreichen Fülle des geschichtlichen Daseins', 'die schlechthin überempirische Wirklichkeit', 'Gott'". " Siehe oben Thielicke, S. 270. " Siehe oben Rade bzw. Mandel, S. 275 f f . bzw. 279 f.

287

K A P I T E L 10

Das Wundererlebnis, die Begriffsbildung und die Sprache des Beobachters. Der Beobachter des Wunders und das Wort „Wunder"

Die Betrachtung des Eindrucks, den der Beobachter von dem einzelnen Wunder empfängt, wird zuweilen von dem Material ergänzt durch eine Betrachtung der Intention des Beobachters im Hinblick auf den Wunderbegriff und durch eine Betrachtung seiner Verwendung und Deutung der Sprache, die das Wunder beschreibt sowie seiner Verwendung und Deutung des Wortes „Wunder". In der bisherigen Darstellung in diesem Teil sind uns Materialbeispiele begegnet, welche die Reaktion des Beobachters auf einzelne Wunder zumindest in konditionaler Form erwähnen, z.B. als Inhalt von Wunderbegriffen. In diesem Kapitel wird uns Material begegnen, das nicht nur den Eindruck des einzelnen Wunders auf seinen Beobachter behandelt, sondern auch explizite die Verwendung und Deutung der Sprache von seiten des Beobachters, um Wunder zu beschreiben, einschließlich der Verwendung und Deutung des Wortes „Wunder" durch den Beobachter. Von der Behandlung von Material, das nur von dem Eindruck handelt, den der Beobachter von einzelnen Wundern empfängt, wollen wir also in diesem Kapitel dazu übergehen, auch die Betrachtung der Sprache des Beobachters im Material zu behandeln; im Verhältnis zu dieser Sprache ist die Sprache des Materials eine Metasprache und die analysierende Sprache dieser Untersuchung eine Meta-metasprache1. Wir können in diesem Abschnitt eigentlich logisch gesehen zwischen drei Stufen unterscheiden: i. In der Darstellung in den beiden vorigen Kapiteln war das Material die einzige Quelle für die analysierten Wunderbegriffe, welche von 1

Eine Metasprache im Verhältnis zu einer gegebenen Sprache L ist eine Sprache, in der wir über L sprechen. L ist im Verhältnis zur Metasprache eine Objektsprache, d.h. eine Sprache, die in der Metasprache besprochen wird. „Die Unterscheidung zwischen beiden ist natürlich relativ: Eine Sprache, die in bezug auf eine bestimmte Sprache L als Metasprache fungiert, kann ihrerseits Objekt einer semantischen Untersuchung werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wären dann in einer Meta-Metasprache der Sprache L zu formulieren usw." Pap, Analytische Erkenntnistheorie, 60. Über den Begriff 'Metasprache' vgl. auch Carnap, Symbolische Logik, 77; Introduction to semantics, 3 f . (§ 1); Meaning and necessity, 4 f.

288

den psychischen Relationen des Beobachters zu einzelnen Wundern handelten, ohne irgendeine Erwähnung des Beobachters als Begriffsbildners und Sprachverwenders. Diese letzteren Funktionen hatten ausschließlich die zitierten Verfasser. Auf der vorliegenden Stufe bilden das Erlebnis oder die psychische Disposition des Beobachters angesichts des einzelnen Wunders einen Bestandteil der Bezeichnung des Wortes „Wunder" im Material und werden (zumindest im Konditionalis) im Material erwähnt. Die Relation zwischen dem einzelnen Wunder und dem Beobachter (dessen Erlebnissen oder mentalen Zuständen) ist hier eingeschlossen in das, was von dem Worte „Wunder" bezeichnet und beschrieben ist. Beispiele für diese logische Stufe wurden in den vorhergehenden Kapiteln reichlich gegeben. Nur ein Beispiel soll daher hier angeführt werden: W i r müssen also „Wunder" anders definieren. Nämlich so: Wunder sind Ereignisse, in denen der Glaube die Wirkung Gottes sieht.

Derselbe Verfasser schreibt auch, daß „seltene, ungewöhnliche, überraschende Ereignisse, in denen Gottes Wirken in auffallender Weise in die Augen springt", Wunder seien". Er spricht ebenfalls von Jesu sog. 'Naturwundern' und sagt: Allen Wundererzählungen liegt die richtige Empfindung zugrunde, daß Gottes Walten an einer Reihe von Ereignissen den Menschen besonders deutlich vor Augen tritt".

In einer anderen Arbeit schreibt der Verfasser: „Wunder im religiösen Sinne sind auffallende Ereignisse, an denen Gottes Sprache uns besonders deutlich wird" 4 . Die psychische Relation des Beobachters zu dem Wunder wird hier in Wendungen bezeichnet wie „der Glaube . . . sieht", „in die Augen springt", „den Menschen besonders deutlich vor Augen tritt", „uns besonders deutlich wird". Indirekt beschreiben auch die Worte „überraschend", „in auffallender Weise", „auffallend" das Erlebnis des Beobachters. Diese Bezeichnungsrelationen herrschen auch, wo keine Behauptungen über einzelne Wunder gemacht werden, sondern wo die Sätze die Form von Definitionen haben oder verdeckte universelle Implikationssätze sind. Daß nun auch das Wort „Wunder" in diesen Beispielen ebenfalls die Relationen des Wunders zu den mentalen Akten oder Zuständen des Beobachters bezeichnet, geht außer aus dem Definitionscharakter zweier der angeführten Beispiele aus Wendungen hervor wie „Wunder sind . . . " und „ . . . sind Wunder". Die erste Stufe bilden also die Fälle, in denen das Material aus2 3 1

Wendland, Wunder, Naturgesetz und Wunderberichte, 409. a.a.O., 411. Wendland, Wunderglaube und Wunderbegriff in der Theologie der Gegenwart, 202.

19 - 566-3501

289

schließlich selbst als Quelle für Begriffsbildung, Begriffsverwendung und Wortgebrauch auftritt und lediglich die psychischen Relationen des Beobachters zu einzelnen Wundern beschreibt und abhandelt. Universalsätze über Wunder müssen in solchen Fällen distributiv gedeutet werden. 2. Ein logischer Schritt darüber hinaus liegt vor, wenn das Material von dem Beobachter (einzelner Wunder] behauptet, er intendiere Wunderbegriffe, wenn das Material nicht nur die psychische Relation des Beobachters zu einzelnen Wundern erwähnt, sondern auch seine Intention hinsichtlich Wunderbegriffen. Auch hier reicht es aus, wenn diese Erwähnung in universeller Konditionalform geschieht und von allen Beobachtern einer gewissen Kategorie handelt. Die Distinktion zwischen der ersten und der zweiten logischen Stufe kommt zum Ausdruck bei einem Verfasser, der eine ähnliche Distinktion macht: „Religiöser Wunderbegriff" hat einen doppelten Sinn: i. den weiteren: „Wunder" ist ein religiöser Begriff; Wunder erlebt nur der Glaube; Aussagen über Wunder sind Glaubensurteile; 2. den engeren Sinn: Inhalt des Wundergeschehens ist in erster Linie der Glaube selbst, weiterhin alles, was im Glauben und durch ihn geschieht5.

Bei diesem Verfasser entspricht unsere erste logische Stufe seinem zweiten, engeren Wunderbegriff, während unserer zweiten logischen Stufe der erste, weitere religiöse Wunderbegriff des Verfassers entspricht. Gerade unter diesem Punkt begegnen die Worte „Begriff" und „Aussagen" und „Urteile". Von dem Beobachter wird hier in verdeckter Konditionalform gesprochen: Nur wenn der Beobachter Religion und religiösen „Glauben" hat, kann er den religiösen Wunderbegriff intendieren und sich dieses Begriffes in Urteilen bedienen. Außerdem wird hier auch vom 'Glauben' als Bedingung für das Wundererlebnis gesprochen, was an und für sich der logischen Ebene der ersten Stufe angehört. Aber der erste Punkt des Verfassers enthält keine Begriffsbestimmung eines 'religiösen Wunders', die auf die Erlebnisse oder mentalen Zustände des Beobachters hinweist. Die zweite logische Stufe erscheint typisch in solchen Wendungen im Material wie „etwas als Wunder auffassen" u.dgl." Zusammenfassend läßt sich sagen, daß für die zweite logische Stufe bezeichnend ist, daß 5

R. Paulus, Zum religiösen Begriff des Wunders und der Natur, 206. V g l . zu Punkt 1

bei Paulus W . Bülck, Evangelium und Mirakelglaube, 1 8 2 : „Der religiöse Begriff des Wunders ist . . . ein Prinzip der Deutung von Ereignissen und Erlebnissen vom Glauben her." • Siehe z.B. Titius, Natur und Gott, 847; W . Bülck, 182.

290

das Material die Begriffsbildung des Beobachters erwähnt, ohne explizite von dem Sprachgebrauch des Beobachters zu sprechen. 3. Eine dritte logische Stufe wird erreicht, wenn das Material von dem Beobachter des Wunders spricht als von einem Verwender von Sprache über Wunder und des Wortes „Wunder". Die Sprache des Materials steht dann auf Metasprachniveau im Verhältnis zur Sprache des Beobachters. Die Relationen zwischen der Sprache des Beobachters und dem Beobachter des Wunders in seiner Eigenschaft eines Verwenders von Sprache kann man im Anschluß an übliche sprachtheoretische Terminologie als pragmatische Relationen bezeichnen, und die Sätze im Material, die von solchen pragmatischen Relationen handeln, wollen wir „pragmatische Metasätze" nennen und mit der Abkürzung „PMS" bezeichnen. Beispiele für PMS: (PMS 1 ) V o m Wunder sprechen wir dann, wenn wir in eklatanten Fällen die Empfindung eines auffallenden Wirkens Gottes haben*.

Es ist wichtig hier zu bemerken, daß wir die Wendung „Vom Wunder sprechen wir dann, wenn" anstatt „Wunder sind" vor uns haben. Das Erlebnis des Beobachters wird hier als Bedingung für einen gewissen Sprachgebrauch von Seiten des Beobachters hingestellt, aber PMS 1 bestimmt keinen Wunderbegriff, indem er das Erlebnis des Beobachters erwähnt, wenn man nicht eine derartige Bestimmung in das Wort „auffallenden" hineinliest. Der relevante Wunderbegriff in PMS 1 könnte ebensogut schlecht und recht 'Wirken Gottes' sein. Dies letztere wird bestärkt durch einen Satz, der demselben Kontext entnommen ist wie PMS 1: Der Wunderglaube enthält dann nichts anderes als die Energie des Vorsehungsglaubens: Gott kann und wird seinen Willen zur Durchführung in der Welt bringen8.

Ähnliche Überlegungen betreffen auch das nächste Beispiel aus dem Material: (PMS 2 ) W o immer Etwas mir geschieht, was mir besonders viel von Gottes Liebeswollen und Gottes Liebeswalten sagt, Etwas, worin ich seine Hand deutlicher nach mir fassen sehe aus dem verworrenen Gewoge . . . heraus: das nenne ich in meines Glaubens Sprache ein Wunder'. 7

Wendland, Wunderglaube und Wunderbegriff . . . , 202. V g l . Bülck, 182.

8

Wendland, a.a.O., 202. V g l . auch ibid.: „In diesem Sinne ist der Glaube an Wunder

identisch mit dem Vorsehungsglauben oder mit dem Glauben an einen lebendigen, wirksamen Gott." Der ganze Kontext handelt vom „Wunder im religiösen Sinne". ° Faure, Religion, Offenbarung, Wunder, 1038. Bei Faure findet sich noch ein anderes Beispiel für einen PMS: „Denn wenn Jemand Etwas als Wunder erzählt, so heißt das mir vor allem, daß er auf ein Geheimnis stieß, und das Geheimnis hat er sich deuten

291

Hier ist die Sprache des Beobachters noch ausdrücklicher erwähnt als in PMS i. Anstatt „Vom Wunder sprechen" dort haben wir hier den Ausdruck „das nenne ich . . . ein Wunder". Auf den Sprachgebrauch gewisser Beobachter hinsichtlich des Wortes „Wunder" oder dessen Synonymen in anderen Sprachen im Gegensatz zum Sprachgebrauch anderer Beobachtergruppen wird in PMS 3 Bezug genommen. Thielicke behauptet, (PMS 3] daß bestimmte primitive Entwicklungsstadien dazu neigen, in dem Augenblick vom „Wunder" zu sprechen, wenn sich etwas ereignet, das aus den innerweltlichen Zusammenhängen nicht erklärbar ist, das offenbar in dem unsichtbaren Raum hinter den Kulissen der Welt seinen Ursprung hat und nun von dort aus seine geheimnisvolle Wirkung in die Welt hinein ausstrahlt, gleichgültig, ob es nun Götter oder Dämonen sind, die da von „draußen" her in das Diesseits hineinfunken... Dieser Begriff des Wunders beruht auf mangelnder Aufgeklärtheit... Für uns moderne abendländische Menschen löst sich das, was in bestimmten Stadien der Primitivität als Wunder bezeichnet wird, in einem natürlichen Zusammenhang von Ursache und Wirkung auf10.

Auch hier ist zu bemerken, daß wir die Wendungen „neigen, in dem Augenblick vom „Wunder" zu sprechen, wenn" bzw. „als Wunder bezeichnet wird" anstatt „Wunder sind . . . " oder „ . . . sind Wunder" vor uns haben. Auch hier dient der mentale Zustand des Beobachters, bezeichnet durch „mangelnder Aufgeklärtheit" und indirekt durch „nicht erklärbar" (wenn man nämlich hier ergänzt 'für einen gewissen Beobachter', daß Unerklärbarkeit relativ für gewisse gegebene Beobachter gilt], als Bedingung für eine gewisse Sprachverwendung von seiten des Beobachters. Aber PMS 3 bestimmt auch nicht (ebensowenig wie PMS 1, abgesehen von dem oben erwähnten Vorbehalt hinsichtlich des Wortes „auffallenden") irgendeinen Wunderbegriff, indem es irgendeinen mentalen Zustand des Beobachters bestimmt. Auch hier konnte der relevante Wunderbegriff sich ausschließlich auf die Ursachen und den transzendenten Ursprung des Wunders beziehen. Die Beispiele für PMS aktualisieren einen wichtigen Umstand, der generell von pragmatischen Metasätzen im Material als solchen gilt: In pragmatischen Metasätzen im Material, die den Gebrauch des Wortes „Wunder" oder seiner Synonyme durch den Beobachter behandeln, können das vom Beobachter angeblich benutzte Wort „Wunder" oder dessen Synonyme ganz andere Konnotationen haben als solche, die von den lassen von seinem Glauben." Faure, 1036. Der 'Glaube' ist hier anscheinend 'Subjekt' und nicht 'Objekt' des Wunderbegriffs. Dieser Gedanke findet sich schon in der Darstellung der zweiten Stufe oben. Das, was dagegen den zitierten Satz zu einem PMS macht, ist die Wendung „Etwas als Wunder erzählt", die sich ja ausdrücklich auf die Sprache bezieht. 10 Thielicke, Der Glaube der Christenheit, 340.

292

Relationen des Wunders zu dem Beobachter handeln, demzufolge, was in dem betreffenden PMS behauptet wird. Dasselbe gilt für Sätze im Material über die Begriffsbildung des Beobachters im Hinblick auf Wunderbegriffe: solchen Sätzen zufolge kann der vom Beobachter gebildete Begriff "Wunder' ganz andere Inhalte haben als solche, die von den Relationen des Wunders zum Beobachter handeln. Diese Regel gilt somit sowohl auf der Ebene der zweiten wie der dritten oben erwähnten logischen Stufe 11 . Es ist wichtig, das Wort „kann" zu betonen. Ein PMS kann an und für sich nämlich auch mit Bestimmungselementen von Wunderbegriffen kombiniert werden und solche enthalten, die das Wunder bestimmen, indem sie dessen Relation zum Erlebnis des Beobachters bestimmen. In pragmatischen Metasätzen können das dem betreffenden PMS zufolge vom Beobachter gebrauchte Wort „Wunder" oder dessen Synonyme an und für sich jede beliebige Konnotation haben oder nicht haben, sowohl solche, die die Relationen des Wunders zum Beobachter enthalten wie auch ganz andere Konnotationen. Der Begriff PMS gestattet an und für sich, daß in einem PMS alles beliebige behauptet wird in bezug auf die Konnotationen des Wortes „Wunder" oder dessen Synonyme in der Sprache, die dem betreffenden PMS zufolge vom Beobachter des Wunders benutzt wird. Dasselbe gilt für Sätze über die Begriffsbildung des Beobachters in bezug auf Wunderbegriffe: solchen Sätzen zufolge kann der vom Beobachter gebildete Begriff "Wunder' auch Inhalte haben, die von dem Eindruck des Wunders auf den Beobachter handeln, aber diesem Begriff kann auch solchen Sätzen zufolge ein derartiger Inhalt fehlen. Wir müssen also zwischen folgenden beiden Fällen unterscheiden, die einander jedoch nicht ausschließen: 1. Das Erlebnis des Wunders von Seiten des Beobachters ist bestimmt durch den Inhalt eines Wunderbegriffs im Material, und 2. Die psychische Relation des Beobachters zu dem Wunder, dem Wunderbegriff und dem Worte „Wunder" wird von pragmatischen Metasätzen im Material bezeichnet, die nicht immer den Wunder begriff durch eine Bestimmung von psychischen Relationen zwischen dem Wunder und dessen Beobachter bestimmen. Pragmatische Metasätze behaupten immer, daß der Eindruck des Wunders auf den Beobachter ausgedrückt ist durch das Wort „Wunder" und behaupten zuweilen auch, daß dieser Eindruck eine Intention hinsichtlich des Begriffs Wunder enthält, hingegen behaupten sie aber nicht immer, daß dieser Eindruck auch bezeichnet ist 11

V g l . die folgende Wendung in P M S 3 oben: „Dieser Begriff des Wunders beruht auf

mangelnder Aufgeklärtheit." Der Ausdruck „beruht a u f

anstatt „enthält" ist hier zu

beachten.

29З

durch das Wort „Wunder" oder bestimmt ist durch den Inhalt des Begriffs 'Wunder'. Es ist wichtig zu unterstreichen, daß es zweierlei Arten von Bezeichnungsfunktionen gibt: Konnotation und Denotation. Ein sprachlicher Ausdruck konnotiert Begriffe [Begriffsinhalte) und denotiert die einzelnen Gegenstände, die den konnotierten Begriff als Bestimmung haben. Ein größerer Kontext kann viel von dem prinzipiell Wichtigen, was gesagt wurde, illustrieren1". Dieser Kontext handelt von Wunderbegriffen bei dem Beobachter des Wunders, ohne Rücksicht auf die Sprache, die nicht explizite erwähnt wird. Der Kontext gehört daher der zweiten der drei logischen Stufen an, die im ersten Teil dieses Abschnitts dargestellt wurden. Das Erlebnis des Beobachters [in Form einer 'Deutung' des beobachteten Wunders) muß diesem Verfasser zufolge auf eine gewisse Weise (angegeben durch die Wörter „religiös" und „fromm") beschaffen sein, damit eine Begriffsbildung in bezug auf den Wunderbegriff von Seiten des Beobachters stattfinden kann. Der Beobachter ist hier nur indirekt erwähnt, und zwar in verdeckter Konditionalform: Nur wenn der Beobachter Religion, religiösen Glauben besitzt, kann der Beobachter Begriff sbildner des Wunderbegriffs sein und diesen Begriff in Beurteilungen verwenden, die eine religiöse 'Deutung' der Wunder ausdrücken. Der Beobachter des Wunders und der Begriffsbildner des Wunderbegriffs werden in diesem Kontext als miteinander identisch behandelt. Der Wunderbegriff ist Gegenstand einer Intention von Seiten des Beobachters des Wunders. Der Wunderbegriff ist genauer gesagt in dem intentionalen Inhalt von Erlebnissen oder mentalen Zuständen bei dem Beobachter des Wunders enthalten. Die intentionale Relation zwischen diesen letzteren und dem Wunderbegriff ist also in diesem Kontext behandelt. Der für den Wunderbegriff zentrale Teil des Kontextes soll hier wiedergegeben werden: Hat nun aber die Wissenschaft... den Begriff des Wunders überhaupt abzulehnen, so gehört d i e s e r . . . ausschließlich in die religiöse Gedankenwelt hinein. Denn in deren Bereich drückt er nichts anderes aus, als die religiöse Deutung irgend eines weltlichen Vorgangs, der von einem Frommen als eine Gottesthat sei es der Hülfe oder der Strafe, der Verheißung oder der Warnung beurteilt wird. A n sich aber kann jedes weltliche Ereignis, indem es religiös gedeutet wird, als ein Wunder betrachtet werden . . . Diese doppelte Betrachtungsweise eines in sich identischen Vorgangs begründet aber nicht etwa die Annahme einer doppelten W a h r h e i t . . . die objektive Wahrheit, die von ihm gilt, sowie sie durch die empiristische Wissenschaft ermittelt und vertreten w i r d , . . . b l e i b t . . . in ihrem gesamten Umfange material nur das, was die Wissenschaft in ihr sehen lehrt. Daß sich zugleich aber die religiöse Deutung desselben Geschehnisses bemächtigt, indem sie es für ein Wunder oder eine Gotteswirkung erklärt, berührt es 12

Siehe O. Ritsehl, Theologische Wissenschaft und religiöse Spekulation.

294

selbst nur in formaler Hinsicht, sofern es lediglich in eine neue Beziehung, nämlich eben zu dem transcendenten Gott gebracht wird 13 .

In diesem Kontext kann der von dem Beobachter des Wunders durch die Religion gebildete Wunderbegriff ganz andere Konnotationen haben als solche, die von der Relation des Wunders zu dem Beobachter handeln. Auch wenn das Erlebnis des Beobachters eine Intention in Hinblick auf den Wunderbegriff einschließt, braucht diese nicht in dessen Begriffsinhalt enthalten zu sein. Der Verfasser bestimmt in diesem Kontext nicht einen Wunderbegriff durch eine Bestimmung der Art des Erlebnisses des Beobachters. Der Kontext läßt sich vielmehr so deuten, daß der hier relevante Wunderbegriff solche Bestimmungen enthält wie 'Gottesthat', 'Gotteswirkung' und 'Beziehung zu dem transcendenten Gott'. Ferner ist zu bemerken, daß die Ausdrücke „Wunder sind . . . " und „ . . . sind Wunder" hier nicht vorkommen, sondern daß wir es vielmehr mit Ausdrücken zu tun haben wie „Begriff des Wunders . . . g e h ö r t . . . in die religiöse Gedankenwelt hinein" und „kann . . . als ein Wunder betrachtet werden". Daß der Wunderbegriff in dem intentionalen Inhalt von Erlebnissen oder mentalen Zuständen bei dem Beobachter des Wunders enthalten ist, wird indirekt durch das Wort „drückt aus" angegeben. Die Umkehrung der intentionalen Relation wird angedeutet, wenn der Wunderbegriff in die „religiöse Gedankenwelt" hineingestellt wird. Das intentionale Erlebnis beim Beobachter des Wunders wird angedeutet durch die Ausdrücke „religiöse Deutung", „beurteilt wird", „als Wunder betrachten" und „Betrachtungsweise" sowie von „fromm" als einer Bestimmung des mentalen Zustandes des Beobachters. Außer dem Wunderbegriff haben wir indes auch einzelne Wunder, welche vom Beobachter als Wunder sowohl beobachtet wie 'religiös' gedeutet werden. Von welcher Art diese Deutungsobjekte sein können, davon spricht der Verfasser an einer anderen Stelle in demselben Aufsatz. Hier steht über „die möglichen Deutungsobjekte der religiösen Betrachtung" folgendes: . . . so bieten sich uns als solche, lediglich theoretisch angesehen, alle wirklichen Ereignisse, Begebenheiten und Objekte in der uns bekannten Welt dar. Denn alles Geschehen in der Welt können wir irgendwie als von Gott gewollt und gewirkt deuten, wenn anders wir den Gottesgedanken im religiösen Sinne zu vollziehen und als Deutungsprinzip auf jenen Stoff in Bewegung zu setzen vermögen14.

Das einleuchtendste ist hier, daß der Wunderbegriff die Bestimmung 'von Gott gewollt und gewirkt' enthält, während die Deutung des Beobachters nur eine Intention im Hinblick auf den Wunderbegriff einschließt, ohne in dem Inhalt dieses Begriffs enthalten zu sein. 13

O. Ritsehl, 236.

11

O. Ritsehl, 279. Vgl. a.a.O., 232 f.

295

Oben wurde die Distinktion zwischen den Bezeichnungs- und Ausdrucksfunktionen der Sprache aktualisiert. Ausdrucksfunktionen gibt es von zweierlei Art, und zwar einerseits die Relation zwischen der Sprache [dem sprachlichen Ausdruck, Wort] und (Erlebnissen und Zuständen bei) dem, der die Sprache (den betreffenden sprachlichen Ausdruck, das Wort) benutzt, und andererseits die Relation zwischen der Sprache (Ausdruck, Wort) und (Erlebnissen und Zuständen bei) dem, der die Sprache (bzw. den betreffenden Ausdruck, das betreffende Wort) sieht oder hört15. Die letztere Relation trifft in den Fällen zu, wo jemand von einem Wunder durch einen Bericht sprechen hört. Sätze über Ausdrucksrelationen dieser ersteren Art wurden oben unter der Bezeichnung „PMS" zusammengef aßt. Es ist darauf hinzuweisen, daß wir es mit einem Spezialfall von Ausdrucksrelationen zu tun haben, auch von Sprache über Wunder und des Wortes „Wunder", wenn das Ausgedrückte in Erlebnissen oder Zuständen des Beobachters des einzelnen Wunders besteht. Das Wort „Wunder" drückt die Relation zwischen dem einzelnen (vom Wort denotierten) Wunder und dem Beobachter nur dann aus, wenn das Wort in einem Satz vorkommt, der von einem einzelnen Wunder spricht. Es ist hierbei ebenfalls darauf hinzuweisen, daß das Wort „Beobachter". in dieser Abhandlung eine weite Bedeutung hat, die auch die Fälle deckt, in denen die Beobachtung des einzelnen Wunders durch die Sprache vermittelt ist". Wir haben also dreierlei Entitäten besonders zu berücksichtigen: i. das Wort „Wunder" (oder sprachliche Ausdrücke, die von Wundern handeln), 2. den von dem Wort bezeichneten (genauer gesagt konnotierten) Wunderbegriff und 3. die durch das Wort ausgedrückte mentale Erscheinung bei dem Benutzer des Wortes (oder bei dem Hörer-Leser). Diese dreierlei Entitäten werden miteinander verknüpft durch dreierlei Relationen: die Bezeichnungsrelation zwischen dem Wort und dem Bezeichneten, die Ausdrucksrelation zwischen dem Wort und dem Ausgedrückten (einem Erlebnis) und die intentionale Relation zwischen dem Ausgedrückten und dem Bezeichneten, wobei das Ausgedrückte etwas Mentales ist und das Bezeichnete in dem intentionalen Inhalt dieses Mentalen enthalten ist. Das durch das Wort „Wunder" Ausgedrückte schließt also eine Intention hinsichtlich des betreffenden Wunderbegriffs ein. Der Begriff ist etwas Objektives' und nicht dasselbe wie ein intentionales Erlebnis". Andererseits ist der Begriff auch vom Zeichen unter15

Für die Unterscheidung zwischen den Ausdrucks- und Bezeichnungsbeziehungen, vgl.

Carnap, Der logische A u f b a u der Welt, § 19. Die Ausdrucksbeziehung dessen, der die Sprache benutzt, ist die psychisch-mentale Form der oben erwähnten pragmatischen Beziehung. V g l . auch oben S. 38, A n m . 26. 18

Siehe oben S. 2 2 3 f f .

296

schieden, das Wort, das Zeichen ist nur eine physische Erscheinung. Die Bezeichnungsrelation zwischen dem Zeichen und dem Begriff wird traditionell „Konnotation" genannt. Aber die Bezeichnungsrelation wird in dieser Darstellung in einer weiteren Bedeutung verstanden, die auch die Denotationsrelation zwischen einem Zeichen und dem denotierten Gegenstand deckt18, z.B. die Relation zwischen dem Wort „Wunder" und einem einzelnen Wunderereignis. Der denotierte Gegenstand ist also eine vierte Entität, unterschieden von dem Zeichen, dem Begriff und dem Erlebnis. In drei Punkten sollen im folgenden die wichtigsten Unterschiede zwischen der Bezeichnungsrelation und den Ausdrucksrelationen und ihrem Verhältnis zu der intentionalen Relation zusammengefaßt werden19. 1. Bezeichnung kann sich auf alles beziehen - alles läßt sich bezeichnen, entweder konnotieren oder denotieren, aber nur Erlebnisse (evtl. Zustände, Dispositionen) des Hervorbringers, Verwenders oder HörerLesers des Zeichens lassen sich ausdrücken. Ein Zeichen kann beispielsweise einen Stuhl nicht ausdrücken, wohl aber bezeichnen. Dagegen kann ein Zeichen die Wahrnehmung (ein Erlebnis!) eines Stuhles ausdrücken. Es ist logisch immöglich, daß ein Zeichen etwas anderes ausdrücken kann als ein Erlebnis (evtl. Zustand). 2. Der Unterschied zwischen Ausdruck und Bezeichnung hat nichts mit dem Unterschied zwischen Gefühl und Intellekt zu tun. Alle Erlebnisse können ausgedrückt werden, insofern es sich um eine logische Möglichkeit im Verhältnis zu dem Begriff 'ausdrücken' handelt. Jede Aussage, die etwas bezeichnet, drückt gleichzeitig Wahrnehmung, Kenntnis oder Glauben oder irgendeine andere Form von Bewußtsein in bezug auf den Zustand aus, den die Aussage bezeichnet, bzw. Wahrnehmung oder Bewußtsein der Dinge, die von Zeichen in der Aussage bezeichnet werden. Es ist zu betonen, daß auch eine bloße Intention hinsichtlich eines Satzinhaltes ohne eigenes Akzeptieren von dessen Wahrheit durch sprachliche Sätze ausgedrückt sein kann. 3. Das Bezeichnete ist von Erlebnissen intendiert, die das Zeichen ausdrückt - was durch das Zeichen ausgedrückt ist ( = d a s Erlebnis) intendiert das, was durch das Zeichen bezeichnet ist. 17 Vgl. Carnap, Meaning and necessity, 19 f f . über seinen Gebrauch des Wortes „property". 18 Über Konnotation siehe oben S. 38, Anm. 24. Über Denotation siehe oben S. 111, Anm. 48. " Diese drei Punkte sollen zusammengenommen in dem Zusammenhang dieser Untersuchung als eine implizite Definition der Begriffe 'Bezeichnung' und 'Ausdruck' mit ihren logischen Konsequenzen dienen, die für den Zweck der Untersuchung hinreichend ist. Was in den folgenden drei Punkten gesagt wird, darf also nur indirekt als Thesen aufgefaßt werden, also nur unter dem Gesichtspunkt der logischen Konsequenz beurteilt werden.

297

KAPITEL 11

Der Wissensstatus des Beobachters

A. Beispiele aus dem Material für Bestimmungselemente, die die Beziehung des Wunders zum Wissensstatus des Beobachters bestimmen Im Material lassen sich Bestimmungselemente in Wimderbegriffen belegen, welche die Relation des Wunders zu dem Wissensstatus des Beobachters bestimmen. Solche Bestimmungselemente liegen vor, wenn Wunder definiert werden als das für den Beobachter Unerklärliche, das Unbegreifliche oder Unerwartete oder das, von dessen Ursachen der Beobachter keine Kenntnis hat. Ein bezeichnender Zug in der Struktur aller dieser Bestimmungselemente ist, daß eine und dieselbe Erscheinung eine gewisse Art von Relation zu dem Wissensstatus eines gegebenen Beobachters haben kann, ohne dieselbe Relation zu dem Wissensstatus eines anderen Beobachters zu haben: was unerklärlich bzw. unbegreiflich oder unerwartet für einen Beobachter (eine Gruppe von Beobachtern] ist, braucht einem anderen Beobachter [einer anderen Gruppe von Beobachtern] nicht unerklärlich bzw. unbegreiflich oder unerwartet zu sein. Die Ursachen einer Erscheinung können dem einen Beobachter unbekannt sein, während ein anderer Beobachter Kenntnis von den Ursachen derselben Erscheinung hat. Wunderbegriffe, die solche Bestimmungselemente enthalten, weisen in ihrer Struktur den Zug auf, daß dieselbe Erscheinung Wunder für einen Beobachter X und nicht Wunder für einen anderen Beobachter Y sein kann. Diesen Strukturzug haben diese Bestimmungselemente gemeinsam mit den Bestimmungselementen, die das Wunder bestimmen als das, was Erlebnisse einer bestimmten Art bei dem Beobachter des Wunders auslöst bzw. deren Objekt ist20. Diese Bestimmungselemente, die von der Relation des Wunders zum Wissensstatus des Beobachters handeln, sind nicht nur relativ zu verschiedenen Beobachtern, sondern auch relativ zu verschiedenen Zeitpunkten. Dieselbe Erscheinung kann zu einem Zeitpunkt ti unerklärlich oder unbegreiflich und zu einem anderen Zeitpunkt t2 nicht unerklärlich oder unbegreiflich sein, auch für denselben Beobachter. Dieselbe Erscheinung kann eine gewisse Art von Relation zu dem Wissensstatus eines gegebenen Beobachters zu einem bestimmten Zeitpunkt haben, ohne zu einem anderen Zeitpunkt dieselbe Relation zu demselben Beobachter zu haben. 20

Vgl. oben S. 244.

298

Wenn diese Bestimmungselemente vollständig formuliert werden sollen, müssen sowohl der Beobachter wie der Zeitpunkt spezifiziert sein. Auch die Relativität zum Zeitpunkt haben diese Bestimmungselemente gemein mit denen, die das Wunder bestimmen als das, was Erlebnisse einer bestimmten Art bei dem Beobachter des Wunders auslöst bzw. deren Objekt ist21. Es ist nun an der Zeit, einige Beispiele aus dem Material für diese Bestimmungselemente anzuführen und im Anschluß daran die Aufmerksamkeit auf etwaige Andeutungen der elementaren Strukturzüge dieser Bestimmungselemente zu lenken, die oben erwähnt wurden. Wendland bestimmt den ihm zufolge weitesten und allgemeinsten Wunderbegriff durch die Bestimmungen 'unerwartet', 'unerklärlich' und 'unbegreiflich'. A n einer Stelle definiert er: Das Wunder ist . . . zu definieren . . . als Eintreten eines unerwarteten Tatbestandes22.

In einer anderen Arbeit schreibt er über zwei Merkmale in dem Wunder: einmal das Staunenswerte, Unerwartete, das sich o f t zum Unerklärlichen steigert. In diesem allgemeinen Sinn kann man auch von Wundern außerhalb des religiösen Glaubens sprechen.

In einer Anmerkung fügt er hinzu: „Das Unerklärliche als Moment des Wunders ist nicht aus ihm auszuschließen23." Weiter unten in derselben Arbeit spricht er vom „Charakter des Wunders, und zwar im Sinne des Staunenswerten und Unbegreiflichen" Eine klare Relativität solcher Bestimmungselemente zu verschiedenen Beobachtern und verschiedenen Gruppen von Beobachtern deutet ein Vgl. oben S. 245. In bezug auf Person und Zeit zeigen die Bestimmungselemente, welche die Relation des Wunders zum Wissensstatus des Beobachters bestimmen, dieselbe logische Struktur auf wie der Begriff 'Wunderobjekt'. Das bedeutet, daß diese Bestimmungselemente in bezug auf Person und Zeit dieselben verschiedenen alternativen logischen Strukturformen zulassen wie der Begriff 'Wunderobjekt'. Die logischen Schemata CI)~C6) S. 246ff. gelten deshalb mutatis mutandis auch für diese Bestimmungselemente und zwar mit denselben logischen Relationen untereinander. Um dies hervortreten zu lassen, braucht man in diesen Schemata [ i ] - [ 6 ] nur das Wort „Wunderobjekt" auszutauschen gegen ein Wort für eines dieser Bestimmungselemente, z.B. gegen das Wort „unerklärlich", „unbegreiflich", „unerwartet" oder „in bezug auf die Ursachen unbekannt" oder dgl. Die Schemata [7) ff. S. 248 f f . nehmen dagegen speziellen Bezug auf den Begriff 'Wunderobjekt' und lassen sich deshalb hier nicht übertragen. 22 Wendland, Wunder, Naturgesetz und Wunderberichte, 410. In diesem Aufsatz gibt Wendland auch eine ganz andere Definition von 'Wunder', a.a.O., 409. Siehe oben S.289. 21 Wendland, Der Wunderglaube im Christentum, 5. 24 Wendland, a.a.O., 81. 21

299

anderer Theologe, Mandel, an, wenn er von dem Wunderbegriff im primitiven Wunderglauben spricht sowie eine Ausbildung des Wunderbegriffs „in der primitiven Menschheit" behandelt. Hierzu schreibt er: Den Primitiven ist die Wirklichkeit, die uns umgibt, in vielen ihrer Erscheinungen ein Rätsel und Wunder25. Die Gruppe der Beobachter besteht hier aus den 'primitiven' Menschen. Was in Relation zu diesen 'primitiven' Menschen ein Wunder ist, braucht für Menschen mit fortgeschrittener Kultur kein Wunder zu sein: Dieser primitive Wunderglaube mußte mit fortschreitender Kultur hinfallen. Man lernte es, die wunderbaren Erscheinungen zu erklären25. Es erhebt sich dann als nächstes die Frage, welcherlei Relation ein Wunder dieser Art nach Mandel zu dem Wissensstatus der ['primitiven'] Beobachter haben muß. Das letzte Zitat deutet eine Antwort an: Wunder für diese Beobachter ist das, was für sie unerklärlich ist, da von dem Wunderglauben gesagt wird, er falle damit, daß die früheren Wunder erklärt würden, dahin. Die Art der Relation des Wunders zu dem Wissensstatus des Beobachters besteht also Mandels Andeutungen zufolge in der Unerklärbarkeit des Wunders. Außerdem schreibt er von diesem 'primitiven Wunderglauben', er sei ein „Geisterglaube", der im wesentlichen „die Deutung der Tatsachen, die aus ihrer sichtbaren Erscheinung nicht hinreichend verständlich sind", darstelle25. 'Nicht-verständlich' ist hier offenbar als Bestimmungselement angegeben. Die Art der Relation des Wunders zu dem Wissensstatus des Beobachters zeichnet sich auch ab, wenn man bemerkt, daß nach Mandel der 'Wunderbegriff der primitiven Menschen' eine Spezies eines übergeordneten Genusbegriffs "Wunder' ist, den er als „Wirklichkeit, die aus dem Inbegriff unserer Erfahrung . . . nicht abgeleitet werden kann" formuliert 2 '. Der Terminus „unserer" muß hier wohl als ein ungenauer Bezug auf Beobachter im allgemeinen gedeutet werden. Schon dieser übergeordnete Genusbegriff ist indes relativ zu der Erfahrung verschiedener Personen und kann mit verschiedenen Personen wechseln. 'Der Inbegriff der Erfahrung von Person X kann etwas anderes sein als 'der Inbegriff der Erfahrung einer anderen Person Y . Verschiedene Beobachter können ganz einfach einen verschiedenen Wissensstatus haben. Will man den 'Wunderbegriff der primitiven Menschen' nach Mandel herausarbeiten, so kann man in dem Ausdruck „Wirklichkeit, die aus dem Inbegriff unserer Er-

25 26

Mandel, 6. Vgl. Thielicke, Der Glaube der Christenheit, 340 f. Vgl. unten S. 3 1 7 f. Mandel, 5. Vgl. oben S. 278 f., Anm. 7 1 , 79.

300

fahrung nicht abgeleitet werden kann" den Ausdruck „unsere Erfahrung" austauschen gegen „die Erfahrung der primitiven Menschen" oder dergl. Dieser Austausch spezifiziert die Gruppe der Beobachter und bewirkt dadurch die Formulierung einer Spezies des übergeordneten Wunderbegriffs. Diese Spezies sowohl wie der übergeordnete Wunderbegriff enthalten Mandel zufolge auch eine andere Bestimmung, die nicht den Beobachter des Wunders spezifiziert, sondern vielmehr den Erfahrungsbereich des Wunders: es wird gesagt, das Wunder habe seinen „Ort im Rahmen des Welterkennens und Weltbewußtseins"2β. Aber auch hier läßt sich die Frage stellen: Wessen "Weltbewußtsein' ? Die Antwort ist hinsichtlich des 'Wunderbegriffs der primitiven Menschen' natürlich, daß es sich um das 'Weltbewußtsein' der primitiven Menschen handelt. Genau wie der erwähnte übergeordnete Wunderbegriff bei Mandel ist der von Jelke akzeptierte Wunderbegriff ein generellerer Wunderbegriff in der Hinsicht, daß er in Relation zu allen Arten von Beobachtern zutreffen dürfte. Den Inhalt, die Art der Relation des Wunders zum Beobachter bestimmt Jelke in ähnlicher Weise wie Mandel, so daß man mit einer gewissen Berechtigung auch von Jelkes Wunderbegriff als von einem Genus im Verhältnis zu dem Wunderbegriff 'der primitiven Beobachter' bei Mandel sprechen könnte". Jelke nennt den hier relevanten Wunderbegriff das 'metaphysische' Wunder, aber betont auch seinen 'relativen' Charakter. Er bestimmt den Begriff folgendermaßen: Unter einem metaphysischen Wunder versteht man dabei ganz im Sinne unserer Auffassung des Wunders solche Erscheinungen, die aus den erfahrungsmäßigen Gesetzen des bisherigen Weltlaufes nicht erklärt werden können28. 37

Zur generellen Form von Jelkes Wunderbegriff, vgl. oben S. 247, Formel [3). Übertragen wir dieses Schema [ 3 ) auf den Begriff 'unerklärlich', so erhalten wir; ' [ 3 z ) ( 3 t) χ ist unerklärlich für ζ zur Zeit t'. Dieses Schema enthält den in bezug auf Person und Zeit generellsten Begriff 'unerklärlich'. Eine Spezies von ihm liegt in der folgenden Formel vor: ' [ 3 z) [ 3 t) χ ist unerklärlich für ζ zur Zeit t & ζ gehört zur primitiven Menschheit'. Die letztere Formel impliziert die erstere, aber wird nicht von der ersteren impliziert. Generell gilt, daß, wenn in einer quantifizierten Formel der Skopus (der Operand) mit noch einer Formel konjungiert wird, die so entstandene quantifizierte Konjunktion die beiden quantifizierten Glieder impliziert, wenn die Operatoren in beiden Fällen dieselben sind. Siehe Carnap, Symbolische Logik, 60, Satz L 15-i.g. as

Jelke, Die Wunder Jesu, 19. Vgl. oben S. 40. Vgl. Beth, Wunder und Naturwissenschaft, I i 1 5 f . , über den Begriff des 'relativen' Wunders. Vgl. Beth, Das Wunder, 15. Vgl. oben S. 56, Anm. 7 1 . Der Begriff des 'relativen' Wunders wird von Beth nur erwähnt, nicht akzeptiert. Siehe Beth, a.a.O., 15 f. Den von ihm akzeptierten Wunderbegriff nennt Beth „das absolute Wunder". Für die Bestimmung dieses Begriffs, siehe Beth, Wunder und Naturwissenschaft, 1124; Das Wunder, 15 f. Darüber, siehe oben S. 57. Doch bezieht sich der Begriff des 'absoluten Wunders' auf den Wissensstand des Beobachters nur in den Sinne, daß es die Unerklärbarkeit aus natürlichen Ursachen für alle menschlichen Personen zu allen Zeiten enthält.

301

Daß diese Unerklärbarkeit ganz in einer Unerklärbarkeit für bestimmte Beobachter besteht, deutet der Terminus „erfahrungsmäßigen" an, doch tritt das noch deutlicher an einer Stelle weiter unten hervor: Das Wunder hat stets relativen Charakter, d.h. die positive Erfahrung des erkennenden Subjektes kann allein den Maßstab abgeben, ob ein Wunder vorliegt oder nicht 29 .

Schon an einer früheren Stelle heißt es: Dieser Relativität unserer naturwissenschaftlichen Erkenntnis entspricht die Relativität des Wunders. Die Bestimmung des Wunders, die wir damit gegeben haben, ist zweifelsohne primär am menschlichen Erkennen orientiert 30 .

Die Relation des Wunders zu dem Wissensstatus des Beobachters kommt auch an einer anderen Stelle zum Ausdruck, wo der Verfasser von einem „Gegensatz eines lückenlos erkannten Seins (des naturgesetzlichen Geschehens) und eines durch die Lückenhaftigkeit unseres Erkennens geradezu charakterisierten Geschehens [des Wunders)" spricht31. Daß es sich bei den Ausdrücken „die positive Erfahrung des erkennenden Subjektes", „menschlichen Erkennen" und „Lückenhaftigkeit unseres Erkennens" nicht um ein überindividuelles, allgemein menschliches Wissenssubjekt handelt, sondern um individuelle menschliche Wissenssubjekte oder Gruppen von menschlichen Individuen, dürfte klar aus einer anderen Stelle hervorgehen; dort heißt es, daß für den Wunderbegriff der subjektive Erfahrungsinhalt des menschlichen Individuums oder auch des bestimmten Gemeinschaftskreises ausschlaggebend . ,32 ist .

Als eine Konsequenz solcher Bestimmungen von Wunderbegriffen ergibt sich, daß das, was für einige Beobachter Wunder ist, für andere kein Wunder zu sein braucht. Verschiedene Beobachter haben ganz einfach verschiedene Kenntnisse und Erfahrungen. Das deutet die Wendung „Relativität unserer naturwissenschaftlichen Erkenntnis" an, und dieser ist dem Verfasser zufolge „die Relativität des Wunders" korreliert. Ferner dürfte „die Lückenhaftigkeit unseres Erkennens" bei verschiedenen Beobachtern verschieden groß sein können. Die Konsequenz, daß das, was für einige Beobachter ein Wunder ist, für andere Beobachter kein Wunder zu sein braucht, spricht Jelke selbst klar aus; nämlich daß in der Tat die Entscheidung darüber, ob ein Naturereignis als ein Wunder anzusprechen ist oder nicht, ihren Ausgangspunkt vom wissenschaftlichen Bewußtsein zu nehmen hat. Lediglich von hier aus hat dann der Gedanke ein geM 30 31 32

Jelke, Jelke, Jelke, Jelke,

302

a.a.O., 21. a.a.O., 16. Vgl. Religionsphilosophie, 258. Die Wunder Jesu, 110. a.a.O., 18 f. Vgl. oben S. 40 f., Anm. 37.

wisses Recht, daß ein späteres wissenschaftliches Bewußtsein gewisse Erscheinungen nicht mehr als Wunder ansehen könnte, die früheren Zeiten als Wunder galten und gelten konnten33. Hier wird außer der Relativität des Wunderbegriffs zu verschiedenen Beobachtern auch seine Relativität zu verschiedenen Zeitpunkten betont. Eine gewisse Art von Erscheinungen kann zu einem gewissen Zeitpunkt ti Wunder sein, jedoch in einem späteren Zeitraum t2 kein Wunder. Hingegen wird folgendes betont: auch wenn gewisse Erscheinungen, die zu einem früheren Zeitpunkt Wunder waren, zu einem späteren Zeitpunkt keine Wunder sind, wird es doch immer andere Erscheinungen geben, die zu dem späteren Zeitpunkt Wunder, d.h. unerklärlich sind34. Wenn es sich darum handelt, das eigene Wirklichkeitsgebiet der Wunder zu bestimmen, spricht Jelke in einer späteren Arbeit von 'Wundern' als ,jaumzeitlichen Phänomenen"35. Dies würde auch gut zu dem Wunderbegriff der früheren Arbeit passen. Hingegen äußert sich Jelke in der späteren Arbeit gegen den Gedanken, daß die Relation zum Wissensstatus des Beobachters für den Wunderbegriff konstitutiv sei. Stattdessen heißt es dort, daß die Entscheidung über „das Dasein eines Wunders" nicht „außerreligiöser Instanz" überlassen werden dürfe, sondern daß es tinabhängig von fortschreitender Naturerkenntnis sei36. Dieser Gedanke wird in der späteren Arbeit keineswegs konsequent durchgeführt, sie hält vielmehr nach wie vor an der Relation zum Wissensstatus des Beobachters als für den Wunderbegriff konstitutiv fest 37 . Doch liegt an und für sich in dem erwähnten Gedanken eine Annäherung an Jelkes rein 'religiösen' Wunderbegriff, der ausschließlich durch eine Bestimmung des Wundererlebnisses des Beobachters bestimmt wird, genauer gesagt durch dessen intentionalen Inhalt, und den Jelke nur in einer Art 'sekundärem' Sinn als Wunder ansieht38. An der Unerklärbarkeit des Wunders hält Jelke, ganz im Gegensatz zu der Tendenz der späteren Arbeit in Richtung auf den 'religiösen' Wunderbegriff, fest als der Grundlage für die religiöse Deutung des Wunders als von Gott gewirkt. Die Relation des Wunders zu dem Wissensstatus des Beobachters vereinigt sich bei Jelke in der Bestimmung des Wunder33

Jelke, a.a.O., 107. Vgl. Beth, Wunder und Naturwissenschaft, 'relativen Wunder'.

1 1 1 7 , von dem

" Jelke, a.a.O., 107. 35 Jelke, Religionsphilosophie, 255. 56 Jelke, a.a.O., 258. Vgl. 256 f. 37 Jelke, a.a.O., 258, wo er hervorhebt, „daß es eben die bestimmte Erfahrung des betreffenden Subjektes ist, die den Maßstab für das aus der Analogie sonstigen Geschehens Herausfallende . . . abgibt. Damit kommt freilich in die metaphysische Seite des Wunders ein relativer Einschlag". 38 Über den Begriff des 'religiösen Wunders' siehe Jelke, Die Wunder Jesu, 19, oben zitiert in S. 39, Anm. 32. Vgl. auch Religionsphilosophie, 257. ЗОЗ

begriffe mit der Relation des Wunders zu intentionalen Inhalten im Wundererlebnis des Beobachters. Genauer gesagt sollen diese intentionalen Inhalte vom 'Wirken Gottes' und genereller von 'metaphysischer Realität' handeln. Von dem Wunderbegriff, den Jelke als den 'primären' betrachtet, wird gesagt, er enthalte in seiner Unerklärbarkeit das Moment . . . , das geeignet ist, den Menschen die Unmittelbarkeit des göttlichen Wirkens zum Bewußtsein zu bringen . . . Der Menschenverstand versucht die von ihm nicht begriffenen physischen oder psychischen Erscheinungen durch Zurückführung auf eine metaphysische Realität zu be•c 38 greifen .

Hier ist die Wendung „geeignet ist" zu beachten. Offensichtlich bedeutet sie, daß das Wunder nicht in allen Fällen, nicht bei allen Beobachtern, imstande ist, das Bewußtsein der „Unmittelbarkeit des göttlichen Wirkens" zu erwecken. Im entgegengesetzten Falle hätte „das geeignet ist, . . . zu bringen" durch den kategorischeren Ausdruck „das . . . bringt" ersetzt werden können". Wenn das Wunder mit seiner Unerklärbarkeit nicht bei allen Beobachtern ein solches Bewußtsein bewirkt, muß das offensichtlich darauf beruhen, daß noch andere Bedingungen als die Unerklärbarkeit des Wunders bei einem Beobachter (einer Gruppe von Beobachtern] vorhanden sein müssen, wenn das Wunder diese Wirkung auf ihn (sie) ausüben soll. Eine solche weitere Bedingung wird in einem größeren Textzusammenhang angedeutet, in dem Jelke indessen zunächst die Unerklärbarkeit des Wunders für einen Beobachter als Bedingung dafür aufstellt, daß der Beobachter das 'Wirken Gottes' kennenlernen kann: Es ist also stets der erkannte Zusammenhang, d.h. der Zusammenhang, soweit er von uns erkannt ist . . . von dem aus dem Menschen eine Erkenntnis des Wirkens Gottes möglich ist. Soweit der Mensch einen Einblick in den tatsächlichen Naturzusammenhang hat, soweit ihm also die Naturgesetze bekannt sind, soweit müssen ihm die aus diesem regulären Geschehen herausfallenden Erscheinungen ein Anlaß werden, nach einer Erklärung dieser Vorgänge zu fragen .

Indessen wird behauptet, die erwähnte Bedingung, die Abweichung des Wunders von den dem Beobachter bekannten Gesetzen und damit seine Unerklärbarkeit für den Beobachter, sei nicht hinreichend, um das Bewußtsein des Beobachters vom Wirken Gottes zu wecken: Selbstverständlich liegt in dieser Notwendigkeit eine Erklärung suchen zu müssen an sich noch nicht die Notwendigkeit, in diesen Erscheinungen unmittelbare Manifestationen Gottes zu sehen. Das ist aber da anders, w o solche Erscheinungen . . . zugleich Zeichen und Glieder eines entsprechenden in sich zu" Jelke, Die Wunder Jesu, 19. Vgl. oben S. 40. 40 Vgl. oben S. 265 ff, " Jelke, a.a.O., 116.

ЗО4

sammenhängenden Verlaufes sind, über dessen religiöse Bedeutung wenigstens im allgemeinen dem erkennenden Subjekte kein Zweifel besteht41. Hier wird eine weitere Bedingung genannt, die hinzukommen muß, damit der Beobachter in den Wundern 'Manifestationen Gottes sehen' kann. Einen wichtigen Zug in der Struktur derjenigen Bestimmungselemente, welche die Relation des Wunders zum Wissensstatus des Beobachters angeben, deutet Jelke an durch die folgende Äußerung: das, worin das als Wunder zu bezeichnende Phänomen aus der Analogie der sonstigen Erfahrung des Subjektes herausfällt, ist der objektive Grund der religiösen Deutung dieses Phänomens". Wenn eine Erscheinung nämlich 'aus der sonstigen Erfahrung des Beobachters herausfällt' oder unerklärbar, unbegreiflich oder unerwartet ist, hat die Erscheinung stets einen Typus der Bestimmung, der relativ zu einer anderen Eigenschaft der Erscheinung ist. Diese andere Eigenschaft ist in dem obenstehenden Zitat angedeutet durch den Ausdruck „das, worin". Der von Jelke angedeutete Typus der Bestimmung muß also spezifiziert werden, so daß eine adäquate Formulierung einer solchen Bestimmung nach dem logischen Formschema 'zum Zeitpunkt t im Hinblick auf die Eigenschaft Α aus der sonstigen Erfahrung des Beobachters X herausfallen' zu formulieren wäre. Auf Eigenschaften des Wunders, im Hinblick auf welche eine Relation zum Wissensstatus des Beobachters erst möglich ist, dürfte folgende Aussage bei Jelke sich beziehen: Die religiöse Deutung ist hier also der Ausdruck einer den sonstigen Geschehnissen gegenüber eigenartigen Beschaffenheit der fraglichen Phänomene43. Diese Beschaffenheit ist nach Jelke notwendig für den Wunderbegriff. Ohne sie wird ein „Herabdrücken" des Begriffs des Wunders „auf das Niveau des sogenannten religiösen Wunders" stattfinden44. Damit eine Erscheinung ein Wunder gemäß diesem Verfasser sein kann, muß die Erscheinung einen gewissen Komplex von Eigenschaften besitzen, im Hinblick auf den die Erscheinung unerklärbar ist und aus dem Rahmen der sonstigen Erfahrung des Beobachters herausfällt. B. Analytische

Gesichtspunkte

in bezug auf die

Beziehung

des Wunders zum Wissensstatus des Beobachters Nachdem nun Beispiele aus dem Material für Bestimmungselemente, die die Relation des Wunders zum Wissensstatus des Beobachters bestimmen, " Jelke, Die Wunder Jesu, 21. Vgl. Religionsphilosophie, 257. " Jelke, Die Wunder Jesu, 19. Vgl. Religionsphilosophie, 257. " Vgl. oben S. 303.

20 - 566-3501

З05

angeführt worden sind, sollen hier einige Linien der Analyse entwickelt werden, die über die Kommentare zu den Textzitaten und über die elementaren Strukturzüge hinausgehen, welche in der Relativität zu verschiedenen Beobachtern und verschiedenen Zeitpunkten bestehen. Doch erhebt die Analyse hier keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, nicht einmal wenn es gilt, in der analytischen Philosophie wohlbekannte Forschungsergebnisse und Einfallswinkel zu verwenden. Der Grund hierfür ist, daß diese Bestimmungselemente begrifflich Anknüpfungen in einer Menge verschiedener Richtungen aufweisen, die in die zentralen Gebiete der Wissenschaftstheorie und auch der Wahrscheinlichkeitstheorie hineinführen. Der Begriff 'unerklärlich' aktualisiert den wissenschaftlichen Erklärungsbegriff und dessen verschiedene Formen, und 'aus dem Rahmen der sonstigen Erfahrung fallen' aktualisiert die Frequenz- und damit Wahrscheinlichkeitsbegriffe. Bereits in der Einleitung wurde darauf hingewiesen, daß Bestimmungselemente, die prinzipielle Distinktionen in der Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaft aktualisieren, in einer späteren Arbeit für sich behandelt werden müssen, da der Rahmen dieser Arbeit sonst zu umfassend werden würde", und da sie, trotz der Anknüpfung an die gerade hier aktuellen Bestimmungselemente, Fragen und Begriffe aktualisieren von ganz anderer Art als die, welche sonst in dieser Arbeit behandelt werden. Es ist auch darauf hinzuweisen, daß die wissenschafts- und wahrscheinlichkeitstheoretisch relevanten Bestimmungselemente Varianten haben, die keineswegs relativ zu dem Wissensstatus der Menschen sind, sondern in ganz 'objektiven' Kategorien analysiert werden können". Die mit all diesen Bestimmungen zusammenhängenden Problemkomplexe lassen sich daher am besten in einer Arbeit für sich behandeln. Die hier vorgenommene Analyse soll zwei Linien folgen: die erste soll die logische Kategorie des Wunders selbst behandeln, wobei die Relation zu dem Wissensstatus des Beobachters sich jedoch mit im Blickfeld befindet. Die zweite Linie soll von einer Betrachtung der Beschaffenheit des Beobachters ausgehen, genauer gesagt der Beschaffenheit des Wissens des Beobachters, und dabei die Frage behandeln, worin ein 'Wissensstatus' eigentlich besteht. Schließlich soll die Relation zwischen dem Wissensstatus des Beobachters und der eigenen Begriffsbildung des Beobachters in bezug auf Wunderbegriffe ein wenig vom Material her beleuchtet werden. Die Wunder, um die es sich hier handelt, sind natürlich solche, die von den hier aktuellen Typen von Bestimmungselementen bestimmt werden: 45

Siehe oben S. 1 8 f .

46

V g l . den 'absoluten' Wunderbegriff bei Beth. Siehe oben S. 3 0 1 , A n m . 28; S. 5 6 f .

Zur Einführung in die Problematik der wissenschaftlichen Erklärung, siehe Pap, A n a lytische Erkenntnistheorie, 1 5 5 f f . (Kap. V Зоб

Α.]

'unbegreiflich', 'unerklärlich', 'deren Ursachen wir nicht erkennen können'17, 'nicht ursächlich erklärbar', 'unerwartet', 'aus der sonstigen Erfahrung des Subjekts herausfällt' und dergl. Man kann dann die Frage stellen, welche Art von Entitäten Wunder in diesen Bedeutungen sein können. D.h. welchen logischen Kategorien können Wunder den hier aktuellen Bedeutungen zufolge angehören? Von welcher logischen Art müssen die Erscheinungen sein, die hier aktuelle Bestimmungselemente als Bestimmungen erhalten können? Eine adäquate Antwort auf diese Fragen muß sich im Rahmen der Intentionen des angeführten Materials halten, während die Distinktion zwischen den betreffenden logischen Kategorien nicht dem Material entnommen ist, sondern ein Ergebnis der analysierenden Arbeit dieser Untersuchung darstellt. Zwei Arten von Bestimmungsgegenständen dürften hier aktuell sein: 1. Individuelle Erscheinungen von räum- und zeitbestimmtem Charakter oder von gleichem logischen Typus wie räum- und zeitbestimmte Gegenstände. Diese Kategorie umfaßt sowohl Dinge wie Ereignisse. 2. Sachverhalte, die darin bestehen, daß eine Erscheinung der Kategorie ι eine oder mehrere Bestimmungen [Eigenschaften, Relationen] hat. Die Sachverhalte sind identisch oder eineindeutig korrelierbar mit wahren Satzinhalten. Wir wollen zunächst den ersten Fall betrachten, in dem die Bestimmungselemente Bestimmungen individueller Erscheinungen sind. Wie bereits am Ende des vorigen Abschnitts gesagt wurde, kann ein solches Bestimmungselement einer individuellen Erscheinung nur im Hinblick auf eine andere Eigenschaft (Relation] dieser Erscheinung zukommen als die, die darin besteht, daß die Erscheinung unerklärlich ist oder unter eines der anderen ähnlichen Bestimmungselemente fällt. Eine individuelle Erscheinung ist unbegreiflich, unerklärlich, unerwartet oder fällt aus der sonstigen Erfahrung des Beobachters heraus nur im Hinblick auf eine oder mehrere andere Eigenschaften (Relationen] der Erscheinung", so daß diese Bestimmungselemente Bestimmungen individueller Erscheinungen darstellen, die auf andere Bestimmungen derselben Erscheinungen Bezug nehmen. Z u solchen Bestimmungen werden sowohl Eigenschaften, Relationen wie Komplexe von solchen gerechnet. Auf dieselbe Weise wird der Terminus „Eigenschaft" angewendet. Auch Komplexe von Eigenschaf-

" Vgl. Jelke, Die Wunder Jesu, 105. 48 Vgl. Bejerholm-Hornig, Wort und Handlung, 115 ff., wo die Bestimmung 'verwunderlich' in analoger Weise analysiert wird. Die Frage wird analysiert, „in welcher Hinsicht Ε [seil, ein Ereignis) verwunderlich ist oder weshalb und worüber sich Ρ zum Zeitpunkt Ζ (seil, über das Ereignis E] wundert". a.a.O., 115.

З07

ten, einschl. Negationen von Eigenschaften, werden hier als Eigenschaften behandelt". Eine genauere Analyse liefert uns also Bestimmungselemente vom Typus 'unerklärlich [unbegreiflich, unerwartet] für den Beobachter X zur Zeit t im Hinblick auf Eigenschaft A ' bzw. 'fällt aus der früheren Erfahrung des Beobachters X zur Zeit t im Hinblick auf Eigenschaft A heraus'50. In ähnlicher Weise haben wir das Bestimmungselement: 'dessen Ursachen der Beobachter X zur Zeit t im Hinblick auf Eigenschaft A nicht kennt'. Das letzte bedarf eines Kommentars. Eine individuelle Erscheinung hat nur dann Ursachen, wenn sie unter ein allgemeines Gesetz subsumiert werden kann, und dieses Gesetz hat die logische Form eines universellen Implikationssatzes, der ja den universellen Ursachenzusammenhang in der Terminologie von Eigenschaften (Eigenschaftskomplexen) sowohl der Ursache [im Vorderglied der Implikation) wie der Wirkung [im Hinterglied der Implikation) formulieren muß. Wenn man die Aussagen, „Man lernte es, die wunderbaren Erscheinungen zu erklären" 51 bzw. „daß ein späteres wissenschaftliches Bewußtsein gewisse Erscheinungen nicht mehr als Wunder ansehen könnte"" deutet als nicht unbedingt auf die Auffassung mehrerer verschiedener Beobachter desselben individuellen Wunders bezogen, sondern als auch auf die Auffassung von verschiedenen Wundern derselben Art oder Klasse (zu verschiedenen Zeiten) Bezug nehmend, so müssen diese derselben Klasse angehörenden Wunder gewisse gemeinsame Eigenschaften haben, und im Hinblick auf eine dieser Eigenschaften muß ein Wunder dieser Klasse für die frühere Gruppe von Beobachtern unerklärlich sein, während ein Wunder dieser Klasse im Hinblick auf dieselbe Eigenschaft nicht unerklärlich ist für die spätere Gruppe von Beobachtern, die 'gelernt hatte, das vermeintliche Wunder zu erklären'. Bei der Analyse der hier erörterten Bestimmungselemente ist es wichtig zu unterscheiden zwischen dem Beobachter X bekannten Eigenschaften der individuellen Wunder-Erscheinung und X unbekannten Eigenschaften (außer den hier erörterten Bestimmungselementen). Eine unerklärliche " Über Komplexe von Eigenschaften (Begriffen, Bestimmungen) einschließlich Negation, siehe vor allem oben S. 124 f f . 10 In dem bereits angeführten Material werden Eigenschaften der erwähnten Wunder angedeutet, im Hinblick auf welche dieselben unbegreiflich oder unerklärbar sind oder aus der sonstigen Erfahrung des Beobachters herausfallen. Jelke spricht von dem, „worin das als Wunder zu bezeichnende Phänomen aus der sonstigen Erfahrung des Subjektes herausfällt". Religionsphilosophie, 257. Damit ist offensichtlich eine Eigenschaft des Wunders (oder ein Komplex von Eigenschaften) gemeint, im Hinblick auf den das Wunder aus der Erfahrung des Beobachters herausfällt. Vgl. oben S. 305. Mandel, 6. Vgl. oben S. 300. 02 Jelke, Die Wunder Jesu, 107. Vgl. oben S. 303.

308

(unbegreifliche, unerwartete] Erscheinung ist immer unerklärlich (unbegreiflich, unerwartet) f ü r X im Hinblick auf eine dem Beobachter X bekannte E i g e n s c h a f t " . Ebenso verhält es sich in bezug auf eine Erscheinung, die aus der früheren Erfahrung v o n X herausfällt sowie eine, deren Ursachen X nicht kennt. In beiden Fällen gelten diese Bestimmungen im Hinblick auf Eigenschaften der Erscheinung, die X kennt, d.h. von denen X weiß, daß sie der in Frage stehenden Erscheinung zukommen. D i e U n erklärbarkeit f ü r X

besteht darin, daß zwischen der Eigenschaft A , im

Hinblick auf w e l c h e die Erscheinung unerklärlich ist und allen sonstigen dem Beobachter X bekannten Eigenschaften (einschließlich Relationen) außer den hier erörterten Bestimmungselementen entweder keine logische Implikation besteht, die die Erscheinung im Hinblick auf Α

erklären

könnte", oder aber daß diese Implikation selbst dem Beobachter X

un-

bekannt ist. D a s Fehlen einer solchen dem Beobachter bekannten Implikation z w i schen

einem Beobachter

bekannten

Eigenschaften

derselben

Erschei-

nungi deutet ein V e r f a s s e r an, w e n n er schreibt, daß W u n d e r „aus ihrer sichtbaren Erscheinung nicht hinreichend verständlich" seien". D i e „sichtbare Erscheinung2" des Gegenstandes dürfte auf die dem Beobachter bekannten Eigenschaften der Erscheinungi Bezug nehmen. D a s 'Unverständ63

Die dem Beobachter bekannten Eigenschaften einer unbegreiflichen Erscheinung werden indirekt auch in der Arbeit von Bejerholm & Hornig angedeutet, und zwar dadurch, daß das Nicht-Wissen des Beobachters in bezug auf eine solche Erscheinung in der Weise eingeschränkt wird, daß sie den Verfassern zufolge nur in „irgendeiner Hinsicht" oder nur in bezug auf irgendeine „Seite" der fraglichen Erscheinung besteht: „Sobald man erklärt, daß man über etwas verwundert sei, hat man das, worauf sich die Verwunderung bezieht, mit einem Fragezeichen versehen. Man gibt zu, in irgendeiner Hinsicht nicht zu wissen, was das fragliche Geschehen ist." Bejerholm & Hornig, a.a.O., n 6 f . An einer anderen Stelle heißt es: „Die Seite des für uns unbekannten Phänomens, die wir in den vorhandenen Referenzrahmen nicht ohne weiteres einfügen können, bleibt in sprachlicher Hinsicht problematisch." a.a.O., 120. Vgl. auch a.a.O., 117: „Es scheint eine notwendige Bedingung für das Entstehen einer Verwunderung zu sein, daß zumindest eine unbeantwortete Frage vorliegt." Dem letzteren Zitat zufolge können anscheinend einige anderen Fragen sehr wohl beantwortet sein. An anderen Stellen dieser Arbeit dagegen kommt der Gesichtspunkt, daß ein unbegreifliches Phänomen sowohl bekannte wie unbekannte Seiten hat, nicht zu seinem Recht. Siehe z.B. a.a.O., 1 2 1 : „Denn eine sprechende Butterblume paßt weder in irgendeins der bekannten botanischen Referenzsysteme noch in meinen eigenen sprachlichen Referenzrahmen. Es läßt sich überhaupt nicht sagen, wie ein solches Phänomen angemessen beschrieben werden soll. Keine Frage, die innerhalb des sprachlichen Referenzrahmens gestellt werden könnte, läßt sich auf das fragliche Phänomen anwenden." Der letzte Satz des Zitats dürfte eine falsche Verallgemeinerung negativer Form sein. Schon die Bestimmungen 'Butterblume' und 'sprechend' sind ja dem Beobachter des betreffenden 'Wunders' bekannt. " Über wissenschaftliche Erklärung und Implikation, vgl. Pap, Analytische Erkenntnistheorie, 155 f., 158, 162 f. 65 Mandel, 6. Vgl. oben S. 300. 309

liehe' an der Erscheinungi muß in irgendwelchen von deren bekannten Eigenschaften liegen, und zwischen diesen und den übrigen dem Beobachter bekannten Eigenschaften der Erscheinungi fehlt die Implikation, welche die ersteren Eigenschaften dem Beobachter Verständlich' machen könnte, oder aber diese Implikation ist dem Beobachter unbekannt. Daß ein Beobachter Y eine Erscheinung erklären kann, die einem anderen Beobachter X unerklärlich ist, so daß die Erscheinung nicht unerklärlich für Y ist, bedeutet entweder, daß Y eine Implikation zwischen der Eigenschaft Α und einer der sonstigen dem Beobachter X bekannten Eigenschaften der Erscheinung kennt, während X diese Implikation nicht kennt, oder daß Y überhaupt viel mehr Eigenschaften der Erscheinung kennt als X , und daß Y außerdem eine Implikation zwischen Α und einer der sonstigen Eigenschaften der Erscheinung kennt, so daß die Erscheinung durch Y eine Erklärung im Hinblick auf Α erhält. In diesem letzteren Falle liegt die Erklärung der Erscheinung im Hinblick auf Α bei einer dem Beobachter X unbekannten Eigenschaft der Erscheinung5". Die erwähnte Implikation zwischen verschiedenen Eigenschaften kann universell oder statistisch sein. Eine Implikation zwischen zwei Eigenschaften Α und В bei derselben Erscheinung herrscht nur aufgrund entweder einer universellen Implikation zwischen Α und B, die in einem Allimplikationssatz ihre logisch adäquate Formulierung erhalten kann, oder aufgrund einer statistischen Implikation". Was für X unerklärlich ist, kann also für Y erklärlich sein. Ein solcher Umstand wird von einem Theologen angedeutet: 'Reguläre Lebenserscheinungen' können Wunder sein im Sinne des 'primitiven Wunderglaubens', und dies letztere bedeutet nach dem Verfasser, daß sie sich nicht aus dem 'Inbegriff der Erfahrung' der primitiven Menschen ableiten lassen58. Der Terminus „Inbegriff der Erfahrung" dürfte auf eine Unvollständigkeit der obigen Analyse hinweisen; er deutet dem Beobachter bekannte Satzinhalte an, die nicht alle von derselben Erscheinung handeln, und daher auch solche, die nicht von dem in Frage stehenden, vom Beobachter nicht ableitbaren Wunder handeln. Ähnliche Wendungen im Material wie „aus dem Inbegriff unserer Erfahrung nicht abgeleitet werden kann" liegen uns vor in „aus den erfahrungsmäßigen Gesetzen . . . nicht erklärt werden können" und „aus der sonstigen Erfahrung des Subjektes herausfällt" Auch hier dürften die " Der Terminus „Eigenschaft" deckt hier auch Relationen und Eigenschaftskomplexe. Vgl. oben S. 307 f. Vgl. ferner S. 199 f. 57 Über statistische Implikationen [ = Wahrscheinlichkeitsimplikationen), siehe Pap, Analytische Erkenntnistheorie, 35 ff., 70 f., 73, 87, 146, 162 f . Über universale Implikationen siehe oben S. 1 1 1 , Anm. 50; S. 121 f., Anm. 7. 58 Mandel, 7 bzw. 5. Vgl. oben S. 300 f. 59

Jelke, Die Wunder Jesu, 19; Religionsphilosophie, 257. Vgl. oben S. 301, 305.

310

Termini „erfahrungsmäßigen Gesetzen" und „sonstigen Erfahrung des Subjektes" alle dem Beobachter bekannten Satzinhalte andeuten und nicht nur diejenigen, die davon handeln, daß das in Frage stehende unerklärliche Wunder eine gewisse Eigenschaft hat - unter den dem Beobachter bekannten Satzinhalten sind auch solche, die gar nicht von dem in Frage stehenden Wunder handeln. Auch gewisse von den dem Beobachter bekannten Satzinhalten, die gar nicht von dem betreffenden Wunder handeln, sind relevant, wenn es zu analysieren gilt, worin die Unerklärbarkeit (Unbegreiflichkeit) des Wunders für X im Hinblick auf die Eigenschaft Α besteht. Diese Relevanz bei Satzinhalten, die nicht vom Wunder handeln, ist noch deutlicher in bezug auf das Bestimmungselement 'fällt im Hinblick auf Α aus der früheren Erfahrung von X heraus', und gilt auch für die Bestimmung 'dessen Ursachen im Hinblick auf A X nicht kennt'. Im ersteren Falle schließt die frühere Erfahrung von X auch andere Erscheinungen als das Wunder ein. Es erhebt sich dann die Frage: Wie können dem Beobachter X bekannte Satzinhalte, die nicht von einem bestimmten Wunder handeln, doch für die Unerklärbarkeit des Wunders für X relevant sein? Die Antwort handelt von der Implikation zwischen den sonstigen, dem Beobachter X bekannten Eigenschaften der Erscheinung und A , die die Erscheinung in bezug auf Α erklärlich machen könnten und deren Unbekanntsein für X oder geradezu Fehlen die Erscheinung für X in bezug auf Α unerklärlich machen. Die Antwort auf die Frage dürfte sich so ausdrücken lassen, daß eine solche Implikation zwischen den sonstigen bekannten Eigenschaften der Erscheinung und Α sich logisch auf andere Satzinhalte gründet als solche, die von der in Frage stehenden Erscheinung handeln. Ist die betreffende Implikation nur faktisch wahr und nicht logisch notwendig, so dürfte die ganze frühere Erfahrung von X in bezug auf alle X bekannten Erscheinungen die Grundlage für X ' Kenntnis einer solchen nur faktischen Implikation zwischen Eigenschaften bilden"0. Ist die Implikation logisch notwendig, so ist sie gar nicht auf singulare Satzinhalte gegründet, somit auch nicht auf solche, die von der unerklärlichen Erscheinung handeln. Die Analyse des Begriffs 'unerklärlich' hat Umstände aufgezeigt, die auch für die anderen hier erörterten Bestimmungselemente gelten. Hier

Eine nur faktische Implikation zwischen Eigenschaften liegt dann und nur dann vor, wenn eine universale Implikation zwischen den entsprechenden Aussagefunktionen besteht und diese universale Implikation nur extensional und faktisch, d.h. nicht logisch notwendig ist. V g l . oben S. 121, Definition D 3, mit Eliminierung der logischen Notwendigkeit. Eine extensionale, nur faktische, Implikation zwischen Sätzen [Satzinhalten) ist eine Implikation, die keine L-Implikation ist. V g l . Carnap, Meaning and necessity, 12, Definition 2-g.a und c.; von Wright, A treatise on induction and probability, 39, 43 f.

3"

werden wir nur noch die Bestimmung 'unbegreiflich' kommentieren. Angeführte Beispiele aus dem Material bestätigen die Annahme, daß 'unbegreiflich' von 'unerklärlich' logisch impliziert wird und deshalb überall da zutrifft, wo die Bestimmung 'unerklärlich' zutrifft. Aber 'unbegreiflich' dürfte auch von einer anderen, mit 'unerklärlich' zwar eng zusammenhängenden Bestimmung, nämlich von 'unklassifizierbar' logisch impliziert sein". Die Bestimmung 'unklassifizierbar' trifft wenigstens in den beiden folgenden Fällen zu: i. Die unklassifizierbare Erscheinung hat eine Konjunktion von Eigenschaften, deren Zutreffen in der Wirklichkeit oder gar kausale Möglichkeit der Beobachter noch niemals fauch nicht durch Berichte) erfahren hat, oder 2. Die unklassifizierbare Erscheinung hat eine 'einfache' Eigenschaft, die für den Beobachter bisher völlig unbekannt ist. Diese beiden Fälle schließen einander gar nicht aus - umgekehrt impliziert der zweite Fall den ersten Fall, aber der erste Fall impliziert nicht generell den zweiten. In bezug auf den ersten Fall muß übrigens bemerkt werden, daß zu Eigenschaften hier auch Negationen von Eigenschaften gerechnet werden. Die Negation einer Eigenschaft trifft dann und nur dann auf eine Erscheinung zu, wenn die negierte Eigenschaft nicht auf diese Erscheinung zutrifft. Die gegenseitige Rückführbarkeit der beiden Begriffe 'Konjunktion' und 'Implikation' aufeinander [allerdings unter Hinzunahme des Negationsbegriffs]62 hat zur Folge, daß jede unklassifizierbare Erscheinung eo ipso auch in irgendeiner Hinsicht unerklärlich ist. Die Bestimmung 'unklassifizierbar' impliziert also logisch 'unerklärlich' (in irgendeiner Beziehung]. Die näheren Zusammenhänge können hier nur angedeutet werden, und zwar die folgenden: Eine unklassifizierbare Erscheinung mit einer dem Beobachter X bisher völlig unbekannten 'einfachen' Eigenschaft ist unerklärlich für X in bezug auf diese bisher unbekannte Eigenschaft (Fall 2 oben), denn wenn X diese Eigenschaft überhaupt nicht vorher kennt, kann er auch keine Implikation zwischen dieser Eigenschaft und anderen Eigenschaften kennen. Wenn eine Erscheinung wiederum unklassifizierbar " Die Bestimmung 'unklassifizierbar' scheint bei der Behandlung der Wunderfrage in der erwähnten Arbeit von Bejerholm & Hornig das Hauptgewicht zu erhalten. Siehe z.B. Bejerholm & Hornig, a.a.O., 1 1 7 : „Das Wunder ist kein Ereignis, von dem man eine solche Erkenntnis besitzt, daß man auf Grund derselben das fragliche Ereignis klassifizieren könnte. Vielmehr ist das Wunder ein Ereignis, von dem man keine solche Erkenntnis hat. Das Wunder ist kein Ereignis besonderer Art, sondern ein Ereignis, von dem man nicht weiß, welcher Art es ist." Vgl. oben Anm. 53. Über das Verhältnis zwischen Klassifikation und Sprache, vgl. a.a.O., 1 1 9 f f . 62 Über das Verhältnis zwischen Konjunktion und Implikation, siehe Carnap, Symbolische Logik, 3 1 , Lehrsatz L 8-6.h ( 1 } und ( 2 ] ; 32, Lehrsatz L 8-6.q [5]. Über das Verhältnis zwischen universalen Implikationen und Konjunktionen im Operanden eines Operators, siehe a.a.O., 62, Lehrsatz L is-2.a. ( 5 ) - ( 8 ) .

312

ist auf Grund einer dem Beobachter bisher unbekannten Konjunktion von Eigenschaften (Fall χ oben), so ist die Erscheinung auch unerklärlich für den Beobachter in bezug auf mindestens ein Teilglied [oder Teilkonjunktion) der betreffenden Konjunktion, wobei dem Beobachter keine Implikation zwischen diesem Teilglied (oder Teilkonjunktion) und irgendeinem der übrigen Glieder der Konjunktion bekannt ist. Im entgegengesetzten Falle könnte die betreffende Konjunktion nämlich nicht dem Beobachter wenigstens als kausale Möglichkeit" bisher völlig unbekannt sein. Nun dürfte aber eine unklassifizierbare Erscheinung nicht nur dadurch aufhören, für einen Beobachter unklassifizierbar zu sein, daß dieselbe Art von Erscheinung sich mehrmals in der Erfahrung des Beobachters wiederholt. Die beiden Fälle ( i und 2) oben sind deshalb wohl hinreichend, aber nicht notwendig für den Begriff 'unklassifizierbar'. Für diesen Begriff dürfte es deshalb hinreichend sein, wenn der unklassifizierbare Gegenstand in einer der eben angegebenen Hinsichten unerklärlich ist. 'Unklassifizierbar' scheint also nur eine Gruppe gewöhnlicher Spezies von 'unerklärlich' zu bilden, die durch Spezifizierung der mit diesem Begriff unzertrennlich verbundenen Variablen gebildet werden. Mit diesen Kommentaren schließen wir die Analyse der hier erörterten Bestimmungselemente als Bestimmungen von individuellen Bestimmungsgegenständen ab. Die logische Struktur ist einfacher, wenn Sachverhalte als Bestimmungsgegenstände dieser Bestimmungselemente gewählt werden. Außer individuellen Erscheinungen wie z.B. in Raum und Zeit begrenzten einzelnen Ereignissen lassen sich nämlich auch Sachverhalte als Bestimmungsgegenstände der Bestimmungselemente denken, die hier behandelt werden. Hierbei handelt es sich um singuläre Sachverhalte, die darin bestehen, daß eine individuelle Erscheinung gewisse Bestimmungen, Eigenschaften (einschließlich Relationen) hat. Es gibt bestimmte logische Äquivalenzen zwischen der Anwendung dieser Bestimmungselemente auf diese beiden verschiedenen Kategorien von Gegenständen: Ein Sachverhalt P, der darin besteht, daß die Erscheinung xi die Eigenschaft Α hat, ist dem Beobachter X unerklärlich, wenn und nur wenn xi für X in bezug auf Α tinerklärlich ist. Analoge logische Äquivalenzen wie die, welche für die Bestimmung 63 Die kausale Möglichkeit ist eine stärkere Möglichkeit als die bloß logische Möglichkeit С Widerspruchsfreiheit). Die erstere impliziert die letztere, aber nicht umgekehrt. Kausale Möglichkeit enthält außer logischer Möglichkeit auch logische Vereinbarkeit mit den Kausalgesetzen. Über logische Möglichkeit und logische Modalitäten überhaupt, siehe oben S. 121, Anm. 5. Über Kausalgesetze siehe Pap, Analytische Erkenntnistheorie, 128 f. Hier ist nur der Begriff 'Kausalgesetz' im weiteren Sinne relevant, im Unterschied von 'statistischem Gesetz'.

З1З

'unerklärlich' gilt, gelten auch für die anderen hier aktuellen Bestimmungselemente. In diesen Äquivalenzen wird derselbe Zeitpunkt in beiden Gliedern vorausgesetzt. Analog hierzu können dem Beobachter bekannte oder unbekannte Implikationen zwischen den verschiedenen Eigenschaften einer Erscheinung logisch zurückgeführt werden auf dem Beobachter bekannte oder unbekannte Implikationen zwischen Sachverhalten und Satzinhalten. Ferner können dem Beobachter bekannte oder unbekannte Eigenschaften einer Erscheinung logisch zurückgeführt werden auf dem Beobachter bekannte oder unbekannte Sachverhalte. Unter Beachtung dieser Äquivalenzen können die hier behandelten Bestimmungselemente bei ihrer Anwendung auf Sachverhalte ähnlich analysiert werden wie dieselben Bestimmungselemente bei ihrer Anwendung auf individuelle Erscheinungen. Die Betrachtung der Beschaffenheit des Beobachters wird sich hier ganz natürlich auf den Inhalt des Begriffs 'Wissensstatus' konzentrieren". Im Material begegnen uns andeutungsweise Bezeichnungen des Wissensstatus des Beobachters durch Wendungen wie „Mitteln der Erkenntnis", „positive Erfahrung des erkennenden Subjekts", „Inbegriff unserer Erfahrung" und „subjektive Erfahrungsinhalt des menschlichen Individuums" sowie „Kenntnisse der Naturgesetze". Worin besteht der Wissensstatus eines Beobachters? Die Antwort dürfte sein, daß er aus einer Sammlung kognitiver Dispositionen des Beobachters besteht. Eine kognitive Disposition dürfte aus einer Disposition dazu bestehen, einen gewissen Satzinhalt unter Fürwahrhalten für das Bewußtsein aktuell zu haben, und zwar nach Einwirkung gewisser Stimuli. Man muß vom Fürwahrhalten auch als von einer Disposition sprechen, denn eine Person hält einen Satzinhalt für wahr auch in den Augenblicken, in denen dieser Satzinhalt für ihr Bewußtsein nicht aktuell ist. Ebenso ist der Wissensstatus einer Person nicht abhängig davon, was dem Bewußtsein der Person gerade im Augenblick aktuell ist, sondern schließt auch solche Wissensinhalte ein, welche der Person im Augenblick nicht bewußt sind. Die andeutenden Bezeichnungen im Material, die Singularform haben, „Erfahrung" und „Erfahrungsinhalt", lassen sich als kollektive Bezeichnungen für eine Sammlung von Dispositionen bei einer Person deuten. Es handelt sich hier entweder um sämtliche Dispositionen kognitiver Art des Beobachters oder aber um eine partielle Sammlung kognitiver Dispositionen. Im Zusammenhang mit Wundererlebnissen waren dagegen nur gewisse einzelne Dispositionen [nicht nur kognitiver, sondern auch emotio-

64

Vgl. den Begriff des „Referenzrahmens" bei Bejerholm & Hornig, a.a.O., n 8 , Anm. i .

З14

neller Art) aktuell. Der totale Wissensstatus einer Person sollte in Konsequenz zu dem oben Gesagten aus allen kognitiven Dispositionen der Person bestehen. Man könnte möglicherweise die Einschränkung anfügen, daß es sich um wahre Satzinhalte als Objekte der kognitiven Dispositionen handeln soll, die einen Wissensstatus bilden. Besser dürfte allerdings in diesem Fall die Einschränkung sein, daß es sich um Satzinhalte handeln soll, für welche die in Frage stehende Person Gründe hat, die gewisse logische Qualifikationen [gern induktiver Art) erfüllen'5. Hierbei sollten auch logische Relationen (häufig induktiver Art) zwischen denjenigen Satzinhalten, die die Grundlage oder die Gründe bilden, und denen, die begründet werden, Satzinhalte darstellen, die der betreffenden Person bekannt sind. Wir können also von der Totalität der wohlbegründeten kognitiven Dispositionen einer Person als ihren totalen Wissensstatus bildend sprechen. In all den Fällen, in denen die voraufgehende Analyse sämtliche dem Beobachter bekannten, d.h. fürwahrgehaltenen und wohlbegründeten Satzinhalte und sämtliche dem Beobachter bekannten Sachverhalte aktualisiert, dürfte der totale Wissensstatus des Beobachters in die Relation zu einem Wunder im hier aktuellen Sinne involviert sein. Ein Spezialfall liegt uns vor, wenn ein Wunder von einem Theologen als etwas 'Unerwartetes' bezeichnet wird". Eine unerwartete Erscheinung ist völlig imbekannt sowohl in bezug auf ihre Existenz als damit auch in bezug auf alle ihre Eigenschaften, bevor die Erscheinung vorliegt (eingetroffen ist). Danach ist sie dem Beobachter ihrer Existenz nach bekannt und damit zumindest in bezug auf einige von ihren Eigenschaften. Sie ist dann vielleicht immer noch dem Beobachter unerklärlich, in gewissen anderen Fällen vielleicht auch nicht. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit wiederum dem kognitiven Zustand des Beobachters während der Zeit zu, bevor die ihm unerwartete Erscheinung vorliegt (eingetroffen ist), so ist zu beachten, daß die Voraussagen und Erwartungen des Beobachters in bezug auf die Zukunft zu seinen kognitiven Dispositionen gehören oder Aktualisierungen kognitiver Dispositionen von ihm bilden. Da derartige Voraussagen und Erwartungen mehr oder weniger logisch (einschließlich induktiv) wohlbegründet sein können, zuweilen unbegründet, müssen hier auch solche kognitiven Dispositionen relevant sein können, " Bei dem oben in Anm. 64 erörterten Begriff „Referenzrahmen" scheint keine solche Einschränkung vorzuliegen. Induktive logische Beziehungen liegen in der nur extensionalen, universalen oder materialen Implikation vor sowohl wie in der statistischen Implikation; siehe oben S. 310, Anm. 57. Dazu gehört auch die Bewährung, die eine Umkehrung der L-Implikation impliziert. Darüber, vgl. Pap, a.a.O., 85 ff., 158, 164. Über das Induktionsproblem und induktive logische Beziehungen im allgemeinen, siehe Pap, a.a.O., 87, 92 f f . (Kap. III С ] . " Wendland, Wunder, Naturgesetz und Wunderberichte, 410. Vgl. Der glaube im Christentum, 5. Siehe oben S. 299.

Wunder-

З15

die nicht in einem Wissensstatus enthalten sein können gemäß dem Sinn, den dieser Terminus oben erhielt. Der Erwartungsrahmen eines Beobachters ist ein Kollektiv kognitiver Dispositionen, das auch unbegründete kognitive Dispositionen enthalten kann. Der Erwartungsrahmen des Beobachters besteht hingegen niemals aus der Totalität seiner kognitiven Dispositionen, sondern nur aus denen, deren intentionaler Inhalt auf die Zukunft Bezug nimmt. Die obige Analyse hier erörterter Bestimmungselemente hat diesen einen schwachen Inhalt in der Beziehung verliehen, daß keine Rücksicht auf Autoritätsglauben, auf Wissen durch Autorität, auf die Zeitgenossen und auf die Gruppenzugehörigkeit des Beobachters genommen wurde. Es kann mit gutem Grund betont werden, daß die Intentionen des theologischen Materials einen stärkeren Inhalt dieser Bestimmungselemente erstreben, der auch Autorität und Gruppenzugehörigkeit berücksichtigt. D a ß ein Sachverhalt für X in diesem stärkeren Sinn unerklärlich ist, würde bedeuten, daß er einmal in dem schwächeren, oben analysierten Sinne unerklärlich ist, aber zum anderen auch, daß X nicht glaubt, daß sich in der Gruppe seiner Zeitgenossen jemand findet, der den in Frage stehenden Sachverhalt erklären kann, d.h. daß X glaubt, der Sachverhalt sei unerklärlich [im schwächeren Sinn) auch für alle anderen gleichzeitigen Beobachter seiner Gruppe. Analog verhält es sich mit den anderen hier aktuellen Bestimmungselementen, möglicherweise mit Ausnahme der Bestimmung unerwartet'. Zur Analyse des stärkeren Sinnes derselben müßte man auch solche kognitiven Dispositionen von X berücksichtigen, die sich auf Autorität gründen. In den oben im vorigen Abschnitt zitierten Materialbeispielen, die einen Beleg für solche Bestimmungselemente in Wunderbegriffen bildeten, die die Relation des einzelnen Wunders zu dem Wissensstatus des Beobachters bestimmen, wird nicht nur das Bewußtsein des Beobachters hinsichtlich einzelner Wunder wenigstens implizite im Konditionalis erwähnt, sondern es finden sich in diesem Material auch Beispiele dafür, daß sich der Beobachter einzelner Wunder dem Material zufolge des Wunderbegriffs bewußt sein soll. In diesem Material wird somit auch die Begriffsbildung des Beobachters in bezug auf Wunderbegriffe oder Bestimmungselemente in Wunderbegriffen erörtert, nicht nur sein Wissensstatus in seiner Relation zu einzelnen Wundern" 7 . Eine Voraussetzung dafür, daß der Beobachter sich solcher Wunderbegriffe bewußt ist, die die Relation des Wunders zu seinem Wissensstatus bestimmen, ist, daß sich der Beobachter zumindest implizite seines eigenen Wissensstatus und dessen Grenzen bewußt ist, so daß eine logische Explikation gewisser intentionaler Inhalte im Bewußtsein des Beobachters den Begriff 'Wissensstatus' enthielte. " Vgl. oben S. 288 f f .

316

Beispiele in dem bereits angeführten Material dafür, daß der Beobachter einzelner Wunder sich angeblich eines Wunderbegriffs bewußt ist, liegen uns vor, wenn Mandel von der „Ausbildung" des Wunderbegriffs „in der primitiven Menschheit" spricht88. Eine Kombination zwischen dem eigenen Anwendungskriterium eines Verfassers, das sich auf seine eigene Begriffsbestimmung des Wunderbegriffs gründet, und der impliziten Behauptung des Verfassers in bezug auf Wunderbegriffe und deren Anwendungskriterien bei Beobachtern von Wundern liegt in der folgenden Äußerung vor, daß . . . die Entscheidung darüber, ob ein Naturereignis als ein Wunder anzusprechen ist oder nicht, ihren Ausgangspunkt vom wissenschaftlichen Bewußtsein zu nehmen hat 6 '.

Soweit der eigene Wunderbegriff des Verfassers mit seinen Anwendungskriterien. Aber der Verfasser geht im weiteren dazu über, auch von Wunderbegriffen des Beobachters des Wunders zu sprechen, wenn er schreibt, daß ein späteres wissenschaftliches Bewußtsein gewisse Erscheinungen nicht mehr als Wunder ansehen könnte, die früheren Zeiten als Wunder galten und gelten konnten" 9 .

Auf Beobachter einzelner Wunder beziehen sich hier implizite die Termini „späteres wissenschaftliches Bewußtsein" und „früheren Zeiten". Auf die Ausdrucksweise des Beobachters in bezug auf Wunder und die Anwendung einer synonymen Entsprechung zu dem Worte „Wunder" bezieht sich Thielicke, wenn er schreibt: W i e kommt dieser primitive Negerstamm dazu, in solchen Fällen von einem „Wunder" zu sprechen? . . . weil er sich folgendes sagt: Diese Erscheinung des Koffergrammophons hat keine erkennbaren natürlichen Ursachen 70 .

Hier wird gesagt, daß den Beobachtern die Relation des beobachteten Gegenstandes und Ereignisses zu ihrem eigenen Wissensstatus bewußt war, und das wird als Voraussetzung für den eigenen Sprachgebrauch der Beobachter in bezug auf eine Entsprechung des Wortes „Wunder" angesehen71. Außerdem ist indessen hier, genau wie in den anderen BeispieMandel, 6. Vgl. oben S. 300. " Jelke, Die Wunder Jesu, 107. Vgl. oben S. 302 f. 70 Thielicke, Der Glaube der Christenheit, 340. Vgl. oben S. 292, PMS 3. Auch hier scheint ein PMS vorzuliegen. 71 Vgl. Bejerholm & Hornig, a.a.O., 121: „Es scheint typisch . . . daß oftmals gerade in den Situationen vom Wunder gesprochen wird, in denen angesichts eines bisher unbekannten Phänomens die sprachliche Bereitschaft zusammenbricht . . . Möglicherweise gibt es auch Referenzsysteme, die so gestaltet sind, daß von einem Wunder erst gesprochen wird, wenn keine befriedigende Antwort auf Fragen gegeben werden kann, die sich innerhalb des Systems stellen lassen. Wird unter diesen Umständen ein Ereignis als Wunder bezeichnet, so bedeutet dies . . . , daß man sich außerstande 68

З17

len oben, die Relation des Wunders zum Wissensstatus des Beobachters auch von dem betreffenden Wunderbegriff konnotiert73. Die Analysen vermochten hier nur Einfallswinkel anzugeben. Die Komplexität der hier erörterten Bestimmungen und der Schwierigkeitsgrad der Probleme bringen es mit sich, daß eine vollständigere Analyse die Proportionen der vorliegenden Abhandlung mit ihrem weiten inhaltlichen Rahmen verrücken würde, was die Vielfalt der Bestimmungselemente betrifft, die das Material der Analyse bietet. sieht, das betreffende Geschehen in den vorhandenen Referenzrahmen einzufügen." Vgl. a.a.O., 119. Vgl. ferner a.a.O., 117: „Es scheint typisch, daß der Wunderbegriff in der Alltagssprache für Ereignisse und Geschehnisse angewandt wird, angesichts derer man die Frage stellen kann: „Was ist dies für ein Ereignis oder Geschehen?", ohne diese Frage beantworten zu können." Auch in diesen zitierten Sätzen handelt es sich anscheinend um PMS. Die Sätze sprechen von Voraussetzungen für den Sprachgebrauch des Beobachters des Wunders in bezug auf das Wort „Wunder". Der Beobachter des Wunders dient zugleich als Anwender des Wortes „Wunder". An einer Stelle (a.a.O., 1 2 1 ) wird auch angedeutet, daß dem Beobachter die Relation des Wunders zu dem eigenen Wissensstatus bewußt ist. 72 Siehe Thielicke, a.a.O., 341: „Das Wunder besteht hier nur in einer bestimmten Unaufgeklärtheit . . . Oder noch anders: Das Wunder ist nicht im Gegenstand begründet, sondern in unserer unaufgeklärten Subjektivität." Dieser Wunderbegriff bezieht sich übrigens auf die 'primitiven Menschen' und steht deshalb dem 'Wunderbegriff der primitiven Menschen' bei Mandel am nächsten. Siehe oben S. 300 f . Hinsichtlich dieses Wunderbegriffs ist zu bemerken, daß er bei Thielicke nur einen von drei verschiedenen Wunderbegriffen bildet, mit welchen er rechnet, und zudem denjenigen, welchem nach Thielicke das geringste religiöse und theologische Interesse zukommt.

З18

K A P I T E L 12

Das Nicht-Objektivierbare

A. Das Wunder als etwas Nicht-Objektivierbares in der Darstellung Bultmanns Ein Wunderbegriff, der sich vor allem bei Bultmann belegen läßt, enthält als Bestimmungselement den Begriff des Nicht-Objektivierbaren. Dieser Begriff 'nicht-objektivierbar' bedeutet soviel wie nicht möglicher Gegenstand der Erkenntnis, des Denkens oder des Bevmßtseins zu sein, unter der Voraussetzung, daß ein solcher Gegenstand etwas von diesem Bewußtsein oder Denken Getrenntes und Verschiedenes wäre. Ein Wunder nach diesem Wunderbegriff kann also nicht ein von dem Denken oder Bewußtsein getrennter Gegenstand desselben Denkens oder desselben Bewußtseins sein. Bultmann schreibt, daß „Wunder in keinem Sinne ein irgendwo und irgendwie konstatierbares Ereignis in der Welt bedeutet"1. Er unterscheidet diesen Wunderbegriff auch streng von dem Begriff des Mirakels, indem er betont, „daß das Wunder, von dem der Glaube redet, in der Tat kein Mirakel ist; denn dies ist eben ein konstatierbares Ereignis"2. Der Begriff des Mirakels bei Bultmann enthält offenbar nicht den Begriff des Nicht-Objektivierbaren als ein Bestimmungselement. Das Mirakel ist, im Gegensatz zum Wunder, objektivierbar3. Bei Bultmann ist der Begriff des Nicht-Objektivierbaren in einer ganzen Familie von Begriffen als Bestimmungselement enthalten, zu denen außer dem Begriff des Wunders eine ganze Reihe von religiös wichtigen Begriffen gehören. Zwischen dem Begriff des Wunders und diesen anderen Begriffen bestehen enge logische Beziehungen, wenn der Wunderbegriff nicht sogar mit manchen von ihnen logisch äquivalent, d.h. als Begriff identisch ist*. Im letzteren Falle gebraucht Bultmann nur verschiedene Wörter für denselben Begriff. a Bultmann, G V I , 2 1 9 f . G V I , 220. Übrigens finden sich Ansätze z u diesen Gedanken Bultmanns schon bei Herrmann, w e n n er folgendes schreibt: „Auf das, was sich als Thatsache nachweisen läßt, kann jener Begriff des Wunders niemals angewendet werden, w e n n es auch noch so wunderbar aussehen sollte. D e n n indem etwas als wirklich nachgewiesen wird, wird ihm eben sein Platz innerhalb der Natur angewiesen. D i e Urheber jenes Begriffs haben dabei allerdings oft an das sinnlich faßbare Mirakel gedacht. Aber gerade auf dieses paßt jener Begriff nicht." Herrmann, Ethik, 57. 1

3

4

Vgl. oben S. 68, Anm. 29.

З19

Unter den Begriffen, die den Begriff des Nicht-objektivierbaren logisch implizieren, ist der Begriff der 'eigenen, konkreten Existenz' von grundlegender Bedeutung. Sowohl der Wunderbegriff wie der Begriff des NichtObjektivierbaren implizieren logisch immer wenigstens eine enge Beziehung zur 'eigenen Existenz'. Bultmann schreibt: V o m Wunder reden heißt, von der eigenen Existenz reden, d.h. davon, daß in meinem Leben Gott sichtbar geworden ist5.

Der Begriff der 'eigenen Existenz' impliziert logisch den der Nicht-Objektivierbarkeit: Habe ich im personalen Sein . . . mein eigentliches Sein, meine Existenz, so läßt sich also sagen, daß meine Existenz nicht objektivierbar ist6.

A n einer anderen Stelle heißt es ähnlich: Die Existenz ist ja nichts, was der Mensch hat und gelegentlich betrachten kann, sondern ist er selbst 7 .

Die 'eigene Existenz' ist also nach Bultmann nicht Gegenstand der 'Betrachtung'. Die 'eigene Existenz' wird mit dem Subjekt des Bewußtseins gleichgestellt und kann also nicht Gegenstand ihrer selbst sein, kann sich nicht selbst objektivieren. Die enge Verbindung zwischen dem Begriff der 'eigenen Existenz' und dem eines nicht-reflexiven Bewußtseins tritt auch hervor in dem Gedanken, daß das von einem Bewußtsein Objektivierte 'außerhalb' dieses Bewußtseins liegen muß. Dieses sich selbst nicht objektivierbare Bewußtsein wird mit der 'freien Tat' gleichgesetzt. Die 'freie Tat' ist identisch mit der 'eigenen Existenz': Denn die freie Tat, da sie ja der Ausdruck unserer Existenz ist, ja, da wir nur in ihr und nirgends sonst im eigentlichen Sinne existieren, da sie nichts anderes als unsere Existenz selbst ist, - sie kann nicht gewußt werden im Sinne objektiver Feststellbarkeit; sie kann nicht als Probandum unter Beweis gestellt werden. Denn damit würden wir sie objektivieren und uns außerhalb ihrer stellen8.

Als 'eigene Existenz' ist also Bultmann zufolge auch die 'freie Tat' nichtobjektivierbar9. 7 G V I , 297. Bultmann, G V I , 221. 8 G V I , 35. • G V i n , 117. • Auch hier knüpft Bultmann an einen Gedanken von Herrmann an, der vom „Wunder der sittlichen That und des persönlichen Geistes" spricht. Ethik, 58 Der Begriff des Wunders paßt nach Herrmann „genau auf die sittlich geforderte That". Ethik, 57. Das Wunder, auch das der sittlichen That, gehört der 'nicht nachweisbaren Wirklichkeit' an: „Denn der richtige Gedanke des Wunders bedeutet eben, daß wir in dem sittlichen Erlebnis durch sittliche Überzeugung zu der Vorstellung einer Wirklichkeit genöthigt werden, die jenseits des Naturerkennens liegt." Ethik, 58. So eng knüpft also Herrmann den von ihm akzeptierten Wunderbegriff an den Bereich des Sittlichen. Und der sittliche Wille ist auch nicht 'nachweisbar'. Ethik, 55. 5

320

Der Gedanke, der uns oben schon begegnete, daß das von einem Bewußtsein Objektivierte 'außerhalb' dieses Bewußtseins liegen muß, wird bei Bultmann mehrmals vorgetragen und in verschiedenen Variationen ausgedrückt. Bultmann bezeichnet die Objektivierung mit Ausdrücken wie „von außen sehen" und „danebenstehen" in einem Zusammenhang, wo er folgendes über die eigene Existenz' des Menschen schreibt: In Jesu G e d a n k e n aber ist der M e n s c h n i c h t . . . v o n außen gesehen, w o b e i er selbst als Zuschauer fungieren w ü r d e ; sondern der Zuschauerstandpunkt ist verlassen. D e r M e n s c h ist in seinem existentiellen Sein gesehen, gerade in d e m Leben, das sich durch die entscheidungsträchtigen A u g e n b l i c k e des Hier und Jetzt bewegt, das also mit einer allgemeinen Wesensbeschreibung des Menschen gar nicht e r f a ß t w e r d e n kann. Über dieses existentielle Sein des Ich v e r f ü g t der M e n s c h gar nicht in seinen G e d a n k e n , da er nicht danebensteht und es betrachten kann, sondern es ist10.

Die 'eigene Existenz' wird hier mit den Ausdrücken „existentielle Sein (des Menschen bzw. des Ich)" bezeichnet. Diese 'Existenz' kann nicht objektiviert werden, wobei Bultmann für Objektivierung verschiedene Ausdrücke verwendet: außer den schon erwähnten Ausdrücken solche wie „über etwas verfügen in den Gedanken", „betrachten" und „mit einer allgemeinen Wesensbeschreibung erfassen". Der letzte Ausdruck deckt vielleicht nur eine gewisse Art der Objektivierung, nämlich Objektivierung von einem Begriff oder von einem universalen Satzinhalt. Die Objektivierung ist ferner Ausdruck eines Standpunktes, den Bultmann „Zuschauerstandpunkt" nennt. Das „existentielle Sein" dagegen ist nicht objektivierbar, und zwar weil es Bultmann zufolge identisch mit dem Menschen als Bewußtseinssubjekt ist. Dieser letztere Gedanke tritt noch klarer hervor an einer anderen Stelle, wo Bultmann auch die Möglichkeit erwähnt, daß ein Mensch auch sich selbst in irgendeinem Sinn objektivieren kann: Beziehe ich mich - rückblickend oder vorblickend - auf mich, so habe ich mein Ich gleichsam gespalten; und das sich beziehende Ich ist mein existentielles Ich; das andere Ich, auf das ich mich beziehe, das ich als das G e g e b e n e nehme, ist ein Phantom ohne existentielle Wirklichkeit 1 1 .

Hier bezeichnen die Ausdrücke „sich auf etwas beziehen" und „etwas als das Gegebene nehmen" den A k t der Objektivierung. 'Das sich beziehende Ich' ist als das 'existentielle Ich' nicht-objektivierbar. Das, was objektiviert ist, auch das objektivierte 'Ich', ist „ohne existentielle Wirklichkeit". Der Ausdruck „existentielle Wirklichkeit" begegnet hier als ein Zeichen für einen Begriff, der die Bestimmung 'nicht-objektiviert' logisch impliziert. Ein mit diesem Ausdruck logisch äquivalenter Ausdruck bei Bult10

Bultmann, Jesus, 190.

21 - 566-3501

11

G V I , 29.

321

mann ist „existentieller Charakter", der an einer Stelle vorkommt, w o er über „unsere Erlebnisse und unser inneres Leben" schreibt, d a ß dieses 'innere Leben' „sowie wir es objektivieren, seinen existentiellen Charakter verloren hat" 1 1 . D e r Begriff 'objektiviert' impliziert also logisch den Begriff 'nicht-existentiellen Charakter (haben]', d.h. die Negation des Begriffs 'existentiellen Charakter [haben]'. D u r c h Kontraposition der Negation folgt hieraus, daß der Begriff 'existentieller Charakter' den Begriff 'nicht-objektiviert' logisch impliziert. Der Begriff 'nicht-objektiviert' aktualisiert das Problem, in welcher logischen Beziehung dieser Begriff z u dem des 'Nicht-Objektivierbaren' steht. Das Verhältnis ist genau das zwischen 'nicht-wirklich' ('nicht-wahr' = 'falsch') und 'nicht-möglich' herrschende. Das Wirkliche und W a h r e implizieren das Mögliche 12 . D u r c h Kontraposition der Negation gilt, daß das Nicht-Mögliche das Nicht-Wirkliche b z w . das Falsche impliziert. 'Nicht-objektivierbar' impliziert also 'nicht-objektiviert', aber an sich gilt die Implikation nicht notwendig in umgekehrter Richtung. Es ist jedoch die Frage, ob nicht bei Bultmann beide Begriffe als identisch gelten. Andererseits weist das letzte Zitat in eine entgegengesetzte Richtung: 'das innere Leben' kann seinen 'existentiellen Charakter' verlieren, d.h. es kann seinen nicht-objektivierten Charakter verlieren, indem w i r es objektivieren. Ist es mit dieser Behauptung logisch vereinbar, daß das 'innere Leben' dennoch auch nicht-objektivierbar ist? W i r stoßen hier auf einen wenigstens scheinbaren Widerspruch, der das Problem von der logischen Struktur des Begriffs 'nicht-objektivierbar' aufwirft, das w i r später in einem Zusammenhang für sich konzentriert wieder aufgreifen werden. D i e Analyse möge als Hintergrund genügen, u m jetzt direkt z u m W u n derbegriff Bultmanns zurückzukehren. Drei religiös zentrale Begriffe begegnen bei Bultmann als dem Wunderbegriff logisch äquivalent: die Begriffe 'Offenbarung', 'Vergebung' und 'Gottes T a t ' (bzw. 'Tun G o t t e s ' ) . Es gibt also nur ein Wunder: das der Offenbarung. Das aber bedeutet: Offenbarung der Gnade Gottes für den Gottlosen, Vergebung. Aber streng verstanden als Ereignis, nicht als eine Idee von Vergebung, ein Gedanke von der Gnade Gottes als zum Wesen Gottes gehörig, sondern als Gottes Tat". Weiterhin schreibt er, daß Vergebung ein W u n d e r ist „im Gegensatz zum Weltgeschehen"". D i e logische Äquivalenz des Wunderbegriffs mit den Begriffen der 'Vergebung' und 'Offenbarung' ist in dem Zitierten ausgesagt. Diese Be12 D a ß die Wahrheit eines Satzes die logische Möglichkeit desselben Satzes logisch impliziert, ist ein Lehrsatz der modalen Logik. Siehe z.B. Camap, Meaning and necessity, 186, Lehrsatz 41-5, b. 13 G V I , 221. " G V 1,224.

322

griffe implizieren auch den Begriff 'Gottes Tat'. Die logische Äquivalenz zwischen dem Wunderbegriff und dem Begriff 'Tun Gottes' wird mehrmals klar ausgesprochen. Es ist „das Eigentümliche des Wundergedankens dieses, daß er Gottes Tun im Unterschied von Weltgeschehen bedeutet", schreibt Bultmann15, und an einer anderen Stelle handelt es sich darum, „was Wunder bedeutet: Gottes Tun"". Eine zusammenfassende und grundlegende Bestimmung des Wunderbegriffs gibt Bultmann in folgenden Worten: Im Begriff des Wunders ist zweierlei gesagt: i. das Wunder ist ein Tun Gottes (der Gottheit, der Götter) im Unterschied von einem Geschehen, das aus natürlichen Ursachen oder menschlichem Willen und Wirken entspringt. 2. Das

Wunder ist ein wunderbares Ereignis contra naturam, wobei als Natur das in regelmäßiger Ordnung verlaufende Naturgeschehen gedacht ist . . . In der theologischen Diskussion ist oft der eine Wunderbegriff gegen den anderen ausgespielt worden, während sie faktisch nur in strenger Beziehung aufeinander den Gedanken des Wunders konstituieren17.

In dieser „strengen Beziehung aufeinander" verschieben sich diese Komponenten in der Gedankenentwicklung Bultmanns zu einem von ihm selbst akzeptierten und nicht nur referierten oder erörterten Wunderbegriff, der den Begriff 'nicht-objektivierbar' enthält. Es muß aber hier sehr deutlich betont werden, daß die zuletzt oben angeführte grundlegende Bestimmung des Wunderbegriffs bei Bultmann in gar keiner Weise den Begriff nicht-objektivierbar' logisch impliziert. Auch der Ausdruck „Tun Gottes" hat in dieser grundlegenden Bestimmung nicht den Sinn einer Nicht-Objektivierbarkeit, den er sonst in Bultmanns Darstellung bekommt. Der Wunderbegriff in dem zuletzt angeführten Zitat und der von Bultmann sonst akzeptierte und verwendete Wunderbegriff, der den Begriff 'nicht-objektivierbar' impliziert, sind zwei verschiedene Begriffe. Der erstere Wunderbegriff erhält in dem Aufsatz einfach durch den zweiten eine Umdeutung, wobei der zweite Begriff nicht logisch aus dem ersten folgt18. Der von Bultmann akzeptierte Wunderbegriff tritt bei ihm in Gegensatz zu dem Begriff, den er „Mirakel" nennt und den er als eine 'einseitige Entwicklung' des von ihm in dem oben Zitierten beschriebenen Wunderbegriffs charakterisiert". Sein Begriff des Mirakels ist bei ihm ein referierter, erörterter, aber nicht ein von ihm akzeptierter Wunderbegriff, 17

"

G V I , 2 1 7 . Vgl. 2 1 9 .

18

G V I , 220.

GVI,

214.

18

Man könnte vermuten, daß Bultmann mit der grundlegenden Bestimmung des erste-

ren Begriffs den gewöhnlichen religiösen und traditionellen Wunderbegriff beschreiben will, der eigentlich nach seiner übrigen Auffassung als 'mythisch' anzusehen wäre, und daß der zweite Wunderbegriff, der die Nicht-Objektivierbarkeit enthält, eine A r t von 'Entmythologisierung' des ersteren Wunderbegriffs sei. "

GVI,

214.

323

und er enthält nicht den Begriff 'nicht-objektivierbar' als Bestimmungselement. Der Mirakelbegriff steht aber in näherer logischer Übereinstimmung mit der oben angeführten einleitenden Bestimmung des Wunderbegriffs als der von Bultmann tatsächlich akzeptierte Wunderbegriff. Der Begriff des Nicht-Objektivierbaren tritt klar hervor als Bestimmungselement in dem eigenen Wunderbegriff Bultmanns, in dem, was er jeweils über 'Vergebung', über 'Offenbarung' und über 'Tat Gottes' schreibt, das letzte in Zusammenhang mit Erörterungen über seinen Gottesbegriff. Über 'Vergebung' schreibt Bultmann: Wiederum kann dies dem Menschen begegnende Ereignis auch nicht ein objektiv zu beobachtender Vorgang in der Welt der . . . umgebenden Objekte sein, das zunächst betrachtet und beurteilt werden könnte, von dem dann konstatiert würde, es sei das Ereignis der V e r g e b u n g . . . Denn das Ereignis der Vergebung entzieht sich, wie zwischen Mensch und Mensch so auch zwischen Mensch und Gott, der Beobachtung110.

Der Begriff der Objektivierung wird hier durch die Wörter „beobachten" bzw. „Beobachtung" bezeichnet. Darin kommt der Begriff des Nicht-Objektivierbaren als Charakteristikum der "Vergebung' zum Ausdruck. Im folgenden wechselt Bultmann jedoch von diesem stärkeren Begriff zu dem schwächeren des Nicht-Objektivierten über, das nach ihm einem Ereignis unter einem bestimmten Aspekt des Bewußtseinssubjekts zukommt. Der Aspekt gegenüber einem solchen Ereignis kann aber gewechselt werden, so daß das Ereignis zu einem anderen Zeitpunkt objektiviert ist durch den 'Zuschauerstandpunkt' des Bewußtseinssubjekts: Denn sobald dem Ereignis gegenüber der Zuschauerstandpunkt eingenommen wird, ist es nicht mehr das Ereignis der Vergebung, die man eben nicht als Zuschauer konstatieren kann 21 .

Bultmann spricht hier von einem objektivierten Ereignis als „nicht mehr das Ereignis der Vergebung". Wie ist das zu verstehen? Kann es bedeuten, daß das betreffende Ereignis zu einem anderen Zeitpunkt eine Vergebung' ist? Dann ist es aber nur zu diesem anderen Zeitpunkt nicht-objektiviert. Ist es aber dann nicht unmöglich zu sagen, daß es auch nichtobjektivierbar wäre? Hier scheint wieder der oben schon angetroffene Widerspruch zu klaffen. Ohne der späteren Analyse vorzugreifen, können wir schon jetzt die folgende Alternative aufstellen: Ein nicht-objektivierbares Ereignis ist entweder nur zu einem gewissen Zeitpunkt oder zu gewissen bestimmten Zeitpunkten nicht-objektivierbar, oder es ist als 'absolut' nicht-objektivierbar zu allen Zeitpunkten unmöglich zu objektivieren. Wir wenden uns hier nur dem ersteren Falle zu: in diesem ersteren Falle kann ein Eri0

Jesus, 194.

З24

21

Jesus, 195.

eignis, das zu der Zeit t i unter dem 'Zuschauerstandpunkt' objektiviert wird, sehr wohl zu einer anderen Zeit t2 sowohl nicht-objektiviert wie nicht-objektivierbar sein, wenn man nämlich den letzteren Begriff auch als relativ zur Zeit auffaßt. Dann kann ein Ereignis eine 'Vergebung' sein bzw. einen 'existentiellen Charakter' haben zu einer Zeit t2, während es z u einer anderen Zeit t i nicht eine 'Vergebung' ist und diesen 'existentiellen Charakter' nicht hat, z.B. weil es seinen „existentiellen Charakter verloren hat". W i r werden später auf diese Relativität zur Zeit zurückkommen. A u c h der Begriff 'Offenbarung' wird bei Bultmann als äquivalent zum Wunderbegriff aufgefaßt. Bultmann deutet wenigstens an, daß auch der Offenbarungsbegriff Nicht-Objektivierbarkeit impliziert. Bultmann schreibt über Gottes „Enthobensein aus dem Bereich des objektivierenden Wahrnehmens" und fährt unmittelbar fort: „Seine Offenbarung ist Offenbarung nur in actu und wird nie zur Offenbartheit" 22 . Gottes „Enthobensein aus dem Bereich des objektivierenden Wahrnehmens" wird bei Bultmann ausführlich expliziert und beleuchtet und hat natürlich auch als eine Konsequenz die Nicht-Objektivierbarkeit von 'Gottes Tat' und von 'Gottes Tun'. W i r haben oben gesehen, wie der Begriff 'Gottes Tat bzw. Tun' von Bultmann in seiner Bestimmung des Wunderbegriffs als mit diesem Begriff äquivalent aufgenommen wird. W e n n also jener Begriff 'Gottes T a t bzw. Tun' Nicht-Objektivierbarkeit impliziert, so gilt dasselbe natürlich vom Wunderbegriff. Und beides scheint aus der Nicht-Objektivierbarkeit Gottes zu folgen, über die Bultmann uns sehr ausführlich aufklärt. Bultmann schreibt: „Gott hält nicht still und läßt sich nicht zum O b jekt der Beobachtung herab" 23 . A n einer anderen Stelle heißt es ausführlicher: Es geht also offenbar auch nicht, Gott als Prinzip der W e l t zu denken, von dem aus die W e l t und damit auch unsere Existenz verständlich werde. Denn da würde G o t t eben von außen angesehen werden, und der Satz von seiner Existenz wäre eine allgemeine Wahrheit, die etwa in einem System von Erkenntnissen (allgemeinen Wahrheiten) ihren Platz hätte . . . D a wäre Gott eine Gegebenheit, z u der eine Erkenntnisrelation möglich ist, die nach Belieben vollzogen werden kann. Gott, b z w . seine Existenz wäre ein Etwas, woraufhin uns ein Verhalten . . . möglich wäre. Und eben dies ist wieder das proton pseudos 24 .

Gott z u objektivieren ist also nach Bultmann unmöglich. Objektivierung wird in dem angeführten Zitat von den Ausdrücken „von außen ansehen", „eine Erkenntnisrelation" und „ein Verhalten woraufhin" andeutungsweise bezeichnet, und ein objektivierter Sachverhalt wird „eine allge" GVin, iaof. aa GV III, 120.

M

GV l, 32 f.

З25

meine Wahrheit" genannt. In bezug auf Gott sind alle diese Bestimmungen nach Bultmann unmöglich. Die Nicht-Objektivierbarkeit Gottes hängt Bultmann zufolge davon ab, daß 'Gott' in einer sehr engen Beziehung zu unserer 'eigenen Existenz', zu unserem 'existentiellen Ich' steht. Diese sind ja nicht-objektivierbar, welche Behauptung oben schon erwähnt und bei Bultmann belegt worden ist. Diese 'eigene Existenz' wird von ihm auch durch den Ausdruck „existentielle Situation des Glaubenden" angedeutet. So heißt es z.B. in seinem Jesusbuch: Weil für Jesus Gott nicht ein Objekt des Denkens ist, haben auch die Aussagen des Glaubens über Gott nicht den Charakter allgemeiner Wahrheiten, die für das Denken gültig sind, ohne in der existentiellen Situation des Glaubenden begründet zu sein25.

Die Nicht-Objektivierbarkeit Gottes, die Tatsache nämlich, daß er nicht „Objekt des Denkens ist", hat zur Folge, daß alles, was über ihn ausgesagt werden kann, in der „existentiellen Situation" des Aussagesubjekts „begründet" werden muß. Wie eine solche „Begründung" aussehen kann, deutet Bultmann nur an, z.B. wenn er in derselben Arbeit folgendes schreibt: Aber der Mensch kann sich in diesem seinem eigentlichen Sein getroffen, beansprucht wissen von einem D u . . . Und daß er, zum Ich erwachend, sich durch ein unausweichliches Du beansprucht weiß, das bedeutet es, daß er von Gott redet, und zwar von Gott als Person, die als Du zum Ich redet. Er kann dann dieses Du sowenig wie sein Ich als Zuschauer von außen betrachten1".

Die 'eigene Existenz' des Menschen, die in dem oben Zitierten durch den Ausdruck „existentielle Situation" bezeichnet ist, wird hier durch die Ausdrücke „seinem eigentlichen Sein" und „Ich" angedeutet. Diese 'eigene Existenz' kann weder Gott noch sich selbst „als Zuschauer von außen betrachten", d.h. objektivieren. Die Beziehung ist vielmehr ein sich selbst 'getroffen, beansprucht wissen' von 'Gott'. Allgemeiner und weniger spezifiziert sagt er in einer anderen Arbeit, daß „Gott die unsere Existenz bestimmende Wirklichkeit ist"". Die Art dieser „Bestimmung" ist aber nach Bultmann noch viel enger als nur diejenige, daß die 'eigene Existenz', das 'existentielle Ich' von Gott 'getroffen und beansprucht' ist. Diese engere Art ist schon oben dadurch angedeutet worden, daß bei Bultmann die These belegt wurde, daß 'Gott' nicht „von außen" betrachtet werden kann28, welche Behauptung ja auch einen Aspekt seiner Nicht-Objektivierbarkeit darstellt. Hier haben wir einen entscheidenden Punkt gefunden, was die logische 25 2e

Jesus, 162. Jesus, 190.

326

27 28

G V I , 29, Vgl. 32. Siehe oben S. 325.

Abhängigkeit der Nicht-Objektivierbarkeit Gottes von seiner engen Beziehung zur 'eigenen Existenz' des einzelnen Menschen betrifft. Noch klarer tritt sowohl diese logische Abhängigkeit wie die Art der Beziehung zwischen 'Gott' und der 'eigenen Existenz' in den folgenden Worten Bultmanns zutage: jedes „Reden über" setzt einen Standpunkt außerhalb dessen, worüber geredet wird, voraus. Einen Standpunkt außerhalb Gottes aber kann es nicht geben, und von Gott läßt sich deshalb auch nicht in allgemeinen Sätzen, allgemeinen Wahrheiten reden, die wahr sind ohne Beziehung auf die konkrete existentielle Situation des Redenden".

Das „Reden über" wird hier als ein Ausdruck der Objektivierung aufgefaßt, welche gegenüber Gott deshalb unmöglich ist, weil es keinen „Standpunkt außerhalb Gottes" geben kann. Damit ist ausgesagt, daß die 'eigene Existenz' irgendwie in 'Gott eingeschlossen' istao. In einer Aussage von Gott ist deshalb immer eine Beziehung zur 'eigenen Existenz' mitimpliziert, zur „konkreten existentiellen Situation des Redenden". Die Nicht-Objektivierbarkeit dieser 'eigenen Existenz' impliziert die NichtObjektivierbarkeit Gottes, d.h. wenn die 'eigene Existenz' nicht-objektivierbar ist, so gilt dasselbe von Gott". Die Unmöglichkeit eines 'objektivierenden Redens über Gott' wird ausführlicher an einer anderen Stelle dargestellt: Versteht man unter „von Gott" reden „über Gott" reden, so hat solches Reden überhaupt keinen Sinn; denn in dem Moment, wo es geschieht, hat es seinen Gegenstand, Gott, verloren. Denn wo überhaupt der Gedanke „Gott" gedacht ist, besagt er, daß Gott der Allmächtige, d.h. die Alles bestimmende Wirklichkeit sei. Dieser Gedanke ist aber überhaupt nicht gedacht, wenn ich über Gott rede, d.h. wenn ich Gott als ein Objekt des Denkens ansehe, über das ich mich orientieren kann, wenn ich einen Standpunkt einnehme, von dem aus i c h . . . über Gottes Wirklichkeit und sein Wesen Erwägungen anstelle, die ich ablehnen oder, wenn sie einleuchtend sind, akzeptieren kann32.

In dem letzten Teil dieses Zitats wird Objektivierung mit zwei Ausdrücken bezeichnet, die uns in der bisherigen Darstellung noch nicht begegnet sind: „sich über etwas orientieren" bzw. „von einem Standpunkt aus über etwas Erwägungen anstellen". Auch ein neuer Gedanke begegnet uns hier: 'Gott' ist „die Alles bestimmende Wirklichkeit". Sowohl dieser Satz wie der oben angeführte, daß „Gott die unsere Existenz be30 Vgl. G V I , 36. G V I , 26. Diese Implikation scheint direkter durch, wenn Bultmann schreibt, daß „Existenz ihrem Sinne nach je meine Existenz ist, über die ich nicht reden kann, sondern aus der allein ich reden kann. Das hat nun für die Theologie die Einsicht zur Folge, daß ein Reden über Gott als ein objektivierendes Reden nicht möglich ist". G V ΠΙ, 120. 32 G V I , 26. 2B 31

З27

stimmende Wirklichkeit ist", wird von Bultmann als Grund dafür angesehen, daß es keinen „Standpunkt außerhalb Gottes" geben kann". Aus dem letzten Satz folgt wiederum nach Bultmann, wie wir gesehen haben, daß eine Objektivierung Gott gegenüber unmöglich ist". Die oben zuletzt mitgeteilten drei Zitate führen einen neuen Faktor in das Blickfeld hinein, und zwar die Sprache. Es wird von dem sprachlichen Ausdruck der Objektivierung gesprochen, von dem 'objektivierenden Reden'. Dieses 'objektivierende Reden' wird auch „Reden über (seil, etwas) " genannt. Aus dem letzten Zitat oben geht hervor, daß „wenn ich über Gott rede", ich auch „Gott als ein Objekt des Denkens ansehe"35. Nun kann man überhaupt nicht 'reden' ohne sprachliche Ausdrücke, die zu einer Sprache gehören. Wenn man nun nach der Beziehung solcher sprachlichen Ausdrücke zu dem, „worüber geredet wird", was gleichzeitig von dem Redenden objektiviert ist, fragt, so muß man diese Beziehung genau von derjenigen unterscheiden, die zwischen einem sprachlichen Ausdruck und etwas Nicht-Objektiviertem besteht3®. Der Unterschied zwischen diesen Beziehungen wird in bezug auf die 'eigene Existenz' bei Bultmann insofern angedeutet, als nach ihm „Existenz ihrem Sinne nach je meine Existenz ist, über die ich nicht reden kann, sondern aus der allein ich reden kann"37. B. Allgemeine logische Strukturzüge der Begriffe und 'Nicht-O bjektivierbarkeit'

Objektivierung'

Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, wie in den verschiedenen Variationen Bultmanns über das Wunderthema der Begriff 'nicht-objektivierbar' als ein notwendiges Bestimmungselement in dem Wunderbegriff enthalten ist. Dieses Bestimmungselement steht natürlich in einer systematischen logischen Beziehung zum Begriff der Objektivierung. Diese 33

Siehe oben S. 326 f. Siehe oben, Anm. 29, 32. Bultmann führt seine Gedankengänge über den Gottesbegriff auch im Hinblick auf den Begriff 'Gottes Wirken bzw. Tat' durch; dieser Begriff wird von Bultmann ja als dem Wunderbegriff äquivalent betrachtet. Auch der Begriff 'Wirken Gottes' ist eng verknüpft mit dem Begriff der 'eigenen Existenz': „Das Wirken Gottes kann eben nicht als ein allgemeines Geschehen angesehen werden, das wir anschauen könnten . . . unter Absehung von unserer eigenen Existenz . . . Denn wir hätten damit ja den primären Gedanken von Gott als der unsere Existenz bestimmenden Wirklichkeit preisgegeben." G V I , 32. 34

35

G V I , 26. Es liegt nahe, Bultmanns Gedankengang dahin zu präzisieren, daß man auf die früher ausgeführte Analyse der Bezeichnungs- und Ausdrucksbeziehungen der Sprache zurückgreift. [Siehe oben S. 296 f . ] Die Präzisierung läuft darauf hinaus, daß „das, worüber geredet wird" in einer objektivierenden Rede etwas durch die sprachlichen Ausdrücke dieser objektivierenden Rede Bezeichnetes ist. 37 G V I I I , 120. Siehe Anm. 3 1 oben. aa

328

Beziehung soll in diesem Abschnitt aufgeklärt werden, nachdem wir gewisse allgemeine logische Strukturzüge beider Begriffe dargestellt haben. Sehen wir erst zurück auf die Ausdrücke, die Bultmann in den vorhin angeführten Zitaten für 'Objektivierung' gebraucht hat. Dieser Begriff wird bei Bultmann durch die folgenden Ausdrücke konnotiert: „Betrachtung bzw. objektive Beobachtung bzw. Denken von einem Gegenstande", „sich über etwas orientieren", „über etwas Erwägungen anstellen", „beurteilen", „Zuschauerstandpunkt einnehmen", „sich auf etwas beziehen", "Verhalten woraufhin" und „in Gedanken von außen sehen"38. Andere Bezeichnungen bei Bultmann stehen für Begriffe, die Objektivierung implizieren, die aber Spezialfälle der Objektivierung sind und deshalb nicht notwendige Bedingungen des Objektivierungsbegriffes, z.B.: „Erkenntnis", „Konstatierung" und „objektiv feststellen"3*. Diese Ausdrücke stehen für Begriffe, die eine positive Stellungnahme zur Wahrheit bzw. zu dem Zutreffen in der Wirklichkeit des objektivierten Inhalts enthalten. Eine solche Stellungnahme zur Wahrheit bzw. zum Zutreffen in der Wirklichkeit ist nicht notwendig für eine Objektivierung als solche. Eine Objektivierung läßt in diesem Bezug neutrale Attitüden zu; z.B. 'wünschen, daß etwas so-und-so wäre' könnte so eine neutrale Objektivierung sein. Von den Begriffen 'Objektivierung' und 'Nicht-Objektivierung' [d.h. 'objektiviert' und 'nicht-objektiviert'] sowohl wie von dem stärkeren der Nicht-Objektivierbarkeit gilt, daß sie Relationsbegriffe sind, die niemals von einem Gegenstand schlechthin gelten ohne Bezug auf gewisse andere Faktoren. Diese Begriffe enthalten nämlich implizite eine Beziehung zu einer Person (bestimmten Personen] und zu einer Zeit [Zeitpunkt bzw. Zeitraum] bzw. zu mehreren Zeiten40. Natürlich können, wie wir früher gesehen haben, diese Faktoren, Person und Zeit, quantifiziert werden durch All- oder Existenzoperatoren11. Man kann sich z.B. einen quantifizierten Begriff denken von der impliziten Struktur 'Objektiviert von mindestens einer Person zu mindestens einer Zeit'. №

Siehe oben bzw. S . 320, 3 2 4 ^ , 3 2 6 f . , 3 2 4 , 3 2 1 , 3 2 5 , 3 2 1 . Z u dem letzten Ausdruck

vergleiche man die These Bultmanns, daß das von einem Bewußtsein Objektivierte 'außerhalb' dieses Bewußtseins liegen muß. Siehe oben S. 320 f . V g l . G V I , 26, 3 5 . 39

Siehe oben bzw. S. 3 2 5 , 3 1 9 f .

40

Diese beiden Strukturzüge teilen sie mit den meisten der Bestimmungselemente, die

in diesem Kapitel behandelt worden sind, und die die Beziehung eines Gegenstandes zu dem Beobachter betreffen. 41

Siehe oben S. 2 4 6 f f . „Existenz" bedeutet hier „es gibt [mindestens] ein . . . " und

hat nichts mit Bultmanns Terminologie zu tun. Das W o r t „Existenz" wird hier in dem Sinn der Alltagssprache und der modernen Logik gebraucht, der auch den Begriff ' V o r handensein' bei Bultmann deckt, und der der Bedeutung des Wortes „es gibt" entspricht. Siehe Carnap, Symbolische Logik, 34 f.

З29

Die Relativität der Objektivierungsbegriffe zur Person besteht in der folgenden Form: Das, was von Person X objektiviert ist, kann nichtobjektiviert sein von einer anderen Person Y. Und das, was von Person X nicht-objektiviert ist, kann von Y objektiviert sein. Sogar das, was für Person X nicht-objektivierbar ist, kann sehr wohl für eine andere Person Y objektivierbar sein. Jede Explizierung eines solchen Begriffs muß die Angabe der Person(en) enthalten, wenn auch in quantifizierter Form; im letzteren Falle muß die Beziehung auf die Person X oder Y ersetzt werden durch die Beziehung auf eine unbestimmte Person, mindestens eine, oder auf alle Personen. Die Relativität hinsichtlich der Person ist bei Bultmann ausgesprochen". Der Begriff des Wunders wird auch bei Bultmann als relativ zur Person aufgefaßt an einigen Stellen, wo er die Beschaffenheit derjenigen Person (en] bestimmt, für die etwas ein Wunder sein könnte. Diese Beschaffenheit cler Person (en) ist bei Bultmann als eine Beschaffenheit der Sehweise, des Aspekts, gesehen, mit dem eine Person einen Ereignis begegnet und es erlebt. Aber eine Relativität zur Sehweise, zum Aspekt, muß ja eine entsprechende Relativität zur Person implizieren, da verschiedene Personen ja die Ereignisse in verschiedener Haltung, aus verschiedenen Aspekten erleben können. Verschiedene Personen können von verschiedener Beschaffenheit sein. Bultmann schreibt, daß „der Verborgenheit des Wunders als eines Wunders seine Sichtbarkeit als eines Weltereignisses korrespondiert", wobei ein Wunder als etwas Nicht-Objektivierbares und ein 'Weltereignis' als etwas durchaus Objektivierbares angesehen werden. Er fährt fort, daß „offenbar auch das Unvermögen, die Weltereignisse als Wunder zu sehen, in meiner Gottlosigkeit seinen Grund haben" muß". 42 Die Relativität hinsichtlich der Person wird z.B. an der folgenden Stelle ausgesagt: „Denn wenn „Wunder" Gottes Tun im Gegensatz zum Weltgeschehen einschließlich meines eigenen Handelns bedeutet, so ist damit ein bestimmtes Verständnis von Welt ausgesprochen. Hier bedeutet Welt . . . die Wirklichkeit, in der ich lebe, meine Welt. Der Gedanke Gottes und seines Tuns ist primär orientiert an meinem Leben, an meiner Existenz." G V I , 219. Siehe auch G V I , 221: „Deshalb heißt vom Wunder reden auch, nicht von Wundern im allgemeinen reden . . . V o m Wunder reden heißt, von der eigenen Existenz reden, d.h. davon, daß in meinem Leben Gott sichtbar geworden ist." Vgl. dazu Jesus, 163, wo es sich um den Wunderbegriff handelt, der Bultmann zufolge von Jesus geteilt wurde. Ein Ergebnis seiner Analyse von Jesu Wunderbegriff ist das folgende: „es können nicht Ereignisse, die für Jesus Offenbarungen des Willens Gottes, Wunder, waren, allgemeingültig als Wunder ausgeboten werden . . . Denn für den, in dessen Existenz diese Ereignisse nicht mit der K r a f t des Handelns Gottes glaubenschaffend eingreifen, können sie offenbar nicht Wunder sein, sondern höchstens seltsame Ereignisse." Aus dem zuletzt Zitierten folgt besonders deutlich die Konsequenz, daß ein und dasselbe Ereignis, das für eine Person χ ein Wunder ist, für eine andere Person у nicht ein Wunder zu sein braucht. " G V I , 220.

ЗЗО

Anscheinend besteht ein Widerspruch zwischen Bultmanns Satz, „daß der Verborgenheit des Wunders als eines Wunders seine Sichtbarkeit als eines Weltereignisses korrespondiert", und dem unmittelbar folgenden Satz: D.h. die Behauptung, daß ein Ereignis ein Wunder sei, setzt sich in ausdrücklichem Widerspruch zu seiner Konstatierung als eines Weltereignisses".

Im ersteren Satz scheint die logische Vereinbarkeit der Begriffe 'Wunder' und 'Weltereignis' ausgesagt zu werden, und zwar in dem Sinne, daß ein und derselbe Gegenstand beide Begriffe als Bestimmungen haben kann. Im zweiten Satz scheint dagegen behauptet zu werden, daß ein und dasselbe Ereignis nicht von beiden Begriffen zusammen ohne Widerspruch bestimmt werden kann. Der Widerspruch wiederum zwischen diesen beiden Sätzen wäre nur so zu lösen, daß die Vereinbarkeit und die Unvereinbarkeit der beiden Begriffe "Wunder' und 'Weltereignis' in verschiedenen Hinsichten besteht, wobei Bultmann zwischen den beiden Sätzen den Gesichtspunkt radikal wechselt. Die Vereinbarkeit der beiden Begriffe besteht hinsichtlich verschiedener Beziehungspunkte. Daß Α ein Wunder ist, bedeutet, daß Α von einer gewissen Person [irgendeiner) aus einer ganz bestimmten Haltung heraus erlebt wird, einer Haltung, die u.a. NichtObjektivierung enthält. Für eine andere Person, die Α objektiviert, ist A ein Weltereignis. Ein Wunder für eine Person zu einer Zeit aus einem Aspekt kann für eine andere Person oder zu einer anderen Zeit oder aus einem anderen Aspekt ein Weltereignis sein. Hinsichtlich genau derselben Beziehungspunkte dagegen sind die Begriffe 'Wunder' und "Weltereignis' miteinander unvereinbar. Ehe wir zur Relativität hinsichtlich Zeit übergehen, wollen wir noch sehen, was Bultmann über die Begriffe "Wunder' und Objektivierbarkeit hinsichtlich verschiedener Personen schreibt. Die 'Gottlosen' und 'Ungläubigen' werden mit den 'Christen' kontrastiert: Steht es aber so, dann hat der Christ wirklich die Möglichkeit, immer neue Wunder zu sehen. Dies Weltgeschehen, das dem ungläubigen Auge als gesetzmäßiger Ablauf von Ereignissen erscheinen muß, gewinnt für ihn den Charakter einer Welt, in der Gott handelt".

An einer anderen Stelle tritt noch klarer hervor, daß die Person und der Aspekt der Person darüber entscheiden, ob etwas ein Wunder ist oder nicht: " GVI, 226.

ЗЗ1

es steht Jedem frei, das Ereignis, das ein Wunder zu sein behauptet, als gesetzmäßigen Vorgang innerhalb der Welt zu verstehen". Der objektivierende Aspekt wird hier dem kausalen Aspekt der Gesetzmäßigkeit gleichgesetzt: wenigstens ist der letztere Aspekt ein wichtiger Spezialfall der ersteren. Die Möglichkeit einer partiellen Nicht-Objektivierbarkeit in bezug auf nur die kausalen gesetzmäßigen Beziehungen eines Gegenstandes wird im letzten Abschnitt erörtert, auch unter Berücksichtigung von Gedankengängen Herrmanns". Gibt man einmal zu, daß es verschiedene Aspekte geben kann, so ist es klar, daß verschiedene Personen verschiedene Aspekte haben können. Und wäre dies auch keine psychologische, so wäre es doch eine logische Möglichkeit. Über 'Vergebung', 'Offenbarung' und 'Existenz' ( = dem Sinn des Wortes „Existenz" in Bultmanns Terminologie!) schreibt Bultmann ausdrücklich, daß diese Begriffe relativ zur Person sind". Die Relativität des Begriffes 'Eigene Existenz' zur Person könnte man schon aus dem Wort „eigen" herauslesen. So sagt Bultmann auch von der Explikation dieses Begriffs: „Aber solche Reflexion erkennt ja eben dieses, daß Existenz je meine ist"". Die Begriffe 'objektiviert', 'nicht-objektiviert' und 'nicht-objektivierbar' sind relativ nicht nur in bezug auf die bestimmte Person, sondern auch in bezug auf die bestimmte Zeit [Zeitpunkt bzw. Zeitraum). Das bedeutet, daß etwas, was zu der Zeit tx objektiviert ist, zu einer anderen Zeit t2 nicht objektiviert zu sein braucht. Dasselbe gilt für die Begriffe 'nicht-objektiviert' und 'nicht-objektivierbar'. Insbesondere ist aber zu merken, daß diese Relativität zu verschiedenen Zeiten auch in bezug auf eine und dieselbe Person gilt: wenn A z.B. nicht-objektivierbar für Person X zu der Zeit t i ist, so kann Α für dieselbe Person X zu einer anderen Zeit t2 sehr wohl objektivierbar sein. 15

G V I , 222. Diese Formulierung steht im Widerspruch zu Bultmanns grundlegender Bestimmung des Wunders als „Ereignis contra naturam, wobei als Natur das in regelmäßiger Ordnung verlaufende Naturgeschehen gedacht ist". G V I , 214. " Siehe unten S. 354 f. Der angeführte Gedankengang Bultmanns knüpft an Herrmann an: „Um das anstößige Faktum kommen wir nicht herum, daß derselbe Vorgang von uns als etwas schöpferisch Neues und doch wiederum als das Ergebnis unübersehrbarer Reihen von Ursachen gedacht wird." Ethik, 57 f. Wir sind nach Herrmann nicht imstande, beides zusammenzuschauen aus einem und demselben Aspekt heraus. Das 'schöpferisch Neue' ist nach Herrmann das Wunder. Vgl. Herrmann, Der Christ und das Wunder, 41. 47 Bultmann, Jesus, 194 f. Dort heißt es: „Es gibt nicht Vergebung . . . beziehungslos, sondern sie ist nur wirklich in ihrer Beziehung auf den bestimmten Menschen. Also nur der, dem vergeben wird, nimmt das Ereignis der Vergebung wahr." Über 'Offenbarung' heißt es (Bultmann, G V I I I , 21): „Die Offenbarung muß also ein uns unmittelbar betreffendes, an uns selbst sich vollziehendes Geschehen sein." Vgl. G V III, 29. 48 GVIII, 117. ЗЗ2

Die Stellung einer und derselben Person in dieser Beziehung ist dem Wechsel der Zeit unterworfen. Auch hier gilt, daß wenn einmal z.B. der Wunderbegriff als relativ zum Aspekt gesehen wird, die Relativität zur Zeit daraus folgt, denn es ist mindestens logisch möglich, daß auch dieselbe Person ihren Aspekt von Zeit zu Zeit ändert. Wenn man also behaupten wollte, daß etwas absolut schlechthin ohne jeden Bezug nicht-objektivierbar sei, wäre das eine sehr starke Behauptung: es würde nämlich bedeuten, daß etwas für alle Personen in allen Zeiten nicht-objektivierbar sei. Dies ist das Ergebnis einer universalen Quantifizierung der beiden Faktoren 'Person' und 'Zeit'. Auch hier wären also diese Faktoren in dem Begriff enthalten, wenn auch in der Form einer universalen Quantifizierung. Wenn auch der Begriff nicht-objektivierbar' in bezug auf Person und Zeit relativ ist, so daß man, wenn man genau sein will, sagen muß „nichtobjektivierbar für Person X zu der Zeit t" oder etwas, was logisch dem äquivalent wäre, so könnte man fragen: Genügt es nicht, nur mit dem Begriff 'nicht-objektiviert' zu laborieren, auch wenn man Bultmanns Gedankengänge verstehen will? Dieser letztere Begriff ist ja ein Begriff de facto und deshalb einfacher als der modale Begriff 'nicht-objektivierbar'. Die Antwort hierauf ist, daß dieser einfachere Begriff de facto viel zu trivial ist, um Bultmanns Gedankengängen gerecht zu werden. Das allermeiste in dieser Welt, die meisten Satzinhalte sowohl wie die meisten Objekte, sind nicht-objektiviert von einer einzigen Person zu einer bestimmten Zeit. Wir wenden uns deshalb jetzt dem Begriff der Nicht-Objektivierbarkeit zu. Dieser bedeutet, wie wir gesehen haben, soviel wie Nicht-Möglichkeit, objektiviert zu werden". Nun kann aber jede Möglichkeit sowohl wie Nicht-Möglichkeit entweder aus logischen Gründen gelten oder aus kausalen Gründen. Wenn etwas aus logischen Gründen nicht möglich ist, so bedeutet das, daß es einen logischen Widerspruch impliziert50. Dann ist es zwar auch aus kausalen Gründen nicht-möglich. Umgekehrt kann aber etwas nur aus kausalen Gründen nicht-möglich sein, ohne auch aus logischen Gründen nicht-möglich zu sein. Eine kausale Nicht-Möglichkeit braucht keinen logischen Widerspruch zu implizieren. Wir haben dementsprechend hier also zwei Begriffe der Nicht-Objektivierbarkeit: ( 1 ] Nicht-Objektivierbarkeit aus logischen Gründen, so daß die Behauptung, daß der betreffende Gegenstand objektiviert ist, einen logischen Widerspruch implizieren würde, und (2) Nicht-Objektivierbarkeit nur aus kausalen Gründen, hier näher be" 50

Siehe oben S. 322. Über logische Nicht-Möglichkeit, siehe Carnap, Meaning and necessity, 175 f f . ; 1 1 .

333

stimmt aus psychologischen Gründen, und nicht aus logischen Gründen. Die Behauptung, daß der zweite Begriff auf einen Fall zutrifft, muß sich auf irgendeine psychologische Theorie stützen. Diese aus logischem und philosophischem Gesichtspunkt wichtige Unterscheidung wird bei Bultmann weder gemacht noch angedeutet. Für eine logische Analyse ist sie aber grundlegend. Hier muß also die Begriffsanalyse sich von dem Material entfernen. Um Raum zu sparen und mich übersichtlicher ausdrücken zu können, führe ich hiermit die folgenden Abkürzungen ein: „NO" für den Begriff 'Nicht-objektivierbar'. „LNO" für N O aus logischen Gründen, und „PNO" für NO nur aus psychologischen und nicht aus logischen Gründen. Es ist schon oben ausgeführt worden, daß NO nur in gewissen Beziehungen zutreffen kann. Die Relativität hinsichtlich Person und Zeit ist schon erwähnt worden. Die Relativität hinsichtlich Person und Aspekt ist von Bultmann selbst erwähnt und die Relativität hinsichtlich Zeit folgt aus Bultmanns Ausführungen zusammen mit sehr allgemeinen Sätzen über die Zeit. Es ist klar, daß dieselbe Relativität, die von N O gilt, auch von deren Spezifikationen LNO und PNO gilt. Eine logische Analyse der LNO, die sich von Bultmanns Ausführungen distanziert und gewisse von seinen Gedankengängen präzisiert und deshalb nicht direkt bei Bultmann belegt werden kann, kommt aber zu dem Ergebnis, daß die Faktoren der Person und Zeit nicht als Beziehungspunkte für LNO genügen. LNO trifft niemals zu nur in bezug auf eine Person [Personen) und eine Zeit (Zeiten). Zu jeder Zeit und für jede Person besteht die logische Möglichkeit, alles zu objektivieren. Das würde nämlich keinen logischen Selbstwiderspruch implizieren. Höchstens könnte man sich eine psychologische Theorie denken, nach der PNO auf einen Gegenstand für eine gewisse Person in einer gewissen Zeit zutreffen würde. Zu den Faktoren der Person und der Zeit kommt noch der mentale Akt hinzu. LNO trifft immer nur in Beziehung auf einen bestimmten mentalen Akt zu. Damit sind auch die Beziehungen zur Person und zur Zeit impliziert, denn jeder Akt ist an eine Person und an eine Zeit gebunden. Einen mentalen Akt verstehe ich als ein Eigenschaftsmoment eines Erlebnisses in bezug auf den intentionalen Inhalt des Erlebnisses und in bezug auf die intentionale Attitüde, d.h. auf die Stellungnahme des Erlebnisses zur Wahrheitsfrage oder zum Wert oder Unwert des intentionalen Inhalts. Ein Erlebnis kann Akte verschiedener Art enthalten. Ein Erlebnis enthält aber Akte nicht als extensive Teile, sondern als Eigenschaftsmomente51. 01

Mit dem mentalen Akt ist ein Faktor in der logischen Analyse eingeführt, der nicht

334

Dieselbe Relativität hinsichtlich Person, Zeit, Aspekt und Akt, die von NO gilt, gilt natürlich auch von allen Wunderbegriffen, die NO logisch implizieren und dadurch NO als eine notwendige Bedingung haben. C. Präzisierende Analyse der Begriffe 'Objektivierung' 'Nicht-Objektivierbarkeit'

und

Für die weitere logische Analyse wird es jetzt eine Hauptfrage sein, ob es ein LNO geben könnte, und, wenn überhaupt, unter welchen Bedingungen LNO zutreffen könnte. Und damit muß auch die negative Frage beantwortet werden, welche Entitäten nicht LNO sein könnten, d.h. welche Entitäten so beschaffen sind, daß es immer wenigstens logisch möglich ist, sie zu objektivieren. Auf diese letzteren kann dann LNO nicht zutreffen. Durch die Untersuchung von den Bedingungen, unter denen LNO zutreffen könnte, wird gar nicht behauptet, daß LNO auch wirklich auf etwas zutrifft. Es werden hier nur logische Möglichkeiten (und Nicht-Möglichkeiten] dargestellt ohne positive Stellungnahme zur Wahrheitsfrage in bezug auf die Behauptungen Bultmanns. Logische Bedingungen für Begriffe oder Satzinhalte darzustellen ist etwas ganz anders als zu behaupten, daß diese Bedingungen auch wirklich erfüllt sind. Ehe wir an die Antwort der aufgeworfenen Fragen herangehen, müssen wir die verschiedenen Spezialfälle der LNO voneinander unterscheiden und die betreffenden Fragen für die verschiedenen Spezialfälle getrennt stellen. Diese Spezialfälle der LNO lassen sich aber nur nach einer vorhergehenden präzisierenden Analyse des Begriffs der Objektivierung bestimmen und darstellen. Diese Analyse muß nach notwendigen und hinreichenden logischen Bedingungen dieses Begriffs fragen. Dabei wird durch diese Analyse eine Präzisierung ausgeführt, die eine mögliche Deutung des Begriffs der Objektivierung bei Bultmann darstellt, wobei die Möglichkeit von anderen Deutungen von Bultmann nicht ausgeschlossen wird. Ich werde als einen Vorschlag zur Präzisierung des Begriffs der Objektivierung bei Bultmann einen Begriff der Objektivierung bestimmen, der den Gedankengängen Bultmanns, innerhalb des Rahmens dessen, was logisch möglich ist und einen verständlichen Sinn ergibt, die größtmögliche Gerechtigkeit widerfahren läßt. Der Begriff 'Objektivierung', den ich hier als Instrument der Analyse einführe, ist eine logische Konjunktion von zwei Bestimmungen, von bei Bultmann direkt belegt werden kann, der aber nötig ist, um den Begriff L N O genau zu bestimmen. Über Eigenschaftsmomente von Erlebnissen siehe oben S. 225 f.; dort werden sie „qualitative Teilmomente" genannt. Über intentionale Attitüden siehe oben S. 242 f.

335

denen jede für sich eine logisch notwendige Bedingung für den Begriff 'Objektivierung' ist. Der Begriff enthält also zwei notwendige Momente ( i ) und [ 2 ] : ( 1 ) Eine Intention, gerichtet auf ein Objekt oder auf einen objektiven Inhalt, der entweder ein Satzinhalt oder ein Begriff ist. Der Kürze wegen nennen wir diese Bedingung „die Bedingung der Intentionalität". Dieser Bedingung zufolge ist jede Objektivierung notwendig auch eine Intendierung, die also einen intentionalen A k t oder ein Erlebnis bildet, das einen derartigen A k t enthält. (2) Die Nicht-Identität des mentalen A k t s oder des Erlebnisses mit dem von ihm intendierten Objekt. W e n n das Intendierte ein Satzinhalt ist, so bedeutet diese Bedingung die Nicht-Identität des betreffenden Bewußtseinsaktes oder Erlebnisses mit einem jeden Objekt, von dem dieser Satzinhalt handelt. Der Kürze wegen nennen wir diese Bedingung „die Bedingung der Nicht-Identität". Jede Intendierung erfüllt eo ipso die Bedingung der Intentionalität. Jede Intendierung, die auch die Bedingung [2) erfüllt, ist eo ipso eine Objektivierung, und nur wenn eine Intendierung eines Objekts die Bedingung [2] erfüllt, ist sie auch eine Objektivierung dieses Objekts. Z u diesen Momenten einige Bemerkungen. Eine Objektivierung kann eine Illusion sein! Es gibt mögliche Fälle, in denen überhaupt kein Objekt, sondern nur ein Begriff bzw. ein Satzinhalt intendiert wird. W e n n das Intendierte ein Begriff ist, genügt nämlich die Bedingung der Intentionalität. Einen Begriff zu objektivieren ist also einfach dasselbe wie diesen Begriff zu intendieren. Das, was in dieser Beziehung von Begriffen gilt, gilt auch für Satzinhalte, die von keinem O b j e k t handeln". W e n n das Intendierte dagegen ein Objekt ist, so muß dieses Objekt nicht identisch mit dem intendierenden A k t sein, um auch objektiviert zu sein. Man könnte die Frage stellen, ob die Bedingung der Nicht-Identität nicht schon von der Bedingung der Intentionalität logisch impliziert wird, so daß diese allein schon hinreichend für eine Objektivierung wäre. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn die Möglichkeit davon, daß ein intentionaler A k t sich selbst intendieren kann, aus logischen Gründen ausgeschlossen wäre. W e n n man wenigstens die logische Möglichkeit offen lassen will, daß ein intentionaler A k t sich selbst intendieren kann, so kann man auch nicht ohne Inkonsequenz behaupten, daß die Bedingung der Intentionalität diejenige der Nicht-Identität logisch impliziert. Die Beи Wenn man von dem logischen Stufenunterschied zwischen Begriffen und Bewußtseinsakten absieht, der ein Verbot der Anwendung des Begriffs der Identität und seiner Negation auf Entitäten verschiedener logischer Stufe implizieren könnte, so ist die Bedingung der Nicht-Identität mit einem Begriff von jedem intendierenden Bewußtseinsakt erfüllt.

ЗЗ6

dingung der Intentionalität ist dann allein keine hinreichende logische Bedingung für den Begriff der Objektivierung, d.h. eine Intention kann vorliegen ohne Objektivierung. Daß eine Intention auf ein Objekt oder auf einen objektiven Inhalt vorliegen kann ohne Objektivierung stimmt gut zu Sätzen bei Bultmann, die eine Art von Bewußtsein von etwas Nicht-Objektiviertem beschreiben oder voraussetzen. Wir finden z.B. bei ihm die folgenden Sätze und Ausdrücke: „Der Mensch ist in seinem existentiellen Sein gesehen", „sich in . . . seinem eigentlichen Sein getroffen, beansprucht wissen von einem Du", „Gedanke . . . , daß Gott . . . die Alles bestimmende Wirklichkeit sei" und „über meine konkrete Existenz hier und jetzt" reden". Die nächstliegende Deutung dieser Ausdrücke ist die, daß sie Fälle von Intentionalität ohne Objektivierung darstellen". Die Bediiigung der Nicht-Identität muß nämlich auch erfüllt sein, damit eine Intention auch eine Objektivierung sei. Und diese zweite Bedingung könnte hier in einigen Beispielen fehlen. Doch sind Bultmanns Thesen über 'Gott' und das 'Du' und ihre Nicht-Objektivierbarkeit sehr rätselhaft und sogar in ihrer Gesamtheit logisch unmöglich aufrechtzuerhalten, falls Gott und das 'Du' nach Bultmann nicht-identisch mit dem intendierenden Bewußtseinsakt sein sollten. Andere Deutungsmöglichkeiten wie z.B. die, daß hier keine Inten-

" Diese Ausdrücke sind an den folgenden Stellen bei Bultmann zu finden: Jes. 190, ibid., G V I , 26 und G V I , 218. Wir haben oben gesehen, daß Bultmann mehrmals den Ausdruck „Reden über" für objektivierendes Reden gebraucht [Siehe z.B. G V I , 26; G V ΠΙ, 120), während er an der letzteren Stelle denselben Amdruck gebraucht für ein Reden über etwas Nicht-Objektivierbares: An dieser Stelle heißt es bezüglich des Schöpfungsgedankens, der nach Bultmann den Gedanken an 'Gottes Tat' enthält: „ich kann in seinem Vollzuge nicht von meiner eigenen Existenz absehen und etwas außerhalb meiner als Schöpfung oder Gottestat verstehen, „deuten", sondern ich sage in ihm primär etwas über mich selbst aus. Aber nicht über mich, sofern ich mich von außen als in der Welt vorkommendes Wesen ansehe, sondern sofern ich über meine konkrete Existenz hier und jetzt rede." G V I , 218. 'Meine konkrete Existenz', von der ich in jeder Rede von einer 'Gottestat' etwas aussage, kann nicht 'von außen als in der Welt vorkommend' angesehen werden. Hier ist wieder die Nicht-Objektivierbarkeit angedeutet. 64 Das in Anm. 53 angeführte Beispiel für ein Reden über etwas Nicht-Objektivierbares wirft auch die Frage auf von dem Verhältnis der Objektivierung zu der sprachlichen Bezeichnungsfunktion. Aus den früheren Analysen geht hervor, daß das, was bezeichnet werden kann, auch intendiert werden kann, und umgekehrt. Wenn man die beiden verschiedenen Arten der Bezeichnungsbeziehung Denotation und Konnotation berücksichtigt, könnte man genauer sagen, daß Objekte, die intendiert werden können, auch denotiert werden können, während Begriffe und Satzinhalte, die intendiert werden können, auch konnotiert werden können. Siehe oben S. 294, 296 f. Da Intention aber ein weiterer Begriff ist als Objektivierung, so ist auch Bezeichnung ein weiterer Begriff als 'objektivierendes Reden über'. 33 - 566-3501

337

dierung angedeutet ist, sondern daß hier von nicht-intentionalen Akten die Rede wäre, scheinen weniger plausibel zu sein. Möglicherweise könnte man sich ein nicht-intentionales 'Sehen' seines 'existentiellen Seins' als eine introspektive Sinneswahrnehmung ohne Intention denken. Nach der Klärung der logischen Bestandteile des Begriffs 'objektivieren' ist es leicht, von da aus die Spezialfälle der NO darzustellen. LNO bedeutet die logische Nicht-Möglichkeit, objektiviert zu werden. Von dieser logischen Nicht-Möglichkeit gibt es drei Fälle, die durch Anwendung der notwendigen Bedingungen des Begriffs der Objektivierung definiert werden können, und zwar genauer: in den folgenden drei Fällen fällt der Gegenstand (Objekt, Begriff oder Satzinhalt] Α unter LNO in bezug auf den mentalen Akt В: ( i j wenn die Bedingung der Intentionalität in bezug auf Α von В erfüllt werden kann, aber diejenige der Nicht-Identität in bezug auf (mit dem Objekt] Α von В nicht erfüllt werden kann, oder (2) wenn die Bedingung der Nicht-Identität in bezug auf (mit dem Objekt] Α von В erfüllt werden kann, aber diejenige der Intentionalität in bezug auf Α von В nicht erfüllt werden kann, oder (3) wenn beide Bedingungen in bezug auf Α von В nicht erfüllt werden können. Dabei ist es in bezug auf die Fälle ( 1 ] und (2] klar, daß wenn eine dieser Bedingungen der Intentionalität oder der Nicht-Identität auf irgendeinen mentalen Akt В zutrifft, diese Bedingung dann auch von В erfüllt werden kann. In der Darstellung der drei Fälle ( i ] - ( 3 ) oben steht „kann" bzw. „können" für eine logische Möglichkeit. Mit Rücksicht darauf, daß LNO immer nur in bezug auf einen mentalen Akt zutrifft, können wir jetzt eine systematische Antwort auf die Frage geben, auf was für Gegenstände LNO zutreffen kann und unter welchen Bedingungen. LNO im Verhältnis zu einem intentionalen Akt kann nur auf den betreffenden intentionalen Akt selbst zutreffen. Ein intentionaler Akt ist im Verhältnis zu sich selbst LNO, und zwar deshalb, weil die Bedingung der Nicht-Identität mit dem intendierten Objekt in diesem Falle von dem intentionalen Akt nicht erfüllt werden kann. Zu der Frage, ob die Bedingung der Intentionalität in bezug auf einen intentionalen Akt als intendierten Gegenstand erfüllt werden kann oder nicht, d.h. ob der intentionale Akt sich selbst intendieren kann oder nicht, kann ich keine Stellung nehmen. Von den 3 Fällen des LNO oben müssen also entweder Fall ( 1 ] oder Fall (3] zutreffen. Fall (2] kann dagegen nicht zutreffen. LNO im Verhältnis zu einem beliebigen nicht-intentionalen Akt trifft auf alles in der Welt zu". Ein nicht-intentionaler Akt kann nichts objek55

Ein nicht-intentionaler Akt wäre in Analogie zu der oben gegebenen Definition eines

ЗЗ8

tivieren, da er nichts intendieren kann. Ein nicht-intentionaler A k t kann also die Bedingung der Intentionalität nicht erfüllen. Im Verhältnis zu einem solchen A k t trifft L N O auf alles in der Welt zu. Von den 3 Fällen des L N O oben kann (1) nicht zutreffen. Fall (2] und (3) sind auf jeden Fall logisch möglich. Fall (2) oben könnte z.B. dann zutreffen, wenn wir eine Sinneswahrnehmung haben ohne jede Reflexion, ohne jedes Urteil und jedes begriffliche Denken. Das wäre logisch möglich. Hier lägen Objekte vor, die mit der Sinneswahrnehmung nicht identisch sind. Ob es das auch in der Wirklichkeit gibt, ist eine andere Frage. Wir kommen auf diesen Fall noch zurück". Für die präzisierende Analyse des Materials kann die vorgenommene Analyse des L N O auf folgende Weise verwendet werden: Wenn z.B. bei Bultmann behauptet wird, daß N O auf einen gewissen Fall zutrifft, so kann man mit Hilfe der ausgeführten Analyse die Wahrheitsbedingungen einer solchen Behauptung Bultmanns darstellen. Wenn die oben dargestellten Bedingungen des L N O nicht zutreffen können, dann ist entweder die Behauptung im Material falsch oder wir stehen vor einem Fall des PNO. Die Behauptung, daß P N O auf einen Fall zutrifft, muß sich aber immer auf irgendeine psychologische Theorie stützen, um plausibel zu sein. Um eine größere Klarheit und Übersicht zu gewinnen, wollen wir hier die Bedingungen der Intentionalität und der Nicht-Identität zusammen mit deren Negationen und deren Nicht-Möglichkeit schematisch darstellen und erläutern. Wir stellen für jede der beiden Bedingungen ein Schema von 4 Punkten auf, wobei Punkt (1) den Fall definiert, daß die betreffende Bedingung von einem mentalen A k t (oder Erlebnis) В in bezug auf einen Gegenstand Α erfüllt wird, während Punkt (2) die Negation von (1), Punkt (3) die Nicht-Möglichkeit von (1] aus logischen Gründen und Punkt [4] schließlich die Nicht-Möglichkeit von (1] aus kausalen, aber nicht aus logischen Gründen, erläutern. Hierbei dient Punkt (1] als mentalen Akts (oben S. 334] als ein Eigenschaftsmoment eines Erlebnisses aufzufassen, das in dem Fehlen eines intentionalen Inhalts und einer intentionalen Attitüde bestehen würde. Wenn der Gedanke an negative Eigenschaftsmomente, darunter nicht-intentionale Akte, Schwierigkeiten bereitet, müßte man anstatt dessen von nicht-intentionalen Erlebnissen sprechen. " Vielleicht würde man dem Sinne Bultmanns nahekommen, wenn man das Vorhandensein von Erlebnissen der Veränderung als geschehender Veränderung behaupten würde und diese Erlebnisse als Fälle von nichtintentionalen Sinneswahrnehmungen auffassen würde. Man könnte z.B. alles Intendierte als durch seine enge Verknüpfung mit Begriffen irgendwie 'statisch' auffassen. Das reine Erlebnis der zeitlichen Veränderung und des Geschehens als eines Werdenden und Dynamischen könnte vielleicht als ein nicht-intentionaler A k t aufgefaßt werden, wenn man Bultmanns Gedankengängen über N O nahekommen wollte. Vgl. G V I I I , 119.

339

eine Definition, mid die übrigen Punkte enthalten logische Konsequenzen dieser Definition. In jedem der beiden Schemata für die beiden Bedingungen der Intentionalität und der Nicht-Identität ist Punkt (i) als die Erfüllung der betreffenden Bedingung in bezug auf Α eine notwendige Bedingung dafür, daß der Gegenstand Α objektiviert ist", (2) als die Negation von (1) eine hinreichende Bedingung dafür, daß Α nicht objektiviert ist, [3) eine hinreichende Bedingung dafür, daß LNO auf Α zutrifft, und [4) schließlich eine hinreichende Bedingung dafür, daß PNO auf Α zutrifft. Schema I für die Bedingung der Intentionalität: ( 1 ) Eine Intention in bezug auf Α liegt vor. В intendiert A. [2] Die Negation von (1). Сз) Es ist logisch nicht-möglich, daß ( 1 ) gilt. (4) Es ist kausal, aber nicht logisch nicht-möglich, daß (1) gilt. In Punkt Сз] kann es sich nur um eine relative logische Nicht-Möglichkeit handeln, nämlich relativ zu dem Satzinhalt, daß В ein nicht-intentionaler Akt ist. Das bedeutet, daß die logische Konjunktion 'B ist ein nicht-intentionaler Akt & В intendiert A' (absolut) logisch nicht-möglich ist. Punkt [4] bedeutet, daß es für alle Akte einer gewissen Gattung, zu der В gehört, unter gewissen Bedingungen unmöglich ist, daß Β Α intendiert. Auch kann man hier von einer relativen logischen Nicht-Möglichkeit sprechen, nämlich relativ zu einer universalen psychologischen Theorie, konjungiert mit gewissen Einzelbedingungen. Der Unterschied zwischen (3) und [4) ist erheblich, obgleich es sich in beiden Fällen um relative logische Nicht-Möglichkeiten handelt. Im Falle Сз) ist der Satzinhalt, in Verhältnis zu welchem die logische Nicht-Möglichkeit besteht, sehr einfach: erstens ist er ein singulärer Satzinhalt über einen einzigen Akt und zweitens schreibt er diesem Akt eine sehr weite und formale Bestimmung zu. Im Falle C4) dagegen ist der entsprechende Satzinhalt eine ganze komplizierte Theorie zusammen mit mehreren Einzelbedingungen. Zuletzt noch die Bemerkung, daß „A" im Schema I nicht nur für Objekte, sondern auch für Begriffe und Satzinhalte stehen kann. 57

Der Terminus „Bedingung" wird hier in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet: einmal als Bezeichnung für Bestimmungen und zum anderen als Bezeichnimg für Satzinhalte, z.B. in der letzten Textstelle dieses Wortes oben. Die Zusammensetzungen „Bedingung der Intentionalität" bzw. „Bedingung der Nicht-Identität" stehen dagegen für Bestimmungen [mentaler Akte oder Erlebnisse]. Über notwendige und hinreichende Bedingungen als Begriffe siehe oben S. 120 f f . Über derartige Bedingungen als Satzinhalte siehe unten S. 416 f f . , auch Anm. 2 an S. 393.

З40

Schema II für die Bedingung der Nicht-Identität. (1) Das Objekt Α ist nicht-identisch mit dem mentalen A k t B. (2) Die Negation von (1) bedeutet: Α und der mentale A k t В sind miteinander identisch. (3) Es ist logisch nicht-möglich, daß (1) gilt. (3) ist dem Satze äquivalent, daß die Identität von Α und В logisch notwendig ist. (4) Es ist kausal, aber nicht logisch nicht-möglich, daß (1] gilt. (4) ist dem Satze äquivalent, daß die Identität von Α und В kausal, aber nicht logisch notwendig ist. [4] gibt deshalb keinen Sinn, weil eine Identität nicht kausal notwendig sein kann in dem nichttrivialen Sinne, demzufolge die kausale Notwendigkeit nicht mit der logischen Notwendigkeit der Identität zusammen besteht. Weil CO eine notwendige Bedingung dafür ist, daß Α von В objektiviert ist, so ist die Negation von (1), also (2), eine hinreichende logische Bedingung dafür, daß Α von В nicht objektiviert ist. Und (3) ist eine hinreichende Bedingung dafür, daß L N O auf Α zutrifft im Verhältnis zu B, und [4) wäre eine solche Bedingung für P N O im Verhältnis zu B, wenn (4) einen Sinn gäbe. Da aber (4) in diesem Schema II keinen Sinn ergibt, so muß P N O immer durch die kausale Nicht-Möglichkeit der Intentionalität [Punkt (4] in Schema I) bedingt sein. Z u Punkt (3) ein Beispiel: Es ist ein logisches Theorem, daß es für jedes X gilt, daß X mit sich selbst identisch ist. Aus diesem logisch notwendigen Satz folgt, daß auch der mentale A k t В mit sich selbst identisch ist. Und der letztere Satz ist auch logisch notwendig, da er aus einem logisch notwendigen Satz folgt. Es ist also logisch nicht-möglich, daß ein gegebener mentaler A k t В nicht mit sich selbst identisch wäre. Und dies ist eine hinreichende Bedingung dafür, daß В im Verhältnis zu sich selbst unter L N O fällt. Da Punkt C4) in diesem Schema II, wie gesagt, keinen Sinn ergibt, so muß P N O immer durch die kausale Nicht-Möglichkeit der Intentionalität bedingt sein". Es muß jetzt auch geklärt werden, wie die Intendierungen bzw. Objektivierungen von verschiedenen logischen Entitäten sich zueinander verhalten. Über diese Beziehungen stellen wir jetzt die Lehrsätze (L 1 L 5] auf. Das, was L i - L 5 über Objektivierung und Objektivierbarkeit sagen, gilt genauso für Intendierung und Intendierbarkeit, weshalb man also in diesen Sätzen salva veritate „objektiviert" mit „intendiert" und „objektivierbar" mit „intendierbar" ersetzen kann. " Siehe Punkt [4] in Schema I oben.

З41

( L i ] Wenn ein Satzinhalt objektiviert ist und infolgedessen auch objektivierbar ist, so ist jedes Objekt, von dem er handelt, auch objektiviert und infolgedessen in derselben Hinsicht [d.h. im Verhältnis zu demselben mentalen Akt wie der Satzinhalt) objektivierbar. Aus (L i) folgt: (L 2) Ein objektivierter Satzinhalt handelt nur von objektivierten Objekten, wenn er überhaupt von Objekten handelt. Ausnahmen davon sind z.B. positive und negative Existenzsatzinhalte und Allsatzinhalte. Ein Satzinhalt kann nur von wirklichen, nicht von fiktiven Objekten handeln - sonst sind es gar keine Objekte. Der Begriff Objekt' bezieht sich auf extensionale Gegenstände. Aus (L 2) folgt: (L 3) Wenn ein Objekt nicht-objektiviert ist (unter NO fällt), so ist auch jeder Satzinhalt, der von ihm handelt, in derselben Hinsicht nichtobjektiviert [bzw. fällt unter NO). Über das Verhältnis zwischen Satzinhalten und deren Teilinhalten gilt der folgende Satz (L 4): (L 4) Wenn ein Satzinhalt objektiviert (objektivierbar) ist, so ist jeder Teilinhalt des Satzinhaltes objektiviert (objektivierbar). Ein Teilinhalt eines Satzinhaltes kann entweder ein anderer Satzinhalt oder ein Begriff sein. Aus (L 4) folgt also (L 5): (L 5) Wenn ein Satzinhalt objektiviert ist, so ist auch jeder Begriff, den er enthält, objektiviert. Dasselbe gilt, wenn man „objektivierbar" für „objektiviert" einsetzt. Daraus folgt, daß wenn auf einen Begriff NO zutreffen würde, NO auch auf jeden Satzinhalt zutreffen würde, der diesen Begriff enthält. Das läßt sich aber schwer verteidigen in bezug auf alle intentionalen Akte, während NO natürlich auch auf alle Begriffe zutrifft im Verhältnis zu nicht-intentionalen Akten. Ich stelle deshalb die Behauptung auf, daß jeder Begriff objektivierbar ist im Verhältnis zu jedem intentionalen Akt. Einen Begriff zu objektivieren ist, wie oben gesagt wurde, dasselbe wie einen Begriff zu intendieren. Zuletzt wollen wir noch die Frage erörtern, ob der Begriff NO selbst nicht-objektivierbar ist. Die Frage muß verneint werden, wenn sie alle möglichen Beziehungen beträfe. Das folgt aus dem, was oben über alle Begriffe behauptet wurde. Zuerst stellen wir fest, daß der Begriff NO 342

selbst untersucht, analysiert und expliziert werden kann. Jede entgegengesetzte Behauptimg beruht auf einer Verwechslung zwischen dem Begriff NO (mit allen seinen Spezifikationen] einerseits und Gegenständen und Satzinhalten andererseits, auf die NO zutrifft. Daß ein Gegenstand unter NO fällt, impliziert nicht, daß die Bestimmungen des Gegenstandes als Begriffe an sich auch unter NO fallen, auch nicht der Begriff NO selbst. Die Möglichkeit, den Begriff NO zu explizieren, ist Bultmann bekannt". Dagegen meint Bultmann, daß jeder einzelne Fall eines Begriffs, der NO impliziert, nicht als solcher ausweisbar ist80. Dieser Satz deutet eine wichtige Wahrheit an, die wir als den folgenden Lehrsatz formulieren können: ( L 6 ) Jeder wahre Satzinhalt, daß NO einem Gegenstand Α in Beziehung zur Zeit t und zum mentalen Akt В zukommt, fällt selbst unter NO in Beziehung zur selben Zeit t und zum selben mentalen Akt B. Das heißt: NO muß von einem solchen Satzinhalt in derselben Hinsicht gelten wie von dem Gegenstand, von dem der betreffende Satzinhalt handelt. f L 6) folgt aus (L 3) oben, wenn man (L 3) dahin generalisiert, daß die Behauptung in (L 3] nicht nur von Objekten, sondern auch von Bestimmungsgegenständen überhaupt (Begriffen und Satzinhalten als Gegenständen) gilt. Diese Generalisierung von L i - L 3 folgt schon aus (L 4) und (L 5) oben. Ist aber ein Satzinhalt, daß NO einem Gegenstand Α zur Zeit t und in Beziehung zum mentalen Akt В zukommt, falsch, so kann ein solcher falscher Satzinhalt objektivierbar sein, wenn er nur aus objektivierbaren Teilinhalten besteht und nur von objektivierbaren Objekten handelt, falls er überhaupt von Objekten handelt. Denn wenn der Satzinhalt, daß NO einem Gegenstand Α in Beziehung zu t und В zukommt, falsch ist, so ist Α objektivierbar in denselben Beziehungen, und vom Gegenstand A her besteht logisch kein Hindernis, daß auch der Satzinhalt, der von Α handelt, objektivierbar ist. ** Bultmann schreibt über den Begriff der 'eigenen Existenz', der ja N O impliziert, daß „es ein Denken und Reden über Existenz nur in dem Sinne geben kann, daß der Begriff von Existenz expliziert wird". G V I I I , 120. Er behauptet, daß „meine Existenz nicht objektivierbar ist", fährt aber fort: „Wohl läßt sich natürlich über Existenz objektiv reflektieren, das heißt über das, was Existenz überhaupt bedeutet, über das Wesen von Existenz." G V I I I , 1 1 7 . Vgl. „nur" in dem Zitat oben in Anm. 59, G V I I I , 120, daß „es ein Denken und Reden über Existenz nur in dem Sinne geben kann, daß der Begriff von Existenz expliziert wird".

343

D. Anwendung der Analyse auf Beispiele aus dem Material, die mit Bestimmungen von Wunderbegriffen zu tun haben Es ist von größtem Interesse, die oben durchgeführte Analyse des Begriffs NO auf Beispiele aus dem Material anzuwenden. Einmal werden wir solche Gedankengänge bei Bultmann analysieren, die in der Darstellung schon erwähnt worden sind, und zum andern die Aufmerksamkeit auf Beispiele richten, besonders bei Bultmann, die noch nicht erwähnt worden sind. Diese neuen Beispiele werden in engstem Zusammenhang stehen mit der Bestimmung und Explikation eines Wunderbegriffs. Wir untersuchen zuerst die Behauptung, daß es auch nicht-psychische, physische Objekte in der Außenwelt gibt, die unter NO fallen, und untersuchen dabei deren Wahrheitsbedingungen, ohne natürlich dazu Stellung zu nehmen, ob diese Wahrheitsbedingungen nun auch erfüllt sind. Bei Bultmann wird der Gedanke angedeutet, daß es Objekte der physischen Außenwelt gibt, auf die NO zutrifft". Untersuchen wir also, unter welchen Bedingungen NO auf physische Objekte (Dinge, Ereignisse] zutreffen kann. Zuerst müssen wir feststellen, daß die Bedingung der Nicht-Identität von jedem mentalen Akt und Erlebnis in bezug auf jedes physische Objekt erfüllt wird und daß es deshalb sowohl logisch wie kausal möglich ist, diese Bedingung zu erfüllen. NO kann also auf physische Objekte nur zutreffen, wenn die Bedingung der Intentionalität in bezug auf das betreffende physische Objekt aus logischen oder aus kausalen Gründen nicht erfüllt werden kann. Wir haben also zwei Fälle: i. die Bedingung der Intentionalität ist aus logischen Gründen nicht möglich zu erfüllen, und 2. diese Bedingung ist aus kausalen, aber nicht aus logischen Gründen nicht-möglich zu erfüllen. Im ersten Falle kann NO, näher bestimmt LNO, nur auf Objekte im Verhältnis zu nicht-intentionalen Akten zutreffen. Und im Verhältnis zu " Die folgenden Sätze Bultmanns decken wahrscheinlich auch den Fall eines physischen Gegenstandes in der Außenwelt: „es steht Jedem frei, das Ereignis, das ein Wunder zu sein behauptet, als gesetzmäßigen Vorgang innerhalb der Welt zu verstehen", und der Satz, daß „der Verborgenheit des Wunders als eines Wunders seine Sichtbarkeit als eines Weltereignisses korrespondiert". G V I , 222 bzw. 220. Siehe auch G V I I , 99: „Der natürliche Mensch hat den Anstoß zu überwinden, daß ein zufälliges geschichtliches Ereignis mit dem Anspruch auftritt, Gottes Offenbarung zu sein." Da 'Offenbarung' bei Bultmann als dem Wunderbegriff äquivalent aufgefaßt wird, kann aus diesem Satz gefolgert werden, daß auch der Wunderbegriff auf ein 'zufälliges geschichtliches Ereignis' zutreffen kann. Und der Begriff 'geschichtliches Ereignis' in diesem Satz läßt sich sicher auf physische, nicht-psychische Ereignisse der Außenwelt anwenden. Vgl. Jesus, 197, wo „ein zeitliches Geschehnis, das dem Menschen von außen begegnet, nicht aber ein objektiv zu konstatierender Vorgang des beobachtbaren Geschehens gemeint ist".

344

jedem nicht-intentionalen Akt trifft LNO auf alles in der Welt zu, also auch auf jeden physischen Gegenstand. Im zweiten Falle kann NO, näher bestimmt PNO, nur auf Objekte im Verhältnis zu intentionalen Akten zutreffen. Und im Verhältnis zu intentionalen Akten kann umgekehrt die Bedingung der Intentionalität nur aus kausalen, nicht aus logischen Gründen nicht-möglich sein. Hier kann also nur PNO zutreffen insofern, als gewisse Objekte aus psychologischkausalen Gründen nicht intendiert werden können. Ob physische Objekte diese Form von PNO erfüllen können, ist eine empirisch-psychologische Frage. Besonders interessant wird das Problem der physischen Objekte als Fälle von NO, wenn gleichzeitig behauptet wird, daß solche Objekte, z.B. 'äußere Weltereignisse' als Wunder in Bultmanns Sinne 'gesehen' werden können. Unter welchen Bedingungen kann man etwas als "Wunder' 'sehen', wenn "Wunder' NO impliziert? Wie kann man einen Fall von NO 'sehen'? Bultmann schreibt, daß „der Christ wirklich die Möglichkeit" hat, „immer neue Wunder zu sehen", und zwar unter dem „Weltgeschehen, das dem ungläubigen Auge als gesetzmäßiger Ablauf von Ereignissen erscheinen muß"ea. Und er behauptet ferner, daß „das Unvermögen, die Weltereignisse als Wunder zu sehen, in meiner Gottlosigkeit seinen Grund" hat". Wie kann NO zutreffen auf Objekte, wenn die Bedingung der NichtIdentität in bezug auf diese Objekte erfüllt ist, und wenn diese Objekte auch irgendwie (als Wunder in Bultmanns Sinne) 'gesehen' werden? Ein Objekt, auf das NO deshalb zutrifft, weil die Bedingung der Intentionalität in bezug auf dieses Objekt nicht erfüllt werden kann, kann nur insofern 'gesehen' werden, als das 'Sehen' aus einem nicht-intentionalen Akt besteht, und das bedeutet, daß ein solches 'Sehen' eine radikal unreflektierte Sinneswahrnehmung sein muß, ohne jedes Urteil, ohne jeden Begriff. 'Sehen' als nicht-intentionaler Akt läßt auch kein Werturteil zu und kann auch kein Urteil von dem Inhalt Ά ist ein Wunder' enthalten. Α als ein 'Wunder sehen' ist unvereinbar damit, daß man urteilt, daß A ein Wunder ist. Ein solches 'Sehen' kann auch nicht ein 'Sehen, daß Α ein Wunder ist' sein, denn dieses wäre ein intentionaler Akt, der ein Urteil enthalten würde. „A als ein Wunder sehen" nach Bultmanns Wunderbegriff kann nur bedeuten, daß man Α 'sieht' ohne Intention in bezug auf A. Ob es nun auch in der Wirklichkeit ein solches nicht-intentionales 'Sehen' gibt und ob dies überhaupt kausal möglich ist, ist eine andere Frage". Nach Bultmann kann z.B. auch 'Jesus Christus' ein Wunder sein, wenn " GVI, 226.

63

GVI, 220.

** Höchstens könnte ein solches nicht-intentionales 'Sehen' bei den niedrigeren Tieren als sicher belegt werden.

345

er aus einem gewissen nicht-objektivierenden Aspekt 'gesehen' wird. Jesus Christus als ein Wunder 'sehen' ist nach Bultmann unvereinbar mit der objektivierenden Betrachtung Jesu. Über diese letztere heißt es: Denn Jesus Christus ist f ü r den Unglauben ein konstatierbares Faktum der Vergangenheit 65 .

Diese objektivierende Betrachtung wird dem das Wunder konstituierenden Aspekt mit den folgenden Worten gegenübergestellt: Die Frage ist eben, ob wir ihn so als Faktum der Vergangenheit, als historische Gestalt, als Persönlichkeit oder dgl. sehen wollen oder als Gottes Wunder, d.h. als den, der für uns da ist, als das von Gott gesprochene W o r t der Vergebung* 6 .

Wenn dieser ganze Gedankengang die historische Person Jesu betrifft, dann ist er deshalb falsch, weil N O auf eine historische Person nicht zutreffen kann, die man gleichzeitig als etwas 'sieht'. Hier sind nämlich die beiden Bedingungen der Objektivierung erfüllt: die Bedingung der Intentionalität sowohl wie die Bedingung der Nicht-Identität. Bultmann spricht davon, daß man Jesus 'als Gottes Wunder sehen' kann. Hier muß, wenn Jesus eine historische Person ist, die Bedingung der Intentionalität erfüllt sein: man kann nämlich nicht eine historische Person 'sehen' ohne Intention in bezug auf die Person. Eine Sinneswahrnehmung ohne Intentionalität könnte nur möglich sein bei den mit Jesus gleichzeitigen Personen in gewissen Augenblicken der unmittelbaren persönlichen Begegnung durch körperliche Konfrontierung. Aus dem Gesagten ergibt sich der Schluß, daß Jesus als historische Person klar objektivierbar ist für alle diejenigen mentalen Akte, durch welche Jesus irgendwie 'gesehen' wird, und wo eine direkte Sinneswahrnehmung ausgeschlossen ist. Entweder ist also die Behauptung des N O in bezug auf Jesus Christus relativ zu einem späteren Bewußtsein falsch, oder .Jesus Christus" steht bei Bultmaim eigentlich für zwei ganz verschiedene Größen. Im letzteren Falle hätten wir einerseits die historische Person Jesu und andererseits ein mystisches NO-Geschehen, ein „gesprochenes Wort der Vergebung", wobei beide nicht miteinander identisch wären. Die Gegenüberstellung der Gegenwart gegen die Vergangenheit wird auch aktuell bei Aussagen, die Heim über Wunder und N O macht. Ein Wunder kann nach Heim nur in der unmittelbaren Gegenwart erlebt werden und „in der Spannung des Augenblicks erfahren werden"67. Dabei trifft N O auf das Wunder zu. N O in bezug auf einen bestimmten Zeitpunkt t kann nach Heim nur auf das im Verhältnis zu t unmittelbar Ge-

·* G V I , 227. "" G V I , 228.

З46

·' Heim, Zur Frage der Wunderheilungen, 29.

genwärtige und Gleichzeitige zutreffen, aber auf dieses mit t Gleichzeitige trifft NO auch wirklich zu. Das im Verhältnis zu t Vergangene ist dagegen nach Heim von t aus objektivierbar68. Derselbe Gegenstand kann nach Heim sowohl durch NO bestimmt wie objektivierbar sein, nämlich zu verschiedenen Zeitpunkten". Die charakteristische These Heims, deren Wahrheitsbedingungen es jetzt zu prüfen gilt, ist, daß NO in bezug auf einen Zeitpunkt t auf alles, was mit t gleichzeitig ist, zutrifft. Gilt das hier von NO Behauptete von LNO, oder kann es nur von PNO unter gewissen empirischen Voraussetzungen gelten? Ob diese Voraussetzungen auch wahr sind oder nicht, ist eine Frage, zu der wir hier keine Stellung zu nehmen brauchen. Die Antwort auf diese Frage wird so lauten, daß LNO nicht allgemein von allen Ereignissen des Jetztpunktes gelten kann. Dies folgt schon aus dem Lehrsatz, daß LNO auf kein Objekt nur in bezug auf einen gewissen Zeitpunkt zutrifft und daß deshalb die Beziehung zur Person und zur Zeit nicht genügen, um einen Fall von LNO zu konstituieren70. Auch das unmittelbar Gegenwärtige ist also für einen intentionalen Akt objektivierbar, vielleicht mit Ausnahme des Aktes selbst, soweit es sich um rein logische Gründe handelt. Andere eventuelle Ausnahmen müßten unter PNO fallen. Ob es solche anderen Ausnahmen gibt, ist eine empirische Frage. Daß etwas unmittelbar gegenwärtig ist, ist jedenfalls kein logisch hinreichender Grund dafür, daß es nicht intendiert werden könnte und auch kein logisch hinreichender Grund dafür, daß es dem gegenwärtigen Bewußtseinsakt identisch wäre. Die Nicht-Identität eines gegenwärtigen Gegenstandes mit dem Bewußtseinsakt ist auch kausal möglich, weil sie oft in der Wirklichkeit zutrifft. Wenn Heims These nicht falsch ist, stehen wir hier vor einer psychologischen Theorie, daß PNO auf alles Gegenwärtige deshalb zutrifft, weil es psychologisch-kausal unmöglich wäre, die unmittelbare Gegenwart zu intendieren. Die Bedingung der Intentionalität in bezug auf diese Gegenwart wäre aus kausalen Gründen unmöglich zu erfüllen. Daraus würde folgen, daß es ein Bewußtsein von der unmittelbaren Gegenwart nur in der Form von nicht-intentionalen Akten geben könnte, und dieses Be"

Heim, a.a.O., 20: „vom Jetztpunkt aus treten zwei Gesamtbilder des Geschehens

einander gegenüber. . . . Α ist das Geschehen, wie es sich darstellt, solange das Ereignis unmittelbar Gegenwart ist." A u f Α trifft nach Heim N O zu. Das vom 'Jetztpunkt' aus Objektivierbare ist dagegen in dem „Gesamtbild B " enthalten, „in dem sich ein Ereignis sofort niederschlägt, sobald die Hochspannung vorüber ist und die Akten darüber geschlossen sind. W i r haben einen, wenn auch noch so kleinen, historischen Abstand von dem Ereignis gewonnen; es ist gegenständlich geworden". Heim, a.a.O., 2 1 . Heim, a.a.O., 24: „ W a s mich im Augenblick der Entscheidung tinmittelbar umwogt, was mir auf eine noch nicht gegenständliche Weise gegeben ist, wird hinterher auf die ruhende Fläche der Gegenständlichkeit aufgetragen." 70

Siehe oben S. 3 3 4 .

347

wußtsein müßte dann, soweit ich sehen kann, die Form von Sinneswahrnehmungen ohne Intention annehmen. Als allgemeine Theorie über das Bewußtsein von der Gegenwart scheint auch diese psychologische Theorie sehr wenig einleuchtend. Sie folgt als universeller Satz auch nicht aus der Behauptung, daß es solche Sinneswahrnehmungen ohne Intention gibt, die auch schon problematisch ist. So weit Heim, und nun zurück zu Bultmann. Die Zeitrichtungen der Vergangenheit und der Gegenwart sind in den oben erwähnten Theorien über N O einbezogen worden. Bei Bultmann wird auch die Zukunft erwähnt als die Zeitrichtung, in der wir das 'künftige Handeln Gottes' zu suchen haben. Und das 'Handeln Gottes' fällt bei Bultmann unter den Begriff N O und ist bei ihm dasselbe wie 'Wunder', wie wir oben gesehen haben71. Wenn das 'künftige Handeln Gottes' eine Spezies des weiteren Begriffs 'Handeln Gottes' ist, so ist es doch von Interesse zu sehen, was Bultmann über diesen engeren Begriff schreibt: die Gottesherrschaft ist echte Zukunft, weil sie nicht eine metaphysische Wesenheit, ein Zustand, sondern das künftige Handeln Gottes ist, das in keinem Sinn eine gegenwärtige Gegebenheit sein kann. Aber dennoch bestimmt diese Zukunft den Menschen in seiner Gegenwart, und ist eben deshalb echte Zukunft, nicht ein Irgendwo und Irgendwann, sondern das auf den Menschen Zukommende, das ihn in die Entscheidung stellt. Das Ereignis des Kommens der Gottesherrschaft ist deshalb nicht eigentlich ein Ereignis im Ablauf der Zeit, das einmal kommt72.

Der Begriff 'Zukunft' ist, wie die Begriffe der Gegenwart und der Vergangenheit, ein Relationsbegriff. Zukunft ist immer Zukunft im Verhältnis zu einem gewissen Zeitpunkt t, der als Gegenwart relativ zu sich selbst funktioniert. Etwas, was der Zukunft relativ zum Zeitpunkt t i angehört, kann relativ zu einem späteren Zeitpunkt t2 der Vergangenheit gehören. Diese Relativität zum Zeitpunkt teilen diese Zeitrichtungsbegriffe selbst mit dem Begriff N O und dem der Objektivierbarkeit. Aus jener ersteren Relativität folgt, daß die Bestimmung 'künftiges Handeln Gottes' auch ein zeitlicher Relationsbegriff ist, dessen logische Form genauer durch einen Ausdruck von dem Typ „künftiges Handeln Gottes relativ zum Zeitpunkt t" sichtbar wird. Nichts, was in der Zeit vorhanden ist, kann ein 'künftiges Handeln Gottes' sein, abgesehen von der Beziehung zu einem gewissen Zeitpunkt, der in diesem Verhältnis als Jetztpunkt funktioniert. Diese Sachverhalte sind bei Bultmann angedeutet durch den Ausdruck „nicht ein Irgendwo und Irgendwann" und durch den Satz „Das Ereignis 71 72

Siehe oben S. 322 f . Bultmann, Jesus, 49 f.

З48

des Kommens der Gottesherrschaft ist deshalb nicht eigentlich ein Ereignis im Ablauf der Zeit, das einmal kommt". Damit wäre das Absehen von der Beziehung zu einem bestimmten Jetztpunkt verboten. Es läßt sich nicht belegen, daß nach Bultmann NO auf jeden Gegenstand der Zukunft zutrifft. Doch ist es hier von grundsätzlichem Interesse, die Beziehung zwischen NO und Zukunft zu untersuchen. Man kann etwas Zukünftiges intendieren, z.B. Ereignisse voraussagen, berechnen, aber auch daran denken, sowie verschiedene Handlungsmöglichkeiten erwägen. Das Zukünftige ist als Zukünftiges für einen intentionalen Akt objektivierbar, soweit es um die rein logische Möglichkeit der Objektivierung geht™. Dagegen scheint Sinneswahrnehmung ohne Intention nicht möglich zu sein als ein Bewußtsein von etwas Zukünftigem. Die Bedingung der Intentionalität in bezug auf etwas Zukünftiges kann also sowohl aus logischen wie kausalen Gründen erfüllt werden, da sie ja zuweilen in der Wirklichkeit zutrifft. Und dasselbe gilt von der Bedingung der NichtIdentität, die hier sogar immer erfüllt ist. Objektivierung der Zukunft qua Zukunft ist also sowohl logisch wie kausal möglich. Doch scheint es Bultmann zufolge jedenfalls etwas in der Zukunft zu geben, worauf NO zutrifft, nämlich 'das künftige Handeln Gottes'. Diese These könnte nach dem Ergebnis der ausgeführten Analyse nur wahr sein in bezug auf PNO unter bestimmten empirischen Bedingungen. Die Motivation dieser These läßt sich besser verstehen, wenn man zwei Gesichtspunkte beachtet. Erstens könnte man den Begriff der Zukunft insofern 'absolutieren', daß man eine universale Quantifizierung einführte, so daß man von der Zukunft relativ zu jedem Zeitpunkt spräche. Wenn so 'das künftige Handeln Gottes' etwas zu jeder Zeit Zukünftiges wäre, so würde es niemals eintreffen. Die Zukunft im Verhältnis zu jeder Zeit liegt selbst gar nicht in der Zeit. Der entsprechende Begriff trifft auf nichts zu, ebensowenig wie der Begriff der größten natürlichen Zahl, die größer wäre als alle Zahlen. Wenn die Zeitlinie in der Richtung 'vorwärts' unendlich ist, gibt es keine solche Zukunft, ebensowenig wie es eine größte natürliche Zahl gibt. Eine solche Nicht-Existenz oder besser: einen solchen leeren Umfang eines Begriffs könnte man leicht mit NO verwechseln. Zweitens - und dieser Gesichtspunkt ist gerade für die Interpretation Bultmanns der wichtigste - gibt es eine andere Deutung der Wörter „Vergangenheit" und „Zukunft" bei Bultmann als diejenige, die sich nur auf Zeitrichtungen bezieht. Es besteht die Möglichkeit, daß diese Wörter sich "" Das in der Zukunft, was nicht objektivierbar ist, muß deshalb unter PNO fallen. Ob es auch so etwas Zukünftiges in der Wirklichkeit gibt, das unter PNO fällt, ist eine empirische Frage.

349

nicht auf Zeitrichtungen beziehen, sondern auf verschiedene Aspekte, aus denen heraus Gegenstände aller Zeiten 'gesehen' werden können. „Vergangenheit" könnte als Ausdruck des Aspekts, aus dem heraus man Gegenstände als 'fertig', 'vollendet' sieht, gedeutet werden. Und aus diesem Aspekt kann man auch Gegenstände der Zukunft betrachten. Dieser Aspekt würde nach Bultmann Objektivierung immer implizieren. Der andere Aspekt wäre ein Aspekt des Offenseins', des Wunders, des Unabgeschlossenen und des 'Schöpferischen', der nach Bultmann Objektivierung ausschließt. Betrachten wir zuerst den objektivierenden Aspekt. Im Verhältnis zu diesem Aspekt kann nach Bultmann kein Gegenstand ein Wunder sein. Das, was objektiviert wird, wird nach Bultmann als „Vorhandenes" gedacht". Diese objektivierende Betrachtung ist nach Bultmann ein Ausdruck für das „Auge des Unglaubens" und betrachtet die Gegenstände als irgendwie 'vergangen': Für das Auge des Unglaubens ist auch Gottes Tun ein geschehenes Weltereignts . .

75

Das Objektivierte ist eo ipso als „geschehenes Weltereignis" betrachtet. Bultmann fährt fort: A u f die natürlich verstandene Welt aber den Wunder- und Schöpfungsgedanken anzuwenden, ist sinnlos, denn die als vergangen gesehene Welt ist eben nicht als Schöpfung gesehen'5.

Das, was objektiviert wird, wird dadurch als 'vergangen gesehen'. Damit meint aber Bultmann nicht die Zeitrichtung der Vergangenheit, denn auch das, was zeitlich in der Zukunft liegt, kann durch Objektivierung als 'vergangen' angesehen werden. Das geht aus dem Folgenden hervor, wo Bultmann den objektivierenden Aspekt als unvereinbar mit dem Aspekt des Wunders darstellt und beide einander gegenüberstellt und außerdem die 'menschliche', psychologische Seite des objektivierenden Denkens näher charakterisiert. Er fragt, „warum die Vergebung als Wunder, d.h. als Tun Gottes im Gegensatz zum Weltgeschehen verstanden werden muß", und er antwortet: Die Welt, zu der es (seil, das Wunder) in Gegensatz tritt, ist ja unsere uns zur Verfügung stehende Arbeitswelt, in der von vornherein alles Tun als Bewirken von Getanem, als Leistung verstanden ist; in der alles Geschehen, auch das zukünftige von vornherein als vergangenes gedacht ist76. 71

Vgl. das folgende Zitat: „Bei all jenem Tatsachen- oder Prinzipien-Wissen ist die Welt im Charakter des Vorhandenen, Stillhaltenden, im reinen Sehen Erfaßbaren vorausgesetzt." Bultmann, G V I , 155 f. Vgl. G V I , 245. 76 70 G V I , 225. G V I , 224.

З50

A n einer anderen Stelle heißt es ähnlich: Auch unser künftiges Tun ist, sofern wir uns überhaupt aus dem Getanen - und sei es ein künftiges - verstehen, immer schon ein vergangenes, von Vergangenheit und Tod gestempelt. Es steht ja vor uns als Werk, als hergestellter, erreichter Zustand". Hieraus geht deutlich hervor, daß Gegenstände aller Zeitrichtungen, auch der Zukunft, als Vergangen' gesehen werden können dadurch, daß sie objektiviert werden. „Vergangen" wird hier bei Bultmann nicht nur als ein Zeitwort verwendet. Der der Objektivierung entgegengesetzte Aspekt des Wunders, der also Nicht-Objektivierung impliziert, wird bei Bultmann dadurch charakterisiert, daß durch ihn etwas als 'geschehend' erlebt wird". Dieser nicht-objektivierende Aspekt ist auch derjenige des Wunders und tritt deshalb in Gegensatz zu dem Aspekt des 'Vergangenen' und der 'verfügbaren Arbeitswelt' als einem objektivierenden Aspekt: hebt Gott im Wunder unser Verständnis unser selbst als der Leistenden und so immer der Vergangenheit Verfallenen auf, so hebt er damit auch den Charakter der Welt als der uns verfügbaren Arbeitswelt auf". Die Relativität der Begriffe der Objektivierung, der Nicht-Objektivierung, N O und des Wunders zum Aspekt impliziert eine entsprechende Relativität zur Person und zur Zeit, denn verschiedene Personen und dieselbe Person zu verschiedenen Zeiten können verschiedene Aspekte in ihrem Bewußtsein zum Ausdruck bringen. Diese Relativität zum Aspekt impliziert auch eine Relativität zu einem bestimmten mentalen A k t (bestimmten mentalen Akten). Denn die oben erwähnte logische Unvereinbarkeit der verschiedenen Aspekte untereinander, der zufolge der eine Aspekt den anderen ausschließt, kann logisch gesehen nur in bezug auf einen und denselben mentalen A k t gelten. Denn dieselbe Person kann sogar in derselben Zeit verschiedene Aspekte in ihrem Bewußtsein ausdrücken. Und zwei oder mehrere mentale Akte können bei einer Person gleichzeitig stattfinden. Es ist also derselbe mentale Akt, der nicht gegenüber einem und demselben Gegenstand beide Aspekte anwenden kann - das wäre nämlich eine logische Unmöglichkeit. Das ist die präzisere Wahrheitsbedingung der oben behaupteten logischen Unvereinbarkeit der beiden Aspekte. G V I , 223. Über die 'eigene Existenz' z.B. schreibt Bultmann: „Existenz ist jeweils Ereignis in den Entscheidungen des Augenblicks. Sie ist nichts Vorhandenes, sondern je und je Geschehendes." G V I I I , 117. ™ G V I, 224. Der Grund dafür wird an einer anderen Stelle angegeben: „Der Wundergedanke hebt den Charakter der Welt als der verfügbaren Arbeitswelt deshalb radikal auf, weil er das Verständnis des Menschen seiner selbst als durch sein Werk gesichert aufhebt." G V I , 222. 77

78

З51

Die oben, dargestellte Theorie Bultmanns von den beiden Aspekten enthält im Verhältnis zum Inhalt der Begriffe Objektivierung', 'Nicht-Objektivierung' und N O sowohl Momente, die eine logische Deutung als analytische Sätze zulassen, wie andere Momente, die synthetische Sätze sein müssen und deshalb als psychologisch-kausale Behauptungen gedeutet werden müssen. Denn alles, was Bultmann über die erwähnten Aspekte sagt, läßt sich nicht logisch aus dem Inhalt der formalen Begriffe der Objektivierung, der Nicht-Objektivierung und der N O deduzieren. Solche Ausdrücke wie „im Charakter des Vorhandenen vorausgesetzt", „als vergangenes gedacht" und „als hergestellter, erreichter Zustand vor uns stehen" könnten als dem Wort „objektiviert" logisch äquivalent gedeutet werden, als andere Bezeichnungen dieses Begriffs in einer etwas bildhafteren Ausdrucksweise80. So könnte auch der Ausdruck „als Geschehendes erleben" als eine Bezeichnung jedenfalls für eine Spezies des Begriffs 'nicht-ob jektivieren' gedeutet werden, z.B. als ein Zeichen für Sinneswahrnehmung ohne Intention81. Sätze, die eine Implikation oder Äquivalenz zwischen logisch äquivalenten Ausdrücken aussagen, sind analytisch. Es gibt aber auch Sätze über die erwähnten Aspekte, die als synthetische gedeutet werden müssen, nämlich als empirische Behauptungen über regelmäßige Verknüpfungen zwischen Eigenschaften von mentalen Akten und Erlebnissen. Über Objektivierung finden sich Sätze bei Bultmann, die Ausdrücke enthalten wie „unsere uns zur Verfügung stehende Arbeitswelt) in der . . . alles Tun als Bewirken von Getanem verstanden ist", „Verständnis . . . seiner selbst als durch sein Werk gesichert", „sofern wir uns . . . aus dem Getanen . . . verstehen", „Verständnis unser selbst als der Leistenden" und „von Vergangenheit und Tod gestempelt"8'. Das, was diese Ausdrücke bezeichnen, läßt sich nicht aus den Begriffen 'objektivieren' bzw. 'objektiviert' an und für sich logisch deduzieren. Daß jede Objektivierung bzw. alles Objektivierte die von diesen Ausdrücken bezeichneten Bestimmungen erfüllen, sind weitgehende empirische Behauptungen bzw. Werteinschätzungen und Überredungen, die nicht aus logischen Gründen wahr sein können. Umgekehrt kann aus der Behauptung, daß eine dieser Bestimmungen auf einen Fall nicht zutrifft, nicht logisch deduziert werden, daß dieser Fall auch ein Fall der NichtObjektivierung bzw. etwas Nicht-Objektiviertes ist, geschweige denn ein Fall von N O . Daß jeder Fall, wo eine oder mehrere dieser Bestimmungen Siehe oben S. 350 f. Siehe G V III, 117. Besonders wäre hier an Erlebnisse des "Dynamischen' als des Werdenden und Nicht-Statischen zu denken. Vgl. oben S. 339, Anm. 56, und G V III, 80 81

119·

" Siehe oben S. 350 f., auch Anm. 79.

З52

nicht zutreffen, auch ein Fall der Nicht-Objektivierung bzw. etwas NichtObjektiviertes ist, ist auch eine rein empirische Behauptung, die nur aus psychologischen Gründen wahr sein könnte. Für den Wundercharakter eines Gegenstandes stellt Bultmann eine sowohl notwendige wie hinreichende Bedingung sittlicher, willensmäßiger A r t auf. Die Welt erhält nach ihm ihren Schöpfungscharakter nur, wenn wir als solche, denen vergeben ist, für die Zukunft offenstehen und die Welt für uns offen sehen als das Feld, in dem wir Gottes Anspruch zu hören und zu verwirklichen haben". Die Worte „nur, wenn" deuten hier eine notwendige Bedingung für den Schöpfungscharakter, d.h. für den Wundercharakter, an. Daß diese sittliche, willensmäßige Bedingung eines gewissen Selbstverständnisses auch eine hinreichende Bedingung dafür ist, daß man jedenfalls 'sein eigenes Tun' als Wunder erlebt durch den entsprechenden Aspekt, geht aus dem Folgenden, was Bultmann über den Christen schreibt, hervor: Und sofern er selbst Gottes Anspruch hört und im Gehorsam handelt, ist auch sein eigenes Tun nicht mehr ein weltliches Wirken, sondern ein Wundertun8*. Sowohl die Behauptung, daß sittlicher Gehorsam gegenüber 'Gottes Anspruch' eine notwendige wie die, daß er eine hinreichende Bedingung für die Nicht-Objektivierung wäre, müssen synthetische Sätze sein, die nicht aus logisch-analytischen Gründen gelten können. Zwischen 'sittlicher Gehorsam' und 'Nicht-Objektivierung' lassen sich keine logisch notwendigen begrifflichen Beziehungen aufzeigen, wenn wir von der Analyse des Objektivierungsbegriffs im vorigen Abschnitt ausgehen. Bultmanns Position wäre hier so zu deuten, daß der Wunderbegriff auch andere Bestimmungselemente enthält als 'Nicht-objektiviert' oder N O , z.B. 'erlebt in einem A k t sittlichen Gehorsams' und andere oben genannte Bedingungen, deren Konjunktion erst den Wunderbegriff konstituiert. Ein solches Glied in der Konjunktion wäre z.B. die Bestimmung 'erlebt aus einem Lebensverständnis heraus, das die Welt nicht als verfügbare Arbeitswelt sieht und sich selbst nicht als durch das eigene W e r k gesichert ansieht'85. Außerdem meint Bultmann wahrscheinlich, daß diese in dem Wunderbegriff konjungierten Bedingungen de facto immer zusammen vorkommen, und vielleicht erhebt er auch die noch stärkere Behauptung, daß diese universale Koexistenz der Bedingungen irgendwie kausal notwendig, in der geistigen Struktur des Menschen begründet ist. Diese Behauptungen sind natürlich empirisch und ihre Inhalte sind universale empirische Satzinhalte. " GVI, 225. " GVI, 226. 23 - 566-3501

" Vgl. oben S. 350f., GVI, 222.

353

Die Gedanken Bultmanns von der 'uns verfügbaren Arbeitswelt' im Zusammenhang mit seiner Wundertheorie knüpfen direkt an Gedanken bei Herrmann an, auf die wir nicht eingehen können86. Dagegen wollen wir hier noch kurz einige analytischen Gesichtspunkte in bezug auf Herrmanns Unterscheidung zwischen der 'nachweisbaren' und der 'erlebbaren' Wirklichkeit erörtern, die in engstem Zusammenhange mit seinem Wunderbegriff stehen. Die 'erlebbare' Wirklichkeit ist Herrmann zufolge 'nicht als Wirklichkeit nachweisbar', und besteht ihm zufolge aus dem, „was wir in den eigenen Regungen unseres Bewußtseins erleben"87. Der Begriff der (nur) 'erlebbaren' Wirklichkeit impliziert nach Herrmann die Negation des Begriffs der 'nachweisbaren' Wirklichkeit. Etwas Wirkliches, meint er, sei nachweisbar', wenn „ihm eben sein Platz innerhalb der Natur angewiesen" werden kann88. Genauer gesagt: Daß Dinge wirklich sind, vergegenwärtigen wir uns, indem wir den Beziehungen nachgehen, in denen sie mit anderen Dingen verbunden sind8'.

Diese Beziehungen sind nach Herrmann kausal. Es liegt nun auf der Hand, den Begriff 'nachweisbar' als äquivalent mit 'objektivierbar in bezug auf die kausalen Beziehungen [des betreffenden Gegenstandes)' zu fassen. Die Negation hiervon würde dann äquivalent sein mit 'NO in bezug auf die kausalen Beziehungen (des betreffenden Gegenstandes)'. Wir hätten hier also eine partielle N O in bezug auf die kausalen Beziehungen des betreffenden Gegenstandes. Wenn ein Gegenstand in bezug auf die Bestimmungen (Beziehungen oder Eigenschaften) der Art К unter den Begriff der partiellen N O fällt, dann ist der Gegenstand andererseits objektivierbar in bezug auf andere Bestimmungen der Art Nicht-K. Es ist wichtig zu bemerken, daß partielle N O bzw. partielle Objektivierbarkeit nur auf Gegenstände zutreffen können und nicht auf Satzinhalte. Siehe z.B. Herrmann, Gesammelte Aufsätze, 192; Der Christ und das Wunder, 36 f. Dort heißt es: „Beide Gedanken, den leitenden Gedanken unserer Arbeit und den leitenden Gedanken unseres Glaubens, können wir nicht in einen zusammenfassen." a.a.O., 37. Z u dem letzteren gehört nach Herrmann der Wundergedanke. 87 Herrmann, Ethik, 40. 88 Herrmann, a.a.O., 57. Vgl. Herrmann, Gesammelte Aufsätze, 196: „Es stellt sich also ein Wirkliches heraus, das für jeden von uns in besonderer Weise vorhanden ist, für die Wissenschaft aber überhaupt nicht, nämlich die individuelle Lebendigkeit des Einzelnen und das, was für ihn die Ereignisse werden, die ihn berühren. Die Wirklichkeit, auf deren vollkommene Erkenntnis die Wissenschaft gerichtet ist, nennen wir nachweisbar; die Wirklichkeit, die nur für den einzelnen vorhanden ist, nennen wir erlebbar." Die 'erlebbare' Wirklichkeit bei Herrmann scheint also auch relativ zur Person zu sein und wechselt infolgendessen mit verschiedenen Personen. 89 Herrmann, Ethik, 40. V g l . Herrmann, Gesammelte Aufsätze, 90, 195; Der Christ und das Wunder, 36. 88

354

Es besteht die folgende logische Äquivalenz: Der Gegenstand Α fällt unter die partielle N O in bezug auf die Bestimmungen der Art К dann und nur dann, wenn alle Satzinhalte, die Bestimmungen der Art К von А prädizieren, unter die totale N O fallen. Dieselbe Äquivalenz, die von N O gilt, gilt auch von dem Begriff Objektivierbar', der Negation von N O . Kann eine partielle N O eine L N O sein? Nein. Denn in bezug auf intentionale Akte fällt derselbe A k t total unter LNO, und in bezug auf nichtintentionale Akte fällt alles in der Welt total unter LNO. Und in anderen Beziehungen trifft L N O überhaupt nicht zu. Eine partielle N O läßt sich nur als P N O denken. Ein Wunder ist nach Herrmann nicht als Wirklichkeit nachweisbar'. Dieser Begriff 'nicht wirklich nachweisbar' ist nach der oben ausgeführten Deutung ein schwächerer Begriff als N O insofern, als N O den ersteren Begriff impliziert, aber nicht umgekehrt. Herrmanns Wunderbegriff in seiner „Ethik" fällt ihm zufolge unter den Begriff der 'nicht-nachweisbaren', nur 'erlebbaren' Wirklichkeit", nach unserer Präzisierung dieses Begriffs also unter die partielle N O in bezug auf die kausalen Beziehungen des Gegenstandes. Damit hängt Herrmanns Bestimmung des Wunders als „jenseits des Naturerkennens" zusammen'1. Dagegen braucht Bultmanns Gegenüberstellung von 'als Wunder sehen' und 'als gesetzmäßigen Vorgang in der Welt sehen' als logisch unvereinbar miteinander" nicht ein Beweis dafür zu sein, daß eine nur partielle N O als Bestimmungselement in Bultmanns Wunderbegriff genügen würde. Wenn die Gegenüberstellung die Gegensätze als konträr und nicht als kontradiktorisch voraussetzt, kann 'Wunder' sehr wohl eine totale N O implizieren. Dann erschöpft die Alternativstellung nicht alle Möglichkeiten, was das 'Sehen' eines Gegenstandes betrifft. Sind die Gegensätze dagegen kontradiktorisch, so folgt allerdings, daß "Wunder' nicht notwendig eine totale N O impliziert. In diesem Falle genügt eine partielle N O , nämlich in bezug auf die gesetzmäßigen Beziehungen des betreffenden Gegenstandes, um ein Wunder zu konstituieren. Natürlich schließt damit andererseits 'Wunder' nicht im einzelnen Falle eine totale N O aus. Schließlich sei nur noch kurz auf die Frage eingegangen, von welcher ontologischen Kategorie ein Wunder sein kann gemäß den ausgeführten

Herrmann, Ethik, 57. Vgl. Herrmann, Soll es eine besondere theologische Geschichtsforschung geben?, 292: „Beweisbar ist nur das, was durch seine Beziehungen zu andern ebenfalls nachweisbaren Dingen wirklich ist. Das ist das Gegenteil des Wunders." Vgl. auch Herrmann, Der Christ und das Wunder, 42; Gesammelte Aufsätze, 90. " Herrmann, Ethik, 58. Vgl. Der Christ und das Wunder, 33. °2 Bultmann, G V I , 220.

355

Präzisierungen von Bultmanns Gedankengängen. Alle angeführten Textbeispiele zeigen in die Richtung auf Wunder als individuelle Erscheinungen [wohl = Ereignisse). Daß die Analyse gezeigt hat, daß der Begriff NO in anderen Beziehungen auch auf Begriffe und Satzinhalte sinnvoll angewendet werden kann, ändert nichts an jener Tatsache: der weitere Rahmen für NO folgt aus der Möglichkeit, den Begriff 'objektiviert' auf diese abstrakten logischen Größen anzuwenden.

356

TEIL IV

ZEICHEN; KOMMUNIKATION

KAPITEL 13

Die Bezeichnungsfunktion des Wunders und das von dem Wunder Bezeichnete A. Einleitende

Materialbeispiele

Bestimmungselement

für den Zeichenbegriff in Wunderbe

als

griffen

In der Bestimmung des Wunderbegriffs, besonders des neutestamentlichen, spielt bei mehreren modernen deutschen Theologen der Begriff des Zeichens eine zentrale Rolle und wird von mehreren Verfassern als Bestimmungselement des biblischen Wunderbegriffs aufgefaßt1. Der Zeichenbegriff wird im NT nach der Ansicht vieler Theologen von dem griechischen „saemeion" bezeichnet. So spricht z.B. Cremer vom „Wunder im biblischen Sinne, ein oth, saemeion"2. Rupprecht schreibt folgendes über den Wunderbegriff im Sprachgebrauch der Bibel: A m häufigsten gebraucht sie für „Wunder" das Wort „Zeichen". Im Alten ment „oth" . . . Im Neuen Testament „saemeion"3.

Testa-

Von den Wundern Jesu betont Bultmann, daß sie im NT „saemeia" heißen, „und dieses Wort hat seinen eigentlichen Sinn des „Zeichens" bewahrt"4. Das Wort „saemeion" wird manchmal von Theologen zusammen mit anderen Wörtern, „teras" und „dynamis", als die Bezeichnung der Bibel für das Wunder angeführt. Nach Lauerer bezeichnet die Schrift, abgesehen von „poetisch gefärbten Partien des Alten Testaments . . . das Wunder Vgl. auch oben S. 82, 84, 87. Cremer, 52. * Rupprecht, 189, Anm. 2. Rupprecht schreibt u.a., daß „saemeion" immer im Johannesevangelium als Bezeichnung für 'Wunder' benutzt wird. Auch sonstige Beispiele für neutestamentliche Benutzung des Wortes „saemeion" als Bezeichnung für 'Wunder' werden von Rupprecht angeführt. * Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 396. 1 2

357

mit den Ausdrücken: teras, saemeion, dynamis"". Der neutestamentliche Wunderbegriff wird von Thielicke durch den Sinn der beiden Wörter „saemeion" und „teras" im NT bestimmt0. Der Begriff des 'saemeion' wird manchmal gegenüber 'teras' als der weitere Begriff bezeichnet. Jordan schreibt in seiner Behandlung des urchristlichen und des neutestamentlichen Wunderbegriffs: saemeion ist gegenüber teras der weitere Begriff, jedes teras ist ein saemeion, aber nicht ohne weiteres umgekehrt, teras und saemeion schließen sich nicht aus als verschiedene Arten von Wunder, sondern teras ist das Wunder als einzelnes staunenerregendes Ereignis, saemeion bezeichnet dasselbe Ereignis hinsichtlich seiner ethisch-religiösen Qualität; wir begreifen nun sofort, warum f ü r christliche Wunder nie teras allein steht!! 7

An einer anderen Stelle heißt es: Es ist zwar eigentümlich und f ü r die neutestamentliche Wunderauffassung höchst bezeichnend, . . . daß terata stets verbunden wird mit saemeia bzw. auch mit saemeia kai dynameis 8 .

Daß im NT 'saemeion' ein weiterer Begriff ist als 'teras', folgt auch aus dem, was Schmidt über das Wort „saemeion" im NT schreibt: W e n n auch die Schrift diese Bezeichnung sonst f ü r eben diejenigen Vorgänge reserviert, welche auch terata heißen, so dürfte doch jenes W o r t des Herrn (Matth. 12, 3 8 f f . ) genügen, um die Übertragung desselben auf die Wunder überhaupt zu rechtfertigen".

Hier wird außerdem vorausgesetzt, daß der Wunderbegriff des Verfassers ein weiterer Begriff ist als das neutestamentliche 'teras' - jedes Wunder nach dem Wunderbegriff des Verfassers kann aber ihm zufolge als ein saemeion, d.h. Zeichen, bezeichnet werden. Schmidt behauptet ferner: „das Wunder ist notwendig zugleich auch Zeichen, saemeion", und diese Charakteristik des Wunders wird als ein Bestimmungselement in seinen Wunderbegriff aufgenommen. Es wird ein „Moment für die Feststellung des Wunderbegriffs" genannt'. Doch verleiht Schmidt an einer anderen Stelle einem anderen Gedanken Ausdruck, dem zufolge alle Wunder zwar Zeichen sind, aber ohne daß diese Tatsache in dem Wunderbegriff als solchem begründet wäre10. 5

Lauerer, 396. * Thielicke, Das Wunder, 103. 7 Jordan, €20, Anm. 44. Ρ Jordan, 602. Vgl. Thielicke, Das Wunder, 103. • Schmidt, 188. 10 Schmidt, 190. Dort heißt es: „Auf dem Gebiete derjenigen Wunder, welche wir als die „allergrößten" Wunder für unsre Feststellung des Wunderbegriffes grundleglich gemacht haben, ist die Bedeutung des Wunders mit dem Begriff desselben ohne weiteres gegeben. Das Wunder hat seine Bedeutung in sich selber. Es ist das schlechthin notwendige Mittel zur Durchführung des Erlösungswerkes, zur Herstellung der Menschheit З58

Möglicherweise könnte man diese Stelle so deuten, daß der allgemeinste Wunderbegriff dieses Verfassers in seinem Begriffsinhalt den Zeichenbegriff nicht als Bestimmungselement mitenthält, aber daß ein engerer und inhaltsreicherer Wunderbegriff den Zeichenbegriff wenigstens als Teilbestimmung enthält, wobei dieser engere Begriff Schmidt zufolge dem biblischen Sprachgebrauch näher angepaßt wäre. Daß der Zeichenbegriff ein Bestimmungselement eines Wunderbegriffs ist, schließt natürlich nicht aus, daß der Zeichenbegriff ein weiterer Begriff ist als der betreffende Wunderbegriff. Der Gedanke, daß der Begriff 'saemeion' in der Bibel einen weiteren Umfang hat als der biblische Wunderbegriff, findet sich im Material ausgesprochen, wo man feststellt, daß das Wort „saemeion" in einigen Fällen nicht 'Wunder' bedeutet11. So meint Jordan, die Bedeutung des Wortes „saemeion" sei im N T gelegentlich zweifelhaft 12 , auch wenn an mehreren Stellen„saemeion" Wunder bedeutet und zwar Wunder im Sinne des NT 18 . Ein anderer Exeget, Naumann, betont ganz entschieden, daß sowohl „saemeion" im N T wie „oth" im A T eine weitere Bedeutung hätten als der Wunderbegriff". Daß „saemeion" einen weiteren Umfang hat als der neutestamentliche Wunderbegriff, tritt auch indirekt hervor in dem, was der Verfasser über die Zusammenstellung dieses Wortes mit anderen Wörtern im N T sagt: D a ß aber saemeia gleichsam doch noch der Klarstellung bedurfte, wenn man das Wort für „Wunder" benutzen wollte, ist deutlich aus der häufigen Zusammenstellung mit Wörtern, die nur „Wunder" bedeuten können".

Die zuletzt angeführte Äußerung des Verfassers könnte man auch so deuten, daß der neutestamentliche Wunderbegriff ihm zufolge auch anGottes . . . Immerhin läßt sich doch auch hier von der Bedeutung im Unterschiede vom Begriff insoweit reden, als wir sahen, daß auch diese Wunder den Charakter des saemeion tragen." 11 Vgl. Rengstorf, Saemeion, 230. 13 Jordan, 618, Anm. 38. la Jordan, 619. Besonders wird hier auf das Johannesevangelium hingewiesen. 1 1 Naumann, 39, Anm. von 38: „denn oth kann an und für sich sein: Feldzeichen, Abzeichen (des Bundes z.B.], Erinnerungszeichen (bei den Propheten], Wahrzeichen, Vorbild und endlich auch Wunder . . . In allen diesen Hauptbezeichnungen läßt sich saemeion auch im N.T. nachweisen". Es werden dann vom Verfasser Stellen im NT angeführt, wo „saemeion" 'Erkennungszeichen' bzw., 'Wahrzeichen', 'Gewähr, Beglaubigung', 'Abzeichen, Bundeszeichen' bedeuten soll, doch fügt er hinzu: „Aber im Sinne von Wunder am häufigsten", wobei viele Stellen als Belege angeführt werden. 15 Naumann, 39, Anm. von 38. Er fährt dort fort: „So saemeia kai terata oder terata kai saemeia Mt. 24,24. Mc. 13,22. Joh. 4,48. Act. 2,19. 2,43. 4,30. 5,12. 6,8. 7,36. 14,3. 15,12. Rom. 15,19. 2. Thess. 2,9. dynameis ist noch hinzugefügt 2 Kor. 12,12. Hebr. 2,4. Act. 2,22. . . . dynameis und saemeia sind nebeneinander gestellt. Act. 8,13." Vgl. Rupprecht, 189, Anm. 2.

359

dere Bestimmungselemente als den Zeichenbegriff enthält, und daß der Zeichenbegriff noch keine hinreichende Bestimmung des betreffenden Wunderbegriffes bildet. Das wäre übrigens ein notwendiger Schlußsatz, wenn der Zeichenbegriff ein weiterer Begriff als der betreffende Wunderbegriff des Verfassers wäre. Eine logische Konsequenz aus einem behaupteten Satz braucht aber dessen Verfasser nicht immer bewußt oder bekannt zu sein, geschweige denn von ihm angedeutet zu werden. Wenn wir jetzt zu der Frage übergehen, welchen Inhalt der Begriff des Zeichens hat, so ist die erste Beobachtung, die sich dabei ergibt, die, daß ein Zeichen immer auf etwas hinweist. Diese Beobachtung wird bei mehreren Theologen ausdrücklich ausgesprochen". Mensching nennt „vier verschiedene Worte für das, was als Wunder zu bezeichnen ist" im Griechischen des NT 17 . Von diesen vier Wörtern haben „teras" und „saemeion" nach ihm „beide eine Beziehung zum Moment des Andeutenden und Hinweisenden im „Wunder" "18. Stählin rechnet mit zwei griechischen Wörtern des N T für „das wunderbare Ereignis": „teras" und „saemeion". Er schreibt über den 'hinweisenden' Charakter, der in dem Begriff des saemeion enthalten ist: Das andere W o r t saemeion bezeichnet eine Tat als hintergründig bedeutungsvoll; sie weist hin auf einen Sinngehalt, der sich darin manifestiert, und ist in diesem strengen Sinne ein „Zeichen"".

Hier wird das, worauf das Wunder als Zeichen hinweist, durch das Wort „Sinngehalt" angedeutet. Dieser von dem Zeichen bezeichnete 'Sinngehalt' wird von Thielicke der „Verkündigungsgehalt des Wunders" genannt, und er versteht und verwendet diesen Ausdruck als gleichbedeutend mit dem Ausdruck „die von ihm (seil, dem Wunder) bezeugte „Sache""20. Der Zeichenbegriff ist ein Relationsbegriff. Ein Gegenstand, eine Erscheinung steht als Zeichen in einer Beziehung zu etwas, auf welches das Zeichen hinweist. Diese Relation, die ganz kurz mit Beispielen beleuchtet wurde, werden wir im folgenden „Bezeichnungsbeziehung" nennen. Diese Relation ist die besondere Beziehung, die zwischen dem Zeichen und dem, worauf das Zeichen hinweist, besteht, kurz ausgedrückt: zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten. 16 Siehe Schmidt, 188. Über die Auffassung des Johannesevangeliums schreibt Naumann: „beim Wunder als solchem darf man nach der Meinung des Evangelisten auf keinen Fall stehen bleiben. Es sind eben saemeia, die etwas, was nicht so auf der Hand liegt, zeigen, beleuchten wollen." Naumann, 35. 17 Mensching, 104 f. " Mensching, 105. Vgl. Kahler, Dogmatische Zeitfragen, II, 110. " Stählin, 158. Vgl. 160. 20 Thielicke, Das Wunder, 94.

360

В. Bezeichnung und Ausdruck. Der allgemeine Zeichenbegriff und die Bezeichnungsfunktion des Wunders In bezug auf Wunder als Zeichen liegt die Reflexion nahe, daß der Zeichenbegriff in der modernen Semantik eine weite Bedeutung hat, während der Zeichenbegriff in der Theologie wahrscheinlich enger ist. Die Aufgabe im folgenden wird es aber sein, die Begriffsunterscheidungen der logischen Analyse des Zeichenbegriffes auf die Wunder als Zeichen nach den Aussagen moderner Theologen zu verwenden, auch wenn damit nicht der ganze Sinn des theologischen Zeichenbegriffes eingefangen werden sollte. Für die logische Klarlegung dürfte aber auch eine solche begrenztere Aufgabe von grundlegender Bedeutung sein. Mit Hilfe von Unterscheidungen zwischen verschiedenen Kategorien von Zeichen und von Beziehungen eines Zeichens, die in der modernen analytischen Philosophie geläufig sind, werden wir jetzt einige Charakteristika darstellen, die auf die Wunder als Zeichen zutreffen, ohne auf alle Zeichen überhaupt zuzutreffen. Wir wenden uns also der Frage zu, zu welchen Gattungen von Zeichen die Wunder als Zeichen gehören und, infolgedessen, welche Arten von Beziehungen für den Zeichencharakter der Wunder relevant sind. i. Die erste allgemeine Unterscheidung, die wir auch auf die Wunder als Zeichen anwenden müssen, ist die Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen grundlegenden Arten von Beziehungen eines Zeichens. Die eine dieser Beziehungen, die Bezeichnungsbeziehung, wurde schon im vorigen Abschnitt in die Darstellung eingeführt. Es gibt auch eine andere Art von Beziehung zwischen einem Zeichen und etwas anderem als die Bezeichnungsbeziehung, und zwar eine Beziehung, die dem Zeichen seinen Zeichencharakter verleiht. Das ist die Beziehung zwischen dem Zeichen und denjenigen, die das Zeichen verwenden bzw. beobachten, genauer bestimmt: die Beziehung zwischen dem Zeichen und mentalen Akten [Erlebnissen] dieser Personen. Diese Beziehung wird im folgenden „Ausdrucksbeziehung" (oder „pragmatische Beziehung"] genannt werden. Es gibt also zwei ganz verschiedene Arten von Beziehungen eines Zeichens: Bezeichnungsbeziehung und Ausdrucksbeziehung21. Die hier relevanten Arten von Entitäten, die in dem System enthalten sind, das von den Bezeichnungs- und Ausdrucksbeziehungen eines Zeichens konstituiert wird, sind die folgenden, wobei die Art einer Entität hier durch ihren Platz innerhalb des Systems der hier relevanten Beziehungen bestimmt wird: das von dem Wundertäter Ausgedrückte, das

21

Über die Bezeichnungs- und Ausdrucksbeziehungen siehe auch oben S. 296 f .

361

Zeichen selbst, das von dem Beobachter Ausgedrückte und schließlich das Bezeichnete. Denjenigen, der das Zeichen-Wunder wirkt, nennen wir hier den „Absender" des Zeichens, und den Beobachter des Zeichens nennen wir hier den „Empfänger" des Zeichens. Das von dem Absender Ausgedrückte ist seine Absicht bei seiner Verwendung des Zeichens, und zwar seine Absicht mit dem Zeichen als einem Mittel der Kommunikation mit einem Empfänger des Zeichens22. Das von dem Empfänger Ausgedrückte gehört zu den Wirkungen des Zeichens auf den Empfänger und besteht aus mentalen Akten (Erlebnissen] des Empfängers. Das Ausgedrückte besteht hier aus bestimmten mentalen Akten bei dem Empfänger, die von dem Zeichen ausgelöst werden2*. Das von dem Zeichen Bezeichnete ist - mit logischer Notwendigkeit auch intendiert, entweder von den mentalen Akten, die in der Absicht des Absenders enthalten sind, oder von den mentalen Akten, die das von dem Empfänger Ausgedrückte konstituieren. Kurz: das Bezeichnete ist intendiert von etwas, was durch das Zeichen ausgedrückt ist". 22 Vgl. Leonard, Principles of right reason, 143 f., über den Begriff 'express', der allerdings einen engeren Begriff als der Begriff 'Ausdruck des Absenders' in der vorliegenden Untersuchung darstellt. Vgl. a.a.O., 145. 23 Vgl. Hospers, Meaning and truth in the arts, 64 f., für einen ähnlichen Begriff auf dem ästhetischen Gebiet. Hospers rechnet auch mit einer 'Ausdrucksbeziehung' von Seiten des Empfängers: „expression will denote a certain state of the observer", a.a.O., 64. Er behauptet ferner, daß das bei dem Empfänger, Beobachter Ausgedrückte von dem ausdrückenden Zeichen verursacht ist [a.a.O., 66]; doch ist 'Verursachung' [auch bei einem Beobachter) ein weiterer Begriff als 'Ausdruck'. Siehe a.a.O., 67. Die Ausdrucksbeziehung ist nach Hospers durch einen erlebnismäßig besonders engen Kontakt zwischen dem ausdrückenden Zeichen und dem Ausgedrückten konstituiert, a.a.O., 68 f f . Diese letztere Konzeption scheint mir doch nicht sehr klar zu sein. 24 Bei Thielicke kann man den Gedanken belegen, daß das von einem Zeichen Bezeichnete auch Gegenstand einer Intention ist. Er schreibt erstens von dem Wunder: „Wunder ist im strengen Sinne „Offenbarung", und zwar sowohl im Hinblick auf das Was ihres Inhaltes wie auf das Daß ihres Offenbar-werdens." Thielicke, Das Wunder, 117. Hier ist durch den Ausdruck „das Was ihres Inhaltes" sicher sowohl das Bezeichnete wie das Intendierte angedeutet, während das „Offenbarwerden" dieses Inhalts sicher nicht möglich ist, ohne daß eine Intention in Richtung auf diesen Inhalt entsteht. Daß der 'Inhalt' das von einem Zeichen Bezeichnete ist, wird von einer anderen Äußerung bestätigt: „Inhalt der Offenbarung ist das, was Gottes Wort kundgibt." a.a.O., 114. Daß dieses Bezeichnete auch etwas Intendiertes ist, wird durch die folgenden Worte angedeutet: „Sofern ich vom „Inhalt" der Offenbarung - in diesem betonten, einseitigen Sinne - spreche, meine ich sie als Gegenstand der notitia." a.a.O., 114, Anm. 21. Die „notitia" würde dem entsprechen, was ich in dieser Untersuchung „Intention" genannt habe. Eine Intention im Zusammenhang des Zeichenbegriffs wird auch von Rengstorf durch das Wort „Vergewisserung" angedeutet: „Auch bei Johannes kommt die Grundtendenz von saemeion deutlich zur Geltung, sofern das Wort . . . auch hier wesentlich auf visuelle Wahrnehmung und daraus resultierende Vergewisserung abzielt." Rengstorf, 241 f. Vgl. 229 f. Von Rengstorf werden „die Sichtbarkeit und die von dem Gemeinten

362

Im nächsten Kapitel werden die Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung näher erläutert, und zwar mit Bezug auf die beiden Ausdrucksbeziehungen des Absenders und des Empfängers. Soviel läßt sich aber schon jetzt sagen, daß eine Bezeichnungsbeziehung nicht bestehen kann ohne irgend eine der beiden Ausdrucksbeziehungen des Absenders oder des Empfängers. Die Ausdrucksbeziehungen sind also die Grundlegenden. Ausdrucksbeziehungen können aber andererseits ohne Bezeichnungsbeziehung bestehen. Als Beispiel kann man die reinen Interjektionen nennen, die wohl keine Bezeichnungsbeziehung haben, aber trotzdem als Zeichen im weitesten Sinne gerechnet werden müssen. Der allgemeinste Zeichenbegriff läßt sich also in zwei Gattungen unterteilen: in Zeichen mit Bezeichnungsbeziehung, und Zeichen ohne Bezeichnungsbeziehung. In bezug auf die Wunder als Zeichen entsteht so die Frage, zu welcher dieser beiden Gattungen die Wunder gehören. Die Antwort scheint eindeutig zu sein: In dem auf Wunder als Zeichen bezogenen Zeichenbegriff ist implizite die Bedingung enthalten, daß jedes Wunderzeichen eine Bezeichnungsbeziehung hat zu etwas, was von dem Wunderzeichen bezeichnet wird. Die Wunder als Zeichen sind also Zeichen mit Bezeichnungsbeziehung. Dies stellen wir als Arbeitshypothese auf, die sich auch durch die angeführten Materialbeispiele bewähren wird. In der folgenden Verwendimg des Terminus „Zeichen", in der von Wundern als Zeichen die Rede ist, wird also der engere Zeichenbegriff konnotiert, der eine Bezeichnungsbeziehung notwendig voraussetzt. Die Termini „Zeichen" und „Bezeichnung" [mit ihren Zusammensetzungen] werden deshalb in diesen Zusammenhängen eng miteinander verflochten. Dabei stellt das Wort „Zeichen" ohne nachfolgende Präpositionen „von" oder „für" ein einstelliges Prädikat dar, das aber immer dann und nur dann von einer Erscheinung prädiziert werden kann, wenn diese in einer Bezeichnungsbeziehung steht. Die Anwendung der beiden Termini läßt sich übersichtlicher durch die beiden folgenden Definitionsgleichungen darstellen: ( ι ] χ ist Zeichen=Df. ( 3 y]x bezeichnet [steht in Bezeichnungsbeziehung zu] y. (2] χ ist Zeichen von (für] у = м . χ bezeichnet у. Die Termini „Zeichen von [für)" sowohl wie „Bezeichnung", „Bezeichnungsbeziehimg" und auch „Bezeichnungsbegriff" stehen direkt oder indirekt für Relationen, stellen also entweder ein zweistelliges Prädikat dar ausgehende Vergewisserung" als „die beiden für den Sinn von saemeion entscheidenden Faktoren" hingestellt. a.a.O., 258. 363

oder bezeichnen auch eine Relation in Abstraktion von den Relationsgliedern, als Gegenstand für Bestimmungen höherer Stufe, z.B. logische Beziehungen zu anderen Begriffen. Innerhalb der Gattung der Zeichen mit Bezeichnungsbeziehung hat aber der Zeichenbegriff, den wir der folgenden Analyse der Zeichenfunktionen der Wunder zu Grunde legen werden, eine weitest mögliche Bedeutung, und zwar im Hinblick auf das Bezeichnete. Der Rahmen dessen, was bezeichnet werden kann, ist hier der weitest mögliche. Das von einem Zeichen Bezeichnete kann also entweder ein Satzinhalt oder ein Begriff oder ein Objekt oder eine Erscheinung [Ding oder Ereignis] sein. Das, was von einem Zeichen bezeichnet werden kann, ist dasselbe, was von einem mentalen Akt intendiert werden kann25. 2. Eine andere allgemeine Unterscheidung als diejenige zwischen den Bezeichnungs- und den Ausdrucksbeziehungen, zu der wir in bezug auf die Wunder als Zeichen Stellung nehmen müssen, ist die Unterscheidung zwischen Zeichenexemplaren einerseits und Zeichengattungen oder Zeichenmustern andererseits28. Die ersteren sind individuelle Gegenstände oder Erscheinungen, die letzteren sind Allgemeinbegriffe. Dabei sind Zeichenmuster Zeichengattungen besonderer Art, die von sehr inhaltsreichen Begriffen konstituiert werden, die sich auf alle für die Bezeichnungsfunktion wesentlichen sinnlich wahrnehmbaren Züge der Zeichenexemplare beziehen". Insofern Wunder überhaupt individuelle Erscheinungen sind, müssen Wunder als Zeichen auch die logische Stellung von Zeichenexemplaren haben. Dies scheint auch generell der Fall zu sein. 3. Die dritte allgemeine Unterscheidung, die für die nähere Charakterisierung der Wunder als Zeichen von Bedeutung sein könnte, ist die Unterscheidung zwischen natürlichen Zeichen und Bezeichnungsbeziehungen einerseits und konventionellen Zeichen und Bezeichnungsbeziehungen andererseits. Diese Unterscheidung betrifft verschiedene Arten von Bezeichnungsbeziehungen. m Siehe oben S. 341 ff., wo wir ausgeführt haben, daß Entitäten derselben logischen Kategorien auch intendiert [bzw. objektiviert) werden können. Zur Unterscheidung zwischen 'Zeichenexemplar' und 'Zeichenmuster' siehe Carnap, Introduction to semantics, 5 f f . Dort stehen die Termini „sign-event" bzw. „expressionevent" für Zeichenexemplare, während „sign-design" bzw. „expression-design" für Zeichenmuster stehen. In der vorliegenden Abhandlung hat „Zeichen" einen weiten Sinn, dessen Umfang die Umfange von sowohl „sign" wie „expression" bei Carnap (a.a.O., 4 f . ) deckt. Vgl. unten S. 377 f., auch Anm. 70. Zur Unterscheidung zwischen 'Zeichenexemplar' und 'Zeichenmuster' vgl. auch Leonard, a.a.O., 1 5 1 f f . , wo zwischen 'signtoken' und 'sign-type' unterschieden wird; Naess, Interpretation and preciseness, 6 f., wo für 'Zeichenexemplar' das Wort „сору" verwendet wird. 27 Vgl. Leonard, a.a.O., 153 ff., über den Inhalt des Begriffs 'sign-type'. Die Definition findet sich a.a.O., 154.

364

Konventionelle Zeichen sind dadurch charakterisiert, daß sie willkürlich sind und daß ihre Bezeichnungsbeziehung ausschließlich durch eine Konvention gesetzt ist. Das wichtigste Beispiel solcher Zeichen sind die Wörter der natürlichen Alltagssprache28 und die Formelzeichen einer formalisierten Sprache. Konventionelle Bezeichnungsbeziehungen sind durch Regeln konstituiert, die in einer aus sowohl Absendern wie Empfängern bestehenden Sprachgemeinschaft fungieren, und die jedem Zeichenexemplar desselben Zeichenmusters etwas Bestimmtes als durch dieses Zeichenmuster bezeichnet zuteilen. Konventionelle Sprachregeln beziehen sich immer auf Zeichenmuster, auf Zeichengattungen. Natürliche Zeichen wiederum sind dadurch charakterisiert, daß die Relation zwischen Zeichen und Bezeichnetem auch von solchen Empfängern beobachtet werden kann, die nicht in diejenige Sprache eingeweiht sind, zu der das Zeichen gehört. Eine natürliche Bezeichnungsbeziehung kausaler Art besteht zwischen Wolken und Regen; eine Bezeichnungsbeziehung durch Ähnlichkeit besteht zwischen einem Bild und dem Abgebildeten2'. Eine natürliche Bezeichnungsbeziehung kausaler Art erlaubt oft eine induktive Schlußfolgerung aus dem Vorhandensein des Zeichens zu dem Vorhandensein des Bezeichneten. In diesem Falle wird besonders hervortretend, wie bei den konventionellen Zeichen, auf Zeichenmuster Bezug genommen*0. Die Begriffe 'konventionelles Zeichen' und 'natürliches Zeichen' haben keine festen Umfangsgrenzen. Zwischenformen zwischen beiden Gattungen liegen wohl z.B. in onomatopoetischen Wörtern und in graphischen Darstellungen einer Fieberkurve vor"1. Die beiden Begriffe erschöpfen wohl auch nicht alle Möglichkeiten, die für Zeichen überhaupt bestehen. In bezug auf die Wunder als Zeichen den Gedankengängen des Materials zufolge entsteht nun die Frage, ob sie zu irgend einer der beiden erwähnten Zeichengattungen gerechnet werden sollen. Einigen Materialbeispielen zufolge scheinen die Wunder nicht generell in irgendeiner dieser Gattungen untergebracht werden zu können, sondern manche Wunder müssen zu der einen, andere Wunder wiederum zu der anderen Gattung gerechnet werden. Vielleicht muß auch plausiblen Interpretationen des Materials zufolge mit einer dritten Gattung von Wunderzeichen gerechnet werden. " Vgl. Hospers, a.a.O., 32 f., 159; Leonard, a.a.O., 148 f., 156 f . " Vgl. Hospers, a.a.O., 29 f., 35,40. Leonard zufolge gründet sich die Bezeichnungsfunktion eines jeden Zeichenexemplars auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Zeichenmuster. Das gilt Leonard zufolge gleicherweise von natürlichen wie von konventionellen Zeichen. Siehe Leonard, a.a.O., 154, besonders 155 f f . "· Vgl. Hospers, a.a.O., 31.

365

Im Material kann der Gedanke belegt werden, daß auch Worte als Wunder betrachtet werden. Es ist manchmal die Rede vom 'Wunder des göttlichen Wortes'"2. Diese Wunder müßten wohl als konventionelle Zeichen angesehen werden. Die übrigen Wunder aber sind sicherlich nicht als konventionelle Zeichen anzusehen. Die Bezeichnungsfunktion der meisten Wunder dem Material zufolge kann schwerlich auf konventionelle, genau formulierbare Sprachregeln einer Sprachgemeinschaft zurückgeführt werden, die sich auf Zeichenmuster beziehen. Wenn im Material manchmal von einem Zusammenspiel zwischen Wort und Wunder die Rede ist", so wird das Wunder aber als etwas Einmaliges hingestellt insofern, als seine Bezeichnungsfunktion nicht durch Sprachregeln konstituiert wird. Andererseits teilen viele Wunder dem Material zufolge auch nicht mit den natürlichen Zeichen denjenigen Charakterzug, der darin besteht, daß ein Empfänger, ohne in die betreffende Sprache eingeweiht zu sein, das Zeichen ohne Schwierigkeit deuten könnte. Die Wunder als Zeichen werden manchmal als mehrdeutig hingestellt, als 'mißverständlich' betrachtet". Die Relation zwischen dem Wunder als Zeichen und dem Bezeichneten ist oft dem Material zufolge nicht empirisch wahrnehmbar, weil das Bezeichnete oft als übersinnlich und überempirisch hingestellt wird. Dadurch unterscheiden sich diese Wunder auch von den natürlichen Zeichen im gewöhnlichen Sinne. Man könnte vielleicht hier von einer 'metaphysischen' Bezeichnungsbeziehung reden, die weder in der Gattung der konventionellen noch in derjenigen der natürlichen Bezeichnungsbeziehungen im engeren Sinne untergebracht werden könnte. Die Darstellung hat aber gezeigt, daß in bezug auf die ausgeführte Unterscheidung die Wunder als Zeichen nicht generell in irgend einem einzigen Fach untergebracht werden können. Der Zeichenbegriff, der alle Wunderzeichen decken soll, muß als ein sehr weiter Begriff gefaßt werden. Wir legen deshalb der folgenden Darstellung einen weitest möglichen Zeichen- und Bezeichnungsbegriff zugrunde. Auf die Unterscheidung zwischen natürlicher und konventioneller Bezeichnungsbeziehung und zwischen verschiedenen Arten natürlicher Bezeichnungsbeziehungen sowie z.B. kausalen, abbildlichen oder kennzeichnenden Relationen zwischen 32

Bei Rupprecht läßt sich der Gedanke belegen, daß Worte manchmal Wunder sein können. Er schreibt an manchen Stellen von 'Wortwundern'. Siehe Rupprecht, 106, 152, 172, 188. 33

Vgl. dazu Thielicke, Das Wunder, 104 ff., 107 f., 109 f.; Der Glaube der Christenheit, 356, 366 ff., 3 7 1 . ' 4 Siehe z.B. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 396 f.; Thielicke, Das Wunder, 107 f f . , 110, 1 1 5 f . Vgl. unten S. 404 f., Anm. 19. Vgl. ferner Rengstorf, 238, wo es über die saemeia Jesu und seiner Apostel nach der Auffassung von Lukas heißt, „daß sie interpretiert werden müssen, und . . . unter Umständen auch verschieden interpretiert werden" können.

366

Zeichen und Bezeichnetem wird hier nicht mehr eingegangen. Der generelle Bezeichnungsbegriff, auf den wir uns im folgenden konzentrieren, deckt alle diese verschiedenen Arten unter sich als Spezialfälle. Es muß in diesem Zusammenhang bemerkt werden, daß die Bezeichnungsbeziehung in den im nächsten Abschnitt С angeführten Beispielen aus dem Material auch durch andere Wörter bezeichnet und angedeutet wird als durch die Wörter „Zeichen" und „Bezeichnung". Es gibt Beispiele aus dem Material, in denen nicht nur das Wort „Zeichen" für den Zeichencharakter der Wunder steht. Dabei bezeichnen viele dieser anderen Wörter verschiedene Spezialfälle des Zeichen- und des Bezeichnungsbegriffs, die aber als Spezialfälle den übergeordneten, weiteren Zeichen- und Bezeichnungsbegriff logisch implizieren. Durch Vermittlung dieser logischen Implikation bezeichnen sie auch diesen generellen, übergeordneten Zeichen- und Bezeichnungsbegriff. Diese verschiedenen Termini werden deshalb alle von der generellen Analyse mit Hilfe dieses generellen Zeichenund Bezeichnungsbegriffs gedeckt. Wir haben die folgenden Termini aus den Materialbeispielen des nächsten Abschnittes unter den allgemeinen Zeichen- und Bezeichnungsbegriff zusammengefaßt: „Verkündigung", „kundgeben", „Hinweis", „deuten auf", „Offenbarung", „offenbart", „enthüllt" und „hörbar macht" haben wohl eine ziemlich generelle Konnotation. Spezifischer sind Wörter, die das Bezeichnete in der Zukunft im Verhältnis zum Zeichen hinstellen: „Weissagung", „vordeuten auf", „Wetterleuchten", „vorbildliche Hinweisung auf" und „Unterpfand". Andere Wörter haben eine spezifische Bedeutung insofern, als sie eine Ähnlichkeit zwischen Zeichen und Bezeichnetem andeuten: „Abbild" und „abbildliche Hinweisung auf". Eine stärkere, spezifische Bezeichnungsbeziehung wird ferner von den Wörtern „ausweisen", „erweisen" und „Kennzeichen" angedeutet. Hier läge der Gedanke an eine Schlußfolgerung von dem Zeichen zu der Faktizität oder der Wahrheit des Bezeichneten nahe. Verschiedene speziellere Arten von Bezeichnungsbeziehungen, die nicht generell auf alle Wunder als Zeichen zutreffen, werden in diesem Kapitel im folgenden nur dann analysiert, wenn sie von besonderem logischen Interesse sind". Im nächsten Kapitel 14 werden dann solche spezielleren Gattungen von Bezeichnungsbeziehungen diskutiert, die durch spezielle Kombinationen und Arten von Ausdrucksbeziehungen des Absenders oder des Empfängers logisch bedingt sind, und zwar in Zusammenhang mit der Darstellung der logischen Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung überhaupt durch Bezugnahme auf die beiden Ausdrucksbeziehungen des Absenders und des Empfängers.

36

Siehe unten S. 377 f f .

367

С. Das von dem Wunder Bezeichnete in Bestimmungen Wunderbe griffen und von Wundern im Material

von

Wenn im Material der Zeichenbegriff als Bestimmungselement in Wunderbegriffen dient, so wird in den meisten Fällen in den Bestimmungen von Wunderbegriffen auch das erwähnt, worauf die Wunderzeichen hinweisen, was sie bezeichnen. Es ist wesentlich für theologische Wunderbegriffe, die den Zeichenbegriff enthalten, daß sie auch Bestimmungen enthalten, die sich auf das von den Wundern Bezeichnete beziehen. Wenn in den Bestimmungen des Wunderbegriffs im Material der Zeichencharakter angeführt oder vorausgesetzt wird, werden auch wenigstens bestimmte Klassen erwähnt, innerhalb deren die von den Wundern bezeichneten Entitäten zu suchen sind; verschiedene Wunder können dem Material zufolge dabei verschiedene Größen bezeichnen. Das Material führt fast immer religiös qualifizierte Größen an als die von den Wunderzeichen bezeichneten Entitäten. Damit ist nicht gesagt, daß die Klasse von diesen religiösen Größen klar abgegrenzt ist. Die von den Wundern bezeichneten Entitäten sollen im folgenden „Designata" im Plural und „Designatum" im Singular genannt werden. Es werden jetzt Beispiele aus dem Material für Designata der Wunderzeichen angeführt. Abstrakte, unpersönliche, irgendwie 'metaphysische' Designata der Wunder wie 'das Unbegreifliche, das Ewige, das Jenseits' werden in mehreren allgemeinen Sätzen über Wunder bei Schomerus erwähnt und als Designata der Wunder hingestellt. Schomerus schreibt viele Sätze, die sich über alle Wunder äußern, und die einen mehr oder weniger ausgesprochenen definitorischen Charakter haben. Er schreibt: Wunder stehen nicht für sich, wie Mirakel .. Sie sind Zeichen und Hinweis auf das Unbegreifliche . . . Alle Hinweise dieser Art deuten auf den, der unsere ewige Hoffnung ist - Jesus Christus". In dieser vielleicht definitorischen Äußerung über alle Wunder werden diese als Zeichen des Unbegreiflichen bezeichnet. Aber außer diesem unpersönlichen Designatum wird auch Jesus Christus als Designatum der Wunder erwähnt. In den übrigen grundsätzlichen Äußerungen von Schomerus über die Wunder im allgemeinen wird aber Jesus Christus nicht weiter explizite als Designatum der Wunder erwähnt; 'das Unbegreifliche' spielt aber eine um so größere Rolle: Das Denken . . . ist sozusagen ein Wunder, das heißt: ein Zeichen des Unbegreiflichen"7. " Schomerus, Über das Wunder, 9. " Schomerus, 6. In diesem Zusammenhang ist es von größtem Interesse zu sehen, wie Schomerus 'das Unbegreifliche' selbst bestimmt. Er schreibt, „daß es wirklich ein Jen-

368

Der Ausdruck „das heißt" deutet an, daß die Äußerung die Rolle einer Definition spielt. Das Wunder wird auch als 'Zeichen' des Verhältnisses zwischen dem 'Begreiflichen' und dem 'Unbegreiflichen' hingestellt'8. Nach Schomerus ist „alles was wir" über die „Grenze" zwischen dem „Begreiflichen und dem Unbegreiflichen" aussagen, „Verkündigung des Unbegreiflichen und Ewigen". Schomerus fährt fort: Alles was in diesem Sinne verkündigt wird, ist Wunder. Es ist ein Zeichen dafür, daß das Ewige nicht bloß ein Gedanke ist (es kann ja nicht einmal gedacht werden!), sondern W i r k l i c h k e i t . . . die alles Irdische und Zeitliche t r ä g t . . . Das Ewige beginnt nicht erst nach der Zeit, Wirklichkeit zu werden . . Das Zeitliche ist nur wirklich, weil es dem Ewigen gefällt, daß das Zeitliche sei, und . . nichts Zeitliches und Irdisches ohne das Ewige. Das Wunder aber steht als ein Zeichen dieses Verhältnisses von Ewigkeit und Zeit, es offenbart . . . die unausdenkbare und unbegreifliche Herrlichkeit des Ewigen im Zeitlichen".

Von der abstrusen Spekulation, daß das Ewige „nicht einmal gedacht werden kann", aber zugleich von einem Zeichen bezeichnet werden kann, sehen wir hier ab. Uns interessiert in dem Zitat nur die Frage, welche Größen als Designata der Wunder angeführt werden. In diesem Zitat wird ein neues Begriffspaar als Designatum der Wunder eingeführt: 'das Ewige' und 'das Zeitliche'. Dabei deckt sich anscheinend das 'Ewige' mit dem 'Unbegreiflichen' und das 'Zeitliche' mit dem 'Begreiflichen'. Schomerus führt als Designata der Wunder auch das 'Jenseits' und das 'Diesseits' ein. Diese beiden Größen fallen anscheinend auch mit dem 'Ewigen' bzw. mit dem 'Zeitlichen' zusammen. Auch das Verhältnis der beiden Größen wird bei Schomerus nach Analogie des Verhältnisses von 'Ewigem' und 'Zeitlichem' bestimmt". Und auch für dieses Verhältnis stehen die Wunder als Zeichen:

seits des grundsätzlich Begreiflichen gibt: also ein grundsätzlich Unbegreifliches . . . Das Unbegreifliche aber, von dem wir in diesem Zusammenhang reden, ist keineswegs das Noch-nicht Begriffene". Schomerus, 5. 38 Schomerus schreibt, daß die 'Wahrheit' das Denken 'qualifiziert'. Allgemeiner behauptet er von der 'Wahrheit': „es ist das Unbegreifliche, durch das alles Begreifliche qualifiziert wird". Für dieses Verhältnis steht Schomerus zufolge das Wunder als Zeichen: „ D a ß aber dieses sich nicht nur in mente . . . sondern in re - in Wirklichkeit so verhält, dafür steht das Wunder als Zeichen. Es steht genau auf der Grenze zwischen dem Begreiflichen und dem Unbegreiflichen, und es steht dort als ein Zeichen dafür, daß alles Begreifliche seine Herrlichkeit im Unbegreiflichen hat." a.a.O., 6. A u c h hier scheint es sich um eine allgemeine Aussage über die Wunder überhaupt zu handeln. Schomerus, 5. A n einer anderen Stelle schreibt Schomerus ausführlicher über dieses Verhältnis von 'Diesseits' und 'Jenseits' und über die Grenze zwischen beiden, daß es richtig wäre, „wenn man die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits weder räumlich noch zeitlich in irgendeinem Sinne definiert, sondern qualitativ". a.a.O., 5. 40

24 - 566-3501

Denn im Wunder wird sichtbar wie in einem Zeichen, daß Jenseits und Diesseits weder räumlich noch zeitlich voneinander geschieden sind: Diesseits und Jenseits werden im Ereignis eins - Gott ist gegenwärtig] So geschehen alle Wunder, von denen das Neue Testament berichtet". Auch 'Gottes Gegenwart' wird als Designatum wenigstens aller derjenigen Wunder, „von denen das Neue Testament berichtet", bezeichnet. Die Grenze zwischen 'Diesseits' und 'Jenseits' fällt nach Schomerus mit der Grenze zwischen dem 'Begreiflichen' und dem 'Unbegreiflichen' zusammen". Es liegt deshalb nahe zu vermuten, daß auch das 'Diesseits' mit dem 'Begreiflichen' und das 'Jenseits' mit dem 'Unbegreiflichen' identifiziert wird. So weit äußert sich Schomerus über alle Wunder - mit der möglichen angedeuteten Einschränkung auf die neutestamentlichen Wunder. Das, was Schomerus wiederum über einzelne Wunder und deren Bezeichnungsfunktionen schreibt, stimmt gut zu seinen allgemeinen Sätzen über die Bezeichnungsfunktion der Wunder". Ein neuer Begriff begegnet uns allerdings in dem Ausdruck „Schöpfermacht, die wir im gewohnten Fortgang des natürlichen Jahres nicht erkennen", und dieser Begriff soll nach Schomerus durch das Speisungswunder bezeichnet sein zusammen mit dem Satzinhalt, daß diese Schöpfermacht sich überall im 'Irdischen' betätigt". Diese Aussagen über das Speisungswunder bedeuten höchstens ein Komplement, nicht einen Widerspruch zu dem, was über alle Wunder überhaupt ausgesagt worden ist. Die unpersönlichen Designate bei Schomerus haben eine ausgesprochene 'religiöse' Bedeutung. Noch klarer tritt diese aber hervor, wenn wir jetzt zu stärker persönlichen und ausgesprochen 'christlich' qualifizierten Designata übergehen. So werden Gott und seine Wirksamkeit bei mehreren Theologen als Designata der Wunder hingestellt. So schreibt Cremer über die Wirksamkeit des göttlichen Faktors, daß sie „in Erlebnissen, wie sie in keiner andern Geschichte erlebt werden" erscheine. Er fährt fort: und diese Erlebnisse haben Gott zum Gegenstand . . . der seinen Willen und zwar seinen Heilswillen dem Volke kund thut und in seinen Machtthaten in Güte und

41

Schomerus, 8.

12

Schomerus, 5: „Diesseits und Jenseits bezeichnen sozusagen unterschiedliche Quali-

täten, die jeweils sowohl den Raum wie die Zeit vollkommen durchdringen . . . Denn diese qualitativ definierte Grenze fällt mit der zwischen dem Begreiflichen und dem Unbegreiflichen vollkommen zusammen." "

Das Wunder zu Kana ist nach Schomerus u.a. 'sichtbarer Erweis des Unbegreiflichen

und Ewigen'. Die Heilungswunder sind Zeichen für das 'Unbegreifliche' in jeder Heilung. Siehe a.a.O., 8 f . "

Schomerus, 8.

З70

Ernst sich offenbart als den, der seinen Willen ausführen kann und wird. Damit ergiebt sich, daß die Zeichen der Wirksamkeit dieses göttlichen Faktors Weissagung und Wunder sind". In diesem Zitat betreffen die Aussagen jedenfalls alle biblischen Wunder, und die Designata dieser Wunder werden durch die Ausdrücke „ G o t t . . . als den, der seinen Willen ausführen kann und wird" und „Wirksamkeit dieses göttlichen Faktors" angedeutet. Ein anderer Theologe, Lauerer, schreibt: daß das Wunder notwendig dynamisch verstanden werden müsse, um reale Restitution in den ursprünglichen Zustand zu sein, ja daß es dynamis sein müsse, um in dieser Sünden- und Todeswelt auch nur ein verläßliches saemeion der göttlichen Liebe sein zu können". Über alle Wunder wird hier anscheinend ausgesagt, daß sie „die göttliche Liebe" bezeichnen. In einem anderen Zusammenhang, der deutlicher als eine Definition seines Wunderbegriffs auftritt, erwähnt Lauerer die „drei konstitutiven Merkmale eines Ereignisses .., das Wunder im christlichen Sinne sein will". Hier interessiert uns das eine dieser Merkmale, das Lauerer so formuliert: Es muß . . . zum Zeichen (saemeion) des Eingriffs einer gewöhnlich nicht eingreifenden Kraft (dynamis) werden47. Aus dem Kontext in seinem Aufsatz geht hervor, daß Lauerer diese Kraft als eine 'transzendente' Kraft auffaßt. Bei einem Exegeten, Jordan, tritt deutlich hervor, daß eine solche 'transzendente' Kraft göttlich oder widergöttlich sein kann. Jordan schreibt, daß es „für die neutestamentliche Wunderauffassung höchst bezeichnend" sei, daß terata stets verbunden wird mit saemeia .., daß stets nicht das Wunder als solches betont wird, sondern stets die göttliche oder eventuell widergöttliche Kraft, die sich in ihm offenbart. Er fährt fort mit der Behauptung, daß dem NT zufolge das ungewöhnliche Geschehen in ganz besonderer Weise . . . zum Kennzeichen göttlichen oder teuflischen Waltens wird". Das dem N T zufolge von den Wundern Bezeichnete wird also von Jordan durch die Ausdrücke „die göttliche oder . . widergöttliche Kraft" und „göttlichen oder teuflischen Waltens" beschrieben. 15

Cremer, 26. Vgl. Titius, Religion und Naturwissenschaft, 91. " Lauerer, 398. 47 Lauerer, 396. " Jordan, 602.

З71

Gott sowohl wie Christus werden einem anderen Exegeten, Fitzer, zufolge von den neutestamentlichen Wundern bezeichnet: Das Wunder ist zu begreifen als das Zeichen der Gegenwart Gottes in Chri. 49

stus .

A n einer anderen Stelle heißt es: Die dynameis sind das Zeichen, daß der Göttliche gegenwärtig ist, die Stelle, an der es f ü r den Menschen nur die metanoia gibt50.

Die Wunder bezeichnen ihm zufolge sowohl den Satzinhalt, 'daß der Göttliche gegenwärtig ist', die eine bestimmte Beziehung zwischen Gott und Christus51. Christus spielt bei mehreren Theologen eine große Rolle als Designatum der Wunderzeichen. Über die Auffassung von Lukas schreibt Naumann das Folgende: A b e r jedenfalls schätzt auch er die Wunderthaten des Herrn als Zeichen seiner messianischen Größe 52 .

Naumann deutet also an, daß nach der Wunderauffassung von Lukas alle Jesu Wunder Jesu 'messianische Größe' bezeichnen. Jesus sowohl wie andere religiös autoritative Personen werden nach der Auffassung Schmidts von den Wundern bezeichnet. So schreibt er, daß die Wunder, als sinnenfällige Wirkungen übermenschlicher Kraft, den, der sie vollbringt, als einen von Gott Gesandten ausweisen 53 .

Dieser Satz könnte so gedeutet werden, daß alle Wunder diesem Satz zufolge einen Satzinhalt bezeichnen, daß der betreffende Wimdertäter 'von Gott gesandt' ist. Ganz allgemein dürfte es nämlich schwer sein, einen Unterschied zu finden zwischen einer Bezeichnung von X als einem F und einer Bezeichnung dessen, daß X ein F ist. Über alle Jesu Wunder schreibt er, daß sie als dynameis Jesum als einen alle Menschen überragenden Gottgesandten erweisen. A b e r von überwiegend größerer Bedeutung für uns sind sie doch in" Fitzer, 171. Vgl. Schütz, 150. Vgl. ferner [für einzelne Wunder) Rengstorf, 238. · · Fitzer, 179. " Fitzer zufolge behaupten aber nicht die Synoptiker, sondern erst das Johannesevangelium, daß die erwähnten Bezeichnungsfunktionen den Wundern zukommen. Er schreibt, daß „im ganzen . . . auf der Deutungsstufe, auf der die Synoptiker stehen, der Gedanke, daß die Wunder Zeichen seien, noch nicht zu voller Ausprägung gekommen ist. Auch an dieser Stelle zieht erst das Johannesevangelium die theoretischen Konsequenzen". a.a.O., 179 f. *s Naumann, 66. Vgl. Rengstorf, 251, über die Auffassung des Johannesevangeliums. " Schmidt, 195. Vgl. Mensching, 78, über die „aktuellen Bestätigungswunder"; Rengstorf, 241, über die apostolischen saemeia. З72

sofern, als sie Abbilder und Unterpfänder sind seines Erlösungswerkes und Weissagungen dessen, was noch erst zukünftig ist64.

Die Wunder Jesu bezeichnen hiernach den Satzinhalt, daß Jesus ein 'alle Menschen überragender Gottgesandter' ist, und sie bezeichnen Jesu Erlösungswerk und etwas „was noch erst zukünftig ist". Die saemeia Jesu bezeichnen nach Schmidt überhaupt „eine höhere, geistliche Wirkung". Sie haben ihm zufolge ihre Bedeutung als saemeion, als abbildliche, vorbildliche Hinweisung auf eine höhere, geistliche Wirkung 55 .

Außer den angeführten Aussagen von Schmidt über Jesu Wunder im allgemeinen gibt es auch bei ihm Äußerungen über einzelne Wunder Jesu und deren Bezeichnungsfunktionen. Ihm zufolge ist Die Stillung des Sturms - ein saemeion dessen, daß Jesus seine Gemeinde wider alle Anfechtung feindlicher Gewalten siegreich schützen will. Das erste seiner saemeia, die Verwandlung des Wassers der Reinigung in den Wein, der die Hochzeitsfreude erhöht, ein saemeion dafür, daß Jesus gekommen ist, ewige Freude zu bringen und zwar so, daß die zeitliche Trübsal selbst dazu dienen muß".

Die beiden erwähnten Wunder bezeichnen beide nach Schmidt solche Satzinhalte, die von Jesus handeln und die mit dem 'Erlösungswerk' Jesu zu tun haben. Ihre angebliche Bezeichnungsfunktion stimmt gut zu Schmidts angeführten Aussagen über Jesu Wunder im allgemeinen als Zeichen „seines Erlösungswerkes". Mit 'Jesu Erlösungswerk' hängt nach Thielicke das 'Reich Gottes' eng zusammen, das von ihm als ein wichtiges Designatum der Wunder Jesu angeführt wird. Über Jesus und seine Wunder schreibt er: Aber das alles, was er da tut im Wunder und im Wort, heilend und vergebend, das alles sind nur einzelne Zeichen . . . Und diese einzelnen Zeichen versteht das Neue Testament sozusagen als ein Wetterleuchten des Reiches Gottes am Horizont, ein Wetterleuchten, das den Tag ankündigt, das das Reich Gottes ankündigt. Und in diesem Reich, das . . . auf uns zukommen will, werden Schuld und Leid zu Ende gekommen sein und selbst der Tod wird nicht mehr sein57.

Thielicke erklärt hier, daß das N T alle Wunder Jesu ab Zeichen verstehe, die das Reich Gottes und seine nähere Beschaffenheit bezeichnen. Das 'Reich Gottes' wird auch in seinen ganzen Kontrast zu 'der uner" Schmidt, 197. Vgl. Kahler, 110; ferner Rengstorf, 238, über die apostolischen Wunder; 248, über Jesu Wunder nach der Auffassung des Johannesevangeliums. w Schmidt, 196. Vgl. Stählin, 162. " Schmidt, 197. " Thielicke, Der Glaube der Christenheit, 356. Vgl. Delling, 266, 271, 280; Mensching, 46; Stählin, 165. Vgl. ferner Rengstorf, 239, über die Wunder der Apostelgeschichte.

373

lösten Welt' als Designatum der Wunder hingestellt. Das geschieht bei Thielicke unter der Überschrift „Wunder als Gesetz und Evangelium": Das Wunder ist Gesetz, indem es das Leid der unerlösten W e l t enthüllt. Denn das geschieht doch, wenn Jesus seine Hand auf die Gichtbrüchigen, die Lahmen, Blinden und Leidtragenden legt. In alledem macht er das Seufzen der Kreatur laut hörbar und rückt die Schmerzen dieser zu Ende gehenden W e l t in das Licht des kommenden Reiches . . . indem Jesus im Wunder eingreift in das W e h der Welt, gibt er kund, daß dies alles nicht tragische Ordnung, sondern - eben die Unordnung einer gefallenen W e l t ist und daß es keinen Pakt zwischen dieser Unordnung und Gott gibt68.

Das Zitierte bezieht sich auf alle Wunder Jesu. Sie bezeichnen nach Thielicke „das Leid der unerlösten Welt", „das Seufzen der Kreatur" und dergleichen in ihrem Kontrast zum 'Reiche Gottes'. Sie bezeichnen ferner, daß das Leid „eben die Unordnung einer gefallenen Welt ist, und daß es keinen Pakt zwischen dieser Unordnung und Gott gibt". Aber das Wunder ist nach Thielicke auch andererseits Evangelium und bricht zeichenhaft und vordeutend auf die zukünftige Enthüllung der Glorie Gottes den Welt-Bann".

Auch dieses Zitat scheint eine allgemeine Aussage wenigstens über alle Wunder Jesu auszudrücken, und das Designatum der Wunder wird durch den Ausdruck „die zukünftige Enthüllung der Glorie Gottes" angedeutet. Als übergreifendes Designatum aller Wunder überhaupt schon dem Wunderbegriffe zufolge scheint Thielicke „Gottes Heilsgeschichte mit dem Menschen" aufzufassen: Inhalt der Offenbarung ist das, was Gottes W o r t k u n d g i b t . . Es ist Gottes Heilsgeschichte mit den Menschen 60 .

Daß diese Heilsgeschichte nicht nur von 'Gottes Wort', sondern auch von den Wundern bezeichnet wird, geht aus einer anderen Stelle hervor: Wunder ist im strengen Sinne „Offenbarung", und zwar sowohl im auf das Was ihres Inhaltes wie auf das Daß ihres Offenbarwerdens'1.

Hinblick

Der Zeichenbegriff wird in diesen Zitaten durch das Wort „Offenbarung" konnotiert, und das Bezeichnete wird seinem Begriffe nach durch die Ausdrücke „das Was ihres Inhaltes" und „Inhalt der Offenbarung" konnotiert. Bisher haben wir allgemeine Aussagen Thielickes über die Bezeichnungsfunktion der Wunder angeführt. A n einer anderen Stelle führt Thielicke einen prinzipiellen Gedankengang durch, dessen Formulierung mit der Erwähnung von einzelnen Wundern oder von untergeordneten Wundergattungen eng verflochten ist. Thielicke schreibt über die •* Thielicke, Das Wunder, 118. »· Thielicke, a.a.O., 134·

374

Thielicke, a.a.O., 114. " Thielicke, a.a.O., 117.

,l>

semeia für die Parusie des Menschensohns: Verfolgungszeiten und kosmische Katastrophen sind die notwendigen Begleiterscheinungen und Vor-Erscheinungen der Parusie, sind ein Stück ihrer Wirklichkeit selber. Das Gleiche ließe sich auch in der übrigen Verwendung des semeion Begriffs . . . zeigen und eben auch und vor allem an den semeia kai terata Jesu selber. Denn Krankenheilungen, Dämonenaustreibungen und Totenerweckungen sind eben in spezifischer Weise indirekte Kennzeichen und indirekte Machtwirkungen - wieder in eins! - der hereinbrechenden Gottesherrschaft. Denn das eben ist doch das Zeichen dieser basileia, nein, das ist sie selber: daß die Lahmen gehen und die Blinden sehen und den Armen die frohe Nachricht verkündet wird (Mt. n , 5 ) " .

Hier bezieht sich Thielicke vor allem auf die Wunder Jesu, aber auch auf die saemeia im N T überhaupt. Zwischen Zeichen und Bezeichnetem besteht ihm zufolge eine besonders enge Verbindung. Die Zeichen von 'der hereinbrechenden Gottesherrschaft' bilden einen Teil dieser Gottesherrschaft selbst, und sie sind auch Thielicke zufolge von dieser Gottesherrschaft kausal abhängig. Die Zeichen sind also hier Wirkungen des Bezeichneten. Oder die Gottesherrschaft wird auch als ein Begriff aufgefaßt, der auf solche Vorkommnisse zutrifft wie die, 'daß die Lahmen gehen, und die Blinden sehen' und dergleichen. Diese Vorkommnisse werden als Zeichen dieser 'Gottesherrschaft' hingestellt. Das, was Thielicke als den Inhalt der Gottesherrschaft und des Gottesreiches darstellt, stimmt gut zu dem, was Cremer mit den Worten „Heil Gottes" und „zukünftige Heilsvollendung" und ähnlichen Ausdrücken bezeichnet. Mit diesen Ausdrücken spricht er von Designata der Wunder. Über die Wunder überhaupt, aber besonders über die Wunder Jesu und deren Bezeichnungsfunktion schreibt Cremer: Sind nun die Wunder Zeichen, so wollen sie gedeutet werden, und zwar gedeutet auf das Heil Gottes, auf die Person des Heilandes und auf das zukünftige vollendete Heil. Die Wunder Jesu insonderheit sind Zeichen in doppeltem Sinne. Sie sind Zeichen der eingetretenen Heilsgegenwart und damit Zeichen der Messianität Jesu, und sie sind Zeichen der um Jesu willen nunmehr zweifellosen, der zukünftigen Heilsvollendung, da Gott abwischen wird alle Thränen von aller Augen. Sie haben sowohl symbolische, wie prophetisch-eschatologische Bedeutung, und entweder gilt beides, oder es gilt das eine oder das andere hiervon. Die Heilung der Besessenen will wesentlich als Zeichen seiner Messianität, die Sabbathsheilungen wollen als Zeichen seines Liebeswillens und seiner Liebesmacht betrachtet werden, anderes dagegen, wie die Heilung der Blinden, die Auferweckung der Toten hat wesentlich prophetisch-eschatologische Bedeutung8*.

In diesem Zitat werden nicht alle erwähnten Designata als Designata aller Wunder hingestellt, obwohl hier universale Aussagen über die Wunder überhaupt und über die Wunder Jesu gemacht werden. Die universalen Aussagen über die Bezeichnungsfunktion der Wunder haben hier die logische Form von universalen Disjunktionen. Das tritt besonders klar her" Thielicke, a.a.O., 104. " Cremer, 72. Vgl. Delling, 266, 268.

375

vor in den Aussagen über die Wunder Jesu. Um die logische Struktur dieser Aussagen explizite hervorzuheben, kann man sie auf folgende Weise umformulieren: [ 1 ] 'Für jedes X gilt, daß wenn X ein Wunder Jesu ist, entweder X ein Zeichen der eingetretenen Heilsgegenwart und der Messianität Jesu ist oder X ein Zeichen der zukünftigen Heilsvollendung ist.' Es ist zu bemerken, daß eine Disjunktion nach der modernen Logik in dem Sinne inklusiv ist, daß beide Alternativen einander nicht auszuschließen brauchen. Dieser Zug der Disjunktion stimmt genau zu einer expliziten Formulierung in dem angeführten Text: „entweder gilt beides, oder es gilt das eine oder das andere hiervon." Cremer erwähnt in dem Text Beispiele für einzelne Wunder, die das erste Glied der Disjunktion [ i ] erfüllen und dann für Wunder, die das zweite Glied von [ i ] erfüllen. Möglicherweise deuten die Beispiele einzelner Wunder, die das erste Glied erfüllen, an, daß dieses erste Glied wiederum eine Disjunktion von [mindestens] zwei Gliedern ist: für jedes Wunder X, wenn X das erste Glied von (i) erfüllt, ist entweder X ein Zeichen der Messianität Jesu, oder X ist ein Zeichen „seines Liebeswillens und seiner Liebesmacht". Die klar ausgesprochene universale Disjunktion in bezug auf die Wunder Jesu legt eine ähnliche Disjunktion nahe als eine einleuchtende Deutung dessen, was Cremer über die Wunder überhaupt aussagt. Diese Deutung könnte so formuliert werden: (2) 'Für jedes X gilt, daß wenn X ein Wunder ist, X das Heil Gottes bezeichnet, und außerdem bezeichnet X entweder die Person des Heilandes, oder X bezeichnet das zukünftige vollendete Heil.' Im Gegensatz zu Thielicke behauptet Cremer, daß keine enge Beziehung, d.h. keine Identität oder Teil-Ganzheitsbeziehung zwischen einem Wunder und dem von dem Wunder Bezeichneten bestehe: Wunder sind . . nur Gegenwirkungen im einzelnen Fall und für den einzelnen Fall, so daß sie nicht der Anfang, sondern nur das Zeichen einer erst zukünftig eintretenden neuen Ordnung der Dinge sind".

Ob diese Aussage sich auf alle Wunder bezieht, ist sehr zweifelhaft im Lichte der oben angeführten universalen Disjunktion, die ja bei Cremer so deutlich hervortritt. D. Die logische Struktur verschiedener Typen von Sätzen über Bezeichnungsbeziehungen Die Tatsache, daß es für theologische Wunderbegriffe, die den Zeichenbegriff als Bestimmungselement enthalten, wesentlich ist, daß sie sich auf " Cremer, 79.

З76

die Designata der Wunder beziehen, ist nicht nur von theologischem, sondern auch von formallogischem Interesse. Ein Rückblick auf die schon angeführten Beispiele aus dem Material zeigt bei einer näheren Analyse, daß die angeführten und angedeuteten Designata zu verschiedenen logischen Kategorien gehören können. Es werden in verschiedenen Beispielen sowohl Satzinhalte wie Begriffe und Gegenstände (extensionale Objekte wie Dinge, Ereignisse und individuelle Zustände) als Designata von Wundern angeführt'5. Satzinhalte werden in diesen Beispielen öfters durch sprachliche Nebensätze, die mit dem Wort „daß" eingeleitet werden, bezeichnet. Satzinhalte als Designata von Wundern sind z.B. durch solche Wendungen wie die folgende angedeutet und erwähnt: „daß das Ewige Wirklichkeit... (ist), die alles Irdische und Zeitliche trägt." Manchmal fehlt aber das einleitende Wort „daß", wie in dem folgenden Beispiel: „Gott . . . als den, der seinen Willen ausführen kann und wird"86. Besondere Beachtung erfordert aber die Tatsache, daß Satzinhalte in getarnter Weise oft durch Substantivkonstruktionen bezeichnet werden. Designata von Wundern werden als solche z.B. durch die folgenden substantivischen Ausdrücke aus dem Material angeführt: „das Verhältnis zwischen Ewigkeit und Zeit", „Wirksamkeit des göttlichen Faktors", „göttliche Liebe", „Gegenwart Gottes in Christus", „Jesu messianische Größe" und „Jesus als einen Gottgesandten"". Die Tatsache, daß diese Substantivkonstruktionen sehr leicht in sprachliche Sätze umformuliert werden können, gibt zu verstehen, daß sie nach einer einleuchtenden Deutung so gedeutet werden können, daß sie Satzinhalte bezeichnen. Manche der angeführten Substantivkonstruktionen können aber auch als Bezeichnungen von Begriffen gedeutet werden, die sinnvoll auf Gegenstände, auf extensionale Objekte, zutreffen können. Das gilt z.B. von dem Ausdruck „göttliche Liebe" und besonders von „Wirksamkeit des göttlichen Faktors". Verschiedene individuelle Ereignisse und Handlungen können als Fälle, als Exemplare von 'göttlicher Wirksamkeit' angesehen werden. Insofern ist 'göttliche Wirksamkeit' ein Begriff. So kommt in dem Material z.B. der Ausdruck „göttliches oder teuflisches Walten" vor als Bezeichnung eines Designatum der Wunder. Begriffe werden sonst von den folgenden Ausdrücken aus den zitierten Beispielen bezeichnet: „das Unbegreifliche, Ewige" und „Schöpfermacht"68. Gegenstände als von Begriffen bestimmte und bestimmbare Objekte 65

Die Beispiele, die im folgenden angeführt werden, sind alle den Beispielen entnom-

men, die im vorigen Abschnitt zitiert wurden, wobei jedoch f ü r die logische Kategorie derselben unwesentliche Bestandteile weggelassen werden. "

Für Materialbelege dieser Zitate siehe oben S. 369 bzw. 3 7 0 f .

"

Für Belege siehe oben S. 369, 3 7 1 f f .

68

Für Belege siehe oben S. 3 7 1 bzw. 369, 370.

377

werden z.B. durch die folgenden Ausdrücke angedeutet: „Jesus Christus: den, der unsere ewige Hoffnung ist", „Jesu Erlösungswerk", „Reich Gottes" und „die zukünftige Heilsvollendung'"". Diese Ausdrücke können ziemlich einleuchtend als klare oder getarnte bestimmte Kennzeichnungen von individuellen Objekten gedeutet werden. Es ist aber nicht nur so, daß die Designata der Wunderzeichen zu verschiedenen logischen Kategorien gehören können. Auch ein und dasselbe Wunder kann mehrere Designata haben, und diese Designata eines und desselben Wunderzeichens können auch zu verschiedenen logischen Kategorien gehören. Dasselbe Wunderzeichen könnte z.B. einen Satzinhalt über Jesus sowohl wie Jesus selbst bezeichnen. Wenn ein von einem Wunder bezeichneter Satzinhalt von einem 'religiös' wesentlichen Objekt handelt, ist es sogar plausibel, daß dasselbe Wunder auch für dieses Objekt als Zeichen dient. Für Wunder als Zeichen scheint es überhaupt keine Regeln zu geben, um eine propositionale Bezeichnung (eines Satzinhaltes] von einer nominalen Bezeichnung (eines Objekts oder eines Begriffs) zu unterscheiden. Darin unterscheiden sich die Wunder von den Zeichen einer natürlichen, konventionellen oder einer formalisierten Sprache. Die Zeichenfunktionen als Satz oder als Nomen können in bezug auf die Wunder nicht so genau voneinander getrennt werden wie in bezug auf konventionelle Zeichen (Sätze oder Wörter einer konventionellen Sprache)70. Wenn ein und dasselbe Zeichen mehrere Designata hat, so steht das Zeichen natürlich auch als Glied in verschiedenen Bezeichnungsbeziehungen, und nichts steht an und für sich dem im Wege, daß diese verschiedenen Bezeichnungsbeziehungen eines und desselben Zeichens von verschiedener Art sind71. Ein besonderes Problem in bezug auf die Bezeichnungsbeziehung entsteht in solchen Sätzen im Material, die anscheinend eine Bezeichnungsbeziehung von Wundern aussagen, die aber dabei das angebliche De" Für Belege siehe oben S. 368, 372 f., 375. ™ Es ist zu beachten, daß die sprachlichen Sätze und viele Ausdrücke (der natürlichen Sprache) Teile haben, die selbst Zeichen sind. Ein sprachlicher Satz ist ein Zeichen, das Teile hat, die selbst Zeichen sind, nämlich die darin enthaltenen Wörter. Dasselbe gilt für viele andere sprachliche Ausdrücke. Dieser Zug ist dagegen nicht als sicher gegeben, wenn ein Wunder als Zeichen für einen Satzinhalt dient. Die angeführten Beispiele aus dem Material enthalten keine Indikationen, die darauf hindeuten, daß die Wunder als Zeichen selbst Teile haben, die Zeichen sind. Natürlich ist dadurch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, daß auch die Wunder als Zeichen diesen Zug manchmal besitzen könnten. 71 Vgl. die Unterscheidungen zwischen konventionellen und 'natürlichen' sowohl wie zwischen realen und fiktiven Bezeichnungsbeziehungen. Siehe oben S. 364 f. bzw. unten S. 3 8 4 f f . З78

signatum der betreffenden Wunder durch ein Wertwort, ein Werteinschätzungswort andeuten. Nach der am besten begründeten Werttheorie, der emotiven", haben Wertwörter keine Bezeichnungsfunktion, sondern nur eine Ausdrucksfunktion. Ein Designatum kann deshalb nicht durch Wertwörter, Wertausdrücke oder Wertsätze bezeichnet werden. In den Beispielen, die in Abschnitt C ] angeführt wurden, werden als angebliche Bezeichnungen von Designata der betreffenden Wunder die folgenden Ausdrücke verwendet, die vielleicht Wertausdrücke sind und Wertwörter enthalten: „Herrlichkeit des Ewigen im Zeitlichen" und „daß alles Begreifliche seine Herrlichkeit im Unbegreiflichen hat"™. Das Wort „Herrlichkeit" könnte hier sehr wohl ein Wertwort sein, das die entsprechenden Ausdrücke und Sätze zu Wertausdrücken und Wertsätzen macht. Um das Problem der Wertwörter etwas zu klären, stellen wir für einen Satz im Material das folgende Schema auf: CS i ) 'Alle [das] Wunder (der Art F) sind [ist] Zeichen von A', wobei „A" ein Wertwort, Wertausdruck oder ein Wertsatz ist. Anstatt „A" kann auch ein solcher Ausdruck wie „ein Gegenstand, der Α ist" stehen. Ein Satz vom Typus (S i ) kann nicht salva veritate so präzisiert werden, daß er aussagen würde, daß das (die) betreffende(n) Wunder A bezeichnet (bezeichnen]. Ein Satz, der dies aussagen würde, wäre damit notwendig falsch. Denn „A" kann in einem Satz vom Typus (S i ) nicht einen Begriff oder einen Satzinhalt bezeichnen, wenn die emotive Werttheorie richtig ist. „A" kann dann nur eine Werteinschätzung gegenüber einem Gegenstand ausdrücken, nicht bezeichnen. Eine Präzisierung salva veritate eines Satzes vom Typus (S i ) kann nur aussagen, daß das Wun™ Vgl. oben S. 38, Anm. 25. 7S Für Quellenbelege siehe oben S. 369. Vgl. Schütz, 150, wo von Gottes und Jesu „Herrlichkeit" gesprochen wird als von etwas, worauf die Wunderzeichen Jesu nach Auffassung des Johannesevangeliums hinweisen. Ähnlich schreibt Bultmann in bezug auf Gedanken des Johannesevangeliums: „Die saemeia offenbaren Jesu doxa." Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 396. Vgl. Rengstorf, 242, 252 f f . So schreibt auch Kahler in bezug auf Gedanken desselben Evangeliums: „Weisen die Wunder als solche ihn als den Gesandten des Vaters an sein Volk aus, eben weil der Vater sie durch ihn tut, so leihen sie ihm eine Ehre und zwar die echte von dem allein wahren Gott stammende." Kahler, 110. Hier könnte „[echte) Ehre" ein Wertwort sein. Für die Auffassung auch von „doxa" als einem Wertwort spricht sich anscheinend Rengstorf aus: „Die enge Zusammengehörigkeit von saemeion und doxa spricht . . . gegen jeden Versuch, im Gebrauch von saemeion im Johannesevangelium Symbolismus zu finden." Dieses Wort hat „bei Johannes in anthropologischer Hinsicht nicht mit Logik, sondern mit Ethik zu tun". Rengstorf, 253.

379

der eine Werteinschätzung gegenüber einem bewerteten Gegenstand von Seiten des Absenders oder des Empfängers ausdrückt. Eventuell richtet sich eine solche vom Wunder und „ A " ausgedrückte Werteinschätzung auf bewertete Gegenstände einer ganzen Klasse, auf die (seil. Gegenstände) ein bestimmter Begriff zutrifft, der in dem Satz durch ein theoretisches Prädikat bezeichnet ist. Die bewerteten Gegenstände können natürlich (z.B. von so einem theoretischen Prädikat) bezeichnet werden 74 . Diese werttheoretischen Überlegungen können nicht weiter ausgeführt werden. Rein logische Probleme in bezug auf Sätze über Bezeichnungsbeziehungen fordern auch Raum für eine Auslegung. Im Abschnitt C ) wurde ein Beispiel für eine universale Disjunktion angeführt, die durch das folgende Schema formuliert werden kann: (S 2) A l l e Wunder sind Zeichen von (=bezeichnen) Α oder B', oder genauer: 'Für jedes X gilt, daß wenn X ein Wunder (der Art F ) ist, entweder X ein Zeichen von Α oder X ein Zeichen von В ist75.' Es ist zu bemerken, daß eine solche universale Disjunktion nicht bedeutet, daß entweder alle Wunder (der A r t F) Α bezeichnen, oder daß alle Wunder (der A r t F ) В bezeichnen, sondern die Disjunktion bezieht sich als solche distributiv auf jedes einzelne Wunder (der A r t F ) . Sie bedeutet, daß jedes Wunder (der A r t F ) entweder Α oder В bezeichnet, aber dabei können einige Wunder nur Α bezeichnen, andere Wunder В allein bezeichnen, während wiederum Wunder einer dritten Gruppe sowohl Α wie В bezeichnen. W e n n schon eine solche universale Disjunktion sich distributiv auf jedes einzelne Wunder (der betreffenden A r t ) bezieht, so gilt das um so mehr von einfacheren universalen Sätzen über Bezeichnungsbeziehungen, deren Sinn durch das folgende Schema formuliert werden kann: (S 3) A l l e Wunder sind Zeichen von A . ' Ein solcher Satz bezieht sich distributiv auf jedes einzelne Wunder. Es ist natürlich zu beachten, daß ein Wunder viele verschiedene Designata haben kann. Daraus folgt: wenn alle Wunder ein bestimmtes Designatum bezeichnen, so schließt das nicht aus, daß einige einzelne Wunder außerdem noch andere Designata bezeichnen können. Es gibt natürlich auch Prädikate, die sowohl einen Begriff bezeichnen wie eine Werteinschätzung ausdrücken. Wenn „A" in dem Schema oben ein solches Prädikat ist, äußert sich der Satz des Schemas über eine Bezeichnungsbeziehung der Wunder zu A; aber außerdem ist in einem solchen Satz auch eine Aussage über die Ausdrucksbeziehung derselben Wunder zu Werteinschätzungen des Absenders oder des Empfängers implizite enthalten, ohne daß deshalb ein solcher Satz falsch sein müßte. 75 Siehe oben S. 376. 74

380

Im Lichte dieser Ausführungen ist es um so wichtiger zu beobachten, daß es auch in mancher Hinsicht nicht-distributive universale Sätze gibt, die sich über Bezeichnungsbeziehungen äußern. Ein Beispiel für einen solchen Satz wurde in Abschnitt С oben angeführt, und zwar ein Satz, daß alle Wunder Jesu als Zeichen eine 'höhere geistliche Wirkung' bezeichnen". Ein universaler Satz dieser Art ist in der Hinsicht nichtdistributiv, daß er nicht behauptet, daß jedes einzelne Wunder dasselbe Designatum hat. Das behauptet dagegen (S 3], dem zufolge jedes einzelne Wunder ein und dasselbe Designatum Α bezeichnet. Ein universaler Satz vom Typus „Alle Wunder bezeichnen eine höhere geistliche Wirkung" behauptet dagegen nicht, daß jedes einzelne Wunder dasselbe Designatum hat, sondern nur, daß die Designata der verschiedenen Wunder unter den Begriff 'höhere geistliche Wirkung' fallen. Ein universaler Satz von diesem Typus läßt sich nach dem folgenden Schema formulieren: (S 4) 'Alle Wunder [der Art F) sind Zeichen von einem A.' In (S 4) kann man anstatt „einem A " auch die Pluralform von „A" allein einsetzen. „A" bezeichnet hier einen Begriff, der entweder Objekte, Begriffe oder Satzinhalte bestimmen kann. Die entsprechende Klasse, die den Umfang von Ά ' bildet, kann also entweder eine Klasse von Objekten oder von Begriffen oder von Satzinhalten sein. Das Gesagte hilft uns zu einer genaueren Interpretation von „einem A " bzw. von „A" im Plural in (S 4). Diese Ausdrücke bedeuten dasselbe wie „mindestens ein Bestimmungsgegenstand [Objekt, Begriff oder Satzinhalt], auf den Α zutrifft", wenn „A" einen Begriff bezeichnet. Deutet man „A" extensional als Zeichen einer entsprechenden Klasse, so bedeuten die Ausdrücke dasselbe wie „mindestens ein Element von [der Klasse) A". Wenn wir die Klassendeutung von „A" verwenden, so ist (S 4) zufolge die Klasse der Wunder (der Art F) die Abbildung von Α in bezug auf die Bezeichnungsbeziehung". Das bedeutet, daß die Klasse der Wunder (der Art F) die Klasse derjenigen Gegenstände ist, die zu mindestens einem Element der Klasse Α in Bezeichnungsbeziehung stehen, d.h. die mindestens ein Element der Klasse Α bezeichnen. Die Präzisierung von (S 4) bedeutet also nicht, daß (S 4) zufolge jedes einzelne Wunder (der Art F) den Begriff Ά ' oder die Klasse Α bezeichnet, sondern vielmehr, daß jedes Wunder (der Art F) mindestens ein Element der Klasse A , d.h. einen Gegenstand (Objekt, Begriff oder Satzinhalt) bezeichnet, der die Bestimmung Α hat. Allerdings schließt das letztere an sich nicht aus, daß die Wunder auch ™ Siehe oben S. 373. Über die Abbildung einer Klasse in bezug auf eine Relation, siehe Carnap, Symbolische Logik, 127 f . Vgl. oben S. 252 f. TT

381

den Begriff Α bezeichnen könnten - nur ist das nicht von (S 4) logisch impliziert. Doch setzt (S 4] in dieser Deutung voraus, daß wenn die Klasse Α leer ist, d.h. wenn der Begriff Ά ' auf nichts zutrifft, die Klasse der Wunder [der Art F) auch leer sein muß. Es würde dann keine Wunder [der Art F) geben. Allgemein gilt nämlich, daß wenn Α leer ist, auch die Abbildung von Α in bezug auf irgend eine Relation R eine leere Klasse ist. Für die Deutung mancher Beispiele im Material ist es wichtig zu beobachten, daß eine Klasse von Satzinhalten einer sog. offenen Satzformel zugeordnet werden kann™. Eine offene Satzformel (nach der Konzeption einer logischen Präzisionssprache) tritt in der natürlichen (einschl. der theologischen) Sprache öfters verdeckt, getarnt auf. Die folgenden Sätze aus dem Material sind elliptisch und bedeuten deshalb dasselbe wie offene Satzformeln: „daß der Göttliche gegenwärtig ist" (Wo?), und „Diesseits und Jenseits werden im Ereignis eins" (welches Ereignis?), und „Derjenige, der Wunder vollbringt, ist ein von Gott Gesandter" (welcher Wundertäter?)™. Die entsprechenden offenen Satzformeln sind: „daß der Göttliche gegenwärtig ist in X " , „Diesseits und Jenseits werden im Ereignis X eins" und „Der Wundertäter X ist von Gott gesandt". Solche offenen Satzformeln können Klassen von singulären Satzinhalten zugeordnet werden. Eine solche offene Satzformel entspricht der Klasse derjenigen Satzinhalte, die von denjenigen Sätzen adäquat bezeichnet werden, die man dadurch erhält, daß man die Variablen („X" in den Beispielen oben) in der betreffenden offenen Satzformel durch Bezeichnungen für bestimmte Gegenstände oder Erscheinungen ersetzt80. Diese angeführten Beispiele können deshalb den Platz von „A" in dem Satzschema (S 4) oben einnehmen, das den Begriff der Abbildung von Α in bezug auf die Bezeichnungsbeziehung implizite enthält. Die so konstruierten Spezialfälle von (S 4) besagen dann, daß die Wunder Zeichen sind von mindestens einem Satzinhalt, der von einem singulären Satz adäquat bezeichnet wird, den man durch eine Einsetzung von Bezeichnungen bestimmter Gegenstände für die Variablen der betreffenden offenen Satzformel erhält. Ein anderer Begriff der Relationslogik als die Abbildung einer Klasse in bezug auf eine Relation ist das Relationsprodukt zweier Relationen R und S. Auch der Begriff des Relationsprodukts findet Anwendung in der Präzisierungsaibeit an dem Material. Das Relationsprodukt zweier Relationen R und S ist diejenige Relation, die zwischen χ und у dann und nur " Über offene Satzformeln, siehe Carnap, a.a.O., 24, 35. ™ Für Materialbelege siehe oben S. 372 bzw. 370, 372. 80 Über Einsetzung für Variablen in offenen Satzformeln, siehe Carnap, a.a.O., 2 4 f . , 45 f., 48 f .

382

dann besteht, wenn es mindestens ein ζ gibt, so daß χ die Beziehung R zu ζ und ζ die Beziehung S zu у hat". In Naumanns Darstellung des synoptischen Wunderbegriffs begegnet der Gedanke, daß 'heilvolle' Ergebnisse der Wunder auch Zeichen sind, und daß der Zeichencharakter dieser Ergebnisse für den Zeichencharakter der Wunder notwendig ist. Logisch läßt sich dieser Gedanke so formulieren: die Bezeichnungsbeziehung eines Wunders zur Messianität Jesu ist das Relationsprodukt der Relation 'als Ergebnis haben', 'bewirken' und der Bezeichnungsrelation dieses Ergebnisses des Wunders zur Messianität Jesu. Dies ist in dem folgenden Text von Naumann angedeutet, wo er über Jesus schreibt, daß er den Wert einer Beglaubigung des Messias nicht den Wundern als solchen giebt, sondern nur insofern als sie wirkliche Heilsthaten sind, das heißt, einen Erfolg haben, der mit der erwarteten Heilzeit ohne Leid in engster Beziehung steht. Also . . . nicht die Wunder als Wunder sind Bezeugungen der Messianität Jesu, sondern ihre segensreichen Wirkungen". Dieser Text stellt zwei Behauptungen auf, die wir in der folgenden Reihenfolge erwähnen und kommentieren: (1) Die heilvollen Ergebnisse der Wunder haben eine Bezeichnungsbeziehung zur Messianität Jesu: „ihre segensreichen Wirkungen" sind nach dem Text „Bezeugungen der Messianität Jesu". Daraus folgt, daß die Beziehung des Wunders zur Messianität Jesu auf jeden Fall das Relationsprodukt ist zwischen der Relation 'als Ergebnis haben', 'bewirken' und der Bezeichnungsrelation dieses Ergebnisses. Daß dieses Relationsprodukt auch notwendig ist für die Bezeichnungsbeziehung des Wunders folgt aus ( i ) zusammen mit [2): (2) Die Bezeichnungsfunktion der Wunder ist notwendig dadurch bedingt, daß sie Ergebnisse haben, die heilvoll sind. Dies tritt hervor in dem Nebensatz „nur insofern als sie wirkliche Heilsthaten sind, das heißt, einen Erfolg haben, der mit der erwarteten Heilszeit ohne Leid in engster Beziehung steht". (1) läßt sich folgendermaßen logisch formalisieren: [χ] [z]:. χ ist Wunder & ζ ist heilvoll & χ hat ζ als Ergebnis: zeichnet die Messianität Jesu.

: ζ be-

(2] läßt sich so formalisieren: 0 0 : . χ ist Wunder & χ bezeichnet die Messianität Jesu: э : ( 3 ζ) · ζ ist heilvoll & χ hat ζ als Ergebnis. Aus (1) und (2) folgt: 81 82

Über Relationsprodukt, siehe Carnap, a.a.O., 1 1 4 f. Naumann, 18. Hinweis auf Mt. 11,4 f.; Lk. 7,21. 383

( 3 ) С * } : · х i s t Wunder & χ bezeichnet die Messianität Jesu: : ( 3 ζ] · ζ ist heilvoll & χ hat ζ als Ergebnis & ζ bezeichnet die Messianität Jesu. (3) besagt, daß das Relationsprodukt der Relationen 'als Ergebnis haben* und der Bezeichnungsrelation, das zwischen dem Wunder und der Messianität Jesu besteht, auch notwendig aus der Bezeichnungsbeziehung des Wunders zur Messianität Jesu folgt und deshalb eine notwendige logische Bedingung dieser Bezeichnungsbeziehung des Wunders bildet". Daß die Bezeichnungsbeziehung der Wunder notwendige Bedingungen hat, impliziert aber nicht, daß sie jemals auch wirklich besteht: die hinreichenden Bedingungen könnten fehlen. In dem Text steht aber nichts, was gegen die Möglichkeit einer Bezeichnungsbeziehung der Wunder zur Messianität Jesu spricht. Es kommen nur die Ausdrücke „nicht den Wundern als solchen", „nicht die Wunder als Wunder" in dem Text vor. Diese Ausdrücke deuten aber nur an, daß der Wundercharakter unabhängig von dem heilvollen Ergebnis des Wunders nicht hinreichend ist, um die Bezeichnungsbeziehung des Wunders zu begründen. E. Der Unterschied zwischen realen und fiktiven Bezeichnungsbeziehungen Eine sehr wichtige Frage, die noch nicht behandelt wurde, ist diejenige, ob das Wunder als Zeichen auf etwas Wirkliches hinweist oder nicht. Ein Zeichen kann nämlich als solches auch etwas bloß Vorgestelltes oder Gedachtes, das nicht in der Wirklichkeit vorliegt oder zutrifft, bezeichnen. Wenn das Zeichen auf etwas Wirkliches hinweist und das Bezeichnete infolgedessen in der Wirklichkeit vorliegt oder zutrifft, so werden wir von einer realen Bezeichnungsbeziehung sprechen. Wenn eine Bezeichnungsbeziehung nicht real ist, so werden wir von einer fiktiven Bezeichnungsbeziehung reden. Der Unterschied zwischen 'real' und 'fiktiv' betrifft nur das Bezeichnete und bezieht sich nicht auf das Zeichen. Insofern eine Bezeichnungsbeziehung wirklich vorliegt (und nicht nur gedacht oder vorgestellt ist wie z.B. in einem Gedankenexperiment für begriffsanalytische Zwecke, oder in einer Wundererzählung erwähnt wird), so muß auch wirklich ein Zeichen vorhanden sein - es kann sich dann nicht um nur vorgestellte oder eingebildete Zeichen handeln. 83

Zum Schluß noch die Bemerkimg, daß der Umfang des Prädikats 'Wunder', soweit man aus Naumanns Text herauslesen kann, sich vielleicht auf die Wunder Jesu beschränkt. Wenn Naumann in diesem Text von den Wundern redet, meint er die Wunder Jesu und vielleicht nur die Wunder Jesu. In den logischen Schemata ( 1 ] - ( 3 ) oben müßte man dann eigentlich „Wunder Jesu" anstatt nur „Wunder" schreiben.

384

Der ausgeführte Gedankengang über die Frage der Wirklichkeitsreferenz des Bezeichneten setzt voraus, daß die Wirklichkeitsfrage sinnvoll in bezug auf das Bezeichnete gestellt werden kann. Aber diese Bedingung führt zu einem schweren Problem: damit eine (wenn auch fiktive] Bezeichnungsbeziehung vorliegen soll, muß sie doch etwas bezeichnen - wie ist das aber möglich, wenn dieses Etwas nicht vorhanden ist, wenn es nicht in der Wirklichkeit vorliegt? Die Antwort muß die sein, daß im Falle einer fiktiven Bezeichnungsbeziehung das Bezeichnete ein Begriffsinhalt ist. Hier zeigt es sich, daß das Hinstellen des Bezeichneten in die logische Kategorie, in welcher der Unterschied wirklich-unwirklich relevant ist, nicht die einzige Möglichkeit ist. Die logische Kategorie der wirklichen Entitäten umfaßt Dinge [in weitem Sinne einschließlich Personen), Ereignisse und Eigenschaftsexemplare, welche wir in den bisherigen Analysen „(extensionale) Objekte" genannt haben". Wenn solche Entitäten überhaupt vorhanden sind und vorliegen, so sind sie wirklich - die Ausdrücke „unwirkliche Dinge" oder „unwirkliche Ereignisse" bilden vom logischen Gesichtspunkt uneigentliche Ausdrucksweisen 85 . V o n einem Begriff kann dagegen nicht sinnvoll gesagt werden, daß er wirklich oder unwirklich ist. Die Existenz und das Vorhandensein eines Begriffsinhalts ist von einer ganz anderen logischen Stufe als der Gegensatz wirklich - unwirklich". Daraus folgt, daß Begriffe als Designata nicht zu dem Falle einer fiktiven Bezeichnungsbeziehung eingeschränkt werden können. Auch im Falle einer realen Bezeichnungsbeziehung kann ein Begriffsinhalt bezeichnet sein. Daß das Bezeichnete ein Begriff (einhalt) ist, ist also keine hinreichende Bedingung dafür, daß die Bezeichnungsbeziehung fiktiv ist. Es ist nur so, daß eine fiktive Bezeichnungsbeziehung nicht ein Objekt als das Bezeichnete haben kann, sondern nur einen Begriff oder einen Satzinhalt als Designatum. Der Unterschied zwischen realen und fiktiven Bezeichnungsbeziehungen läßt sich in folgender Weise darstellen, wenn wir nur Begriffe der ersten logischen Stufe als Designata berücksichtigen, die also sinnvoll auf wirkliche Objekte zutreffen können: Über den Begriff 'extensionales Objekt' siehe oben S. 218 f. Der Umfang dieses Begriffs deckt die Umfange der Termini „Objekt", „Erscheinung" und „Gegenstand" (im engeren Sinne eines einstelligen Prädikats, nicht in der Zusammensetzung „Gegenstand einer Intention bzw. einer Absicht" etc.), wie sie in der Darstellung angewendet worden sind. Über Eigenschaftsexemplare siehe oben S. 199. 85 Vgl. Carnap, Meaning and necessity, 64 ff.; Russell, Introduction to mathematical philosophy, 169 f. 8β Über die systematische Mehrdeutigkeit des Begriffs 'Existenz' und des Existenzoperators in der modernen Logik nach der jeweiligen logischen Stufe des Existenzoperators, siehe Stebbing, a.a.O., 160 f., besonders 162. Über logische Stufen und Typen, siehe oben S. 130, Anm. 24. 84

25 - 566-3501

385

In dem Falle einer realen Bezeichnungsbeziehung liegt eine doppelte Bezeichnungsbeziehung vor - und ein doppeltes Designatum, das Bezeichnete ist verdoppelt: ein Begriff ist bezeichnet, aber dazu auch etwas Wirkliches, ein Ding oder ein Ereignis. Bei fiktiven Bezeichnungsbeziehungen fehlen die letzteren Entitäten ganz. In einem solchen Falle besteht dann nur eine einfache Bezeichnungsbeziehung, und zwar zu einem Begriff als dem Bezeichneten. Diese Sachverhalte können auch in folgender Weise dargestellt werden: In dem realen Falle trifft der Begriff (ohne selbst als wirklich oder unwirklich bezeichnet werden zu können) auf ein (wirkliches) Objekt zu, auf ein Ding oder auf ein Ereignis oder auf ein Eigenschaftsexemplar. In dem fiktiven Falle trifft der Begriff dagegen auf nichts zu. Dadurch ist es aber klar, daß die Frage nach der Wirklichkeitsreferenz auch in bezug auf einen Begriff als Designatum gestellt werden kann. Unter Anwendung semantischer Terminologie würde man die Beziehung des Zeichens zu dem bezeichneten Begriff oder Satzinhalt „Intension" oder „Konnotation" nennen und seine Beziehung zu der in der Wirklichkeit vorhandenen bezeichneten Entität „Denotation". Man kann dann sagen: In dem fiktiven Falle fehlt die Denotation. Eine Denotation ist also immer eine reale Bezeichnungsbeziehung; der Unterschied zwischen realen und fiktiven Bezeichnungsbeziehungen betrifft also die Konnotationen: eine Konnotation kann entweder real oder fiktiv sein. Wenn etwas überhaupt denotiert ist, liegt es in der Wirklichkeit vor. Wenn aber ein Begriff konnotiert ist, steht noch die Frage offen, ob das Konnotierte auch auf etwas in der Wirklichkeit zutrifft oder nicht. Im ersten Falle ist das Konnotierte real, im zweiten Falle fiktiv. Oder das Konnotierte kann überhaupt nicht sinnvoll auf etwas Wirkliches zutreffen, weil es ein Begriff höherer Stufe ist. Trifft das Konnotierte aber auch dann auf etwas [einen anderen Begriff oder Satzinhalt) zu, so ist es real, trifft es aber auf nichts zu, ist es fiktiv. Nun können aber nicht nur Objekte und Begriffe bezeichnet werden, sondern auch Satzinhalte. Ein Satzinhalt ist durch eine reale Bezeichnungsbeziehung bezeichnet, wenn der Satzinhalt wahr ist, und durch eine fiktive Bezeichnungsbeziehung, wenn der Satzinhalt falsch ist. Eine fiktive Bezeichnungsbeziehung liegt also z.B. dann vor, wenn der Absender lügt. Auch der Teufel kann ja nach der Behauptung mancher Theologen im Material Wunder tun". Ein Satzinhalt kann genau wie ein Begriff nur konnotiert und nicht denotiert werden. Während Begriffe dagegen auf einen Gegenstand (auf ein Objekt, wenn der Begriff erster Stufe ist) zutreffen können, während sie auf einen anderen Gegenstand vielleicht nicht zutreffen, sind Satzinhalte simpliciter entweder wahr oder falsch. 87

Siehe oben S. 165 f.

386

Noch eine wichtige Unterscheidung ist zu beachten, die leicht dadurch übersehen werden kann, daß die Termini „real" und „fiktiv" teils für Bezeichnungsbeziehungen, aber auch teils für das Bezeichnete benutzt werden. Diese Wörter haben nämlich verschiedene Bedeutung in den beiden Fällen. Wenn die Rede von realen oder fiktiven Bezeichnungsbeziehungen ist, so werden Gattungen von Bezeichnungsbeziehungen unterschieden. Es kann sowohl eine fiktive Bezeichnungsbeziehung vorhanden sein wie eine reale. Zum Teil ist die Lage anders, wenn ,/eal" und „fiktiv" für das Bezeichnete verwendet werden. Im Lichte der ausgeführten Darlegung läßt sich endgültig zusammenfassend das Folgende sagen: Wenn das Bezeichnete ein Begriff ist und in der Analyse einer Bezeichnungsbeziehung als „fiktiv" bezeichnet wird, so bedeutet dies, daß zwei Tatbestände vorliegen, und zwar sowohl daß der Begriff konnotiert ist, wie daß dieser Begriff auf nichts in der Wirklichkeit und auch auf keinen anderen Begriff zutrifft. Es gibt keine Entität in der Wirklichkeit, die in diesem Falle denotiert ist. Wenn der konnotierte Begriff dagegen 'real' ist, so trifft der konnotierte Begriff auf etwas zu; dies liegt dann in der Wirklichkeit vor und ist dadurch denotiert, wenn der konnotierte Begriff sinnvoll auf Objekte zutreffen kann und deshalb von der ersten Stufe ist. Wenn wiederum ein bezeichneter Satzinhalt fiktiv ist, so ist er falsch, und umgekehrt; der konnotierte Satzinhalt ist dagegen real dann und nur dann, wenn er wahr ist. Wenn etwas schließlich denotiert ist, ist es eo ipso real. Ob in einem einzelnen Falle einer Bezeichnungsbeziehung eine Denotation vorliegt oder nicht, oder ob ein konnotierter Satzinhalt wahr oder falsch ist, ist aber nicht von Interesse für die rein logische Analyse. Dagegen wird diese Frage großes Interesse haben für das theologische Wunderproblem, wenn sie in bezug auf diejenigen Beispiele im Material gestellt wird, die von Wundern und deren Designata handeln. Wahrscheinlich rechnet das Material nur mit realen Bezeichnungsbeziehungen in allen denjenigen Fällen, wo Gott, Jesus oder deren Beauftragte als Absender angegeben werden, und wo Designata und Bezeichnungsbeziehungen überhaupt erwähnt werden88. Eine Analyse des Materials darf sich aber nicht unkritisch und dogma89

Mehr explizite wird eine reale Bezeichnungsbeziehung von Lauerer angedeutet, wenn er schreibt, daß das Wunder notwendig „dynamis sein müsse, um in dieser Sünden- und Todeswelt auch nur ein verläßliches saemeion der göttlichen Liebe sein zu können". Lauerer, 398. Ein „verläßliches saemeion" müßte als solches in einer realen Bezeichnungsbeziehung enthalten sein. Dagegen deutet Schmeling fiktive Bezeichnungsbeziehungen an, wenn er in bezug auf den 'Widerchrist' als Absender auf 2 Thess. 2,9 hinweist, „wo für die Erscheinung des Widerchrists neben lügenhaftigen Kräften ebensolche Zeichen und Wunder in Aussicht gestellt werden". Schmeling, 1058.

387

tisch auf den Standpunkt der Verfasser im Material stellen, sondern muß mit der Möglichkeit sowohl realer wie fiktiver Bezeichnungsbeziehungen rechnen auch in den Fällen, wo ein Beispiel im Material nur mit der einen dieser beiden Alternativen rechnet. Und das Material nimmt zu dieser Frage im allgemeinen Stellung". Der ganze bisher ausgeführte Gedankengang setzt voraus, daß der Zeichenbegriff nur auf extensionale, d.h. in der Wirklichkeit gegebene Größen seine Anwendung hat. Ein Zeichen muß etwas extensional Gegebenes sein, oder es liegt überhaupt kein Zeichen vor. Das Bezeichnete kann dagegen als konnotiert ein bloßer Gedankeninhalt sein. Das Zeichen aber ist ein extensionales Objekt. Ein Zeichen kann aber von dem Beobachter-Empfänger direkt oder indirekt wahrgenommen werden. Wir haben oben einen maximal weiten Begriff ЪеоЬасЫ:ег' bzw. 'beobachten' angewendet, der auch den Fall deckt, wenn jemand von dem Wunder nur durch Beschreibung mit mündlichen oder schriftlichen Worten erfährt'0. Ein Zeichen kann also wiederum von neuen Zeichen (Worten) bezeichnet werden. Im Verhältnis zu Wundern als Zeichen sind Worte, die diese Wunder beschreiben und bezeichnen, als Zeichen zweiter Stufe anzusehen oder (nach der geläufigen semantischen Terminologie) als Meta-Zeichen. Für diese Zeichen, die ein Wunder beschreiben, taucht wiederum die Frage auf, ob diese Zeichen das Wunder real oder fiktiv bezeichnen, und ob diese Zeichen wahr sind. Dieselbe Frage haben wir bisher nur in bezug auf die Wunder selbst als Zeichen gestellt; sie kann aber jetzt auf der zweiten Stufe wieder gestellt werden. In bezug auf die Meta-Zeichen, die ein Wunder beschreiben, kann die Frage gestellt werden, ob das beschriebene Wunder wirklich vorliegt oder stattgefunden hat. Die positive Beantwortung dieser Frage ist eine logisch notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung dafür, daß die Beschreibung eines Wunders wahr ist. Wenn die Wunderbeschreibung nichts in der Wirklichkeit denotiert, können alle weiteren Fragen über den Zeichencharakter des angeblichen Wunders eliminiert werden, auch wenn die Wunderbeschreibung diesen Zeichencharakter des angeblichen Wunders behauptet. Die beiden Stufen der Zeichen und der Bezeichnungsbeziehungen und deren Beziehungen zueinander werden jetzt systematisch dargestellt. Der Ausgangspunkt ist dabei die Voraussetzung, daß i ) eine Wundererzählung vorliegt, die von einem (behaupteten) Wunder erzählt und 2) die auch wenigstens implizite behauptet, daß das erzählte Wunder ein Zei8

* Auch wo das Material selbst nicht zu der Frage Stellung nimmt, ob eine reale oder eine fiktive Bezeichnungsbeziehung in einem Falle vorliegt, wird jedenfalls im Material behauptet, daß die Bibel zu dieser Frage Stellung nehme. " Siehe oben S. 223 ff., besonders der dort dargestellte 3. Typus des Beobachtens.

388

chen ist, und daß eine Bezeichnungsbeziehung zwischen dem Wunder und etwas anderem besteht, wobei 3) das der Wundererzählung zufolge von dem Wunder Bezeichnete auch in der Wundererzählung wenigstens implizite bezeichnet (angedeutet) wird. Diese dargestellte Voraussetzung wird hier nicht behauptet, sondern nur logisch analysiert; genauer gesagt werden die verschiedenen alternativen Kombinationen von realen oder fiktiven Bezeichnungsbeziehungen einer Wundererzählung und eines von ihr erzählten Wunders dargestellt, die unter der erwähnten Voraussetzung möglich sind. Die dargestellte Voraussetzung ist dabei so einfach wie möglich: es wäre auch eine in bezug auf das Teilglied 2) dieser Voraussetzung kompliziertere Variante denkbar, der zufolge nicht die Wundererzählung selbst das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung des Wunders behauptet, sondern der zufolge diese Beziehung irgendwo in derselben Schrift angedeutet ist, zu der die Wundererzählung gehört. Die Teilglieder der dargestellten Voraussetzung sowohl wie ihrer komplizierteren Variante können bei Theologen im Material in bezug auf bestimmte Wundererzählungen und Wunder belegt werden. Jede Behauptung eines Theologen, daß ein Wunder dem NT zufolge ein saemeion ist für irgend etwas, wäre eine Behauptung des Teilglieds 2) der dargestellten Voraussetzung oder seiner komplizierteren Variante. Das Teilglied 3) oben folgt aus 2), aber wird auch dort behauptet, wo man den biblischen Wimdererzählungen eine irgendwie 'allegorische' oder 'symbolische' Bedeutung beimißt". Wenn wir eine Wundererzählung als gegeben voraussetzen, die die oben dargestellte Voraussetzung erfüllt, so haben wir drei für die bestehenden oder behaupteten Bezeichnungsbeziehungen konstitutive Glieder: die Wundererzählung als gegeben, das erzählte Wunder und das der Wundererzählung zufolge von dem Wunder Bezeichnete. Wenn wir nun in bezug auf alle drei Glieder die Frage nach Wahrheit und Falschheit bzw. real oder fiktiv stellen, d.h. die Unterscheidung zwischen realen und fiktiven Bezeichnungsbeziehungen anwenden, so erhalten wir 4 mögliche alternative Fälle i ) - 4 ) . Fall 1 } Das erzählte Wunder liegt nicht in der Wirklichkeit vor, hat nie stattgefunden. Und das von dem Wunder Bezeichnete ist (als Satzinhalt) falsch bzw. trifft (als Begriff) auf nichts Wirkliches zu. Ein von dem Wunder bezeichnetes Objekt gibt es also auch nicht, sowenig wie es ein Wunder gibt. Fall 2) Das erzählte Wunder liegt nicht vor, hat nie stattgefunden. Aber das der Wundererzählung zufolge von dem Wunder Bezeichnete ist (als Satzinhalt) wahr, oder es trifft (als Begriff) auf etwas Wirkliches zu. Siehe Marquardt, Das Wunderproblem in der deutschen protestantischen Theologie . . v 43 f., wo auch Literatur- und Quellenangaben zu finden sind. 389

Es gibt ein Objekt in der Wirklichkeit, das der Wundererzählung zufolge von dem Wunder bezeichnet ist. Fall 3) Das erzählte Wunder liegt in der Wirklichkeit vor, aber das von dem Wunder Bezeichnete ist [als Satzinhalt) falsch oder trifft [als Begriff) auf nichts Wirkliches zu. Es gibt hier ein Wunder, aber kein extensionales Objekt, das von dem Wunder in der Bezeichnungsbeziehung, die die Wundererzählung behauptet, bezeichnet ist. Fall 4) Das erzählte Wunder liegt in der Wirklichkeit vor, und das von dem Wunder Bezeichnete ist (als Satzinhalt) wahr oder trifft (als Begriff) auf etwas Wirkliches zu. Es gibt sowohl ein Wunder wie ein extensionales Objekt, das der Wundererzählung zufolge von dem Wunder bezeichnet ist. Nun einige analytische Kommentare zu den vier Alternativen 1)—4). In den beiden ersten Fällen 1 ) und 2) ist die Wundererzählung das einzige in dieser vorausgesetzten Beziehungskette vorhandene Zeichen (-komplex). In den Fällen 1 ) und 2) gibt es ja gar kein Wunderzeichen. Infolgedessen besteht gar keine Bezeichnungsbeziehung zwischen dem (nicht vorhandenen!) Wunder und dem (der Wundererzählung zufolge!) von dem Wunder Bezeichneten. Die Bezeichnungsbeziehung zwischen der Wundererzählung und dem angeblichen Wunder ist in diesen Fällen 1 ) und 2) fiktiv. Es besteht aber auch eine Bezeichnungsbeziehung zwischen der Wundererzählung und dem (der Wundererzählung zufolge!) von dem Wunder Bezeichneten, da dieses ja auch in der Wundererzählung wenigstens implizite angedeutet wird (nach der obigen Voraussetzung). Diese Bezeichnungsbeziehung zwischen der Wundererzählung und dem (der Wundererzählung zufolge!) von dem Wunder Bezeichneten ist im Falle 1 ) fiktiv, aber im Falle 2) real. In den beiden letzteren Fällen 3) und 4) gibt es zwei Zeichen: sowohl die Wundererzählung wie das Wunder. Die Bezeichnungsbeziehung zwischen Wundererzählung und Wunder ist in den Fällen 3) und 4) real. Die Bezeichnungsbeziehung zwischen dem Wunder und dem von dem Wunder Bezeichneten ist im Falle 3) fiktiv, im Falle 4) real. Und dasselbe gilt von der Bezeichnungsbeziehung zwischen der Wundererzählung und dem von dem Wunder Bezeichneten: im Falle 3) ist sie fiktiv, im Falle 4) real. Nach den Voraussetzungen oben hat also eine Wundererzählung der hier vorausgesetzten Art immer zwei Bezeichnungsbeziehungen, die auch verschiedener Art sein können: die eine kann real sein, auch wenn die andere fiktiv ist92. Allerdings wäre es möglich, daß die eine Bezeichnungsbeziehung nur von einem Teil der Wundererzählung ausginge, daß z.B. das von dem Wunder angeblich Bezeichnete nur von einem Teil der Wun" 2 Vgl. oben S. 378.

З90

dererzählung bezeichnet wird. Auf diese schwierige Frage, ob ein Ganzes auch alles das bezeichnet, was von seinen Teilen bezeichnet wird, kann hier nicht näher eingegangen werden. Diese Frage könnte jedoch bejaht werden, wenn man eine besondere Bezeichnungsbeziehung definierte, die ein Relationsprodukt der Relation 'als Teil enthalten' und der 'gewöhnlichen' Bezeichnungsbeziehung wäre". " Über Relationsprodukt siehe oben S. 382 f f .

З91

KAPITEL 14

Der Absender, der Empfänger und ihre Bedeutung für die Bezeichnungsbeziehung

A. Zwei Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung: die Bedingungen des Absenders und des Empfängers Die Bezeichnungsbeziehung zwischen einem Zeichen und dem von dem Zeichen Bezeichneten kann an und für sich betrachtet werden in Abstraktion von denjenigen Personen, die das Zeichen benutzen bzw. beobachten, infolgedessen in Abstraktion von den Ausdrucksbeziehungen des Zeichens. Daraus folgt aber nicht, daß eine Bezeichnungsbeziehung eines Zeichens bestehen kann, ohne daß dasselbe Zeichen auch eine Ausdrucksbeziehung irgendeiner Art hat. Im folgenden werden deshalb die Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung im Verhältnis zu dem Bestehen oder Nicht-Bestehen der beiden Arten von Ausdrucksbeziehungen untersucht werden. Wenn ein Wunder Zeichencharakter hat, so wird das Nicht-Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung des Wunders nicht in Frage kommen können, nach dem, was von den Gedanken über Wunder als Zeichen, die im Material vorkommen, zugelassen oder gefordert wird. Wir gehen davon aus, daß das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung eine allgemeine notwendige sowohl wie hinreichende Bedingung für den Zeichencharakter eines Wunders ist1. Für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung wiederum lassen sich wenigstens zwei verschiedene alternative notwendige Bedingungen denken, die dann allerdings jeweils zwei verschiedene Bezeichnungsbeziehungen bedingen. Beide beziehen sich, allerdings in verschiedener Form, auf die beiden Ausdrucksbeziehungen des Absenders und des Empfängers. Die erstere, engere aber einfachere Bezeichnungsbeziehung ist direkt von diesen Ausdrucksbeziehungen bedingt und wird uns in diesem und in den beiden folgenden Abschnitten beschäftigen. In Abschnitt D wird eine zweite Bezeichnungsbeziehung skizziert, die auf eine modale Schwächung der Ausdrucksbeziehung des Empfängers bis hinunter zur kausalen Möglichkeit Bezug nimmt. Von dieser zweiten Bezeichnungsbeziehung sehen wir aber zunächst ab, und wenden uns jetzt der ersteren zu und fragen, in welcher Weise sie in bezug auf die Ausdrucksbeziehungen eines Zeichens notwendig bedingt ist. Diese erstere Bezeichnungsbeziehung setzt notwendig irgendeine Aus1

Siehe oben S. 363.

З92

drucksbeziehung voraus. Ausdrucksbeziehungen gibt es jedoch von zwei Arten: das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung der hier relevanten Art setzt nur notwendig dies voraus, daß mindestens eine [beliebige] der beiden Arten von Ausdrucksbeziehungen in dem betreffenden Falle besteht. Die betreffende notwendige Bedingung ist aber noch etwas inhaltsreicher als die eben angeführte Bedingung und läßt sich genauer so formulieren: Eine Bezeichnungsbeziehung der hier relevanten Art besteht nur dann, wenn eine Intention in Richtung auf das Bezeichnete stattfindet entweder von seiten des Absenders in seiner Absicht, durch das Zeichen den Empfänger dazu zu veranlassen, das Bezeichnete zu intendieren, oder von seiten des Empfängers durch die Beobachtung des Zeichens. Zwei Fälle sind also zu unterscheiden, die voneinander logisch unabhängig sind. Sie schließen also einander auch nicht aus. Eine notwendige logische Bedingung für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung ist nur die inklusive Disjunktion der beiden Fälle'. Die beiden Fälle werden jetzt jeder für sich dargestellt in ihrer direkten Anwendung auf Wunder als Zeichen. Ganz unabhängig von der Frage, ob die beiden Fälle auch hinreichende Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung oder nur Glieder solcher Bedingungen sind, werden wir der Einfachheit halber die Termini „Zeichen" und „das Bezeichnete" verwenden. Wir setzen dabei voraus, daß die eventuellen übrigen Glieder einer hinreichenden Bedingung für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung erfüllt sind. i ] Der erste Fall setzt voraus, daß eine Ausdrucksbeziehimg zwischen dem Wunder [als Zeichen) und einem Wundertäter [als Absender) besteht, wobei der Absender das Wunder als einen Ausdruck für seine Kommunikationsabsicht verwendet. Oder besser ausgedrückt: das Wunder drückt eine Absicht eines lebenden Wundertäters aus, durch das Wunder als Zeichen auf einen Beobachter als Empfänger einzuwirken. Genauer gesagt besteht dieser erste Fall darin, daß der Wundertäter (als Absender) die Absicht hat, den Beobachter (als Empfänger) durch das Wunder [als Zeichen) zu veranlassen, an etwas Bestimmtes zu denken. Daraus folgt, daß der Wundertäter dieses Bestimmte intendiert haben muß. Diese Bedingung für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung

" Über hinreichende und notwendige logische Bedingungen siehe oben S. 121, D 1 und D 2. Dort dienen diese logischen Beziehungen als Beziehungen zwischen Begriffen. Dieselben Beziehungen zwischen Satzinhalten lassen sich aber in genau derselben Weise definieren wie in den dortigen Definitionen D 1 und D 2, nur daß die beiden schematischen Buchstaben „f" und „g" dann für Satzinhalte anstatt für Begriffe stehen. Im folgenden werden wir mehrmals die Termini „notwendige bzw. hinreichende Bedingung" als Bezeichnungen für Beziehungen zwischen Satzinhalten anwenden. Vgl. dazu oben S. 340, Anm. 57.

393

werden wir der Kürze halber im folgenden „die Bedingung des Absenders" nennen. Es kann z.B. die Absicht des Absenders sein, den Empfänger durch das Zeichen zu veranlassen, etwas zu glauben oder etwas positiv oder negativ zu bewerten oder etwas zu tun. Wenn das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung von der Bedingung des Absenders bedingt ist, ist die Absicht des Absenders als Absenders eines Zeichens immer, den Empfänger dazu zu veranlassen, das vom Zeichen Bezeichnete wenigstens zu intendieren. Eine solche Intention des Empfängers liegt nämlich notwendig vor, wenn er dieses Intendierte entweder fürwahrhält [glaubt) oder positiv oder negativ beurteilt oder bewußt ausführt. Wenn das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung von der Bedingung des Absenders bedingt ist, setzt eine solche Absicht des Absenders aber auch voraus, daß das von dem Zeichen Bezeichnete Objekt oder Inhalt der Intention des Absenders bildet, daß er eine Intention in Richtung auf dieses Bezeichnete hat. Eine solche Intention in Richtung auf das Bezeichnete ist ein notwendiges Teilmoment der Absicht des Absenders. Dabei braucht die Art der Intention bei dem Absender nicht dieselbe zu sein wie diejenige, die nach der Absicht des Absenders beim Empfänger ausgelöst werden soll; z.B. wenn der Absender die Absicht hat, daß der Empfänger Ρ glauben soll, braucht der Absender selbst nicht Ρ zu glauben, dagegen muß er auf jeden Fall eine Intention in Richtung auf Ρ haben. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Absender lügt5. 2) Der zweite Fall setzt nur voraus, daß eine Ausdrucksbeziehung zwischen dem Wunder (als Zeichen) und Erlebnissen bei einem Beobachter des Wunders (als Empfänger) besteht, die von dem Wunder (Zeichen) ausgelöst werden. Dieser Fall besteht dann und nur dann, wenn der Beobachter (als Empfänger) de facto durch das Wunder (als Zeichen) dazu veranlaßt wird, an etwas Bestimmtes zu denken, etwas Bestimmtes zu intendieren. Diese Bedingung für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung werden wir im folgenden „die Bedingung des Empfängers" nennen. Wenn das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung überhaupt logisch bedingt ist durch das Bestehen einer Ausdrucksbeziehung zwischen dem Wunder (als Zeichen) und Erlebnissen bei einem Beobachter des Wunders (als Empfänger des Zeichens), so muß das von dem Zeichen (Wunder) Bezeichnete von dem Empfänger intendiert sein. Die Bedingung des Empfängers ist ganz logisch unabhängig davon, ob eine Ausdrucksbeziehung des Zeichens zu einem eventuellen Absender des Zeichens besteht, 3

Nach mehreren Theologen und nach der Deutung des N T bei mehreren Theologen tut auch der Teufel Wunder. Siehe oben S. 165 f . Vgl. oben S. 386. Vgl. Rengstorf, 254, über die „Wunder, die der Prophet des Antichristen in seiner Eigenschaft als Pseudoprophet tut, um die Wahrheit zu verdunkeln".

394

ja auch unabhängig davon, ob es überhaupt einen Absender des Zeichens gibt. Auch Wunder, die nicht von einem lebenden Wesen hervorgebracht sind, können die Bedingung des Empfängers erfüllen. Das Bestehen einer Ausdrucksbeziehung zwischen dem Wunder und einem Beobachter gründet sich auf die Interpretation des individuellen Beobachters. Daraus folgt, daß die Bedingung des Empfängers relativ ist in bezug auf den einzelnen Empfänger. Ein Fall der Bedingung des Empfängers für einen Empfänger braucht eo ipso nicht ein Fall derselben Bedingung für einen anderen Empfänger zu sein4. Etwas, was bei einem Empfänger z.B. Gottes Wirksamkeit zum Gedanken macht, braucht bei einem anderen Empfänger nicht denselben Gedanken zu veranlassen. Gute Gründe sprechen dafür, daß sowohl die Bedingung des Absenders wie diejenige des Empfängers nicht allein für sich hinreichende Bedingungen, sondern nur Glieder hinreichender Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung sind. Denn sowohl aus der Bedingung des Absenders wie aus derjenigen des Empfängers allein für sich als jeweils hinreichenden Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung folgt, daß das betreffende Zeichen auch sich selbst bezeichnet. Dies folgt aus der Bedingung des Absenders, denn wenn ein Absender die Absicht hat, einen Empfänger durch das Zeichen dazu zu veranlassen, etwas zu intendieren, so muß es auch in seiner Absicht liegen, daß der Empfänger das Zeichen wahrnimmt, und zwar nicht ganz ohne Reflexion, d.h. Intention. Daß ein Zeichen sich selbst bezeichnet, folgt auch aus der Bedingung des Empfängers allein für sich, denn wenn ein Empfänger durch das Zeichen etwas intendiert, so muß er auch das Zeichen wahrnehmen, und zwar ebenfalls nicht ohne Reflexion, was auf ein Intendieren des Zeichens hinausläuft. Die Konsequenz, daß ein Zeichen immer sich selbst bezeichnet, muß offenbar falsch sein und muß deshalb als Konsequenz der Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung vermieden werden. Diese Konsequenz folgt dagegen nicht aus der These, daß die Disjunktion der beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers notwendig ist für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung. Dagegen sind diese beiden Bedingungen nur als Glieder hinreichender Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung aufzufassen, wenn die Konsequenz vermieden werden soll, daß jedes Zeichen sich selbst bezeichnet. Diese Konsequenz wird vermieden in der Disjunktion der folgenden vier Konjunktionen a)-d]: 4

V g l . die Relativität derjenigen Bestimmungselemente, die sich auf die A r t des W u n -

dererlebnisses beziehen, zum einzelnen Beobachter.

Darüber siehe oben S .

244 f f .

V g l . Rengstorf, 238, über die Möglichkeit verschiedener Interpretation eines saemeion.

395

a) Die Konjunktion der Bedingung des Absenders mit der Bedingung, daß das Zeichen und das Bezeichnete nicht miteinander identisch sind. b) Die Konjunktion der Bedingung des Empfängers mit der Bedingung, daß Zeichen und Bezeichnetes nicht identisch sind. c) Die Konjunktion der Bedingung des Absenders mit der Bedingung, daß es in dem betreffenden Falle keine andere Entität als das Zeichen gibt, das nach der Bedingung des Absenders bezeichnet ist. d) Die Konjunktion der Bedingung des Empfängers mit der Bedingung, daß es in dem betreffenden Falle nichts anderes als das Zeichen gibt, das nach der Bedingung des Empfängers bezeichnet ist. Unter Voraussetzung des Bestehens einer Bezeichnungsbeziehung haben die vier Konjunktionen a)-d] die folgenden logischen Konsequenzen: Aus a) und b] folgt, daß das Zeichen nicht sich selbst bezeichnet5 und aus c] und d), daß das Zeichen sich selbst bezeichnet, a] ist mit b] logisch vereinbar und c] mit d}. Dagegen schließen jede der Bedingungen a) und b] die beiden anderen c) und d] aus in bezug auf ein und dasselbe Zeichen und ein und dasselbe Bezeichnete. Wir gehen nun zu der sehr wichtigen Frage über, ob die eben dargestellten vier Bedingungen a) - d) jede für sich eine hinreichende Bedingung für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung darstellen, oder ob sie nur Glieder solcher Bedingungen sind. Je nach der Antwort auf diese Frage in bezug auf jede dieser vier Bedingungen a) - d) können wir mit weiteren oder engeren Bezeichnungsbegriffen laborieren. Es ist hier aber zweckmäßig, mit dem weitest möglichen Bezeichnungsbegriff zu laborieren, der als der kleinste gemeinsame Inhalt und als das weitest mögliche übergeordnete Genus für alle verschiedenen engeren und spezielleren Bezeichnungsbegriffe dienen kann, die sonst im Material belegt werden können. Dieser weiteste, übergeordnete Bezeichnungsbegriff ist derart, daß jede der vier Bedingungen a) - d] eine hinreichende Bedingung für das Zutreffen dieses Bezeichnungsbegriffs (=das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung in diesem weitesten Sinne) bildet. Es gibt auch Andeutungen im Material, die als Belege dafür gedeutet werden können, daß

5

Bei Cremer ist sogar die Teil-Ganzheitsbeziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem ausgeschlossen, d.h. nach seinem auf Wunder bezogenen Zeichenbegriff kann ein Zeichen nicht ein Teil des Bezeichneten sein, geschweige denn identisch mit dem Bezeichneten. Cremer schreibt: „Darum konnte er (sdl. Jesus) nur in Zeichen offenbaren oder richtiger bethätigen, daß er wirklich der sei, der er sagte, bis die Zeit kommen würde, daß er nicht mehr in Zeichen, sondern wirklich an der Welt seine Herrlichkeit durch die Verwandlung alles dessen, was ist, offenbare." Cremer, 7 1 . Weiter unten behauptet er, daß die Wunder „nicht der Anfang, sondern nur das Zeichen einer erst zukünftig eintretenden neuen Ordnung der Dinge sind". Cremer, 79.

З96

wenigstens die Alternativen a) und b) jeweils für sich hinreichende Bedingungen für das Bestehen der Bezeichnungsbeziehung sind'. Man muß sich andererseits über einige wichtige Konsequenzen klar sein, die daraus folgen, daß die Bedingungen a) - d) jeweils für sich hinreichend sind, um eine Bezeichnungsbeziehung zu konstituieren. Eine solche Konsequenz ist die, daß auch die zufälligen Wünsche, die ein Absender, oder die zufälligen Assoziationen, die ein Empfänger mit einem Zeichen verknüpfen, auch eine Bezeichnungsbeziehung konstituieren. Die beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers, und auch die vier etwas inhaltsreicheren Konjunktionen a) - d) oben erlauben es nämlich nicht, den Gegenstand oder den intendierten Inhalt der zufälligen Wünsche, die von einem Absender bzw. der zufälligen Assoziationen, die von einem Empfänger mit einem individuellen Zeichenexemplar verknüpft werden, von dem zu unterscheiden, was als das 'eigentlich' Bezeichnete zu gelten hat. Diese Konsequenz ist aber vielleicht gar kein Einwand gegen die Annahme der vier Konjunktionen a) - d ) als jeweils hinreichende Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung mit einem Wunder als Zeichen. Wenn der Zeichenbegriff von einem Wunder prädiziert wird, liegt vielleicht nicht mehr darin enthalten als eine Intention des Absenders oder des Empfängers der in den Bedingungen des Absenders und des Empfängers enthaltenen Art zusammen mit einem der übrigen in den Konjunktionen a) - d] enthaltenen Teilgliedern. Auch wenn ein Zeichen bei einem Empfänger Assoziationen in sehr viele verschiedene Richtungen veranlassen kann, so könnten alle verschiedenen Gegenstände und Inhalte dieser Assoziationen von dem Zeichen bezeichnet sein. Dies wäre an und für sich vereinbar mit der im vorigen Kapitel behaupteten These, daß ein Zeichen mehrere Designata haben kann'. Eine Behauptung, daß ein Wunder etwas Bestimmtes bezeichnet, würde dann damit vereinbar sein, daß dasselbe Wunder (z.B. für einen individuellen Empfänger) zugleich viele andere Designata hätte, auch wenn ein Theologe im Material sich nur für ein bestimmtes Designatum interessiert. Allerdings sind die erwähnten Konjunktionen a) - d) (und infolgedessen auch die Bedingungen des Absenders oder des Empfängers jeweils für sich genommen) nicht hinreichend, um eine Bezeichnungsbeziehung für Zeichen einer konventionellen Sprache zu konstituieren. Aber daraus folgt nur der Schluß, daß der Bezeichnungsbegriff, der von den Zeichen einer konventionellen Sprache vorausgesetzt wird, in der betreffenden Hinsicht ein engerer und inhaltsreicherer Begriff sein kann als derjenige * Siehe unten S. 400 f . bzw. 406 f . Die Belege für b) sind jedoch problematisch. Siehe oben S. 378.

T

397

Bezeichnungsbegriff, der notwendig von jedem Wunder als Zeichen vorausgesetzt wird. Für die Bezeichnungsbeziehung der Zeichen einer konventionellen Sprache, z.B. für diejenige der Wörter und Ausdrücke einer natürlichen Sprache, muß man auf das Bestehen konventionell festgesetzter Sprachregeln einer bestimmten Sprache als eine notwendige Bedingung zurückgreifen8. Aber auch für Wunder als Zeichen können speziellere, engere Bezeichnungsbegriffe in dem Material belegt werden. Engere Bezeichnungsbegriffe erhält man einfach dadurch, daß man mindestens eine der vier oben dargestellten Konjunktionen a) - d] nicht eine hinreichende, sondern nur ein Glied einer hinreichenden Bedingung für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung sein läßt. In einem solchen Falle muß mit der betreffenden Konjunktion mindestens noch ein Glied konjungiert werden, wenn man zu einer hinreichenden Bedingung gelangen will. Diese übrigen in a) - d] fehlenden Glieder bestehen, wie wir gesehen haben, kaum in Sprachregeln, wenn es sich um Wunder als Zeichen handelt8. Vielmehr könnte man sich hier 'metaphysische' Inhalte verschiedener Art denken, die allerdings jeweils von Fall zu Fall und von Verfasser zu Verfasser verschieden sind; z.B. 'kausale' Beziehungen, Zeitbeziehungen, Teil-Ganzheitsbeziehungen oder Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen Zeichen und Bezeichnetem. Im allgemeinen sind diese Beziehungsbegriffe auch zu unklar, um hier von Nutzen sein zu können, da es ja, wie gesagt, auch keine einzelne Beziehung dieser Art gibt, die generell für alle Bezeichnungsbeziehungen konstitutiv wäre. Das Gesagte gilt auch für die besonders 'engen, intimen' Beziehungen zwischen Zeichen und Bezeichnetem, von denen bei Stählin und Thielicke die Rede ist9. Auf diese Arten von Beziehungen zwischen Zeichen und Bezeichnetem werden wir hier nicht eingehen. Die ganze Analyse wird hier auf die Seiten des Zeichenbegriffs begrenzt, die mit Hilfe der Kommunikation zwischen Absender und Empfänger eines Zeichens analysiert werden können. Soweit wurde die Frage der hinreichenden Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung erörtert. Jetzt muß auch etwas auf die Frage nach den notwendigen Bedingungen eingegangen werden. Es " Siehe oben S. 365. * Siehe z.B. Stählin, 3 1 8 f., 325 f., 330 f., 3 3 3 f.; Thielicke, Das Wunder, 103: „Semeion heißt zunächst und vor allem andern „Merkmal für etwas" und zwar . . . Merkmal im Sinne der Unvertauschbarkeit." Von diesem Thema handeln die darauf folgenden Ausführungen Thielickes. Diese 'Unvertauschbarkeit' könnte als eine Disjunktion von Identität, Teil-Ganzheitsbeziehung oder kausale Beziehung gedeutet werden. Uber den Fall der Identität, siehe oben, Abschnitt A , Anm. 8. Eine Teil-Ganzheitsbeziehung ist vielleicht im folgenden angedeutet: „es [seil, das Wunder} ist ein Stück des kommenden Gottesreiches . . . von dem Evangelium der Heiligung her gesehen." Thielicke, a.a.O., 1 1 2 . Cremer dagegen verneint sowohl die Identität wie die Teil-Ganzheitsbeziehung zwischen dem Wunder und dem vom Wunder Bezeichneten; siehe oben Anm. 5. З98

liegen Gründe zu der Behauptung vor, daß die vier Fälle a) - d) nicht alle Möglichkeiten einer Bezeichnungsbeziehung erschöpfen, daß die Disjunktion der vier Glieder a] - d) nicht eine notwendige Bedingung für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung ist. Man könnte sich nämlich einen Ausnahmefall denken, wo das Zeichen sowohl sich selbst wie etwas anderes bezeichnet10. Auch wenn ein Zeichen sowohl sich selbst wie etwas anderes bezeichnet, wäre die Disjunktion der beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers notwendig für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung der hier dargestellten Art, aber die beiden Bedingungen wären auch in diesem Falle nicht hinreichend für das Bestehen einer solchen Bezeichnungsbeziehung. Es müßte hier die Erfüllung eines Kriteriums hinzukommen, durch das man diesen Fall der doppelten Bezeichnung eines Zeichens von sich selbst und von etwas anderem unterscheiden könnte von den anderen Fällen, in denen das Zeichen entweder nur sich selbst oder nur etwas anderes bezeichnet. Für Wunder als Zeichen scheint ein solches Kriterium, um den fünften Fall der doppelten Bezeichnung eines Wunders von den oben genannten Fällen a] - d) zu unterscheiden, schwer zu finden zu sein. Der weiteste in diesem Abschnitt dargestellte Bezeichnungsbegriff und auch ihm untergeordnete engere Spezies, engere Bezeichnungsbegriffe, werden mit Beispielen aus dem Material in den nächsten Abschnitten В und С belegt. In Abschnitt D wird ein alternativer Bezeichnungsbegriff eingeführt, der sich auf eine modale Schwächung der Bedingung des Empfängers gründet, der aber auch mit dem ersteren Bezeichnungsbegriff kombiniert werden kann, indem diese modale Schwächung in ihrer stärksten Form (also eine Spezies derselben] als ein wichtiges Glied einer hinreichenden Bedingung mit einer der oben dargestellten vier Konjunktionen a) - d) oder mit dem erwähnten fünften Fall konjungiert wird. 10

Daß die Identität zwischen Zeichen und Bezeichnetem [die von den Fällen c)-d) oben impliziert wird) und der Fall, daß das Zeichen sich selbst und außerdem noch etwas anderes bezeichnet, nicht nur freie Konstruktionen sind, sondern auch im Verhältnis zum Material ernst genommen zu werden verdienen, zeigt ein Beispiel bei Thielicke, wo ausgesagt wird, daß ein bestimmtes von ihm beschriebenes Wunder als Zeichen sich selbst bezeichnet: „Das Merkmal für die Wirklichkeit und damit die Gültigkeit der Engelsbotschaft Luk. 2 , 1 0 f. ist das Kind in der Krippe. Und zwar ist dieses semeion, daß die Hirten das Kind finden sollen, entscheidend dadurch charakterisiert, daß es nicht nur Zeichen ist für eine jenseits seiner selbst liegende Sache und daß es insofern die Aufgabe hätte, sich selbst überflüssig zu machen, nachdem es zu jener „Sache" geführt hätte. Sondern dies semeion ist Zeichen und bezeichnete Sache ineins. Das Kind in der Krippe ist „Merkmal" der von den Engeln bezeichneten frohen Nachricht und diese frohe Nachricht selber „in-eins", „in-Person". Es zeigt - auf sich. So ist semeion darum unvertauschbar, weil Zeichen und Sache miteinander identisch sind." Thielicke, Das Wunder, 103 f.

399

В. Beispiele im Material zur Bedingung des Absenders, mit analytischen Kommentaren Die beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers lassen sich mit ihrem ganzen Inhalt explizite im Material selbst belegen als Bedingungen für den Zeichencharakter des Wunders. Öfters werden im Material Spezialfälle der Bedingungen ausgeführt und dargelegt. Wir werden jetzt explizite Beispiele aus dem Material für die beiden Bedingungen anführen und kommentieren. Wir beginnen mit Beispielen im Material für die Bedingung des Absenders. Die Bedingung des Absenders wird von Schmidt in einer Auslegung über Jesu Wunderheilungen als Bedingung für den saemeion-Charakter eines Wunders aufgestellt; wobei Jesus als Absender der Zeichen verstanden wird: Darum war sein Wunderheilen auch insofern nur ein saemeion, als er damit hinweisen wollte darauf, daß er gekommen sei, von Sünden zu erlösen und die Geister - nicht bloß die Leiber - aus den Banden Satans zu befreien. W i e er solches am deutlichsten kund getan hat einerseits in der Heilung des Gichtbrüchigen, welchem er zunächst die Vergebung der Sünden zuteilte und dann die leibliche Heilung nur als Siegel der Vergebung, andrerseits in jener Apologie gegen den Vorwurf, daß er die Teufel durch Beelzebub austreibe, w o er vielmehr diese Heilung der leiblich Besessenen nur als Beweis will angesehen wissen, daß er den Satan selbst überwunden hat. Seine ganze Wunderheilungswirksamkeit zielt dahin, ihn zu erweisen als den, der aus erbarmender Liebe gekommen ist, „um die Werke des Teufels zu zerstören" . . . und „sein Leben zu geben zur Erlösung für viele" . . . Eben darin ist uns die sicherste Garantie gegeben, daß Jesu Wundertaten echte Wunder sind 11 .

Hier wird Jesus ausdrücklich als Absender genannt und auch seine Absichten, sein 'Wille', sein 'Ziel' werden klar erwähnt. Als Empfänger eines Wunderzeichens wird der Gichtbrüchige genannt. Dieser ist aber nicht der einzige in diesem Text angedeutete Empfänger eines Wunderzeichens. In dem letzten Satz des Textes z.B. deutet das Wort „uns" den Empfänger an. An mehreren Stellen in diesem Text fehlt aber jede explizite Erwähnung eines Empfängers, dessen Aufmerksamkeit auf das Bezeichnete Jesus durch die Zeichen wecken wollte. Ein unbestimmter Empfänger wird an diesen Stellen angedeutet und vorausgesetzt dadurch, daß der Sinngehalt einiger Ausdrücke, die Jesu Absichten bezeichnen, einen Empfänger verlangen, um überhaupt einen vollständigen Sinn zu ergeben, auch wenn diese Ausdrücke weder in nominaler noch in pronominaler Form irgendeine Bezeichnung für einen Empfänger enthalten. Eine Explikation dieser Ausdrücke muß also den Empfänger - wenn auch in pronominaler Form - supplieren. Diese Ausdrücke sind: „hinweisen wollte", 11

Schmidt, 196.

400

„kund getan hat", „Apologie gegen den Vorwurf ..", „als Beweis will angesehen wissen" und „zielt dahin, ihn zu erweisen als ..". Es ist klar, daß man nicht auf etwas 'hinweisen' kann, ohne jemanden darauf hinzuweisen, nicht etwas 'kund tun' kann, ohne jemandem dieses kund zu tun, und daß nichts als ein Beweis angesehen werden kann, wenn nicht jemand dieses als einen Beweis ansieht. Ähnliches gilt für die anderen genannten Ausdrücke. Durch die Supplierung des Empfängers in den Ausdrücken, die von Jesu Absichten handeln, sieht man klar, daß diese Absichten den Inhalt haben, daß ein Empfänger durch seine Wunder auf etwas [als das Bezeichnete] aufmerksam gemacht werden soll. Fragen wir dann nach dem, was dieser Text als das Bezeichnete versteht, so werden die folgenden bezeichneten Inhalte als das von jeweils verschiedenen Wundern Bezeichnete angegeben, um nur Beispiele für Ausdrücke zu nennen, die in dem Text diese von Wundern bezeichneten Inhalte oder Objekte bezeichnen: „daß er (seil. Jesus] gekommen sei, von Sünden zu erlösen und die Geister... aus den Banden Satans zu befreien", „die Vergebung der Sünden", „daß er den Satan selbst überwunden hat", und „Jesus als der, der aus erbarmender Liebe gekommen ist . . " Auf solche bezeichneten Inhalte und Objekte wie die Genannten will Jesus den Behauptungen dieses Textes zufolge Empfänger seiner verschiedenen Wunderzeichen aufmerksam machen. Die Bedingung des Absenders in ihrer Anwendung auf Jesus als Absender wird in dem Text als Bedingung dafür aufgestellt, daß Jesu Wunder auch saemeia sind: „insofern nur ein saemeion, als er damit hinweisen (seil, einen Empfänger] wollte darauf, daß . . " deutet dies an. Die Bedingung des Absenders könnte in dem Text als eine hinreichende Bedingung für den Zeichencharakter eines Wunders verstanden sein, oder auch vielleicht als ein Glied einer hinreichenden Bedingung, soweit man einzelne Wendungen („insofern . . . ein saemeion, als . . " ] exakt interpretieren darf. Die Analyse im vorigen Abschnitt stellte diese Bedingung als ein konjunktives Glied einer hinreichenden Bedingung für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung auf. In bezug auf das angeführte Beispiel für die Bedingung des Absenders als eine anscheinend hinreichende Bedingung ist dies zu sagen, daß es logisch vereinbar ist mit der vorhergehenden Analyse dadurch, daß die Nicht-Identität zwischen Zeichen und Bezeichnetem in diesem Beispiel erfüllt ist. Dieses Beispiel des Materials kann also dahingehend interpretiert werden, daß es erst die Konjunktion der Bedingung des Absenders mit dieser anderen Bedingung der Nicht-Identität ist", die hinreichend ist für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung, während die Glieder dieser Konjunktion eigentlich nur Glieder einer solchen hinreichenden Bedingung sind. 12

Diese Konjunktion ist die Konjunktion (a) oben in Abschnitt A . Siehe oben S. 396.

16 - 566-3501

401

In denjenigen eventuellen Beispielen aus dem Material, in denen diese Konjunktion nicht einmal als hinreichend für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung gilt, sondern nur als ein Glied einer solchen, ist offenbar ein engerer Bezeichnungsbegriff vorausgesetzt als derjenige, für den die oben dargestellte Konjunktion eine hinreichende Bedingung bildet. Eine hinreichende Bedingung für einen weiteren Begriff braucht nämlich nicht auch hinreichend zu sein für einen engeren, inhaltsreicheren Begriff, der dem ersteren als Spezies untergeordnet ist". Das Zutreffen eines solchen engeren Bezeichnungsbegriffs könnte eine hinreichende Bedingung erhalten erst durch die konjunktive Hinzufügung zu der oben dargestellten Konjunktion von noch einer Bedingung zu einer inhaltsreicheren Konjunktion. Ein solches extra Glied der neuen Konjunktion über die oben dargestellte Konjunktion hinaus könnte z.B. eine Spezifizierung der Bedingung des Absenders in bezug auf die beabsichtigte Wirkung des Zeichens auf den Empfänger enthalten, die darin bestände, daß der Absender die A b sicht hätte, eine fürwahrhaltende 'Überzeugung' oder 'Glauben' bei dem Empfänger zu wecken. Fürwahrhalten ist ja nur eine besondere Art von Intention, von 'Denken an'. Eine intentionale Attitüde dieser spezielleren Art wird in dem angeführten Zitat besonders durch Wendungen wie „Beweis" und „erweisen" angedeutet, wird aber von sämtlichen Ausdrücken in dem angeführten Textbeispiel nahegelegt, die sich auf die vom Absender beabsichtigte intentionale Attitüde des Empfängers beziehen14. Durch diese besondere Qualifizierung der Absicht des Absenders ist eine Spezies der Bedingung des Absenders konstituiert. Diese letztere enthält ja in ihrer allgemeinen Form keine Bestimmung dessen, welcher Art die Intention des Empfängers nach der Absicht des Absenders sein soll. Soweit die Ausführungen, die von dem zitierten Textbeispiel veranlaßt wurden. Neue Gesichtspunkte treten uns in dem nächsten Materialbeispiel entgegen. Ein anderer Verfasser, Rupprecht, stellt die Bedingung des Absenders als Bedingung für den Zeichenbegriff in der Form auf, daß er weder den Absender noch den Empfänger ausdrücklich nennt, weder durch ein Nomen noch ein Pronomen; dagegen betont er ausdrücklich den 'Glauben' als den beabsichtigten Erfolg des Wunderzeichens: Dafür, daß das Wunder seinen Zweck nur da erfüllt, also nur da wirklich als Wunder erfaßt wird, wo es zu einem Hinweis auf den lebendigen Gott wird und Glauben wirkt, spricht sehr unmißverständlich die Heilige Schrift selbst schon durch den Sprachgebrauch aus. A m häufigsten gebraucht sie für „Wunder" das

Wort „Zeichen"1'. 13

V g l . oben S. 133 am Ende von Punkt 4.

14

Über intentionale Attitüden siehe oben S. 242 f .

15

Rupprecht, 189, A n m . 2. V g l . 176.

402

Hier wird von einem 'Zweck' des Wunders gesprochen", was ja deutlich jemanden voraussetzt, der den Zweck setzt - am nächsten liegt hier die Annahme eines Absenders, der einen Zweck mit dem Wunder verfolgt. Der Inhalt dieses Zwecks ist der, daß das Wunder zu einem Hinweis auf 'Gott' wird und 'Glauben' wirkt. Ein Hinweis muß als solcher immer ein Hinweis für jemanden sein, und 'Glauben' ist nicht möglich, ohne daß jemand glaubt. Ein Empfänger wird also hier von den Worten .Hinweis" und „Glauben" vorausgesetzt. In dem angeführten Zitat wird anscheinend 'der lebendige Gott' als das von dem Wunderzeichen Bezeichnete angegeben dadurch, daß das Wunder als Zeichen nach der Absicht des Absenders als ein „Hinweis auf den lebendigen Gott" dienen sollte. In diesem Fall ist auch die Bedingung der Nicht-Identität zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten erfüllt, genau so wie in dem vorhin angeführten Textbeispiel. Ganz allgemein läßt sich feststellen: wenn von theologischer Seite behauptet wird, der Zweck des Wunders sei der, Glauben zu erwecken, so bedeutet das, wie gesagt, daß es die Absicht des Absenders ist, daß das Wunderzeichen bei dem Empfänger Glauben erwecken soll. Wenn der Absender des Zeichens die Absicht hat, die Gedanken des Empfängers durch das Zeichen auf eine gewisse Sache oder auf einen gewissen Inhalt zu lenken, so ist die Bedingung des Absenders in diesem Fall erfüllt. Nun wird wohl 'Glauben' mindestens dies enthalten, daß der Glaubende an eine gewisse Sache oder an einen gewissen Inhalt denkt, und diese Sache bzw. dieser Inhalt bildet dann den Gegenstand des Glaubens. Daraus folgt: wenn der Wundertäter die Absicht hat, den Beobachter des Wunders durch das Wunder zum Glauben zu veranlassen, so liegt es auch in der Absicht des Wundertäters zu bewirken, daß der Gegenstand dieses von dem Wundertäter beabsichtigten Glaubens von dem Empfänger intendiert wird. Das Wunder erfüllt in diesem Fall die Bedingung des Absenders und wird insofern als Zeichen für den Gegenstand des von dem Absender beabsichtigten Glaubens konstituiert, wenn eine hinreichende Bedingung für eine Bezeichnungsbeziehung im übrigen vorliegt. Der zuletzt zitierte Text versteht anscheinend diese Bedingung des Absenders, diese Absicht eines Absenders, als von dem Zutreffen des biblischen Zeichenbegriffs als solchem impliziert, und zwar als eine notwendige Bedingung. Wenn in einem Materialbeispiel behauptet wird, daß die Bedingung des Absenders eine notwendige Bedingung für das Bestehen " Vgl. einen Ausschnitt aus Jelkes Bestimmung des neutestamentlichen Wunderbegriffes, wo er über „die dritte neutestamentliche Bezeichnung der Wunder als saemeia" das Folgende schreibt: „Saemeia werden die betreffenden Taten Jesu genannt in Beziehung auf ihren Grund und Zweck, insofern sie die Aufgabe haben kenntlich zu machen, daß diese oder jene Tat oder Wirkung Gott zum Urheber hat." Jelke, Die Wunder Jesu, 14. Vgl. Schmeling, 1090.

40З

einer Bezeichnungsbeziehung ist, so ist eben ein engerer Bezeichnungsbegriff dort vorausgesetzt als derjenige, der in der vorhergehenden Analyse aufgestellt wurde. Die Analyse im vorigen Abschnitt stellte nämlich diese Bedingung nur als ein disjunktives Glied einer notwendigen Bedingung für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung auf. Daß die Bedingung des Absenders notwendig ist, widerspricht auch nicht dem, daß die Disjunktion der beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung notwendig ist. Das letztere folgt sogar aus dem ersteren, jedoch nicht umgekehrt. Die Relation zwischen der Analyse im vorigen Abschnitt und dem angeführten Materialbeispiel ist also die, daß die Analyse einen weiteren Bezeichnungsbegriff aufstellt, während der Bezeichnungsbegriff in den Texten, der die Bedingung des Absenders als notwendiges Moment enthält, ein engerer Bezeichnungsbegriff ist, der dem weiteren der vorigen Analyse als Spezies untergeordnet ist. Und eine notwendige Bedingung eines engeren Begriffs braucht nicht notwendig zu sein für einen weiteren Begriff, der dem engeren als Genus übergeordnet ist". Daß die Bedingung des Absenders notwendig ist, hat aber die Konsequenz, daß keine andere Bedingung als die des Absenders hinreichend sein kann, die nicht diese Bedingung des Absenders als ein konjunktives Glied enthält oder logisch impliziert. Das widerspricht aber dem, daß die Bedingung des Empfängers ein Glied einer hinreichenden Bedingung für das Bestehen der Bezeichnungsbeziehung sein kann, wenn diese hinreichende Bedingung nicht die Bedingung des Absenders als ein Glied enthält oder logisch impliziert18. Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten und es wurde auch im vorigen Abschnitt behauptet, daß die Bedingung des Absenders logisch unabhängig ist von der Bedingung des Empfängers. Daraus folgt ferner, daß die Absicht des Absenders in einem gegebenen Falle von dem Empfänger nicht verwirklicht zu werden braucht. Daß die Absichten des Absenders nicht immer von dem Empfänger verwirklicht werden, wird auch in dem Material ausgesprochen1". Wenn z.B. ein Empfänger ein Zeichen, das durch die Erfüllung der Bedingung des Absenders als Zeichen konstituiert ist, mißverstanden hat, so hat er die Absichten des Absenders nicht gemäß der Bedingung des 17

V g l . oben S. 134 am Ende von Punkt 5.

V g l . die beiden Konjunktionen b ) und d] in Abschnitt A . Siehe oben S. 396. 19 So schreibt z.B. Bultmann: „Als saemeia sind die Wunder Jesu zweideutig; sie sind mißverständlich wie die Worte Jesu." Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 396. Etwas weiter unten schreibt er: „Eben weil die Wunder saemeia sind, die verstanden werden sollen, geben sie auch die Möglichkeit des Mißverständnisses. Nach dem Brotwunder, das die Frage weckt, ob er „der Prophet ist, der in die Welt kommen soll" (6,14), will die Menge ihn zum König machen . . . weil sie leibliches Heil von ihm erwartet." a.a.O., 397. 18

404

Absenders verwirklicht, und die Bedingung des Empfängers ist dann von ihm nicht erfüllt in bezug auf dieselbe Bezeichnungsbeziehung, die von der betreffenden Erfüllung der Bedingung des Absenders konstituiert ist. Zu einer Bezeichnungsbeziehung, die durch die Absicht des Absenders bedingt ist, unabhängig von der Bedingung des Empfängers, kann ein Empfänger, von einem Mißverstehen des Zeichens abgesehen, auch verschiedene positive Beziehungen haben. Zwei Stufen der Stellungnahme des Empfängers zu der von dem Absender konstituierten Bezeichnungsbeziehung eines Zeichens können unterschieden werden: 1 ) Auf der ersten Stufe liegt die Frage vor, ob der Empfänger die von dem Absender gegebene Bezeichnung des Zeichens versteht oder nicht. Wenn er diese Bezeichnung des Absenders nicht versteht, fällt die Frage auf der zweiten Stufe weg. Wenn er aber versteht, was der Absender meint, erhebt sich eine neue Frage auf der zweiten Stufe. 2) Auf der zweiten Stufe haben wir die Frage vor uns, ob der Empfänger auch die Wahrheit bzw. die Faktizität des Bezeichneten akzeptiert. [Wahrheit oder Faktizität werden aktuell je nach der logischen Stellung des Bezeichneten20.) Das Bezeichnete ist dem Zeichen von dem Absender zugeteilt worden. Der Empfänger kann verstehen, was dieses Bezeichnete ist, ohne die Wahrheit bzw. die Faktizität dieses Bezeichneten zu akzeptieren, also ohne die Bezeichnungsbeziehung als real anzuerkennen. Um die Absicht des Absenders zu verwirklichen, genügt es aber oft nicht, daß der Empfänger das Zeichen versteht, er muß auch die Art der Intention im Hinblick auf das Bezeichnete verwirklichen, die der Absender beabsichtigt hat. Der Absender kann die Absicht haben, den Empfänger dazu zu veranlassen, die Wahrheit bzw. Faktizität des Bezeichneten zu akzeptieren, was mehr bedeutet als das Zeichen nur zu verstehen. Der Absender kann auch eine gewisse Wertschätzung von Seiten des Empfängers durch das Zeichen beabsichtigen. In dem Material ist öfters die Rede von dem Glauben des Empfängers an die Wahrheit bzw. Faktizität des Bezeichneten als von dem, was der Absender verlangt. Daß dieser Glaube, den der Absender hervorzurufen beabsichtigt, von dem Empfänger nicht immer verwirklicht wird, tritt klar hervor bei Rupprecht"1. Er geht hierbei davon aus, daß die von dem Absender, in seinem Fall Gott, beabsichtigte Wirkung des Handlungswunders auf den Empfänger die ist, dessen Glauben zu wecken und zu stärken. Nach Rupprecht kann aber eine Wirkung eintreffen, die von der von Gott beabsichtigten Wirkung abweicht, nämlich dann, wenn das Wunder beim Emp20

Darüber siehe näher oben S. 385 f f . Rupprecht, 189 f. Über eine faktische Wirkung des Wunders, die von der von Gott beabsichtigten verschieden ist, siehe auch a.a.O., 178, wo behauptet wird, die Bibel lehre, daß Wunder nicht immer zum Glauben führen. 21

405

fänger nur als solches Erstaunen auslöst und dadurch zu einem Hindernis für den 'rechten Glauben' wird. Derselbe Gedanke tritt hervor in der folgenden Äußerung eines anderen Theologen: O b auch das Volk im großen und ganzen, vornehmlich die herrschenden Klassen, allen diesen saemeiois den entschlossenen Unglauben entgegensetzten (Joh. I2 > 37) 1 s o haben sie doch ihre Wirkung nicht verfehlt bei denen, auf welche von vornherein das Absehen des Herrn bei seiner gesamten Wirksamkeit vornehmlich gerichtet gewesen ist, bei den Jüngern des Herrn28.

Die letzte Behauptung in dem Text unterstreicht den wichtigen allgemeinen Sachverhalt, daß die Bedingung des Absenders die Möglichkeit erlaubt, daß die Absicht des Absenders auf gewisse bestimmte Empfänger als Empfänger des Zeichens gerichtet ist. Die Bedingung des Absenders ist auch dann erfüllt, wenn ein Absender die Absicht hat, bei dem bestimmten Empfänger X durch das Zeichen eine bestimmte Intention zu bewirken, ohne daß die Absicht besteht, andere Empfänger als X durch das Zeichen zu beeinflussen. C. Beispiele im Material für die Bedingung des Empfängers, mit analytischen

Kommentaren

Die Bedingung des Empfängers als eine Bedingung für den Zeichencharakter des Wunders kann in mehreren Beispielen im Material belegt werden. So schreibt z.B. Lauerer über die drei neutestamentlichen Worte „teras, saemeion, dynamis": Damit sind ohne lehrhafte Ausprägung die drei konstitutiven Merkmale eines Ereignisses angegeben, das Wunder im christlichen Sinne sein will. Es muß kraft seiner Erstaunlichkeit (teras) dem Menschen zum Zeichen (saemeion) des Eingriffs einer gewöhnlich nicht eingreifenden Kraft (dynamis) werden . . . Das Wunder muß nicht bloß teras, sondern auch saemeion sein. Es muß dem davon Berührten, sei es, daß er durch das Erlebnis oder durch den Bericht getroffen werde, den Eindruck und die Überzeugung vom Nahekommen des Göttlichen vermitteln".

Der Zeichenbegriff wird hier ab notwendig für den Wunderbegriff hingestellt. In bezug auf die Bedingungen für den Zeichenbegriff wiederum läßt sich der Text so deuten, daß die Bedingung des Empfängers für das Zutreffen des Zeichenbegriffs sowohl eine notwendige Bedingung wie (wenigstens) ein Glied einer hinreichenden Bedingung bildet. Die Worte ,До·aft seiner Erstaunlichkeit... dem Menschen zum Zeichen" deuten eine hinreichende Bedingung an. Der letzte Satz im Text könnte als Explika" Schmidt, 195. " Lauerer, 396.

406

tion des vorangehenden Wortes „saemeion" aufgefaßt werden, die sowohl eine notwendige wie hinreichende Bedingung darstellt. Viel spricht aber dafür, daß die betreffende hinreichende Bedingung nicht die allgemeine Bedingung des Empfängers ist, sondern eine Spezies dieser Bedingung, die außer dieser Bedingung auch andere speziellere Teilinhalte enthält, die von solchen Ausdrücken in dem angeführten Text wie „Erstaunlichkeit" und „Überzeugung" angedeutet werden, und die die Art der Intention des Empfängers näher bestimmen. Wir haben schon in Abschnitt Α erwähnt, daß die Bedingung des Empfängers relativ ist zur Person. Wenn sie erfüllt wird, wird sie von bestimmten Personen erfüllt, während andere Personen diese Bedingung vielleicht nicht erfüllen. Die Relativität dieser Bedingung des Empfängers zur Person trifft natürlich auf jeden Begriff zu, für dessen Zutreffen diese Bedingung notwendig ist, in diesem Falle auf den Zeichenbegriff des erwähnten Theologen". Die Empfängerbeziehimg kann ferner durch die Sprache vermittelt werden. Man kann Empfänger eines Wunderzeichens sein, von dem man nur durch die Sprache erfährt. Das ist im Text angedeutet durch die Worte „oder durch den Bericht getroffen werde"". Das Bezeichnete ist nach dieser Bedingung von dem Empfänger intendiert. In diesem Text wird das Bezeichnete von den Ausdrücken „des Eingriffs einer gewöhnlich nicht eingreifenden Kraft" und „Nahekommen des Göttlichen" angedeutet. Ein anderer Theologe, Schmidt, faßt anscheinend die Bedingung des Empfängers einmal als eine hinreichende, zum anderen als eine notwendige Bedingung für das Zutreffen des saemeion-Begriffs auf. Er schreibt folgendes über diejenigen „Wunder, welche die Heilige Schrift als Begleiterscheinungen der in ihr beurkundeten Geschichte berichtet": Sie sind sinnlich wahrnehmbare Ereignisse, von denen vorausgesetzt wird, daß sie . . . bestimmt sind, vermöge staunenerregenden Eindrucks auf die Wahrnehmenden als saemeia zu dienen". Hier dürfte die Bedingung des Empfängers angedeutet sein, und zwar als eine hinreichende Bedingung oder als ein Glied einer solchen Bedingung für das Zutreffen des biblischen saemeion-Begriffs. Für die letztere Alternative spricht der Umstand, daß der 'staunenerregende Eindruck' eine extra Bedingung darstellt, die nicht schon in der allgemeinen Bedingung des Empfängers enthalten ist. Das Intendierte ist hier allerdings nicht angedeutet. Das ist es allerdings auch nicht in einem anderen Beispiel, wo " Vgl. hierzu den Ausdruck „dem Menschen zum Zeichen" in dem zitierten Text. " Vgl. die weite Bedeutung des Begriffs 'Beobachter' im 8. Kapitel, der eine entsprechend weite Bedeutung des Begriffs 'Empfänger' hier entspricht. Siehe oben S. 223 f f . 26 Schmidt, 190.

407

Schmidt wahrscheinlich die Bedingung des Empfängers als notwendig für das Zutreffen des saemeion-Begriffs hinstellt: Die Auferstehung Christi konnte zum saemeion werden nur dadurch, daß der an sich der Überweltlichkeit angehörende Tatbestand sich ihnen sinnenfällig darstellte, so daß . . . die Überzeugung ihnen für immer feststand: „Er ist wahrhaftig auferstanden"". Die Bedingung des Empfängers ist dadurch angedeutet, daß das Zeichen nach dem Text „sich ihnen sinnenfällig darstellte" und eine Überzeugung in den Empfängern wirkte, und außerdem dadurch, daß die andere Alternative, die Bedingung des Absenders, nicht erwähnt wird. Die Notwendigkeit dieser Bedingung für das Zutreffen des saemeion-Begriffs ist durch die Worte „konnte zum saemeion werden nur dadurch, daß" angedeutet. Hier entsteht aber eine Schwierigkeit für Schmidt. Er hat nämlich an einer anderen Stelle, die im vorigen Abschnitt angeführt wurde, allem Anschein nach die Bedingung des Absenders als hinreichend für das Zutreffen des saemeion-Begriffs dargestellt". Wenn diese Deutung zutreffend ist, widerspricht Schmidt hier sich selbst, denn: Wenn eine Bedingung Α für F hinreichend ist, so kann keine andere Bedingung В für F notwendig sein, die nicht von Α logisch impliziert wird, und wenn В für F notwendig ist, kann keine andere Bedingung Α für F hinreichend sein, die В nicht logisch impliziert28. Nun implizieren aber die beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers einander nicht. Der Widerspruch läßt sich nur beheben, wenn entweder die Bedingung des Absenders nur als Glied einer hinreichenden Bedingung oder die Bedingung des Empfängers nur als Glied einer notwendigen Bedingung aufgefaßt wird. Das Wort „nur" im Text spricht stark für eine notwendige Bedingung. Dann müßte man die angedeutete hinreichende Bedingung im vorigen Abschnitt zu einem Teilglied einer solchen abschwächen. Wenn ein Verfasser die Bedingung des Empfängers als eine notwendige Bedingung für das Zutreffen des Zeichenbegriffs hinstellt, so hat er einen engeren Zeichenbegriff als denjenigen, der in der Analyse in Abschnitt А dargelegt wurde, ebenso, wie wenn jemand die Bedingung des Absenders als notwendig hinstellt. Der Zeichenbegriff in diesem Material ist eine untergeordnete Spezies des Zeichenbegriffs, der in der allgemeinen Analyse aufgestellt wurde. Eine Bedingung kann notwendig sein für eine Spezies ohne notwendig zu sein für ein dieser Spezies übergeordnetes Genus. 27

Schmidt, 189. Siehe oben S. 400 f. ы Über hinreichende und notwendige logische Bedingungen siehe oben S. 1 2 1 , D 1 und D 2. Die hier behaupteten Thesen folgen aus diesen Definitionen zusammen mit der Transitivität der L-Implikation. Darüber siehe Carnap, Symbolische Logik, 20, Lehrsatz L 6 - 3 b. Vgl. oben S. 134, Anm. 32. Diese Transitivität gilt auch für L-Implikation zwischen Begriffen. 28

408

Daß die Bedingung des Empfängers notwendig ist, widerspricht aber dem, daß die Bedingung des Absenders ein Glied einer solchen hinreichenden Bedingung ist, die nicht zugleich die Bedingung des Empfängers als Glied enthält oder logisch impliziert30. Die Art der Intention des Empfängers, die durch das Wunder veranlaßt wird, wird von einigen Theologen näher bestimmt. Diese Theologen bestimmen diese Art der Intention als 'Glaube'. Lauerer schreibt: In der Tat ist es dem Wunder wesentlich nicht bloß teras sondern saemeion zu sein, nicht bloß Staunen sondern Glauben hervorzurufen 31 .

Der Ausdruck „Glauben hervorzurufen" muß im Lichte der folgenden allgemeinen Tatsache interpretiert werden: Wenn ein Glaube de facto durch das Wunder in dem Beobachter des Wunders geweckt wird, so wird der Beobachter durch das Wunder den Gegenstand des Glaubens intendieren, nämlich an das Geglaubte denken, und dadurch ist ein Fall der Bedingung des Empfängers erfüllt. Dieses Geglaubte ist damit gemäß der Bedingung des Empfängers von dem Wunder bezeichnet, soweit eine Bezeichnungsbeziehimg im übrigen hinreichend bedingt ist. 'Glaube' ist allerdings nur ein Spezialfall des Fürwahrhaltens, und das letztere ist wiederum nur ein (qualifizierter) Spezialfall der Intention. „Glauben hervorzurufen" steht in dem angeführten Textbeispiel als Explikation zu „saemeion" und bezeichnet deutlich einen Spezialfall der Bedingung des Empfängers. Als Inhalt einer Explikation kann dieser Spezialfall sowohl als hinreichend wie notwendig für den saemeion-Charakter des Wunders gedeutet werden32. Interessant ist, hier folgendes zu bemerken: wenn ein Spezialfall ('Glaube'] einer Bedingung (der des Empfängers] hinreichend ist für das Zutreffen eines Begriffs ('saemeion'), so folgt daraus nicht an und für sich, daß die Bedingimg selbst als Genus dieses Spezialfalles auch hinreichend ist3*. Im Material wird auch ein anderer möglicher Spezialfall der Bedingung des Empfängers angedeutet als derjenige, der darin besteht, daß ein A k t Vgl. die Konjunktionen a) und c] im Abschnitt A; siehe oben S. 396. Lauerer, 402. 32 Vgl. Delling, 270, wo der Glaube des Empfängers als eine hinreichende Bedingung für den Zeichencharakter eines Wunders hingestellt wird nach der Auffassung „der urchristlichen Überlieferung" von den Wundem Jesu: „Genauer gesagt: die Machttat wird für den, der der Botschaft Jesu glaubt, zum wirksamen Zeichen der Gültigkeit seiner Botschaft und damit zugleich seiner Vollmacht." 33 Eine Konjunktion ist eine Spezies, ein Spezialfall von ihren Teilgliedern, und ein konjunktives Teilglied ein Genus im Verhältnis zu der Konjunktion, wenn das Teilglied nicht mit der Konjunktion L-äquivalent ist. Vgl. oben S. 131 f., Punkt 2. Nun kann aber eine Konjunktion hinreichend sein für F, ohne daß ein Teilglied der Konjunktion für sich allein für F hinreichend ist. Vgl. oben S. 127, Lehrsatz L4. Man beachte, daß die Genus-Spezies-Relation sowohl Satzinhalte wie Begriffe als Glieder haben kann. 30

31

409

des 'Glaubens' durch ein Zeichen veranlaßt wird. Schmidt spricht vom 'Erkennen' als einer Wirkung des Wunders auf den Empfänger. Dies bildet einen Spezialfall der Bedingung des Empfängers insofern, als das 'Erkennen' des Empfängers eine spezielle Form des Intendierens ist. Dieses 'Erkennen' des Empfängers wird von Schmidt anscheinend als eine hinreichende Bedingung für den saemeion-Charakter des Wunders hingestellt: In der Wundertatsache der Wiedergeburt wird dem Christen Gott kund als der, der er ist; sie ist ein Hinweis und Beweis, dadurch wir Gottes Wesen erkennen, d.h. eben ein saemeion". Wichtig ist, folgendes zu bemerken: wenn 'Erkennen' des Empfängers eine hinreichende Bedingung für den Zeichencharakter eines Wunders ist, so folgt daraus nicht, daß auch eine Intention des Empfängers überhaupt für sich allein hinreichend ist. 'Erkennen' nämlich ist, wie gesagt, ein Spezialfall der Intention, der mehr enthält als der letztere Begriff. Hier ist eine prinzipielle Möglichkeit angedeutet, die Bedingung des Empfängers als Glied einer hinreichenden Bedingung für den Zeichencharakter des Wunders (nach der allgemeinen Analyse in Abschnitt A ) durch andere Glieder zu komplettieren, die die Art der Intention des Empfängers näher bestimmen. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Umstand, daß diejenigen vorhin angeführten Beispiele in diesem Abschnitt, in denen überhaupt von hinreichenden Bedingungen für den Zeichencharakter des Wunders die Rede gewesen ist, so gedeutet werden können, daß nur ein Spezialfall der Bedingung des Empfängers deutlich als hinreichend hingestellt wird und nicht diese Bedingung selbst in ihrer allgemeinen Form". Ein Spezialfall, eine Spezies der Bedingung des Empfängers kann auch in anderen Beziehungen zum Zeichencharakter des Wunders als den eben dargestellten auftreten. So schreibt Rupprecht folgendes unter der Überschrift „Das Wunder als Erkennungsmittel des Glaubens": Das biblische Wunder erfüllt seinen Zweck, . . . , wird zu einem Zeichen auf den lebendigen Gott nur da, wo es zum Glauben führt, wo es im Glauben bejaht . jae wird .

Hier wird ein Spezialfall der Bedingung des Empfängers, nämlich 'daß das Wunder zum Glauben führt', als eine notwendige Bedingung für das Bestehen einer besonderen Bezeichnungsbeziehung angedeutet. Wenn der Spezialfall notwendig ist, so ist auch das übergeordnete Genus, die Bedin-

" Schmidt, 188. Vgl. 190. " Siehe oben S. 406 f., 409 f. " Rupprecht, 1 8 1 . Vgl. 189.

410

gung des Empfängers, für das Zutreffen desselben Begriffs notwendig". Aber hier kann man fragen: für welchen Begriff? Für den Begriff 'Zeichen auf den lebendigen Gott'. Dieser Begriff ist wiederum an sich nur ein Spezialfall des Zeichenbegriffes, und Gott zu bezeichnen ist nur ein Spezialfall von 'bezeichnen' überhaupt. Die Bedingung des Empfängers braucht hier nicht als notwendig für das Zutreffen des Zeichenbegriffs überhaupt aufgefaßt zu werden, obwohl man sehr gut die Frage stellen könnte, wieso die Bedingung des Empfängers notwendig sein soll gerade für die Bezeichnung Gottes und nicht für das Bestehen anderer Bezeichnungsbeziehungen. Da für diese Einschränkung auf Gott als Designatum kein einleuchtender Grund einzusehen ist, geschweige denn im Text angedeutet, läßt sich doch der angeführte Text so deuten, daß die Bedingung des Empfänger hier als eine notwendige Bedingung für den allgemeinen Zeichencharakter des Wunders hingestellt wird. D. Ein zweiter Bezeichnungsbegriff, gegründet auf eine modale Schwächung der Bedingung des Empfängers Im ersten Abschnitt Α oben wurde eine Bezeichnungsbeziehung ausgewählt, für deren Bestehen die Disjunktion der Bedingungen des Absenders und des Empfängers als eine notwendige logische Bedingung gilt. Nun kann man aber im Material auch Belege finden für Bestimmungen des Wunders als eines Zeichens, die einen Bezeichnungsbegriff voraussetzen, der weiter ist als der oben in Abschnitt Α dargestellte insofern, als für dessen Zutreffen die Disjunktion der Bedingungen des Absenders und des Empfängers keine notwendige logische Bedingung bildet. Für diesen weiteren Bezeichnungsbegriff läßt sich zwar auch eine notwendige logische Bedingung finden, aber diese Bedingung entspricht einer weiteren Disjunktion, die außer den Bedingungen des Absenders und des Empfängers als drittes Teilglied auch noch eine modale Schwächung der Bedingung des Empfängers enthält. Diese modale Schwächung der Bedingung des Empfängers kann in einem Falle zutreffen, ohne daß die Bedingung des Empfängers selbst in diesem Falle zutrifft. Die modale Schwächung trifft schon dann zu, wenn das Zeichen einen gewissen Eindruck auf einen eventuellen Beobachter machen kann und zwar auch dann, wenn das Zeichen niemals mit einem Beobachter-Empfänger konfrontiert wird. " Wenn eine Spezies eine notwendige Bedingung für F ist, so ist auch jedes Genus notwendig für F, das dieser Spezies übergeordnet ist. Denn ein Genus ist eine notwendige Bedingung für jede seiner untergeordneten Spezies. Siehe oben S. 132, unter Punkt 3. Und die Beziehung der notwendigen Bedingung ist transitiv, genau wie die Implikation. Der Begriff 'notwendige Bedingung' wird ja durch Bezugnahme auf die L-Implikation definiert. Siehe oben S. 121, D 1. Über die Transitivität der Implikationsbeziehung siehe oben S. 134, Anm. 32 und S. 408, Anm. 29.

411

Die modale Schwächung der Bedingung des Empfängers ist in einer Definition des Wunderbegriffs bei Reischle angedeutet, wenn er den Wunderbegriff durch den Zeichenbegriff bestimmt: Auch wenn der Glaube . . . sich nur darein vertiefen kann, daß und wiefern alles Geschehen in der Welt zur Verwirklichung des heiligen und gnädigen Willens Gottes dient, heben sich doch innerhalb des von Gott geleiteten Gesamtgeschehens einzelne Vorgänge als besonders bedeutsame und klare, etwa auch als besonders auffallende und machtvolle Erweise von Gottes Walten hervor. Es sind Zeichen (saemeia) oder Wunder im rein religiösen Sinne, d.h. solche Vorgänge, die uns in besonderem Maße von Gottes persönlicher Fürsorge für die Durchführung seines Heilswillens und für unser eigenes Heil zu überführen vermögen . . . In ihrem vollen Sinn verständlich werden uns diese „Wunder" immer nur innerhalb eines größeren teleologischen Zusammenhangs der Heilsgeschichte oder unsres eignen Lebens'8. Wichtig ist hier die Wendung „Vorgänge, die tins in besonderem Maße von Gottes persönlicher Fürsorge für die Durchführung seines Heilswillens und für unser eigenes Heil zu überführen vermögen". Durch „uns" wird der Empfänger angedeutet, und durch das Wort „vermögen" wird eine modale Schwächung der Bedingung des Empfängers bis hinunter zu einer bloßen Möglichkeit angedeutet. Auch der intentionale Inhalt, der von den Zeichen bezeichnet wird, wird in dieser Wendung ausdrücklich erwähnt. Die modale Schwächung der Bedingung des Empfängers scheint hier bei Reischle als eine sowohl notwendige wie hinreichende Bedingung für das Zutreffen des Zeichenbegriffs hingestellt zu werden. Wenn sie eine hinreichende Bedingimg ist, kann keines von den beiden anderen Disjunktionsgliedern, den Bedingungen des Absenders und des Empfängers, als notwendige Bedingung gelten. Und daß sie eine notwendige Bedingung ist, würde schon dann folgen, wenn die Bedingung des Empfängers eine notwendige logische Bedingung wäre. Es ist nämlich wichtig, die logischen Beziehungen zwischen der Bedingung des Empfängers und ihrer modalen Schwächung zu beachten. Die Bedingung des Empfängers impliziert logisch ihre modale Schwächung, aber nicht umgekehrt. Die modale Schwächung ist eine notwendige Bedingung für die Bedingung des Empfängers, aber nicht umgekehrt. Wenn also die Bedingung des Empfängers eine notwendige Bedingung für das Zutreffen eines Zeichenbegriffs ist, so ist auch ihre modale Schwächung eine notwendig Bedingung für das Zutreffen desselben Begriffs. Und wenn die Bedingung des Empfängers ein Glied einer notwendigen Bedin38

Reischle, Christliche Glaubenslehre in Leitsätzen für eine akademische Vorlesung entwickelt, 70. Vgl. Jelke, Die Wunder Jesu, 14. Man vergleiche das Wort „Fähigkeit" bei Jelke mit „vermögen" in dem zitierten Kontext bei Reischle, und zwar in bezug auf ihre Funktionen in ihren jeweiligen Kontexten.

412

gung ist, so ist ihre modale Schwächung auch ein solches Glied in bezug auf denselben Begriff. Die Disjunktion der Bedingungen des Absenders und des Empfängers impliziert logisch infolgedessen die Disjunktion der Bedingung des Absenders und der modalen Schwächung der Bedingung des Empfängers. Ist die erstere Disjunktion eine notwendige Bedingung für das Zutreffen des Bezeichnungsbegriffs, so ist die letztere Disjunktion ebenfalls eine solche notwendige Bedingung. Dagegen geht die logische Implikation nicht in umgekehrter Richtung von der letzteren zur ersteren Disjunktion. Die Disjunktion der beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers mit der modalen Schwächung der Bedingung des Empfängers ist dem ausgeführten Gedankengang zufolge logisch äquivalent der Disjunktion zwischen der Bedingung des Absenders und der modalen Schwächung der Bedingung des Empfängers. Die Bedingung des Empfängers ist also in der dreigliedrigen Disjunktion redundant und kann deshalb gestrichen werden, weil sie ja ihre modale Schwächung logisch impliziert. Gehen wir nun über zu einer genaueren Analyse der modalen Schwächung selbst. Die modale Schwächung bedeutet, daß ein Zeichen X auf einen (mehrere, alle] Beobachter einen Eindruck mit einer Intention in Richtung auf einen bestimmten Gegenstand oder Inhalt hervorrufen kann, oder anders ausgedrückt: daß ein Zeichen X die Bedingung des Empfängers erfüllen kann. Dieses „kann" bedeutet nicht nur eine logische, sondern auch eine kausale Möglichkeit. Die modale Schwächung in bezug auf einen Gegenstand X ist aber damit vereinbar, daß X die Bedingung des Empfängers tatsächlich nicht erfüllt. Die modale Schwächung setzt nicht voraus, daß eine Konfrontierung des Gegenstandes X mit einem Empfänger-Beobachter überhaupt stattfindet. Aber auch wenn X von einem Empfänger wahrgenommen wird, kann X eine modale Schwächung der Bedingung des Empfängers erfüllen, ohne daß diese Bedingung selbst von X erfüllt wird, d.h. der Eindruck mit der Intention in Richtung auf den bestimmten Gegenstand oder Inhalt kann ausbleiben. Es ist hier zu bemerken, daß es in bezug auf intentionale Inhalte und Gegenstände und in bezug auf Empfänger ebenso viele Spezies der modalen Schwächung gibt, wie Spezies der Bedingung des Empfängers, und das heißt: ebenso viele Spezies wie verschiedene Kombinationen intentionaler Inhalte und Gegenstände multipliziert mit der Anzahl der möglichen Klassen von Beobachtern. Die modale Schwächung der Bedingung des Empfängers in bezug auf die Intention Α und den [die] Beobachter Y kann in bezug auf das Objekt X (als Zeichen] auch dann zutreffen, wenn in einem gegebenen Falle zu einer bestimmten Zeit X nicht bei Y die Intention Α hervorruft oder veranlaßt, wenn also auch bei einer Konfrontation von X und Y die Intention Α ausbleibt. 413

Die Ausdrücke „vermögen" in dem angeführten Zitat und „kann" in unserer Formulierung der modalen Schwächung implizieren also nicht, daß X allein eine Intention Α bei Y hervorruft oder hervorrufen kann, sondern Α bei Y kann auch von anderen Faktoren als X abhängen. In sehr vager Weise werden solche Faktoren in dem letzten Satz des oben angeführten Zitats angedeutet, und zwar als notwendige Bedingungen: der Beobachter muß diesem Satz zufolge ein Verständnis „eines größeren teleologischen Zusammenhangs der Heilsgeschichte oder unsres [seil, des Beobachters) eignen Lebens", in welchem das betreffende Wunder enthalten ist, haben. Der Text setzt anscheinend voraus, daß diese anderen Faktoren außer X wenigstens manchmal in der Biographie [den Biographien) von Y vorliegen. Dagegen setzt der in dem angeführten Text vorausgesetzte Spezialfall der modalen Schwächimg nicht voraus, daß diese übrigen Faktoren außer X in den meisten Fällen, geschweige denn immer, zutreffen. Wenn aber diese Faktoren kausal notwendig sind und in einem Falle nicht zutreffen, dann bleibt die Intention Α bei Y aus, auf die sich die betreffende Spezies der modalen Schwächung bezieht". Die modale Schwächung in ihrer allgemeinsten Form bestimmt weder die Art dieser Faktoren noch die Art der Intention oder den Empfänger. Je nachdem bestimmte derartige kausale Faktoren, Intentionen und Empfänger angegeben werden können, stehen wir vor verschiedenen Spezies der modalen Schwächung. Nim gibt es aber auch noch eine Hinsicht, nach der die modale Schwächung verschiedene Spezies unter sich disjungiert: Die erwähnten anderen kausalen Bedingungen außer X können nämlich entweder notwendig oder hinreichend sein als kausale Bedingungen für Α bei Y. Der Fall, daß sie notwendig sind, ist oben schon angedeutet worden. Das ist der aus kausalem Gesichtspunkt schwächste Fall der modalen Schwächung. Ein stärkerer Spezialfall liegt vor, wenn hinreichende kausale Bedingungen für Α bei Y angegeben werden können, auf die die betreffende Spezies der modalen Schwächung implizite Bezug nimmt. Das würde nämlich bedeuten, daß X unter diesen hinreichenden Bedingungen nun auch wirklich Α bei Y hervorruft, und daß die Bedingung des Empfängers erfüllt wird, wenn diese kausale Bedingungen vorliegen. Es kann sich die Frage erheben, ob die modale Schwächung in der 30 So weit folgte die Analyse der modalen Schwächung der Analyse in Kap. 9 B, genauer gesagt der Analyse des dortigen Zitats von Titius. Besonders die dortigen Sätze CSi) und (S3} bilden das Muster der hier ausgeführten Analyse. In jenem Abschnitt werden die Dispositionsbegriffe behandelt. Z u dem Vergleich zwischen den Texten von Titius dort und von Reischle hier kann nur bemerkt werden, daß „vermögen" hier bei Reischle eine schwächere Bedingung darstellt als „geeignet ist" in dem dortigen Zitat von Titius. Siehe oben S. 265 f.

414

kausal stärkeren Form, also diejenige Spezies der modalen Schwächung, die sich auf hinreichende kausale Bedingungen für das Zutreffen der Bedingung des Empfängers bezieht, nicht den Weg zeigen könnte zu einer Lösung der Problems, wie man Gegenstände oder Inhalte loser Assoziationen eines Empfängers, die er an ein Zeichen knüpft, von dem von diesem Zeichen Bezeichneten unterscheiden soll". Die losen Assoziationen sind individuell für jeden verschiedenen Empfänger und zu jedem verschiedenen Zeitpunkt. Wenn man von dem Gegenstand oder Inhalt dieser Assoziationen das von einem Zeichen Bezeichnete unterscheiden können soll, muß die Bezeichnungsbeziehung für mehrere Empfänger gemeinsam und für mehrere Zeitpunkte und für mehrere Zeichenexemplare derselben Zeichengattung gemeinsam sein. Diese Bedingung scheint erfüllt zu werden, wenn man allgemein formulierte hinreichende kausale Bedingungen für das Zutreffen der Bedingung des Empfängers angeben könnte. Nur das würde dann als das von dem Zeichen X Bezeichnete gelten können, was durch X und alle mit X in relevanter Hinsicht gleichartigen Zeichen" als Gegenstand oder Inhalt einer Intention der Art Α bei allen Empfängern der Art Y auftritt. Die Bezeichnungsbeziehung wäre dann an eine konstante kausale Verknüpfung des Zeichens mit einer bestimmten Art von Intention gebunden, aber eine solche konstante Verknüpfung scheint nur dann bestehen zu können, wenn auch eine Reihe anderer Faktoren als das Zeichen als kausale Bedingungen hinzutreten. Es treffen hier nämlich die Dispositionsbegriffe zu: ein Zeichen ist diesen Gesichtspunkten zufolge etwas, was disponiert ist, unter gewissen Bedingungen eine Intention einer bestimmten Art auszulösen bei Empfängern, die wiederum bestimmte Dispositionsbedingungen erfüllen". Es ist zu beachten, daß zwar die modale Schwächung in ihrer allgemeinen Form von der Bedingung des Empfängers impliziert wird und deshalb nichts Neues zu dieser Bedingung hinzufügt, daß aber der aus kausalem Gesichtspunkt stärkere Spezialfall dieser modalen Schwächung an und für sich nicht von der Bedingung des Empfängers logisch impliziert wird, sondern als Glied einer hinreichenden Bedingung für das Bestehen Vgl. oben S. 397 f. Vgl. den Begriff 'Zeichenmuster', die Bezugnahme der Sprachregeln einer konventionellen Sprache auf Zeichenmuster und die Konzeption einer Sprachgemeinschaft oben S. 364 f., Punkt 2 und 3; S. 397 f· " Vgl. Stevensons Analyse der Bezeichnungsbeziehung mit Hilfe der Dispositionsbegriffe; siehe Stevenson, Ethics and language, 43-71. Diese Analyse betrifft allerdings nicht nur die Bezeichnungsbeziehung [„the descriptive meaning"), sondern auch das, was Stevenson „the emotive meaning" nennt. Ferner betrifft Stevensons Analyse auch den Absender durch eine Art modaler Schwächung der Bedingung des Absenders. Zu dem Spezialfall einer konventionellen Bezeichnungsbeziehung vgl. Stevenson, Facts and values, 157 f. Über die Dispositionsbegriffe siehe oben, Kap. 9 Α und B. 40

41

415

einer Bezeichnungsbeziehung etwas hinzufügen würde, was nicht in der Bedingung des Empfängers selbst enthalten ist. Die Bedingung des Empfängers selbst bezieht sich nur jeweils auf individuelle Fälle in der Wirklichkeit. Der stärkere Spezialfall der modalen Schwächung dagegen bezieht sich auf kausale Verknüpfungen allgemeiner Charakteristika. E. Die logische Struktur und die Beziehungen der Bedingungen des Absenders und des Empfängers zu Bestimmungselementen, die sich auf den Wundertäter und auf den Beobachter beziehen Die beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers stehen in engen logischen Beziehungen zu anderen Bestimmungselementen in Wunderbegriffen, die in früheren Kapiteln dargestellt und im Material belegt worden sind. Die Bedingung des Absenders steht in engster logischer Beziehung zu solchen Bestimmungselementen, die sich auf die Person und auf die Motive des Wundertäters beziehen. Die Bedingung des Empfängers wiederum steht in enger logischer Beziehung zu Bestimmungselementen, die die Beziehung des Wunders zu dem Eindruck des Beobachters bestimmen. Ehe wir zur Darstellung dieser logischen Beziehungen übergehen, müssen wir aber erst die logische Form und Struktur der beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers selbst klären. Diese Bedingungen sind nämlich in den obigen Ausführungen keine eindeutigen Größen. Die beiden Fachtermini „Bedingung des Absenders" und „Bedingung des Empfängers" stehen in der Darstellung für Größen von verschiedener logischen Form. Einerseits werden in der obigen Darstellung die Bedingungen des Absenders oder des Empfängers als logische Bedingungen für andere Satzinhalte hingestellt". In diesen Fällen sind die Bedingungen des Absenders und des Empfängers Satzinhalte. Andererseits wird aber auch davon gesprochen, daß ein Absender oder ein Zeichen [Wunder) die Bedingung des Absenders und daß ein Empfänger oder ein Zeichen (Wunder) die Bedingung des Empfängers erfüllen kann oder nicht. In diesen Fällen sind diese Bedingungen Bestimmungen, Begriffe, die auf einen Absender oder ein Zeichen bzw. auf einen Empfänger oder ein Zeichen zutreffen oder nicht. Nur als Bestimmungen eines Zeichens können übrigens diese Bedingungen des Absenders und des Empfängers als notwendig oder hinreichend für den Zeichenbegriff hingestellt werden. Wenn in der Darstel43 Beispiele solcher Satzinhalte, zu denen die Bedingungen des Absenders und des Empfängers in logischen Beziehungen stehen können, werden durch die Ausdrücke „das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung", „das Zutreffen des Zeichenbegriffs", „saemeionCharakter des Wunders" und „Zeichencharakter des Wunders" bezeichnet.

416

lung von einer Relation als Bestimmung z.B. eines Zeichens die Rede ist, so bedeutet dies nur, daß das Zeichen Glied dieser Relation ist, und zwar so, daß das Zeichen in dieser Relation zu irgendeiner [anderen] Erscheinung oder zu irgendeinem Inhalt steht. Die Bezeichnungsbeziehung ( = d e r Bezeichnungsbegriff) wird als eine solche Relation zugleich als Bestimmung eines Zeichens in der oben angegebenen Bedeutung verwendet, wenn in der obigen Darstellung öfters davon die Rede ist, daß die Bedingungen des Absenders und des Empfängers in einem Materialbeispiel als hinreichende oder notwendige Bedingungen für die Bezeichnungsbeziehung und für den Bezeichnungsbegriff hingestellt werden. In diesen Fällen werden dann die Bedingungen des Absenders bzw. des Empfängers auch als Bestimmungen eines Zeichens verwendet. Übrigens ist zu notieren, daß die Bezeichnungsbeziehung als Bestimmung eines Zeichens logisch äquivalent ist mit demjenigen Zeichenbegriff, der hier in der Analyse auf die Wunder als Zeichen als allgemeinster Zeichenbegriff bezogen wird". Es ist ferner zu bemerken, daß die Bedingungen des Absenders und des Empfängers in der Form von Relationen, die von dem Zeichen ausgehen, Spezies der entsprechenden Ausdrucksbeziehungen sind, und zwar solche Spezies, die sich auf eine Intentionalität des Ausgedrückten beziehen". Dies muß betont werden, denn an sich könnten auch nichtintentionale Erlebnisse ausgedrückt bzw. beabsichtigt werden, dann allerdings ohne eine Bezeichnungsbeziehung zu bedingen. Wenn ein Absender oder ein Zeichen die Bedingung des Absenders (als Bestimmung) erfüllt, so ist auch die Bedingung des Absenders [als Satzinhalt) schlechthin erfüllt, und wenn ein Empfänger oder ein Zeichen die Bedingung des Empfängers (als Bestimmung) erfüllt, so ist diese auch als Satzinhalt schlechthin erfüllt. Und die Erfüllung der Bedingung des Absenders (als eines Satzinhaltes) impliziert logisch, daß es mindestens einen Absender und mindestens ein Zeichen gibt, die die Bedingung des Absenders (als Bestimmung) erfüllen. Und die Erfüllung der Bedingung des Empfängers (als eines Satzinhaltes) impliziert logisch, daß es mindestens einen Empfänger und ein Zeichen gibt, die die Bedingung des Empfängers (als Bestimmung) erfüllen. Die Erfüllung der beiden Bedingungen als Satzinhalten und als Bestimmungen bedingen sich also logisch gegenseitig. Die ausgeführten Überlegungen sind leichter zu fassen, wenn wir die Bedingungen des Absenders und des Empfängers mit Hilfe einer teilweise logisch formalisierten Sprache formulieren. " Vgl. oben S. 363 f . 45 Über Ausdrucksbeziehungen siehe oben S. 296 f., 361 f . Die enge Verknüpfung mit den Bedingungen des Absenders und des Empfängers geht aus der Darstellung dieser Bedingungen oben in Abschnitt Α hervor.

17 - 566-3501

417

ι. Die Bedingung des Absenders als Satzinhalt kann so formuliert werden: '( 3 χ) ( 3 z)\x produziert (ist Absender von) ζ 8t % glaubt, daß ( 3 y)y Empfänger von ζ werden kann & χ hat die Absicht, у durch ζ zu veranlassen, an etwas Bestimmtes zu denken.' In diesen logischen Formulierungen wird der Ausdruck „etwas Bestimmtes" als unanalysiert verwendet ohne explizite formulierte Quantifizierung, um eine zu große Komplikation in der Formulierung zu vermeiden, die durch Quantifizierung verschiedener logischer Typen und Stufen und nicht-extensionaler Zusammenhänge entstehen würde". 2. Die Bedingung des Empfängers kann durch den folgenden Existenzsatz formuliert werden: ' ( 3 y) ( 3 z): у ist Beobachter (Empfänger) von ζ & у wird durch ζ dazu veranlaßt, an etwas Bestimmtes zu denken.' Die beiden Existenzsätze können durch den Α-Operator in Prädikate umformuliert werden, die eine entsprechende Bestimmung des Absenders, des Zeichens oder des Empfängers bezeichnen". Die Bedingung des Absenders als eine auf den Absender zutreffende Bestimmimg kann so formuliert werden, daß man in dem oben angeführten entsprechenden Existenzsatz den Operator „ ( 3 χ ) " gegen „(Язе)" austauscht und den A-Operator die ganze folgende Satzformel als Skopus (Operand) haben läßt. Die Formel „(Αχ) . . . χ . . . " ist „ein Prädikatausdruck; er bedeutet soviel wie „die Eigenschaft von x, daß . . . χ . . . " " oder „diejenige Eigenschaft, die ein Individuum χ dann und nur dann hat, wenn" der Satz „ . . . χ . . . " wahr ist". In entsprechender Weise kann man eine Bestimmung formulieren, die auf das Zeichen zutreffen kann: man eliminiert den zweiten Existenzoperator „ ( 3 z)" und setzt den Α-Operator „(Az)" vor der so entstandenen Satzformel. Diese Operation ist möglich sowohl in bezug auf die Bedingung des Absenders wie in bezug auf die Bedingung des Empfängers. In entsprechender Weise kann man auch mit dem Operator „(Ау)" eine Formulierung derjenigen Bedingung des Empfängers erhalten, die als eine auf einen Empfänger zutreffende Bestimmung dienen kann. " Uber Quantifizierung höherer logischer Stufen siehe Carnap, Symbolische Logik, 66 f.; Hilbert-Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, 141 f f . (Kap. I V ] . Über Quantifizierung und nicht-extensionale Zusammenhänge des Denkens vgl. Quine, From a logical point of view, 145 ff., besonders 147 f f . 47 48

Über den Я-Operator siehe Carnap, a.a.O., 130 ff., 133 f f . Carnap, a.a.O., 1 3 1 .

418

In den früheren Abschnitten dieses Kapitels sowohl wie im folgenden ist aber auch oft die Rede von Spezies, von Spezialfällen und Gattungen der beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers". Diese sind natürlich Satzinhalte oder Bestimmungen je nachdem die Bedingungen des Absenders oder des Empfängers selbst Satzinhalte oder Bestimmungen sind. Die Spezies der beiden Bedingungen können nach mindestens zwei verschiedenen Richtungen gebildet werden, und zwar sowohl wenn diese Bedingungen Satzinhalte wie wenn sie Bestimmungen sind, die auf Gegenstände oder Erscheinungen zutreffen können: a) Die Möglichkeit besteht, dasjenige Glied der Bedingung des A b senders oder des Empfängers zu spezifizieren, das darin besteht, daß у durch ζ dazu veranlaßt wird (bzw. nach der Absicht des Absenders dazu veranlaßt werden soll), an etwas Bestimmtes zu denken, und zwar dadurch, daß man den Begriff 'denken' oder auch den Inhalt des Gedachten spezifiziert. Die Stellung des 'Denkens' kann hier von solchen Spezies eingenommen werden wie 'glauben', 'fürwahrhalten', 'erkennen', 'positiv werten' oder 'wollen'. Diese A r t der Spezifizierung der beiden Bedingungen ist von dem größten grundsätzlichen Interesse, und die so entstandenen Spezies können selbständige Bedeutung haben als notwendige oder hinreichende Bedingungen für das Bestehen einer Bezeichnungsbeziehung, wie einige Beispiele aus dem Material oben in Abschnitt С gezeigt haben"0. b ) Die andere A r t der Spezifizierung ergibt singulare Spezies der Bedingungen des Absenders oder des Empfängers. Die betreffenden Satzinhalte von der logischen Form quantifizierter Existenzsätze haben singulare Satzinhalte als Spezies in dem Sinne, daß die letzteren die ersteren logisch implizieren". Diese singulären Satzinhalte können dadurch angemessen formuliert werden, daß man in den oben angeführten Existenzsätzen mindestens einen Operator oder alle Operatoren eliminiert und die dadurch freigewordene Variable oder Variablen durch Individuenkonstanten derselben Anzahl ersetzt. Durch Eliminierung eines Existenzoperators und eine entsprechende Substitution einer Variable durch eine Individuenkonstante in den durch A-Operatoren bestimmten Ausdrücken erhält man auch angemessene Formulierungen singulärer Spezies der Be-

Siehe oben S. 402, 407, 409 f . Siehe oben besonders S. 409 f . 61 Die Formulierungen dieser singulären Satzinhalte in einer logischen Präzisionssprache werden durch eine Operation der Spezifizierung aus den entsprechenden quantifizierten Existenzs ätzen konstruiert, die als Operation die genaue Umkehrung der existentiellen Generalisierung darstellt. Über existentielle Generalisierung siehe Carnap, a.a.O., 59, Lehrsatz L 15-1, b. V g l . oben S. 247. Beispiele f ü r singuläre Spezies von entsprechenden Satzformeln mit Existenzoperatoren liegen oben S. 246 f . vor. Siehe dort die Formeln 48

50

СО-СзЭ419

dingungen des Absenders oder des Empfängers in der Form von Bestimmungen, die auf Gegenstände oder Erscheinungen zutreffen können. Nehmen wir ein einziges Beispiel, und zwar einer singulären Spezies der Bedingung des Empfängers als eines Satzinhaltes: ' ( 3 z): Petrus ist Empfänger von ζ & Petrus wird durch ζ dazu veranlaßt, an Jesu Messianität zu glauben.' Außer der singulären Spezifizierung eines Empfängers überhaupt zu Petrus liegen hier auch zwei andere Spezifizierungen vor, und zwar ist das „Bestimmte" Gedachte zu 'Jesu Messianität' und das Denken zu 'Glauben' spezifiziert. Die verschiedenen Arten der Spezifizierung können selbstverständlich miteinander kombiniert werden, wie in dem Beispiel gezeigt wird. Nach der Darstellung der logischen Struktur der beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers und ihrer Spezies können wir nun zu den logischen Beziehungen übergehen, die diese beiden Bedingungen und ihre Spezies zu manchen anderen Bestimmungselementen in Wunderbegriffen haben, die zuvor behandelt worden sind. Dabei ist es aber wichtig zu bemerken, daß die Bedingungen des Absenders und des Empfängers nur als Bestimmungen des Zeichens auf dieselben möglichen Erscheinungen zutreffen können wie diese anderen Bestimmungselemente. Die Bedingungen des Absenders und des Empfängers dienen selbst nur in derjenigen Form als Bestimmungselemente in Wunderbegriffen, in der sie als Bestimmungen auf ein Zeichen zutreffen können, eben weil es nach den übrigen hier aktuellen Bestimmungselementen nur die Zeichen sind und nicht die Absender oder Empfänger als solche, die als Wunder hingestellt werden. Wenden wir uns zuerst der Bedingung des Absenders und ihren logischen Beziehungen zu anderen Begriffen zu. Die Bedingung des Absenders als Bestimmung eines Wunderzeichens ist selbst eine Bestimmung, die sich auf das Motiv des Wundertäters zur Hervorbringung des Wunders bezieht". Die Bedingung des Absenders ist aber nur eine unter mehreren möglichen Bestimmungen, die sich auf die Beziehung des Wunders zum Motiv des Wundertäters beziehen, denn es gibt mehrere mögliche Motive eines Wundertäters, und das Motiv des Wundertäters braucht nicht immer darauf hinzuzielen, daß der Empfänger durch das Wunder etwas intendieren soll. Es gibt noch andere mögliche Motive eines Wundertäters auch unter denen, die für einen Wunderbegriff relevant sein können. " Solche Bestimmungen sind als Bestimmungselemente in Wunderbegriffen in Kap. 7 behandelt worden.

420

Die Bedingung des Absenders als Bestimmung eines Wunders bezieht sich auch auf die Person des Wundertäters als Absender des Wunderzeichens. Dadurch bestehen logische Beziehungen zwischen der Bedingung des Absenders als Bestimmung eines Wunders und solchen Bestimmungselementen, die sich auf die Person des Wundertäters beziehen". Die Bedingung des Absenders als Bestimmung des Zeichens impliziert logisch den Begriff 'gewirkt von einer Person', der auch durch den Ausdruck „Werk einer Person" bezeichnet werden kann. Die Implikation besteht dagegen nicht in der umgekehrten Richtung. Nun ist es aber leicht zu sehen, daß der Begriff 'Werk einer Person' ein Genus ist im Verhältnis zu den untergeordneten Begriffen 'Werk Gottes' oder 'Werk einer transzendenten Geistesmacht', welche Spezies (allerdings auf verschiedener Generalisierungsstufe und nicht miteinander koordiniert) unter diesem Genus sind. Die Bedingung des Absenders als Bestimmung eines Wunderzeichens impliziert also logisch ein Genus 'Werk einer Person', das unter sich als Spezies solche Bestimmungselemente in Wunderbegriffen hat, die von der Person des Wundertäters handeln. Solche Spezies der Bedingung des Absenders als Bestimmungen von Zeichen, die von der Person des Absenders als bestimmter Person Α handeln, implizieren logisch wiederum entsprechende Begriffe 'Werk von A'. Eine solche Spezies der Bedingung des Absenders, die z.B. von Gott als dem Absender handelt, impliziert lolisch die Bestimmung 'Werk Gottes'. Soweit verfolgen wir die logischen Beziehungen der Bedingung des Absenders zu anderen Wunderbestimmungen. Die Bedingimg des Empfängers hat ähnliche logische Beziehungen zu anderen Bestimmungselementen. Wenn die Bedingung des Empfängers in einem Falle zutrifft, so folgt logisch daraus die Konsequenz, daß in demselben Falle auch solche Bestimmungen auf den auslösenden Gegenstand zutreffen, die von dem Eindruck des Gegenstandes auf den Beobachter handeln". Und umgekehrt: Wenn ein Gegenstand Eindruck auf einen Beobachter macht, so erfüllt der Gegenstand damit auch die Bedingung des Empfängers. Die Disjunktion von allen derartigen Bestimmungen ist ein Begriff, der der Bedingung des Empfängers als einer Bestimmung des Zeichens logisch äquivalent ist. Diese Disjunktion von allen Bestimmungen, die sich auf den Eindruck des Gegenstandes auf den Beobachter beziehen, wird von dem Begriff 'Wunderobjekt' als einer Teildisjunktion jener Disjunktion logisch impliziert. Der Begriff 'Wunderobjekt' wurde definiert als 'extensionales Objekt "

Darüber siehe oben Kap. 5 .

"

Solche Bestimmungen sind als Bestimmungselemente in Wunderbegriffen in Kap. 8

behandelt worden.

421

eines Wundererlebnisses', wobei die Bestimmung der Art des Wundererlebnisses in verschiedenen Wunderbegriffen im Material variiert". Dadurch werden verschiedene Spezies des Begriffs 'Wunderobjekt' konstituiert, die als Bestimmungselemente in Wunderbegriffen dienen. Der Begriff 'Wunderobjekt' wiederum ist eine Teildisjunktion der Disjunktion aller Bestimmungen, die sich auf den Eindruck eines Gegenstandes auf dessen Beobachter beziehen, und zwar die Teildisjunktion, die sich in ihren alternativen Teilgliedern auf solche Eindrücke bezieht, die dem Material zufolge als Wundererlebnisse gelten und auf die sich infolgedessen Wunderbegriffe im Material beziehen. Die Bedingung des Empfängers ist an sich also ein weiterer Begriff als der Begriff 'Wunderobjekt', denn die Bedingung des Empfängers ist nicht an sich an solche Eindrücke gebunden, auf die sich Wunderbegriffe im Material beziehen. Die Bedingung des Empfängers als Bestimmung des Zeichens oder des dementsprechenden Gegenstandes ist logisch äquivalent einer weiteren Disjunktion, die auch noch Teilalternativen umfaßt, die nicht auf Wundererlebnisse bezogen sind, soweit der Begriff 'Wundererlebnis' durch Wunderbegriffe im Material bestimmt wird. Der Begriff 'Wunderobjekt' impliziert also logisch die Bedingung des Empfängers als Bestimmung eben dieses Wunderobjekts, aber nicht an sich umgekehrt. Wenn die Bedingung des Empfängers als Glied einer hinreichenden Bedingung des Zeichenbegriffs in einem Fall zutrifft, und wenn in demselben Fall der Begriff 'Wunderobjekt' zutrifft, so ist das Wunderobjekt identisch mit dem betreffenden Zeichen. Von der Bedingung des Empfängers lassen sich von anderen Gesichtspunkten als den bisher angelegten zwei Fälle konstruieren, deren Disjunktion mit der Bedingung des Empfängers identisch ist. Diese Fälle werden von einem ganz anderen Gesichtspunkt her konstituiert als der Begriff 'Wunderobjekt', und zwar von logisch grundlegenden Gesichtspunkten und nicht durch solche kontingenten Tatsachen wie die Bestimmungen von Wunderbegriffen im Material. Die beiden hier gemeinten Fälle der Bedingung des Empfängers sind die folgenden: i ] Der Fall, wenn der Eindruck des Gegenstandes auf den Beobachter die Intention des Beobachters in bezug auf etwas anderes als den betreffenden Gegenstand enthält. Dieser Fall ist wiederum eine Disjunktion von drei Fällen". Der eine Fall ist die Konjunktion von der Bedingung des Empfängers und der Nicht-Identität zwischen Zeichen und Bezeichnetem. Der zweite Fall ist der Fall, daß das Zeichen sich selbst sowohl wie etwas anderes bezeichnet, und der dritte mögliche Fall ist der, daß die Bedingung des Empfängers in einem Fall zutrifft, ohne daß der 55

Siehe oben S. 219, Definition D 2. Die zwei ersten dieser Fälle sind oben in Abschnitt Α dargestellt. Der erste Fall ist identisch mit der dortigen Konjunktion b]. Siehe oben S. 396. 5β

422

Zeichenbegriff auf diesen Fall zutrifft, wobei der Gegenstand, der Eindruck macht, den Beobachter doch dazu veranlaßt, auch etwas anderes als den Gegenstand zu intendieren. 2] Der zweite Fall ist der Fall, in dem der Eindruck des Gegenstandes auf den Beobachter nur eine Intention des Beobachters in bezug auf den Gegenstand selbst enthält. Dieser Fall liegt vor, wenn der Beobachter nur die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand selbst richtet, z.B. dann, wenn ein Wunder „nur um seiner selbst willen angestaunt" wird". Die Intention, die die Bedingung des Empfängers erfüllt, richtet sich in diesem Falle nur auf das Zeichen selbst oder auf den dem Zeichen entsprechenden Gegenstand". Dieser Fall ist identisch mit der Konjunktion der Bedingung des Empfängers mit der Bedingung, daß es in dem betreffenden Falle nichts anderes als das Zeichen (oder den dem Zeichen entsprechenden Gegenstand) gibt, das (bzw. der) nach der Bedingung des Empfängers bezeichnet sein kann". Dabei kann entweder der Zeichenbegriff zutreffen oder nicht. Im letzteren Falle ist die Bedingung des Empfängers nicht Glied einer solchen hinreichenden Bedingung für den Zeichenbegriff, die in dem betreffenden Falle zutrifft. Die beiden dargestellten Fälle 1) und 2) schließen einander aus. Sie haben unter sich als untergeordnete Spezies je einen entsprechenden Fall des Begriffs 'Wunderobjekt'. Auch von diesem Begriff gibt es 2 entsprechende Fälle, die je einen der beiden oben dargestellten Fälle logisch implizieren. Also: wenn ein Bestimmungselement eines Wunderbegriffs, das sich auf den Eindruck des Wunders auf den Beobachter bezieht, zutrifft, dann trifft einer der beiden oben dargestellten Fälle auch zu. Diese auf den Eindruck des Wunders bezogenen Bestimmungselemente können daher in zwei Gruppen eingeteilt werden: 1) Solche Bestimmungen, die den ersten Fall oben logisch implizieren und die deshalb nicht mit dem zweiten Fall logisch vereinbar sind. Und 2) solche Bestimmungen, die den ersten Fall nicht implizieren und die deshalb mit dem zweiten Fall oben logisch vereinbar sind. Wir werden hier einige Beispiele für solche Bestimmungen anführen. Die folgenden sind solche, die den ersten Fall oben logisch implizieren: 'die Vorstellung von der gegenwärtigen allerhöchsten Majestät wecken', 'den Gedanken an Gott bzw. an Gottes Walten in dieser Welt veran07

Vgl. Rupprecht, 190. " Die auf die Wunder bezogenen Zeichenbegriffe variieren im Material, wie wir gesehen haben. Was als ein Zeichen zu gelten hat, ist deshalb relativ im Verhältnis zum jeweiligen im Material belegbaren Zeichenbegriff. "

Diese Konjunktion ist die Konjunktion d) oben in Abschnitt A . Siehe oben, S. 396. 423

lassen' und 'die Heilsoffenbarung in Christus dem Beobachter nahebringen"0. Bestimmungselemente, die unter den Begriff 'Wunderobjekt' fallen, implizieren logisch den ersten Fall der Bedingung des Empfängers oben dann und nur dann, wenn sie sich auf einen intentionalen Inhalt des Wundererlebnisses beziehen, der nicht mit dem Wunderobjekt identisch ist61. Alle Bestimmungen, die den ersten Fall oben logisch implizieren, beziehen sich auf die Intention des Beobachters in bezug auf etwas anderes als das Wunderobjekt selbst, und diese Intention wird einer solchen Bestimmung zufolge durch das Bewußtsein von dem Wimderobjekt ausgelöst, wenn die Bestimmung zutrifft. Wenn ein Wunderobjekt dadurch ein Zeichen ist, daß die Bedingung des Empfängers als ein Glied einer hinreichenden Bedingung des Zeichenbegriffs zutrifft, dann ist der intentionale Inhalt des Wundererlebnisses von dem Wunderobjekt als Zeichen bezeichnet, soweit der intentionale Inhalt eventuelle übrige Bedingungen des Zeichenbegriffs erfüllt. Bestimmungselemente, die den Begriff 'Wimderobjekt' implizieren und die sich nicht auf einen intentionalen Inhalt des Wundererlebnisses beziehen, sondern nur auf die phänomenalen Erlebnisqualitäten des Wundererlebnisses, implizieren dagegen nicht den ersten Fall oben, sondern sind mit dem zweiten Fall der Bedingung des Empfängers oben logisch vereinbar; dem zufolge ist nur das Wunderobjekt Gegenstand der Intention des Beobachters, die durch das Bewußtsein von dem Wunderobjekt veranlaßt wird. Solche im achten Kapitel dargestellten Bestimmungselemente, die mit diesem zweiten Fall vereinbar sind, sind z.B. 'Erregung oder Staunen oder Entsetzen oder Verwunderung wecken' und 'Gegenstand eines Werterlebnisses'". Sie implizieren nicht den ersten Fall oben, d.h. sie fordern nicht eine Intention des Beobachters in Richtung auf etwas anderes als das Wunderobjekt selbst. Das schließt natürlich nicht aus, daß eine solche Bestimmung auch mit dem ersten Falle oben logisch vereinbar ist. Eine solche Bestimmung kann in demselben Falle zutreffen wie eine Bestimmung der ersten Art. Eine Bestimmung der zweiten Art schließt nicht Bestimmungen der ersten Art aus, und auch nicht umgekehrt. Die Bestimmungselemente sind alle miteinander logisch vereinbar83. eo

Siehe oben S. 2 3 1 , 233 f., 236, 235. Solche intentionalen Inhalte, auf die sich andere Bestimmungselemente dieser Art beziehen, sind z.B. 'daß Gott gegenwärtig ist und sich als wirksam erweist', 'Heil' und 'Heilsbedeutung des Wunders'. Siehe oben S. 234 f. 61

Siehe oben S. 2 1 6 f., 274. " Zwei Bestimmungen von jeweils verschiedenen der beiden Gruppen bedingen einem Theologen zufolge einander sogar kausal: das Wunder wird kraft seines staunenerregenden Charakters [Bestimmung der zweiten Gruppe] dem Menschen zu einem Zeichen von etwas anderem [Bestimmung der ersten Gruppe]. Lauerer, 396.

424

K A P I T E L 15

Kommunikation und Offenbarung

A. Allgemeine logische Analyse der Kommunikationsbeziehung Der Zeichenbegriff ist in den vorigen Kapiteln in bezug auf die Beziehungen des Zeichens zu dem Absender und zu dem Empfänger analysiert worden. Diese Beziehungen wurden die „Ausdrucksbeziehungen" eines Zeichens genannt1. Wenn es aber sowohl einen Absender wie einen Empfänger eines Zeichens gibt, so bestehen beide Beziehungen desselben Zeichens. Die Konjunktion dieser beiden Beziehungen impliziert dann eine komplexere Beziehung, die wir die „Kommunikationsbeziehung" zwischen dem Absender, dem Zeichen und dem Empfänger nennen können. Durch die Strukturanalyse der Kommunikationsbeziehung wird es möglich sein, solche Bestimmimgselemente des Wunderbegriffes in dem Material zu klären, die das Wunder als eine Art der Kommunikation oder als ein Moment in einer Kommunikation zwischen Gott und Mensch bestimmen. Öfters wird in solchen Zusammenhängen im Material das Wort „Offenbarung" genannt, entweder als identisch mit dem Wunder oder als etwas, was in einer bestimmten Beziehung zum Wunder steht'. Die Mehrdeutigkeit des Wortes „Offenbarung" sowie des Wortes „Wunder" in diesen Zusammenhängen kann durch die Analyse der Kommunikationsbeziehung erhellt werden. Die dreistellige Kommunikationsbeziehung kann in drei zweistelligen Beziehungen als Momenten derselben analysiert werden. Diese drei Beziehungen sind: 1 ) Eine Beziehung des absichtlichen Hervorbringens zwischen Absender und Zeichen, die die Umkehrung der Ausdrucksbeziehung des Zeichens zu dem Absender bildet5, 2) die Ausdrucksbeziehimg des Zeichens zu dem Empfänger, und 3) die direkte Beziehung der Kommunikation zwischen dem Absender und dem Empfänger. Über die Ausdrucksbeziehungen eines Zeichens siehe oben S. 296 f., 361 f. Vgl. unten S. 432. Vgl. ferner die Ausführungen oben über die Begriffsbildung Traubs S. 34 ff. und über die Begriffsbildungen von Hunzinger und Künneth S. 106 f f . ® Über dreistellige Relationen vgl. Carnap, Symbolische Logik, 5; von Wright, A treatise on induction, 46 f. Über die Umkehrung einer Relation, siehe Carnap, a.a.O., 116 f., dort auch „Konverse" oder „Inverse" einer Relation genannt. 1 2

425

Die erste der drei Beziehungen, die Beziehung zwischen Absender und Zeichen ist vermittelt sowohl durch ein bestimmtes Motiv des Absenders, das in einer Kommunikationsabsicht besteht, wie durch eine Handlung des Absenders. Das Bestehen einer solchen Beziehung impliziert logisch das Vorliegen sowohl eines Motivs der erwähnten Art wie einer Handlung, durch die das Zeichen hervorgebracht wird. Die zweite Beziehung, diejenige zwischen Zeichen und Empfänger, ist durch ein Erlebnis des Empfängers vermittelt und impliziert logisch das Vorhandensein eines solchen Erlebnisses, das von dem Zeichen verursacht ist oder das Zeichen zum Objekt hat. Außerdem soll dieses Erlebnis auch eine Intention in Richtung auf eine Botschaft enthalten, die von dem Zeichen bezeichnet ist. Die dritte Beziehung, diejenige zwischen Absender und Empfänger, ist von einem Motiv und einer Handlung des Absenders und von einem Erlebnis [Eindruck) des Empfängers vermittelt und impliziert logisch das Vorhandensein dieser Erscheinungen. Der Fall ist dagegen denkbar, daß diese Beziehung auch ohne Vermittlung eines Zeichens besteht, in Analogie zu Telepatie; im Material wäre dieser Fall in der Form eines direkten göttlichen Eingriffs einer Gedankenübertragung in die menschliche Seele hinein repräsentiert. Wenn eine solche Beziehung ohne Vermittlung eines Zeichens besteht, reden wir von einer unvollständigen Kommunikationsbeziehung, die also zweistellig ist. Eine vollständige Kommunikationsbeziehung ist dagegen dreistellig. Die drei erwähnten zweistelligen Beziehungen werden im folgenden „Teilbeziehungen" der Kommunikationsbeziehung genannt. Da der Zeitfaktor hier von Bedeutung ist, können als Glieder einer Kommunikationsbeziehung auch zeitliche Teilabschnitte eines Absenders, eines Empfängers oder eines Zeichens gelten, d.h. zeitliche Teile einer Biographie einer solchen Person oder Zeitschichten eines solchen Zeichens. Die Wörter „Absender", „Empfänger" und „Zeichen" werden im folgenden so verwendet, dass sie auch solche zeitlichen Teilabschnitte denotieren können. Wenn eine vollständige Kommunikationsbeziehung besteht, sind eo ipso die Bedingungen des Absenders und des Empfängers in bezug auf das Zeichen erfüllt4. Nun gibt es aber zwei Fälle von Kommunikationsbeziehungen, die zu unterscheiden wichtig ist: a) Die Bedingungen des Absenders und des Empfängers sind zwar beide in bezug auf dasselbe Zeichen erfüllt, aber der Empfänger mißversteht den Absender, d.h. der Empfänger versteht nicht das Zeichen als Kommunikationsmittel des Absenders. Er versteht nicht, welche Bot1

Uber die Bedingung des Absenders siehe oben S. 393 f., 400 ff., 418. Über die Bedingung des Empfängers siehe oben S. 394 f·, 4o6ff., 418. 426

schaft der Absender ihm durch das Zeichen vermitteln will. Diesen Fall nennen wir eine „unechte Kommunikationsbeziehung". b) Der Empfänger versteht den Absender und das Zeichen als Kommunikationsmittel des Absenders. Er versteht die Botschaft, die der Absender ihm durch das Zeichen vermitteln will. Diesen Fall nennen wir eine „echte Kommunikationsbeziehung". Die Unterscheidimg zwischen echter und unechter Kommunikationsbeziehimg zeigt, daß außer Zeichen, Absender und Empfänger auch die kommunizierte, vermittelte Botschaft ein grundlegender Faktor einer Kommunikationsbeziehung ist. Diese Botschaft ist ein intentionaler Inhalt einer Intention des Absenders und des Empfängers, auf die sich die Fälle der Bedingungen des Absenders und des Empfängers beziehen5. Bei einer unechten Kommunikationsbeziehung sind die intentionalen Inhalte des Absenders und des Empfängers, die jeweils für sich die Bedingungen des Absenders und des Empfängers erfüllen, verschieden. Die Absicht des Absenders, auf die sich die Bedingung des Absenders bezieht, wird aber von dem Empfänger nicht erfüllt: die beiden Bedingungen des Absenders und des Empfängers sind in bezug auf den intentionalen Inhalt des Empfängers nicht miteinander übereinstimmend8. Bei einer echten Kommunikationsbeziehimg stimmen dagegen diese beiden Bedingungen in bezug auf den intentionalen Inhalt des Empfängers miteinander überein. Der Zweck, den der Absender in bezug auf die Intention des Empfängers mit dem Zeichen verfolgt, wird von dem Empfänger erfüllt. Im folgenden werden wir den Begriff der echten Kommunikationsbeziehung als Instrument der Analyse voraussetzen, wenn das Gegenteil nicht ausdrücklich gesagt wird. Das, was analysiert wird, sind Wunderbegriffe aus dem Material, die sich auf die Offenbarung' Gottes beziehen. In den zwei vorhergehenden Kapiteln wurden solche Wunderbegriffe dargestellt, denen zufolge die Zeichen als Wunder gelten. Im Rahmen einer Kommunikationsbeziehung treffen diese Wunderbegriffe auf die Zeichen und nur auf die Zeichen zu. In der bisherigen Analyse dieser Wunderbegriffe wurde auch das Wort „Zeichen" relativ zum Material verwendet, d.h. in Abhängigkeit von den Bestimmungen dieses Wortes, einschließlich des griechischen „saemeion", im Material. Diese beiden Voraussetzungen und Beschränkungen fallen jetzt hier in diesem Kapitel fort: a] Erstmalig wird das Wort „Zeichen" unabhängig von dem Material 5

Die Botschaft wird, falls der Zeichenbegriff hier zutrifft, mit dem Bezeichneten zusammenfallen. Über das Verhältnis des Bezeichneten zu Intentionen des Absenders und des Empfängers eines Zeichens siehe oben S. 393 f f . * Über die Nicht-Erfüllung der Absicht des Absenders vgl. oben S. 404 f f .

427

als Terminus technicus verwendet. „Zeichen" bedeutet hier 'Instrument für Kommunikation'. Das Wort „Wunder" bleibt dagegen ein Terminus des Materials, wie sonst in der ganzen Abhandlung. Nur Wunderbegriffe aus dem Material werden dargestellt: was ein Wunder ist oder nicht, hängt immer von Bestimmungen des Materials ab. b ] Wunderbegriffe im Material, die sich auf 'Offenbarung' beziehen und die mit Hilfe des Begriffs der Kommunikationsbeziehung präzisiert werden können, treffen nicht immer nur auf das Zeichen zu, sondern manchmal auch auf andere Glieder der Kommunikationsbeziehung oder auf Teile derselben, aber auch manchmal auf zusammengesetzte Komplexe derselben. Solche Wundeibegriffe werden in diesem Kapitel untersucht. Im folgenden wird eine Übersicht gegeben werden über die verschiedenen möglichen Kategorien von Wundern, die im Rahmen einer Kommunikationsbeziehung und aller deren Glieder und deren Teile enthalten sind. Die Unterscheidung dieser Kategorien dient als Mittel der Klärung und der Analyse von soldhen Wunderbegriffen im Material, die sich ausdrücklich auf 'Offenbarung (Gottes]' und wenigstens implizite auf die Kommunikationsbeziehung oder deren Teilmomente beziehen. Ehe wir zu den Wunderkategorien übergehen, müssen wir eine sehr wichtige Distinktion machen zwischen Kommunikationsbeziehimg und Kommunikationssiiwaiion. Die Kommunikationsbeziehung und ihre Gattungen [Spezies] sind dreistellige Relationen, und als Relationen Allgemeinbegriffe. Eine KommunikationssifMafion dagegen ist eine konkrete individuelle singuläre Ganzheit, die aus den drei Gliedern einer Kommunikationsbeziehung und deren Teilen sowie aus allen den individuellen Ereignissen besteht, die das Bestehen einer Kommunikationsbeziehung bedingen, d.h. deren Vorhandensein zusammen das Bestehen einer solchen Beziehung logisch impliziert. Eine Kommunikationssifwarion kann natürlich ein ganzes Netzwerk von verschiedenen Beziehungen enthalten über die Kommunikationsbeziehung und deren drei zweistellige Teilbeziehungen hinaus, z.B. Beziehungen zwischen Teilen der Glieder einer Kommunikationsbeziehung und Ereignissen, die zu einer Kommunikationssituation gehören. Die KommunikationssifMafion und Teile derselben bilden diejenigen Wunderkategorien, die auf konkrete, individuelle, singuläre Wunder (Dinge oder Ereignisse] zutreffen. Solche Wunder und Wunderkategorien werden meistens von den Wunderbegriffen im Material, die im folgenden dargestellt werden, vorausgesetzt oder nahegelegt. Außer Dingen oder Ereignissen könnten aber auch abstrakte Sachverhalte den Wundertitel beanspruchen. Solche Sachverhalte wären mit wahren Satzinhalten identisch oder wahren Satzinhalten eineindeutig zugeordnet, und zwar von dem Inhalt, da β die Kommunikationsbeziehung 428

zwischen bestimmten Gliedern besteht, oder daß eine oder mehrere der drei zweistelligen Teilbeziehungen derselben zwischen zwei bestimmten Gliedern besteht7. Gewisse Formulierungen in dem Material legen eine solche Deutung dessen, was eigentlich als Wunder gerechnet wird, nahe, aber sie dürften Ausnahmen sein8. Dieselben Formulierungen könnten ferner so gedeutet werden, daß Eigenschaftsmomente von konkreten Erscheinungen als Wunder hingestellt werden'. Der Wunderbegriff haftet aber normalerweise an konkreten individuellen Ereignissen oder Dingen. Wir kehren deshalb zu der KommunikationssifMdiion zurück und fragen, welche Arten von Teilen derselben nach dem Material den Wundertitel beanspruchen können. Äußerungen des Materials können manchmal so gedeutet werden, daß ganze KommunikationssifMafionen als Wunder gelten. Öfters dürften es aber Teile von solchen Situationen sein, die als Wunder gelten, und zwar drei grundlegende Arten von Teilen und Komplexen, die aus solchen Teilen zusammengesetzt sind. Die drei grundlegenden Arten von Teilen, die als Wunder gelten können, sind: 1) Handlungen des Absenders [Gottes), die ein Zeichen hervorbringen und einen Eindruck bei dem Empfänger verursachen. Akte der Aussendung einer Botschaft von Seiten des Absenders. 2) Zeichen in dem hier rekonstruierten Sinn des Wortes als eines technischen Terminus, d.h. Instrumente der Kommunikation. Alle Entitäten dieser Kategorien fallen unter die Begriffe 'Beobachterstimulus' und 'extensionales Objekt', die in Kap. 8 bestimmt wurden10. Als Mittel der Kommunikation sind die Zeichen von dem Absender gewirkt und verursachen wiederum eine Intention in Richtung auf eine Botschaft von seiten [mindestens] eines Empfängers. Nach mehreren Gedankengängen im Material dient Gott als Absender in einer solchen Kommunikationsbeziehung. 3) Eindrücke des Empfängers als psychische Ereignisse, die von einem Zeichen ausgelöst sind und eine Intention in bezug auf eine Botschaft enthalten. Wenn diese Botschaft diejenige des Absenders ist, liegt eine echte Kommunikationsbeziehung vor. Diese Entitäten werden wir .Zeicheneindrücke" nennen. Ein Zeicheneindruck kann auch dann vorliegen, wenn kein Zeichen vorliegt, nämlich dann, wenn der Absender eine Botschaft durch direkte Gedankenübertragimg auf den Empfänger über-

T Über Sachverhalte und deren Unterschied von individuellen Entitäten, siehe oben S. 179 f., 283. ' Vgl. unten S. 433, 435 f., 441. * Über abstrakte Eigenschaftsmomente siehe oben S. 199 f. 10 Siehe oben S. 218 f.

429

mittelt. Gedanken im Material von Gottes direkter Einwirkung auf die menschliche Seele legen diese Möglichkeit nahe. 4) Komplexe, die aus zwei Teilen bestehen, die jeweils verschiedener Art sind, die aber beide von einer der unter Punkt ( i ) - ( 3 ) genannten Arten von Entitäten sind. Wir haben Komplexe von einer Handlung eines Absenders und einem Zeichen, Komplexe von einem Zeichen und einem Zeicheneindruck und schließlich Komplexe von einer Handlung eines Absenders und einem Zeicheneindruck mit oder ohne Zeichen. Ein Komplex der letzteren Art mit einem darin enthaltenen Zeichen wäre dasselbe wie eine ganze Kommunikationssituation. Die drei ersten grundlegenden Kategorien С 1 3~Сз] v o n Wundern werden wir etwas näher betrachten in bezug auf solche Bestimmungselemente in Wimderbegriffen, die in dieser Abhandlung bisher behandelt worden sind, und die außerdem für das Bestehen einer Kommunikationsbeziehung oder einer zweistelligen Teilbeziehung einer solchen von Bedeutung sind. 1 ] Handlungen des Absenders, die ein Zeichen hervorbringen bzw. die einen Zeicheneindruck bei dem Empfänger verursachen, können Bestimmungselemente der folgenden Arten als Bestimmungen haben: a) Bestimmungen, die sich auf die Person des Wundertäters beziehen, z.B. 'gewirkt von Gott'. b) Bestimmungen, die sich auf das Motiv des Wundertäters beziehen. Um von Bedeutung für die Kommunikationsbeziehung zu sein, müssen diese Bestimmungen sich auf Motive beziehen, die in Fällen [Spezies) der Bedingung des Absenders vorkommen können und die in einer Kommunikationsabsicht des Absenders bestehen. c) Bestimmungen, die sich auf das Resultat des Wunders beziehen. Für die Kommunikationsbeziehung sind nur diejenigen von Bedeutung, die sich auf solche Resultate beziehen, die unter die Kategorien [2) und (3) oben fallen, die also Zeichen oder Zeicheneindrücke sind11. 2] Zeichen als Instrumente der Kommunikation können Bestimmungselemente der folgenden Arten als Bestimmungen haben: a] Dieselben Bestimmungen wie Handlungen der Kategorie ( 1 ] , mit der einzigen Einschränkung, daß Bestimmungen, die sich auf das Resultat des Wunders beziehen, sich hier auf solche Resultate beziehen müssen, die Zeicheneindrücke des Empfängers sind, also psychische Geschehnisse einer bestimmten Art bei dem Empfänger, wenn die Bestimmungen von Bedeutung für die Kommunikationsbeziehung sein sollen. b] Der Begriff 'Wunderobjekt', der sich auf den Eindruck des Wunders 11

Die Bestimmungselemente ( а ) - ( c ) sind in den Kapiteln 5 - 7 behandelt worden.

4ЗО

auf den Beobachter bezieht. Wesentlich für die Kornmunikationsbeziehung ist, daß der Eindruck des Beobachters eine Intention in Richtung auf einen intentionalen Inhalt [die „Botschaft" der Kommunikationsbeziehung) enthält. c) Die Bedingung des Absenders und des Empfängers und Fälle dieser Bedingungen als Bestimmungen eines Zeichens". Diese Bestimmungen sind logisch abhängig von Bestimmungen der schon erwähnten Arten. Ein Fall der Bedingung des Absenders ist äquivalent mit einer Konjunktion solcher Bestimmungselemente, die sich auf die Person des Wundertäters und auf das Motiv des Wundertäters beziehen, mit der Einschränkung, die oben unter Punkt ι b) angeführt worden ist. Ein Fall der Bedingung des Empfängers wiederum ist äquivalent mit einer solchen Bestimmung, die sich auf den Eindruck des Wunders auf den Beobachter bezieht, wenn dieser Eindruck eine Intention in Richtung auf eine 'Botschaft' enthält. 3) Zeicheneindrücke als 'innere' Geschehnisse bei dem Empfänger können von Bestimmungselementen der folgenden Art bestimmt werden: a] Bestimmungen der Art Ca) und (b) unter Punkt ( 1 ) . Für die Kommunikationsbeziehung gelten hier dieselben Einschränkungen wie dort. b) Bestimmungen, die sich auf die Intentionalität des Zeicheneindrucks beziehen, genauer: die sich auf den intentionalen Inhalt des Wundererlebnisses beziehen, wobei dieser Inhalt nicht mit dem Wunder zusammenfällt. Dieser intentionale Inhalt ist die 'Botschaft' der Kommunikationsbeziehung, auf die sich auch die Fälle der Bedingung des Empfängers beziehen. B. Eine Wundertheorie im Material, die die Kommunikationsbeziehung und den Offenbarungsbegriff aktualisiert Als Beispiel einer Wundertheorie, die solche Wunderbegriffe enthält, die sich auf die 'Offenbarung' Gottes beziehen und die die Kommunikationsbeziehung aktualisieren, wählen wir hier die Wundertheorie Seebergs und konzentrieren uns auf sie. Diese Wundertheorie kann als paradigmatisch für Wundertheorien der erwähnten Art hingestellt werden, und zwar deshalb, weil alle Kategorien von Wundern und die meisten Typen von Bestimmungselementen in Wunderbegriffen, welche im Zusammenhang der Kommunikationsbeziehung relevant sind und deshalb im vorigen Abschnitt systematisch angeführt worden sind, bei Seeberg belegt werden können, wenigstens wenn man möglichen alternativen Präsizierungen von Seebergs Äußerungen nachgeht. 12

Bestimmungselemente der Art [b) sind in Kapitel 8, der Art (c) in Kapitel 14 behandelt worden.

431

Seeberg scheint 'Wunder' mit 'Offenbarung' in der folgenden Äußerung zu identifizieren: Das Innewerden der göttlichen Kraft der Offenbarung ist also zugleich das Erleben des Wunderbaren, und zwar so, daß Offenbarung Wunder und Wunder Offenbarung ist1'. Bei anderen Verfassern als Seeberg wird manchmal mit einer schwächeren Beziehung als Identität zwischen 'Wunder' und 'Offenbarung' gerechnet". Aber auch bei Seeberg wird die Identifizierung der beiden Begriffe durch eine andere Äußerung wieder eingeschränkt, der zufolge der Wunderbegriff anscheinend eine Spezies des Begriffs der göttlichen Offenbarung ist: Das Wunder ist somit eine besondere Form der göttlichen Offenbarung". Die Beziehung dieser beiden Begriffe zueinander kann natürlich bei verschiedenen Verfassern verschieden gestaltet sein. Das Wunder braucht nicht gerade eine Spezies der Offenbarung zu sein - es kann vielmehr die allgemeine Form der Offenbarung sein". Andererseits brauchen die beiden Begriffe gar nicht auf dieselben Entitäten zuzutreffen - es könnte einem Verfasser zufolge vielmehr so sein, daß jedes Wunder als solches in einer bestimmten Relation zu einer Offenbarung stände, und zwar in einer anderen Relation als Identität17. Aber jetzt zurück zu Seeberg. Eine ganze Reihe von Äußerungen bei ihm setzen das Wunder in eine feste Beziehung zu der Kommunikationsbeziehung mit Gott als Absender und dem Menschen als Empfänger. Ehe wir zu der Analyse dieser Äußerungen übergehen, sei nur nebenbei bemerkt, daß Seeberg anscheinend auch mit einem anderen Wunderbegriff rechnet, der nichts mit der Kommunikationsbeziehung zu tun hat18. Aber " Seeberg, Wunder, 562. Vgl. Thielicke, Das Wunder, 1 1 7 ; Wendland, Der Wunderglaube, 60. 11 Möglicherweise wird eine schwächere Beziehung als Identität zwischen 'Wunder' und 'Offenbarung' bei Hunzinger vorausgesetzt: „im Wunder vollzieht sich ein für allemal die göttliche Offenbarung selbst, und in nichts anderem als im Wunder kann sie sich vollziehen. Die Begriffe Offenbarung und Wunder sind Korrelatbegriffe." Das Wunder, 36. 15 Seeberg, Christliche Dogmatik, I, 356. " Vgl. Hunzinger, a.a.O., 36. Die Stelle wurde oben in Anm. 14 zitiert. " Vgl. oben, Anm. 14. 18 Dieser andere Wunderbegriff wird durch die Termini „Naturwunder" (Seeberg, Der evangelische Glaube, 426. Vgl. Christliche Dogmatik, 3 6 1 ) , „sichtbare sinnliche Wunder" [Der evangelische Glaube, 4 2 1 ) , „äußere sinnliche Wunder" und „äußere Wunder" [a.a.O., 426 f . ) angedeutet. Das 'Naturwunder' wird als im Gegensatz zum „gesetzmäßigen Zusammenhange der Welt" stehend empfunden [a.a.O., 426) und „das äußere Wunder" ist „für unser eigenes Geistesleben relativ gleichgültig geworden" [ibid.). Besonders die letzte Behauptung zeigt in die Richtung eines anderen Wunderbegriffs als irgend eines derjenigen Wunderbegriffe bei Seeberg, die mit der Kommu-

432

der ü b e r w i e g e n d g r ö ß t e T e i l v o n S e e b e r g s A u s f ü h r u n g e n ü b e r W u n d e r u n d W u n d e r b e g r i f f e b e z i e h t sich auf W u n d e r b e g r i f f e , die m i t der O f f e n barung u n d mit der K o m m u n i k a t i o n z w i s c h e n G o t t u n d M e n s c h z u t u n haiben, u n d diese W u n d e r b e g r i f f e sind a u c h d i e j e n i g e n , die uns i m f o l g e n d e n interessieren. D i e e n g e B e z i e h u n g z w i s c h e n ' W u n d e r ' ,

'Offen-

b a r u n g ' u n d ' K o m m u n i k a t i o n ' tritt u n s i n d e r f o l g e n d e n Ä u ß e r u n g e n t gegen: Dies aber, daß der rein geistige Gott durch die Mittel der sinnlichen W e l t in Gemeinschaft mit den ihn im Glauben aufnehmenden Geistern tritt, ist seine Offenbarung oder dann das Wunder 1 ". A n e i n e r a n d e r e n Stelle w i r d das F o l g e n d e als das „ W e s e n des W u n d e r s " hingestellt: es ist die das Herz bewegende in Zeit und Raum durch äußere Mittel sich o f f e n barende wirksame Gegenwart Gottes 20 . A n e i n e r d r i t t e n Stelle tritt der K o m m u n i k a t i o n s c h a r a k t e r

dieser g ö t t -

l i c h e n W i r k s a m k e i t k l a r e r h e r v o r . A u c h d o r t w i r d v o m „ W e s e n des W u n ders" gesprochen, das Seeberg zufolge darin besteht, daß nämlich Gott in irdischen sinnlichen Formen sein Wirken und sein W e s e n den Menschen eindrücklich macht 81 . nikation zwischen Gott und Mensch zu tun haben. Auch bei Thielicke werden zwei ganz verschiedene Wunderbegriffe verwendet, und zwar abwechselnd in demselben Kontext ohne klare Markierung der Übergänge. Nach dem einen Wunderbegriff ist Wunder dasselbe wie der Vorgang der Offenbarung (Das Wunder, 117. Vgl. 114). Ein ganz anderer Wunderbegriff, der auf 'äußere', sinnlich wahrnehmbare Ereignisse zutreffen kann, wird im folgenden vorausgesetzt: Nach Thielicke kann ein Wunder [im letzteren Sinne) „Menschen innerlich tot" machen, „sofern sie nämlich die wunderbare Sättigung (Mt. 15, 9 ff.; Joh. 6, 26) oder die wunderbare Heilung (Lk. 17, 17) zum Selbstzweck machen; d.h. sofern sie Wunder und Heilung nicht mehr transparent sein lassen für die gnadenvolle Doxa Gottes . . . Den Vorgang (sdl. des Wunders) kann man sehen und nachprüfen. (Das gilt wenigstens für die Wunder im NT . . . ) " . Thielicke, a.a.O., 108. 14 Seeberg, Christliche Dogmatik, 362. Vgl. 356; Bülck, 187; Dunkmann, Offenbarung und Wunder, 514; Hunzinger, Das Wunder, VII: „Das Wunder ist nichts anderes als das Aktuellwerden der göttlichen Heilsoffenbarung an einem bestimmten Punkt in Raum und Zeit." Über eventuelle 'sinnliche Mittel' der Offenbarung heißt es an einer anderen Stelle, „daß alle göttliche Offenbarung und religiöse Erfahrung, mithin also das Wunder, sich dem Bewußtsein durch Veränderungen vermittelt, die irgendwie durch die Sinnlichkeit wahrgenommen und also in der äußeren Erfahrung zugänglich werden". Hunzinger, a.a.O., 53. Vgl. a.a.O., 52 f., 78. 20 Seeberg, Wunder, 567. " l Seeberg, Der evangelische Glaube, 433. Vgl. Bülck, 185 f.; Herrmann, Der Christ und das Wunder, 42 f.; Hunzinger, Das Wunder, 42. Vgl. ferner Weber, 53: „Das Wunder ist die Selbstbekundung des welterhabenen Gottes in der Welt." Für eine ausdrücklichere Betonung der 'sinnlichen Mittel', vgl. Hunzinger, a.a.O., 52 f. Siehe oben, Anm. 19.

28 - 566-3501

433

In den drei angeführten Zitaten wird die göttliche Handlung stark betont. Fragt man sich, als welche Art von Größe das Wunder hier aufgefaßt wird, liegt es nahe, das Wunder entweder als die göttliche Handlung selbst aufzufassen oder auch als einen Komplex, der diese göttliche Handlung enthält. Ein solcher Komplex wäre z.B. eine ganze Kommunikationssituation mit Gott als Absender und einem Menschen als Empfänger. Man könnte sich hier auch einen Komplex als von Seeberg intendiert denken, der außer der göttlichen Handlung auch denjenigen Zeicheneindruck enthält, der von derselben Handlung [und zwar durch ein 'sinnliches' Zeichen) hervorgebracht wird. Das zuletzt angeführte Zitat steht aber in einem Kontext, der deutlich zeigt, daß Seeberg auch mit äußeren Ereignissen als Wundern rechnet, also mit Zeichen (nach der in diesem Kapitel eingeführten Terminologie der Analyse) als mit Wundern rechnet23. Das in dem letzten Zitat definierte „Wesen des Wunders" trifft nach Seeberg nämlich sowohl auf die „Geschichte . . . , die Gott zum Mittel seiner Offenbarung gestaltet hat", wie auf in dieser Geschichte geschehene „besondere irreguläre Ereignisse . . . , die als besondere Mittel der göttlichen Offenbarung gedient haben"2'. Sowohl die ganze äußere wahrnehmbare Geschichte wie deren Teilereignisse müssen nach unserem Analysenschema als Zeichen (Instrumente der Kommunikation) klassifiziert werden. In der bisherigen Deutung der angeführten Zitate haben wir nur mit dem gerechnet, was im vorigen Abschnitt „singulare Wunder" genannt wurde; also mit Kommunikationssituationen oder Teilen derselben. Das erste und das dritte der drei letzten Zitate enthalten aber Sätze, die mit dem Wort „daß" eingeleitet werden. Diese Daß-Sätze könnten eine Deutung nahelegen, die abstrakte Sachverhalte als Wunder hinstellen, und zwar von dem Inhalt, daß eine Kommunikationsbeziehung zwischen Gott, einem 'sinnlichen' Zeichen und einem Empfänger besteht, und zwar derart, daß der Empfänger einen Eindruck ganz bestimmter Art (von 'Gott' und seiner 'Gegenwart') erhält. Das Bestehen einer solchen Kommunikationsbeziehung impliziert auch logisch das Bestehen bestimmter Beziehungen zwischen einer (göttlichen) Handlung, einem Erlebnis des Empfängers bestimmter Art und einer Botschaft des Absenders, der durch die Kommunikation von dem Empfänger verstanden wird. Im folgenden werden wir uns ganz auf singuläre Wunder konzentrieren als diejenigen, die für eine Deutung der Texte Seebergs am nächsten liegen. Es sei hier nur bemerkt, daß, wenn Wunder in der Terminologie von Daß-Sätzen gekennzeichnet werden, dies so gedeutet werden kann, daß ein bestimmter Sachverhalt ein Wunder ist. Aber nun zurück zu den singulären Wundern. 22 25

Siehe oben S. 427 f f . Seeberg, a.a.O., 433.

434

In bezug auf die drei zuletzt angeführten Zitate entsteht nicht nur die Frage, welchen Kategorien die dort Vorausgesetzen Wunder angehören können, sondern auch nach den Bestimmungselementen, die eine Entität erst zu einem Wunder machen. In der Antwort auf die letzte Frage konzentrieren wir uns zunächst auf die grundlegenden Wunderkategorien und sehen zunächst von den möglichen Komplexen zweier oder mehrerer Teile verschiedener Kategorien ab. Die Deutung der Zitate hat bis jetzt mit zwei grundlegenden Kategorien von Wundern gerechnet: Mit Handlungen des Absenders und mit äußeren, wahrnehmbaren Zeichen als Instrumenten der Kommunikation. Für jede dieser beiden Kategorien untersuchen wir jetzt die von den Zitaten nahegelegten Bestimmungselemente des jeweils infrage stehenden Wunderbegriffs. Innerhalb jeder Kategorie ordnen wir die Bestimmungselemente nach ihren allgemeinen formalen Typen unter verschiedenen Buchstaben (а) - (c) ein": 1. Handlungen des Absenders (Gottes) sind als Wunder von drei Typen von Bestimmungselementen qualifiziert: Ca) 'gewirkt von Gott' (Vgl. die folgenden Ausdrücke in den angeführten Zitaten: „Gott . . . in Gemeinschaft . . . tritt", „wirksame Gegenwart Gottes" und „Gott . . . macht".), (b) "bringt ein irdisches, 'sinnliches', Zeichen hervor' [Vgl. in den Zitaten oben „durch die Mittel der sinnlichen Welt", „in Zeit und Raum durch äußere Mittel" und „in irdischen sinnlichen Formen"), und (c) 'erweckt den Eindruck Α bei dem Empfänger' (Vgl. in den Zitaten die Ausdrücke „Gemeinschaft mit den ihn (seil. Gott) im Glauben aufnehmenden Geistern", „das Herz bewegende . . . sich offenbarende" und „sein (seil. Gottes) Wirken und sein Wesen den Menschen eindrücklich"). 2. Zeichen, äußere, 'sinnlich' wahrnehmbare Instrumente der Kommunikation sind durch Bestimmungselemente vom Typus (a) und (c) oben als Wunder qualifiziert. Die eben erwähnten Kategorien und Bestimmungselemente treten auch im folgenden Zitat hervor - die beiden Kategorien ι und 2 oben allerdings nach alternativen Deutungen des Zitats. Die Alternativen schließen aber einander nicht aus - Seeberg kann ja mit zwei oder mehreren Kategorien von Wundern rechnen. Er schreibt: Nun liegt aber das Wesen des Wunders . . . darin, daß ein irdisches Ereignis von Gott zum Mittel seiner unmittelbaren wirksamen Gegenwart gestaltet wird, resp. 81

Vgl. oben S. 430 f. das Schema der Kategorien und Bestimmungselemente, die für eine Kommunikationsbeziehung relevant sind.

435

von dem Menschen an diesem Ereignis die göttliche Gegenwart empfunden wird20. Über das vorhin Zitierte hinaus begegnet uns hier eine inhaltliche Variante in bezug auf den Eindruck des Empfängers, nämlich eine Empfindung des Empfängers von der 'göttlichen Gegenwart'. Wichtiger aus formalen Gesichtspunkten ist aber, daß außer den schon erwähnten Wunderkategorien eine dritte Kategorie von Wundern anscheinend von dem Zitierten zugelassen werden könnte, und zwar die Eindrücke des Empfängers selbst als psychische Erlebnisse des Empfängers. 3. Eindrücke des Empfängers sind nach dem Gesagten als Wunder von drei Typen von Bestimmungselementen qualifiziert: (a) 'gewirkt von Gott', (b) Von einem 'sinnlich' wahrnehmbaren Zeichen ausgelöst' (Vgl. die Ausdrücke „ein irdisches Ereignis . . . zum Mittel seiner [seil. Gottes) unmittelbaren wirksamen Gegenwart" und „an diesem Ereignis . . . empfunden"), und (c) 'enthält eine Intention auf eine Botschaft'. Auf diese Botschaft bezieht sich der Ausdruck „die göttliche Gegenwart" im Zitat. Diese dritte Kategorie könnte man sich auch erweitert denken, so daß sie auch psychische Dispositionen (Dispositionsexemplare) des Empfängers umfaßt, auf die die entsprechenden Bestimmungselemente wie (a)-(c) zutreffen". Von dieser Möglichkeit sehen wir der Einfachheit halber im folgenden ab. Von möglichen Komplexen als Wundern legt das zuletzt Zitierte die Möglichkeit nahe, daß ein Wunder ein Komplex ist, der aus einem Zeichen zusammen mit einem Zeicheneindruck eines Empfängers mit Be" Seeberg, Wunder, 567. Vgl. Christliche Dogmatik, 356; Der evangelische Glaube, 433. Für das letzte Glied des Zitats, vgl. Wunder, 567, wo „das Hauptmerkmal des Wunders, die Erweckung des Bewußtseins an einem äußeren Vorgang: „es ist vom Herrn her geschehen, ein Wunder ist es in unsern Augen"" erwähnt wird. Vgl. dazu auch a.a.O., 563: „wohl aber kann unter Umständen an jeder Begebenheit ein Wunder erlebt werden, d.h. wenn sie sich dem persönlichen Leben als Wirkung Gottes unmittelbar eindrücklich macht. Nicht die objektive Begebenheit an sich ist dabei wunderbar, sondern diese mit ihr sich verbindende Wirkung resp. die Berührung der betr. Begebenheit mit einem besonders vorbereiteten und gestimmten persönlichen Erleben." Wenn man hier nicht die qualifizierende Einschränkung „an sich" beachtet, würde man den Eindruck bekommen, daß es die Zeicheneindrücke des Empfängers sind, die Wunder sind, und daß die äußeren Zeichen selbst nicht Wunder sein können. 28 Über Dispositionen und Dispositionsexemplare, die aus den für Wunderbegriffe relevanten Gesichtspunkten die Stellung eines psychischen Erlebnisses einnehmen können, siehe oben S. 283 f.

436

Stimmungen der oben erwähnten Arten besteht, und zwar so, daß der Zeicheneindruck gerade von demselben Zeichen ausgelöst ist, mit dem er in einem Komplex zusammengehört. Oder wir können uns eine ganze Kommunikationssituation als Wunder denken, was in der Deutung der vorher angeführten Zitate erwähnt wurde. Wesentlich wäre dann, daß die Teile dieser Kommunikationssituation solche Bestimmungen hätten, die für den Wunderbegriff in seiner Anwendung auf diese Arten von Teilen (die grundlegenden drei Wunderkategorien 1 - 3 oben] konstitutiv sind. Es sei nur nebenbei bemerkt, daß auch das letzte Zitat einen DaßSatz enthält, der die Deutung des Wunders als eines abstrakten Sachverhaltes nahe legen könnte. Das oben aufgestellte Schema ist, was die möglichen singulären Wunder und ihre grundlegenden Kategorien und ihre Typen von Bestimmungselementen betrifft, eine vollständige Schematisierung derjenigen Wunderbegriffe bei Seeberg, die sich auf Kommunikation und Offenbarung beziehen, bis auf einen fehlenden Typus von Bestimmungselementen, und zwar von solchen Bestimmungselementen, die sich auf das Motiv und die [Kommunikations-) Absicht des Absenders beziehen. Dieser Typus von Bestimmungselementen wird sehr selten bei Seeberg explizite im Zusammenhang seiner Wunderbestimmungen erwähnt. Sicherlich ist er aber von Seeberg durchgehend vorausgesetzt. Eine Andeutung eines solchen Bestimmungselementes liegt an einer Stelle vor, an der Seeberg die 'Offenbarung' kennzeichnet als die Wirkung Gottes auf den menschlichen Geist zu dem Zwecke, daß dieser Gott empfinde und erkenne, sich ihm unterwerfe und ihm diene. Und es ist immer etwas Wunderbares, was geschieht". Zwar hat diese Äußerung keine begriffsbestimmende Bedeutung in bezug auf Wunderbegriiie. Aber an anderen Stellen identifiziert Seeberg 'Wunder' und 'Offenbarung', wie wir gesehen haben. Indirekt sagt die Stelle deshalb auch etwas über Seebergs Wunderkonzeption aus. Interessant ist ferner, daß hier nichts von einem 'sinnlichen' Zeichen in der göttlichen Kommunikation gesagt wird. Wir werden später sehen, daß Seeberg auch dann mit einem Wunder rechnen kann, wenn kein 'sinnlich' wahrnehmbares Zeichen in der Kommunikationssituation vorhanden ist. Die Bestimmungen 'bringt ein irdisches, 'sinnliches', Zeichen hervor' bzw. 'von einem 'sinnlich' wahrnehmbaren Zeichen ausgelöst' als Bestimmungen von göttlichen Handlungen bzw. von Eindrücken des Empfängers sind nach Seeberg anscheinend nicht notwendig für den Wunderbegriff, der auf Größen dieser Kategorien oder auf Komplexe von Größen der beiden Kategorien zutreffen kann. Darauf werden wir noch später zurückkommen. Das Gesagte zeigt, 27

Seeberg, Offenbarung und Inspiration, 28 f. Vgl. Weber, 53.

437

daß das Schema oben als Schema der grundlegenden Wunderbestimmungen Seebergs auch insofern provisorisch ist, als nicht alle Bestimmungselemente für den Wunderbegriff notwendig sind. Vorläufig konzentrieren wir uns auf eine durchweg universale Bestimmung aller Wunder, die zu allen drei grundlegenden Wunderkategorien gehört, nämlich die Bestimmung 'von Gott gewirkt'. Diese Bestimmung tritt uns in dem folgenden Kontext entgegen: W i e ist es zu meinem Glauben gekommen? Ich hörte die Überlieferung der Kirche . . . Der Komplex der Überlieferung gewann K r a f t und Einheit, indem er zum Mittel wurde des wirksamen Gottes. Hier ist Gott und nur hier, denn hier wirkt er, unmittelbar und direkt . . . W a s hier geschehen, ist wunderbar . . . es ist Wunder im strengsten Sinne des Wortes. Nichts ist nämlich dem Christen so gewiß, als dies, . . . daß Gott selbst es getan h a t " .

Das Bestimmungselement 'von Gott gewirkt' tritt hier hervor, aber das Zitierte läßt im übrigen die Kategorie des Wunders offen. Das Bestimmungselement kann auch nicht dazu dienen, die Kategorie nach dem Schema oben zu fixieren, denn das Bestimmungselement kann auf Wunder aller drei grundlegenden Kategorien zutreffen, und damit auch auf Komplexe von Größen dieser drei Kategorien in allen möglichen Kombinationen. Von diesem universalen Bestimmungselement des Wunderbegriffs bei Seeberg wenden wir uns jetzt zur Frage, wie Seeberg selbst seine Wunder einteilt und wie seine eigene Einteilung der Wunder sich zu der vom aus logisch-analytischen Gesichtspunkte ausgeführten Einteilung der Wunderkategorien verhält. Eine vorläufige und auch nach Seebergs späteren Ausführungen unvollständige Einteilung tritt an einer Stelle hervor, wo Seeberg seine vorangegangenen Ausführungen folgendermaßen zusammenfaßt, und zwar auch ohne ausdrücklichen Anspruch auf Vollständigkeit: W i r haben demnach drei Gruppen von Wundern kennen gelernt: i. Das Wunder der Offenbarung Gottes im Wort, es ist das eigentliche Hauptwunder, das zu allen Zeiten geschieht und zu dem sich alle übrigen Wunder verhalten wie Illustrationen oder Bestätigungen . . . 2. Das Wunder der Wirksamkeit Gottes in rein natürlichen ordnungsgemäßen Ereignissen und Führungen des menschlichen Lebens . . . 3. Das Wunder der Offenbarung Gottes durch irreguläre Naturereignisse".

Der Einteilungsgrund dieser Einteilung scheint sich nach verschiedenen Arten von 'sinnlich' wahrnehmbaren Zeichen als Instrumenten der göttlichen Kommunikation zu richten. Doch ist die Einteilung unvollständig M

Seeberg, Der evangelische Glaube, 418 f. " Seeberg, Wunder, 567. Für die erste Kategorie der Wunder vgl. Weber, 44, wo er von „dem wirklichen „Wunder", jenem durch das Wort sich vermittelnden Walten Gottes im Menschheitsleben" redet. 438

im Lichte von Seebergs übrigen Äußerungen, und zwar in drei Hinsichten. Erstens sind die im Zitat angegebenen Kategorien von Zeichen unvollständig, wenn man nach allen denjenigen 'sinnlich' wahrnehmbaren Zeichen fragen würde, die Seebergs Wundertheorie zufolge entweder selbst Wunder sein können oder von einer göttlichen Wunderhandlung gewirkt oder einen wunderhaften Zeicheneindruck bei dem Empfänger auslösen können oder schließlich als Teil eines Wunderkomplexes dienen können. Seeberg rechnet nämlich auch mit einer ganzen Geschichte, einem ganzen Geschichtszusammerihang als einem möglichen wunderhaften Mittel der göttlichen wunderhaften Offenbarung", und zwar mit einem äußeren wahrnehmbaren Geschichtszusammenhang, der unter den drei Kategorien des Schemas der formalen Analyse oben nur unter die Kategorie der äußeren Zeichen als Instrumenten der Kommunikation fallen kann. Zweitens sind die Formulierungen in dem zuletzt angeführten Zitat derart, daß sie anscheinend nur von solchen Wundern handeln, die entweder göttliche Handlungen sind oder auch Komplexe, die göttliche Handlungen als Teilkomponenten enthalten, bis auf ganze Kommunikationssituationen. Die Formulierungen deuten nicht alle Kategorien von Wundern an, mit denen Seeberg überhaupt und zwar an anderen Stellen rechnet; sie deuten nicht 'sinnlich' wahrnehmbare Zeichen oder Zeicheneindrücke des Empfängers für sich genommen als Wunder an. Drittens sind diejenigen Wunder bei Seeberg in dem zuletzt angeführten Zitat gar nicht erwähnt, bei denen überhaupt kein äußeres 'sinnliches' Zeichen vorhanden ist, also göttliche Handlungen, die ohne ein solches Instrument wirken, und Eindrücke des Empfängers, die direkt von Gott verursacht sind ohne Vermittlung von 'sinnlich' wahrnehmbaren Zeichen. Wir werden auf diese Wunder zurückkommen, aber zuerst soll nur noch eine Bemerkung gemacht werden in bezug auf diejenigen Wunder, die durch äußere Zeichen vermittelt sind oder selbst solche Zeichen sind. Seebergs Offenbarungs- und Wundertheorie rechnet auch in denjenigen Fällen, in denen die göttliche Kommunikation durch 'sinnlich' wahrnehmbare Zeichen vermittelt ist, mit einer direkten Einwirkung Gottes auf die menschliche Seele neben den rein 'natürlichen', 'psychologischen' Wirkungen des Zeichens auf den Empfänger, und über diese 'sinnlich' vermittelten Einwirkungen hinaus. Darin liegt ein wichtiger Unterschied zwischen der göttlichen 'Offenbarung' Seeberg und anderen Theologen zufolge einerseits, und einer innermenschlichen 'natürlichen' Kommunikationssituation andererseits. Seebergs Gedanken darüber treten z.B. im folgenden hervor: M

Seeberg, Der evangelische Glaube, 433 f. Vgl. Hunzinger, Das Wunder, 65; Weber,

54» 65 f· 439

Nun erlebt aber der Christ an der Verkündigung des Evangeliums die unmittelbare wirksame Gegenwart Gottes . . . Die Art dieses erlebten Gotteswirkens ist aber nicht die einer rationalen Unterweisung oder einer natürlichen Überredung, sondern es ist die unterwerfende Macht eines allmächtigen Willens'1. In dieser göttlichen Einwirkung auf die Seele treten besonders die Einwirkungen auf Gefühl und Wille hervor, die von anderen Theologen als Seeberg sogar noch mehr betont werden 32 . A u ß e r den göttlichen Einwirkungen auf die menschliche Seele, die teilweise wenigstens durch 'äußere' Zeichen vermittelt werden, rechnet aber Seeberg auch mit göttlichen Einwirkungen auf das menschliche Seelenleben ohne jede Vermittlung durch 'äußere' Zeichen, und zwar auch in solchen Fällen, in denen Seeberg zufolge ein Wunder vorliegen kann. Wunder dieser A r t sind Seeberg zufolge „die geistigen Wunder der das W o r t Gottes erzeugenden Offenbarung (Inspiration)"". 'Inspiration' wird an einer anderen Stelle von Seeberg folgendermaßen charakterisiert: Diese Einwirkung der göttlichen Offenbarung auf die Seele, die so beschaffen ist, daß sie die Seele zur Bildung ihr entsprechender Begriffe oder Worte nötigt, können wir . . . als Inspiration bezeichnen". A n einer anderen Stelle heißt es zusammenfassend: Inspiration ist somit die Erzeugung des intellektuellen Verständnisses der Offenbarung und ihres Inhaltes35. Nach dem Zitierten scheint eine 'Inspiration' möglich zu sein, ohne daß die dazu gehörende göttliche Offenbarung sich durch irgend ein äußeres Zeichen vermittelt. Will man einwenden, daß 'Gottes Wort' doch in der Bestimmung des Inspirationsbegriffe genannt wird, so ist darauf zu erwidern, daß das 'Wort' dem Gesagten zufolge erst nach der Inspiration folgt und daß der Vorgang der Inspiration selbst gar nicht kausal ab31 Seeberg, Wunder, 562. Der Gedanke an eine direkte Einwirkung Gottes auf den Empfänger neben der natürlichen Wirkung des Wortes, die die göttliche Offenbarung von einer innermenschlichen Kommunikationssituation unterscheidet, tritt noch klarer hervor bei Thielicke, Das Wunder, 114: „Der Vorgang der Offenbarung besagt dies, daß Gott unsere Ohren öffnen muß, daß eine die Offenbarung [seil, als Inhalt] offenbar machende, durch sie auf uns zukommende Tat geschehen muß, wenn wir den „Inhalt" vernehmen sollen." Diese Offenbarung ist nach Thielicke ein Wunder: „Wunder ist im strengen Sinne „Offenbarung", und zwar sowohl im Hinblick auf das Was ihres Inhaltes wie auf das Daß ihres Offenbar-werdens." a.a.O., 117. Vgl. Seeberg, Christliche Dogmatik, 242, über zwei entsprechende Bedeutungen von „Offenbarung". 32 Siehe z.B. Herrmann, Der Christ und das Wunder, 35, 42, 56 ff.; Dogmatik, 30; Ethik, 57, 110; Hunzinger, Das Wunder, 48 ff.; Gott! Welti Mensch!, 5 f., 60. 33 Seeberg, Wunder, 567. 34 Seeberg, Wort Gottes, 500. Vgl. Christliche Dogmatik, 251; Offenbarung und Inspiration, 44 f f . 35

Seeberg, Christliche Dogmatik, 250. Vgl. Offenbarung und Inspiration, 44 f f .

440

hängig ist von dem 'Wort'. Das 'Wort' kann wiederum als Instrument dienen für eine spätere Kommunikationssituation, wo der Empfänger der Inspiration als Absender dient oder für eine umfassendere Kommunikationssituationä die eine 'Inspiration' als einen zeitlichen Anfangsteil enthält. Eine 'Inspiration' an und für sich selbst kann aber sehr wohl eine unvollständige Kommunikationssituation sein d.h. ohne äußeres Zeichen, oder ein Teil einer solchen3". Damit stehen wir vor der Frage nach den formalen Wunderkategorien, zu denen das Wunder der 'Inspiration' den angeführten Zitaten zufolge gehören könnte. Zwei mögliche Kategorien treten hier hervor: göttliche Handlungen und Eindrücke des Empfängers, auch die letzteren mit der Bestimmung, von Gott gewirkt zu sein, die ersteren außerdem mit der Bestimmung, einen Eindruck besonderer Art bei einem Empfänger hervorzubringen. Man könnte sich auch als Wunder einen Komplex von einer göttlichen Handlung zusammen mit einem solchen Eindruck des Empfängers denken, der von derselben göttlichen Handlung hervorgebracht wäre. Eine unvollständige Kommunikationssituation der oben erwähnten Art wäre ein solcher Komplex. Seeberg selbst scheint jedoch göttliche Handlungen als selbständige, singuläre Entitäten nicht so genau von empirisch wahrnehmbaren psychischen Eindrücken und Erlebnissen zu unterscheiden: derselbe Prozeß, der sich von oben her als ein Eingreifen des absoluten Geistes in den menschlichen Geist darstellt, kann von unten her als eine innere Erregung und Bewegung des Menschengeistes verstanden werden. Dieses läßt sich als ein natürlicher seelischer Prozeß schildern, während jenes wunderbar ist als eine Wirkung überempirischer Wirklichkeit. Daß dies geschieht, ist wunderbar, wie der Mensch es sich aneignet, unterliegt dagegen der empirischen Beobachtung'7. Ein Prozeß der Art, von der in dem Zitierten die Rede ist, gehört sicherlich der Kategorie an, die wir oben als die der „Zeicheneindrücke des Empfängers" bezeichnet haben, und die psychische Erlebnisse des Empfängers umfaßt. Was Seeberg hier anscheinend sagen will, ist wohl dies, daß ein solcher Prozeß die Bestimmung haben muß, von Gott gewirkt zu sein, wenn er als Wunder gerechnet werden soll, und zweitens, daß 'natürliche' psychologische, empirisch wahrnehmbare Züge dieses Prozesses nicht relevant sind für dessen Wundercharakter. Aus anderen schon angeführten Stellen geht allerdings hervor, daß ein solches Erlebnis des Empfängers eine Intention auf 'Gott' und sein 'Wirken' enthalten muß, wenn es als Wunder gerechnet werden soll38. Aber sonstige rein Für die Unterscheidung vollständiger und unvollständiger Kommunikationsbeziehungen siehe oben S. 426. "* Seeberg, Christliche Dogmatik, 252. 38 Siehe oben besonders S. 433, 435 f., 440 und Anm. 25. M

441

psychologische Züge des Erlebnisses sind offensichtlich für dessen Wundercharakter irrelevant. Doch mahnt der Umstand, daß Seeberg den Ausdruck „Eingreifen des absoluten Geistes" als Bezeichnung eines empirisch wahrnehmbaren Prozesses verwendet, zu einer allgemeinen Vorsicht in der Interpretation von Seebergs Äußerungen, und zwar in denjenigen Fällen, in denen eine göttliche Handlung als überempirische Entität angedeutet zu sein scheint. In diesen Fällen könnte man sich also ebensowohl eine Andeutung des Bestimmungselements 'von Gott gewirkt' denken, und zwar in seiner Anwendung auf empirisch wahrnehmbare, physische oder psychische Ereignisse. Der Umstand, daß Seeberg an einer Stelle den Unterschied zwischen göttlichen Handlungen und empirischen Ereignissen (einschl. Prozessen) verwischt, macht aber nicht die Unterscheidung dieser Kategorien voneinander überflüssig, wenn man überhaupt mit einem 'Eingreifen Gottes' - wie Seeberg es ja offensichtlich tut - rechnet. Der letzte Satz des zuletzt angeführten Zitats beginnt mit dem Wort „daß" und aktualisiert deshalb Sachverhalte als mögliche Wunder. Man könnte aber diesen Satz auch so deuten, daß er eben dies sagen will, daß die näheren psychischen Umstände bei dem Empfänger des Zeicheneindrucks, sozusagen die psychische 'Dynamik' des Zeicheneindrucks, für dessen Wundercharakter nicht relevant ist, ebensowenig wie die nähere Beschaffenheit der äußeren Umstände der Umgebung. Die Wunder der 'Inspiration', mit denen wir uns ausführlich beschäftigt haben, bilden Seeberg zufolge nur eine Teilklasse der Klasse aller Wunder. Das geht deutlich aus einer Einteilung aller Wunder hervor, die Seeberg selbst ausführt, und zwar mit dem Anspruch, eine endgültige (und damit wohl auch eine vollständige) Klassifizierung aller Wunder (innerhalb des Rahmens derjenigen Wunderbegriffe Seebergs, die mit Offenbarung und Kommunikation zu tun haben) zu bieten. Nach Seebergs Einteilung ergeben sich . . . vier Gruppen von Wundern, nämlich 1. die geistigen Wunder der das W o r t Gottes erzeugenden Offenbarung (Inspiration), 2. die in G e schichte und Natur wahrnehmbaren Wunder zur Hervorbringung von W o r t Gottes, sowie 3. die Wunder der geistigen Wirkung des Wortes Gottes und 4. die durch die Führungen und Fügungen des Lebens gewirkten Wunder der Glaubenserkenntnis".

Über die Wunder der 'Inspiration' ist schon vorher gesprochen worden. Wir wenden uns deshalb den drei anderen Gruppen Seebergs zu und fra"* Seeberg, Wunder, 567. Für die Kategorie nr. 2 bei Seeberg, vgl. die *heilsgeschichtlichen' Wunder bei Hunzinger, Das Wunder, 1 5 1 . Für die Kategorie nr. 3, vgl. die 'Wortwunder' bei Hunzinger, a.a.O., 55. Für die Kategorie nr. 4, vgl. die 'Vorsehungswunder' und 'Gebetswunder' bei Hunzinger, a.a.O., 55 f f .

442

gen, wie diese Einteilung Seebergs sich zu der oben ausgeführten formalen Einteilung der Analyse verhält, und zwar so, daß wir für jede von Seebergs Wundergruppen die Frage stellen, zu welchen formalen Wunderkategorien der hier ausgeführten Analyse die Wunder der betreffenden Gruppe Seebergs gehören können. Die Wunder der zweiten Gruppe Seebergs, „die in Geschichte und Natur wahrnehmbaren Wunder zur Hervorbringung von Wort Gottes", gehören offensichtlich zu den 'sinnlich' wahrnehmbaren Zeichen. Zu dieser Gruppe gehören auch ganze Tieilsgeschichtliche' Geschichtszusammenhänge als Wunder, von denen Seeberg in einer anderen Arbeit redet und von denen oben schon die Rede gewesen ist*0. Die dritte Gruppe Seebergs, die „die Wunder der geistigen Wirkung des Wortes Gottes" umfassen, ist nicht so eindeutig in bezug auf die formale Wunderkategorie. Am nächsten liegt hier die Deutung dieser Wunder als Eindrücken des Empfängers, die von Gott gewirkt und von äußeren wahrnehmbaren Zeichen, nämlich von Worten der Predigt oder der 'Heiligen Schrift' ausgelöst sind. Doch könnte man sich denken, daß Seeberg nicht nur solche Eindrücke des Empfängers zu dieser Wundergruppe rechnen würde, sondern auch Handlungen Gottes, die einerseits Zeichen [das 'Wort Gottes') hervorbringen und andererseits einen Eindruck der eben genannten Art bei dem Empfänger, und zwar durch das 'Wort Gottes', verursachen. Seeberg redet im Zusammenhang mit der durch das 'Wort Gottes' vermittelten göttlichen Kommunikation nicht nur von der „geistigen Wirkung des Wortes", sondern auch direkter von der „geistigen Wirkung Gottes". Seeberg zufolge geschehen „an der Verkündigung des Evangeliums" Wunder der folgenden Art: In dieser sich fortsetzenden . . . geistigen Wirkung Gottes erlebt der Christ das Wunderbare41. Das Wort „erlebt" spricht allerdings gegen die Annahme, daß das Wunder hier in einer überempirischen Entität wie einer göttlichen Handlung bestehen würde". Man könnte sich innerhalb der hier aktuellen Gruppe Seebergs auch Komplexe als Wunder denken, die von einer göttlichen Handlung zusammen mit einem von ihr hervorgebrachten Zeicheneindruck [der auch durch 'Gottes Wort' ausgelöst ist) bestehen. Eventuell kämen ganze Kommunikationssituationen, die 'Worte Gottes' enthalten, als Wunder in Frage. Ebensowenig wie die eben erörterte Wundergruppe ist die vierte und 40

Seeberg, Der evangelische Glaube, 433 f . Seeberg, Wunder, 562. " Vgl. doch die oben erörterte Schwierigkeit, bei Seeberg göttliche Handlungen von empirischen wahrnehmbaren psychischen Wirkungen zu unterscheiden. Siehe oben S. 441 f . 41

443

letzte Wundergruppe Seebergs eindeutig in bezug auf die formale Kategorie des Wunders relativ zur Kommunikationsbeziehung. „Die durch die Führungen und Fügungen des Lebens gewirkten Wunder der Glaubenserkenntnis" umfassen sicherlich in erster Linie Zeicheneindrücke des Empfängers als psychische Ereignisse, die von 'sinnlich' wahrnehmbaren Zeichen [in den „Fügungen des Lebens") ausgelöst sind und die als 'Glaube' eine Intention auf etwas 'Göttliches' enthalten". So wie diese Gruppe in der oben zitierten Einteilung der Wunder gekennzeichnet ist, dürfte es schwerer sein, innerhalb dieser Gruppe mit äußeren Zeichen als Wundern zu rechnen. Hierfür spricht aber eine Reihe von Formulierungen Seebergs, die wir im folgenden anführen werden, und die deutlich mit äußeren Zeichen als Wundern rechnen, die nicht restlos innerhalb der übrigen Wundergruppen Seebergs untergebracht werden können. Kann man innerhalb dieser Gruppe mit sowohl Zeicheneindrücken und Zeichen als Wundern rechnen, so könnte man hier auch mit Komplexen als Wundern rechnen, die von einem Zeichen zusammen mit einem von demselben Zeichen ausgelösten Zeicheneindruck bestehen würden. Im folgenden wenden wir uns ausschließlich den 'äußeren' Zeichen als Instrumenten der Kommunikation zu, und sehen, was Seeberg über Wunder dieser Kategorie schreibt. Nach unserer Deutung von Seebergs eigener Einteilung der Wunder gehören 'äußere' Zeichen als Wunder entweder zu seiner zweiten Gruppe der „ in Geschichte und Natur wahrnehmbaren Wunder zur Hervorbringung von Wort Gottes" oder zu der zuletzt behandelten vierten Wundergruppe. Allerdings sind die Wunder der zweiten Gruppe beschränkt auf bestimmte Zeiten vor der Entstehung des 'Wortes Gottes', während die im folgenden angeführten Zitate Seebergs keine solche Beschränkung andeuten. Ich stelle deshalb die Arbeitshypothese auf, daß die folgenden Textbeispiele sich wenigstens auch auf Wunder der vierten Gruppe der „durch die Führungen und Fügungen des Lebens gewirkten Wunder der Glaubenserkenntnis" beziehen. 'Sinnlich' wahrnehmbare Wunder werden von Seeberg in den folgenden Worten angedeutet: W a s sich dem Glauben als Gottestat darstellt, das ist ein Wunder. Nicht also die äußere Irregularität einer Erscheinung macht sie zum Wunder, sondern daß Gott durch dies sinnliche Mittel sich der Seele zu erleben gibt".

Die für den Wunderbegriff konstitutiven Bestimmungselemente, die auf " „Wunder der Glaubenserkenntnis" psychischer Art sind anscheinend von Seeberg intendiert, wenn er als einen „wunderbaren Vorgang" dies hinstellt, „daß der irdische Mensch über dem Gebet das Bewußtsein empfängt, von Gott gehört zu werden". a.a.O., 562. " Seeberg, Christliche Dogmatik, 357. Vgl. a.a.O., 361, über „paradoxe und erregende Erscheinungen". Vgl. ferner Herrmann, Der Christ und das Wunder, 71.

444

'äußere' Zeichen dieser Art zutreffen, sind nach dem Zitierten die Bestimmung, von Gott gewirkt zu sein, und die, einen Eindruck bei dem Empfänger zu verursachen, und zwar soll dieser Eindruck eine Intention in Richtung auf Gott und eine Botschaft Gottes enthalten, von dem Inhalt, daß das betreffende Wunder eine Gottestat ist. Bestimmungselemente, die sich auf den Eindruck des Wunders auf den Empfänger beziehen, aber auf 'äußere' Zeichen als Bestimmungen zutreffen, werden auch an einer anderen Stelle angedeutet: Die erfolgreiche Hilfe des Arztes, das Eintreten günstiger Verhältnisse und glücklicher „Schickungen", „Fügungen", „Zufälle", das Ausbleiben böser Ereignisse, aber auch die Empfindung des Werdens der Natur oder der zielstrebigen Bewegung der Geschichte kommt uns so zu Bewußtsein, daß wir zugleich Gottesempfindung haben. Sofern das Innewerden der Gegenwart Gottes am Natürlichen das wesentliche Merkmal des Wunders ist, scheinen also auch derartige Ereignisse als Wunder in Anspruch genommen werden zu können46.

Daß der Eindruck des 'äußeren' Zeichens auf den Empfänger konstitutiv, ja notwendig für den Wundercharakter des Zeichens ist, wird an einer anderen Stelle prägnant formuliert, wo Seeberg über die „Wunder" spricht, die „sich auf dem Gebiet der Natur vollziehen": Denkt man sich nämlich, daß niemand sie sähe oder auf sie achtete, so wären sie eben kein Wunder". 45 Seeberg, Wunder, 562 f. Vgl. Herrmann, Dogmatik, 50 ff.; Hunzinger, Das Wunder, 55 ff.; Gott! Welti Mensch!, 37 f. (über Vorsehungswunder]. ** Seeberg, Christliche Dogmatik, 361.

445

Schlußanmerkung

über das Problem der

anthropomorphen

Gottesaussagen Im siebenten und vierzehnten Kapitel der obigen Darstellung sowohl wie in diesem letzten Kapitel ist davon die Rede, daß in manchen Gedankengängen im Material auf Motive, Willen, Absichten und absichtliches Handeln von Seiten Gottes Bezug genommen wird". Sowohl die Bestimmungselemente in Wunderbegriffen des Materials, die im siebenten Kapitel behandelt werden, wie manche Fälle der Bedingung des Absenders, die im vierzehnten Kapitel behandelt werden, beziehen sich auf Gottes Motive und Absichten, auf Gottes Willen und sein absichtliches Handeln. Darauf beziehen sich auch Bestimmungen des Wunderbegriffs im Material, die sich auf die Kommunikationsbeziehung und auf die göttliche Offenbarung beziehen, und die in diesem letzten Kapitel behandelt worden sind. Obwohl in Seebergs Wundertheorie, die im vorigen Abschnitt В dieses Kapitels behandelt worden ist, die Motive und Absichten Gottes nicht ganz so explizite hervortreten wie in den Bestimmungen von Wunderbegriffen, die im siebenten und vierzehnten Kapitel behandelt worden sind, so werden sie auch dort implizite vorausgesetzt, und außerdem spricht Seeberg davon, daß Gott „in Gemeinschaft tritt" mit den „menschlichen Geistern"". Diese Ausdrucksweise weist in dieselbe personalistische Richtung in bezug auf die Gottesauffassung wie die Rede von Gottes Motiven und Absichten. Nun werden nach klassischer Tradition Aussagen, die Gott persönliche Eigenschaften, Absichten, Willen, absichtliches Handeln oder persönliche Gemeinschaft zuschreiben, als 'antihropomorphe' Gottesaussagen gerechnet. Diese 'anthropomorphen' Gottesaussagen geben Anlaß zu einem großen Problem, das in der klassischen Tradition viel behandelt worden ist, nämlich zu der Frage, ob diese Aussagen 'buchstäblich' gedeutet werden sollen, ob sie nach den Intentionen der Verfasser den Anspruch erheben, sich in adäquater Weise über eine Wirklichkeit zu äußern, oder ob sie nur bildliche Ausdrucksweisen sind, die etwas anderes intendieren, das damit nur in inadäquater Weise bezeichnet ist und das vielleicht in adäquater Weise überhaupt nicht bezeichnet werden kann. Wenn sie nur bildliche Ausdrucksweisen sind, die nur in inadäquater Weise etwas anderes als das buchstäblich Konnotierte bezeichnen, dann müßte es grundsätzlich möglich sein, diese Ausdrucksweisen zu übersetzen in eine adäquatere Bezeichnung des eigentlich Intendierten. Wenn es nur dem jetzigen Erkenntnisstande unmöglich ist, dieses eigentliche Intendierte adäquat zu " Im 14. Kapitel gilt das Gesagte von der Darstellung und den Beispielen der Bedingung des Absenders. Siehe dazu oben S. 393, 405. 48 Siehe oben S. 433.

446

bezeichnen, so muB eine solche adäquate Bezeichnung jedenfalls grundsätzlich möglich zu finden sein, in die die inadäquate bildliche Ausdrucksweise übersetzt werden kann. Ist die adäquate Bezeichnung aber grundsätzlich unmöglich, so kann man nur zwischen verschiedenen bildlichen Ausdrucksweisen Übertragungen machen. Dieses Problem, das von Materialbeispielen uiid Gedankengängen des Materials sachlich nahegelegt wird, wird nicht in denjenigen Kapiteln angedeutet und erwähnt, in denen diese Materialbeispiele und Gedankengänge analysiert werden, und zwar deshalb, weil die dort analysierten Kontexte aus dem Material selbst kein Bewußtsein von diesem Problem der anthropomorphen Gottesaussagen ausdrücken, und noch weniger einen Weg zur Übersetzung der eigenen anthropomorphen Aussagen in den Verfassern zufolge adäquatere Beschreibungen des eigentlich Intendierten zeigen. Die Gottesaussagen in denjenigen Kontexten des Materials, die eine Übersetzung andeuten oder wenigstens klare Aussagen über dieses Problem machen, sind in anderen Zusammenhängen behandelt worden als denjenigen, die von Motiven oder absichtlichen Handlungen Gottes handeln. Das Hauptbeispiel ist hier Bultmann, dessen Gottesaussagen hauptsächlich im zwölften Kapitel oben behandelt werden, das gar nicht von Motiven oder Willen Gottes handelt, sondern von dem abstrakten Begriff des Nicht-Objektivierbaren. Nun könnte man einwenden, daß gerade eine logische Analyse der anthropomorphen Gottesaussagen, d.h. eigentlich derjenigen Wunderbegriffe, die solche Aussagen enthalten, dieses Problem im Zusammenhang dieser Analyse aufwerfen müßte. Darauf ist zu erwidern, daß die Analyse nicht über diejenigen Intentionen hinausgehen kann, die sich in den analysierten Texten selbst belegen lassen. Dieser denkbare Einwand aktualisiert aber ferner die Frage, ob nicht eine logische Analyse von anthropomorphen Gottesaussagen und von darauf aufgebauten Begriffsbestimmungen, die keine Übersetzung dieser Aussagen in adäquatere Aussagen darbietet, die Voraussetzung enthält, daß die Intention des Verfassers dieser Aussagen die ist, daß sie 'buchstäblich', als adäquate Beschreibungen einer Wirklichkeit gemeint sind. Wenn die analysierte Aussage nicht direkt und adäquat das eigentlich Intendierte bezeichnet, sondern eigentlich einen anderen Inhalt als das buchstäblich Konnotierte meint, ist dann nicht eine logische Analyse dieser Aussage unmöglich, ohne eine adäquate Übersetzung der betreffenden Aussage darzubieten? Diese Frage muß mit einem klaren Nein beantwortet werden. Man kann nämlich eine interne logische Analyse eines Gedankenmodells ausführen ohne Bezugnahme darauf, welche angebliche Wirklichkeit außerhalb des Modells nun der betreffende Verfasser durch dieses Modell beschreiben will. Das von anthropomorphen Gottesaussagen 'buchstäblich' Konnotierte bildet auf jeden Fall ein Gedankenmodell, das aus Satzinhalten und 447

Begriffen besteht und deshalb sowohl einen bestimmten Inhalt wie eine bestimmte logische Struktur hat. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn dieser Inhalt des Gedankenmodells nur als ein Bild für etwas anderes dient, das 'eigentlich' von dem Verfasser intendiert wird. Die Untersuchung der logischen Struktur benötigt keine Bezugnahme auf etwas, was außerhalb des Inhalts des analysierten Gedankenmodells liegt. Nichts hindert außerdem, daß der Inhalt eines Gedankenmodells nach der Ansicht des betreffenden Verfassers direkt auf die Wirklichkeit zutrifft und deshalb nicht übersetzt zu werden braucht. Ob dies der Fall ist, oder ob ein Inhalt außerhalb des Gedankenmodells 'eigentlich' intendiert wird, ist natürlich eine Frage, die für jeden Verfasser und jeden Kontext getrennt gestellt und beantwortet werden muß.

448

Literaturverzeichnis

Α. Objektmaterial für die Untersuchung Beth, Karl, Das Wunder. Prinzipielle Erörterung des Problems. Berlin 1908. [Biblische Zeit- und Streitfragen 4: 5.) - Die Wunder Jesu. 2. durchges. u. erw. Aufl. Berlin 1905. (Biblische Zeit- und Streitfragen 2: i . ] - Wunder und Naturwissenschaft (Konservative Monatschrift für Politik, Literatur und Kunst 63, 1906, S. 1004-1020, 1 1 1 5 - 1 1 2 4 , 1250-1262]. Bülck, Walter, Evangelium und Mirakelglaube (CW 53, 1939, S. 179-188). Bultmann, Rudolf, Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze. 1-3. Tübingen. 1. 5. unveränd. Aufl. 1964. - 2. 4. unveränd. Aufl. 1965. - 3. 3. unveränd. Aufl. 1965. /Zitiert als: GV I, II, III./ - Jesus. Berlin 1926. - Theologie des Neuen Testaments. 3. durchges. u. erg. Aufl. Tübingen 1958. Cremer, Hermann, Weissagung und Wunder im Zusammenhange der Heilsgeschichte. Gütersloh 1900. (BF Ch Th 4: 3.) Delling, Gerhard, Das Verständnis des Wunders im Neuen Testament (Zeitschrift für systematische Theologie 24, 1955, S. 265-280). Dennert, Eberhard, Bibel und Naturwissenschaft. Gedanken und Bekenntnisse eines Naturforschers. 3. Aufl. Stuttgart 1904. - Zur „modern-positiven Wunderbeurteiligung" (CW 18, 1904, S. 1118-1120). Dunkmann, Karl, Das Wunder (AELKZ 47, 1914, S. 722-726, 746-750). - Offenbarung und Wunder (AELKZ 41, 1908, S. 514-518, 541-544). - Religionsphilosophie. Kritik der religiösen Erfahrung als Grundlegung christlicher Theologie. Gütersloh 1917. (Systematische Theologie 1.) Eck, Samuel, Das Frömmigkeitsideal der modernen Theologie in gegnerischer Beleuchtung (CW 22, 1908, S. 26-30). Ernst, Wilhelm, Zur Verständigimg über die Wunderfrage (Religion und Geisteskultur 6, 1912, S. 97-110). Faure, Alexander, Religion, Offenbarung, Wunder (CW 19, 1905, S. 1034-1039). Fitzer, Gottfried, Sakrament und Wunder im Neuen Testament. Eine Betrachtung zu Ernst Lohmeyers Deutung des Brotwunders (In memoriam Ernst Lohmeyer, hrsg. v. W. Schmauch, S. 169-188. Stuttgart 1951). Harnack, Adolf von, Das Wesen des Christentums. Sechzehn Vorlesungen vor Studierenden . . . Leipzig 1900. Haupt, Erich, Moderne Wunderforderungen und das biblische Wunder (Deutschevangelische Blätter 27 /N.F. 2/, 1902, S. 81-96). Heim, Karl, Der gegenwärtige Stand der Debatte zwischen Theologie und Naturwissenschaft (Glaube und Leben. Gesammelte Aufsätze und Verträge, S. 33-62. Berlin 1926). - Die Wandlung im naturwissenschaftlichen Weltbild. 2. Aufl. Hamburg 1951. (Der evangelische Glaube und das Denken der Gegenwart 5.) 29 - 566-3501

449

- Leitfaden der Dogmatik zum Gebrauch bei akademischen Vorlesungen 3. veränd. Aufl. 2. Halle 1925. - Zur Frage der Wunderheilungen [Die neue Welt Gottes, S. 1 3 - 3 1 . 4. unver. Aufl. Berlin 1929. - Stimmen aus der deutschen christlichen Studentenbewegung 65). Herrmann, Wilhelm, Der Christ und das Wunder. Vortrag gehalten auf der theologischen Konferenz zu Gießen am 18. Juni 1908 [Offenbarung und Wunder, S. 28-7. Gießen 1908]. - Der Verkehr des Christen mit Gott. Im Anschluß an Luther dargestellt. 5. u. 6. verb. Aufl. Stuttgart & Berlin 1908. - Dogmatik. Mit einer Gedächtnisrede auf Wilhelm Herrmann v. Martin Rade. Gotha 1925. (Bücherei der chistlichen Welt /8/.) - Ethik. Grundriß der theologischen Wissenschaften. 5 : 2 . Tübingen & Leipzig 1901. - Gesammelte Aufsätze. Hrsg. v. F. W. Schmidt. Tübingen 1923. - Noch einmal: Soll es eine besondere theologische Geschichtsforschung geben? ( C W 32, 1918, S. 454-455)· - Soll es eine besondere theologische Geschichtsforschung geben? ( C W 32, 1918, S. 290-297]. Hunzinger, August Wilhelm, Das Christentum im Weltanschauungskampf der Gegenwart. 3. verb. Aufl. Leipzig 1919. (Wissenschaft und Bildung 54.) - Das Christentum und die moderne Wunderscheu (AELKZ 36, 1903, S. 50-52, 74-75, 98-101, 122-124]. - Das Wunder. Eine dogmatisch-apologetisch Studie. Leipzig 1912. - Gott! Welt1. Mensch! Eine Weltanschauungsskizze. Leipzig 1909. - Grundzüge der Apologetik (Probleme und Aufgaben der gegenwärtigen systematischen Theologie, S. 145-199. Leipzig 1909]. - Naturgesetz und Wunderglaube (Brennende Fragen im Lichte der Ewigkeit. Zwölf Vorträge, S. 1 - 1 4 . Schwerin 1905]. Jelke, Robert, Die Wunder Jesu. Leipzig 1922. - Religionsphilosophie. Leipzig 1927. Jordan, Hermann, Was verstand das älteste Christentum unter Wunder? (NKZ 23, 1912, S. 589-621]. Kahler, Martin, Dogmatische Zeitfragen. 2. . . . verm. Aufl. 2. Leipzig 1908. Kaiweit, Paul, Wunder. IV. Dogmatisch (Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch . . ./1. Aufl./ 5, S. 2154-2160]. Keßler, Lina, Religiöse Wirklichkeit. Von der Gewißheit der Auferstehung und des ewigen Lebens. Göttingen 1903. - Über Offenbarung und Wunder. Göttingen 1899. - Vergleichende Religionswissenschaft und Inspiration der heiigen Schrift. Göttingen 1905· - Zur „modernen Wunderbeurteilung" ( C W 19, 1905, S. 914-922]. Künneth, Walter, Das Wunder als apologetisch-theologisches Problem. Gütersloh 1931. Lauerer, Die kritische Bedeutung des Wunderglaubens (NKZ 24, 1913, S. 3 9 1 - 4 1 1 ] . Mandel, Hermann, Der Wunderglaube, Erweiterter Vortrag gehalten auf der Mecklenburgischen Pastoralkonferenz am 3. Juni in Rostock. Leipzig 1913. Mensching, Gustav, Das Wunder im Glauben und Aberglauben der Völker. Leiden 1957. Mezger, Paul, Rätsel des christlichen Vorsehungsglaubens. Eine dogmatisch-apologetische Studie. Basel 1904. Münchmeyer, Der christliche Glaube und das Wunder (Hannoversche Pastoral-Korrespondenz . . . 37, 1909, S. 273-278, 289-297, 3 0 5 - 3 1 1 ] . Naumann, Gottfried, Die Wertschätzung des Wunders im Neuen Testament. Biblischtheologische Untersuchung. Leipzig 1903.

45°

Paulus, Rudolf, Zum religiösen Begriff des Wunders und der Natur. Eine Auseinandersetzung mit W. Hunzinger, Das Wunder . . . (Z Th К 24, 1914, S. 200-240). Rade, Martin, Das religiöse Wunder. Tübingen 1909. [SGV 56.) - Stanges Lehre vom Wunder (Z Th К 18, 1908, S. 77-80, 151-154). Rengstorf, Karl, Saemeion [Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hrsg. v. Kittel 7, S. 199-261). Reischle, Max, Christliche Glaubenslehre in Leitsätzen für eine akademische Vorlesung entwickelt. 2. Aufl. Halle 1902. Ritsehl, Otto, Theologische Wissenschaft und religiöse Spekulation [Z Th К 12, 1902, S. 202-249, 255-316). Rupprecht, Johannes, Das Wunder in der Bibel. Eine Einführung in die Welt der göttlichen Offenbarung und der biblischen Weltanschauung. Berlin 1936. Schlatter, Adolf, Das christliche Dogma. 2. Aufl. Stuttgart 1923. - Das Wunder in der Synagoge [B F Ch Th 16, 1912, S. 53-86). - Wunder (Biblisches Handwörterbuch . . . hrsg. v. P. Zeller, S. 831-832. 4 Aufl. Stuttgart 1924). Schmeling, Die Wunderfrage [Evangelische Kirchenzeitung 78, 1904, S. 1057-1067, 1084-1092, 1108-1x14). Schmidt, Karl, Begriff und Bedeutung des Wunders (Der Beweis des Glaubens 43, 1907, S. 172-202). Schomerus, Hans, Über das Wunder (Radius. Vierteljahresschrift der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland 2:4, 1956, S. 4-9). Schütz, Wilhelm, Das biblische Wunder (Das Evangelische Deutschland 15, 1938, S. 141-142, 150-151). Seeberg, Reinhold, Christliche Dogmatik. 1. Erlangen 8t Leipzig 1924. - Der evangelische Glaube und die Tatsachen der Heilsgeschichte (NKZ 19, 1908, S. 405-435)· - Offenbarung und Inspiration. Berlin 1908. (Biblische Zeit- und Streitfragen 4:7/8.) - Wort Gottes (RE 21, S. 499-500). - Wunder (RE 21, S. 558-567). Stählin, Wilhelm, Symbolon. Vom gleichnishaften Denken . . . hrsg. v. A. Köberle, Stuttgart 1958. Stange, Carl, Das Frömmigkeitsideal der modernen Theologie. Leipzig 1907. - Naturgesetz und Wunderglaube. Christentum und moderne Weltanschauung. 2. Leipzig 1914. - Wunder und Heilsgeschichte. Berlin 1917. (Zeit- und Streitfragen des Glaubens, der Weltanschuung und Bibelforschung R. 1 1 : u / 1 2 . ) Steinmann, Theophil, Die geistige Offenbarung Gottes in der geschichtlichen Person Jesu. Göttingen 1903. Thielicke, Helmut, Das Wunder. Eine Untersuchung über den theologischen Begriff des Wunders (Theologie der Anfechtung, S. 94-134. Tübingen 1949). - Der Glaube der Christenheit. 1. Göttingen 1947. Titius, Arthur, Natur und Gott. Ein Versuch zur Verständigung zwischen Naturwissenschaft und TEeologie. 2. durchgearb. und verm. Aufl. Göttingen 1931. - Religion und Naturwissenschaft. Eine Antwort an Professor Ladenburg. Tübingen & Leipzig 1904. Traub, Friedrich, Zur Wunderfrage (Studien zur systematischen Theologie. Theod. v. Haering zum 70. Geburtstag . . . , S. 162-180. Tübingen 19x8). Traub, Georg, Zur „modern-positiven Wunderbeurteilung" (CW 18, 1904, S. 11201122). 451

Weber, Hans Ε., Historisch-kritische Schriftforschung und Bibelglaube. Ein Versuch zur theologischen Wissenschaftslehre. 2. bed. erw. Aufl. Gütersloh 1914. Wecken, Wunder und Naturgesetz [Hannoversche Pastoral-Korrespondenz . . . 40, 1912, S. 33-37, 49-56, 65-71, 81-89). Weinel, Heinrich, Die Wunder Jesu. Nebst Andeutungen über ihre Behandlung in der Schule [Bremer Schulblatt 18, 1913, S. 73-78, 109-113, 157-161]. Wendland, Johannes, Der Wunderglaube im Christentum. Göttingen 1910. - Wunder, Naturgesetz und Wunderberichte [Der Geisteskampf der Gegenwart 47, 1911, S. 408-412). - Wunderglaube und Wunderbegriffe in der Theologie der Gegenwart (Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 53 /N.F. 18/, 1911, S. 193-217). Wobbermin, Georg, Zum Streit um die Religionspsychologie. Berlin-Schöneberg 1913. Ziller, Fritz, Die biblischen Wunder in ihrer Beziehung zu den biblischen Welt- und Gottesvorstellungen. Tübingen & Leipzig 1904. [SGV 38.)

ß. Literatur, die nur in der Analyse verwendet worden ist Ayer, Alfred, ]., Language, truth and logic. 2 ed. London 1946. Bejerholm, Lars & Hornig, Gottfried, Wort und Handlung. Untersuchungen zur analytischen Religionsphilosophie. Gütersloh 1966. Bergmann, Gustav: Logic and reality. Madison 1964. - Meaning and existence. Madison i960. Black, Max, Vagueness: An exercise in logical analysis (Language and philosophy. Studies in method, S. 23-58. Ithaca, N.Y. 1949). Broad, Charlie D., The mind and its place in nature. 7 impr. London 1962. - The „nature" of a continuant (Readings in philosophical analysis. Selected and öd. by H. Feigl & W. Sellers, S. 472-481. New York 1949). Carnap, Rudolf, Der logische Aufbau der Welt. 2. Aufl. Hamburg 1961. - Einführung in die symbolische Logik mit besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendungen. 2. neubearb. u. erw. Aufl. Wien i960. /Zitiert als: Symbolische Logik./ - Introduction to semantics. 3 print. Cambridge, Mass. 1948. - Meaning and necessity. A study in semantics and modal logic. Chicago 1947. Frege, Gottlob, Sinn und Bedeutung (Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien, hrsg. v. G. Patzig, S. 38-63. Göttingen 1962). Hallden, Sören, True love, true humour and true religion. A semantic study. Lund & Copenhagen i960. Hempel, Carl G., Fundamentals of concept formation in empirical science. Chicago 1952. (International encyclopedia of unified science 2: 7.) Hilbert, David & Ackermann, Wilhelm, Grundzüge der theoretischen Logik. 4. Aufl. Berlin . . . 1959. Hilbert, David & Bernays, Paul, Grundlagen der Mathematik. 1. Berlin 1934. Hospers, John, Meaning and truth in the arts. Chapel Hill 1946. Husserl, Edmund, Logische Untersuchungen. 4. Aufl. 2. Halle 1928. Leonard, Henry S., An introduction to principles of right reason. New York 1957. /Zitiert als: Principles of right reason./ Marquardt, P. Generosus, Das Wunderproblem in der deutschen protestantischen Theologie der Gegenwart. München 1933. Naess, Arne, Interpretation and preciseness. A contribution to the theory of communication. Oslo 1953. Pap, Arthur, Analytische Erkenntnistheorie. Kritische Übersicht über die neueste Entwicklung in USA und England. Wien 1955.

452

Quine, Willard v. O., From a logical point of view. Nine logico-philosophical essays. Cambridge, Mass. 1953. - Methods of logic. Rev. ed. New York 1959. - Truth by convention [Readings in philosophical analysis. Selected and ed. by H. Feigl & W. Seilars, S. 250-273. New York 1949]. Ramsey, Frank P., The foundations of mathematics and other logical essays. Ed. by R. B. Braithwaite. London & New York 1931. Reichenbach, Hans, Experience and prediction. An analysis of the foundations and the structure of knowledge. 3 impr. Chicago 1949. Russell, Bertrand, An inquiry into meaning and truth. 4 impr. London & Edinburgh 1951· - Introduction to mathematical philosophy. 7 impr. London & Edinburgh 1950. - Mysticism and logic and other essays. London 1918. - On denoting (Readings in philosophical analysis. Selected and ed. by H. Feigl & W. Seilars, S. 103-115. New York 1949). - The problems of philosophy. London 1912. Scholz, Heinrich, Mathesis universalis. Abhandlungen zur Philosophie als strenger Wissenschaft, hrsg. v. H. Hermes . . . Basel & Stuttgart 1961. Stebbing, Lizzie S., Α modern introduction to logic. 6 ed. London 1948. Stevenson, Charles L., Ethics and language. 6 print. New Haven 1953. - Facts and values. Studies in ethical analysis. New Haven & London 1963. Tarski, Alfred, The semantic conception of truth (Readings in philosophical analysis. Selected and ed. by H. Feigl & W. Sellars, S. 52-84. New York 1949). Whitehead, Alfred North & Russell, Bertrand, Prindpia mathematica. 2 ed. 1. Cambridge 1925. Wright, Georg Η. von, A treatise on induction and probability. London 1951. - Norm and action. A logical enquiry. London & New York 1963.

453

Abkürzungsverzeichnis

AELKZ = AT = BFChTh= CW = GVI = GV II = G V III = LNO = NKZ = NO = NT = PMS = PNO = RE = S SGV Ζ Th К

454

Allgemeine Evangelisch-lutherische Kirchenzeitung. Altes Testament. Beiträge zur Förderung christlicher Theologie. Christliche Welt. R. Bultmann, Glauben und Verstehen. Erster Band. R. Bultmann, Glauben und Verstehen. Zweiter Band. R. Bultmann, Glauben und Verstehen. Dritter Band. Nicht-Objektivierbarkeit aus logischen Gründen. Neue kirchliche Zeitschrift. Nicht-Objektivierbarkeit. Neues Testament. pragmatischer Meta-Satz. Nicht-Objektivierbarkeit aus psychologischen Gründen. Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. 3. verb. u. verm. Aufl. = Seite oder Spalte. = Sammlung gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte. = Zeitschrift für Theologie und Kirche.

Personenregister

Beth, Karl 56 f., 65, 69, 107, 159 f., 196, 209, 301, 303. 306 Bülck, Walter 290, 433 Bultmann, Rudolf 23, 152, 162-166, 172-174, 181, 217, 3X9-335, 337, 339, 343-346, З48-З57, 366, 379, 404, 446

Keßler, Lina 91-96 Künneth, Walter 109 f., 129, 161, 425

Cremer, Hermann 148, 150, 176, 196, 206, 357, 370 f., 375 f., 396, 398

Mandel, Hermann 156 f., 188 f., 238, 277-281, 286 f., 299-301, 308-310, 317 Mensching, Gustav 134 f., 174, 216, 244 f., 271-273, 280, 360, 372 f. Mezger, Paul 159 f., 166, 240 Münchmeyer, 150, 161, 166, 173, 212 f.

Delling, Gerhard 154, 166, 173, 175, 216, 373, 375, 409 Dennert, Eberhard 92-94 Dunkmann, Karl 32, 192, 206, 433 Eck, Samuel 32 Ernst, Wilhelm 37 f. Faure, Alexander 291 f. Fitzer, Gottfried 174, 372 Goethe, Johann Wolfgang 269 Harnack, Adolf von 92-94 Haut, Erich 166, 174-176, 186 Heim, Karl 154-157, 165-167, 173, 204206, 213, 346-348 Herrmann, Wilhelm 32, 103, 154, 166, 177, 225, 263, 319 f., 332, 354 f., 433, 440, 444 Hunzinger, August Wilhelm 106-109, 129, 148 f., 156 f., 161, 181, 190-192, 206, 218, 425, 432 f., 439 f., 442, 445 Jelke, Robert 38-41, 63-65, 99, 225, 233 f., 240, 258-262, 301-305, 307 f., 310, 317, 403, 412 Jordan, Hermann 159, 166, 173, 181, 208, 217, 358 f., 371 Kahler, Martin 373, 379 Kaiweit, Paul 161, 164

Lauerer, 193 f., 196, 216, 223, 357 f., 371, 387, 406, 409, 424 Luther, Martin 97, 201

Naumann, Gottfried 82, 359 f., 372, 383 f. Paulus, Rudolf 290 Rade, Martin 136, 225, 233, 236 f., 255, 257 f., 262 f., 273-277, 287 Reischle, Max 412, 414 Rengstorf, Karl 359, 366, 372 f., 379, 394 f· Ritsehl, Otto 294 Rupprecht, Johannes 149, 157 f., 161, 163 165, 173, 175, 183, 185, 192, 194, 196, 357, 359, 366, 402, 405, 410, 423 Schlatter, Adolf 32, 149, 157, 160, 165 f., 173 Schmeling, 33, 61, 81, 85-87, 167, 171 f., 231 f., 239 f., 256, 387, 403 Schmidt, Karl 53-56, 72-78, 81, 158, 166, 181 f., 188, 192-197, 358, 360, 372 f., 400, 406-408, 410 Schomerus, Hans 368-370 Schütz, Wilhelm 153, 161, 177 f., 202, 217, 379 Seeberg, Reinhold 98, 177 f., 259, 431445

455

Stählin, Wilhelm 81, 211 f., 360, 373, 398 Stange, Carl 60, 97-103, 149, 158, 166, 173, 230, 234, 263, 276 Steinmann, Theophil 117 Thielicke, Helmut 62 f., 83, 91, 155, 165, J 67, 173, I8I, 201-204, 256, 268-270, 287, 292, 300, 317 f., 358, 360, 362, 366, Titius, 290, Traub,

373-376, 398 f., 432 f-, 440 Arthur 87, 164, 216 f., 239, 265, 371, 4 4 Friedrich 34-37, 57, 90, 97, 129,

154, 167, 177/ 207 f., 235, 239, 255, 425 Traub, Georg 210 Weber, Hans E. 148, 157, 160 f., 178 f., 433/ 438-440 Wecken, 157 f., 161, 210-212, 234, 239 Weinel, Heinrich 32, 60 Wendland, Johannes 37 f., 84 f., 97-100, 152-154, 166 f., 173, 177, 179, 188, 219/ 230, 233 f., 239, 263, 269, 289, 291, 299, 315, 432 Wobbermin, Georg 265 Ziller, Fritz 135, 164 f.

456

Sachregister

Abbildung einer Klasse 129, 252 Absender 47, 362 f., 392 f., 405, 425 f. Adäquatheitsbedingung 28, 3 1 , 46, 50, 57 f-, 67, 70, 89, 92-94, 99 f., 102-104, 1 1 5 , 1 1 7 , 129 - analytische 116 - epistemologische 37, 39, 63, 106 - sprachgebrauchsbezogene 74 Äquivalenz, logische 3 1 , 122-124, 133, 4 9 , 313 Äquivalenzsatz, logischer 128 Allgemeinbegriff 97, 1 1 0 , 186, 199, 242, 364 Allimplikation(ssatz) 122, 170 Allimplikationssatz, extensionaler 121 - intensionaler 1 2 1 Alloperator 1 1 1 Alltagsspradie 138 Analyse, logische 13, 89, 139 f., 447 analytischer Satz 1 1 2 - 1 1 4 , 116, 352 anthropomorphe Gottesaussage 446 Auferstehung 203, 408 AusdrucksbeziehungC-relation) 38, 291, 296 f., 361, 363, 392 f., 417, 425 Ausdrucksfunktion 296, 379 außergewöhnlich 65, 154, 167 außerordentlich 87 Autorität 316 Bedingung des Absenders

394 f., 400 f.,

404, 413, 417 f-> 420 f., 431 Bedingung des Empfängers 394 f., 404, 413, 417 f·, 421 f-, 431 - modale Schwächung der 4 1 1 - 4 1 4 Bedingung, Glied einer hinreichenden 113 f. -hinreichende 1 1 2 f., 1 1 9 - 1 2 5 , 127 f., 132 f., 148, 1 5 1 , 159, 169, 242, 340,

395, 419

Bedingung der Intentionalität

340, 344, 346 f-

Bedingung, kausale

414 f .

336, 338,

Bedingung der Nicht-Identität

336, 338,

341, 344, 346 Bedingung, notwendige 102, 1 1 2 f., 1 1 9 - 1 2 5 , 127 f., 132, 134, 148, 152, 167, 169, 193, 236, 340, 384, 393, 412, 419 Begriff 88, 97, 1 1 3 , 120, 122, 124, 297, ЗЗ6, 3 8 5 f . - vager 139-141 Begriffsbildung 45, 49 - extensionale 50, 52 f., 61, 67 Begriffsbildungstypus 27, 142 - sprachgebrauchsbezogener 85, 87, 137 Begriffsinhalt 62, 164, 385 Begriffsumfang [siehe Umfang eines Begriffs] Beobachten [-ung] 223-227, 229 f . Beobachter 223, 244, 246, 254-256, 260, 263, 291, 296, 298, 306, 393 Beobachtersituation [Ganzheitssituation) 271, 282, 286 Beobachterstimulus 218-222, 227-229, 244, 246, 254, 256, 429 Bestimmung 416 f., 420 Bestimmungselement 120, 124-126, 128, 139, 146, 162, 188, 233, 241, 307 Bewußtsein, empirisches 99 f., 102 - religiöses 98 f., 101 f., 258 Bezeichnete [das, siehe Designatum] Bezeichnungsbeziehung (-relation] 38, 296 f., 361, 363 f., 378, 380 f., 383-

385, 387, 390, 392 f-, 399, 417, 446 - fiktive 384-386 - reale 384, 386 Bezeichnungsfunktion 379, 383 Bibel [Auffassung der] 2 1 , 142, 157, 164 f., 1 7 1 , 204, 231 Definiendum 25, 1 1 9 f., 123 Definiens 25, 47, 119, 123, 128 Definition 25, 93, 1 1 9 f., 123, 152, 268 - adäquate 26, 33, 41

457

-

extensionale 119 intensionale 46, 119, 123 ostensive 51 quasi-ostensive 51, 59 sprachgebrauchsbeschreibende 44, 82 f. - stipulative 25, 44, 80, 89 - stipulative intensionale 52, 62, 85, 9°, 106 - stipulative lexikalische 80 Denotation (denotieren) 111, 227, 229, 268, 294, 297, 386 Designatum 362, 368, 377 f., 380 f., 385-388, 390, 397 Disjunktion 71, 86, 102, 124 f., 127 f., 135, 4 6 , 151, 164, 167, 376, 393, 413 - systematische 15, 19 - universale 376, 380 Disposition(sbegriff) 256-260, 262264, 266, 277, 282-286, 415 - kognitive 314, 315 Durchbrechung der Naturgesetze 87, 154 Durchbrechung der Weltgesetzlichkeit 202 f., 205 dynamis 76, 82, 84 eigene Existenz 320, 326, 332 Eigenname 110 Eigenschaft eines Begriffs 29 f., 32 Eigenschaft, kausale 263 Eindruck des Empfängers (siehe Zeicheneindruck) Eindruck des Wunders 216, 423 Epmfänger 47, 362 f., 366, 392 f., 405, 425 f. Ereignis 182, 184 - empirisches 183, 188, 191, 195, 442 - physisches 99 - psychisches 99, 220, 429, 444 Erfahrung (Erleben), religiöse 30, 32, 37, 84, 97, 99, 102, 108, 153 Erlebnis 220, 242, 244, 293 f. Erlebnisqualität 232 f., 285, 424 Erscheinung 50, 307 Erwartungsrahmen 316 Exemplarwahl 55 f. existentielles Sein 321 Existenzoperator 66, 112 explizite mehrdeutiger Begriff 134 f. explizite mehrdeutiges Wort 136 Extension 148

458

extensionale Beziehung 132, 140 extensionales Objekt 218-220, 222, 229, 232, 248, 252, 377, 385, 388, 429 extensionale These (extensionaler Standpunkt) 150, 170 f. fiktiv 387, 390 Frömmigkeit 112, 114, 117, 235, 255 Fromme (der) 97, 255 Gattung von Wunder 130 Gedankeninhalt 97, 214, 277 Gedankenobjekt 243 Gedankensubjekt, unbestimmtes 96 f., 101, 103-105, 107-111, 115-117 Gegenwart 348 Genus 131-133, 135, 219 Geschehen 198-200 Geschichte 237, 43g Gesetz, allgemeines 308 Glaube, religiöser 30, 35 f., 84, 97, 108, 156, 160, 174 f., 189, 235, 263, 285, 294, 40З, 409 Glaubensinhalt 113-115 Gottesbegriff 100, 109, 135, 146, 164, 236 f. Gotteserkenntnis 95, 280 Gottes Tat 323 Gottes Wort 195, 443 f. Handlung 177, 182, 184, 197 f., 200, 203, 207 Handlung des Absenders 429 f., 435 Handlungskategorie 200 Heil 191, 208, 211, 213, 235, 285 Heislsbedeutung 211, 234, 285 Heilsgeschichte 75 f., 78, 374 Heilsglauben, christlicher 107 f. Heilung 187, 203 heuristisches Prinzip 26 f., 31 Hilfssatz in der Begriffsbildung 37, 42 f., 52, 60 f., 67, 92, 94, 104 f., 116 Implikation, kausale 250 f. - logische 113 f., 121-124, 126, 128, 198, 219 - materiale 250 - statistische 310 Implikationssatz, universaler m , 308, 310 individuelles Objekt 275 Inspiration 440, 442

Intension 148 intensionale Beziehung 132 intensionale These (intensionaler Gesichtspunkt) 150, 152 Intention, Intentionalität 241, 290, 293, 337/ 34°, 394, 402, 410, 415, 417, 422 f. intentionaler Akt 336, 338, 342, 345, 347 intentionale Attitude 284 f., 402 intentionaler Inhalt eines Erlebnisses 232 f., 240-243, 275, 283-285, 287, 296, 424, 427, 431 intentionale Relation 295 f. Introspektion 224, 228 Jesus

166, 174, 346, 372 f., 376, 400

kausale Koexistenzbedingung 1 1 3 Kennzeichnung, singulare 110 Klasse 141 Kommunikation (sbeziehung) 425, 428, 434 Kommunikationsabsicht 393 Kommunikationsbeziehung, echte 427, 429 - unechte 427 - unvollständige 426 - vollständige 426 Kommunikationssituation 428 f., 434, 437, 439, 441 komparativer Wunderbegriff 212 Konjunktion, logische 40, 66, 84, 92, 103, 122, 124-128, 152, 159 Konnotation 38, 68, 79 f., 82, 85, 88, 136, 146, 227, 229, 292, 294, 297, 367, 386 kontrafaktuelles Moment Я-Operator

197 f., 205

418

Material der Untersuchung 137-139, 4 1 , 14З mentaler Akt 207, 214, 336, 338 f., 341, 343, 351, 361 f. metaphysische Bezeichnungsbeziehung 366 Metasprache 288 Meta-Zeichen 388 miracula gratiae 78 miracula potentiae 78 Möglichkeit 413

Motiv des Wundertäters 214, 420, 430

207, 210, 212-

Naturbegriff 102 Naturgeschehen 100, 102, 156, 160, 177 Naturgesetz 63, 94 Negation 124 f. nicht-extentionaler Zusammenhang 1 1 1 nicht-intentionaler Akt 338 f., 342, 344 f·, 347 Nicht-Möglichkeit 134, 339 f. Nicht-Objektivierbarkeit (NO) 319, 322-324, 333 f., 342-344, 346, 348 f., 353, 355 Nicht-Objektivierbarkeit aus kausalen (psychologischen) Gründen (PNO) 333 f ·, 34° f·, 345 Nicht-Objektivierbarkeit aus logischen Gründen (LNO) 333 f., 338, 340 f., 344, 355 Objekt 336, 342-345 objektiver Charakter des Wunders 100 objektiver Inhalt 232 Objektivierung 321, 324, 329 f., 336, 350 Offenbarung 36, 55, 73, 78, 101, 108110, 118, 174, 176, 209, 235, 322, 325, 367, 374, 425, 428, 432, 437 fOratio obliqua 65, 104 Person des Wundertäters 146, 430 Perception, sinnliche 224, 228 Prädikat, einstelliges 363 - zweistelliges 363 Präzisierung 90, 105, 139, 249, 252, 256 f. pragmatische Beziehung (Relation, siehe Ausdrucksbeziehung) pragmatischer Metasatz (PMS) 291293 Quantifizierung 246, 349 real 387, 390 Rekonstruktion, rationale 15, 27, 43, 49 Relation 187, 199, 218 f., 238-241, 265, 417 - transitive 46 Relationsprodukt 382-384 Relativität zur Person 351, 407 Relativität zur Zeit 245, 299, 348, 351

459

religiöses Apriori 259 f . Religionsgeschichte 92, 164 Response 256-258, 260, 264 f . Resultat 1 8 2 - 1 8 5 , 187, 195, 198, 200,

thaumasion 216 Totalbestimmung 124 f., 148 Typentheorie 130

213 Resultat des Wirkens Gottes 1 7 7 - 1 7 9 , 181 Resultat des W u n d e r s 188, 207 f., 2 1 1 , 219, 430 Resultat, überempirisches 188 Resultatrelation 183 f., 190, 192

überredende propagandistische Funktion

Sachverhalt 283, 286, 307, 3 1 3 , 434, 442 saemeion 81 f., 84, 87, 358 f . Satzformel, o f f e n e 382 Satzinhalt 1 1 2 , 120, 122, 242, 336, З42 f-, 377, 382, 386 f . , 416 f . - singulärer 419 Schöpfung 1 0 1 Schöpfungsordnung 107, 192, 196, 205 semantische Beziehung (siehe Bezeichnungsbeziehung) Sinn, emotiver 38 - kognitiver 29, 38 Spezies 1 3 1 f., 134 f., 219, 419 Sprachgebrauch 66, 75, 79, 85 f., 136, 291 Sprachgebrauch der Bibel 142 Sprachgebrauchsbeschreibung 82-84, 86, 142 Sprachregel 398 Sprachstufe 138 Stimulus 221, 236, 256-258, 260, 264266, 268, 280 Stimulusbedingung 265-267 Stipulation 91, 142 stipulativer Satz 47, 80 Synonymität (sverhältnis) 80-83 Synonymität, partielle 80 - stipulierte 81, 83 - totale 80 s y n t h e t i s c h e r S a t z 1 1 2 f., 116, 167, 352 f . Teilbestimmung 124 f . Teil-Ganzheitsrelation 185 f., 233 Teilglied 1 2 5 - 1 2 7 - disjunktives 127 f., 169, 1 7 1 - konjunktives 127 f., 150, 169 Teilinhalt 125 f . , 150 teras 77, 81 f., 84, 216 f .

460

117 Überredungsdefinition 48 U m f a n g eines Begriffs 29, 62, 69, 1 3 3 , 152, 164 U m f a n g der Wirksamkeit Gottes 162 Umfangsgleichkeit 68, 7 1 umfangsmäßige Relation 146 unbegreiflich 3 1 2 unerklärbar, unerklärlich 298, 304, 306, 309-312 Ungewöhnlichkeit 2 1 7 unklassifizierbar 3 1 2 unmöglich (siehe Nicht-Möglichkeit) Ursache, auslösende 218, 221 Vagheit 1 4 1 Vergangenheit 225, 228, 348, 350 Vergebung 203, 322, 324, 350 Verhältnis Gottes zur W e l t 1 0 1 Versöhnungswerk Christi 194 f . Vorsehung 1 0 1 W a h l eines Begriffs 88-90, 92 W a h l eines Begriffsumfangs 55 f., 102 W a h l von Bestimmungselementen 104 W a h l von erzählten Erscheinungen 64 W a h l von Erzählungen 60, 102 W a h l von Kontexten 80 W a h l einer Quelle 88 W a h l von Synonymen 80, 83 W a h l von W ö r t e r n 102 W a h r h e i t 68, 405 Wahrheitsbedingung 344, 3 5 1 W a h r h e i t s f u n k t i o n 250 Weltgeschehen 1 0 1 , 162, 230 Weltgesetzlichkeit 201 f . W e r k [oder H a n d l u n g ) Gottes 63, 145 f-, 155, 162, 1 6 7 - 1 6 9 , 177, 180, 204, 210, 348, 421, 442 Werteinschätzung 96, 405 Werterlebnis 274, 285 W e r t l a d u n g 47, 1 1 7 Werttheorie, emotive 379 W e r t w o r t 379 Wiedergeburt 193 Willen Gottes 1 0 1 , 149, 196 W i r k e n Gottes 32, 36, 84, 101, 153,

158-160, 177, 234, =85, 291, 377, 433, 437 f· "Wirklichkeit 354 f·, 385 f·, 389 f. Wissensstatus des Beobachters 298, 300, 3 4 f· Wunder, biblisches 63, 94, 149, 158, 204, 234 Wunderbegriff, metaphysischer 40, 301, 304 - partieller [partikularer) 88, 130-134, 159 - rationaler 35 - religiöser 35, 84, 91, 93, 153 f., 175, 188, 233, 236, 245, 271 f., 303, 412 - totaler (genereller) 88, 101, 130-134 Wunderbericht (-beschreibung, -erzählung) 58, 60, 66, 229, 389 f. Wundererlebnis 215, 218, 221 f., 226, 228 f., 232 f., 238, 241, 244, 248, 270 f., 274, 282, 286, 422 - extensive Teilbarkeit des 226

Wunderobjekt 218 f., 222, 227-230, 233, 243-249, 268 f., 271, 282, 284 f., 421 f., 424, 430 - potentielles 249-252 Wunderstimulus 222, 227, 229, 245, 249, 282, 285 - potentieller 249, 285 Zeichen 357, 361-363, 378, 384, 388, 392, 396, 415, 417, 420, 424, 426, 428, 43°, 435, 437, 444 - konventionelles 364-366, 378 - natürliches 364-366 Zeichenbegriff 359, 364, 388, 397, 408, 416, 422 Zeicheneindruck 429, 431, 436 f., 441 Zeichenexemplar 364, 415 Zeichengattung (-muster) 3 6 4 ^ , 4 1 5 Zukunft 348 f. Zustand 198-200 Zweck 207 f., 212, 403

461