Fremdbestimmte Steuerwirkungen und Subjektsteuerprinzip: Juristische Grenzfälle des Zusammenhangs von steuerauslösender Handlung und Steuerberlastung 9783504386689

Die Arbeit fragt nach der Möglichkeit eines Auseinanderklaffens von Handlungstatbestand und Belastungsfolgen bei Persone

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German Pages 406 Year 2020

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Fremdbestimmte Steuerwirkungen und Subjektsteuerprinzip: Juristische Grenzfälle des Zusammenhangs von steuerauslösender Handlung und Steuerberlastung
 9783504386689

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Heinrichs Fremdbestimmte Steuerwirkungen – Systematische und verfassungsrechtliche Vorgaben aus dem Subjektsteuerprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip

Rechtsordnung und Steuerwesen Band 53 Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Rainer Hüttemann

Fremdbestimmte Steuerwirkungen Systematische und verfassungsrechtliche Vorgaben aus dem Subjektsteuerprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip

von

Dr. iur. Sebastian Heinrichs

2020

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64252-5 ©2020 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany

Meinen Eltern

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Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 40 Bände er­ schienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Ver­ hältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfältigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den ge­ wählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschafts­ recht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Euro­ parechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhän­ ge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfah­ rensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristi­ schen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellun­ gen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentref­ fen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch, aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Ge­ staltungswillen der Steuerpolitik immer weiter zurücktritt. Die Veran­ kerung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuer­ rechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatauto­ nomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben wer­ den. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. München und Bonn, im Oktober 2011 Wolfgang Schön

Rainer Hüttemann

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Geleitwort

Zu dieser Schrift Zu den Grundzügen einer freiheitlichen Besteuerungsordnung gehört es, dass Zahlungspflichten auf privatautonomem wirtschaftlichem Verhal­ ten der Steuerbürger beruhen. Wer eine Arbeit ergreift, Kapital investiert, Grundstücke überträgt oder Gesellschaften verschmilzt, wird nicht über­ rascht, wenn Einkommensteuer erhoben, Kapitalertragsteuer einbehalten, die Grunderwerbsteuer aktiviert wird oder stille Reserven aufgedeckt werden. Unfreiwilliges Einkommen ist zwar nicht grundsätzlich steuer­ frei (wie das Gesetz für Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 EStG beispiel­ haft feststellt), aber doch die Ausnahme. Mehr und mehr finden wir jedoch in unserem Steuerrecht „fremdbe­ stimmte Steuerwirkungen“, in denen nicht (nur) der Staat, sondern vor allem andere Privatrechtssubjekte mit ihren autonomen Entscheidungen Steuerlasten erzeugen. Die Liste der – auch praktisch bedeutsamen – Bei­ spiele ist lang. Ein schädlicher Beteiligungserwerb nach § 8c Abs. 1 KStG entwertet für die verbleibenden Gesellschafter die bestehenden Verlust­ vorträge, die Aufnahme von (Gesellschafter-)Darlehen führt mit Wirkung für alle Teilhaber zum Eingreifen der Zinsschranke; die tatbestandlichen Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung sind vom Gesamtbe­ stand der Anteilseigner abhängig, die steuerfreie Verlagerung von stillen Reserven ist von der Wahrung von Behaltefristen durch Erwerber von Wirtschaftsgütern und Gesellschaftsanteilen abhängig. Sebastian Heinrichs leistet in der hier vorgelegten Schrift Grundlagenarbeit in der syste­ matischen Erfassung und Ausdeutung dieser und vieler anderer Konstel­ lationen. Man kann versuchen, derartigen Steuerlasten mit privatrechtlichen Aus­ gleichsmechanismen zu begegnen, man kann aber auch die Grundfrage nach den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen dieser heteroge­ nen Steuerfolgen stellen. Letzteres unternimmt der Verfasser mit Rück­ sicht auf drei Grundprinzipien des Steuerverfassungsrechts: der Besteue­ rung nach der Leistungsfähigkeit, dem Zugriff auf das Markteinkommen und vor allem dem Rechtsstaatsprinzip und seiner Ansprüche an die Vor­ hersehbarkeit von Steuerlasten, der er die höchste Wirkmacht zutraut. Insgesamt erweist sich die Arbeit – in den Worten ihres Betreuers Ekkehart Reimer – als „Musterbeispiel einer gelungenen wissenschaftlichen Arbeit auf dem Feld der (Kern-)Dogmatik des Einkommen- und Körper­ schaftsteuerrechts“. München und Bonn, im Oktober 2019 Wolfgang Schön

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Rainer Hüttemann

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Vorwort Der selbstbestimmte Mensch kann sich schwer damit abfinden, wenn sein Schicksal in die Hände eines anderen gelegt wird. Aus diesem Un­ wohlsein heraus ist jede Form der Fremdbestimmung zu erfassen, zu sys­ tematisieren und kritisch zu überprüfen. Für die steuerliche Fremdbe­ stimmung will die vorliegende Arbeit diese Aufgabe übernehmen. Die Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Uni­ versität Heidelberg als Dissertation angenommen. Nach Abschluss des Promotionsverfahrens im Wintersemester 2018/2019 wurde sie für die Zwecke der Veröffentlichung aktualisiert und befindet sich nunmehr auf dem Stand 31. August 2019. Zuvorderst möchte ich Herrn Prof. Ekkehart Reimer für die hervorragen­ de Betreuung und die Erstbegutachtung der Arbeit sowie für die sehr an­ genehme und lehrreiche Tätigkeit an seinem Lehrstuhl danken. Herrn Prof. Bernd Heuermann danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgut­ achtens, Herrn Prof. Hanno Kube für den Vorsitz des Prüfungsausschus­ ses in der Disputation. Für die Aufnahme in diese Schriftenreihe bin ich Herrn Prof. Wolfgang Schön und Herrn Prof. Rainer Hüttemann sehr dankbar. Herzlich danken möchte ich auch der Steuerberaterkammer Nordbaden für die Auszeichnung mit dem Matthias-Erzberger-Wissen­ schaftspreis 2018 und der Studienstiftung des deutschen Volkes für die ideelle und finanzielle Unterstützung durch ein Promotionsstipendium. Herzlicher Dank gebührt auch Herrn Dr. Jens Hageböke für den ersten Hinweis auf dieses Thema, den Teilnehmern des Doktorandenkolloqui­ ums des Instituts für Finanzen und Steuern und des Hengeler Mueller Tax Lunch für wertvolle Anregungen aus Wissenschaft und Praxis und vor allem Herr Prof. Timo Rademacher, der als Wegbegleiter auf der ge­ fahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts stets zum Austausch über die Promotion bereit war und die Arbeit Korrektur gelesen hat. Noch mehr gilt mein Dank meiner Frau Kati für ihre unermüdliche Un­ terstützung und besonders für ihr Verständnis während der Arbeit an der Dissertation. Schließlich möchte ich meinen Eltern Erika und Werner Heinrichs herzlichen Dank sagen, die mich während meiner gesamten Ausbildung einschließlich der Promotionsphase stets mit ganzer Kraft unterstützt haben. Dafür möchte ich ihnen diese Arbeit widmen! Frankfurt am Main, im September 2019

Sebastian Heinrichs

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Inhaltsübersicht

Seite

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII

A. Einleitung I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Ziele der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 III. Methodik und Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 IV. Begriffserläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und ­Handelndem

I. Der allgemeine Zurechnungsgrund im Steuerrecht . . . . . . . . . 17

II. Zurechnung von Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 III. Tatbestandsmäßigkeit als Zurechnungsmaßstab . . . . . . . . . . . 34 IV. Grundsatz der Individualbesteuerung als Zurechnungs­maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 V. Andere Zurechnungskonstellation: Zurechnung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 VI. Andere Belastungssituation: Haftung für fremde Steuerschuld 41 VII. Zusammenfassung des Status Quo der Literatur und ­Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

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Inhaltsübersicht

C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse nach dem Grund der Belastung

I. Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 51

II. Fremdbestimmung in der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . 149 III. Fremdbestimmung bei Kontinuität wahrenden, illiquiden Übertragungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 IV. Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe . . . . . . . 224

D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 II. Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 III. Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 IV. Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen . . 290

E.  Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . 331

F. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

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Inhaltsverzeichnis

Seite

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

A. Einleitung I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Ziele der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Prinzip der individuellen Tatbestandsverwirklichung – ­Konkretisierung des Prinzips der Individualbesteuerung bzw. des Subjektsteuerprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Verknüpfung vermeintlich verschiedener Problemkreise . . . 2 3. Dogmatik der Näheverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Methodik und Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Überblick über die Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2. Zur Aufteilung zwischen einfachem Recht und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 a. Inspiration der Verfassungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 b. Die Verfassung als Widerlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 c. Systembildung und der axiologische Ansatz im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 d. Referenzrahmen für Folgerichtigkeitsfragen . . . . . . . . . . . 7 3. Der Bezug auf verschiedene Steuerarten . . . . . . . . . . . . . . . . 9 IV. Begriffserläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Fremdbestimmte Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Die „Zurechnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

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Inhaltsverzeichnis

B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und ­Handelndem I. Der allgemeine Zurechnungsgrund im Steuerrecht . . . . . . . . . 17 II. Zurechnung von Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Bedeutungsgewinn bis in die 1970er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Ruppe: Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 a. Aussagen Ruppes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 b. Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Der Tatbestand des § 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 a. Tipke und der Tatbestand des § 2 Abs. 1 EStG . . . . . . . . . 25 b. Kirchhof und die drei Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Die gespaltene Tatbestandsverwirklichung nach § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5. Ausdifferenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a. Gewinneinkünfte versus Überschusseinkünfte . . . . . . . . . 31 b. Sonderfall des sog. Drittaufwands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 c. Tätigkeitseinkünfte versus Kapitaleinkünfte . . . . . . . . . . 33 III. Tatbestandsmäßigkeit als Zurechnungsmaßstab . . . . . . . . . . . 34 1. Allgemeine Aussagen der Abgabenordnung im Kontext der ­Tatbestandsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Figur der mittelbaren Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . 36 IV. Grundsatz der Individualbesteuerung als Zurechnungs­maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 V. Andere Zurechnungskonstellation: Zurechnung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 VI. Andere Belastungssituation: Haftung für fremde Steuerschuld 41 1. Haftung für fremde Steuerschuld als Parallelproblem der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Systematischer Überblick über die Haftungsgründe . . . . . . . 43 a. Fiskalerfolgsgefährdende Handlung des Haftungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b. Haftung des Vertretenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c. Haftung auf Grund von Substanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa. Haftung des Eigentümers von Gegenständen nach § 74 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 XIV

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Inhaltsverzeichnis

bb. Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 AO . . . . 45 cc. Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO . . . . . . . 45 3. Pragmatische Lösung trotz fehlendem allgemeinen Haftungs­ grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 VII. Zusammenfassung des Status Quo der Literatur und ­Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse nach dem Grund der Belastung I. Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Referenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a. Verlustuntergang auf Ebene der Gesellschaft bei Übertragung von Anteilen – § 8c Abs. 1 KStG . . . . . . . . . . 51 aa. Regelungstechnik, Historie und Regelungsumfeld des § 8c Abs. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 bb. Probleme der Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc. Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit zur Systemwidrigkeit des § 8c Abs. 1 S. 1–2 KStG a.F. . . . 57 (1) Der Beschluss des FG Hamburg vom 04.04.2011 zu § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (2) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29.03.2017 zu § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. . . . . . . . . . 60 (3) Das Urteil des Sächsischen FG vom 16.03.2011 zu § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG . . . . . . . . . . . . . . 62 (4) Weitere Beschlüsse zu § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (5) Angesprochene Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 dd. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 ee. Verlustuntergang im Gewerbesteuerrecht als Parallelproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b. Untergang von Zinsvorträgen auf Ebene der Gesellschaft (Zinsschranke) – § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG . . . . . . . . . . 67 aa. Grundaussage der Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb. Verweis auf § 8c Abs. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 cc. Konzern- bzw. Stand-Alone-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . 70 dd. Eigenkapital-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 ee. Schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung als Aus­ schluss der Stand-Alone- und Eigenkapital-Klausel . . 72 ff. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 XV

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c. Besteuerung von REITs, im Besonderen § 18 Abs. 3 REITG 76 aa. Allgemein zum REITG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 bb. Anteilseigner-bezogene Qualifikationsmerkmale . . . . 77 cc. Sanktionsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 dd. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 d. Hinzurechnungsbesteuerung – §§ 7 ff. AStG . . . . . . . . . . . 80 aa. Allgemein zur Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . 81 bb. Aktivitäten der Zwischengesellschaft . . . . . . . . . . . . . 82 cc. Beteiligungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 dd. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 e. Nachversteuerung im Erbschaftsteuerrecht, im Besonderen § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG . . . . . . . . . 88 aa. Allgemein zu fremdbestimmten Steuerwirkungen im Recht der ­Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb. Die Nachversteuerung nach § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc. Weitere Beispiele im Rahmen der §§ 13a, 13b ErbStG 90 dd. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 f. Grenzfall Einbringungsgewinn II – § 22 Abs. 2 UmwStG . 92 aa. Kurzdarstellung des Einbringungsgewinns II . . . . . . . . 93 bb. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 g. Sonderfall Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa. Überblick über Voraussetzungen und Rechtsfolge der Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb. Fremdbestimmung durch die Organschaft . . . . . . . . . . 95 cc. Faktische Disposition des Organträgers durch die Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 dd. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a. Rechtspersönlichkeit des Verbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b. Durchbrechungen des Trennungsprinzips im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c. Einwirkungsmöglichkeiten für die Gesellschafter in der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa. Individualrechte der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb. Kollektivrechte der Gesellschafter bezogen auf die Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 cc. Sonstige Kollektivrechte der Gesellschafter und das Verhältnis zur Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 dd. Abstimmung im Gesellschafterkreis . . . . . . . . . . . . . . 104 XVI

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d. Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschaft in Bezug auf die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa. Neutralitätspflicht der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . 106 bb. Übertragung von Gesellschaftsanteilen und Vinkulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc. Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss . . . . . 108 e. Gewinnverteilung und Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . 110 f. Vergleich mit dem allgemeinen Zurechnungsgrund . . . . . 110 aa. Dispositionsmöglichkeit der Kapitalgesellschaft über ihre Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb. Dispositionsmöglichkeit der Gesellschafter über ihre Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Aufnahme der zivilrechtlichen Grundentscheidung in das Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a. Grundsätzliche Aufnahme einer Trennungsentscheidung 116 b. Die auf die natürliche Person ausgerichtete Gesamtbetrachtung in der Belastungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c. Sukzessive Aufweichungen des Trennungsprinzips . . . . . 122 d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4. Versuche einer deduktiven Herleitung des Trennungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a. Materieller Gehalt der Kompetenznormen der Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b. Herleitung aus der Rechtsquelle Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa. Eigene – vorläufige – Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb. Grundsätzliche Unzulässigkeit von fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc. Konkrete Vorgaben für die Zulässigkeit des Gesellschafterbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 5. Folgerungen für das Verständnis von fremdbestimmten Steuerwirkungen innerhalb von Kapitalgesellschaften . . . . . 135 a. Leitfragen für die Anwendung auf die Referenzfälle . . . . . 135 b. Subjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa. § 18 Abs. 3 REITG und Subjektivität . . . . . . . . . . . . . . 137 bb. Hinzurechnungsbesteuerung und Subjektivität . . . . . 137 cc. § 8c Abs. 1 KStG und Subjektivität . . . . . . . . . . . . . . . 138 dd. Andere Referenzfälle und Subjektivität . . . . . . . . . . . . 139 c. Allgemeiner Zurechnungsgrund (Dispositionsbefugnis) und Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa. Organschaft und Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . 140 bb. Konzernklausel der Zinsschranke und Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 XVII

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cc. Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 Abs. 1 AStG) und Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 dd. Vollständiger Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 KStG und Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 ee. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. und Dispositionsbefugnis . . 144 ff. Zinsschranke und Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . 146 gg. § 13a ErbStG und Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . 147 hh. Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 Abs. 6 AStG) und Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Fremdbestimmung in der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . 149 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Referenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a. Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei der Gewerbesteuer 152 aa. Ergänzungsbilanzen und Sonderbilanzen . . . . . . . . . . . 152 bb. Veräußerung von Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (1) Die Regelungstechnik des § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG . . 155 (2) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 zu § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG . . . . . . . . . . . 156 cc. Weitere Referenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b. Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa. Konzern- und Betriebsbetrachtung unter der Zins­schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 bb. Weitere betriebsbezogene Betrachtungen . . . . . . . . . . 162 c. Behaltefristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a. Rechtsfähigkeit statt Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . 164 b. Einwirkungsmöglichkeiten für die Gesellschafter in der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa. Beteiligung an der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . 166 bb. Abstimmung im Gesellschafterkreis . . . . . . . . . . . . . . 168 c. Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschaft in Bezug auf die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa. Begründung einer Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . 169 bb. Weitere Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 169 d. Gewinnverteilung und Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . 169 e. Vergleich mit dem allgemeinen Zurechnungsgrund . . . . . 170 aa. Dispositionsmöglichkeit der Personengesellschaft über ihre Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb. Dispositionsmöglichkeit der Gesellschafter über ihre ­Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Besteuerung der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a. (Keine) Steuerpflicht und Steuerschuldnerschaft . . . . . . . . 172 XVIII

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b. Subjekt der Einkünfteermittlung und Zurechnung . . . . . . 173 c. Verwirklichung der Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa. Thesaurierung und eigene Leistungsfähigkeit . . . . . . . 174 bb. Verluste und deren Untergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 cc. Zebra-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 dd. Gewerbliche Prägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 ee. Zweite Stufe der Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . 176 d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 5. Folgerungen für das Verständnis von fremdbestimmten Steuerwirkungen innerhalb von Personengesellschaften . . . 177 a. Annäherung an Einzelunternehmer als Ausgangspunkt für Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b. Wechsel zwischen gesellschafter- und gesellschaftsbezogener Besteuerung – Reformvorschläge . . . . . . . . . . . 178 aa. Referenzfälle aus dem Recht der Gewerbesteuer . . . . 179 bb. Referenzfälle mit Gesellschafterbezug . . . . . . . . . . . . . 179 cc. Referenzfall der Zinsschranke im Besonderen . . . . . . . 180 III. Fremdbestimmung bei Kontinuität wahrenden, illiquiden Übertragungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Referenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a. § 6 Abs. 3 S. 2 EStG (Übertragung von Sachgesamtheiten) 181 aa. Grundfall des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . 181 bb. Einschränkung nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG . . . . . . . . . . 182 cc. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten ­Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b. § 6 Abs. 5 S. 4 EStG (Übertragung innerhalb von Mitunternehmerschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa. Überblick über die Grundfälle des § 6 Abs. 5 S. 1–3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb. Die Ausgestaltung der Behaltefrist des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 cc. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c. § 16 Abs. 3 S. 3 EStG (Realteilung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa. Der Grundfall des § 16 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb. Ausgestaltung der Behaltefrist des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 cc. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 d. Behaltefristen im UmwStG am Beispiel des „StiefmutterFalls“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa. Grundaussagen des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 XIX

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bb. Der Stiefmutter-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc. § 22 Abs. 1 (Einbringungsgewinn I) i.V.m. Abs. 6 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (1) Grundaussagen zum Einbringungsgewinn I . . . . . . 196 (2) Grundaussagen zu § 22 Abs. 6 UmwStG . . . . . . . . 196 (3) Probleme der Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 197 (4) Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 dd. § 22 Abs. 2 UmwStG (Einbringungsgewinn II) . . . . . . 198 (1) Grundaussagen zum Einbringungsgewinn II . . . . . 199 (2) Probleme der Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 199 (3) Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 ee. Weitere Norm: § 24 Abs. 5 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . 201 3. Die Referenzfälle im Spannungsfeld von Realisationsprinzip und Subjektsteuerprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a. Gemeinsame Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b. Gebot der Steuerbarkeit von stillen Reserven . . . . . . . . . . 203 aa. Gebotsquelle Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . 204 bb. Bedenken aus Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 cc. Vorsichtsprinzip als gegenläufige Normquelle . . . . . . 205 dd. Realisationsprinzip als gegenläufige Normquelle . . . . 205 c. Verwirklichung im geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4. Voraussetzungen des illiquiden Übertragungsvorgangs und dessen Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b. Aussagen der Rechtsordnung zum Tausch . . . . . . . . . . . . . 209 c. Aussagen der Rechtsordnung zur Unentgeltlichkeit . . . . . 210 d. Unterschied zu anderen illiquiden Übertragungen: Möglichkeit zur Fortsetzung der unternehmerischen Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 aa. Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 bb. § 6 Abs. 3 S. 1–2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 cc. § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 dd. § 16 Abs. 3 S. 2–3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 ee. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 5. Folgerungen für das Verständnis von fremdbestimmten Steuerwirkungen bei Kontinuität wahrenden, illiquiden Übertragungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a. Subjektivität und gemeinsame Leistungsfähigkeit . . . . . . 215 b. Dispositionsbefugnis in den Referenzfällen . . . . . . . . . . . . 216 aa. Dispositionsmöglichkeit über die fristverletzende Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 XX

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bb. Dispositionsmöglichkeit über die fristbegründende Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 cc. Unzweckmäßigkeit der Missbrauchssicherung . . . . . . 219 dd. Vorschlag de lege ferenda zur Verhinderung von Missbrauch und fremdbestimmten Steuerwirkungen 220 (1) Anforderungen der Missbrauchsverhinderung . . . . 220 (2) Grundsätzlicher Systemwechsel in der Ausgestaltung der Behaltefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (3) Begegnung von (neuen) Missbrauchsgefahren . . . . 222 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV. Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe . . . . . . . 224 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Referenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a. Voraussetzungen der Zusammenveranlagung . . . . . . . . . . 225 b. Zusammenrechnung und Anwendung des SplittingVerfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c. Frei- und Pauschbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 d. Gesamtschuldnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 e. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Die Entscheidung vom 17.01.1957 – Ausläufer der Haushaltsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a. Erkenntnis des Grundsatzes der Individualbesteuerung . . 230 b. Haushalt als Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c. Rechtswirklichkeit des Haushaltes vor 1957 . . . . . . . . . . . 233 d. Erweiterung auf die Zusammenveranlagung von Eltern und Kindern in der Entscheidung vom 30.06.1964 . . . . . . 234 4. Das Splitting-Urteil vom 03.11.1982 und die Erweiterung auf Lebenspartnerschaften am 07.05.2013 – Ehe als Erwerbsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a. Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs . . . . . . . . . 235 b. Wertungsneutralität hinsichtlich der Erwerbsausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c. Das Lebenspartner-Splitting-Urteil vom 07.05.2013 und die rechtliche Verfestigung der Gemeinschaft . . . . . . . . . . 237 aa. Bedeutung der Lebenspartner-Rechtsprechung . . . . . . 237 bb. Kein Diskriminierungsgebot nach Art. 6 Abs. 1 GG . 238 cc. Zusammenveranlagung und Kinder . . . . . . . . . . . . . . . 238 dd. Rechtliche Verbindlichkeit durch gegenwärtige Pflichtenbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 ee. Rechtliche Verbindlichkeit durch Versorgungsgemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 ff. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

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5. Folgerungen für das Verständnis von fremdbestimmten Steuerwirkungen bei der zusammenveranlagten Ehe . . . . . . 241 a. Einheitssubjekt oder Mehrheit von Steuersubjekten . . . . 241 b. Disposition der ehelichen Gemeinschaft über Einkünfte . . 243 c. Konsensuale Disposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 II. Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Herleitung und Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . 248 2. Verengung auf eine Person und Unvereinbarkeitsthese . . . . 250 3. Subjekt der steuerlichen Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . 252 a. Individuum als ultimativer Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . 252 aa. Bezug auf Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG . . . . 253 bb. Wirtschaftswissenschaftliche Betrachtungsweisen . . . 256 cc. Subjektneutralitätsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b. Ausformung des Subjektsteuerprinzips im geltenden Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 aa. Zurechnung von Einkünften nach § 2 Abs. 1 EStG . . . 259 bb. Zuordnung und Übertragbarkeit von stillen Reserven 260 c. Alternative Zurechnungseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 aa. Nacheinander von Subjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 bb. Übereinander von Subjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 cc. Miteinander von Subjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 dd. Folgerungen für die Unvereinbarkeitsthese . . . . . . . . . 263 d. Verwirklichung des Individualbezugs in den alternativen Zurechnungseinheiten des geltenden Steuerrechts . . . . . . 264 aa. Grundentscheidung durch Grundfreibetrag und Progression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 bb. Leistungsfähigkeit des Individuums beim Übereinander von Subjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 cc. Leistungsfähigkeit des Individuums beim Miteinander von Subjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 dd. Leistungsfähigkeit des Individuums beim Nacheinander von Subjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 4. Betrachtung des Gesamtgeschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a. Lenkungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b. Missbrauchsverhinderungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c. Überwälzung der Steuerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 XXII

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d. Vorverlagerung der Eigenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . 273 5. Zusammenfassung für Zwecke der Fremdbestimmung . . . . 273 III. Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Die Formel von Ruppe als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Das Markteinkommensprinzip im Steuerrecht . . . . . . . . . . . 275 a. Äquivalenztheoretische Rechtfertigung aus Art. 14 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 aa. Das Kirchhof’sche Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 bb. Rezeption des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b. Verwirklichung des Markteinkommensprinzips im EStG 277 c. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 3. Aussagen für fremdbestimmte Steuerwirkungen . . . . . . . . . 281 a. Markteinkommensprinzip als Zurechnungsdeterminante 281 b. Fremdbestimmung im Rahmen der Qualifikation der Markthandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 c. Bildung bzw. Korrektur von Zurechnungseinheiten . . . . . 284 aa. Ausblendung des unmittelbar am Marktgeschehen beteiligten Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 bb. Identitätswechsel des unmittelbar am Marktgeschehen beteiligten Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . 286 cc. Zusammenveranlagung von Ehegatten . . . . . . . . . . . . 289 4. Zusammenfassung für Zwecke der Fremdbestimmung . . . . 289 IV. Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen . . 290 1. Tatbestandsmäßigkeit als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . 290 a. Tatbestandsmäßigkeit in der steuerrechtlichen Diskussion 290 b. Die Bedeutungslosigkeit des § 38 AO für die Fremd­ bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 c. Überblick über die weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . 293 2. Formelle Komponente des Rechtsstaates: Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a. Besonderheiten des Steuerrechts im Verhältnis zu anderen Regelungsmaterien der Eingriffsverwaltung . . . . . . . . . . . 294 b. Grundaussagen zur Tatbestandsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . 296 c. Perspektive des formellen Rechtsstaates . . . . . . . . . . . . . . 298 3. Materielle Komponente des Rechtsstaats: Vorausberechen­ barkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a. Die Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Rechtsstaat und die daraus folgende Entwicklungsoffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b. Perspektivenverschiebung des materiellen Rechtsstaates 301

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Inhaltsverzeichnis

4. Freiheitsgarantie des Rechtsstaates und Handlungen Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 a. Bestimmung der Perspektive und Qualität des Eingriffs . . 302 b. Wirkungsgleiche Belastung bei fremdbestimmten Steuer­ wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 c. Verortung des Unsicherheitsfaktors im Verhältnis zur Norm als Unterscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 aa. Anerkannte Unsicherheitsfaktoren innerhalb der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 bb. Unsicherheitsfaktoren außerhalb (im Vorfeld) der Referenznorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 cc. Aufwertung des Unsicherheitsfaktors in die Norm hinein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 dd. Entwicklungsoffenheit hinsichtlich der Unsicherheitsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 d. Begründung des Einbezugs: Freiheit als Möglichkeits-, nicht Erfolgsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 e. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 5. Kontextualisierung der Referenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 a. Kontextualisierungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b. Näheverhältnisse als Mindestvoraussetzung . . . . . . . . . . . 310 c. Formen der Einwilligung in die Gefahr der Fremdbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 aa. Antrag des Steuerpflichtigen als Einwilligung . . . . . . . 312 bb. Nicht erfolgter opt-out als Einwilligung . . . . . . . . . . . 314 cc. Sachverhaltsgestaltung als faktische Einwilligung . . . 315 dd. Rechtskreiserweiterung ohne Wahlmöglichkeit . . . . . 316 d. Formen des Durchgriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 aa. Grad der Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 bb. Anzahl der Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 cc. Wirkrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 e. Kenntnis und Abhilfemöglichkeit vor Steuerzugriff . . . . . 321 f. Effektive Belastung des Handelnden . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 aa. Gemeinsame Veranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 bb. Haftungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 cc. Vorhersehbare Überwälzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 g. Normhierarchische Einordnung und Auslegungsregel . . . 327 E.  Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . 331 F. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 XXIV

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A. Einleitung I. Problemaufriss Die Dissertation möchte ein grundsätzliches dogmatisches Problem auf­ greifen, das seit einigen Jahren, insbesondere seit der Unternehmenssteu­ erreform 2008, in der steuerjuristischen Praxis als solches wahrgenom­ men wird: die Personenverschiedenheit von Tatbestandsverwirklicher und Rechtsfolgenträger, von Handelndem und Steuerpflichtigen. Kurz gesagt: „Der eine macht’s, der andere muss zahlen“. In der Rechtsanwendung und Rechtsberatung stellt sich bei Normen wie § 8c KStG, § 6 Abs. 3 EStG oder § 6 Abs. 5 EStG aus Sicht des Steuer­ pflichtigen (der Körperschaft bei § 8c KStG oder dem Veräußerer bei § 6 EStG) ein Unbehagen ein. Es liegt nicht mehr in seiner Hand, ob der Tatbestand verwirklicht wird und er damit belastende steuerliche Folgen zu tragen hat. Er befindet sich in der Abhängigkeit von anderen, was zum einen ein echtes Planungsproblem darstellt, zum anderen aber auch grundsätzliche Fragen stellt: Darf der Steuergesetzgeber den Steuerpflich­ tigen so von den Handlungen anderer abhängen lassen? Wird der Steuer­ pflichtige nicht damit zum Objekt, zum Spielball der Willkür anderer? Oder steuerrechtsimmanent gefragt: Wie kann sich durch eine Handlung eines Fremden – etwa der Weiterveräußerung eines Wirtschaftsguts von A an einen beliebigen X – die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (des B) erhöhen und damit ein Steuerzugriff legitimiert werden? In der Literatur wird dieses Phänomen teilweise als „Tatbestandverwirk­ lichung durch Dritte“ bezeichnet, teilweise als „Fremdverwirklichung des Tatbestandes“, als „Besteuerung aus Drittverhalten“ oder allgemei­ ner als „fremdbestimmte Steuerwirkung“. Die Diskussion wird zumeist unter der Überschrift „Subjektsteuerprinzip“ bzw. „Grundsatz der Indi­ vidualbesteuerung“ geführt. Teilweise wird das Phänomen auch als Zu­ rechnungsproblem verstanden.1

II. Ziele der Arbeit Die Arbeit will das Phänomen der Fremdbestimmung im Steuerrecht aufzuarbeiten. Dieser Anspruch lässt sich in drei konkrete Ziele überset­ zen:

1 Zur Begriffsbildung mit Nachweisen siehe S. 9 ff.

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A. Einleitung

1. Prinzip der individuellen Tatbestandsverwirklichung – Konkretisierung des Prinzips der Individualbesteuerung bzw. des Subjektsteuerprinzips Erstes Ziel ist es, das Problem der Fremdbestimmung grundsätzlich zu erfassen. Im Zusammenhang mit einzelnen Normen wie etwa § 8c KStG wird oft und schnell der Vorwurf der Systemwidrigkeit erhoben, ohne dass näher ausgeführt wird, was das System nun ist. Gleichfalls wird behauptet, es gebe einen Grundsatz, wonach der Steuerpflichtige selbst den Tatbestand zu verwirklichen habe. Dieser Grundsatz wird auch als Ausprägung des Prinzips der Individual- bzw. Subjektbesteuerung ver­ standen. Es soll in der Arbeit nachgewiesen werden, dass ein solcher Grundsatz tatsächlich besteht. Dieser Grundsatz soll dann dogmatisch verortet und sein Zusammenspiel mit anderen Prinzipien dargestellt werden. Die Ar­ beit verwendet in diesem Kontext die Begriffe Grundsatz und Prinzip synonym.2 2. Verknüpfung vermeintlich verschiedener Problemkreise Zweites Ziel ist es, einen Überblick über die Ausprägungen der Fremdbe­ stimmung zu schaffen. Der (steuerrechtsweite) Überblick über dieses Phänomen soll erreicht werden, indem verschiedene Diskussionen bei Einzelnormen auf einen gemeinsamen Kern zusammengeführt werden. Es soll gezeigt werden, dass vermeintlich verschiedene Problemkreise zusammenhängen,3 wie die Behaltefristen des Erwerbers mit Wirkung für den Veräußerer, der Wechsel im Gesellschafterbestand mit Wirkung für die Gesellschaft, die Zusammenveranlagung von Ehegatten, aber auch Haftungsansprüche und die Zulässigkeit des Abzugs von sog. Dritt­ aufwand.4 Zentraler Untersuchungsgegenstand sind die Fremdbestimmungen im Rahmen des Entstehens der Steuerschuld. Daher sind etwa Fragen der Haftung oder der Zurechnung von Wirtschaftsgütern (nur) parallele Pro­ bleme. Im Rahmen der Phänomenologie sollen die Referenzfälle nach 2 Dabei soll durch die Verwendung des einen oder anderen Begriffs keine Aussage über den Grad an Verbindlichkeit des Grundsatzes bzw. des Prinzips getroffen werden. Ausführlich zu Prinzipien- und Theorienbildung im Steuerrecht Drüen, FS J. Lang (2010), S. 57; Mössner, FS J. Lang (2010), S. 83. 3 So auch der Ansatz von Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivil­ rechtliches Ausgleichssystem (2013), S. 7, der als Referenzgebiete zusammenveran­ lagte Ehegatten und gewerbliche Personengesellschaften wählt. 4 Schon Kirchhof, Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 68 fasst die verschiedenartigen Fremdbestimmungen zusammen, wobei er diese als Modifikatio­ nen des Prinzips der Individualbesteuerung beschreibt.

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II.  Ziele der Arbeit

dem materiellen Grund des Näheverhältnisses geordnet werden. Mit dem jeweiligen Grund ist dabei regelmäßig auch eine bestimmte Rege­ lungstechnik (etwa Durchgriffe und Behaltefristen) verbunden, die eben­ falls reflektiert werden soll. Wenn verschiedene Problemkreise miteinander verknüpft werden, dann ergibt sich automatisch auch eine Zusammenschau, ein Vergleich. Es sollte sich so feststellen lassen, welche Gestaltungen bestimmte Pro­ bleme der Fremdbestimmungen besonders gelungen lösen.5 Entwick­ lungsperspektiven – vor allem für die Gesetzgebung – sollen aufgezeigt werden. Die Verknüpfung ist damit nicht bloß Selbstzweck, sondern Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung. 3. Dogmatik der Näheverhältnisse Absehbar ist, dass bei den aufgeführten Referenzsachverhalten stets ein gewisser Konnex zwischen Handelndem und Steuerpflichtigem festge­ stellt werden kann, sei er gesellschaftsrechtlich, arbeitsrechtlich oder durch ein sonstiges Näheverhältnis6 begründet. Diese verschiedenen Zu­ sammenhänge sollen systematisiert7 werden und so das dritte und be­ deutendste Ziel der Arbeit erreicht werden: eine Dogmatik der Nähebzw. Abhängigkeitsverhältnisse im Steuerrecht zwischen Handelndem und Rechtsfolgenträger. Dieser Zusammenhang soll aber nicht nur durch eine Bestandsaufnahme der Grenzfälle im geltenden Steuerrecht erreicht werden, sondern auch durch die Bezugnahme auf höherrangiges Recht. Dabei wird als Hypothese angenommen, dass es einen allgemeinen Zu­ rechnungsgrund gibt, der sich grundsätzlich durch das gesamte Recht, zumindest aber durch das Steuerrecht zieht. Abweichungen hiervon mö­ gen durch systemimmanente Verwerfungen begründet sein; gleichwohl lassen sich diese Verwerfungen ebenfalls nach einem besonderen Zu­ rechnungsgrund systematisieren. Dabei soll versucht werden, das Be­ sondere nicht als im Widerspruch zum Allgemeinen stehend zu sehen, sondern als notwendige Anpassung des Allgemeinen in besonderen Um­ ständen. 5 Eine solche Wertung erfolgt etwa im Rahmen der Untersuchung der fremdbestimm­ ten Steuerwirkungen und dem Rechtsstaatsprinzip (S. 310 ff.). 6 Den Begriff des Näheverhältnisses verwendet auch Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rn. 3, um die Zurechnung einer Handlung eines Fremden zum Steuerpflichtigen im Rahmen des § 38 AO zu begründen. 7 Eine solche Systematisierung von Näheverhältnissen hat für das Deliktsrecht etwa Prölss, FS Canaris, Bd. 1 (2007), S. 1037 vorgenommen. Für fremdbestimmte Steuer­ wirkungen wurde von Lippmann, Steuerliche Dritteinflüsse als ökonomisches und praktisches Problem (2010), S. 21 ff. für die Zwecke der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre folgende Differenzierung vorgenommen: Bestehende, vergangene und keine Rechtsbeziehung.

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A. Einleitung

III. Methodik und Rechtfertigung Ausgangspunkt der Arbeit ist das „Störgefühl“8 im Zusammenhang mit fremdbestimmten Steuerwirkungen. Motivation für die Arbeit ist damit die Neugier, das Interesse an dem Phänomen. Dieses soll daher verständ­ lich gemacht und systematisch eingeordnet werden. Dabei ist der Blick auf die Grenzfälle, nicht auf die typischen Fälle gerichtet.9 Zur Durchdringung und Systematisierung orientiert sich die Arbeit an einer Herangehensweise, die bislang vor allem im verwaltungsrechtli­ chen Schrifttum reflektiert und insbesondere von Schmidt-Aßmann aus­ geformt wurde:10 1. Überblick über die Vorgehensweise Die Arbeit beginnt mit der Frage nach dem allgemeinen Zurechnungs­ grund im Steuerrecht. Wann werden dem Steuerpflichtigen grundsätz­ lich Einkünfte zugerechnet? Die darauf zu gebende allgemeine Antwort soll dann in der späteren Phänomenologie11 als Maßstab an die patholo­ gischen Fälle angelegt werden. Zur Beantwortung wird vor allem auf das steuerrechtliche Schrifttum und die Rechtsprechung der Finanzgerichts­ barkeit abgestellt. Eine echte Phänomenologie ist angesichts der großen Fülle der „Normalfälle“ nicht möglich, wenn der Fokus der Arbeit auf den Ausnahmefällen liegen soll, nämlich bei den Fremdbestimmungen als den besonderen Zurechnungsgründen. Berücksichtigt werden sollen aber zwei andere Zurechnungs- bzw. Belastungskonstellationen, näm­ lich die Zurechnung von Wirtschaftsgütern und die verschiedenen Grün­ de für die Haftung von Steuerschulden. Damit soll die Arbeit auf ein breiteres Fundament im allgemeinen Steuerrecht gestellt werden. Der zweite Teil ist das Kernstück der Arbeit, eine Phänomenologie im geltenden Steuerrecht. Der Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht er­ hoben; vielmehr werden bestimmte Ausschnitte des Steuerrechts als Re­ ferenzfälle herangezogen. Das System wird dabei so erkannt, wie es vor­ gefunden wird. Mögliche verfassungsrechtliche Überformungen werden bei der Bestandsaufnahme zunächst ausgeblendet; die den Referenzfällen 8 Vgl. die rechtstheoretische Dissertation von Hänni, Vom Gefühl am Grund der Rechtsfindung (2011), insb. S. 124 ff. 9 Insoweit unterscheidet sich diese Arbeit auch von anderen aktuellen Arbeiten, wie etwa Danz, Subjektsteuerprinzip (2017). Dabei wird zuerst ein Prinzip hergeleitet, teilweise induktiv, teilweise deduktiv aus „normalen“ Referenzfällen. 10 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (2004), S. 3 ff. Außerdem auch in Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrechtliche Dogmatik (2013). 11 Zum Begriff der Phänomenologie als der „Lehre von den Erscheinungen“ und deren Rolle in der Rechtsfindung Hänni, Vom Gefühl am Grund der Rechtsfindung (2011), S. 17 ff.

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III.  Methodik und Rechtfertigung

zugrundeliegenden Spannungsfelder werden aber in der Phänomenologie im Anschluss an die einzelnen Referenzfälle aufgezeigt. In der gesamten Phänomenologie werden in den unterschiedlichen Teilen und Fallgrup­ pen konkrete Referenznormen benannt, anhand derer die Probleme der Fremdbestimmung induktiv herausgearbeitet werden. Es wird der Inhalt der Beziehung zwischen Handelndem und Rechtsfolgenträger untersucht, sowohl in Bezug auf tatsächliche Verhältnisse als auch auf die meist zivil­ rechtlichen Vorgaben. Dabei erfolgte im Vorfeld eine Ordnung: Es wird vermutet, dass irgendein Konnex, ein besonderer Zurechnungsgrund, zwischen Handelndem und Rechtsfolgenträger besteht, und als solcher auch in der Ordnung benannt. Daher werden die identifizierten, besonde­ ren Zurechnungsgründe einzeln untersucht und insbesondere an dem allgemeinen Zurechnungsgrund gemessen. Dabei wird zugleich die Frage mitbehandelt, wie dieser besondere Zurechnungsgrund (etwa eine Ge­ sellschafterstellung) technisch verwirklicht wird, etwa durch eine Haf­ tung oder einen Durchgriff. Eine Aufspaltung in eine sog. materielle und eine sog. technische Phänomenologie erscheint dabei nicht sinnvoll, denn in den meisten Fällen gehen bestimmte Formen der Fremdbestim­ mung auch mit bestimmten materiellen Zurechnungsgründen einher.12 Das Gegenstück zur Phänomenologie der pathologischen Fälle im einfa­ chen Recht ist die Beantwortung der Frage, welche externen Vorgaben an das Verhältnis von Handelndem und Steuerpflichtigem gestellt werden. Diese Vorgaben weisen eine diverse normhierarchische Herkunft auf. Sie ergeben sich wie das Rechtsstaatsprinzip aus Staatsstrukturprinzipien bzw. den Grundrechten, aber auch aus fundamentalen steuerrechtlichen Prinzipien wie dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähig­ keit und dem Markteinkommensprinzip. Diese Ableitungen bilden da­ mit ein Widerlager, ein Korrektiv für die pathologischen Fälle. Schließ­ lich werden die Vorgaben an das einfache System mit diesem abgeglichen und gegebenenfalls in Einklang gebracht. Abschließend werden die Er­ gebnisse dieser Arbeit in Thesenform zusammengefasst. 2. Zur Aufteilung zwischen einfachem Recht und Verfassungsrecht Der Aufbau der Arbeit betont die Trennung zwischen den Grenzfällen des einfachen Rechts und dem Verfassungsrecht. Grund hierfür sind zum einen allgemeine systematische Überlegungen, zum anderen und vor al­ lem aber steuerrechtsspezifische Erwägungen.

12 Allerdings erfolgt unter dem Rechtsstaatsprinzip eine Kontextualisierung der ver­ schiedenen technischen Ausgestaltungen der Referenznormen (S. 310 ff.).

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A. Einleitung

a. Inspiration der Verfassungssätze Die erste, allgemeine Erwägung ist die Fähigkeit des einfachen Rechts, oder zumindest eines bestimmten Teils hiervon, als Inspirationsquelle zu dienen für das (ausfüllungsbedürftige) Verfassungsrecht. Der heute all­ gemein auf Ebene der Verfassung verortete Grundsatz der Verhältnismä­ ßigkeit etwa wurde zunächst im Polizeirecht erkannt und erst später im Rechtstaatsprinzip bzw. den Grundrechten rezipiert.13 In der vorliegen­ den Arbeit soll durch die Systemanalyse des Steuerrechts hinsichtlich der Fremdbestimmung vor allem das Rechtstaatsprinzip konkretisiert und ausgefüllt werden. b. Die Verfassung als Widerlager Die Verfassung erfüllt als eine getrennt vom einfachen Recht zu sehende Rechtsquelle die Funktion als Rahmenordnung14 oder Widerlager15. Sie kann angesichts ihrer Allgemeinheit und Ausfüllungsbedürftigkeit nur bedingt die Rolle einer Primärerkenntnisquelle übernehmen. Jedoch kann sie Leitlinien setzen für ein Rechtsgebiet. Sie nimmt als allgemei­ nere Norm die Erkenntnisse anderer Rechtsgebiete in sich auf und wird ein aus der gesamten Rechtsordnung gebildeter Maßstab. Daraus folgt ein „Rechtfertigungsgebot“ für das jeweilige Rechtsgebiet, um die Diszi­ plinierung von Sonderinteressen zu bewirken.16 Die Reaktion des Steuer­ rechts auf das Verfassungsrecht soll in der Synthese entstehen. Durch die Disziplinierung erfolgt wiederum ein Wechselbezug. c. Systembildung und der axiologische Ansatz im Steuerrecht Im derzeitigen steuerrechtlichen Methodendiskurs ist der sog. axiolo­ gische Ansatz herrschend.17 Demnach ist bei der Auslegung und der ­Anwendung des Steuerrechts nicht beim schlichten Gesetzeswortlaut 13 Zur Geschichte und späteren Anhebung auf die verfassungsrechtliche Ebene Stern, FS Lerche (1993), S. 165 (168), Wahl, FS Würtenberger (2013), S. 823 (824 ff.); siehe Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Über­ maßverbotes (1995) zur historischen Entwicklung bis 1933; grundlegend zur Erhe­ bung in den Verfassungsrang Krauss, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1955), S. 4 ff. im Besonderen, sowie Michael, VVDStRL 75 (2016), S. 131; Wollenschläger, VVDStRL 75 (2016), S. 187. 14 Meyer-Hesemann, Methodenwandel (1981), S. 137 ff.; Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht (2007), S. 399 f. 15 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (2004), S. 3; Möllers, Der vermisste Leviathan (2008), S. 78. 16 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (2004), S. 7; auch Hey, StuW 2015, S. 3 (18) mahnt den notwendigen Dialog zwischen Steuerrechts- und Staatsrechtswissenschaft an. 17 Einführend hierzu Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht (2007), S. 241 ff.; zum axiologischen Ansatz in der Rechtsphilosophie Hänni, Vom Gefühl am Grund der Rechtsfindung (2011), S. 69 ff.

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III.  Methodik und Rechtfertigung

stehenzubleiben; auslegungs- und anwendungsleitend sind vielmehr Sys­ temvorstellungen. Anders etwa als eine teleologische Herangehensweise ist das System als solches und nicht die hinter der einzelnen Norm ste­ hende Intention maßgeblich. Innerhalb dieses Ansatzes können bei grober Betrachtung zwei ver­ schiedene Ansätze ausgemacht werden, die sich bezüglich der Herlei­ tungsrichtung der Systemgrundsätze unterscheiden. Teile der Steuer­ rechtswissenschaft wollen Prinzipien in erster Linie induktiv aus den Einzeltatbeständen und den Rechtsbegriffen des einfachen Rechts gewin­ nen. Eine Rückkoppelung an das Verfassungsrecht erfolgt vor allem durch eine Aufwertung des Prinzips über den Gleichheitssatz, über den schließlich das System verwirklicht wird.18 Ein anderer Ansatz bei der Prinzipienbildung beginnt im Verfassungsrecht und versucht dabei, in Normen der Verfassung Aussagen zum System im Steuerrecht aufzufin­ den.19 Während die Phänomenologie dieser Arbeit mit ihrem induktiven Vor­ gehen zu Beginn dem erstgenannten Ansatz nahe steht, sind die Aus­ führungen zum Widerlager des Verfassungsrechts vor allem für letzteren relevant. Die Arbeit steht somit auf dem allgemeinen Boden der axiolo­ gischen Ansatzes; induktive und deduktive Herangehensweise stehen nicht zueinander im Widerspruch, sondern komplettieren sich. d. Referenzrahmen für Folgerichtigkeitsfragen Systeme erfüllen im Steuerrecht nicht nur Speicher- und rechtspoliti­ sche Funktionen. Anders als etwa im Verwaltungsrecht20 werden im Steuerrecht Systemüberlegungen häufig mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG angestellt.21 Das Bundesverfassungsgericht misst an diesem Maßstab die Folgerichtigkeit der Belastungsentscheidung des Gesetzgebers und kann infolgedessen auch systemwidrige Normen als nicht folgerichtig, den

18 Zuerst Tipke, StuW 1971, S. 2 (5 ff.), der vor allem die zivilrechtliche Arbeit von Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz (1969) für das Steu­ errecht rezipiert. 19 Diese Herangehensweise erfordert natürlich eine tiefgehende Untersuchung der verschiedenen Ausprägungen und Verbürgungen der infrage stehenden Grundrechte und Prinzipien von Verfassungsrang, die flankiert wird von der Verfassungsrecht­ sprechung, wie zum Beispiel mit Bezug auf Art. 6 Abs. 1 GG in BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehegatten), in BVerfGE 6, S. 55. 20 So fehlt etwa in der Aufzählung der Funktionen der Systembildung bei Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee (2004) die Folgerichtigkeit. 21 So schon Tipke, StuW 1971, S. 2 (5 ff.), der die „stärkste Wirkkraft“ des Systemge­ dankens in der Durchsetzung dieses Systems mit Hilfe des Gleichheitssatzes sieht. Siehe für das Unternehmenssteuerrecht auch Hey, DStR 2009, S. 2561.

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A. Einleitung

Gleichheitssatz verletzend und damit verfassungswidrig verwerfen.22 Mit der Fokussierung auf das System als das ultimative Kriterium der Auslegung und Anwendung wird eine Gegenposition zum geltenden ein­ fachen Recht aufgebaut. Die Rechtsprechung zur Folgerichtigkeit ist nicht unumstritten. Während zumeist innerhalb des Steuerrechts die Rechtsprechung als die Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit begrüßt wird, die den irrationalen Gesetzgeber zur Vernunft bringt,23 wird vor allem außerhalb des Steuerrechts, aber innerhalb des öffentli­ chen Rechts die Rechtsprechung zur Folgerichtigkeit kritisch gesehen. Dabei werden vor allem Bedenken vorgebracht, die eine Beeinträchti­ gung des Demokratieprinzips24 und eine Anmaßung von Judikative und Wissenschaft im Verhältnis zur Legislative rügen25. Zu diesem Diskurs verhält sich die vorliegende Arbeit neutral.26 Brüche der hier zunächst in der Phänomenologie induktiv zu ermittelnden Grundsätze als verfassungswidrig zu benennen, ist kein gesetztes Ziel der Arbeit. Die Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Widerlager beinhalten bewusst keine Aussage zu Art. 3 GG und dem zugehörigen

22 Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, siehe in jüngerer Vergan­ genheit insbesondere BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, Az. 2 BvL 1/07 (Pendlerpauschale), in BVerfGE 122, S. 210 m.w.N. 23 Kirchhof, AöR 128 (2003), S. 1; Schön, Beihefter zu Heft 17, DStR 2008, S. 10 (17 f.); Waldhoff, Die Verwaltung 2008, S. 259; Englisch, FS J. Lang (2010), S. 167; Drüen, StuW 2008, S. 3 (9). Kritisch zur Fähigkeit der parlamentarischen Demokratie, ein systematisches Steuerrecht zu entwickeln Hey, StuW 2015, S. 3 (16); Tipke, StuW 2013, S. 97 (100 f.); Hey, StuW 2008, S. 167 (167): Recht „von Finanzbeamten für Finanzbeamte“. 24 Möllers, Demokratie – Zumutungen und Versprechen (2008), S. 43 f. Dagegen aber Hey, StuW 2015, S. 3 (16), die keinen abgesenkten Kontrollmaßstab für den Steuer­ pflichtigen begründet sieht. 25 In jüngerer Zeit am stärksten rezipiert: Nawrath, DStR 2009, S. 2 (3): „Sonstige sog. Steuerrechtsprinzipien können für den Gesetzgeber immer nur Referenzposition sein. Alle diese sonstigen Prinzipien des Steuerrechts werden im Lichte von politi­ schen und ökonomischen Veränderungen und Entwicklungen über die Zeit immer wieder neue Ausprägungen erhalten“. Darüber hinaus aber auch Payandeh, AöR 136 (2011), S. 578; Lepsius, Das entgrenz­ te Gericht (2011), S. 159; Lepsius, JZ 2009, S. 260; Musil, FS E. Klein (2013), S. 237 (246 f.). 26 Zuzustimmen ist im Ergebnis Schön, Beihefter zu Heft 17, DStR 2008, S. 10 (14): „Es gibt auch steuerpolitische Torheiten unterhalb der Grenze zum Verfassungs­ bruch, und es wäre ein erheblicher Gewinn für den steuerpolitischen Diskurs, wenn die Bereitschaft zum Dialog über steuerliche Prinzipien auch ohne die Keule des Verfassungsrechts hergestellt werden könnte“; vgl. auch Schön, StuW 2018, S. 201 (208). Ebenso Heuermann, DStR 2013, S. 1: Es „ist nicht jede Vorschrift, die aus welchen Gründen auch immer missfällt, verfassungs- oder unionsrechtswidrig“. Weber-­ Grellet, StuW 2016, S. 226 (231): „Steuerrechtswissenschaft und Steuerpolitik ar­ beiten – gemeinschaftlich – an derselben Aufgabe“.

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IV. Begriffserläuterungen

Diskurs. Solche Schlüsse können zwar auf Grundlage der Rechtspre­ chung zur Folgerichtigkeit gezogen werden,27 sind aber nicht zwingend. 3. Der Bezug auf verschiedene Steuerarten Die Arbeit möchte sich in ihren Referenzfeldern und im allgemeinen Teil auf alle Steuerarten beziehen. Die Richtigkeit der Aussagen wird grundsätzlich für alle Steuerarten vermutet. Dennoch ergeben sich na­ turgemäß Verwerfungen, wenn etwa die Personengesellschaft einerseits im Einkommensteuerrecht weitgehend transparent ist und Ergebnis­ korrekturen für einzelne Gesellschafter durch Ergänzungsbilanzen er­ folgen, andererseits aber für Zwecke der Gewerbesteuer mit ihren Ge­ sellschaftern als weitgehend monolithisches Objekt gesehen wird. Im allgemeinen Teil dieser Arbeit wird der Fokus auf das Recht der Einkom­ mensteuer (und Körperschaftsteuer) gelegt; der übermäßige Einbezug der (anachronistischen) Gewerbesteuer und das Zusammenspiel mit den anderen Ertragsteuern würde die Darstellung des allgemeinen Zurech­ nungsgrunds diffundieren. Dieser Fokus soll für den Bereich der Phänomenologie daher zum Zwe­ cke der Vergleichbarkeit von allgemeinem Maßstab und Referenzfällen durchgehalten werden.28 Dennoch kann etwa im Bereich der Personenge­ sellschaft eine so problematische und unter dem Schlagwort der fremd­ bestimmten Steuerwirkungen so prominent diskutierte Norm wie § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG nicht übergangen werden.

IV. Begriffserläuterungen 1. Fremdbestimmte Steuerwirkungen Die Überschriften, unter denen das hier zu untersuchende Problem der Personenverschiedenheit von Handelndem und Rechtsfolgenträger dis­ kutiert wird, und die hierbei verwendeten Begriffe sind vielfältig. Einige Begriffe etwa weisen einen Bezug zum Modell des Tatbestandes auf. Deutlich wird das etwa bei der Formulierung „Tatbestandsverwirk­ lichung durch Dritte“.29 Wenngleich dieser Formulierung eine gewisse 27 Zur vermeintlich schwächeren Durchsetzung von Prinzipien mit Hilfe des Folge­ richtigkeitssatzes im Recht der Unternehmensbesteuerung Hey, DStR 2009, S. 2561. 28 Dazu ausführlicher unten, S. 150. 29 Kamm, Über Grundlinien steuergesetzlicher Tatbestandsbildung und steuertatbe­ standlicher Garantiefunktionen, entwickelt an Zweifelsfällen von Steuerschuld­ nerschaft infolge Tatbestandsverwirklichung durch Dritte (1976); Sparrer, Sonder­ betriebsvermögen (2007), S. 54; Schmidt-Fehrenbacher, FS Herzig (2010), S. 459 (467); ähnlich Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (2): „Tat­ bestandsverwirklichung durch die Zurechnung von Drittverhalten“.

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A. Einleitung

Griffigkeit zuzugestehen ist, so ist sie doch jedenfalls in den meisten hier zu behandelnden Konstellationen irreführend: Die Formulierung unter­ stellt, dass der (nicht im Tatbestand erwähnte) Steuerpflichtige „der Ers­ te“ sei, und der einzige im Tatbestand benannte Handelnde „der Dritte“. Wenn der Tatbestand aber nur auf eine Person Bezug nimmt und dieser den Tatbestand auch verwirklicht, dann wird der Tatbestand gerade nicht von einem Dritten (also einem anderen als den im Tatbestand Benann­ ten) verwirklicht; lediglich die Folgen der Tatbestandsverwirklichung treten beim Steuerpflichtigen auf.30 „Tatbestandsverwirklichung durch Dritte“ impliziert vielmehr, dass eine andere Person als die eigentlich im Tatbestand erwähnte Person – „der Erste“ – für diesen Ersten den Tatbe­ stand verwirklicht. Aus diesem Grund soll in der vorliegenden Arbeit der Begriff „Tatbestandsverwirklichung durch Dritte“ vermieden und eine gewisse sprachliche Distanz zum Modell des Tatbestandes eingehalten werden. Crezelius verzichtet auf die Bezugnahme zum Tatbestand, behält aber den Dritten im Titel und bezeichnet das Problem als „Besteuerung aus Drittverhalten“31. Mit der Bezugnahme auf den Dritten übernimmt er eine bei manchen Problemen im Steuerrecht (z.B. Drittaufwand32) ge­ bräuchliche Namensgebung: Jeder, der nicht der Steuerpflichtige ist, ist „der Dritte“. Daraus ergeben sich aber Friktionen zur Begriffsbildung in anderen Rechtsgebieten, in denen die Durchdringung paralleler Problematiken schon weiter fortgeschritten ist. Auch außerhalb des Steuerrechts wird in Fällen, in die Belastungsfolgen bei einer anderen als der handelnden Person auftreten, der Dritte erwähnt. Der Begriff wird in der Belastungs­ konstellation gerade im Vertragsrecht und Prozessrecht verwendet. Im Vertragsrecht herrscht das Dogma, dass „kein Vertrag zu Lasten Dritter“ abgeschlossen werden darf;33 im Verwaltungsprozessrecht wird gerade im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO34 der drittschützende Charakter der 30 Ähnliches gilt für den „Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung“, der auch als Bezeichnung, vor allem aber als Prüfungsmaßstab für das Problem angebo­ ten wird (hierzu unten, S. 34 ff.); so auch Crezelius, FR 2002, S. 805 (809), der aber die Frage aufwirft, ob nicht Art. 20 Abs. 3 GG zusätzlich verlangt, dass der steuer­ rechtliche Eingriff auch nicht vom Verhalten eines anderen Privaten abhängt. Dazu siehe hier unten, S. 290 ff.). 31 Crezelius, FR 2002, S. 805; Crezelius, Beihefter zu Heft 51–52, DStR 2013, S. 99 (106). Der Begriff hat nur vereinzelt Anhänger gefunden, etwa Geck, FS Spiegelber­ ger (2009), S. 128 oder Beyschlag, Transfer von Einzelwirtschaftsgütern bei gewerb­ lichen Personenunternehmen (2010), S. 165. 32 Siehe unten, S. 31. 33 So Martens, AcP (1977), S. 113; noch weitergehend neuere Ansätze im Zivilrecht, etwa bei Thomale, Leistung als Freiheit (2012), S. 258 ff.: „Keine Willenswirkung zu Lasten Dritter“. 34 Eine ähnliche Formulierung findet sich in § 40 Abs. 2 FGO und § 350 AO.

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IV. Begriffserläuterungen

streitentscheidenden Norm relevant. Die Verwendung des Begriffs „Drit­ ter“ unterscheidet sich in diesen Fällen allerdings grundsätzlich von der bei „Besteuerung aus Drittverhalten“. In allen anderen Fällen hat der Dritte die Folgen zu tragen, die sich aus den Handlungen des Ersten und des Zweiten (der ersten und zweiten Vertragspartei; des Adressaten des Verwaltungsaktes und der Behörde) ergeben. Bei einer „Besteuerung aus Drittverhalten“ aber liegt genau der umgekehrte Fall vor – der Dritte ver­ ursacht die Folgen, die beim Ersten eintreten, also „Drittbesteuerung aus Erstverhalten“. Darüber hinaus lässt sich für das Steuerrecht festhalten, dass hier – an­ ders als etwa im Baurecht – klassischerweise kein „mehrpoliges Rechts­ verhältnis“ anzunehmen ist. Es ist gerade kein Bereich, in welchem die Verwaltung „dem einen Bürger nichts geben kann, ohne dem anderen etwas zu nehmen“.35 Bei den in dieser Arbeit zu untersuchenden patho­ logischen Fällen wird im Vorfeld des fiskalischen Zugriffs Bezug genom­ men auf den Fremden. Zu diesem Zeitpunkt ist der Fiskus – wohl als der Zweite und anders etwa als im Baurecht mit einer Baugenehmigung oder Abrissverfügung – noch gar nicht in Erscheinung getreten. Um eine sprachliche Dissonanz im Diskurs mit der Fremdbelastungsproblematik in anderen Rechtsgebieten zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, in der hier zu untersuchenden Konstellation den Begriff des Dritten zu vermei­ den.36 Der Handelnde, der nicht die Steuerwirkungen zu tragen hat, ist schlicht der Fremde. Der Vielzahl der hier zu untersuchende pathologischen Fälle ist es ge­ mein, dass aus irgendeinem Grund, unabhängig von der technischen Ausgestaltung, eine andere Person die Rechtsfolgen zu tragen hat als die Person, die gehandelt hat. Der wirtschaftlichen Betrachtung dieser Fremd­ belastungen geschuldet geht daher der Blick, zumindest für die Findung eines übergeordneten Titels, zur betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, die Wirkungen37 unabhängig von ihrer technischen Ausgestaltung betrachtet. In der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre hat sich hierfür der Begriff der „fremdbestimmten Steuerwirkung“ herausgebildet.38 35 So für das Baurecht pointiert etwa Wahl, JuS 1984, S. 577 (578). Das Steuerrecht hingegen konzentriert sich ausschließlich auf „das Nehmen“, um dem Haushalts­ gesetzgeber das spätere Geben zu ermöglichen. 36 In dem hier vertretenen Sinne ist der Bezug auf den Dritten etwa bei der Haftung, wenn der Haftungsschuldner der Dritte nach dem Hauptschuldner (1) und dem Fis­ kus als Gläubiger (2) ist; so auch Krumm, StuW 2012, S. 329: „Drittwirkung eines Rechtserkenntnisaktes gegenüber dem Haftungsschuldner“. 37 Auch Martens, AcP (1977), S. 113 spricht von (zivilrechtlichen) Rechtsgeschäften mit Lastwirkungen (allerdings gegenüber Dritten). 38 Grundlegend Rabald, Fremdbestimmte Steuerwirkungen und Personengesell­ schaftsverträge (1987), S. 1 ff.; Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Perso­ nen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 6 ff.

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A. Einleitung

Als erster hat Rabald definiert, dass fremdbestimmte Steuerwirkungen vorliegen, wenn „die Person des [endgültig steuerlich Belasteten] von der über den Termin der Ent­ stehung der Steuer, ihren Umfang oder ihre interpersonale Verteilung bestimmen­ den [Person] abweicht, d.h. wenn Steuerwirkungen vom (Entscheidungs-) Verhal­ ten anderer Wirtschaftssubjekte abhängig sind und sich der ‚Steuer(last)träger’ diesen Wirkungen nicht (mehr) oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln entzie­ hen kann.“39

Für den Begriff der Steuerwirkung bezieht sich Rabald v.a. auf die Defi­ nition40 von Rose, der Steuerwirkungen als Entscheidungsauswirkungen nach verwirklichtem Sachverhalt versteht.41 Die Frage, wann Steuerwirkungen fremdbestimmt sein sollen, beantwor­ tet Rabald mit einem Rückgriff auf die Definition42 von Abhängigkeits­

Im Anschluss an die Definition nach Rabald in der betriebswirtschaftlichen Steu­ erlehre hat der Begriff der fremdbestimmten Steuerwirkung mittlerweile eine Ver­ breitung auch in das steuerrechtliche Lager hinein gefunden, zunächst etwa Söffing, DStZ 1993, S. 587; mit Abstand dann auch Neu, DStR 2000, S. 1933 (1937); Brinkmann/Schmidtmann, DStR 2003, S. 93 (94); Beekmann, Ertragsteuerliche Be­ handlung der doppelstöckigen Personengesellschaft (2007), S. 42 ff.; Ley, FR 2007, S. 109 (118); Schwetlik, NZA 2008, S. 41 (43); Brinkmeier, EStB 2008, S. 316; Bormann, FS Spiegelberger (2009), S. 22; Levedag, FS Spiegelberger (2009), S. 328; ­Levedag, GmbHR 2009, S. 13; Wollweber/Beckschäfer, EStB 2010, S. 350; Damas in Saenger/Aderhold/Lenkaitis, 2. Aufl. (2011), § 15 C VI (Rn. 180); Karl, BB 2012, S. 368; Merbecks, BB 2012, S. 2423; Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem (2013), S. 633; Pfuhl, Steuerorientierte Rechtsformplanung (2014), S. 147 ff.; Dannecker/Rudolf, BB 2014, S. 2539 (2540); Mirbach/Riedel, FR 2015, S. 272 (272); Baschnagel, BB 2015, S. 349 (352); Müller, Verhalten zu Lasten Dritter (2016), S. 8; Schrade, FR 2017, S. 862 (863); Kahle, BB 2018, S. 747 (749); Prinz, FR 2019, S. 597; Prinz, FR 2019, S. 789. 39 Rabald, Fremdbestimmte Steuerwirkungen und Personengesellschaftsverträge (1987), S. 2. 40 Rose, FS Gutenberg (1982), S. 221 (224–227). Hüsing, Subjektive Steuerwirkungen (1999), S. 77 f. spricht von „Steuerzahlungswirkung“. 41 Eine andere Definition in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre (etwa vertreten von Schneider, Grundzüge der Unternehmensbesteuerung (1994), S. 79; Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung (2002), S. 19 ff.) versteht Steuerwirkungen als Ent­ scheidungseinwirkungen, also die Beeinflussung der betrieblichen Entscheidungen durch die Existenz von Steuern. Eine solche Definition umschreibt aber ein anderes Phänomen als das in dieser Arbeit zu behandelnde bzw. erfasste Folgeprobleme, das sich aus dem Problem der fremdbestimmten Steuerwirkungen ergibt, z.B. wenn auf Grundlage kautelar-juristischer Lösungsvorschläge Sachverhalte anders verwirk­ licht werden. Schneider (a.a.O.) bezeichnet (wohl kritisch) die Definition von Rose als eine nicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, sondern der „angewandten Steuerrechtslehre“. Wie Schneider auch Bareis, Steuern in der betrieblichen Pla­ nung (1969), S. 14; Marettek, Steuerbilanz und Unternehmenspolitik (1971), S. 12. Hüsing, Subjektive Steuerwirkungen (1999), S. 77 f. spricht hier von „Entscheidungs­ wirkung“. 42 Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 3 (1977), S. 184, 193: „A hat über B Macht, wenn B von A abhängig ist“.

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IV. Begriffserläuterungen

verhalten von Kirsch. Fremdbestimmtheit besteht dann, wenn eine Per­ son Macht über eine andere ausüben kann, entweder dergestalt, dass eine positive Wirkung durch Verweigerung der Mithilfe nicht eintritt, oder so, dass eine negative Wirkung durch eine Handlung oder Erklärung des an­ deren hervorgerufen wird.43 Nicht Gegenstand dieser Arbeit sollen die fremdbestimmten Steuerwir­ kungen i.w.S. nach der Definition von Rabald sein, die durch den Staat bedingt sind.44 Ausgeschlossen ist auch die „Fremdbestimmung“, die sich auf Grund der „Klarstellung“ einer (zunächst) unklaren Rechtslage durch die Judikative oder gar Legislative45 ergibt. Untersuchungsgegen­ stand sind in dieser Arbeit die Steuerwirkungen, die vom Verhalten nichtstaatlicher Akteure abhängen, ungeachtet deren Verbindung zu dem Steuerpflichtigen. Im Anschluss an die Begriffsbildung von Rabald, der in dieser Arbeit ge­ folgt wird,46 gibt Söffing eine etwas kürzere und zugleich wohl auch et­ was engere Definition. Für ihn sind Steuerwirkungen „fremdbestimmt, wenn sie nicht durch das Verhalten des Steuerlastträgers, sondern durch das Verhalten eines anderen Wirtschaftssubjektes ausgelöst worden sind“.47 Damit wird auch deutlich, dass fremdbestimmte Steuerwirkun­ gen nicht schon dann entstehen, wenn der Fremde dem Steuerpflichtigen etwa Ware abkauft (oder nicht), und so über das Entstehen des Gewinns bei diesen entscheidet. Auslösen ist wertungsmäßig stärker, und soll so verstanden werden, dass die Handlung des Fremden zentraler Anknüp­ fungspunkt der Steuernorm ist, und nicht bloße Erfolgsqualifikation der Handlung des Steuerpflichtigen. Im Rahmen der jeweiligen Referenznormen wird auch darauf einzugehen sein, bei wem die Steuerwirkung tatsächlich eintritt, wer also jeweils der endgültig steuerlich Belastete ist. Die intendierte bzw. vorhersehbare endgültige Belastung (also eventuelle Überwälzungen) sind für die Beur­ teilung der Norm maßgeblich und vom Steuergesetzgeber zu berücksich­

43 Rabald, Fremdbestimmte Steuerwirkungen und Personengesellschaftsverträge (1987), S. 2 f. 44 Rabald, Fremdbestimmte Steuerwirkungen und Personengesellschaftsverträge (1987), S. 8. Zu untersuchen bleibt aber, ob verfassungsrechtlichen Maßstäbe wie das Willkürverbot, die vor allem für staatlich bewirkte Belastungen entwickelt wurden, auf die Fälle übertragbar sind, in denen die Steuerwirkung von der Hand­ lung eines Fremden abhängt (siehe dazu ausführlich unten, S. 302 ff.). 45 Zur Unzulässigkeit dieser fremdbestimmten Steuerwirkung i.w.S. BVerfG, Be­ schluss v. 17.12.2013, Az. 1 BvL 5/08, in BGBl. I 2014, S. 255. 46 Auch Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesell­ schaften (2010), S. 9 folgt Rabalds Nomenklatur. 47 Söffing, DStZ 1993, S. 587 (588), Hervorhebung durch den Verfasser.

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A. Einleitung

tigen.48 Eventuelle Überwälzungseffekte sind nicht nur bei der Umsatz­ steuer zu bedenken, sondern auch im Kontext direkter Steuern.49 Gleichfalls auf Ebene der Phänomenologie ist die Frage zu untersuchen, ob tatsächlich ein anderes, fremdes Wirtschaftssubjekt vorliegt, das Steu­ erwirkungen beim Steuerpflichtigen auslöst. In manchen Fällen mag die Nähebeziehung zwischen Steuerpflichtigem und handelndem Wirt­ schaftssubjekt so eng sein, dass man gar nicht mehr von Personenver­ schiedenheit zwischen Steuerpflichtigem und vermeintlich Fremden sprechen kann, jedenfalls aber Abstufungen hinsichtlich der Fremdbe­ stimmung geboten sein könnten.50 Dennoch soll zumindest zur erstmaligen Feststellung der fremdbestimm­ ten Steuerwirkungen ein solcher wirtschaftlicher Betrachtungsmaßstab noch nicht angelegt werden. Die juristisch begründete Subjektivität wird beachtet. Es wird also zum Beispiel unterstellt, dass der Alleingesell­ schafter einer GmbH und die GmbH sich fremd sind, so dass zwischen ihnen auch fremdbestimmte Steuerwirkungen im Sinne dieser Arbeit auftreten können. Eine wirtschaftliche Betrachtung kann die Wirkung erklären und eventuell rechtfertigen, die Fremdbestimmung juristisch aber nicht beseitigen. Soweit ersichtlich bislang nur einmal verwendet ist der Begriff der „auf­ gedrängten Steuerlast“51 – und dann explizit als Synonym für fremdbe­ stimmte Steuerwirkungen. Der Begriff stellt dabei eine zutreffende Um­ schreibung des hier behandelten Problems dar, dem keine der oben gemachten Vorhaltungen entgegenstehen. Er unterscheidet sich aber von den fremdbestimmten Steuerwirkungen insofern, als dass er nicht auch begünstigende, für den Belasteten positive Wirkungen umfasst, wie sie etwa vor allem beim Splitting der Ehegatten52 oder der Organschaft53 auf­ treten. Zugegebenermaßen stehen bei der Problematisierung der Fremd­ bestimmung meist die belastenden Wirkungen im Vordergrund. In die­ sem, dem weitaus größten Teilbereich des hier behandelten Problems bietet sich daher der Begriff der aufgedrängten Steuerlast als Alternative an. Auf Grund der geringen Rezeption im Vergleich zum Begriff der

48 Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (6); Tipke, Steuer­ rechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. (2003), S. 584 und 979 ff. 49 Allgemein: Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (225 f.). Zur Definition von direkten und indirekten Steuern und Überwälzung siehe Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel (2008), S. 557 ff. 50 So etwa im Rahmen der Steuerwirkungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrer Gesellschafter; siehe dazu S. 51 ff. 51 Mehren, BRAKMagazin 3 2013, S. 12. 52 Dazu ausführlich unten, S. 224 ff. 53 Dazu mehr unten, S. 94 ff.

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IV. Begriffserläuterungen

fremdbestimmten Steuerwirkungen ist er aber für Zwecke der Arbeit nur zweite Wahl. 2. Die „Zurechnung“ Ähnliche terminologische Probleme wie bei der Benennung des Phäno­ mens entstehen bei der korrekten und prägnanten Bezeichnung der wich­ tigsten Zielsetzung der Arbeit. Dieses Ziel ist die Systematisierung des Zusammenhangs zwischen dem Steuerpflichtigen und der handelnden Person bzw. deren Handlung und dem Erfolg dieser Handlung. Dafür bie­ tet sich der Begriff der Zurechnung an. Zurechnung ist allgemein als Ver­ knüpfung zu verstehen, meist in der Form, dass einer Person etwas zugerechnet wird: eine Handlung, ein Erfolg, ein Objekt. Im Einkommensteuerrecht herrscht aber teilweise ein anderes, engeres Verständnis von Zurechnung. So hält etwa Stadie Zurechnung nur im Rahmen des Tatbestands für möglich. Zurechnung meint für ihn auch nur die Zurechnung von Einkünften.54 Anlass seiner Überlegungen ist § 26b EStG, der von einer „Zusammenrechnung“ der Einkünfte der bei­ den Ehegatten spricht. Zurechnung wäre so verstanden in den meisten hier zu untersuchenden Fällen nicht der richtige Begriff für die Bezie­ hung von Steuerpflichtigem und Handelndem. Dennoch sollte der teilweise behaupteten (bzw. geforderten) Verwen­ dungsbegrenzung des Zurechnungsbegriffs auf den Tatbestand bzw. die Einkünfte nicht gefolgt werden. So beschreibt unter der Überschrift „Zu­ rechnung“ § 39 AO die Zurechnung von Wirtschaftsgütern, nicht von Einkünften. Im Rahmen von § 26b EStG wird die Zusammenrechnung als „besondere Zurechnung“ zum Ehepaar verstanden.55 Auch bei den hier virulenten Fällen des Durchgriffs56 spricht etwa Crezelius von einem „wertenden Zurechnungsproblem“57. Zurechnung ist – auch im Einkom­ mensteuerrecht – Verknüpfung. Es steht frei zu benennen, was miteinan­ der verknüpft wird.

54 Stadie, Persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern (1983), S. 118. Selbst das wird in der Literatur teilweise als zu weitgehend empfunden: Einer „Zurechnung” im eigentlichen Wortsinn soll es allenfalls dann bedürfen, wenn zwar die Dispositi­ onsbefugnis beim Steuerpflichtigen liegt, die der Einkünfteerzielung dienende Leis­ tung (Tätigkeit, Duldung oder Unterlassen) aber durch einen Dritten bewirkt wird; so Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rn. 103. 55 Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. B 206: § 26b EStG als beson­ dere Norm der Zurechnung. 56 Grundlegend zur Rechtsfigur des Durchgriffs Raupach, Durchgriff im Steuerrecht (1968). 57 Crezelius, FR 2002, S. 805 (810).

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A. Einleitung

Daher wird in der vorliegenden Arbeit das Verhältnis zwischen Handeln­ dem und Steuerpflichtigen als Zurechnungsverhältnis verstanden, das regelmäßig einen allgemeinen oder besonderen Zurechnungsgrund dar­ stellt. In diesem Sinne zugerechnet werden nicht (nur) Einkünfte, Wirt­ schaftsgüter oder Handlungen, sondern – abstrakt gesprochen – Sachverhalte.58

58 Den Begriff „Zurechnung von Sachverhalten“ verwendet auch Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (52).

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem I. Der allgemeine Zurechnungsgrund im Steuerrecht Der Arbeit liegt die Annahme zu Grunde, dass sich dem Steuerrecht eine allgemeine Aussage zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Han­ delndem entnehmen lässt. Anlass hierfür ist die Beobachtung, dass im Kontext der (in dieser Arbeit im Fokus stehenden) pathologischen Fälle stets deren besonderer Charakter betont wird. Die Verknüpfung von Handlung und Steuerpflicht sei bei diesen Normen außergewöhnlich, systemfremd bzw. systemwidrig, eine Modifikation.59 Um diese Behaup­ tungen in der Phänomenologie später überprüfen zu können, soll in die­ sem Kapitel kurz erläutert werden, was von Rechtsprechung und v.a. Li­ teratur als allgemein anerkannt wird.60 Während die Existenz einer allgemeinen Aussage zur Beziehung zwi­ schen Steuerpflichtigem und Handelndem häufig impliziert wird, so sind tiefergehende Untersuchungen zu genau diesem Thema selten geführt worden.61 Detaillierter wurde sich mit konkreten Einzelfragen, mit be­ stimmten Zurechnungskonstellationen verschiedenster Art beschäftigt (zur Aufzählung sogleich). Obgleich also die jeweiligen Zurechnungskri­ terien sich teilweise nicht auf dem in dieser Arbeit angestrebten Abs­ traktionsniveau befinden, so besteht doch die Vermutung, dass sich aus den einzelnen Kriterien etwas destillieren lässt. Beispielhaft vorweg zu nennen ist etwa die Diskussion um den allgemeinen Grund der Zurech­ nung von Einkünften zu einem Steuerpflichtigen. Regelmäßig muss in dieser Konstellation benannt werden, aus welchem Grund bestimmte steuerliche Wirkungen bei einem Steuerpflichtigen eintreten. Die Frage nach dem Wirkungsgrund ist es aber, die sich am dringlichsten bei den hier interessierenden Fällen der fremdbestimmten Steuerwirkungen stellt.

59 Kirchhof, Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 68. 60 Eine eigene kritische Würdigung des Maßstabs ergibt sich einerseits bei dessen An­ wendung auf die pathologischen Fälle auf S. 51 ff., andererseits auch bei der späte­ ren Zusammenschau der Ergebnisse mit Verfassungsrecht und steuerrechtlichen Grundsätzen auf S. 247 ff. 61 Soweit ersichtlich sind es vor allem die Arbeiten der Betriebswirtschaftlichen Steu­ erlehre, die – auch auf Grund der Fokussierung auf den allgemeineren Begriff der Wirkung – für ihre Zwecke diese Abstraktionshöhe anstreben, wenngleich dann wieder auf bestimmte Akteure bzw. Referenzfelder beschränkt, wie etwa Kapitalge­ sellschaften oder Personengesellschaften.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

Dabei soll im Folgenden der Stand der Literatur bezüglich verschiedener Zurechnungskonstellationen und Erkenntniszusammenhänge dargestellt werden: – Zuerst wird auf die grundsätzliche und wohl prominenteste Frage einzugehen sein: Wem sind (welche) Einkünfte zuzurechnen (II)? Hier­ zu gehört auch die Frage nach möglichen Ausdifferenzierungen, in­ wiefern also etwa bestimmte Einkunftsarten oder das Vorzeichen der Einkünfte Modifikationen an einer allgemeinen Formel erforderlich machen (II.5). – Regelmäßig erwähnt im Zusammenhang mit fremdbestimmten Steu­ erwirkungen – wie im Rahmen der Begriffsbildung schon festge­ stellt62 – wird der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteue­ rung. Inwiefern die Literatur hieraus tatsächlich Antworten für das Verhältnis von Steuerpflichtigem zu Handelndem gewinnen konnte, ist zu untersuchen (III). – Im Anschluss soll unter dem gleichen Gesichtspunkt der Grundsatz der Individualbesteuerung betrachtet werden (IV). – Außerdem soll die Zurechnungskonstellation beleuchtet werden, die unter der Überschrift „Zurechnung“ in der Abgabenordnung (§ 39 AO) erwähnt ist: die Zurechnung von Wirtschaftsgütern (V). – Schließlich wird ein weiteres, paralleles Problemfeld auf einen allge­ meinen Belastungsgrund hin untersucht: die Haftung für fremde Steuerschulden (VI).

II. Zurechnung von Einkünften 1. Bedeutungsgewinn bis in die 1970er Jahre Die Suche nach einem allgemeinen Grund für die Zurechnung von Ein­ künften hat in der Wissenschaft und Rechtsprechung erst relativ spät begonnen. Zu Zeiten des Reichsfinanzhofs etwa stand sie noch nicht im Fokus.63 Erst ab den 1960er Jahren wurde die Zurechnung von Einkünf­ ten problematisiert und war 1977 Thema der ersten Tagung der Deut­

62 Siehe oben, S. 9 ff. 63 Als Beispiel für die Literatur der Zeit siehe etwa Hensel, Steuerrecht, 3. Aufl. (1933), S. 59: Die Klarstellung, in welcher Beziehung der Steuerschuldner zum Steu­ erobjekt, stehen muss „ergibt sich allerdings meist fast unbemerkt aus den Tatbe­ standsnormen: der Steuerschuldner ist mit seinem steuerbaren Einkommen, mit seinem Vermögen steuerpflichtig, er muss ein bestimmtes Rechtsgeschäft vorge­ nommen haben, eine Leistung bewirkt haben, er muss die zollpflichtige Ware ins Inland überführt haben“. Dieser Befund hat auch heute noch grundsätzlich Gültig­ keit, vgl. Fischer, FR 2001, S. 1 (1); Waldhoff, FS Spindler (2011), S. 853 (858 ff.) mit dogmengeschichtlicher Erläuterung.

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II.  Zurechnung von Einkünften

schen Steuerjuristischen Gesellschaft.64 Die relativ späte „Popularität“ des Themas ist Folge von zwei unterschiedlichen Entwicklungen65 – ein Anreiz wurde gesetzt und Gestaltungshindernisse wurden aus dem Weg geräumt: Mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in den Jahren 1957 und 1964 zur Haushaltsbesteuerung66 und der anschließenden Neu­ regelung von §§ 26 ff. EStG wurde die Person des Steuerpflichtigen an Stelle des Haushalts in den Fokus gerückt.67 Von nun machte es einen Unterschied, ob ein Alleinverdiener oder ein anderes Haushaltsmitglied Einkünfte (für den Haushalt) erzielte. Durch Verlagerung von Einkünften auf nahestehende Personen können schließlich Progressionswirkungen und Freibeträge bzw. -grenzen optimiert werden. Während diese Opti­ mierung für die Ehe mit der standardmäßigen Zusammenveranlagung als Ehegatten-Splitting quasi institutionalisiert wurde,68 wurde weiteres Po­ tential für „Väter und Söhne“69 gesehen. Es bestand nun ein Gestaltungs­ anreiz dahingehend, dass der junge, noch nicht selbst voll erwerbstätige Sohn Einkünfte erzielt, damit diese effektiv, d.h. auf Grund eben der Pro­ gressions-, Freibetrags- und sonstiger niedrigere Einkünfte privilegieren­ den Regelungen weniger belastet werden als beim Vater, dessen Einkom­ men regelmäßig mit dem Spitzensteuersatz belastet wird. Voraussetzung für die Nutzung dieser Gestaltungsoption ist, dass die Übertragung von Einkunftsquellen zwischen Familienangehörigen steu­ errechtlich anerkannt wird. Im Blick stehen hierbei vor allem die Ein­ richtung von Familiengesellschaften, der Nießbrauch und die Abtretung von Forderungen. Als zweiter Grund für den Anschub der Debatte gab es nun in der Rechtsprechung des BFH Entwicklungen, die Gestaltungs­ 64 Tipke (Hrsg.): Übertragung von Einkunftsquellen im Steuerrecht [Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., München, am 16. und 17. Novem­ ber 1977 = DStJG Bd. 1], 2. Aufl. (1979). 65 Überblick bei Tipke, StuW 1977, S. 293 (293), der damit auch die Wahl des Themas der DStJG-Tagung rechtfertigt. Siehe auch Söffing, StbJb 1978/79, S. 301 (309 ff.). 66 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehe­ gatten), in BVerfGE 6, S. 55; BVerfG, Beschluss v. 30.06.1964, Az. 1 BvL 16/62 (Haushaltsbesteuerung), in BVerfGE 18, S. 97. Zu beiden Entscheidungen unten, S. 230 ff. 67 Flume, DStR 1973, S. 618; Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. B 249; Raupach, FS Beisse (1997), S. 403 (403); Stadie, Persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern (1983); Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (222). 68 Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. B 209; Tipke, StuW 1977, S. 293 (298). Das wird auch als starkes Argument für den Behalt des Splittings ange­ führt, da durch dessen Abschaffung sonst wieder Gestaltungs- und Missbrauchsan­ reize geschaffen würden (Maiterth/Chirvi, StuW 2015, S. 19 (23, 31)). 69 Schmidt, StbJb 1975/76, S. 149; Groh, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 97 (110). Eben­ so Söffing, StbJb 1978/79, S. 301 (309 ff.), allerdings unter Einbezug der Mütter und Töchter.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

hemmnisse für diese Rechtsinstitute beiseite räumten: Zum einen brach der BFH mit einer Rechtsprechungslinie des RFH und ließ die Gründung von Familiengesellschaften grundsätzlich zu;70 zum anderen war nun die Bestellung eines Nießbrauchs auch zugunsten eines Unterhaltsberechti­ gungen steuerlich anzuerkennen.71 Diskutiert wurde daher der allgemeine Grund der Zurechnung von Ein­ künften im Zusammenhang mit der Übertragung von Beteiligungen, For­ derungen und dinglichen Rechten, vor allem zwischen Familienangehö­ rigen. Weniger soll dabei aber die Frage im Vordergrund stehen, welche Anforderungen an Verlagerungsgeschäfte zwischen Familienangehörigen zu stellen sind; vielmehr soll der allgemeine Grund der Zurechnung von Einkünften aus dieser Diskussion gewonnen werden. 2. Ruppe: Dispositionsbefugnis a. Aussagen Ruppes Der Vortrag von Ruppe72 anlässlich der ersten DStJG-Tagung ist der wohl am stärksten rezipierte Beitrag in der Debatte um einen allgemeinen Zu­ rechnungsgrund im Recht der Einkommensteuer. Nach seiner berühmt gewordenen Definition gilt, dass als „Zurechnungssubjekt der Einkunftsquelle […] der gesehen werden [muss], der über diese Teilnahme [am Marktgeschehen], über die Leistungserstellung dispo­ nieren kann, d.h. die Möglichkeit hat, Marktchancen zu nutzen, Leistungen zu variieren, im Extremfall auch zu verweigern, indem er seine Tätigkeit einstellt, Kapital zurückzieht, Mietverhältnisse kündigt etc.“73

Ruppe setzt für die Herleitung der allgemeinen Formel – nachdem er § 39 AO als unmittelbar bedeutsame Norm für Fragen der Zurechnung von Einkünften abgelehnt hat74 – beim Begriff der Einkunftsquelle an.75 Da­

70 BFH, Urt. v. 22.08.1951, Az. IV 246/50 S, in BStBl. III 1951, S. 181 dazu und mit ausführlichen Nachweisen zur Rechtsprechung des RFH Tipke, StuW 1977, S. 293 (293), insb. dort Fn. 1. 71 BFH, Urt. v. 06.07.1966, Az. VI 124/65, in BStBl. III 1966, S. 584: „Ein bürger­ lich-rechtlich wirksam begründeter Nießbrauch an einem Grundstück führt also zu eigenen Einkünften des Nießbrauchsberechtigten, wenn der Nießbrauchsberechtig­ te die Nutzungen tatsächlich zieht, das Grundstück in Besitz nimmt und es verwal­ tet.“ § 12 Nr. 2 EStG stehe dem auch dann nicht entgegen, wenn der Nießbrauchs­ berechtigte und der Nießbrauchbesteller zu den Personen gehören, die einander unterhaltsberechtigt bzw. -verpflichtet sind (in ausdrücklicher Abkehr von BFH, Urt. v. 08.02.1957, Az. VI 27/56 U, in BStBl. III 1957, S. 207). 72 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7. 73 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (18). 74 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (13 ff.); dazu unten, S. 38 ff. 75 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (15).

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II.  Zurechnung von Einkünften

mit führt er – ohne weitere Herleitung76 – als Bild in die Diskussion ein, dass Einkünfte stets aus einer Quelle stammen. Er stellt fest, dass we­ der im gesetzten Recht noch in der Steuerrechtswissenschaft eine ab­ schließende oder befriedigende Definition des Begriffs „Einkunftsquelle“ gefunden wurde. Mit Blick auf die sieben Einkunftsarten zählt Ruppe zunächst einen landwirtschaftlichen Betrieb, Tierzucht, eine freiberuf­ liche Tätigkeit, einen Gewerbebetrieb, die Position als Mitunternehmer, die Veräußerung eines Betriebes, ein Dienstverhältnis, eine Pensions­ berechtigung, Wertpapiere und Beteiligungen, unbewegliches Vermögen, Stammrechte auf wiederkehrende Bezüge usw. als Einkunftsquellen auf.77 Im Versuch, den Begriff der Einkunftsquelle weiter zu schärfen, be­ schränkt er sich nicht auf die Beispielsliste, sondern rekurriert auch auf andere Aussagen,78 die er dem deutschen und österreichischen Steuer­ recht entnommen hat, nämlich – dass der unentgeltliche Vermögensanfall einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist, v.a. in der Form der Schenkung oder Erbschaft; – dass freiwillige, d.h. in der Regel unentgeltliche wiederkehrende Be­ züge und Leistungen zwischen Unterhaltsverpflichteten und -berech­ tigten nicht dem Empfänger zugeordnet werden (§ 22 EStG79); – und dass (unbestritten) zwei Einkunftsquellen bei Miet- und Unter­ mietverhältnis beim gleichen unbeweglichen Gegenstand vorliegen. Destillat dieser Beobachtungen – sowohl der Beispielsliste für Quellen als auch der „Aussagenliste“ – ist, dass die entgeltliche Verwertung von Leistungen (Wirtschaftsgütern oder Dienstleistungen) am Markt80 der kleinste gemeinsame Nenner der verschiedenen Einkunftsquellen ist. Von dieser Erkenntnis ausgehend leitet Ruppe auf das Zurechnungssub­ jekt der Einkünfte über: Er setzt den Inhaber der Quelle mit dem Steuer­

76 Vermutlich greift er damit das Bild der Quellentheorie von Fuisting, Die Preußi­ schen direkten Steuern (Band 4): Grundzüge der Steuerlehre (1902), S. 110; 133 ff. auf; gemeint ist aber mit der Einkunftsquelle wohl etwas anderes, nämlich die „Er­ werbsgrundlage und ihre Nutzung durch Erwerbstätigkeit“ (so Kirchhof in Kirch­ hof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 110). Zum Konnex von Einkunftsquelle und Quellentheorie siehe auch Biergans/Stockinger, FR 1982, S. 1. Zur Quellentheorie und ihrer nur eingeschränkten Verwirklichung im geltenden Einkommensteuer­ recht Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 50 f. 77 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (15). 78 Weitere Aussage ist, dass § 21 Abs. 2 EStG 1977 als systemwidrige Ausnahme aus­ zuklammern sei. Die damals dort geregelte Nutzungswertbesteuerung der Woh­ nung im eigenen Haus ist aber seit dem Wohnungseigentumsförderungsgesetz v. 15.05.1986, BGBl. I S. 720 aufgegeben. 79 Zu Problemen der Fremdbestimmung bei Anwendung des Korrespondenzprinzips bei § 22 EStG in Ansätzen schon Charlier, StbJb 1966/67, S. 279 (288). 80 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (16).

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

pflichtigen gleich.81 Diese Gleichsetzung begründet er nicht explizit82 – sie ließe sich aus der zentralen Bedeutung der Einkunftsquelle in Ruppes Bild von Einkünften begründen. Wenn die Quelle der Einkünfte steuerbe­ gründend (und entscheidend für die Art der Einkünfte) wirkt, dann muss sie festlegen bzw. es sich aus ihrem Umfeld ergeben, wer die Einkünfte erzielt, die sich aus ihr ergeben. In einem nächsten Schritt fragt Ruppe, ob der Empfänger der Einkünfte – also derjenige, der über die Einkünfte wirtschaftlich verfügen kann – der Inhaber der Einkunftsquelle und Zurechnungssubjekt der Einkünfte sein kann.83 Er führt hierfür zunächst das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit an. Derjenige, der über die Einkünfte verfügen kann, ist der Bereicherte, damit auch ein Bürger „mit starken Schultern“ und daher auch zuvorderst der, der die Steuerlast zu tragen hat. Schnell wi­ derlegt Ruppe dies aber, denn schließlich stellt das Einkommensteuer­ recht mit dem numerus clausus der Einkunftsarten weitere Voraus­ setzungen an die Einkommensteuerpflicht. Darüber hinaus hat Ruppe gerade auch selbst festgehalten, dass es eine der zentralen Grundaussa­ gen des EStG ist, dass der unentgeltliche Anfall, vor allem in Form von Erbschaften und Schenkungen, unter keine der Einkunftsarten fällt und der so Bereicherte gerade keine Einkünfte im Sinne des EStG erzielt. Wenn also nicht derjenige das Zurechnungssubjekt ist, dem die Einkünf­ te zufließen, dann bleibt, um im Bild zu bleiben, nur derjenige übrig, der die Quelle schafft und an ihr steht. Bei der Bestimmung dieser Person überträgt Ruppe das entscheidende Kriterium der Quellenbestimmung auf die Quelleninhaberbestimmung: Teilnahme am Markt. Er muss es insoweit modifizieren, als dass er nun nicht mehr ein Objekt, sondern das dazugehörige Subjekt bestimmt.84 Das Subjekt ist der, der das Objekt bestimmt – also derjenige, der über das Ob und Wie der Marktteilnahme entscheidet.85 Die Einschaltung anderer Personen und die tatsächliche Erbringung der Leistung durch sie schaden dabei nicht, solange diese Per­ sonen auf Weisung und Rechnung der Steuerpflichtigen tätig sind, und der Steuerpflichtige so über die Möglichkeit zur Disposition verfügt.86 Diese Hypothese belegt Ruppe mit bestimmten Normen des geltenden Rechts – insbesondere aus dem Kontext der Abtretung von Forderungen. So stellt der Erlös, den der Vermieter für die Veräußerung von Mietforde­ 81 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (16 a.E.). 82 Seine Formel zur Dispositionsbefugnis begründet nur, wer der Inhaber der Quelle, nicht aber, warum der Inhaber der Quelle Zurechnungssubjekt der Einkünfte ist. 83 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (17). 84 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (18). 85 Siehe dazu die Formel weiter oben (S. 20). 86 So wird Ruppe auch von Robertz, Persönliche Zurechnung von Vermögenseinkünf­ ten (2004), S. 63 verstanden.

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II.  Zurechnung von Einkünften

rungen erzielt, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dar (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Vergleichbares gilt auch in den Fällen des § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Er beruft sich weiterhin auf § 24 Nr. 2 EStG, der Fälle der „gespaltenen Tatbestandsverwirklichung“87 erfasst: Die Disposition als Inhaber der Quelle bestimmt die Einkünfte. Nach Herleitung einer allgemeinen Formel zur Zurechnung von Ein­ künften nimmt Ruppe auch Stellung zur Rolle von § 12 Nr. 2 EStG, ins­ besondere bei der Verlagerung von Einkünften im Familienkreis. Dessen Unterscheidung zwischen Erzielung und Verwendung des Einkommens war vor Ruppe die zentrale Norm sowohl für die Frage der Anerkennung der Übertragung als auch für die allgemeine Zurechnung. Ruppe folgert aus ihr (teilweise im Unterschied zum früheren Schrifttum), dass sie nicht einer Übertragung innerhalb der Familie per se entgegensteht. Den­ noch erkennt er in § 12 Nr. 2 EStG die Artikulation eines Misstrauens des Gesetzgebers gegenüber innerfamiliären Übertragungsvorgängen. Dies verlangt eine genauere Prüfung der Frage, ob die Befugnis zur Dispo­ sition tatsächlich übergegangen ist.88 Nicht jedoch suspendiert § 12 Nr. 2 EStG für Ruppe die allgemeine Zurechnungsformel, die er zuvor geprägt hat. b. Rezeption Der Erfolg und die Verbreitung des Beitrags von Ruppe in heutiger Zeit lassen sich auf mehrere Gründe zurückführen. Als erster hat Ruppe den Versuch unternommen, die Zurechnung von Einkünften allgemein und dogmatisch zu erklären. Andere Autoren vor ihm haben diesen Anspruch ausdrücklich nicht erhoben.89 Seine allgemeine Formel ist pointiert und erhält im nachfolgenden Schrifttum im Grundsatz große Zustimmung.90 Sofern spätere Arbeiten Ruppe nicht bloß wiedergeben, sondern ihn er­ gänzen oder modifizieren, so schaffen diese es dennoch, Ruppes Formel zu integrieren91 bzw. im Ergebnis mitzutragen92. 87 So eine (spätere) Formulierung des BFH; ausführlich dazu unten, S. 29. 88 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (34 f.). 89 Schmidt, StbJb 1975/76, S. 149 (153). 90 Bordewin, StbKRep 1981, S. 147 (148); Philipowski, StuW 1979, S. 113 (113 f.); Schmidt, StbJb 1980/81, S. 115 (120); Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 150 Fn. 286; Raupach, FS Beisse (1997), S. 403 (411 ff.) m.w.N. dort in Fn. 68; Stadie, Persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern (1983), S. 23; Wasmer, Unentgeltliche Übertragung von Betriebsvermögen (1985), S. 25: „brauchbare Regel“; von Groll, StuW 1995, S. 326 (328) lobt Ruppes Beitrag als „bahnbrechend“; in der Rechtsprechung erstmals schon BFH, Urt. v. 05.07.1978, Az. I R 97/75, in BStBl. II 1979, S. 40. 91 Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 110; dazu auch sogleich unten, S. 27 ff. 92 Biergans/Stockinger, FR 1982, S. 25 (30 f.).

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

Die zurückhaltend geäußerte Kritik zielt nicht auf die Idee, dass Zurech­ nungssubjekt der Einkünfte der „Herr der fraglichen Leistungsbezie­ hung“93 ist, sondern auf die starke Bezugnahme Ruppes auf den Begriff der Einkunftsquelle.94 Der Begriff sei dem Einkommensteuerrecht un­ bekannt und darüber hinaus auch angesichts seiner großen inhaltlichen Unbestimmtheit nur eingeschränkt als Anknüpfungspunkt geeignet. Weiterer Kritikpunkt an Ruppe ist dessen Anknüpfung an die Befugnis zur Disposition, nicht an die Disposition selbst.95 Ein großer Teil des Schrifttums etwa hält diese Einschränkung in Ruppes Konzept für nicht folgerichtig, denn schließlich nimmt auch der unberechtigt Unterver­ mietende oder der unberechtigt Veräußernde am Markt teil.96 Die Bedeu­ tungsreduktion für § 12 Nr. 2 EStG wird hingegen größtenteils geteilt. Die Norm hält Aussagen zur Verwendung von bereits erzielten Einkünf­ ten bereit, sagt aber nichts über die Erzielung der Einkünfte aus. Inner­ halb der Nachfolgerschar von Ruppe ist aber umstritten, was charakteris­ tisch für die Disposition am Markt ist: das Auftreten am Markt (als Vertragspartner im Außenverhältnis)97 oder das Tragen von Risiko (im Innenverhältnis)98. Der größte Verdienst Ruppes ist jedoch darin zu sehen, dass nach seinem Beitrag mit dem Argument der Leistungsfähigkeit nicht mehr die weite­ ren Voraussetzungen für das Entstehen einer Einkommensteuerpflicht überspielt werden können. Es kommt gerade nicht (alleine) darauf an, wem Einkünfte zufließen – entscheidend ist vielmehr, wer am Markt tä­ tig wird. Damit ist auch die zweite Leistung Ruppes in diesem Zusam­ menhang hervorzuheben: Er aktiviert das Markteinkommensprinzip99 als zentrale Erkenntnisquelle für die Zurechnungsproblematik im Ein­

93 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (19). 94 So etwa Meßmer, StbJb 1979/80, S. 163 (165 ff.); Biergans/Stockinger, FR 1982, S. 25 (30 f.). 95 Auf diese – grundsätzlich sehr bedeutende – Frage soll aber an dieser Stelle nicht eingegangen werden; in der nachfolgenden Phänomenologie, für die dieses Kapitel den Vergleichsmaßstab bildet, soll es nur um idealtypische Fälle gehen, in denen tatsächliche Disposition und Dispositionsbefugnis gerade nicht auseinanderfallen. 96 So etwa Stadie, Persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern (1983), S. 24 ff.; ­Robertz, Persönliche Zurechnung von Vermögenseinkünften (2004), S. 66; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 Rn. 130 f.; wie Ruppe hingegen Plückebaum, FR 1981, S. 181; Philipowski, StuW 1979, S. 113 (116). 97 Stadie, Persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern (1983), S. 25. 98 Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rn. 132. 99 Das Markteinkommensprinzip wird aber (wohl nur de lege ferenda) kritisiert als bloßes „finanzwissenschaftliches Postulat“, das der Verwirklichung des wichtigs­ ten Gedankens des Steuerrechts, der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, im Wege steht, siehe Raupach, FS Beisse (1997), S. 403 (414 f.). Dennoch erkennt Raupach an, dass die Disposition am Markt nach Ruppe zu Recht als gemeinsames Zurechnungsmerkmal festgestellt wurde.

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II.  Zurechnung von Einkünften

kommensteuerrecht. Es bestimmt für ihn eben nicht nur, was besteuert wird, sondern auch wer.100 3. Der Tatbestand des § 2 EStG a. Tipke und der Tatbestand des § 2 Abs. 1 EStG In dem Beitrag, der die bereits erwähnte erste DStJG-Tagung ankündigt, setzt sich Tipke mit der Frage der Zurechnung von Einkünften auseinan­ der.101 Er erkennt § 2 Abs. 1 EStG als zentrale Erkenntnisquelle für die Zurechnungsfrage, die eine explizite Zurechnungsvorschrift entbehrlich macht.102 Nach § 2 Abs. 1 EStG unterliegen der Einkommensteuer Ein­ künfte, die der Steuerpflichtige erzielt. Daraus ergibt sich für Tipke die folgende Formel: Die Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der sie erzielt. Erzielt werden die Einkünfte von demjenigen, der den Einkünftetatbestand erfüllt. […]103

Er führt weiter aus: Die Aktivitäten, die von § 2 Abs. 1 EStG erfasst werden, bestehen fast sämtlich darin, dass entweder eine (Arbeits-) Tätigkeit (§§ 18, 19 EStG) ausgeübt, dass Kapital eingesetzt (§§ 20, 21 EStG) oder dass in Kombination eine Tätigkeit ausgeübt und zugleich Kapital eingesetzt wird (§§ 13, 15 EStG; evtl. auch § 18 EStG). Hinzukommen muss allerdings, dass die durch Arbeit und/oder Kapital hervorge­ brachten Leistungen umgesetzt werden, sonst können Einkünfte nicht entstehen […] Wer durch seine Arbeit und/oder durch Einsatz von Kapital eine Forderung zur Entstehung gebracht hat oder eine solche Forderung künftig zur Erstehung bringt, der erfüllt den Einkünftetatbestand. Die Abtretung oder Vorausabtretung führt zur Einkünfteverwendung.104

Tipke behandelt nicht nur die relativ stark tätigkeitsbezogenen Einkünf­ te wie solche aus nichtselbstständiger Tätigkeit, sondern blickt auch auf zwei problematischere Ausprägungen, nämlich solche, in denen der Ein­ satz von Kapital (auch) eine Rolle spielt, sowie jene, in denen Gebilde wie Gesellschaften oder Mitunternehmerschaften zwischengeschaltet sind.

100 So auch Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 52. Kritisch hier­ zu im Kontext der Zurechnung bei Personengesellschaften Schön, StuW 1996, S. 275 (285). 101 Tipke, StuW 1977, S. 293. 102 Tipke, StuW 1977, S. 293 (298). 103 Tipke, StuW 1977, S. 293 (298): Hervorhebung schon im Original. 104 Tipke, StuW 1977, S. 293 (299): Hervorhebung schon im Original; die Rechtschrei­ bung ist modernisiert.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

In der ersten Konstellation – wenn der Einsatz von Kapital dominiert –, sollen die Einkünfte demjenigen zugerechnet werden, der das Kapital einsetzt. Dies kann jeder sein, der berechtigt ist, das Kapital zu nutzen: der zivilrechtliche Eigentümer, der „wirtschaftliche Eigentümer“, der dinglich oder auch nur obligatorisch Berechtigte. Wenn eine Personenge­ sellschaft wirtschaftet – in der zweiten Konstellation also –, stellt sich die Zurechnungsfrage gleichermaßen, allerdings in einem anderen Ge­ wand, nämlich als Frage der Angemessenheit der Gewinnverteilung. Da­ bei muss gefragt werden, inwiefern den Gesellschaftern das von der Ge­ sellschaft eingesetzte Kapital und die in der Gesellschaft ausgeübte Arbeitstätigkeit zuzurechnen ist. Auf den ersten Blick ist nicht ohne weiteres die Bedeutung von Tipkes Beitrag erkennbar. Die obige Formel erinnert an die Vorschriften der §§ 33, 38 AO und mag daher zunächst wie diese105 etwas inhaltsleer er­ scheinen.106 Während aber die Abgabenordnung lediglich aussagt, dass das Einzelgesetz benennt, wer Steuerschuldner ist (§ 33 AO), und dass der Steueranspruch gemäß § 38 AO entsteht, sobald der Tatbestand ver­ wirklicht wird (Passiv!), stellt nach Tipke der aktivisch formulierte § 2 Abs. 1 EStG das fehlende Glied in der Kette zwischen Steuersubjekt und Tatbestand dar. Nunmehr lässt sich – über § 38 AO hinaus – sagen, dass der Steueranspruch entsteht, wenn der Tatbestand durch den Steuerpflichtigen verwirklicht wird. Insofern ist es berechtigt, die Erkenntnis Tipkes als „bahnbrechend“107 zu beschreiben; schließlich bietet sich § 2 Abs. 1 EStG als Anknüpfungspunkt für eine allgemeine Zurechnungs­ vorschrift schon auf Grund der Stellung an – der größte Teil der nachfol­ genden Vorschriften des EStG sind Ausfüllung des § 2 Abs. 1 EStG.108 Vergleicht man die Beiträge von Tipke und Ruppe, so lassen sich einige Gemeinsamkeiten und Wechselbezüge feststellen. Zum einen verweist Ruppe auf den Aufsatz von Tipke an entscheidender Stelle seiner Argu­ mentation.109 Tipke selbst bezieht sich auf einen früheren Beitrag Ruppes110, wenn er diesen unmittelbar im Anschluss an seine Formel als Zeugen aufruft.111 Auch inhaltlich liegen beide Ansichten nahe beieinan­ der: Dispositionsbefugnis einerseits und Erzielen durch Tätigkeiten bzw. Kapitaleinsatz andererseits erscheinen wie zwei Ausdrücke für den glei­ chen Gedanken. Beide Ausdrücke sind so abstrakt, dass einzelne Ab­ 105 Dazu sogleich unten, S. 34. 106 Anscheinend deswegen wird auch im nachfolgenden Schrifttum die Notwendig­ keit empfunden, zu betonen, dass es sich um „keine Leerformel“ handelt, etwa von Stadie, Persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern (1983), S. 22. 107 So Stadie, a.a.O. 108 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 150. 109 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (16), dort v.a. Fn. 30. 110 Ruppe, Familienverträge und Individualbesteuerung (1976), S. 1. 111 Tipke, StuW 1977, S. 293 (298) Fn. 47.

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II.  Zurechnung von Einkünften

weichungen nicht erkennbar sind. Auch Ruppe schließlich differenziert zwischen Arbeits- und Kapitaleinkünften, wenn er feststellt, dass Ein­ kunftsquellen bei ersteren regelmäßig nicht übertragen werden können; bei Kapitaleinkünften hingegen ist eine Übertragung der Einkünfte durch Übertragung der Dispositionsbefugnis möglich.112 Im Unterschied zu Ruppe allerdings unterlässt Tipke in seiner Definition die Bezugnahme auf die Einkunftsquelle – allerdings ohne den Begriff ex­ plizit abzulehnen.113 Er verknüpft stattdessen die Zurechnungsproblema­ tik mit der konkreten Norm des § 2 Abs. 1 EStG und löst das Problem der Zurechnung von einem Begriff, der den Steuergesetzen fremd und letzt­ lich sprachlich an einer der steuerrechtlichen Fundamentaltheorien an­ gelehnt ist, die nicht uneingeschränkt im deutschen EStG Eingang gefun­ den hat.114 Insoweit „befriedet“ er die Zurechnungsdebatte und macht einen Anschluss an sie auch für jene möglich, die den Begriff der Ein­ kunftsquelle ablehnen.115 Die Formel ist mittlerweile allgemein aner­ kannt.116 b. Kirchhof und die drei Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 EStG Gleichfalls an § 2 Abs. 1 EStG setzt ein Modell von Kirchhof an, der § 2 Abs. 1 EStG als Grundtatbestand des EStG117 bezeichnet und in drei Un­ tergliederungen unterteilt: den Zustands-, den Handlungs- und den Er­ folgstatbestand.118 Der Zustandstatbestand ergibt sich aus der enumerativen Aufzählung der verschiedenen Einkunftsarten und beschreibt die Erwerbsgrundlage (Einkunftsquelle). Nur wenn der Zustandstatbestand erfüllt ist, dann ist die Einkommensteuer gerechtfertigt – als Ausdruck des Marktbezugs der Einkommensteuer und in Abgrenzung zu einer bloßen Bereicherungs­ steuer. 112 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (28). 113 Der Bezug auf den Begriff „Einkunftsquelle“ ist freilich etwa durch den Titel des Aufsatzes „Übertragung von Einkunftsquellen“ ersichtlich. 114 Siehe schon oben, Fn. 76. 115 Siehe für die Gegenansicht oben, Fn. 94; als Beispiel für diese „Befriedung“ siehe Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 151: „Die eingesetzte Ar­ beitskraft und das genutzte Vermögen lassen sich auch als Einkunftsquellen be­ zeichnen“; so auch Wassermeyer, StuW 1982, S. 352 (356). 116 Siehe etwa BFH Großer Senat, Beschluss v. 29.11.1982, Az. GrS 1/81, in BStBl. II 1983, S. 272 Rz. 45 ff.; BFH Großer Senat, Beschluss v. 03.07.1995, Az. GrS 1/93, in BStBl. II 1995, S. 617 Rz. 50 [jew. zit. nach juris]; Staats, Ubg 2014, S. 520 (521); Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 150. Zweifelnd aber ­Robertz, Persönliche Zurechnung von Vermögenseinkünften (2004), S. 52 f. 117 An anderer Stelle auch als „Dirigent des EStG“: Kirchhof in Kirchhof, EStG Kom­ paktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 2 Rn. 21 ff. 118 Kirchhof, Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 23 ff.; Kirchhof in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 2 Rn. 7–9.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

Der Handlungstatbestand (bzw. der Verhaltenstatbestand119) als zweite Voraussetzung der Einkommensteuerschuld setzt voraus, dass die Er­ werbsgrundlage (Zustandstatbestand) genutzt wurde. Anknüpfungspunkt ist der Wortlaut des § 2 Abs. 1 EStG: Der Steuerpflichtige erzielt Einkünf­ te aus einer bestimmten Erwerbstätigkeit. „Erzielen“ als aktives Verb trifft daher – in Verbindung mit dem Subjekt des Satzes, aber auch dem Steuersubjekt – eine weitere Aussage:120 Der Handlungstatbestand be­ stimmt subjektbezogen die Person des Einnehmenden und Aufwen­ denden, also das Steuersubjekt und damit grundsätzlich121 auch die Zu­ rechnung von Einnahmen und Aufwand.122 Der Steuerpflichtige hat die Erwerbsgrundlage selbst zu nutzen. Als dritte Voraussetzung der Steuerschuld schließlich muss nach dem Konzept Kirchhofs der Erfolgstatbestand erfüllt sein. Nur der Vermö­ genszuwachs, der vom Steuerpflichtigen durch Nutzung des Marktes er­ wirtschaftet wurde, ist steuerbar. In seinen Ausführungen zum Er­ folgstatbestand legt Kirchhof Wert auf die Abgrenzung zur Liebhaberei und damit zu einer abstrakteren Form des Erfolges. Auf Grundlage des dreigliedrigen Grundtatbestandes lässt sich aber auch eine (weitere) Aus­ sage zur Zurechnung treffen: Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der erstens handelt und zweitens (dadurch) eine Vermögensvermehrung erfährt.123 Unbeachtlich ist, wenn die Leistungsfähigkeit anschließend transferiert wird, solange der Handelnde über die erwirtschaftete Vermö­ 119 Begriff nach Reimer, Ort des Unterlassens (2004), S. 43, der damit explizit Unter­ lassen und Dulden der Handlung gleichstellt. 120 Kritisch Schön, FS K. Offerhaus (1999), S. 385 (398); ähnlich auch Waldhoff, FS Spindler (2011), S. 853 (863 f.): Das EStG wolle tatbestandlich in erster Linie Ein­ künfte erfassen; das Handlungselement sei dabei nur im Rahmen der Zurechnung zum Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. 121 Zur Konstellation des sog. Drittaufwandes siehe unten, S. 31. 122 Kirchhof in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 2 Rn. 8; zum Handlungstatbestand noch expliziter Rn. 54 ff., sowie mit Bezug auf den Grund­ satz der Individualbesteuerung Rn. 81 f.; zustimmend zur Subjektbestimmung Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 44. 123 Diese Argumentation erfolgt auf Grundlage des Modells von Kirchhof, wird aber nur an anderer Stelle so explizit ausgeführt, etwa Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mel­ linghoff, EStG, § 2 Rn. A 39: „Die Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der die Erwerbsgrundlage eigenhändig nutzt und dadurch Einkünfte erzielt“; bzw. in Rn. B 220: „Der für das Einkommensteuerrecht erhebliche Handlungserfolg ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 die steuerbare Vermögensveränderung; die Verantwortlichkeit für diesen Erfolg bestimmt sich […] nach der Handlung, der Nutzung der Erwerbs­ grundlage“. Robertz, Persönliche Zurechnung von Vermögenseinkünften (2004), S. 32, nennt den Ansatz Kirchhofs auf Grund dieser Verknüpfung „Verantwort­ lichkeitsprinzip“. Wie hier – für eine leistungsfähigkeitsbezogene Betrachtung der Zurechnung auf zweiter Stufe – argumentiert auch Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuer­ rechts (2010), S. 1 (8 f.): Nach „§ 2 Abs. 1 EStG […] werden jedoch nicht Tätigkei­ ten, sondern Ergebnisse von Tätigkeiten“ besteuert.

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II.  Zurechnung von Einkünften

gensmehrung verfügen konnte.124 Der Erfolg, die Vermögensmehrung bzw. die Mehrung der Leistungsfähigkeit ist ein weiteres, neben der Handlung zu erfüllendes Zurechnungskriterium. Unterschiede im Ergebnis sind zwischen Kirchhof und Ruppe bzw. Tipke nicht ohne weiteres zu benennen. Erkennbar ist bei Kirchhof aber eine Akzentuierung darauf, dass der Erfolgseintritt beim Steuerpflichtigen auch eingetreten sein muss (Erfolgstatbestand). Dies klingt bei Tipke, vor allem aber bei Ruppe, der sich auf die Disposition bzw. die Befugnis hier­ zu stützt, anders.125 Dort wird der Erfolg als Mehrung der Leistungsfähig­ keit als Zurechnungsbegründung nachdrücklich ablehnt. Dies lässt sich aber wohl eher darauf zurückführen, dass Ruppe gerade den Handlungs­ bezug in Abgrenzung zum bloßen Erfolgsbezug (unter dem Stichwort Leistungsfähigkeit) in die Zurechnung einführte.126 Es lässt sich weder bei Tipke noch bei Ruppe erkennen, dass sich einer von beiden im Ergeb­ nis mit dem Konzept des Erfolgstatbestands im Widerspruch befinden würde; vielmehr sollte hier erkannt werden, dass bei Kirchhof – wie auch im nachfolgenden Schrifttum127 – das kumulative Zusammentreffen von Handlung und Erfolg für die Zurechnung erforderlich ist. 4. Die gespaltene Tatbestandsverwirklichung nach § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG Ein Grenzfall des Zusammenspiels von Handlung und Erfolg, aber auch ein Prüfstein für die Integrationsfähigkeit der voran genannten Ansätze zur Bestimmung eines allgemeinen Grundes der Einkünftezurechnung, ist der Fall der „gespaltenen Tatbestandsverwirklichung“128, in dem Hand­ lung und Erfolg (zum Beispiel wegen eines zwischenzeitlichen Todes­ falls) nicht mit der gleichen Person verknüpft sind. § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG sieht vor, dass der Steuerpflichtige als Rechtsnach­ folger die ihm zufließenden Einkünfte129 zu versteuern hat, auch wenn nicht er, sondern der Rechtsvorgänger den Tatbestand im Übrigen ver­ wirklicht hat. Konstitutiv wird damit geregelt, dass die Einkünfte beim 124 In den Worten von Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 39: „Wie der Schütze, der einen Treffer erzielt hat, die Trophäe an seine Dame weiter­ geben mag, dadurch aber nicht die Qualifikation des erfolgreichen Schützen verliert, so bleibt der Einkünfte ‚Erzielende’ Zurechnungssubjekt und Steuer­ ­ schuldner, mögen die von ihm erzielten Einnahmen auch aufgrund einer vom Steuerschuldner zu verantwortenden Rechtshandlung an einen Dritten ausge­ zahlt werden“ [Hervorhebung vom Verfasser]. 125 So versteht Wassermeyer, StuW 1982, S. 352 (356) auch Ruppe: Der Erfolg ist eine Folgefrage im Rahmen der Bemessungsgrundlage. 126 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (17); siehe auch oben, S. 20 ff. 127 Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (8); Waldhoff, FS Spindler (2011), S. 853 (862); Staats, Ubg 2014, S. 520 (521). 128 Kirchhof in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 2 Rn. 84. 129 Erfasst sind wegen des Kriteriums des Zuflusses nur Überschusseinkünfte.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

Rechtsnachfolger nach den Vorschriften über die Einkunftsart zu behan­ deln sind, die beim Rechtsvorgänger anzuwenden gewesen wären, wenn die Rechtsnachfolge nicht eingetreten wäre.130 Prägend ist damit die Tä­ tigkeit des Vorgängers; aus zwingenden praktischen Gründen aber hat der Rechtsnachfolger hierauf Steuern zu entrichten. Die Vorschrift er­ schöpft sich nicht in einer Regelung der sachlichen Steuerpflicht, son­ dern sie bestimmt die persönliche Zurechnung der Einkünfte zum Rechtsnachfolger.131 Wenngleich § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG nur einen Sonderfall regelt und daher als subsidiär zur Zurechnung im Allgemeinen zu sehen ist,132 wird die Norm dennoch im Diskurs herangezogen: Ruppe erkennt in ihr, dass die Disposition über die Leistungserstellung das prägende Merkmal der Qua­ lifikation ist.133 Er sieht die Norm als dogmatische Bestätigung seiner These zum allgemeinen Zurechnungsgrund. Genauso lässt sich aber fest­ halten, dass auch der Zufluss (allgemeiner: der Erfolg) konstitutives Merkmal der Steuer ist: In diesem Sonderfall bestimmt der Zufluss die Person des Schuldners. 5. Ausdifferenzierungen Die Aussagen zur allgemeinen Zurechnung von Einkünften werden mit­ unter als zu weit, zu unbestimmt134 und damit unbrauchbar empfunden. Vorgeschlagen wird deshalb, allgemeine Aussagen kleinteiliger zu tref­ fen,135 freilich um den Preis der Reichweite der jeweiligen Aussagen. Die Vorschläge folgen dabei einer Matrix von Gewinn- und Überschuss­ einkünften sowie von Einnahmen und Ausgaben. Es wird auch ein noch weiteres Heranzoomen bis an die einzelne Einkunftsart befürwortet. Eine allzu große Auffächerung bei der Darstellung des allgemeinen Zurech­ nungsgrundes wird aber nur vereinzelt gefordert;136 sie wäre auch zumin­ dest für Zwecke dieses Abschnittes wenig zielführend. Der Abgleich der verschiedenen Phänomene mit dem allgemeinen Zurechnungsgrund lebt 130 Fischer in Blümich, § 24 EStG Rn. 75b; Mellinghoff in Kirchhof, EStG Kompakt­ kommentar, 18. Aufl. (2019), § 24 Rn. 44 f. 131 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608 Rz. 74 [zit. nach juris]; ausführlich hierzu schon Trzaskalik, StuW 1979, S. 97; Heinicke, DStJG Bd. 10 (1987), S. 99; Ruppe, DStJG Bd. 10 (1987), S. 45. 132 Vgl. Mellinghoff in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 24 Rn. 44; auch BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608 Rz. 75 [zit. nach juris]. 133 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (18) und in dieser Arbeit oben, S. 20 ff. 134 Robertz, Persönliche Zurechnung von Vermögenseinkünften (2004), S. 38. 135 Etwa Stadie, Persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern (1983), S. 24. 136 Explizit dagegen ist Robertz, Persönliche Zurechnung von Vermögenseinkünften (2004), S. 12 f., der die „Einkünftebestandteile“ Erträge und Aufwendungen für bloße Rechenposten bei der Ermittlung des Einkommens hält, die keine Aussage zur Zurechnung von Einkünften bereithalten.

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II.  Zurechnung von Einkünften

gerade vom Abstand zwischen Allgemeinem und Besonderem. Eine Aus­ differenzierung kann sich dann im Rahmen der Phänomenologie erge­ ben. An dieser Stelle soll daher nur ein kurzer Überblick über die vorge­ schlagenen Ausdifferenzierungen erfolgen. a. Gewinneinkünfte versus Überschusseinkünfte Auf Grundlage der Unterscheidung zwischen Gewinn- und Überschuss­ einkünften rückt § 11 EStG in den Fokus. Demnach sind bei Über­ schusseinkünften Einnahmen zu berücksichtigen, wenn sie zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 EStG), und Ausgaben, wenn sie geleistet, d.h. abgeflos­ sen sind (§ 11 Abs. 2 EStG). In diesem Kontext wird darüber gestritten, ob der Zufluss im Lichte des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit tatsächlich konsti­ tutives Tatbestandsmerkmal des Begriffs Einnahmen ist.137 Bejaht man dies auf Grundlage des § 8 Abs. 1 EStG,138 so stellt sich die Frage, ob der Zufluss damit einen Einfluss auf die Zurechnung ausübt, etwa dergestalt, dass die Einkünfte dem zuzurechnen sind, dem sie zufließen. § 11 EStG selbst wird diese Wirkung abgesprochen; er trifft schließlich in erster ­Linie eine Grundentscheidung temporaler Art.139 Im Rahmen von § 8 Abs. 1 EStG wird aber dann das Tatbestandsmerkmal Zufluss als neben­ stehend zum Tatbestandsmerkmal Zurechnung gesehen:140 Die Zurech­ nung erfolgt weitestgehend nach allgemeinen Grundsätzen; der Zufluss ist lediglich Voraussetzung für das Wirken der bereits getroffenen Zu­ rechnungsentscheidung. Ausgehend vom Begriff „Aufwendungen“ in § 9 EStG wird für Ausgaben bei Überschusseinkünften (Werbungskosten) dabei auch das „Kostentra­ gungsprinzip“ als Zurechnungsmaßstab anerkannt.141 Werbungskosten kann der geltend machen (werden dem zugerechnet), der durch sie belas­ tet wird. b. Sonderfall des sog. Drittaufwands Virulent wird dies vor allem in den Fällen des sog. Drittaufwands. Dabei hat sich die Diskussion um die verschiedenen Fälle des Drittaufwands 137 Verneinend Robertz, Persönliche Zurechnung von Vermögenseinkünften (2004), S. 58 f. 138 So Stadie, Persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern (1983), S. 15; Scholz, DStZ 1990, S. 523 (528). 139 Seibold, Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (1987), S. 6 ff.; Seibold, StuW 1990, S. 165 (166). 140 Stadie, Persönliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern (1983), S. 15. 141 Bspw. Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (8); Seitz, FR 2006, S. 201.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

verallgemeinert und von bestimmten Einkunftsarten gelöst. Dennoch stellt die Problematik des Drittaufwands wiederum eine Ausdifferenzie­ rung des allgemeinen Zurechnungsgrundes dar, da sie ausschließlich auf der Aufwandsseite, bei den Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zu verorten ist. In Rechtsprechung und Literatur wird mittlerweile im Grundsatz unbe­ stritten anerkannt, dass ein Steuerpflichtiger auch dann bestimmten Aufwand als erwerbsmindernd ansetzen kann, wenn auf den ersten Blick nicht er selbst die Kosten getragen hat.142 Dabei ist die Frage interessant, unter welchen Voraussetzungen der vordergründig vom Dritten143 getra­ gene Aufwand dem Steuerpflichtigen rechtlich zuzuordnen ist. Zwei Denkfiguren spielen dabei eine Rolle: Hat der Steuerpflichtige die Auf­ wendungen wirtschaftlich zu tragen? Und besteht zwischen Steuer­ pflichtigem und dem fremden Leistenden als Beziehung ein Zuwen­ dungsverhältnis?144 Wenn beide Fragen zu bejahen sind, stellt sich die Rechtsprechung die Zahlung auf eine fremde Schuld als eine Abkürzung des Zahlungsweges vor: Dem Steuerpflichtigen wird vom Fremden eigentlich Geld geschenkt (oder aus anderem, mit der Zahlung auf die Schuld nicht zusammenhän­ gendem Grund überlassen), das dieser zur Tilgung der eigenen Schuld verwendet.145 In dieser Konstellation, die zugleich als Vergleichsmaßstab und als Fiktion dient, wäre die Zuwendung selbst steuerlich unbeacht­ lich und der Abzug der eigenen Aufwendungen ohne weiteren Begrün­ dungsaufwand natürlich möglich. Ähnlich wird der noch extremere Fall des abgekürzten Vertragswegs gesehen, d.h. wenn der Fremde im eigenen Namen einen Vertrag zu Gunsten des Steuerpflichtigen schließt: Auch hier unterstellt man, dass dieser Fall einer Geldschenkung mit anschlie­ ßendem eigenen Vertragsschluss durch den Steuerpflichtigen gleichsteht und daher der Abzug des Aufwands bzw. der AfA nicht versagt werden dürfe.146 142 Ausführlich zur Problematik des sog. Drittaufwands: Kaiser, Abzugsfähigkeit des Drittaufwandes (1993); Schnorr, StuW 2003, S. 222; Haenicke, DStZ 2006, S. 793; Fischer, StbJb 1999/2000, S. 35; Klinger, Drittaufwendungen als Werbungskosten des Steuerpflichtigen (1996); Trzaskalik, FS L. Schmidt (1993), S. 51; Hey in Tipke/ Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 223 ff. 143 Zur Kritik am Begriff des Dritten siehe oben, S. 9 ff. 144 Biergans, FR 1984, S. 297 (298 f.). 145 BFH Großer Senat, Beschluss v. 30.01.1995, Az. GrS 4/92, in BStBl. II 1995, S. 281 sowie mehrere Beschlüsse aus dem Jahr 1999 (aufbereitet bei Küffner/Haberstock, DStR 2000, S. 1672), z.B. BFH Großer Senat, Beschluss v. 23.08.1999, Az. GrS 1/97, in BStBl. II 1999, S. 778. 146 BFH, Urt. v. 15.11.2005, Az. IX R 25/03, in BStBl. II 2006, S. 623; bestätigt von BFH, Urt. v. 15.01.2008, Az. IX R 45/07, in BStBl. II 2008, S. 572 (gegen BMF-Schrei­ ben vom 09.08.2006, BStBl. I 2006, S. 492, das aber mittlerweile nach BStBl. I

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II.  Zurechnung von Einkünften

Lässt sich ein solches Zuwendungsverhältnis zwischen Fremdem und Steuerpflichtigem nicht konstruieren (d.h., wenn der Leistende ein eige­ nes Interesse an der Erfüllung der fremden Schuld bzw. Begründung des fremden Anspruchs hat), dann liegt ein Fall des sog. echten Drittauf­ wands vor:147 Die Leistung auf die fremde Schuld oder der Vertragsschluss zu Gunsten eines Fremden stellt für den so Bereicherten bzw. Entlaste­ ten keinen Aufwand dar, der seine Leistungsfähigkeit gemindert hätte. Für Zwecke der Untersuchung von fremdbestimmten Steuerwirkungen sind dabei zwei Dinge bemerkenswert: (1) Fremdbestimmte Steuerwir­ kungen müssen nicht immer steuerlich belastend wirken. In Fällen des (unechten) Drittaufwandes werden Handlungen fremder Personen bei der Einkommensermittlung des Steuerpflichtigen mindernd berücksich­ tigt. (2) Die Zurechnung des Aufwands findet ihre Rechtfertigung in ei­ ner Nähebeziehung zwischen Steuerpflichtigem und „Fremdem“. Dieser muss den Aufwand (nach dem Verständnis des BFH: den Wert der Leis­ tung in Geld) dem Steuerpflichtigen zuwenden. c. Tätigkeitseinkünfte versus Kapitaleinkünfte Bezieht sich die Dispositionsmöglichkeit auf die Erstellung der Leistung, hängt der Inhalt der Dispositionsmöglichkeit von der Art der Leistung und damit auch der Art der Einkünfte ab. Schon bei Tipke klingt eine erste Grundunterscheidung an, nämlich zwischen „Arbeit“ und „Kapi­ taleinsatz“ als möglicher Leistung.148 Dabei wird stets die Bestimmung des Leistenden bei Arbeitseinkünften (§§ 18, 19 EStG) als unproblema­ tisch gesehen. Schwieriger erscheint dies bei Kapitaleinsatz; das gilt nach Tipke in einer Mischform (mit Arbeitseinsatz) bereits bei den Einkünften nach §§ 13, 15 EStG,149 zudem und erst recht in seiner Reinform bei den Einkünften nach §§ 20, 21 EStG. Für Einkünfte mit Kapitaleinsatz wird vorgeschlagen, dass auf die Risikotragung bzw. auf die Tragung von Rech­ ten und Pflichten bezüglich der Nutzung oder Veräußerung abzustellen 2008, S. 717 aufgehoben ist). Zu dem Streit zwischen BFH und BMF mit ausführli­ cher Stellungnahme Roth, DStZ 2006, S. 830. Freilich versagt diese Konstruktion in den Fällen, in denen der BFH das ent­ sprechende Verhältnis zwischen Fremdem (Drittem) und Steuerpflichtigem nicht konsistent mit seiner sonstigen Rechtsprechung konstruieren kann, etwa weil der BFH die Einlagefähigkeit von Nutzungen oder Dienstleistungen grundsätzlich verneint (vgl. hierzu Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 226; Frye, FR 1998, S. 973; Trzaskalik, FS L. Schmidt (1993), S. 51 (61 ff.); und insbeson­ dere BFH, Urt. v. 24.02.2000, Az. IV R 75/98, in BStBl. II 2000, S. 314). 147 Schnorr, StuW 2003, S. 222 (223); Gröpl, DStZ 2001, S. 65 (66); Fischer, StbJb 1999/2000, S. 35 (37); Wassermeyer, DB 1999, S. 2486 (2486). 148 Tipke, StuW 1977, S. 293 (299). 149 Teilweise wird § 18 EStG auch in die „gemischte Gruppe“ der betrieblichen Ein­ kunftsarten eingeordnet, etwa bei Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rn. 132.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

ist; bei betrieblichen Einkünften wird gleichfalls die Risikotragung be­ tont, wobei man sich dabei an die Definition der Mitunternehmerschaft und Mitunternehmerstellung anlehnt.150

III. Tatbestandsmäßigkeit als Zurechnungsmaßstab Regelmäßig wird der Tatbestand als Argumentationsmodell im Rahmen des allgemeinen Zurechnungsgrundes benannt. Dabei wird zum einen Bezug genommen auf den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit allge­ mein, zum anderen und im Speziellen auch auf §§ 3, 33, 38 AO. 1. Allgemeine Aussagen der Abgabenordnung im Kontext der Tatbestandsmäßigkeit Der Abgabenordnung lässt sich ein allgemeiner Maßstab nicht ohne wei­ teres entnehmen. § 33 AO bestimmt, dass derjenige, der die Steuer schul­ det,151 der Steuerpflichtige ist. Nach § 38 AO entsteht die Steuerpflicht, sobald der Tatbestand verwirklicht wird (Passiv!). Daraus lässt sich nicht erkennen, in welchem Verhältnis Steuerpflichtiger und Tatbestandsver­ wirklichung zueinander stehen (müssen).152 In den Kommentierungen zu § 38 AO wird zwar die Identität von Handelndem und Steuerpflichtigen als Normal- bzw. Idealfall betont;153 sofern dies aber problematisiert wird, so sind die angeführten Argumente nicht im Kontext der Abgabenordnung zu verorten, sondern kommen von außerhalb der Abgabenordnung154 –

150 Lang/Seer, FR 1992, S. 637 (640); Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rn. 132. 151 Die einfachen Steuergesetze bestimmen gemäß § 43 AO, wer die Steuer schuldet. 152 Schon grundsätzlich gegen die Qualität der Abgabenordnung als Prinzipienquelle etwa Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. (2000), S. 65: „Die Abgabenord­ nung enthält keine steuerrechtliche Grundordnung (…) Die tragenden Prinzipien des Steuerrechts ergeben sich nicht aus [ihr], sondern zum Teil aus dem Grundge­ setz, zum Teil sind sie den besonderen Steuergesetzen immanent“. 153 Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl. (2018), § 38 Rn. 16; Schmieszek in Gosch, AO/ FGO, § 38 AO Rn. 22. 154 Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rn. 3 nimmt etwa Bezug auf das Trennungsprin­ zip; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 38 AO Rn. 15 geht noch einen Schritt weiter und kommentiert „§ 38 AO i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 EStG“. Deshalb gelangt Schuster auf dem Boden der Konzepte von Ruppe und Kirchhof zu dem Ergebnis, dass „eine Steuerbarkeit begründende Norm (…) nicht nur dann erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige selbst den im Gesetz umschriebenen (Handlungs-) Tatbestand erfüllt, sondern auch dann, wenn er ihn sich zurechenbar von Dritten erfüllen lässt“. Das ist dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige die Dispositions­ befugnis behält. Crezelius, FR 2009, S. 881 (886 f.) hingegen verzichtet mittlerweile bei der Unter­ suchung des § 38 AO auf Verweise auf § 2 EStG – anders als noch fünf bzw. sieben Jahre zuvor in Crezelius, ZEV 2004, S. 45 (51) und Crezelius, FR 2002, S. 805 (809).

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III.  Tatbestandsmäßigkeit als Zurechnungsmaßstab

insbesondere aus § 2 Abs. 1 EStG.155 Dabei wird postuliert, dass bei Per­ sonenverschiedenheit zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem ein besonderer Zurechnungsgrund bzw. ein besonderes Näheverhältnis be­ stehen muss und die Zurechnung verfassungsrechtlich rechtfertigungs­ bedürftig ist.156 Den Einzelgesetzen bleibt es aber letztlich überlassen, diese Aussagen zu treffen.157 Die Abgabenordnung trifft hierüber keine Aussagen bereit;158 in sie sollte auch nichts hineingelesen werden, was man an anderer Stelle herausgelesen hat. 2. Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung Seit Tipke ist anerkannt, dass Einkünfte erzielt, wer den konkreten Tat­ bestand der Einkünfteerzielung erfüllt. Für viele (etwa Joachim Lang159 und Johanna Hey160) leitet sich dies nicht nur aus § 2 Abs. 1 EStG ab, sondern auch aus dem „Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung“.161 Während sich die Ausführungen zum Problemkreis Tatbestandsmäßig­ keit und Zurechnung im Schrifttum oftmals in einem zirkulären Rück­ verweis auf die oben erwähnten Normen der Abgabenordnung sowie § 2 Abs. 1 EStG erschöpfen,162 gibt es doch einige Erklärungsansätze zur Zu­ rechnung, die originär mit der Tatbestandsmäßigkeit zusammenhängen. Hey163 etwa sieht ein Zusammenspiel mit der Besteuerung nach der Leis­ tungsfähigkeit: Das Gebot der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gebietet grundsätzlich, dass die Steuerlast kraft Gesetzes dem Individuum auferlegt wird, dessen Leistungsfä­ higkeit erfasst werden soll. Die Belastung eines bestimmten Steuerpflichtigen lässt sich grundsätzlich nur dann gewährleisten, wenn dieser zum Steuerschuld­ ner gemacht wird.

155 Siehe schon oben, S. 25 ff.; Tipke findet in § 2 EStG die fehlende Verbindung zwi­ schen § 33 und § 38 AO: Der Steueranspruch entsteht, wenn der Tatbestand durch den Steuerpflichtigen verwirklicht wird. 156 So Drüen in Tipke/Kruse, § 38 Rn. 3, der eine Parallelität zur Debatte um das Per­ sonenverhältnis beim fremdnützigen Steuervorteil bei § 42 Abs. 2 S. 1 AO sieht. 157 von Groll, GS Trzaskalik (2005), S. 19 (26); Koenig in Koenig, AO, 3. Aufl. (2014), § 38 Rn. 7. 158 So auch Palm, Person im Ertragsteuerrecht (2013), S. 457; Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht (2007), S. 402 f. 159 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. (2010), § 9 Rz. 150 mit Verweis auf § 4 Rz. 150. 160 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 150 mit Verweis auf § 3 Rz. 230 ff. 161 Grundsätzlich zum Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und formeller Gesetzesbegriff (1982). 162 Etwa Robertz, Persönliche Zurechnung von Vermögenseinkünften (2004), S. 16 f. 163 Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (6 f.); Hervorhebung im Original.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

Handelt es sich um eine direkte Steuer, so ist die zugrundeliegende Iden­ tität von Steuerschuldner und Steuerträger zu wahren.164 Deshalb ist der­ jenige als Steuerschuldner anzusehen, den die Belastung treffen soll, weil er über die entsprechende Leistungsfähigkeit verfügt. Daraus lässt sich eine Anforderung an die Zurechnung formulieren, aber keine andere in­ haltliche Aussage als die, dass § 2 EStG gelten soll. Ferner soll auch nicht der Ansatz Ruppes, der die Leistungsfähigkeit zu Gunsten des Marktein­ kommensprinzips auf eine zweite Stufe im Rahmen der Zurechnung zu­ rückdrängt, mit der Aufwertung des Leistungsfähigkeitsprinzips über den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit überspielt werden. Raupach versteht den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteue­ rung schließlich so, dass es wegen dieses Grundsatzes keine besonderen Zurechnungsgründe im Steuerrecht geben müsste oder auch nur geben dürfte.165 Einstweilen lässt sich für die Zwecke dieses Abschnittes festhalten,166 dass – soweit auf den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteue­ rung zur Bestimmung des allgemeinen Zurechnungsgrundes Bezug ge­ nommen wird – keine andere Aussage getroffen wird als die, dass § 2 Abs. 1 EStG gilt.167 3. Figur der mittelbaren Tatbestandsverwirklichung Im Rahmen der Tatbestandsverwirklichung wird gleichfalls ein weiteres Problem behandelt, das an sich nur eine Frage der Normanwendung be­ trifft, dennoch aber als Ausdruck eines allgemeineren Rechtsgedankens zu sehen ist: das Problem der Tatbestandsverwirklichung in Fällen mit einem sog. Strohmann. Indem von der Rechtsordnung der Einsatz des Strohmanns überspielt werden soll, kommt gleichfalls ein vermeintli­ ches Zurechnungsproblem auf. Durch die Handlungen des Strohmanns sollen steuerliche Wirkungen beim Hintermann eintreten; diese Zurech­ nung bedarf einer dogmatischen Rechtfertigung, idealerweise jenseits von § 42 AO. Dazu wird in der Literatur die Figur der mittelbaren Tatbe­ standsverwirklichung im Steuerrecht diskutiert.168 Grundlage dieser dogmatischen Figur ist ein Aufsatz169 von Grolls aus dem Jahre 1995. Sie bezieht sich auf Normen, die sich zur Identität von 164 Zur Abgrenzung zwischen direkter und indirekter Steuer Englisch, Wettbewerbs­ gleichheit im grenzüberschreitenden Handel (2008), S. 559. 165 Raupach, FS Beisse (1997), S. 403 (422 f.). 166 Eingehend unten, S. 290 ff. 167 So auch Robertz, Persönliche Zurechnung von Vermögenseinkünften (2004), S. 45. 168 (Wohl zustimmend) Diskutiert wird die Parallele zum Strafrecht etwa bei Creze­ lius, FR 2002, S. 805 (810). 169 von Groll, StuW 1995, S. 326 (insb. 332 f.).

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IV.  Grundsatz der Individualbesteuerung als Zurechnungs­maßstab

Tatbestandsverwirklicher und Rechtsfolgenträger nicht explizit äußern, vor allem aber einer nicht-eigenhändigen Verwirklichung offenstehen. Nach erstem Anschein handelt und verwirklicht den Tatbestand ein Strohmann, der bestimmte persönliche Merkmale des Tatbestandes nicht erfüllt. Von Groll schlägt hier vor, Anleihen aus dem Recht der mittelbaren Täterschaft im Strafrecht zu nehmen. Nach § 25 Abs. 1 Fall 2 StGB ist Täter auch der, der durch einen anderen die Tat begeht. Der Strohmann, das „Werkzeug“, wird durch die Herrschaft des Hinter­ manns über ihn neutralisiert. Diese Herrschaft kann sich im Strafrecht ergeben auf Grund von überlegenem Wissen,170 auf Grund einer Nöti­ gungslage171 oder kraft eines organisatorischen Machtapparats.172 Eine solche Konzentration auf die wirklichen Herrschaftsverhältnisse mitsamt den im Strafrecht gefundenen Fallgruppen möchte von Groll auch im Steuerrecht erreichen. Inhaltlich sieht er sich damit in der Nachfolge von Ruppe173 und dessen Dispositionsbefugnis über die Leis­ tungserstellung,174 wobei er Ruppes Ansatz mit dem Grundsatz der Tat­ bestandsmäßigkeit verknüpft.

IV. Grundsatz der Individualbesteuerung als Zurechnungs­ maßstab In der Entscheidung zur Zusammenveranlagung von Ehegatten hat das Bundesverfassungsgericht 1957 einen Grundsatz der Individualbesteue­ rung im Einkommensteuerrecht erkannt und diesen zum Maßstab seiner Prüfung gemacht.175 Wenngleich in dem Folgeurteil zur Haushaltsbesteu­ erung176 von 1964 dieser Grundsatz nicht mehr explizit erwähnt wird, so wirkt er dennoch in der sich an diese Rechtsprechungslinie anschließen­ den Diskussion um die Zurechnung von Einkünften fort. Teilweise wird dabei die Bedeutung des Individualsteuerprinzips für die Frage der Zurechnung nur sehr niedrig angesetzt: Für Ratschow verlangt jede Rechtsanwendung – unabhängig von der Frage der Individualbesteu­ erung – eine Verknüpfung von Person, Tatbestand und Rechtsfolge. Da­ raus lässt sich nur folgern, dass einem Steuersubjekt das Einkommen 170 Joecks in MüKo StGB, Bd. 1, 3. Aufl. (2017), § 25 Rn. 76 ff. 171 Joecks in MüKo StGB, Bd. 1, 3. Aufl. (2017), § 25 Rn. 58 ff. 172 BGH, Urt. v. 26.07.1994, Az. 5 StR 98/94, in BGHSt 40, S. 218, sowie die Anmer­ kung des „Erfinders“ dieser Rechtsfigur im Strafrecht: Roxin, JZ 1995, S. 49. 173 Siehe oben, S. 20 ff. 174 von Groll, StuW 1995, S. 326 (332, 334). 175 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehe­ gatten), in BVerfGE 6, S. 55. Siehe hierzu ausführlich unten, S. 234 ff. 176 BVerfG, Beschluss v. 30.06.1964, Az. 1 BvL 16/62 (Haushaltsbesteuerung), in ­BVerfGE 18, S. 97.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

zugeordnet wird, und zwar unumkehrbar, eindeutig und vollständig (d.h. es darf keine an sich steuerbaren Sachverhalte geben, die keinem Besteuerungssubjekt zugeordnet werden können).177 Der Grundsatz der Individualbesteuerung verlangt daran anschließend nur, dass die Zurech­ nung (statt zu einer wie auch immer bestimmten Gruppe) zu einem Indi­ viduum erfolgt. Er gibt aber keine inhaltlichen Vorgaben für die Frage, wem welche Sachverhalte nun zuzurechnen sind. Überwiegend wird jedoch dem Grundsatz der Individualbesteuerung eine materielle Rolle in der Zurechnungsdebatte zugebilligt. Bei Könemann178 etwa wird das Prinzip der Individualbesteuerung für die Aussage ange­ führt, dass es dem Gesetzgeber verwehrt sei, bei der Ermittlung der Be­ steuerungsgrundlagen auf die Besteuerungsgrundlagen eines anderen Steuersubjekts zurückzugreifen. Eine derartige Verflechtung mehrerer Steuersubjekte untereinander sei nicht zulässig, weil Bemessungsgrund­ lage und Tarif auf die einzelne Person zu radizieren sind. Zur Klärung der Frage, wann eine derartige, unzulässige Verknüpfung vorliegt, rekurriert Könemann aber dann wieder auf die Formel Tipkes und (allgemein) auf den Gedanken der Leistungsfähigkeit.179 Auch bei Hey180 wird unter der Überschrift „Individualbesteuerung als Zurechnungsmaßstab“ auf die Aussagen Ruppes verwiesen. Bei Kirchhof181 schließlich ist § 2 Abs. 1 EStG die Verwirklichung des Grundsatzes der Individualbesteuerung. Festhalten lässt sich daher für die Zwecke dieses Kapitels, dass Literatur und Rechtsprechung aus dem Grundsatz der Individualbesteuerung he­ raus bislang keine Aussagen zum allgemeinen Zurechnungsgrund gewin­ nen konnten, die über die Ansätze Ruppes zur Markteinkommenstheorie oder die Überlegungen Tipkes und Kirchhofs zum Tatbestand des § 2 Abs. 1 EStG hinausgehen.

V. Andere Zurechnungskonstellation: Zurechnung von Wirtschaftsgütern Zurechnung im Steuerrecht meint aber nicht nur die Zurechnung von Einkünften;182 auch andere Objekte können zugerechnet werden. Unter der Überschrift Zurechnung wird in § 39 AO bestimmt, welcher Person ein Wirtschaftsgut zuzuordnen ist. § 39 Abs. 1 AO definiert, dass steuer­

177 Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (52 ff.). 178 Könemann, Grundsatz der Individualbesteuerung (2001). 179 Könemann, Grundsatz der Individualbesteuerung (2001), S. 39 f. 180 Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (7 ff.). 181 Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. B 210. 182 Siehe schon oben, S. 15.

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V.  Andere Zurechnungskonstellation: Zurechnung von Wirtschaftsgütern

rechtlich Wirtschaftsgüter dem (zivilrechtlichen183) Eigentümer zuzu­ rechnen sind. Als das entscheidende materielle Zurechnungskriterium wird hingegen in § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO auf die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut bei gleichzeitigem und dauerndem Ausschluss der Einwirkungsmöglichkeit durch den Eigentümer abgestellt, nämlich dann, wenn „ein anderer als der Eigentümer“ die tatsächliche Herrschaft ausübt. In § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO wird für einige typische Zweifelsfälle sofort die Frage beantwortet, wer nun die tatsächliche Herrschaft innehat, nämlich für die Konstellationen des Treuhandver­ hältnisses, des Sicherungseigentums und des Eigenbesitzes. § 39 AO geht in seiner heutigen Gestalt maßgeblich auf die Dissertation von Seeliger184 zurück;185 insofern bietet sich eine Analyse seiner Arbeit als Grundlage für das Verständnis der derzeit geltenden Zurechnungsvor­ schrift des § 39 AO an. Seeliger untersuchte den damaligen § 11 StAnpG. Die Norm enthielt eine Aufzählung von Fällen, in denen Eigentümer-ty­ pische Befugnisse auf mehr als eine Person aufgeteilt sind, und legte für diese Fälle fest, welcher Person das Wirtschaftsgut zuzurechnen sei.186 Hingegen fehlte es an einem allgemeineren Regelungsregime,187 das (wie heute) die Regel und die Standard-Ausnahme (und damit quasi negativ einen Teil der Regel) definieren würde. Ausgangspunkt von Seeligers Überlegungen war, dass an verschiedenen Stellen der Steuerrechtsord­ nung auf das Eigentum in der Erwartung Bezug genommen wird, dass so die wirtschaftlichen Kräfte des einzelnen so gerecht wie möglich berück­ sichtigt werden, dass das Eigentum ein gerechter Indikator für die Ver­ pflichtung zum Tragen der steuerlichen Lasten und damit verbunden das Recht zur Inanspruchnahme etwaiger Steuervergünstigungen ist.188 „Leitmotiv“ der damaligen Literatur zum Begriff des wirtschaftlichen Ei­ 183 § 39 Abs. 1 AO erwähnt nicht explizit den zivilrechtlichen Eigentümer; in einer Zusammenschau mit § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO ergibt sich aber, dass in beiden Normen der Begriff „Eigentum“ nur die zivilrechtliche Zuordnung (Eigentum bei Sachen, Inhaberschaft bei Forderungen etc.) meinen kann, so auch Drüen in Tip­ ke/Kruse, § 39 AO Rn. 3; Schmieszek in Gosch, AO/FGO, § 39 AO Rn. 1. 184 Seeliger, Begriff des wirtschaftlichen Eigentums im Steuerrecht (1962). 185 So auch Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (13); Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rn. 22: Aufnahme der Seeliger-Formel in die AO mittelbar über die Leasing-­ Entscheidung des BFH, Urt. v. 26.01.1970, Az. IV R 144/66, in BStBl. II 1970, S. 264. 186 Im Wesentlichen stimmt die Norm mit dem heutigen § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO überein. 187 Allenfalls § 1 Abs. 2–3 StAnpG, der eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht anordnet, kann als normativer Anknüpfungspunkt dienen – der Bezug zur zu regelnden Materie ist aber im Vergleich zum heutigen § 39 AO denkbar lose. 188 Seeliger, Begriff des wirtschaftlichen Eigentums im Steuerrecht (1962), S. 88; BVerfG, Beschluss v. 16.12.1970, Az. 1 BvR 210/68 (Zurechnung bei fortgesetzter Gütergemeinschaft), in BVerfGE 30, S. 59 (63).

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

gentums war daher der Vergleich mit den Befugnissen eines bürger­ lich-rechtlichen Eigentümers.189 § 11 StAnpG regelte einige Fälle, in de­ nen das Gerechtigkeitspostulat des Eigentumsbezugs nur durch eine veränderte Zuordnung erfüllt werden konnte. Für Seeliger galt es dem­ nach die Grenze zu finden, an der die Herrschaftsgewalt vom bürger­ lich-rechtlichen Eigentümer auf einen anderen übergeht190 – die Formel musste sich an den Aussagen des § 11 StAnpG erproben lassen. Nach ei­ ner ausführlichen Analyse der verschiedenen Ausprägungen der Eigentü­ merbefugnisse191 gelangte Seeliger zu dem Ergebnis, dass positive Befug­ nisse wie die zur Nutzung oder Fruchtziehung kein tauglicher Indikator für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums sind.192 Ausschlagge­ bend seien vielmehr die potentiell andauernd wirkenden (d.h. die letzt­ lich negativen) Befugnisse, wie etwa die Befugnis, das Wirtschaftsgut zu zerstören, es nicht mehr herauszugeben, vor allem aber die Möglichkeit, den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer von der Einwirkung auszuschlie­ ßen. Seeliger gelangt so zu folgender Definition des wirtschaftlichen Ei­ gentums, der der Gesetzgeber in § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO auch gefolgt ist:193 Wirtschaftlicher Eigentümer ist, wer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirt­ schaftsgut in der Weise ausübt, dass dadurch der nach bürgerlichem Recht Berech­ tigte auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut (rechtlich oder) wirt­ schaftlich ausgeschlossen ist.194

§ 39 AO wird auch im Zusammenhang mit der Zurechnung von Ein­ künften regelmäßig erwähnt, nicht zuletzt wegen der offenen Überschrift „Zurechnung“. Dabei wird aber regelmäßig eine (unmittelbare) Anwen­ dung verneint; die Zurechnungsobjekte sind schlicht verschieden.195 Mit­ telbar spielt die Zurechnung von Wirtschaftsgütern aber auch für die Zurechnung von Einkünften eine Rolle. So ist die Zurechnung von Wirt­ schaftsgütern insbesondere eine Voraussetzung des Betriebsvermögens­ vergleichs und damit für die Gewinnermittlung relevant.196 189 Vgl. die Nachweise bei Seeliger, Begriff des wirtschaftlichen Eigentums im Steuer­ recht (1962), S. 21 ff. 190 Seeliger, Begriff des wirtschaftlichen Eigentums im Steuerrecht (1962), S. 88. 191 Seeliger, Begriff des wirtschaftlichen Eigentums im Steuerrecht (1962), S. 24 ff. 192 Seeliger, Begriff des wirtschaftlichen Eigentums im Steuerrecht (1962), S. 37 f. 193 Siehe beispielhaft für die Probleme, die sich bei der Zuordnung nach „innova­ tiven“ Transaktionen ergeben können Desens, DStZ 2012, S. 142. 194 Seeliger, Begriff des wirtschaftlichen Eigentums im Steuerrecht (1962), S. 89. 195 Für die Feststellung, dass § 39 AO nichts (unmittelbar) über die Zurechnung von Einkünften aussagen kann, siehe die zahlreichen Nachweise bei Drüen in Tipke/ Kruse, § 39 AO Rn. 18. In die entgegengesetzte Richtung geht nur Steinberg, DStZ 1988, S. 315 (319), der folgert, dass eine eigene Zurechnungsdogmatik für die Ein­ kunftsquelle unnötig ist: § 39 AO sei direkt auf die Einkunftsquelle anwendbar. 196 Teilweise wird allerdings die Anwendbarkeit von § 39 AO für einen weiten Be­ reich der Einkommensteuer bestritten. § 5 Abs. 1 EStG mit der Verweisung auf die

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VI.  Andere Belastungssituation: Haftung für fremde Steuerschuld

Wenngleich also die Bezugspunkte (Einkünfte einerseits, Wirtschaftsgut andererseits) verschieden sind, so ist doch der gemeinsame Nenner beim Zurechnungsgrund ersichtlich. Zurechnung setzt – in beiden Fällen – Dis­ positionsbefugnis voraus. Wer über das Wirtschaftsgut bestimmen kann, wer über die Teilnahme am Markt entscheidet, ist derjenige, der bezo­ gen auf das jeweilige Objekt berechtigt und verpflichtet ist.197 Entschei­ dend sind in beiden Konstellationen die negativen Befugnisse. Zu fragen ist also, wer andere auf Dauer von der Einwirkung ausschließen kann (so Seeliger), wer die Leistung im Extremfall auch verweigern kann (so Ruppe). Im Ergebnis liegt Ruppe daher mit der Dispositionsbefugnis über die Quelle als entscheidendem Merkmal der Zurechnung von Einkünf­ ten relativ nahe am Begriff der tatsächlichen Herrschaft, dem Kriterium über die Zurechnung von Wirtschaftsgütern.198

VI. Andere Belastungssituation: Haftung für fremde Steuerschuld 1. Haftung für fremde Steuerschuld als Parallelproblem der fremdbestimmten Steuerwirkungen Eine mit der Steuerschuldbegründung nicht identische, aber doch ver­ gleichbare Situation ist die Begründung der Haftung für Steuerschulden. Auch diese bedarf einer Rechtfertigung. Die Gruppe der Haftungsnormen wird im Kontext der fremdbestimmten Steuerbewirkungen meist nicht erwähnt.199 Die allermeisten der später zu untersuchenden pathologischen Fälle betreffen nur die (fehlende) Iden­ tität von Handelndem und Steuerschuldner. Bei der Haftung für Steuer­ schulden, vorrangig geregelt in §§ 69–77 AO, ist das nicht der Fall. Hier Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sei gesetzestechnisch im Bereich der Einkommensteuer lex specialis; zum Streit siehe Stengel, Persönliche Zurech­ nung von Wirtschaftsgütern (1990), S. 5; siehe ebenda, S. 106 f. zum Vorrang des § 5 EStG i.V.m. dem (mittlerweile in § 246 Abs. 1 S. 2 HGB niedergelegten) Grund­ satz ordnungsmäßiger Buchführung des wirtschaftlichen Eigentums. Tatsächlich besteht aber wohl weitgehend Gesetzeskonkurrenz; der GoB verlange durchgehend dasselbe wie § 39 AO, so auch Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rn. 11. 197 § 39 AO ist der allgemeine Gedanke zu entnehmen, dass Erträge aus der Nutzung eines Wirtschaftsguts grundsätzlich demjenigen zuzurechnen sind, dem das Wirt­ schaftsgut zuzurechnen ist, so auch Schmieszek in Gosch, AO/FGO, § 39 AO Rn. 124. 198 So i.E. auch Lang/Seer, FR 1992, S. 637 (639 f.). 199 Keine Erwähnung finden sie etwa in den Arbeiten, die sich explizit mit fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen beschäftigen, etwa Kläne, Fremdbestimmte Steuer­ wirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010). Allerdings ist die Ter­ minologie bei Haftungsnormen sehr ähnlich: Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 6 Rz. 63 spricht von „Fremdhaftung“ und davon, dass „Dritte“ für die Schuld haften.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

gibt es einen Anspruch gegen einen Steuerpflichtigen, der durch seine Handlung den Tatbestand verwirklicht und so die Steuerschuld gegen sich begründet hat (außer bei der der Steuerschuld zu Grunde liegenden Norm handelt es sich zufällig selbst um einen Fall der Fremdbestim­ mung). Für diesen Anspruch haftet unter bestimmten Umständen eine andere Person, der Haftungsschuldner. Er wird von den Finanzbehörden für eine Schuld in Anspruch genommen, die offensichtlich von einem Fremden verursacht ist: die typische Situation (auch) bei fremdbestimm­ ten Steuerwirkungen. Auch und vor allem dieser Zugriff des Fiskus ist rechtfertigungsbedürf­ tig. Wenn es einen Grund der Zurechnung von Einkünften braucht, um die Steuerschuld zu begründen, dann bedarf erst recht der Zugriff beim Haftungsschuldner einer Begründung.200 Jedoch fehlt es im Recht der Steuerhaftung an einem klar benannten allgemeinen Haftungsgrund. La­ pidar heißt es meist, dass sich der jeweilige Haftungsgrund aus dem Tat­ bestand der Haftungsnorm ergibt.201 Zweck der Haftung ist die Sicherung des Fiskalaufkommens. Je mehr Haftungsschuldner es gibt, desto besser; gerechtfertigt ist diese „Hypertrophie der Haftungsbestimmungen“202 da­ durch, dass der Fiskus als Steuergläubiger sich anders als private Ver­ tragsparteien seine Schuldner nicht aussuchen kann.203 Diese rechtsposi­ tivistische, fiskalzentrierte Sichtweise ist zumindest auf Ebene der Haftungsnormen bis heute unbestritten. Am gemeinsamen Nadelöhr der Haftungsnormen, dem Haftungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO, jedoch findet bei der Bestimmung des Ermessensspielraums eine Diskussion der Fremdbestimmung mit Bezug auf den konkreten Haftungsschuldner statt, die aber bislang noch nicht für die Haftung allgemein geführt wird.204 Vor allem die Haftung der Organgesellschaft für Steuerschulden des Organträgers nach § 73 AO, die ihren Ursprung nicht bei der Organ­ gesellschaft haben, steht hier im Brennpunkt.205 Dem Schrifttum im Haf­ 200 Um die Verknüpfung des Steuerrechtfertigungsdiskurses mit der Frage nach dem Haftungsgrund bemühen sich etwa auch Elicker/Hartrott, BB 2011, S. 2775 (2777). 201 Mösbauer, Haftung für Steuerschuld (1990), S. 4; Goutier, Haftung im Steuerrecht (1978), S. 17 f.; Guth/Ling, Steuerrechtliche Haftung (1982), S. 1 ff. 202 Pointiert bei Bürger, VJSchrStuFR 1928, S. 75 (96). 203 Goutier, Haftung im Steuerrecht (1978), S. 17 f. 204 Bax, Haftung nach allgemeinem Abgabenrecht aus steuer- und verfassungsrechtli­ cher Sicht (1992), S. 230 ff. 205 In der Praxis der transaktionsbezogenen Steuerberatung wird bei Erwerb einer Ge­ sellschaft, die bislang in eine Organschaft eingebunden war, den Gefahren der Fremdbestimmungen auf Grund einer Norm wie § 73 AO mindestens genauso viel Beachtung geschenkt wie den Risiken, die sich auf Grund eines schädlichen Anteilserwerbs nach § 8c Abs. 1 KStG ergeben können, vgl. Lüdicke, FS Herzig (2010), S. 259. Die Risiken der Fremdbestimmung ergeben sich aber nicht aus dem Unternehmenskauf, sondern werden erst dann sichtbar (dazu sogleich mit Bezug auf § 73 AO).

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VI.  Andere Belastungssituation: Haftung für fremde Steuerschuld

tungsrecht fehlt zwar ein gemeinsamer allgemeiner Haftungsgrund, doch stellt die Diskussion der Frage nach der ermessensfehlerfreien Inan­ spruchnahme des Haftungsschuldners jedenfalls einen ersten Ansatz­ punkt dar. Wenngleich ein allgemeiner Haftungsgrund nicht bestimmt ist, so hat sich doch eine Dreiteilung der gesetzlichen Haftungsgründe herausgebil­ det, die im Folgenden kurz dargestellt werden soll. Dabei wird auch auf das Problem der überschießenden Haftung bei § 73 AO näher eingegan­ gen. Die Haftungsgründe können so den Gründen der Zurechnung von Einkünften und Wirtschaftsgütern gegenübergestellt werden. 2. Systematischer Überblick über die Haftungsgründe Aus den Haftungstatbeständen lässt sich entnehmen, warum der Haf­ tungsschuldner für eine fremde Schuld haftet. Insoweit erschließt sich bei Haftungsnormen leichter, warum sich eine (auch fremdbestimmte) Wirkung des Steuerrechts beim Haftungsschuldner ergibt. Diese Haf­ tungsgründe ergeben sich weitestgehend206 aus den §§ 69 ff. AO und sol­ len im Folgenden kurz in einem systematischen Überblick207 dargestellt werden: a. Fiskalerfolgsgefährdende Handlung des Haftungsschuldners Am kürzesten soll in dieser Arbeit die prominenteste Gruppe der Haf­ tungsgründe behandelt werden, nämlich die Haftung desjenigen, der pflicht- oder gar rechtswidrig die Durchsetzung eines Steueranspruchs durch den Fiskus gefährdet. Zu nennen ist etwa die Haftung des Steuer­ hinterziehers gemäß § 71 AO, des vorsätzlich oder grob fahrlässig han­ delnden Geschäftsführers, gesetzlichen Vertreters, Vermögensverwalters oder Verfügungsberechtigten nach § 69 AO i.V.m. §§ 34 f. AO. Der prak­ tisch bedeutsamste Fall ist die Haftung des Steuerentrichtungspflichti­ gen, etwa des Arbeitgebers, der Lohnsteuer einzubehalten hat (§ 42d Abs. 1 EStG208), oder der Bank, die Kapitalertragsteuer abzuführen hat (§ 44 Abs. 5 S. 1 EStG209). Daneben besteht eine Haftung desjenigen, der 206 Die problematischen, zivilrechtlich begründeten Haftungsfälle werden hier ausge­ spart. Die Öffnung für zivilrechtliche Haftungsvorschriften wie etwa §§ 31, 421 BGB, §§ 25, 128 HGB ist in § 191 Abs. 4 AO erkennbar; siehe dazu Seer in Tipke/ Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 6 Rz. 76 f. 207 Die Dreiteilung in der folgenden Darstellung orientiert sich an Seer in Tipke/ Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 6 Rz. 66 ff. 208 Auch in diesem Fall ist (obwohl nicht explizit in § 42d Abs. 1 EStG erwähnt) ein Verschuldensmoment erforderlich; vgl. etwa Kruse, GS Trzaskalik (2005), S. 169 (176 f.). 209 Diese Norm setzt (bei einer Beweislastumkehr zu Lasten des potentiellen Haf­ tungsschuldners) explizit grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz voraus.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

im Rahmen einer Kontenführung falsche Angaben macht (§ 72 AO i.V.m. § 154 Abs. 1, 3 AO). In all diesen Fällen steht die eigene Tat des Haftungs­ schuldners gerade auch wegen des expliziten Verschuldensmoments so im Vordergrund, dass wertungsmäßig der Bezug auf die fremde Schuld in den Hintergrund tritt. b. Haftung des Vertretenen Die Haftung des Vertretenen nach § 70 AO, der nicht schon Steuer­ schuldner ist, ist nur im Verbrauchssteuerrecht und Zollrecht relevant. Insoweit wird nur ein Gleichlauf mit einer ansonsten üblichen und ei­ gentlich selbstverständlichen Regel des Rechts hergestellt: Wer Vertre­ tungsmacht verleiht und möchte, dass ihm bestimmte Handlungen zuge­ rechnet werden, setzt selbst die Ursache für die spätere Inanspruchnahme als Schuldner. c. Haftung auf Grund von Substanz Interessanter für Fragen der Fremdbestimmung sind die Fälle, in denen der Haftungstatbestand die Haftung an eine bestimmte Sachsubstanz knüpft. Mit der Anknüpfung an die Substanz tritt der eigene Beitrag des Haftungsschuldners naturgemäß in den Hintergrund. aa. Haftung des Eigentümers von Gegenständen nach § 74 AO Neben der Sachhaftung im Verbrauchsteuerrecht (§ 76 AO) ist dies nach § 74 AO zunächst die Haftung desjenigen, der an einem Unternehmen wesentlich beteiligt ist und dessen Gegenstände dem Unternehmen wirtschaftlich dienen. Die Haftung ist dabei nach § 74 Abs. 1 S. 2 AO sachlich auf die dienenden Gegenstände und zeitlich auf die Steuerschul­ den beschränkt, die in der Zeit der wesentlichen Beteiligung entstanden sind. Die wesentliche Beteiligung ist in § 74 Abs. 2 S. 1 AO definiert als unmittelbare oder mittelbare Beteiligung am Kapital zu mehr als einem Viertel. Als Unternehmen kommen sowohl Personen- als auch Kapital­ gesellschaften in Betracht.210 Im Schrifttum und in der Rechtsprechung hierzu wird stets betont, dass der Haftungsgrund die Überlassung der Gegenstände ist und nicht die Stellung als wesentlicher Beteiligter.211 Diskutiert wird hier eine mögli­ che Verletzung des Trennungsprinzips und auch von Art. 3 Abs. 1 GG. Die Haftung ist erst dadurch gerechtfertigt, dass derjenige, der als Gesell­ 210 Loose in Tipke/Kruse, § 74 AO Rn. 11. 211 Bax, Haftung nach allgemeinem Abgabenrecht aus steuer- und verfassungsrechtli­ cher Sicht (1992), S. 91; BFH, Beschluss v. 30.05.2006, Az. VII B 345/05, in BFH/ NV 2006, S. 1615; BFH, Urt. v. 10.11.1983, Az. V R 18/79, in BStBl. II 1984, S. 127.

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VI.  Andere Belastungssituation: Haftung für fremde Steuerschuld

schafter dem Unternehmen Gegenstände zur Verfügung stellt, die für die Führung des Betriebs und die Erzielung steuerbarer Umsätze von we­ sentlicher Bedeutung sind, einen maßgeblichen Beitrag zur Verwirkli­ chung des steuerbegründenden Tatbestandes leistet.212 Ein (unzulässiger) Durchgriff findet daher nicht statt, da die Haftung sich aus einer dem Gesellschafter selbständig zuzurechnenden Tatbestandsverwirklichung herleiten lässt.213 bb. Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 AO Einen weiteren Fall stellt die Haftung des Betriebsübernehmers dar. Die­ ser haftet nach § 75 AO für die Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens begründet. Die Haftung ist persön­ lich,214 der Sache nach aber auf den Betrieb beschränkt (§ 75 Abs. 1 S. 2 AO). Die steuerrechtliche Haftung ist hier die Übernahme der Wertun­ gen des § 25 HGB.215 Zumindest auf der sekundären Ebene der Haftung wird der Betrieb wie eine rechtsfähige Person behandelt, die Verbindlich­ keiten „mitnimmt“, so dass der Übernehmer haftet. cc. Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO Am weitesten reicht die Fremdhaftung nach § 73 AO im Rahmen der Organschaft.216 Die Organgesellschaft haftet demnach für die Steuern des Organträgers, „für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist“, also die im Rahmen der jeweiligen Steuerart217 und während der Organschaft entstanden sind.218 Die Haftung knüpft allein 212 BVerfG, Beschluss v. 14.12.1966, Az. 1 BvR 496/65, in BVerfGE 21, S. 6 Rz. 13 [zit. nach juris] zur inhaltsgleichen Vorgängerform des § 115 AO a.F. 213 Ebenda. Die Ähnlichkeit der Argumentation im Haftungsrecht zu der im Steuer­ schuldrecht bestätigt und rechtfertigt außerdem den Vergleich in dieser Arbeit. 214 Loose in Tipke/Kruse, § 75 AO Rn. 3. 215 Darauf wird schon in den Regierungsbegründungen der Vorgängernormen hinge­ wiesen; vgl. die Nachweise bei Bax, Haftung nach allgemeinem Abgabenrecht aus steuer- und verfassungsrechtlicher Sicht (1992), S. 51. 216 Im Folgenden wird nur auf die Organschaft nach Körperschaft- und Gewerbesteu­ errecht eingegangen. Nur diese soll Gegenstand dieser Arbeit sein (vgl. S. 94 ff.). Die umsatzsteuerliche Organschaft unterscheidet sich in einigen wenigen, aber entscheidenden Punkten hiervon, so dass die folgende Argumentation teilweise für die Organschaft im Umsatzsteuerrecht nicht greifen würde: Die Organgesell­ schaft ist hier weder eigene Steuerschuldnerin, deren Einkommen nur anders zu­ gerechnet wird, noch ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ein Ergebnisabführungsver­ trag erforderlich; vgl. Bröder, SteuerStud 2008, S. 164 (166, 168). 217 Besteht die Organschaft etwa nur für Zwecke der Körperschaftsteuer, so ist die Haftung auf Schulden aus dieser Steuerart beschränkt; für Umsatzsteuerschulden des KSt-Organträgers wird nicht gehaftet, Loose in Tipke/Kruse, § 73 AO Rn. 3; BFH, Urt. v. 21.02.1986, Az. VI R 9/80, in BStBl. II 1986, S. 768; BMF, AEAO zu § 73 Nr. 1. 218 Loose in Tipke/Kruse, § 73 AO Rn. 3.

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

an die Steuerschuld des – durch das konkrete Organschaftsverhältnis be­ stimmten219 – Organträgers an. Die Vorschrift fragt nicht danach, inwieweit die Steuer durch die Organ­ gesellschaft selbst begründet oder verursacht wurde. Vielmehr bezieht sich grundsätzlich die Haftung der Organgesellschaft auf den (gesamten) Organkreis;220 es kommt nicht darauf an, wo innerhalb des Organkreises die Steuer verursacht wurde. Für die Ertragsteuern ist dies nach der höchst­ richterlichen Rechtsprechung mittlerweile aber eingeschränkt auf den durch das konkrete Organschaftsverhältnis bestimmten Organkreis.221 Die Haftung besteht – jedenfalls nach der älteren Rechtsprechung – dem Grunde nach auch für die Steuern, die im Betrieb einer anderen Organge­ sellschaft, einer Schwestergesellschaft, verursacht worden sind.222 Be­ gründet wird diese weitgehende Haftung damit, dass durch die Organ­ schaft die Organgesellschaft als Steuerpflichtiger faktisch223 verschwindet und der Organträger für den gesamten Organkreis schuldet.224 Damit ge­ hen auch administrative Schwierigkeiten einher: Bei vollzogener Organ­ schaft fällt es der Finanzverwaltung schwer, das Entstehen der Haftung richtig zuzuordnen.225

219 Nach BFH, Urt. v. 31.05.2017, Az. I R 54/15, BStBl. II 2018, S. 54 führt das zu einer Begrenzung der Haftung bei der ertragsteuerlichen Organschaft: Eine Organgesell­ schaft (Enkelgesellschaft) haftet nur für Steuerschulden ihres Organträgers (Mut­ tergesellschaft), nicht aber für Schulden des Organträgers des Organträgers (Groß­ muttergesellschaft). Anders aber wohl bei der Umsatzsteuer wegen der Fiktion des einheitlichen Unternehmens: FG Düsseldorf, Urt. v. 22.02.2018, Az. 9 K 280/15 H(U), DB 2018, S. 871 (Revision eingelegt (Az. des BFH: VII R 19/18). 220 So ausdrücklich die Begründung des Regierungsentwurfs zur AO, BR-Drs. 23/71, S. 120; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.04.1985, Az. I 174/81, in EFG 1985, S. 533; FG Nürnberg, Urt. v. 11.12.1990, Az. II 238/86, in EFG 1991, S. 437; BGH, Urt. v. 22.10.1992, Az. IX ZR 244/91, in BGHZ 120, S. 50 (Aussage im Rahmen eines späteren Regresses zwischen Haftungs- und Steuerschuldner); so wohl auch BFH, Urt. v. 05.10.2004, Az. VII ZR 76/03, in BStBl. II 2006, S. 3; Goutier, Haftung im Steuerrecht (1978), S. 58 f.; Reiß, StuW 1979, S. 343 (345); Breuer, AO-StB 2003, S. 342 (344); Bruschke, StB 2009, S. 201 (203 f.); Loose in Tipke/Kruse, § 73 AO Rn. 4. 221 BFH, Urt. v. 31.05.2017, Az. I R 54/15, BStBl. II 2018, S. 54 (siehe auch schon oben in Fn. 219). 222 Bröder, SteuerStud 2008, S. 164 (170). 223 So der Regierungsentwurf zur AO, BR-Drs. 23/71, S. 120. Außerdem BFH, Urt. v. 05.10.2004, Az. VII ZR 76/03, in BStBl. II 2006, S. 3 Rz. 18 [zit. nach juris]. Die Organgesellschaft bleibt (zumindest im Körperschaftsteuerrecht, dazu siehe un­ ten, S. 94 ff.; zur Beschränkung auf diese Steuerart siehe Fn. 216) noch Steuer­ schuldner, doch beträgt das zu versteuernde Einkommen nach der Ergebnisabfüh­ rung (ungeachtet eventueller Ausgleichszahlungen nach § 16 KStG) null. 224 Bruschke, StB 2009, S. 201 (204) m.w.N. 225 Erneut Regierungsentwurf zur AO, BR-Drs. 23/71, S. 120 und BFH, Urt. v. 05.10.2004, Az. VII ZR 76/03, in BStBl. II 2006, S. 3 Rz. 18 [zit. nach juris]. Dar­ stellung hierzu und die Auswirkungen auf die Ermessensausübung bei Bruschke,

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VI.  Andere Belastungssituation: Haftung für fremde Steuerschuld

Das weite Verständnis von Haftung ist im geltenden Recht und dem Grundsatz nach noch weitgehend herrschend;226 dennoch wird die Reich­ weite gerade in letzter Zeit immer häufiger kritisiert.227 Sofern der Or­ ganträger Schuldner von Steuern ist, die sich auf die durch die Organge­ sellschaft im Rahmen der Ergebnisabführung übergeleiteten Gewinne beziehen, besteht noch Zustimmung; die Haftung für alle anderen Steu­ ern jedoch, die originär beim Organträger oder bei anderen Schwester­ organgesellschaften entstanden sind, wird zu Recht kritisch gesehen. Die Organgesellschaft haftet in dieser Konstellation nicht nur für fremde Schuld (das ist dem Haftungsrecht stets eigentümlich228), sondern auch ohne eigenen Bezug zur fremden Schuld. Der Umstand, dass sie auf Grund des Ergebnisabführungsvertrags ihr eigenes Ergebnis an den Or­ ganträger abführen muss, schafft diesen Konnex zu anderen Einkünften des Organträgers nicht. Die Haftung nach § 73 AO sichert so nicht nur den auf Grund der Organschaft verschobenen Anspruch, sondern geht – ungerechtfertigt – darüber hinaus.229 Die Organgesellschaft trägt durch ihr Dasein in der Organschaft in keiner Weise zur Einkünfteerzielung beim Organträger oder bei der Schwestergesellschaft bei. Ohne dass die Organschaft hierfür einen Grund liefert, geht die Haftung der Organ­ schaft deutlich weiter als die Haftung einer Tochtergesellschaft für Steu­ erschulden der Mutter: In der Konstellation könnte nur in den Anteil der Mutter an der Tochter vollstreckt werden.230 Obwohl also ein allgemeiner Haftungsgrund nicht positiv festgestellt wird, so besteht doch zumindest für den vorliegenden Fall Einigkeit da­ rin, wann ein solcher Grund nicht mehr vorliegt.231 Denn auch die noch herrschenden Stimmen in Rechtsprechung, Verwaltung und Literatur, die den Tatbestand von § 73 AO entsprechend weit sehen, teilen die Be­ StB 2009, S. 201 (205). Bestätigend wiedergegeben auch aktuell in BFH, Urt. v. 31.05.2017, Az. I R 54/15, BStBl. II 2018, S. 54 Rz. 9 [zit. nach juris]. 226 Siehe die Nachweise in Fn. 220. 227 Kritisch (und für eine Einschränkung schon auf Ebene des Tatbestandes) Probst, BB 1987, S. 1992 (1996); Lüdicke, FS Herzig (2010), S. 259 (261); Braunagel/Paschke, Ubg 2011, S. 233 (236 ff.); Elicker/Hartrott, BB 2011, S. 2775; Schimmele/Weber, BB 2013, S. 2263; Schmidt, Inanspruchnahme der Organgesellschaft für Steuer­ schulden des Organträgers (2014), S. 99 ff. 228 Die bei der Organschaft „auseinanderfallende formelle und materielle Steuer­ schuld“ (Schneider, StbJb 2010/2011, S. 327 [361]) werden so zusammengeführt. 229 Schmidt, Inanspruchnahme der Organgesellschaft für Steuerschulden des Organ­ trägers (2014) passim, insbesondere S. 180 ff. 230 Vgl. Lüdicke, FS Herzig (2010), S. 259 (264). 231 Eine ausdrückliche Entscheidung des BFH (zuletzt BFH, Urt. v. 31.05.2017, Az. I R 54/15, BStBl. II 2018, S. 54) steht aber ebenso aus wie eine entsprechende Verwal­ tungsanweisung (BMF, AEAO zu § 73 Nr. 3.1 sieht nur die Berücksichtigung im Rahmen des Ermessens vor), so dass aus Beratersicht wegen § 73 AO unter Um­ ständen zu einem asset deal statt zu einem share deal zu raten ist: Mayer, DStR 2011, S. 109 (111 f.).

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B.  Grundaussagen zur Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Handelndem

denken hiergegen und lösen die übermäßige Belastung auf einer zweiten Stufe. Das Steuerhaftungsrecht hat dabei einen einfachen Weg, um hier für Abhilfe zu sorgen: Nach § 191 Abs. 1 AO kann der Haftungsschuld­ ner in Anspruch genommen werden. In der vorzunehmenden Abwägung von Fiskalinteresse und berechtigtem Interesse der Organgesellschaft, nicht für fremdveranlasste Steuerschulden zu haften, soll dann aus Billig­ keitsgründen232 regelmäßig letzteres überwiegen, so dass auf den Erlass des Haftungsbescheides verzichtet wird.233 Ausnahmen sollen aber gel­ ten, wenn zuvor unentgeltliche Übertragungen oder Leistungsbeziehun­ gen zwischen Organgesellschaft und Organträger stattgefunden bzw. be­ standen haben oder eine Trennung der Vermögenssphären nicht möglich ist.234 3. Pragmatische Lösung trotz fehlendem allgemeinen Haftungsgrund Wenngleich also die Suche nach dem (einen) allgemeinen Haftungsgrund ergebnislos geblieben ist und damit der Vergleich mit dem allgemeinen Grund der Zurechnung von Einkünften als solche nicht erfolgen kann, lässt sich doch festhalten, dass zum einen stets ein Grund für die Belas­ tung benannt wird, und dass zum anderen dem Haftungsrecht über die Öffnung des Ermessens und der Gleichsetzung mit Übermaß die pragma­ tische235 Lösung eines Problems gelingt, das wirtschaftlich weitgehend identisch ist mit dem der fremdbestimmten Steuerwirkungen.

232 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 6 Rz. 84: Das „kann“ in § 191 Abs. 1 S. 1 AO begründet grundsätzlich nur ein Auswahlermessen, keine Oppor­ tunität hinsichtlich der Inanspruchnahme, wenn der Anspruch gegen den Steuer­ schuldner scheitert. Ausnahmen können sich aber aus Gründen der Billigkeit er­ geben (vgl. Nacke, GmbHR 2006, S. 846 (848)). 233 So FG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.04.1985, Az. I 174/81, in EFG 1985, S. 533; FG Nürnberg, Urt. v. 11.12.1990, Az. II 238/86, in EFG 1991, S. 437; Goutier, Haf­ tung im Steuerrecht (1978), S. 58 f.; Reiß, StuW 1979, S. 343 (345); Breuer, AO-StB 2003, S. 342 (344); VV HE OFD Frankfurt, 24.6.2010 - S 0194 A-1-St 23 (zit. nach Elicker/Hartrott, BB 2011, S. 3093 Fn. 1). Ausführlich zu Erwägungen auf Ermes­ sensebene Elicker/Hartrott, BB 2011, S. 3093; Schimmele/Weber, BB 2013, S. 2263 (2264); Schmidt, Inanspruchnahme der Organgesellschaft für Steuerschulden des Organträgers (2014), S. 109 ff. 234 BMF, AEAO zu § 73 Nr. 3.2 mit Verweis auf BFH, Beschluss v. 19.03.2014, Az. V B 14/14 –, BFHE 244, 156 und BGH, Urt. v. 29.01.2013, Az. II ZR 91/11, DStR 2013, S. 478. 235 Pragmatisch ist freilich meist nur ein Synonym für schlechte Dogmatik: Wenn weite Teile des sachlichen Anwendungsbereichs regelmäßig ausgeschieden wer­ den, dann ist eher eine Lösung auf Tatbestandsebene statt Ermessensebene gebo­ ten; vgl. ausführlich, aber auch mit Rückausnahmen Schimmele/Weber, BB 2013, S. 2263 (2264 ff.). Siehe auch Braunagel/Paschke, Ubg 2011, S. 233 (238); Elicker/ Hartrott, BB 2011, S. 3093 (3094 ff.).

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VII.  Zusammenfassung des Status Quo der Literatur und Rechtsprechung

VII. Zusammenfassung des Status Quo der Literatur und Rechtsprechung Die Frage nach dem allgemeinen Zurechnungsgrund wird in der Litera­ tur mit (expliziter und implizierter) Bezugnahme auf den Wortlaut des § 2 Abs. 1 EStG und das Markteinkommensprinzip beantwortet. Die er­ höhte Leistungsfähigkeit ist (erst) auf einer zweiten Stufe relevant; die Leistungsfähigkeit des Disponierenden/des Tatbestandsverwirklichers/ des Handelnden muss auch tatsächlich erhöht sein. Die Einnahmen, die dem Marktteilnehmer tatsächlich zufließen (bei Überschuss-Einkünften) bzw. sein Vermögen vermehren, erhöhen seine Leistungsfähigkeit und vervollständigen damit den Steuertatbestand. In Fällen, in denen prima facie nur die Leistungsfähigkeit eines Dritten sich erhöht, wird für den Marktteilnehmer auf die Argumentationsfigur des § 12 Nr. 2 EStG zu­ rückgegriffen. Bei ihm ist die Vermögensmehrung bzw. der Zufluss fiktiv anzunehmen; der tatsächliche Zufluss bzw. die tatsächliche Mehrung bei einem anderen stellt eine steuerrechtlich unbeachtliche Verwendung des Einkommens dar. Die Allgemeingültigkeit der Aussagen zum allgemeinen Grund der Zu­ rechnung (von Einkünften) wird verstärkt durch ein vergleichbares Ergeb­ nis in einem Paralleldiskurs, nämlich bei der Zurechnung von Wirtschafts­ gütern. Auch hier ist die (negative) Dispositionsbefugnis maßgeblich. Die Dispositionsbefugnis wird schließlich auch in den verschiedenen Haftungsgründen rezipiert. Sofern in der Literatur andere Normen oder Prinzipien als Erkenntnis­ quellen angeführt werden, sind in diesen vielleicht Anforderungen an den Zurechnungsgrund oder die Zurechnung allgemein zu erkennen, Aussagen zur inhaltlichen Ausgestaltung des allgemeinen Zurechnungs­ grundes aber jedenfalls nicht. Wenn eine solche Aussage mit den ange­ führten Normen und Prinzipien in der Literatur verknüpft wird, hatte sie – dies wurde in diesem Kapitel festgestellt – ihren eigentlichen Ur­ sprung im Markteinkommensprinzip oder dem Tatbestand des § 2 Abs. 1 EStG.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse nach dem Grund der Belastung

Im Folgenden sollen fremdbestimmte Steuerwirkungen als die patholo­ gischen Fälle des Zusammenhangs von steuerauslösender Handlung und Steuerbelastung untersucht werden. Die Darstellung ist aufgeteilt nach Zurechnungsgründen. Bei der Zusammenstellung der verschiede­ nen Referenzfälle wurde erkannt, dass stets eine Form von besonderem Näheverhältnis zwischen Handelndem und Steuerpflichtigen besteht. Deshalb soll anhand dieses materiellen Konnexes gegliedert werden.

I. Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft Objekt der nachfolgenden Untersuchung soll nur die Kapitalgesellschaft sein, und hier im Speziellen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Bei der Behandlung von Referenzfällen ist notwendigerweise eine Aus­ wahl zu treffen. Die Kapitalgesellschaft ist dabei insbesondere in der Ausprägung als GmbH als die am häufigsten vorkommende Form der Körperschaftsteuersubjekte in den Fokus zu nehmen.236 1. Referenzfälle a. Verlustuntergang auf Ebene der Gesellschaft bei Übertragung von Anteilen – § 8c Abs. 1 KStG § 8c Abs. 1 KStG modifiziert für das Körperschaftsteuerrecht den in § 10d EStG geregelten und über § 8 Abs. 1 KStG auch für die Körperschaften geltenden Verlustabzug. § 10d Abs. 2 S. 1 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) regelt, dass negative Einkünfte, die weder im aktuellen Jahr berücksich­ tigt noch in vergangene Jahre zurückgetragen werden konnten, in den folgenden Jahren als Verlustvortrag grundsätzlich die Bemessungsgrund­ lage für die Einkommensteuer mindern.

236 Vgl. die Daten bei Kornblum, GmbHR 2018, S. 669: Mehr als 1,25 Millionen ­GmbHs stehen in Deutschland nur gut 14.800 AGs gegenüber. Auch andere Arbei­ ten zur Fremdbestimmung konzentrieren sich auf die GmbH, z.B. Kläne, Fremd­ bestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 19. An manchen Stellen in dieser Arbeit soll aber auch auf die Aktiengesellschaft ein­ gegangen werden, insb. sofern Bezugspunkte zu dem besonderen Referenzfall der REIT-AG bestehen (vgl. S. 76 ff. sowie Fn. 470).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

aa. Regelungstechnik, Historie und Regelungsumfeld des § 8c Abs. 1 KStG § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. sah den Entfall der nicht genutzten Verluste und Verlustvorträge237 einer Körperschaft vor, wenn ein Erwerber bzw. eine Erwerbergruppe (erwerberzentrierte Betrachtung) mittelbar oder un­ mittelbar von einem Anteilseigner oder mehreren Anteilseignern mehr als 25 Prozent der Anteile an einer Körperschaft erwirbt, und zwar in dem Umfang, wie es den erworbenen Anteilen entspricht.238 § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Gesetzeskraft für unmittelbare Anteilserwerbe vor 2016 für nicht mehr anwendbar er­ klärt.239 In einer ersten Reaktion wollte das BMF die Entscheidung nur in diesen engen zeitlichen und sachlichen Grenzen anerkennen; im Übri­ gen – also bei allen Erwerben nach 2015 und auch bei mittelbaren Erwer­ ben vor 2016 – sollte es weiterhin zu einem quotalen Verlustuntergang kommen.240 Mit dem „Jahressteuergesetz 2018“241 entschied sich aller­ dings der Gesetzgeber nunmehr für eine vollständige Streichung des quo­ talen Verlustuntergangs. Nach § 8c Abs. 1 S. 2 KStG a.F. (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG n.F.) entfallen die Verluste und Verlustvorträge aber weiterhin voll­ ständig, wenn mehr als 50 Prozent der Anteile erworben werden.

237 § 8c Abs. 1 KStG regelt im Unterschied zu § 10d EStG nicht nur Verluste aus an­ deren Veranlagungszeiträumen (vor allem Verlustvorträge), sondern gerade auch Verluste aus dem laufenden Veranlagungszeitraum vor dem schädlichen Erwerb. Deshalb ist es auch sprachlich ungenau, bei § 8c Abs. 1 KStG von der Versagung des Verlustvortrages zu sprechen. Die gebotene sprachliche Differenzierung wird aber im Beschluss der Kommission v. 26.1.2011, K (2011) 275, ABl. EG Nr. L 235, 10.9.2011, S. 26, Rz. 12, 66 ebenso wenig vorgenommen wie in der Regierungsbe­ gründung zum Unternehmenssteuerreformgesetz (BT-Drs. 16/4026, S. 76) oder der BVerfG-Vorlage des FG Hamburg, Beschluss v. 04.04.2011, Az. 2 K 33/10, in DStR 2011, S. 1172 Rz. 55 [zit. nach juris, abgedruckt hier auch unter S. 58 ff.]. Durch das Jahressteuergesetz 2018 (Fn. 241) entfiel die Legaldefinition der „nicht genutz­ ten Verluste“ und wurde Tatbestandsmerkmal. Daraus sollten sich aber keine mate­ riell-rechtlichen Änderungen ergeben (so auch Kunas/Przybilka, Ubg 2019, S. 282). 238 § 8c Abs. 1 KStG ist für diese Darstellung paraphrasiert: Zum einen soll für eine bessere Lesbarkeit nur von „Anteilen an der Körperschaft“ die Rede sein, nicht von gezeichnetem Kapital, Mitgliedschaftsrechten, Beteiligungsrechten oder Stimmrechten; auch die Erweiterung auf vergleichbare Sachverhalte wird für die Fokussierung auf den eigentlichen Regelungsgehalt weggelassen. Zum anderen wird die Diathese des Satzes geändert: Durch die Verwendung der Aktiv-Form soll die Abhängigkeit der Körperschaft von Handlungen Fremder verdeutlicht werden. 239 BVerfG, Beschluss v. 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11 (§ 8c KStG), in BVerfGE 145, S. 106 – dazu ausführlich unten unter S. 60 ff. 240 BMF, Schreiben v. 28.11.2017, Az. IV C 7-S 2745-a/09/10002, in BStBl. I 2017, S. 1645 Tz. 66 begrenzte zunächst die Reichweite der BVerfG-Entscheidung auf unmittelbare Erwerbsvorgänge. 241 Im Laufe des Gesetzgebungsverfahren Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuer­ ausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerli­ cher Vorschriften, BGBl. I 2018, S. 2338.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

§ 8c Abs. 1 KStG ersetzt mit Ablauf des Jahres 2007 die sog. Mantelkauf­ regelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F.242 Die Vorgängernorm war explizit als Vorschrift zur Missbrauchsverhinderung konzipiert worden. Mit ihr soll­ te der Handel mit leeren Gesellschaftshüllen verhindert werden, deren einziges wertvolles Gut die Verlustvorträge in Folge einer in der Vergan­ genheit ausgeübten Tätigkeit sind. Um den Charakter als Missbrauchs­ verhinderungsvorschrift zu verwirklichen, erforderte § 8 Abs. 4 KStG a.F. neben der Anteilsübertragung auch ein Tatbestandsmerkmal mit Bezug auf die Gesellschaft: die Zuführung von überwiegend neuem Betriebsver­ mögen. Der strengen Grundnorm des § 8c Abs. 1 S. 1–2 KStG wurden nach und nach Ausnahmevorschriften zugefügt. Für den Erwerb von Gesellschaf­ ten zum Zwecke der Sanierung, deren Verlustvorträge oftmals noch den größten Vermögenswert darstellten, wurde in § 8c Abs. 1a KStG eine Ausnahme eingefügt. Diese ist nach § 34 Abs. 6 S. 2 KStG in der Fassung des „Jahressteuergesetz 2018“243 wieder anwendbar, denn der Beschluss der Kommission244, die hierin eine verbotene Beihilfe i.S. des Art. 107 AEUV sah, ist mittlerweile vom EuGH für nichtig erklärt worden.245 Ge­ sellschaften mit stillen Reserven können nach § 8c Abs. 1 S. 5–7 KStG Verluste in Höhe der stillen Reserven bewahren.246 Geschieht der schäd­ liche Anteilserwerb innerhalb eines Konzerns und unter den Vorausset­ zungen des § 8c Abs. 1 S. 4 KStG, so gehen Verluste und Verlustvorträge nicht unter.247

242 Auch diese Norm hat seit ihrer Einführung im Jahre 1990 zahlreiche Änderungen erfahren. So wurden die Beteiligungsgrenzen gesenkt (ursprünglich 100 Prozent) und das Merkmal der (Wahrung der) wirtschaftlichen Identität mehrfach neu defi­ niert. § 8 Abs. 4 KStG 1990 selbst war die Reaktion des Gesetzgebers auf die Auf­ gabe einer seit RFH-Zeiten bestehenden Rechtsprechungslinie zum Mantelkauf durch den BFH, Urt. v. 29.10.1986, Az. I R 202/82, in BStBl. II 1987, S. 308. Aus­ führlich zu den Vorgängernormen von § 8c Abs. 1 KStG siehe FG Hamburg, Be­ schluss v. 04.04.2011, Az. 2 K 33/10, in DStR 2011, S. 1172 Rz. 20 ff. [zit. nach ­juris]; Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), S. 29 ff. 243 Fn. 241. 244 Beschluss 2011/527/EU der Europäischen Kommission v. 26.01.2011, K (2011) 275, ABl. EG Nr. L 235, 10.9.2011, S. 26. 245 EuGH, Urt. v. 28.06.2018, Az. Rs. C-219/16 P (Lowell Financial Services GmbH, vormals GFKL Financial Services AG), in DStR 2018, S. 1434; zu den Folgewir­ kungen Linn/Pignot, IStR 2018, S. 552 (559 f.). 246 Deshalb wurde nach der Einführung von § 8c Abs. 1 S. 5–7 (S. 6–8 a.F.) KStG auch ein Schritt in Richtung „Rückkehr zum Mantelkauf“, d.h. zur Missbrauchsver­ hinderungsvorschrift erkannt; vgl. nur Schmitz, DStZ 2011, S. 324 (327 ff.). 247 Mit Inkrafttreten des StÄndG 2015 wurde der Anwendungsbereich von § 8c Abs. 1 S. 4 (S. 5 a.F.) KStG teilweise erweitert. So kann „dieselbe Person“ nunmehr eine natürliche oder juristische Person sowie eine Personenhandelsgesellschaft sein. Ausführlich zur Neuregelung Gläser/Zöller, BB 2015, S. 1117.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Für Veranlagungszeiträume ab 2016 besteht zudem nach § 8d KStG die antragsgebundene Möglichkeit, Verluste trotz schädlichem Beteiligungs­ erwerb nach § 8c Abs. 1 KStG zu erhalten. Voraussetzung für die weiter­ gehende Verlustnutzungsmöglichkeit ist die Fortführung des bisherigen Geschäftsbetriebs, wie er seit Gründung der Gesellschaft bzw. über die letzten drei vollen Veranlagungszeiträume unterhalten wurde. Damit wird §§ 8c, 8d KStG in der Gesamtschau wieder stärker auf Fälle eines Handels mit Verlustmänteln ausgerichtet.248 Im Unterschied zur alten Mantelkaufregelung ist § 8d KStG strikt tätigkeitsbezogen und stellt ge­ rade nicht auf die Zuführung von Betriebsvermögen ab.249 Allerdings ist schwer einzusehen, warum diese Rekalibrierung unter dem Vorbehalt eines Antrags stehen soll. Bei genauerer Befassung treten dabei die tatsächlichen Schwierigkeiten der Norm im Vordergrund: Da gemäß § 8d Abs. 1 S. 6, Abs. 2 S. 1 KStG sämtliche und nicht nur die ansonsten von § 8c Abs. 1 S. 1 KStG erfassten Verlustvorträge fortfüh­ rungsgebunden sein sollen, können im Fall eines Ereignisses nach § 8d Abs. 2 KStG unter Umständen mehr Verlustvorträge untergehen als bei uneingeschränkter Anwendung von § 8c KStG. Darüber hinaus sind die weiteren Voraussetzungen des § 8d Abs. 2 (insbesondere S. 2 Nr. 4–6) ggf. i.V.m. Abs. 1 S. 1 KStG für die meisten Körperschaften schwer zu erfüllen und noch schwerer nachzuvollziehen: Die ursprüngliche Versagung der Verlustfortführung oder der spätere Entfall in Fällen einer Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft (Nr. 4), einer Stellung als Organträger (Nr. 5) oder einer Übertragung von Wirtschaftsgütern zu Buch- oder Zwischen­ werten (Nr. 6) schränkt den Kreis der überhaupt von § 8d KStG erfassten Unternehmen erheblich ein, ohne dass dies vom Normzweck der Miss­ brauchsverhinderung gedeckt wäre.250 Ohne ein beihilfenrechtlich an­ greifbares Sonderregime zu begründen ist damit die Norm – wie auch deren Urheber einräumen251 – auf Start Ups zugeschnitten, die ihre ho­ hen Anfangsverluste in kurzer Zeit nach einem Einstieg neuer Investo­ ren nutzen. Die Aussparung von älteren Unternehmen, die typischerwei­ se schon eine Organschaft oder eine Arge in Form einer GbR begründet haben, wird mit Verweis auf § 8c Abs. 1 S. 5 ff. KStG gerechtfertigt, denn diese Unternehmen verfügen regelmäßig über hohe stille Reserven.252 Es ist zuzugestehen, dass § 8d KStG damit einige wirtschaftliche Härten des § 8c KStG genommen hat; der Verlustuntergang nach § 8c KStG ist aber dennoch offensichtlich nicht auf Mantelkaufsfälle begrenzt.

248 Röder, DStR 2017, S. 1737 (1738). 249 Arbeitsgruppe Weiterentwicklung, FR 2017, S. 113 (120 f.). 250 Prinz, FR 2018, S. 76 (79). 251 Arbeitsgruppe Weiterentwicklung, FR 2017, S. 113 (114, 116). 252 Arbeitsgruppe Weiterentwicklung, FR 2017, S. 113 (114).

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Diese Probleme traten nach der Entscheidung des BVerfG253 zu § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. schlagartig in den Vordergrund: Da § 8c Abs. 1 S. 1 KStG nur für unmittelbare, schädliche Erwerbsvorgänge vor Einführung des § 8d KStG für verfassungswidrig erklärt wurde,254 erschien § 8d KStG als Heilmittel für die Schwächen des § 8c KStG. Dabei wurde zunächst auch eine Erstreckung des § 8d KStG auf Zeiträume von 2008 bis 2015 als ein möglicher Ansatz für die vom BVerfG angemahnte Neuregelung gese­ hen;255 hierzu kam es aber nach dem Jahressteuergesetz 2018 nicht. bb. Probleme der Fremdbestimmung Wenngleich diese Ausnahmevorschriften manche wirtschaftlichen Här­ ten des Grundtatbestands von § 8c Abs. 1 KStG genommen haben, so bestehen noch immer fundamentale dogmatische Probleme im Zusam­ menhang mit der Norm. Die Körperschaft hat keinen Einfluss auf den Gesellschafterwechsel und nicht zwingend Kenntnis hiervon, obwohl bei ihr die steuerlichen Folgen eintreten. Noch dramatischer erscheint das, wenn der schädliche Anteilserwerb nur mittelbar erfolgt; der Gesell­ schafterbestand bleibt also gleich, nur Anteile an einem Gesellschafter (vielleicht sogar weiter: am Gesellschafter eines Gesellschafters256) wer­ 253 BVerfG, Beschluss v. 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11 (§ 8c KStG), in BVerfGE 145, S. 106. 254 BVerfG, Beschluss v. 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11 (§ 8c KStG), in BVerfGE 145, S. 106 Rz. 161 [zit. nach juris]: Die Vereinbarkeit von § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG bedürfe ab Inkrafttreten des § 8d KStG gesonderter Betrachtung, weil der Gesetzgeber damit für den Verlustabzug nicht mehr ausschließlich auf einen Anteilseignerwechsel abstelle, sondern daneben der Fortführung desselben Geschäftsbetriebs maßgebliche Bedeutung beimesse. 255 Prinz, FR 2018, S. 76 (79). Vgl. auch die entsprechenden Äußerungen („Brücke dem Gesetzgeber aufgezeigt“) einer Vertreterin des BMF beim 65. Berliner Steuer­ gespräch in Richter/Welling, FR 2018, S. 64. 256 Für Zwecke dieser Phänomenologie wird § 8c Abs. 1 KStG beim Wort genommen, so dass auch die dort ausdrücklich erwähnten mittelbaren Veränderungen im Ge­ sellschafterbestand erfasst sein sollten. Das ist auch die Auffassung der Finanz­ verwaltung, s. BMF, Schreiben v. 28.11.2017, Az. IV C 7-S 2745-a/09/10002, in BStBl. I 2017, S. 1645 Tz. 11, 66. Im Schrifttum wird überwiegend eine deutliche Einschränkung des Einbezugs mittelbarer Erwerbe gefordert. Argumentiert wird dann regelmäßig mit einer teleologischen Reduktion, da § 8c Abs. 1 KStG eine Missbrauchsverhinderungs­ norm sei. Für einen 25 bzw. 50 Prozent-Erwerb auf jeder Ebene – teilweise noch im Lichte des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. – siehe etwa Dörr, NWB 2007, S. 2649 (2665); Suchanek/Herbst, FR 2007, S. 863 (865); Suchanek in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 8c KStG Rn. 23; van Lishaut, FR 2008, S. 789 (795); Roser in Gosch, KStG, 3. Aufl. (2015), § 8c Rn. 63; Karl, BB 2012, S. 92; Olbing in Streck, KStG, 9. Aufl. (2018), § 8c Rn. 32. Eine Beschränkung auf zwei Ebenen vertritt etwa Lang, DStZ 2007, S. 652 (654). Zur Einschränkung bei Verkürzung der Beteili­ gungskette (und bei Nichteingriffen der Konzernklausel) siehe auch FG Berlin-­ Brandenburg, Urt. v. 18.10.2011, Az. 8 K 8311/10, in DStRE 2012, S. 1189 (Revisi­ on anhängig beim BFH, unter Az. I R 5/19 (ehemals I R 79/11). Ausführlicher

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

den übertragen.257 Für die Steuerplanung oder Compliance auf Ebene der Gesellschaft, aber auch bei anderen Gesellschaftern (sogar beim Mehr­ heitsgesellschafter), entstehen Probleme rechtlicher und (vermittelt über den Wert der Anteile) wirtschaftlicher Art, die nicht durch eine eigene Handlung der steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft ausgelöst wurden. Gibt die Kapitalgesellschaft nach einem ihr verborgen gebliebenen schäd­ lichen Anteilserwerb in ihrer Steuererklärung an, dass Verlustvorträge bestehen, und verrechnet sie diese eventuell zu einem späteren Zeit­ punkt mit Gewinnen, dann macht sie gegenüber Finanzbehörden unrich­ tige Angaben über steuererhebliche Tatsachen und verwirklicht damit den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; der Geschäftsführer kann sich nur mit Verweis auf seinen feh­ lenden Vorsatz (vgl. § 15 StGB) der Strafbarkeit entziehen.258 Neben den möglichen strafrechtlichen Konsequenzen tritt eine weitere negative Folge auf Ebene der Gesellschaft ein: Sie verliert mit ihren Ver­ lusten ein wirtschaftlich wertvolles Gut, das vielleicht bewusst erst in der Zukunft genutzt werden sollte.259 Reflexartig betriff das auch die an­ deren Gesellschafter, und zwar härter als die handelnden Beteiligten.260 Denn während dies im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber zumeist bewusst geschieht, nach einer Abwägung hingenommen und re­ gelmäßig eingepreist wird, stellt sich für die Mitgesellschafter die Ver­ äußerung als mittelbare (und wohl kompensationslose261) Wertminde­ rung ihrer Beteiligung an der Gesellschaft dar, gegen die es keinen „klassischen“ Schutz gibt, der sonst regelmäßig durch gesetzliche und gesellschaftsvertragliche Regelungen zur Gesellschafterversammlung als Überblick bei Roth, DB 2012, S. 1768 (1769 ff.). Weitere Folgerungen für eine redu­ zierte Anwendung des § 8c KStG wegen dessen Charakter als Vorschrift der Miss­ brauchsverhinderung von Goldacker/Heerdt, Ubg 2013, S. 170 (174). 257 Kritisch auch Schmidt-Fehrenbacher, FS Herzig (2010), S. 459 (467 f.); Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1942 f.). 258 Jäger in Klein, AO, 14. Aufl. (2018), § 370 AO Rn. 170 ff. m.w.N.; freilich droht immer noch ein Bußgeld für eine eventuelle leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO. 259 Zur Frage, ob diese negativen Folgen ein Veräußerungsverbot, hergeleitet aus gesell­ schaftsrechtlichen Treuebindungen, auslösen können soll: Erker, Kompensation für Steuern (2010), S. 15. Siehe a.a.O., S. 110 ff. auch zur möglichen Informations­ pflicht bei geplanter Veräußerung, hergeleitet aus der Treuepflicht des Altgesell­ schafters. 260 Siehe hierzu den Überblick bei Hohmann, Beschränkung des subjektbezogenen Verlusttransfers im Kapitalgesellschaftsteuerrecht, Teilband 1 (2017), S. 182 ff. Siehe Lüdicke, DStZ 2010, S. 434 (436); Drüen, Ubg 2010, S. 543 (546) hin. 261 Erker, Kompensation für Steuern (2010), S. 194 ff. erwägt einen Schadenersatzan­ spruch aus §§ 280, 281 BGB i.V.m. der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht auf Ersatz (auch) in Geld. Ebenso Mülbert/Kiem, ZHR 177 (2013), S. 819 (853 ff.). Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichs­ system (2013), S. 642 ff. hält diesen Ansatz aber für zu weitgehend.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Zentralorgan und zur Geschäftsführung bereitgestellt wird.262 Insbeson­ dere bei Erwerben oberhalb der unmittelbaren Anteilseignerebene versa­ gen Instrumente wie die Vinkulierung. § 8c Abs. 1 KStG stellt als „systemfremde Teiltransparenz“263 damit eine Ausnahme im Körperschaftsteuerrecht dar, in dem grundsätzlich gilt: Die Verhältnisse im Gesellschafterbestand spielen keine Rolle; die Kör­ perschaft entfaltet eine Abschirmwirkung. An diesem Verdikt ändert auch § 8d KStG grundsätzlich nichts. Selbst im – für viele Gesellschaften unwahrscheinlichen – Fall des Vorliegens aller Voraussetzungen ergeben sich auch in der Anwendung zahlreiche Folgebelastungen durch die Einschränkungen aus § 8d Abs. 2 KStG, die auf die systemfremde Teiltransparenz zurückzuführen sind. Die Körper­ schaft kann dabei die vom Gesellschafter ausgelösten Schäden unter Umständen reparieren, was aber nicht den Grundfehler des § 8c KStG beseitigt. Zuzugestehen ist aber, dass jedenfalls innerhalb der Reparatur­ norm des § 8d KStG und im Unterschied zur alten Mantelkaufsregelung nunmehr eine strikt gesellschaftsbezogene Betrachtung stattfindet; die Urheber der Norm waren daher für das grundsätzliche Problem der Fremdbestimmung sensibilisiert.264 cc. Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit zur Systemwidrigkeit des § 8c Abs. 1 S. 1–2 KStG a.F. § 8c Abs. 1 KStG ist in den letzten Jahren zur Schlüsselnorm in der De­ batte um das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und ihren Ge­ sellschaftern im Steuerrecht geworden. Dies geschah vor allem in einer Vorlage des FG Hamburg265 nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht, in der es um die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 KStG ging. Dabei waren zahlreiche Grundfragen des Verhält­ nisses der Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern aufgeworfen wor­ den. Kurz nach der ersten Hamburger Vorlage entschied sich das Sächsische FG – bei einem etwas anderen Sachverhalt – gegen eine Vorlage.266 Das FG Münster267 beschloss nach § 69 Abs. 3 S. 1 FGO eine Aussetzung der Vollziehung, solange das Bundesverfassungsgericht noch nicht über 262 Ausführlich hierzu unten, S. 97 ff. 263 Eisgruber, DStZ 2007, S. 630 (633); Drüen, Ubg 2009, S. 23 (29); Oenings, FR 2009, S. 606 (611). 264 Arbeitsgruppe Weiterentwicklung, FR 2017, S. 113 (120 f.). 265 FG Hamburg, Beschluss v. 04.04.2011, Az. 2 K 33/10, in DStR 2011, S. 1172. 266 Sächsisches FG, Urt. v. 16.03.2011, Az. 2 K 1869/10, in EFG 2011, S. 1457. 267 FG Münster, Beschluss v. 01.08.2011, Az. 9 V 357/11 K, in EFG 2012, S. 165. An­ ders (keine AdV), da nur geringfügiger Nachteil: FG Hamburg, Beschluss v. 10.05.2012, Az. 6 V 156/11, in juris. Aussetzung der Vollziehung aber bei BFH, Beschluss v. 09.05.2012, Az. I B 18/12, in BFH/NV 2012, S. 1489.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

die Vorlage aus Hamburg entscheiden hat.268 Das Bundesverfassungsgericht hat sich im März 2017 der Hamburger Auffassung im Ergebnis an­ geschlossen.269 Im Hamburger Fall von 2011 gingen 48 Prozent des gezeichneten Kapi­ tals an einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber über. Rechtsfolge war ein (nur) anteiliger Untergang der Verlustvorträge (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F.). Das Sächsische FG hingegen beschäftigte sich mit einem Sachver­ halt, in dem mehr als 50 Prozent der Anteile übergegangen sind und da­ mit ein vollständiger Verlustuntergang eingetreten ist (§ 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG). Das Sächsische FG hat die Verfassungswidrigkeit für diesen Fall abgelehnt. Das FG Hamburg hatte in einem weiteren Verfah­ ren nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Gelegen­ heit, Stellung zu § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG zu nehmen,270 und ent­ schied sich für eine weitere Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Das Verfahren vor dem BFH in der Revision gegen das Urteil des Sächsischen FG ist bis zur Entscheidung des BVerfG über die weitere Vorlage des FG Hamburg ausgesetzt.271 (1) Der Beschluss des FG Hamburg vom 04.04.2011 zu § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. Das FG Hamburg prüfte bei einem anteiligen Untergang des Verlustvor­ trages nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Steuerrecht treffe mit dem Trennungsprinzip eine Belastungs­ entscheidung für einen abgegrenzten Zugriff auf die Kapitalgesellschaft. Eine Abweichung von dieser Entscheidung bedürfe zur Wahrung der Be­ lastungsgleichheit einer Rechtfertigung:272 [54] Das Körperschaftsteuerrecht basiert auf dem Grundgedanken des Trennungs­ prinzips: Wer Beteiligter der Kapitalgesellschaft ist, hat keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Die Kapitalgesellschaft schirmt ihre Vermögenssphäre gegen­ 268 Weiterer Aussetzungsgrund waren ernstliche Zweifel des FG Münster an der Gültigkeit des Beschlusses 2011/527/EU der Europäischen Kommission vom ­ 26.01.2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) „KStG, Sanierungsklausel“, wonach die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG eine staatliche Beihilferegelung i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstel­ le, die Deutschland unter Verletzung von Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig ge­ währt habe und daher mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei (Rz. 55 [zit. nach ­juris]). Der Beschluss wurde schließlich für nichtig erklärt (u.a. EuGH, Urt. v. 28.06.2018, Az. Rs. C-219/16 P (Lowell Financial Services GmbH, vormals GFKL Financial Services AG), in DStR 2018, S. 1434). 269 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106. 270 FG Hamburg, Beschluss v. 29.08.2017, Az. 2 K 245/17, in DStR 2017, S. 2385. Das Verfahren ist derzeit anhängig beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 19/17, in juris. 271 BFH, Beschluss v. 16.01.2019, Az. I R 3/19 (ehemals I R 31/11), juris. 272 FG Hamburg, Beschluss v. 04.04.2011, Az. 2 K 33/10, in DStR 2011, S. 1172. Im Folgenden wird aus dem Urteil in Randziffern nach juris zitiert.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft über ihren Anteilseignern ab. Diese Abschirmung bewirkt, dass in der abge­ schirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entsteht, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr be­ steuert werden darf. Das Steuerrecht nimmt damit bei der Bestimmung verschie­ dener Zurechnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit – verfassungsrecht­ lich unbedenklich – die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, nach der bei Personengesellschaften das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerech­ net wird […], während das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbständig ist.

Die Entscheidung für das Trennungsprinzip hing nach dem FG Hamburg also maßgeblich mit der Entscheidung des Steuerrechts zusammen, dem Zivilrecht zu folgen und den Gesellschaftern den Zugriff auf das Vermö­ gen grundsätzlich zu verwehren. Damit verbunden war die Feststellung, dass (somit) bei der Kapitelgesellschaft eine eigene Leistungsfähigkeit „entsteht“. Dieses Trennungsprinzip sah das FG Hamburg in § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. durchbrochen: [55] Dadurch, dass § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG für den Erhalt der Verlustvorträge maß­ geblich auf Vorgänge abstellt, die sich auf der Anteilseignerebene abspielen, wird das Trennungsprinzip durchbrochen. Für die Beurteilung der steuerlichen Lei­ stungsfähigkeit des Steuersubjekts Kapitalgesellschaft wird auf die Ebene der An­ teilseigner durchgegriffen. Die Frage, wer Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist und wer sie kontrolliert, hat aber nichts mit der wirtschaftlichen Leistungsfä­ higkeit der Gesellschaft zu tun. Das für den Verlustuntergang maßgebliche Tatbe­ standsmerkmal der Veräußerung der Beteiligung erfüllt nur der Anteilseigner und kann von der Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht einmal beeinflusst werden.

An späterer Stelle und etwas versteckt wertete das Gericht das Tren­ nungsprinzip zu einem Prinzip von Verfassungsrang auf – die Umsetzung des Prinzips sei mehr als „nur“ eine Frage der Folgerichtigkeit: [65] [Eine] an einen „change of control“ anknüpfende Betrachtungsweise [steht] im Widerspruch zu der auch in der Finanzverfassung mit dem Dualismus von Körper­ schaft- und Einkommensteuer vorstrukturierten Grundentscheidung des Tren­ nungsprinzips […]

Anschließend an diese Ausführungen zu Herleitung und Inhalt des Tren­ nungsprinzips und dessen möglicher Beeinträchtigung erwog das FG Hamburg die Möglichkeit einer sachlichen Rechtfertigung. In Betracht zog es die Missbrauchsbekämpfung (Rn. 57 f.)273, die Vereinfachung ange­ sichts des zuvor streitanfälligen Kriteriums der „Zuführung überwiegend

273 Die Frage der (wirksamen) Missbrauchsbekämpfung hängt mit der Missbrauchs­ möglichkeit und damit auch der Dispositionsmöglichkeit zusammen; hierzu un­ ten, S. 144.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

neuen Betriebsvermögens“ (Rn. 59 ff.)274 und die Einleitung eines Sys­ temwechsels (Rn. 62 ff.)275. Ein solcher Wechsel fand für das FG Hamburg nicht statt: [66] Bereits die Grundannahme trägt nicht, dass die wirtschaftliche Identität der Körperschaft maßgeblich durch das Engagement der Gesellschafter bestimmt wird… [69] § 8c [Abs. 1] Satz 1 KStG zeigt danach nicht jenes Mindestmaß an konzeptioneller Neuorientierung, das für einen Systemwechsel oder für eine grundlegend neue Zuordnungsentscheidung zu fordern ist. Die Neuregelung zur Verlustbeschränkung ist nicht hinreichend konsequent und konsistent, als dass von einem Prinzipien- oder Systemwechsel gesprochen werden kann.

(2) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29.03.2017 zu § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. Das Bundesverfassungsgericht276 hat schließlich auf die Vorlage des FG Hamburg hin § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Dabei stärkte das Bundesverfassungsgericht zunächst das Trennungs­ prinzip, das es als maßgebend für die besondere Besteuerung von Kapital­ gesellschaften sieht: [113] Mit dem eigenständigen steuerlichen Zugriff auf die wirtschaftliche Lei­ stungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft nimmt das Steuerrecht die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, die das Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft von dem Vermögen ihrer Gesellschafter trennt und zugleich die Haftung der ­Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt (§ 1 AktG, § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG) … [114] Die auf diese Weise bewirkte stärkere Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern hat zur Folge, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige Leis­ tungsfähigkeit entsteht, die getrennt von der individuellen Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen besteuert werden darf.

Hiervon ausgehend sah das Bundesverfassungsgericht eine Ungleichbe­ handlung und bildete ein Vergleichspaar, bestehend aus zwei Kapitalge­ sellschaften, die sich nur durch das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines schädlichen Anteilserwerbs unterschieden: [115] § 8c [Abs. 1] Satz 1 KStG behandelt Kapitalgesellschaften hinsichtlich der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte unterschiedlich je nachdem, ob ein schädlicher Beteiligungserwerb im Sinne dieser Vorschrift vorliegt oder nicht. 274 Zur Entstehungs- und Vorgeschichte des § 8c KStG siehe schon oben, S. 52. 275 Das FG sah die Einleitung eines Systemwechsels als Rechtfertigung der Durchbre­ chung des Prinzips; zutreffender wäre dann aber wohl schon eine Durchbrechung zu verneinen. Siehe hierzu Drüen, Ubg 2009, S. 23 (28), van Lishaut, FR 2008, S. 789 (790); Röder, StuW 2012, S. 18 (29) und Bowitz, Objektives Nettoprinzip als Rechtfertigungsmaßstab im Einkommensteuerrecht (2016), S. 181 ff. (187). 276 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106. Im Fol­ genden wird aus dem Urteil in Randziffern nach juris zitiert.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Diese Ungleichbehandlung untersuchte das Bundesverfassungsgericht auf eine Rechtfertigung. In den Blick genommen wurden dabei insbeson­ dere die Vermeidung von Missbrauch, die Annahme einer veränderten wirtschaftlichen Identität der Kapitalgesellschaft und die Anknüpfung an die Unternehmeridentität. Ersteren Rechtfertigungsgrund lehnte das Bundesverfassungsgericht relativ knapp ab: [128] Der Erwerb einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent an einer Kapitalgesell­ schaft allein indiziert nicht eine missbräuchliche Gestaltung, weil es für die Über­ tragung einer derartigen Beteiligung an einer Verlustgesellschaft vielfältige Grün­ de geben kann, die nicht regelmäßig in der Intention bestehen, die Verluste für ein anderes Unternehmen des neuen Anteilseigners nutzbar zu machen. Mit § 8c [Abs. 1] Satz 1 KStG hat der Gesetzgeber damit keinen typischen Missbrauchsfall als Ausgangspunkt für eine generalisierende Regelung gewählt.

Das Bundesverfassungsgericht erkannte als weiteren Rechtsfertigungs­ grund dem Grunde nach die Identität des verlusttragenden Unterneh­ mens an. Die Identität von verlusterleidendem Subjekt und verlust­ nutzenden Subjekt sei dabei im Steuerrecht anerkannt [Rn. 130]. Die Identitätsbetrachtung könne dabei sowohl rechtlicher als auch wirt­ schaftlicher Natur sein, wobei die wirtschaftliche Identität nicht eindeu­ tig zu erfassen sei [Rn. 132]. Eine veränderte wirtschaftliche Identität liege aber bei Erwerb einer qualifizierten Minderheitsbeteiligung ohne weitere Anknüpfungspunkte nicht vor: [137] Soweit der Gesetzgeber mit dieser Regelung eine Änderung der wirtschaft­ lichen Identität der Kapitalgesellschaft definieren und normativ erfassen wollte (vgl. BT-Drucks 16/4841, S. 76), hat er damit die Grenzen seiner Typisierungsbe­ fugnis überschritten… [139] Allein die Begründung einer solchen Beteiligung er­ laubt angesichts des Mehrheitsprinzips in § 47 Abs. 1 GmbHG, § 133 Abs. 1 AktG aber allenfalls mittelbar ein aktives Gestalten der Entscheidungen auf Ebene der Gesellschaft durch den Minderheitsgesellschafter. Nur eine Mehrheitsbeteiligung ermöglicht es dem Anteilserwerber, auf die Kapitalgesellschaft unmittelbar maß­ gebend Einfluss zu nehmen und die Verluste durch entsprechende unternehmeri­ sche Entscheidungen zu eigenen Zwecken zu nutzen.

Schließlich prüfte das Bundesverfassungsgericht noch einen System­ wechsel hin zu einer transparenten Besteuerung, die für die Verlustnut­ zung auf den Anteilseigner abstellt (Rn. 144 ff.). Eine derartige Annähe­ rung an die Besteuerung von Personengesellschaften war aber vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt, wurde nicht konsequent durchge­ setzt und ist daher auch kein tragender Rechtfertigungsgrund. Dem Gesetzgeber wurde eine Frist zur Neuregelung bis zum Ende des Jahres 2018 aufgegeben, die er letztlich277 durch eine ersatzlose Strei­ chung des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. umsetzte. 277 Zu den Alternativen siehe oben unter S. 52. 

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

(3) Das Urteil des Sächsischen FG vom 16.03.2011 zu § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG Die Entscheidung des Sächsischen FG278 erging zu einem Fall des § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG: Infolge des Erwerbs von mehr als 50 Prozent der Anteile an einer Kapitalgesellschaft gingen sämtliche Verlustvorträge auf Ebene der Gesellschaft unter. Das Sächsische FG teilt die Hamburger Bedenken nicht und sah viel­ mehr einen Systemwechsel hin zu einer „wirtschaftlichen Betrachtung“ vollzogen: [15] Durch die Einführung von § 8c Abs. 1 KStG ist der Gesetzgeber von einer rechtlichen Betrachtung – die Körperschaft existiert unabhängig von der Zusam­ mensetzung ihrer Mitglieder – zu einer wirtschaftlichen Betrachtung – die Mit­ glieder bestimmen die wirtschaftliche Ausrichtung – übergegangen […]

Dabei verfolge der Steuergesetzgeber die Gleichbehandlung mit natürli­ chen Personen und die Missbrauchsverhinderung als Ziele: [15] […] Die Vorschrift dient daher der Angleichung der Verlustabzugsbeschrän­ kung an die Rechtslage bei natürlichen Personen und Mitunternehmerschaften, wo eine Übertragung von Verlustabzugspotenzial auf eine andere Person weder unmittelbar noch mittelbar möglich ist. Dabei verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, die missbräuchliche Verwendung von Verlustvorträgen zu erschweren bzw. zu verhindern. [18] […] Geht man dann mit dem Gesetzgeber davon aus, dass die Übertragung von mehr als 50 Prozent der Anteile einer Körperschaft ihr eine neue wirtschaftliche Identität geben kann und es im Einzelfall schwierig ist, dies zu kontrollieren, so erscheint es noch als sachgerecht und nicht verfassungswidrig, wenn dieser Iden­ titätswechsel dazu führt, dass die „neue“ Gesellschaft ähnlich wie im Fall der Verlustvorträge eines Erblassers auf die neuen Gewinne nicht die alten Verluste verrechnen kann [279]. Auch die Absicht des Gesetzgebers, den Handel mit Ver­ lusten bei Mantelkaufverträgen zu erschweren, ist ein Gesichtspunkt, der sachge­ recht ist. Zwar führt die vorgenommene Regelung dazu, dass davon auch Firmen […] betroffen sind, die kein leerer Mantel, sondern eine aktive Gesellschaft sind. Der Gesetzgeber darf aber im Rahmen der Steuergesetzgebung Sachverhalte typi­ sieren und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen […] Da­ nach ist der Ansatzpunkt des Gesetzgebers, dass ein Anteilseigner, der über 50 Prozent der Anteile an einer Gesellschaft hält, über deren wirtschaftliche Aus­ richtung entscheidet, noch vertretbar […].

(4) Weitere Beschlüsse zu § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG Das FG Münster hatte einen Sachverhalt zu beurteilen, der wie der aus Sachsen unter § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG fällt, dabei aber andere 278 Sächsisches FG, Urt. v. 16.03.2011, Az. 2 K 1869/10, in EFG 2011, S. 1457. Im Folgenden wird aus dem Urteil in Randziffern nach juris zitiert. 279 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Schlüsse gezogen. Das FG Münster hält die Argumente des FG Hamburg zu Satz 1 von § 8c Abs. 1 KStG für überzeugend und vor allem auch für Satz 2 (jetzt Satz 1) übertragbar:280 Unabhängig von der prozentualen Höhe der Anteilsübertragung ist insbesondere die dort aufgeworfene Ausgangsfrage, ob weiterhin das Trennungsprinzip bzw. die Annahme einer originären Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft als vom Ge­ setzgeber getroffene Grundentscheidung anzusehen ist, die damit vorbehaltlich einer sachlichen Rechtfertigung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden müsste.

In Folge der Analyse der Argumentation des FG Hamburg entschloss sich das FG Münster jedoch nicht zur eigenen Vorlage, sondern be­ schränkte sich auf die Feststellung, dass die Begründung des Vorlagebe­ schlusses durch das FG Hamburg hinreichend tragfähig sei, um davon auszugehen, dass die Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 KStG ernst­ lich zweifelhaft i.S.v. § 69 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 1. Fall FGO und das Verfahren damit281 auszusetzen ist. Die Möglichkeit zur Vorlage des § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG nahm hingegen wiederum das FG Hamburg schon kurz nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum quotalen Verlustuntergang wahr.282 Das FG Hamburg orientierte sich dabei weitgehend an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und nahm ebenfalls eine Ungleichbe­ handlung zwischen zwei verlustnutzenden Kapitalgesellschaften an, die sich (nur) durch den Umstand unterschieden, dass bei einer Gesellschaft mehr als die Hälfte der Anteile auf einen neuen Gesellschafter überge­ gangen sind. Der vollständige, nicht bloß quotale Untergang der Verluste stellte eine – über die Wirkung im Sachverhalt des vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Sachverhalts hinausgehende – Ungleichbe­ handlung dar, die zu rechtfertigen sei. Dabei untersuchte das FG Hamburg die gleichen drei Kategorien der potentiellen Rechtfertigung wie das Bundesverfassungsgericht. Zunächst lehnte es die pauschalierte Annah­ me eines Missbrauchs ab, denn für den Erwerb von mehr als der Hälfte aller Anteile an einer Kapitalgesellschaft finden sich eine Vielzahl von Gründen jenseits der als missbräuchlich anzusehenden Intention der Ver­ lustnutzung.283

280 FG Münster, Beschluss v. 01.08.2011, Az. 9 V 357/11 K, in EFG 2012, S. 165 Rz. 67 [zit. nach juris]. 281 Siehe zu weiteren Aussetzungsgründen schon Fn. 268. 282 FG Hamburg, Beschluss v. 29.08.2017, Az. 2 K 245/17, in DStR 2017, S. 2385. Das Verfahren ist derzeit anhängig beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 19/17, in juris. 283 FG Hamburg, Beschluss v. 29.08.2017, Az. 2 K 245/17, in DStR 2017, S. 2385 Rz. 88 f. [zit. nach juris].

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Auch den möglichen Rechtfertigungsgrund der geänderten wirtschaftli­ chen Identität lehnte das FG Hamburg ab:284 Entscheidend ist aber, dass die Gesellschaft allein durch die Möglichkeit einer Einwirkung auf die unternehmerischen Entscheidungen nicht zu einer „anderen“ wird, vielmehr kann dies erst anhand von Maßnahmen beurteilt werden, die die Gesellschafter tatsächlich treffen (siehe dazu auch BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a.a.O. Rn. 140). Die unwiderlegbare Vermutung, dass bereits die Möglichkeit der Einflussnahme des Anteilserwerbers für die wirtschaftliche Identität der Ge­ sellschaft maßgeblich sein soll, trägt ebenso wenig bei dem Erwerb einer Mehr­ heitsbeteiligung wie einer Minderheitsbeteiligung im Falle von § 8c Satz 1 KStG a.F.

Der BFH setzte das Revisionsverfahren über die Entscheidung des Sächsischen FG und zum Satz 2 (jetzt Satz 1) im Hinblick auf das damals beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren gegen den nicht unmittelbar einschlägigen Satz 1 a.F. von § 8c Abs. 1 KStG nach § 74 i.V.m. § 121 FGO aus.285 Der BFH schloss damit – wie das FG Münster – eine Übertragbarkeit der Argumente zwischen den beiden damaligen Varian­ ten des § 8c Abs. 1 KStG nicht aus. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der BFH das Verfahren nunmehr bis zur Entschei­ dung über die erneute Vorlage des FG Hamburg zur diesmal unmittelbar einschlägigen Norm des § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG ausgesetzt.286 (5) Angesprochene Probleme In den Entscheidungen der Finanzgerichte und des Bundesverfassungsgerichts werden die Punkte angesprochen, die für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern wesentlich sind, nicht nur für die Referenznorm des § 8c Abs. 1 KStG, sondern für alle Referenznor­ men im Bereich der Fremdbestimmung bei Kapitalgesellschaften. Gerade die Variantenbildung mit dem ersten und dem zweiten Satz des § 8c Abs. 1 KStG fächert die Diskussionspalette repräsentativ auf.287 Die Argumente der Gerichte bestimmen auch über § 8c Abs. 1 KStG ­hinaus die Untersuchung dieses Näheverhältnisses in der Phänomeno­ logie und sollen an späterer Stelle aufgegriffen werden: Es ist dabei auf die Herleitungsansätze des Trennungsprinzips einzugehen, die ihren Ur­ sprung nicht in einer vorangegangen Systementscheidung des einfachen 284 FG Hamburg, Beschluss v. 29.08.2017, Az. 2 K 245/17, in DStR 2017, S. 2385 Rz. 93 f. [zit. nach juris]. 285 BFH, Beschluss v. 28.10.2011, Az. I R 31/11, in BFH/NV 2012, S. 605. 286 BFH, Beschluss v. 16.01.2019, Az. I R 3/19 (ehemals I R 31/11), juris. 287 Darüber hinaus beschäftigt sich das FG Hamburg ausführlich auch mit der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der Einschränkung der Verlustberücksichtigung. Diese Fragestellung soll hier aber nicht vertieft untersucht werden. Siehe grundle­ gend zur Verlustberücksichtigung Röder, System der Verlustverrechnung im deut­ schen Steuerrecht (2010).

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Steuergesetzgebers haben, namentlich die Behauptung, dass die Kompe­ tenznormen der Finanzverfassung materielle Aussagen zum Einbezug von Gesellschafterhandlungen in die Besteuerung der Kapitalgesellschaft treffen,288 sowie die Folgerung aus dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, dass bei bestehender eigener Leistungsfähigkeit der GmbH auch eine eigenständige Besteuerung zu erfolgen habe.289 Der zentrale Streitpunkt in den angesprochenen Verfahren vor den Ge­ richten ist aber die Frage, ob das bestehende System der Besteuerung von Körperschaften auf ein striktes Trennungsprinzip ausgelegt ist oder ob nicht (mittlerweile) ein Paradigmenwechsel erfolgt ist. Diskutiert wird das auch unter den Schlagworten der „wirtschaftlichen Identität“ einer­ seits, der „Aufnahme der zivilrechtlichen Grundentscheidung“290 ande­ rerseits. dd. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen § 8c Abs. 1 KStG steht aber nicht nur exemplarisch für fremdbestimmte Steuerwirkungen innerhalb des Näheverhältnisses von Kapitalgesell­ schaft und ihren Gesellschaftern. Bestimmte Ausprägungen der Fremd­ bestimmung sind Alleinstellungsmerkmale der Norm. Zwei Aspekte sind für Zwecke dieser Arbeit besonders hervorzuheben: – Die Historie der Norm, d.h. § 8 Abs. 4 KStG a.F., wirkt noch immer in das Verständnis von § 8c KStG hinein. Demnach war der Verlust der wirtschaftlichen Identität Voraussetzung für den Verlustunter­ gang.291 Hierbei wurde auch auf die Kapitalgesellschaft selbst abge­ stellt, nämlich ob neues Betriebsvermögen zugeführt wurde. Aus­ weislich der Gesetzesbegründung hat der Normgeber des § 8c KStG hieran angeknüpft:292 „Der Neuregelung des § 8c KStG liegt der Ge­ danke zugrunde, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Gesell­ schaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteils­ eigners (oder Anteilseignerkreises) ändert“. Im Gegenzug wurde dafür auf eine erwerberzentrierte Betrachtung bei den Änderungen im Ge­ sellschafterbestand umgestellt.293 Ungeachtet etwaiger Defizite in der 288 Dazu S. 125 ff. 289 Dazu S. 129 ff. 290 Dazu S. 115 ff. 291 Hierzu schon oben, S. 52. 292 Begründung des Regierungsentwurfs zum UntStRG 2008 vom 30.03.2007, BR-Drs. 220/07, S. 126 und wortgleich Begründung der Vorlage der Fraktionen von Union und SPD vom 27.03.2007, BT-Drs. 16/4841, S. 76. I.E. auch Roser, DStR 2008, S. 77, allerdings kritisch zur Umsetzung. In der Literatur wird § 8c Abs. 1 KStG eher als reine „Gegenfinanzierungsnorm“ gesehen, etwa bei Rödder, Beihefter zu Heft 40, DStR 2007, S. 2 (12); Hey, StuW 2008, S. 167 (167); Lüdicke, DStZ 2010, S. 434 (436); Meiisel/Bokeloh, BB 2008, S. 808 (809). 293 Neumann, FS Streck (2011), S. 103 (104 f.).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Umsetzung294 lässt sich für Bestimmung der Steuerwirkung durch Fremde festhalten, dass die Vermutung eines Konnexes zwischen han­ delndem Erwerber und Steuersubjekt295 Körperschaft in der Norm an­ gelegt ist. Der vermeintlich Fremde erscheint damit gar nicht so fremd, sondern vielmehr in den Augen des Gesetzgebers wenn schon nicht identisch, dann doch identitätsbestimmend, da er jedenfalls im Rah­ men von § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG auch zur Disposition fähig ist. – Wenngleich dieser Konnex nachzuvollziehen ist, so wird die damit verbundene Annahme einer Beeinflussbarkeit der Körperschaft durch ihre Anteilseigner von oben nach unten in Grenzbereichen untermi­ niert: Erfasst werden nicht nur Änderungen im Kreis der unmittelba­ ren Gesellschafter; auch der Kreis der mittelbaren Anteilseigner ist erfasst, und zwar unabhängig davon, ob die jeweiligen vermittelnden Beteiligungen einen Einfluss auf die Geschicke der zwischengeschal­ teten oder der Verlustgesellschaft ermöglichen. Es wird zwar im Schrifttum überwiegend eine teleologische Reduktion auf Beteiligun­ gen vorgeschlagen, die den Qualifikationen des § 8c Abs. 1 KStG ent­ sprechen (mittelbare Zurechnung also nur, wenn die vermittelnde Beteiligung mindestens (zu einem Viertel bzw.) zur Hälfte besteht).296 Dieser Vorschlag hat aber zumindest im geltenden Recht keinen An­ knüpfungspunkt, widerspricht der Gesetzesbegründung und wird von der Verwaltung (daher) abgelehnt.297 Anders ist das etwa bei der Be­ stimmung der finanziellen Eingliederung im Rahmen der Organschaft (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 KStG): Hier sind mittelbare Beteiligungen nur zu berücksichtigen, wenn sie so stark sind, wie das jeweilige Re­ gelungsregime es auf erster Ebene vorsieht. Wie auch § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG muss die Beteiligung selbst die Mehrheit der Stimm­ rechte darstellen, damit eine Berücksichtigung der mittelbar gehalte­ nen Anteile erfolgen kann. Ein derartiger Gleichlauf wäre aber auch für mittelbare Beteiligungen im Rahmen des § 8c Abs. 1 KStG erforderlich. Nur so ließe sich ein wirtschaftliches Engagement eines Erwerbers annehmen. Und nur so ließe sich schließlich eine Änderung der wirtschaftlichen Identität der Kapitalgesellschaft begründen. 294 Dazu sogleich. 295 Vgl. oben, S. 3. 296 Vgl. die Nachweise bei Fn. 256. 297 Begründung zu § 8c KStG in BR-Drs. 220/07, S. 126. Ausdrücklich BMF, Schreiben v. 28.11.2017, Az. IV C 7-S 2745-a/09/10002, in BStBl. I 2017, S. 1645 Tz. 11 f., 66. Auch nach dem ersten Entwurf vom 15.04.2014 für eine Neufassung des BMF-Schreibens zu § 8c KStG ist eine Änderung der Verwaltungsauffassung nicht in Sicht (Adrian/Weiler, BB 2014, S. 1303 (1307)). Der Verwaltungsauffassung zu­ stimmend Meiisel/Bokeloh, BB 2008, S. 808 (812); Dötsch/Pung, DB 2008, S. 1703 (1706).

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

ee. Verlustuntergang im Gewerbesteuerrecht als Parallelproblem Ein weiterer „Anwendungsfall“ der Regelungstechnik des § 8c KStG fin­ det sich in § 10a S. 10 GewStG. Gemäß § 10a S. 10 Hs. 1 GewStG ist auf die Fehlbeträge (Gewerbeverlust) § 8c KStG entsprechend anzuwenden, der bei direkter Anwendung nur die körperschaftsteuerlichen Verlustvor­ träge der GmbH erfassen würde.298 Damit wird für die GmbH ein Gleich­ lauf von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer erreicht (eine Belas­ tungsgleichheit mit der Personengesellschaft, für die § 10a S. 4–5 GewStG gilt, besteht jedoch trotz des gleichen Objekts nicht299). Ist die GmbH unmittelbar an einer Mitunternehmerschaft oder über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt, dann geht der auf die GmbH nach § 10a S. 4 Hs. 2 GewStG entfallende Fehlbetrag gleichfalls entsprechend § 8c Abs. 1 KStG unter (§ 10a S. 10 Hs. 2 GewStG). Auch hier ist aber der Entfall des quotalen Verlustuntergangs infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.03.2017300 zu beachten.301 Die zu § 8c KStG oben (und auch später in der Darstellung dieses Refe­ renzgebiets) getroffenen Aussagen lassen sich daher unter Beachtung der Besonderheiten der Gewerbesteuer302 weitgehend auch auf § 10a S. 10 GewStG übertragen. b. Untergang von Zinsvorträgen auf Ebene der Gesellschaft (Zinsschranke) – § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG Nicht nur Verluste bzw. Vorträge von noch nicht abgezogenen Verlusten stellen einen wirtschaftlichen Wert für eine Kapitalgesellschaft dar; auch Zinsaufwendungen bzw. Vorträge von solchen haben eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. In diesem Kontext kommt es ebenfalls zu fremdbestimmten Steuerwirkungen, die sich teilweise auf Grund eines

298 Kleinheisterkamp in Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Rn. 102. 299 § 10a S. 4–5 GewStG stellt bei Personengesellschaften dergestalt auf die Identität des Unternehmers ab, dass bei dessen Ausscheiden der dem jeweiligen Unterneh­ mer zuzurechnende Fehlbetrag stets anteilig entfällt, und damit auch bei der Ver­ äußerung bzw. dem Erwerb von weniger als 25 Prozent der Anteile. An die Stelle dieser Veräußerer-bezogenen Sichtweise setzt § 8c KStG eine Erwerber-bezogene Betrachtung, indem die Vereinigung von mehr 50 Prozent der Anteile in der Hand eines Erwerberkreises sanktioniert wird. Darüber hinaus sind auch mittelbare An­ teilserwerbe einbezogen (Kleinheisterkamp in Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Rn. 102). Ausführlich zu den Unterschieden in der Berücksichtigung der Fehlbe­ träge bei Kapital- und Personengesellschaften Wehrheim/Haussmann, StuW 2008, S. 317 (319 ff.) mit einem Belastungsvergleich in verschiedenen Sachverhaltskons­ tellationen. 300 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106. 301 Suchanek, FR 2017, S. 577 (588). 302 Vgl. dazu S. 9 und S. 150.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Verweises auf § 8c KStG, teilweise originär aus der Zinsschranke selbst ergeben. aa. Grundaussage der Zinsschranke Mit der Zinsschranke wird die grundsätzliche Abziehbarkeit von Zins­ aufwendungen als Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG einge­ schränkt.303 Die Regelung ist die Antwort des Gesetzgebers auf eine als exzessiv empfundene Praxis, nach der eigentlich vorhandene Gewinne von Kapitalgesellschaften in der Form von Schuldzinsen statt Dividen­ den „abgesaugt“ werden.304 Für den Fiskus ist gerade der Abfluss ins Aus­ land ärgerlich. Die Problematik in den Auslandsfällen ergibt sich daraus, dass aus Deutschland abfließende Schuldzinsen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG hier die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer min­ dern, ohne jedoch nach dem Umkehrschluss aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG grundsätzlich der beschränkten Steuerpflicht zu unterliegen. Nur der persönliche Steuersatz des Darlehensgebers im regelmäßig niedrig be­ steuernden Ausland fällt an.305 Historisch ist das gewollt, um so benötig­ te Kapitalimporte zu erhalten. Allerdings wurde diese Privilegierung beim Erwerb deutscher Unternehmen durch ausländische Finanzinves­ toren nach Ansicht des Gesetzgebers missbraucht. In diesen Fällen erga­ ben sich bei der erworbenen Zielgesellschaft größere Zinsaufwendungen, soweit ihr nun Verbindlichkeiten der stark fremdfinanzierten Erwerberin aufgebürdet worden (debt push down). Teilweise erfolgte die übermäßige Verschuldung auch, um genügend Liquidität für Ausschüttungen an kurzfristig gewinnorientierte Finanzinvestoren als Anteilseigner zur Ver­ fügung zu haben. Mit der eingeschränkten Abziehbarkeit von Schuldzin­ 303 Vgl. Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 505 (506), und Liekenbrock, ­Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken (2011), S. 285 ff., die an­ gesichts der Beschränkung auf Vergütungen für die Geldüberlassung auf Zeit Ge­ staltungsmöglichkeiten identifizieren, und etwa verstärkt auf sale-and-lease-­backKonstruktionen statt kreditfinanzierten Erwerb zurückgreifen wollen. 304 Begründung der Vorlage der Fraktionen von Union und SPD zum UntStRG 2008 vom 27.03.2007, BT-Drs. 16/4841, S. 35. Heuermann, DStR 2013, S. 1 und Staats, Ubg 2014, S. 520 (521) weisen darauf hin, dass die bewusste Gewinnverlagerung nicht nur als Missbrauch, sondern durchaus als ökonomisch sinnvolles, jedoch fiskalschädliches Verhalten zu qualifizieren und damit zu bekämpfen ist. Vgl. auch Rödder, ZHR 171 (2007), S. 380 (394 ff.). Zur (vermeintlichen) Inspiration des deutschen Gesetzgebers durch ausländische thin-cap-Regime siehe Homburg, FR 2007, S. 717 (720 f.). Bemerkenswert ist aber, dass nicht nur Darlehenszinsen an Gesellschafter und nahestehende Personen erfasst werden, sondern alle Formen der Zinsaufwendungen, d.h. auch Zinsen an die Hausbank. Allerdings scheint sich die Zinsschranke selbst zum Exportschlager zu entwickeln; vgl. hierzu Heuermann, DStR 2013, S. 1 (4 f.); Staats, IStR 2016, S. 135. 305 Marquardt, Eigenkapital und Fremdkapital (2013), S. 125 (127) zur Motivlage bei der Wahl zwischen Eigen- und Fremdkapital. Ausführlich zur Steuerarbitrage in diesen Fällen Striegel, IStR 2008, S. 530.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

sen soll dieser Konstruktion begegnet werden. Zur Vermeidung europa­ rechtlicher Probleme306 wurden aber auch (überschießend und nach Ansicht des BFH sogar in verfassungswidriger Weise307) rein inländische Sachverhalte erfasst. Gemäß § 4h Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 8a KStG lässt die Zinsschranke Zinsaufwendungen zum Abzug nur zu, wenn in gleicher Höhe beim Be­ trieb (hier der GmbH308) auch ein Zinsertrag vorliegt, darüber hinaus im gleichen Jahr nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA. Dieses ist nach § 4h Abs. 1 S. 2 EStG i.V.m. § 8a Abs. 1 S. 2 EStG (verkürzt gesagt309) 30 Prozent des maßgeblichen Einkommens. Die nicht unmittelbar ab­ ziehbaren Zinsaufwendungen können aber als Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 S. 5–6 EStG genutzt werden, indem sie in den folgenden Jahren als Zinsaufwendungen angesetzt werden. bb. Verweis auf § 8c Abs. 1 KStG Der Zinsvortrag ist an den Verlustvortrag technisch angelehnt. Deshalb verwundert es auch nicht, dass § 8c Abs. 1 KStG entsprechende Anwen­ dung findet. Hat eine Kapitalgesellschaft Zinsvorträge, dann entfallen diese nach § 8a Abs. 1 S. 3 KStG unter den gleichen Voraussetzungen und in der gleichen Weise wie Verluste nach § 8c Abs. 1 KStG. Dabei trifft die Verweisungsnorm lediglich die modifizierende Aussage, dass die stillen

306 Nach EuGH, Urt. v. 12.12.2002, Az. Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), in Slg. 2002, I-11802 stellte eine entsprechende Vorgängerregelung zur Zinsschranke eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung und damit einen Verstoß gegen die Nie­ derlassungsfreiheit dar. Der Einbezug reiner Inlandssachverhalte wird auch von Vertretern des BMF als ursprünglich überschießend gesehen, allerdings mit Bezug auf das Subjektsteuerprinzip gerechtfertigt (Staats, Ubg 2014, S. 520 (525)). 307 In BFH, Beschluss v. 14.10.2015, Az. I R 20/15, in BStBl. II 2017, S. 1240 sieht das Gericht durch die Zinsschranke das objektive Nettoprinzip und in der Folge auch Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, und legt die Regelung im Wege der konkreten Norm­ kontrolle dem Bundesverfassungsgericht (dort anhängig unter dem Az. 2 BvL 1/16) zur Entscheidung vor. In dem Beschluss wird unter Rz. 35 auch ausgeführt, dass im ersten VZ nach Einführung der Zinsschranke nur 0,12 Prozent aller deut­ schen Kapitalgesellschaften von der Regelung potentiell betroffen waren. Die ge­ ringe Fallzahl kann zwar eine eventuelle Gleichheitsverletzung bei einem betrof­ fenen Subjekt nicht rechtfertigen (vgl. Glahe, ISR 2016, S. 86 (88)), vermittelt aber doch einen Eindruck dafür, wie stark Kapitalgesellschaften allgemein belastet sind. Die meisten Kapitalgesellschaften fallen unter die Bagatellklausel oder die Stand-Alone-Klausel. 308 Auch hier ist die Darstellung fokussiert auf die GmbH; vgl. schon Fn. 236. 309 Das verrechenbare EBITDA ist 30 Prozent des um die Zinsaufwendungen und um die nach § 6 Abs. 2 S. 1 abzuziehenden, nach § 6 Absatz 2a S. 2 gewinnmindernd aufzulösenden und nach § 7 abgesetzten Beträge erhöhten und um die Zinserträge verminderten maßgeblichen Gewinns. Der maßgebliche Gewinn bestimmt sich nach § 4h Abs. 3 EStG.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Reserven als Puffer nicht jeweils sowohl für Zinsvorträge als auch für Verlustvorträge anzuwenden sind. § 4h EStG regelt in seinem fünften Absatz auch den Untergang des Zins­ vortrages bei Personengesellschaften.310 Dabei ist für Zwecke dieses Re­ ferenzgebiets besonders beachtlich, dass der Zinsvortrag der Personenge­ sellschaft gemäß § 4h Abs. 5 S. 3 EStG auch untergeht, soweit bei der Kapitalgesellschaft als Gesellschafter der Personengesellschaft die Vo­ raussetzungen des § 8c Abs. 1 KStG vorliegen. Es erfolgt ein Durchblick sowohl durch die Personen- als auch die Kapitalgesellschaft. In den beiden Verweiskonstellationen sind die Voraussetzungen iden­ tisch mit denen des oben besprochenen § 8c Abs. 1 KStG. Auch die Rechtsfolgen sind in ihrer technischen Ausgestaltung gleich, so dass die sich hieraus ergebenden Probleme der Fremdbestimmung ebenfalls iden­ tisch sind und auf die obigen Ausführungen hierzu im Rahmen von § 8c Abs. 1 KStG zu verweisen ist.311 cc. Konzern- bzw. Stand-Alone-Klausel Eine andere Wirkungsweise zwischen Kapitalgesellschaft und ihren Ge­ sellschaftern kann sich im Rahmen der Ausschlusstatbestände der Zins­ schranke aus § 4h Abs. 2 EStG ergeben. Neben der Bagatellgrenze des § 4h Abs. 2 S. 1 lit. a EStG bestehen zwei weitere Ausnahmen, die sich beide auf den Gesellschafterbestand der GmbH beziehen. Die Zinsschranke fin­ det keine Anwendung, wenn die GmbH nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehört (§ 4h Abs. 2 S. 1 lit. b EStG, sog. Stand-Alone- oder Konzernklausel) oder wenn sie zu einem Konzern gehört, dieser aber eine niedrigere Eigenkapitalquote als die GmbH aufweist (§ 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG). Bei fehlender Konzernzugehörigkeit oder einer im Konzernver­ gleich relativ hohen Eigenkapitalquote kann der Anreiz, zinswirksame Finanzierungsgestaltungen wegen unterschiedlicher Steuersätze zwischen beteiligten Unternehmen zu wählen,312 typischerweise vernachlässigt313 werden. Die Frage nach dem Ob der Konzernzugehörigkeit berührt in leicht mo­ difizierter Form das gleiche Problem wie die Regelung des § 8c Abs. 1 KStG: Die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises der Kapitalge­ sellschaft ist trotz der eigentlich bestehenden Grundentscheidung für das Trennungsprinzip314 entscheidend. Zwei Punkte verdienen hier be­ sondere Beachtung: der Konzernbegriff für Zwecke der Zinsschranke und 310 Vgl. dazu S. 159 ff. 311 So auch die Darstellung bei Erker, Kompensation für Steuern (2010), S. 6–12. 312 Zu dieser Gefahr schon oben, S. 68. 313 Heuermann in Blümich, § 4h EStG Rn. 55. 314 Siehe dazu unten, S. 115 ff.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

die Modifikationen für Kapitalgesellschaften, die sich aus § 8a Abs. 2 KStG315 ergeben. Der Konzernbegriff der Zinsschranke ist in § 4h Abs. 3 S. 5–6 EStG nie­ dergelegt. Ein Konzern liegt vor, wenn eine Konsolidierung nach dem für § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG zu Grunde gelegten Rechnungsstandard (nach § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c S. 8 EStG vorrangig IFRS) erfolgt oder möglich ist (§ 4h Abs. 3 S. 5 EStG). Dabei ist auf die Verhältnisse am vorangegange­ nen Abschlussstichtag abzustellen.316 Nach IAS 27.4 und IAS 27.9 (IFRS 10) ist die Fähigkeit der Mutter entscheidend, die Finanz- und Geschäfts­ politik kontrollieren zu können. Nach IAS 27.13 (IFRS 10.11) wird dies vermutet, wenn mindestens die Hälfte der Stimmrechte bei der Mutter liegt. Besteht keine Pflicht zur Konsolidierung nach den primär anwend­ baren IFRS, kann sich eine solche aus § 290 HGB ergeben. Auch danach muss es eine Konzernmutter geben, die einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (§ 290 Abs. 1 HGB), was ebenfalls unwiderleglich bei einer Stimmenmehrheit vermutet wird (§ 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Dem stehen gleich das Recht zur Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Mit­ glieder des jeweils bestimmenden Organs (Nr. 2), die Beherrschung auf Grund eines Unternehmensvertrages (Nr. 3) und die Eigenschaft der Tochter als Zweckgesellschaft (Nr. 4). Der Konzernbegriff wird schließlich in § 4h Abs. 3 S. 6 EStG noch ori­ ginär steuerrechtlich um den Gleichordnungskonzern erweitert.317 Die­ ser umfasst insbesondere auch Beherrschungskonstellationen, in denen die „Konzernspitze“ handelsrechtlich gerade keinen konsolidierten Ab­ schluss erstellen muss, weil es sich um eine Privatperson handelt. Mit einer Privatperson lässt sich auch am deutlichsten die Fremdbestim­ mung und ihre Zufälligkeit im Rahmen der Konzernklausel der Zins­ schranke illustrieren:318 Durch den Erwerb bzw. die Veräußerung einer zweiten Mehrheitsbeteiligung319 entscheidet der Mehrheitsgesellschafter über die Anwendung der Zinsschranke – zu Lasten der Kapitalgesell­ schaft und zu Lasten der Minderheitsgesellschafter. 315 Dazu sogleich unten, S. 72. 316 BMF, Schreiben v. 04.07.2008, Az. IV C 7 S 2742 a/07/10001, in BStBl. I 2008, S. 718 Tz. 68; nach Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 8a KStG Rn. 90 soll zeitraumbezogen für das jeweilige Wirtschaftsjahr bzw. endend mit dem jeweiligen Ereignis ermittelt werden. 317 Heuermann in Blümich, § 4h EStG Rn. 67 f.; Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/ Möhlenbrock, KSt, § 8a KStG Rn. 78 f. 318 So auch schon Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapi­ talgesellschaften (2010), S. 158. 319 Richtigerweise ist für die Frage der Bestimmung der Finanz- und Geschäftspolitik in Anlehnung an die Anforderungen nach § 4h Abs. 3 S. 5 EStG auf die Mehr­ heit der Stimmrechte abzustellen (so auch FG München, Beschluss v. 14.12.2011, Az. 7 V 2442/11, in EFG 2012, S. 453, mit zustimmenden Anmerkungen von ­Töben, FR 2012, S. 357 und Fischer, BB 2012, S. 818).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

dd. Eigenkapital-Klausel Der Missbrauchsverdacht320 wird für die jeweilige Kapitalgesellschaft nach § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG auch widerlegt,321 wenn sie im Konzern­ vergleich nicht in höherem Maße fremdfinanziert ist als die anderen Kon­ zerngesellschaften, konkret: ihre Eigenkapitalquote am Schluss des vo­ rangegangenen Abschlussstichtages gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns. Auch hier besteht die Möglichkeit der Fremdbestimmung, wenn andere Konzerngesellschaften sich nun verstärkt fremdfinanzieren und die Eigenkapitalquote des Konzerns absenken:322 Eine Mutter-, Schwester-, aber auch eine Tochtergesellschaft kann durch ein schuld­ rechtliches Geschäft mit einem Fremden eine Steuerwirkung bei der Ka­ pitalgesellschaft hervorrufen. Voraussetzungen sind aber eben die Kon­ zernzugehörigkeit und daher die Beherrschung durch eine Konzernspitze, der so im Ergebnis ggf. die Handlungen der anderen Konzerngesellschaf­ ten zugerechnet werden.323 ee. Schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung als Ausschluss der Stand-Alone- und Eigenkapital-Klausel Die entlastend wirkende Stand-Alone-Klausel hat im Falle der Kapitalge­ sellschaft noch eine weitere, dem Gesetz nicht leicht zu entnehmende Rückausnahme: In Verbindung mit § 8a Abs. 2 KStG greift die (belasten­ de) Zinsschranke ein bzw. die befreiende Klausel nicht ein, wenn die Ka­ pitalgesellschaft zwar nicht vollständig zu einem Konzern gehört, aber 10 Prozent oder mehr des Zinsaufwendungsbetrages, der den Betrag der Zinserträge überschreitet, an einen ihrer eigenen Gesellschafter (oder dessen Umfeld324) abführt, der zu mehr als einem Viertel am Kapital be­ teiligt ist. Die Beteiligung kann unmittelbar oder mittelbar sein. Rechts­ folge ist dann nicht nur die Nichtabziehbarkeit der Zinsaufwendungen auf die in § 8a Abs. 2 KStG genannten Darlehen, sondern aller Zinsauf­

320 Dazu bereits oben, S. 68. 321 Ebenso Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 8a KStG Rn. 121. 322 Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 505 (507 f.) etwa schlagen als Gestal­ tungsoption die bewusste Aufnahme von Fremdkapital durch die ausländische Konzerngesellschaft zur späteren Einlage in die inländische Konzerngesellschaft vor, um die relative Eigenkapitalquote im Konzernvergleich zu verbessern. 323 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 158. Angesichts der Gestaltungsvorschläge etwa von Kußmaul/­ Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 505 (509) zur erhöhten Kreditaufnahme, die die Konzernmutter „veranlassen“ sollte, wird auch deutlich, dass die Annahme einer Beherrschung in der Praxis begründet ist. 324 § 8a Abs. 2 KStG erweitert den Kreis der schädlichen Zinszahlungsempfänger auf nahe stehende Personen nach § 1 Abs. 2 AStG oder Dritte, die auf den zu mehr als einem Viertel am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner oder eine diesem nahe stehende Person zurückgreifen können.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

wendungen der Kapitalgesellschaft, die sonst wegen der Stand-Alone-­ Klausel verschont geblieben wären.325 Ähnliches gilt nach § 8a Abs. 3 KStG für die Ausnahmeregelung der Eigen­ kapitalklausel nach § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG: Auch hier entfällt bei schädlicher Fremdfinanzierung durch den qualifizierten Minderheitsge­ sellschafter bzw. dessen Umfeld326 die befreiende Ausnahme. Erschwerend wirkt sich aber aus, dass bei Vorliegen einer derartigen Gesellschafter­ fremdfinanzierung bei einer Konzerngesellschaft die Eigenkapital-Befrei­ ung für alle Konzerngesellschaften versagt wird. Die Reichweite einer solchen Rechtsfolge, die irgendwo im Konzernverbund von einem Min­ derheitsgesellschafter ausgelöst werden kann, steht daher im Schrifttum berechtigterweise in der Kritik.327 Nach § 8a Abs. 2 KStG kann – anders als bei § 4h Abs. 2 S. 1 lit. b-c EStG – auch ein nicht beherrschender Gesellschafter Einfluss auf die er­ tragsteuerliche Behandlung der Kapitalgesellschaft328 nehmen; nach § 8a Abs. 3 KStG kann sogar ein Minderheitsgesellschafter einer anderen Ka­ pitalgesellschaft im Konzern einen solchen Einfluss nehmen. Die An­ nahme eines Kredits von ihrem qualifizierten Minderheitsgesellschafter kann die Gesellschaft regelmäßig noch vermeiden, aber den Erwerb bzw. die Aufstockung (zu) einer Stellung als Minderheitsgesellschafter bei sich oder einer anderen Konzerngesellschaft nicht mehr.329 Damit wird wie bei – dem gerade aus diesem Grund für verfassungswidrig erklärten – § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. dem Minderheitsgesellschafter eine Dispositi­ onsmacht unmittelbar über die Gesellschaft und mittelbar über die ande­ ren Gesellschafter und sogar den Mehrheitsgesellschafter eingeräumt. Erschwert werden diese Regelungen noch durch die Beweislastvertei­ lung: Die Kapitalgesellschaft muss nachweisen, dass keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung besteht,330 was aber im Rahmen von 325 Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 8a KStG Rn. 118 ff. 326 Die Definitionen von Minderheitsgesellschafter, dessen Umfeld und schädlicher Umfang der Fremdfinanzierung in § 8a Abs. 3 KStG stimmen mit denen in § 8a Abs. 2 KStG überein. 327 Förster in Gosch, KStG, 3. Aufl. (2015), § 8a KStG Rn. 256; Schaden/Käshammer, BB 2007, S. 2259 (2264); Thiel, FR 2007, S. 729 (732); Töben/Fischer, BB 2007, S. 974 (978) – gerade bei kleineren Joint-Ventures, an denen größere Konzerne be­ teiligt sind, tritt diese Steuerwirkung überraschend und mit verheerendem Effekt ein. Schenke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4h Rn. C 166 und Loewens in Blümich, § 8a KStG Rn. 33 halten diese Ausweitung aber für eine notwendige Missbrauchsverhinderung. 328 Nach § 4h Abs. 2 S. 2 EStG gelten § 8a Abs. 2 und 3 KStG auch für Personengesell­ schaften, wenn sie Körperschaften unmittelbar oder mittelbar nachgeordnet sind. 329 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 159. 330 Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 8a KStG Rn. 120, 159; Förster in Gosch, KStG, 3. Aufl. (2015), § 8a KStG Rn. 253.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

§ 8a Abs. 3 KStG gerade bei internationalen Konzernstrukturen regelmä­ ßig unmöglich ist.331 ff. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen Die Erscheinungsformen von fremdbestimmten Steuerwirkungen im Kontext der Zinsschranke sind vielfältig.332 Die Belastung kann sich ei­ nerseits in Form eines vollständigen Zinsuntergangs (durch den Verweis auf § 8c Abs. 1 KStG), andererseits bloß temporär in Form des Verbots des sofortigen Abzugs der gesamten Zinsaufwendungen ergeben. Die Schluss­ folgerungen lehnen sich daher teilweise an jene bei der Zinsschranke an, teilweise unterscheiden sie sich erheblich: – Wie bei § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG wird mit der Anknüpfung an einen Konzern sowohl hinsichtlich des Ob der Zugehörigkeit als auch hinsichtlich der Eigenkapitalquote die Rechtspersönlichkeit der ju­ ristischen Person durch den Durchblick auf die beherrschende Person weitgehend negiert. Das Beherrschungsparadigma wird auch für den Gleichordnungskonzern in § 4h Abs. 3 S. 6 EStG durchgehalten:333 Handelnder und Steuerpflichtiger erscheinen in den Augen des Geset­ zes insoweit nicht mehr fremd, sondern wegen der Beherrschung nach der Vorstellung des Gesetzes als eine Einheit. – In einem auf Identität wegen Beherrschung ausgelegten System ist § 8a Abs. 2–3 KStG ebenso ein Fremdkörper wie § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. beim Verlustuntergang: Mit einer qualifizierten Minderheitsbe­ teiligung können Steuerwirkungen bei der Gesellschaft, bei anderen Gesellschaftern (auch Mehrheitsgesellschaftern) und im Rahmen von § 8a Abs. 3 KStG sogar in einem weiten Konzernnetzwerk ausgelöst werden. So wird dem Minderheitsgesellschafter eine steuerrechtliche Schlüsselstellung eingeräumt. – Deutlich wird aber auch, dass die fremdbestimmten Steuerwirkun­ gen erst auf einer späteren Stufe der Zinsschranke greifen: Konzern­ zugehörigkeit, Eigenkapitalvergleich und Gesellschafterfremdfinan­ zierung beschreiben die vorherigen Zinsaufwendungen, die schon auf Ebene der Kapitalgesellschaft nach Abzug der Zinserträge und in Ver­ hältnis zum EBITDA „verdächtig“ erscheinen.334 Die Kapitalgesell­ 331 Töben/Fischer, BB 2007, S. 974 (978); Thiel, FR 2007, S. 729 (732); Förster in Gosch, KStG, 3. Aufl. (2015), § 8a KStG Rn. 254. 332 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 159; Erker, DStR 2012, S. 498 (498 ff.). 333 Vgl. dazu FG München, Beschluss v. 14.12.2011, Az. 7 V 2442/11, in EFG 2012, S. 453, mit zustimmenden Anmerkungen von Töben, FR 2012, S. 357 und Fischer, BB 2012, S. 818. 334 Natürlich kann man (etwa unter dem Gesichtspunkt der Finanzierungsfreiheit) die­ se Verdachtsbegründung kritisieren. Eine Evaluation der Zinsschranke im Grund­

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft



schaft hat damit ihrerseits schon den Tatbestand der Zinsschranke zu großen Teilen selbst verwirklicht. Die von ihren Mehrheits- oder qua­ lifizierten Minderheitsgesellschaftern verursachten Steuerwirkungen beschreiben nur die vorherigen Zinsaufwendungen weiter bzw. lie­ fern den Kontext für diese. Von daher lassen sich die Konzern- und die Eigenkapital-Klausel ebenso wie die weiteren Modifikationen zur Ge­ sellschafterfremdfinanzierung als Kontextnormen335 beschreiben. Die Bezeichnung als „bloße“ Kontextnorm für eine selbstbestimmte Handlung des Steuerpflichtigen fällt bei der Zinsschranke auch leich­ ter als etwa bei § 8c KStG. Während Verluste meist als Ausdruck ei­ ner momentanen, nicht gewollten Krisensituation oder der schwieri­ gen Anlaufphase für spätere positive Ergebnisse wahrgenommen werden, schwingt in der Diskussion um das Fremdkapital und insbe­ sondere die Eigenkapitalquote eine vermeintliche Freiheit mit: Es soll eine Finanzierungsfreiheit336 geben, Banken sollen sich eben ein­ fach um mehr Eigenkapital als Risikopuffer bemühen337 etc. Selbst wenn die These zutrifft, dass die starke Fremdfinanzierung freiwillig ist, besteht aus Sicht der Kapitalgesellschaft weiter eine unbefrie­ digende Situation: Wenn nach der Vorstellung des Gesetzgebers in bestimmten Konstellationen die Fremdfinanzierung steuerlich un­ schädlich ist und die Kapitalgesellschaft im Vertrauen hierauf den Lebenssachverhalt entsprechend gestaltet hat, wirkt jedenfalls im konkreten Zeitpunkt der schädigenden Handlung auch die jeweilige Versagung der Befreiung von der Zinsschranke bei der Kapitalgesell­ schaft wie jede andere fremdbestimmte Steuerwirkung: nicht nur be­ schreibend, sondern tatsächlich belastend.

sätzlichen kann diese Arbeit jedoch nicht leisten; vgl. dazu etwa Eilers, FR 2007, S. 733; Welling, FR 2007, S. 735. Zur Kritik aus Sicht der Ökonomie vgl. Homburg, FR 2007, S. 717. Grundsätzlich Jehlin, Zinsschranke als Instrument zur Missbrauchsvermeidung (2013), S. 135 ff. und insb. 227 ff. Ausdrücklich gelobt wird die Zinsschranke bei Heuermann, DStR 2013, S. 1 und Staats, Ubg 2014, S. 520. BFH, Beschluss v. 14.10.2015, Az. I R 20/15, in DStR 2016, S. 301 sieht durch die Zinsschranke das objektive Nettoprinzip und in der Folge auch Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, und legt die Regelung im Wege der konkreten Normkontrolle dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. 335 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 66 spricht von Fremdbestimmung durch Einfluss auf steuerlich rele­ vante Größen. 336 Steuerrechtlich vgl. BFH, Urt. v. 20.06.2000, Az. VIII R 57/98, in BFH/NV 2001, S. 28 Rz. 34 [zit. nach juris]; aus der gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung s. BGH, Urt. v. 19.09.1988, Az. II ZR 255/87, in BGHZ 105, S. 168 Rz. 24 [zit. nach juris]; siehe außerdem Eilers in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfi­ nanzierung, 2. Aufl. (2014), S. 9; in Bezug auf die Zinsschranke ausdrücklich Homburg, FR 2007, S. 717 (722); Prinz, FR 2010, S. 736 (739 f.). 337 Guericke in Hopt/Wohlmannstetter, Corporate Governance von Banken (2011), S. 289 ff.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

c. Besteuerung von REITs, im Besonderen § 18 Abs. 3 REITG Ein Beispiel für fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Kapitalgesell­ schaften ist auch das REITG338 im Allgemeinen, und § 18 Abs. 3 REITG i.V.m. § 11 REITG im Besonderen. Mit dem REITG sollen Investitionen in den deutschen Immobilienmarkt attraktiver werden – gerade auch über Investment-Vehikel, die am Finanzstandort Deutschland angesie­ delt sind.339 Besonders attraktiv ausgestaltet ist die Direktbeteiligung von Privatanlegern.340 aa. Allgemein zum REITG Anknüpfungspunkt für die Förderung dieser Anlage ist eine gewöhnliche Aktiengesellschaft. Erfüllt sie bestimmte Voraussetzungen und erklärt sich die Aktiengesellschaft entsprechend (Registrierung als Vor-REIT nach § 2 REITG und Antrag nach § 10 REITG), ergibt sich sowohl für die Aktiengesellschaft als auch für ihre Aktionäre ein neues Besteuerungs­ system. Zunächst müssen REIT-Aktiengesellschaften nach § 10 REITG börsenno­ tiert sein. Die Gesellschaft wird nach § 13 Abs. 1 REITG zu einer Aus­ schüttung von 90 Prozent des Jahresgewinns verpflichtet. Für die Qualifi­ kation als REIT-AG muss die AG darüber hinaus auch die Voraussetzungen der §§ 3 ff. REITG hinsichtlich ihres Geschäftsgegenstandes und ihrer Finanzstruktur erfüllen. Steuerlich wird die REIT-AG an die Personengesellschaft angenähert: Die REIT-AG selbst ist gemäß § 16 Abs. 1 REITG von der Körperschaft­ steuer befreit. Die Anteilseigner hingegen müssen die Ausschüttungen (wie bei einer normalen Kapitalgesellschaft) als Einkünfte aus Kapital­ vermögen nach § 20 EStG versteuern, allerdings (wieder wie bei einer Personengesellschaft) ohne die sonst anzuwendenden Steuerbefreiungen 338 Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten An­ teilen vom 28.05.2007 (BGBl. I S. 914), zuletzt geändert durch Artikel 11 des Ge­ setzes vom 22.06.2011 (BGBl. I S. 1126); im Folgenden wird die offzielle Kurzbe­ zeichnung verwendet, nämlich REITG, nach dem englischen Begriff Real Estate Investment Trust. 339 BT-Drs. 16/4026, S. 1: „Mit der gesetzlichen Einführung eines deutschen REIT soll die in Deutschland bestehende Lücke bei der indirekten Immobilienanlage ge­ schlossen werden, um eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland, eine Professionalisierung der Immobilienwirtschaft und Wettbewerbsgleichheit gegen­ über europäischen Finanz- und Immobilienstandorten zu erreichen“. S. außerdem ebenda, S. 14. Ausführlich zu den Gründen für die Einführung von REITs siehe Wewel in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG (2008), Einf. A Rn. 16 ff. Dennoch scheint die REIT-AG bei Anlegern und Initiatoren nicht besonders be­ liebt zu sein. Stand August 2019 gibt sind an der Börse Frankfurt nur fünf (!) sol­ cher Gesellschaften mit deutscher ISIN gelistet. 340 Siehe die Belastungsübersicht bei Cadmus, FB 2007, S. 618 (623).

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

aus dem Teileinkünfteverfahren oder § 8b KStG (§ 19 Abs. 3 REITG). Auf Grund dieser hybriden Ausgestaltung wird daher auch von einem ge­ mäßigten Transparenzprinzip341 gesprochen. bb. Anteilseigner-bezogene Qualifikationsmerkmale Für eine Untersuchung von fremdbestimmten Steuerwirkungen ist aber ein weiteres Merkmal der REIT-AG besonders interessant: das Erforder­ nis einer qualifizierten Zusammensetzung des Gesellschafterkreises, und in der Folge das entsprechende Sanktionsregime. Dabei stellt § 11 REITG zwei Anforderungen an die REIT-AG, nämlich das Einhalten ei­ ner Mindeststreubesitzquote sowie das Einhalten einer Höchstbeteili­ gungsquote. Nach Absatz 1 müssen die Anteile an der REIT-AG stets zu mindestens 15 Prozent im Streubesitz gehalten werden, zum Zeitpunkt der Börsen­ zulassung sogar mindestens 25 Prozent der Anteile. § 11 Abs. 1 REITG stellt damit eine im Verhältnis zum für die Börsenzulassung maßgebli­ chen § 9 BörsZulV eigenständige (und den Streubesitz schärfer definie­ rende) Regulierung des Streubesitzes dar. Dies soll die herausgehobene Bedeutung des Streubesitzes bei der REIT-AG im Vergleich zu anderen börsennotierten Gesellschaften betonen.342 § 11 Abs. 1 S. 3–4 REITG de­ finiert, dass die Aktien derjenigen Aktionäre, denen jeweils weniger als 3 Prozent der Stimmrechte an der REIT-Aktiengesellschaft zustehen, den Streubesitz bilden, wobei die Berechnung sich nach den §§ 34, 26 WpHG richtet. Nach § 34 WpHG sind auch mittelbar gehaltene Aktien erfasst. Mit der Grenze von 3 Prozent lehnt sich das Gesetz an die Meldeschwel­ le von § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG an. Diese starke Orientierung am WpHG soll es nach dem ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung der REITAG ermöglichen zu erkennen, welche Aktien sich nicht mehr im Streu­ besitz befinden.343 Nach Absatz 4 darf es darüber hinaus keinen Gesellschafter geben, der zu mehr als 10 Prozent beteiligt ist, so dass er über mehr als 10 Prozent der Stimmrechte in der REIT-AG verfügt (Höchstbeteiligungsquote). Ent­ scheidend ist dabei die unmittelbare Beteiligung an der REIT-AG; eine Zurechnung mittelbar gehaltener Anteile über §§ 22, 23WpHG findet nicht statt.344 Aktien, die für Rechnung eines Dritten gehalten werden, gelten aber nach § 11 Abs. 4 S. 2 REITG als direkt durch den Dritten ge­ 341 Gröpl, DStZ 2008, S. 62 (63 f.); Schwarz, JZ 2008, S. 550 (556). 342 Gesetzesbegründung durch die Bundesregierung in BT-Drs. 16/4026, S. 22. Kri­ tisch aber zum Wunsch, so mehr Privatinvestitionen in REITs zu ermöglichen Ziemons, BB 2007, S. 449 (451 f.). 343 BT-Drs. 16/4026, S. 22. 344 Wiesbrock in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG (2008), § 11 Rn. 31.

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halten. Auch ohne explizite gesetzliche Erwähnung soll es dabei auf die Verhältnisse ankommen, wie sie sich für die REIT-AG aus den eingehen­ den Mitteilungen nach § 33 WpHG darstellen. Es kommt nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse der Beteiligung an bzw. auf die anderweitig erlangte Kenntnis hiervon bei der REIT-AG.345 Als Grund für die Höchst­ beteiligungsquote werden abkommensrechtliche Erwägungen des Ge­ setzgebers gesehen.346 Nach den meisten DBA werden Kapitaleinkünften aus Beteiligungen, die nicht mehr als Portfolio-Beteiligungen zu qualifi­ zieren sind (> 10 Prozent), Schachtelprivilegien eingeräumt und die Be­ steuerungsrechte der Bundesrepublik zur Quellenbesteuerung beschnit­ ten. Im Regelfall ist das ein für den deutschen Fiskus akzeptables Verteilungsergebnis, denn es wurde bereits auf Ebene der Kapitalgesell­ schaft auf das Besteuerungssubstrat mit der Körperschaftsteuer zugegrif­ fen. Da die REIT-AG jedoch nach § 16 REITG selbst steuerbefreit ist, drohen weiße Einkünfte und der vollständige Verlust des deutschen Be­ steuerungsrechts in Bezug auf das Besteuerungssubstrat.347 Durch die Höchstbeteiligungsgrenze soll dies verhindert werden. cc. Sanktionsregime Das REIT-Gesetz hält verschiedene Sanktionen bereit, wenn die REITAG gesetzliche Vorgaben nicht einhält,348 wie etwa den Verlust von Rechten (§ 16 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 REITG) oder Strafzahlungen (§ 16 Abs. 3–6 REITG). Gravierendste Folge ist der Verlust der Steuerbefreiung. Die REIT-AG verliert nach § 18 REITG ihre Steuerbefreiung, wenn sie be­ stimmte an sie gestellte Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Dabei han­ delt es sich etwa um den Verlust der Börsenzulassung (Absatz 1) und die Änderung der Finanzierungsstruktur (Absatz 4) oder des Geschäftsgegen­ standes (Absatz 2) – allesamt Qualifikationsmerkmale, die die REIT-AG unmittelbar selbst erfüllen muss. In diesen Fällen wirkt die Gesellschaft auf den Anteilseigner ein. Entfällt die Steuerbefreiung der REIT-AG nach § 18 Abs. 2 REITG, dann erfolgt 345 Wiesbrock in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG (2008), § 11 Rn. 31; Schroeder, AG 2007, S. 531(534). 346 So die Gesetzesbegründung durch die Bundesregierung in BT-Drs. 16/4026, S. 22. Ausführlich zu der abkommensrechtlichen Problematik Jacob, AG 2008, S. 583 (584 ff.). Kritisch aber zur Notwendigkeit der Regelung Klühs, RNotZ 2008, S. 509 (522) angesichts der ohnehin getroffenen Vorsorge in §§ 16 Abs. 2; 20 Abs. 4 S. 2–3 REITG. 347 Zu den europarechtlichen Implikationen siehe Reimer in Helios/Wewel/Wies­ brock, REITG (2008), Einf. C Rn. 200 ff., letztlich aber die europarechtliche Zuläs­ sigkeit als Inhaltsbestimmung des REIT bejahend (Rn. 207). 348 Ausführlich zu den verschiedenen Sanktionen etwa bei der Verletzung von § 11 Abs. 4 S. 1 REITG siehe Schürer, REITs und die Höchstbeteiligungsquote (2011), S. 117 ff.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

die Besteuerung der Anteilseigner wegen § 23 Abs. 4 REITG nicht mehr nach § 19 REITG. Für sich genommen ist die Aussetzung von § 19 REITG für den Anleger zwar vorteilhaft, da so wieder das Teileinkünftever­fahren oder § 8b KStG eingreifen. Allerdings sind die Einkünfte stärker vor­ belastet und wegen der Ausschüttungspflicht tatsächlich geringer. Im Belastungsvergleich stellt sich schließlich heraus, dass der private An­ teilseigner eine höhere effektive Steuerbelastung zu tragen hat.349 Die fremdbestimmte Steuerwirkung ist (lediglich) wirtschaftlicher Natur und ergibt sich aus einem Überwälzungseffekt. Darüber hinaus verliert die REIT-AG die persönliche Steuerbefreiung aber auch dann, wenn sich während dreier aufeinander folgender Jahre 15 Prozent ihrer Anteile nicht mehr im Streubesitz befinden (§ 18 Abs. 3 S. 1 REITG) oder wenn über den gleichen Zeitraum ein Aktionär die Höchstbeteiligungsgrenze überschritten hat (§ 18 Abs. 3 S. 2 REITG). Diese Wirkungen treten erst ein, wenn die REIT-AG den Mitteilun­ gen nach dem WpHG die Verstöße entnehmen kann (§ 18 Abs. 3 S. 3 REITG)350. Mitunter kann trotz vollständiger Meldungen nicht erkannt werden, ob Schwellen überschritten wurden.351 Wenn sie nach Kenntnis und innerhalb der Frist des § 18 Abs. 3 S. 4 REITG es nicht schafft, den jeweiligen Verstoß zu beheben, verliert sie ihre Steuerbefreiung. In die­ sem Fall sind die AG insgesamt und damit alle Aktionäre betroffen.

349 Vgl. die Belastungsübersicht bei Cadmus, FB 2007, S. 618 (623). 350 Die aktuelle Fassung von § 18 Abs. 3 S. 3 REITG stellt eine Milderung im Verhält­ nis zu einer früheren Entwurfsfassung im Gesetzgebungsverfahren dar (Schürer, REITs und die Höchstbeteiligungsquote (2011), S. 127). Den Anstoß hierfür gab wohl ein noch REIT-freundlicherer Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren von der Initiative Finanzstandort Deutschland, Ergänzende Vorschläge zum Regierungs­ entwurf vom 02.11.2006 eines Gesetzes zur Schaffung deutscher Immobilien-Ak­ tiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REITG-E) (19.02.2007), S. 17 f., zu finden unter rsw.beck.de/rsw/upload/Beck_Aktuell/22-IFD.pdf [zuletzt abge­ rufen am 01.04.2016]. Dort wird vorgeschlagen, dass § 18 Abs. 3 S. 3 REITG wie folgt lauten sollte: „Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn die REIT-Aktiengesellschaft nachweist, dass sie im Rahmen des Zumutbaren darauf hingewirkt hat, dass der Streubesitz auf mindestens 15 Prozent ansteigt und vorhandene direkte Beteili­ gungen unter 10 Prozent absinken“. Der Änderungsvorschlag ist insofern beachtlich, weil er noch deutlicher die Beson­derheiten des § 18 Abs. 3 REITG im Verhältnis etwa zu § 8c Abs. 1 KStG kon­trastieren würde. Vor allem aber zeigt er die Vorstellung der wahren Initiato­ ren des REITG: Die IFD als informeller Zusammenschluss der deutschen Banken ­initiierte und dominierte in Arbeitsgruppen mit dem BMF das Gesetzgebungs­ verfahren maßgeblich (vgl. Wewel in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG (2008), Einf. A Rn. 17). Die IFD ist mittlerweile aufgelöst. 351 Ausführlich zu diesen Konstellationen und die Exkulpation befürwortend Schürer, REITs und die Höchstbeteiligungsquote (2011), S. 127 f.; außerdem Schroeder, AG 2007, S. 531 (534).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

§ 11 Abs. 3 REITG sieht daher vor, dass die REIT-AG in ihre Satzung ei­ nen Passus aufnehmen muss, der eine Entschädigung für den Fall des Verlusts der Steuerbefreiung vorzusehen hat. Persönlich berechtigt sind aber nicht alle Aktionäre, sondern nur der kleine Kreis, der in keiner denkbaren Konstellation verantwortlich ist für den Verlust der Steuerbe­ freiung: die Kleinaktionäre, die die Streubesitzaktien halten, also jeweils mit weniger als 3 Prozent beteiligt sind. Dabei ist nach der Regierungsbe­ gründung der REIT-AG ein Ermessen in der Ausgestaltung des Anspruchs eröffnet.352 dd. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen Zusammenfassend lassen sich folgende Besonderheiten im Umgang mit den fremdbestimmten Steuerwirkungen im REITG festhalten: – Werden für Zwecke der Besteuerung einer Kapitalgesellschaft An­ forderungen an die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises ge­ stellt, dann besteht eine Semi-Transparenz der Kapitalgesellschaft. Das Entstehen fremdbestimmter Steuerwirkungen ist damit in ho­ hem Maße wahrscheinlich. – Eine Voraussetzung für das Entstehen der Wirkung ist im vorliegen­ den Referenzgebiet aber die Kenntnis der Kapitalgesellschaft als der potentiell Steuerpflichtigen vom schädigenden Ereignis. – Weitere Voraussetzung ist das Verstreichen einer Frist, in der das Be­ stehen einer Abwendungsmöglichkeit angenommen wird. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal der REIT-Besteuerung unter allen Referenz­ fällen der fremdbestimmten Steuerwirkungen und für die steuer­ pflichtige REIT-AG etwa im Vergleich zur Verlustgesellschaft bei § 8c Abs. 1 KStG sehr vorteilhaft. – Es wird anerkannt, dass sich durch die fremdbestimmten Steuerwir­ kungen Friktionen nicht nur im Verhältnis Kapitalgesellschaft – An­ teilseigner ergeben, sondern mittelbar auch bei den anderen Gesell­ schaftern. Jedenfalls den Kleinanlegern unter ihnen wird dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch zuerkannt. d. Hinzurechnungsbesteuerung – §§ 7 ff. AStG Ein Richtungswechsel bei den fremdbestimmten Steuerwirkungen in der Besteuerung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner auch in unmittelbar rechtlicher Hinsicht findet hingegen bei der Hinzurechnungsbesteu­ erung nach §§ 7 ff. AStG statt. Hier kann die Kapitalgesellschaft durch ihre (Passiv-) Tätigkeit unmittelbar Steuerwirkungen bei ihren Anteils­ eignern auslösen. 352 BT-Drs. 16/4026, S. 22.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

aa. Allgemein zur Hinzurechnungsbesteuerung Durch die Hinzurechnungsbesteuerung im Außensteuerrecht soll ver­ hindert werden, dass über das bloße Zwischenschalten einer Kapitalge­ sellschaft353 im niedrig besteuerten Ausland eine Abschirmung von Ge­ winnen entsteht, die eigentlich dem deutschen Fiskus zustehen sollten.354 Zur Verwirklichung dieses Zwecks wird die Kapitalgesellschaft als Zwi­ schengesellschaft bezeichnet. Die Einkünfte, die sie als Zwischengesell­ schaft erzielt, werden dem in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichti­ gen unmittelbar anteilig zugerechnet, auch ohne dass eine Ausschüttung an den deutschen Steuerpflichtigen erfolgt. Dabei werden gemäß § 7 Abs. 1 bzw. § 7 Abs. 6 AStG nur die Einkünfte hinzugerechnet, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesell­ schaft (dazu sogleich) ist, abzüglich der im Ausland hierauf entrichteten (niedrigen) Steuer (Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 AStG). Als schädliche Niedrigbesteuerung wird in § 8 Abs. 3 AStG eine Ertragsteu­ erbelastung von weniger als 25 Prozent auf das Einkommen definiert.355 Technisch lässt sich die Rechtsfolge am ehesten als Zurechnung von Ein­ künften beschreiben,356 obwohl manche Aspekte des Rechtsfolgenregi­ 353 Bei der Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland wird es sich nicht um eine GmbH handeln; insofern muss die in diesem Referenzgebiet als Modell zu Grunde gelegte Rechtsform der GmbH (vgl. Fn. 236) übertragen wer­ den: Es wird im weiteren Verlauf der Untersuchung unterstellt, dass die ausländi­ schen Gesellschaften der GmbH entsprechen. Auch in der Rechtsprechung des BFH ist der Grundsatz der Abschirmwirkung aus­ ländischer Kapitalgesellschaften anerkannt, vgl. BFH, Urt. v. 17.07.1985, Az. I R 104/82, in BStBl. II 1986, S. 129. 354 Reiche in Haase, AStG/DBA, 3. Aufl. (2016), § 7 AStG Rn. 1; Haarmann, IStR 2011, S. 565; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. (2016), S. 1041 ff.; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Vor §§ 7 – 14 AStG Rn. 6. Vorbild für die deutsche Regelung war das Controlled Foreign Company (CFC) Regime der USA. Mittlerweile ist das Konzept allgemein anerkannt und von der OECD unterstützt (vgl. ausführlich OECD, Controlled Foreign Company Legis­ lation (1996)). Weltweit finden sich entsprechende Regelungen in zahlreichen Län­ dern (Übersicht bei Vogt in Blümich, Vor §§ 7 ff. AStG Rn. 22). Derzeit wird eine Reform der Hinzurechnungsbesteuerung in Reaktion auf die ATAD-Richtlinien erwartet, die aber noch keine konkreten Formen angenommen hat (vgl. die Dar­ stellungen bei Heinsen/Erb, DB 2018, S. 975–979 und Dehne, ISR 2018, S. 132). 355 Wassermeyer/Schönfeld, IStR 2008, S. 496, Rödder, ZHR 171 (2007), S. 380 (393 f.) weisen darauf hin, dass es in der Sache nicht gerechtfertigt sein kann, die Niedrig­ steuergrenze des § 8 Abs. 3 AStG bei 25 Prozent zu ziehen, wenn auch in be­ stimmten Gemeinden mit einem (zulässig) niedrigen Hebesatz im Inland unter Einbeziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuer eine Besteuerung von weni­ ger als 25 Prozent möglich ist. Auch der globale Steuerwettbewerb z.B. anlässlich des Brexits stellt die 25 Prozent-Grenze in Frage (Eilers/Tiemann, FR 2019, S. 293). 356 Zur rechtssystematischen Erklärung der Hinzurechnungsbesteuerung siehe Vogt in Blümich, Vor §§ 7 ff. AStG Rn. 32 ff.; Bauernschmitt in Haase, AStG/DBA,

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

mes an eine fiktive Ausschüttung erinnern, etwa wenn § 10 Abs. 2 AStG bestimmt, dass der Hinzurechnungsbetrag als Dividende beim in Deutsch­ land unbeschränkt Steuerpflichtigen mit Ablauf des Wirtschaftsjahres zu behandeln ist, unabhängig davon, ob tatsächlich ausgeschüttet wird. Subjekt der Einkünfteerzielung bleibt in jedem Fall die ausländische Ge­ sellschaft.357 Die ausländische Kapitalgesellschaft und insbesondere ihre Abschirm­ wirkung werden durch die Hinzurechnung faktisch negiert. Die Negie­ rung beinhaltet natürlich erhebliches Konfliktpotential sowohl im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, soweit hierin ein ausdrücklicher Vorbehalt nicht enthalten ist und damit wie nach § 20 AStG vorgese­ hen ein treaty override358 erfolgt, als auch im Recht der Europäischen Union.359 Insbesondere die Niederlassungsfreiheit droht durch die Rege­ lungen eingeschränkt zu werden. Der Gesetzgeber wird durch die Recht­ sprechung des EuGH360 immer wieder zu Korrekturen gezwungen. So kann der Steuerpflichtige nach § 8 Abs. 2 AStG nachweisen, dass die Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft nicht rein steuerlich motiviert ist, und somit die Hinzurechnung vermeiden. Unabhängig hiervon bestehen aber auch rein dogmatische Bedenken gegen die Hinzu­ rechnungsbesteuerung, wenn durch die Zurücknahme der Abschirmwir­ kung das Entstehen von fremdbestimmten Steuerwirkungen geradezu gefördert wird.361 Im Folgenden soll auf den Handlungsspielraum der Ka­ pitalgesellschaft sowie die bestehenden Beteiligungserfordernisse für die Begründung der Hinzurechnungsbesteuerung eingegangen werden. bb. Aktivitäten der Zwischengesellschaft Damit eine Hinzurechnung erfolgt, muss die ausländische Kapitalgesell­ schaft eine Zwischengesellschaft für die hinzuzurechnenden Einkünfte sein. Dafür muss sie sog. passive Einkünfte erzielen. Einkünfte sind – ne­ ben anderen Voraussetzungen – dann passiv, wenn sie nicht als aktive Einkünfte im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG zu qualifizieren sind. Bei passi­

3. Aufl. (2016), § 10 Rn. 2; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Vor §§ 7 – 14 AStG Rn. 15 ff. Rust, Hinzurechnungsbesteuerung (2007). 357 BFH, Urt. v. 02.07.1997, Az. I R 32/95, in BStBl. II 1998, S. 176. 358 Zu dessen Zulässigkeit BVerfG, Beschluss v. 15.12.2015, Az. 2 BvL 1/12 (Treaty Override), in DStR 2016, S. 359. 359 Ausführlich hierzu die Monographien von Rust, Hinzurechnungsbesteuerung (2007) und Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und europäisches Gemein­ schaftsrecht (2005); außerdem auch Schön, DB 2001, S. 940. 360 EuGH, Urt. v. 12.09.2006, Az. Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), in Slg. 2006, I-7995; EuGH, Urt. v. 06.12.2007, Az. Rs. C-298/05 (Columbus Container Ser­ vices), in Slg. 2007, I-10451. 361 Rust, Hinzurechnungsbesteuerung (2007), S. 2 f.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

ven Einkünften wird vermutet bzw. ist indiziert,362 dass die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft aus Gründen des Missbrauchs, d.h. aus rein steuerlichen Gründen erfolgt ist. § 8 Abs. 2 AStG stellt dies für Ge­ sellschaften im EU-/EWR-Ausland klar und ermöglicht es dem Steuer­ pflichtigen, diesen Missbrauchsvorwurf zu widerlegen. Die ausländische Gesellschaft ist nicht per se Zwischengesellschaft, sondern nur hinsicht­ lich der passiven Einkünfte. Erzielt sie aktive und passive Einkünfte (sog. gemischte Gesellschaft), so ist die Hinzurechnungsbesteuerung auf die passiven Einkünfte zu beschränken.363 Die Kapitalgesellschaft hat es demnach in der Hand: Entscheidet sie sich dafür, statt einer aktiven eine passive Tätigkeit auszuüben, dann werden Einkünfte hieraus dem unbeschränkt Steuerpflichtigen hinzugerechnet. Vermietet sie etwa Grundstücke, dann sind aus dieser Tätigkeit stam­ mende Einkünfte als passiv zu qualifizieren.364 Der Steuerpflichtige muss die Einkünfte versteuern, die die ihm fremde Kapitalgesellschaft erzielt; welche Einkünfte sie erzielt, bestimmt aber die ausländische Kapitalge­ sellschaft selbst. Im Einzelfall kann (vorrangig über § 8 Abs. 2 AStG und in den Grenzen des § 90 AO) der Steuerpflichtige zwar nachweisen, dass die Gesellschaft tatsächlich aktiv ist und die Hinzurechnung verhindern. Allerdings mag dieser Beweis scheitern, sei es, weil er nicht begründet ist, sei es, weil der Steuerpflichtige nur die Belege nicht herbeischaffen kann. Aber auch schon für sich selbst genommen ist die Begründung einer Beweispflicht eine erhebliche Belastung. Über diese Belastung kann die ausländische Kapitalgesellschaft durch ihre Handlung disponieren. cc. Beteiligungserfordernis Zur Begründung einer solchen Konstellation sind weitere Voraussetzun­ gen mit Bezug zu den Anteilseignern zu erfüllen. Die Hinzurechnung bedarf einer Rechtfertigung in persönlicher Hinsicht. Dabei ist zwischen dem Grundfall der Hinzurechnung nach § 7 Abs. 1 AStG und dem Son­ derfall des § 7 Abs. 6 AStG zu differenzieren. Nach § 7 Abs. 1 AStG ist für die Hinzurechnung erforderlich, dass unbe­ schränkt steuerpflichtige natürliche oder juristische Personen zu mehr 362 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.09.2006, Az. Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), in Slg. 2006, I-7995 und dazu Waldens/Sedemund, IStR 2007, S. 450. 363 Rödel in Kraft, AStG, 2. Aufl. (2019), § 8 Rn. 3. Die passiven Einkünfte können nach der Bagatellregelung des § 9 AStG bis zu einer Freigrenze gleichfalls außer Ansatz bleiben. 364 Auf Grund der umfassenden Ausnahmeregelungen in § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG ist eine aktive Vermietungstätigkeit kaum denkbar (Vogt in Blümich, § 8 AStG Rn. 66; Rödel in Kraft, AStG, 2. Aufl. (2019), § 8 Rn. 350).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

als der Hälfte an der Zwischengesellschaft beteiligt sind. § 7 Abs. 2 AStG definiert diese hälftige Beteiligung im Detail.365 Hervorzuheben dabei ist, dass für Zwecke der Feststellung der Beherrschung auch mittelbar gehal­ tene Beteiligungen berücksichtigt werden (§ 7 Abs. 2 S. 2 AStG), während die Hinzurechnung als Rechtsfolge nur in Bezug auf unmittelbar gehalte­ ne Anteile erfolgt.366 Entgegen der ersten Erwartung hängt die Hinzu­ rechnung beim Anteilseigner nicht davon ab, dass er selbst qualifiziert an der Zwischengesellschaft beteiligt ist, sondern nur, dass er beteiligt ist, und dass mehr als die Hälfte der Anteile in der Hand von natürlichen und juristischen Personen sind, die in Deutschland unbeschränkt steuer­ pflichtig sind. Daher ist trotz des Plurals „Steuerpflichtige“ der Tatbe­ stand des § 7 Abs. 1 AStG auch erfüllt, wenn nur eine Person zu mehr als der Hälfte beteiligt ist.367 Bei mehreren Personen muss keine Beziehung zwischen den Anteilseignern wie zwischen nahestehenden Personen bei § 8c Abs. 1 KStG bestehen:368 Das Beteiligungskriterium „zu mehr als der Hälfte” ist erfüllt, wenn zwar die Beteiligung jedes einzelnen Steuer­ inländers unter 50 Prozent liegt, die Addition der Beteiligungen jedoch eine Quote von über 50 Prozent ergibt.369 Hält etwa A 49,9 Prozent der Anteile an der Zwischengesellschaft und erwirbt B weitere 0,2 Prozent der Anteile, dann greift die Hinzurechnungsbesteuerung dem Grunde nach ein. Dies geschieht, ohne dass A und B in irgendeiner Form zusam­ menwirken oder sich überhaupt kennen müssten.370 Besonders bezüglich des so gering Beteiligten B ist die Wirkung bedenklich.371 Es ist nicht er­ sichtlich, warum ihm nun die passiven Einkünfte der Zwischengesell­ schaft zugerechnet werden, nur weil andere Investoren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Die einzige Verbindung zwischen A und B ist die gemeinsame unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland.

365 Nach § 7 Abs. 2 AStG werden etwa auch Anteile, die von Steuerpflichtigen i.S.d. § 2 AStG gehalten werden, zur Feststellung der „deutschen Beherrschung“ (Köhler in Strunk/Kaminski/Köhler, § 7 AStG Rn. 70) herangezogen. 366 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG Rn. 12.1, 41 und 73. 367 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG Rn. 9.2. 368 Ausführlich zu den Unterschieden bei der Definition „nahe stehende Person“ bei § 8c Abs. 1 KStG und dem AStG vgl. Stollenwerk, Geschäfte zwischen naheste­ henden Personen (2014), S. 244 ff. 369 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG Rn. 68; Vogt in Blümich, § 7 AStG Rn. 27. 370 Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG Rn. 68; Reiche in Haase, AStG/DBA, 3. Aufl. (2016), § 7 AStG Rn. 69. Ein weiteres Problem ist auch die Feststellung der Beherrschung durch den Fiskus, wenn kein Gesellschafter alleine beherrscht (Köhler in Strunk/Kaminski/Köhler, § 7 AStG Rn. 76), woraus sich auch ein Vollzugsdefizit ergeben kann. 371 Rust, Hinzurechnungsbesteuerung (2007), S. 2 f., 208 und Köhler in Strunk/Ka­ minski/Köhler, § 7 AStG Rn. 72 etwa halten den persönlichen Anwendungsbe­ reich für zu weit.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Eine andere Betrachtungsweise legt aber die bislang nicht ins nationale Recht umgesetzte ATAD I-Richtlinie in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a) zu Grunde:372 Demnach ist nicht auf die Gesamtheit der Inländer abzustel­ len, sondern auf den einzelnen Steuerpflichtigen, der selbst oder zusam­ men mit seinen verbundenen Unternehmen (i) unmittelbar oder mittel­ bar mehr als 50 Prozent der Stimmrechte hält, (ii) unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 Prozent des Kapitals, oder (iii) Anspruch auf mehr als 50 Prozent der Gewinne dieses Unternehmens hat. Damit wäre das Problem der Fremdbestimmung gelöst. Ob es allerdings zu einer entspre­ chenden Anpassung des AStG kommt, ist derzeit nicht abzusehen. Das von Art. 3 der Richtlinie in Bezug genommene Mindestschutzniveau, das durch nationales Recht überschritten werden darf, bezieht sich nicht auf einen Schutz des Steuerpflichtigen vor Fremdbestimmung; geschützt sind allein die inländischen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlagen. Das Gesetz scheint aber dennoch einstweilen noch davon auszugehen, dass die Gesamtheit der Steuerinländer373 auch eine Gemeinschaft („Sip­ penhaft“374) ist. In der Literatur wird dem Gesetzgeber unterstellt, dass für ihn sich die steuerliche Leistungsfähigkeit aller unbeschränkt Steuer­ pflichtigen schon erhöht, wenn die Einkünfte bei der ausländischen Ge­ sellschaft anfallen. Auf Grund der Stellung als Mehrheitsgesellschafter soll „die Gemeinschaft der Steuerinländer“ schon bei Anfall durch die Gesellschaft hindurch über die Einkünfte disponieren können.375 Ein Be­ leg für die Gemeinschaftsvorstellung findet sich in § 17 Abs. 1 AStG: Im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung besteht eine Pflicht der Steuer­ pflichtigen, für sich selbst und im Zusammenwirken mit anderen Aus­ künfte zu erteilen. Die Vorstellung des Gesetzgebers, dass die Steuerin­ länder gemeinsam disponieren, ist aber letztlich nur eine Fiktion. Insbesondere in Fällen mit einem nur gering beteiligten Gesellschafter oder in Konstellationen, in denen eine „Beherrschung“ nur durch eine minimale Beteiligung vermittelt durch eine weitere ausländische Kapi­ talgesellschaft entsteht, scheitert die Idee des § 7 Abs. 1 AStG: Es besteht keine tatsächliche Beherrschung, und weder Finanzamt noch Steuer­ pflichtiger wissen, ob der Tatbestand verwirklicht ist. Ein Trost für den 372 Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.07.2016, ABl. L 193 vom 19.07.2016, S. 1–14. 373 Charlier, StbJb 1966/67, S. 279 (288) gebraucht – allerdings in Zusammenhang mit vermeintlichen Besteuerungslücken und einem vermeintlich übereifrigen Steuer­ gesetzgeber – das Bild des „globale[n] Gesamtschuldverhältnis[ses] aller Steuerbür­ ger gegenüber dem Staat“. 374 Köhler in Strunk/Kaminski/Köhler, § 7 AStG Rn. 74; kritisch auch schon Vogel, BB 1971, S. 1185 (1190): „Zwangsgemeinschaft“. Rödder, ZHR 171 (2007), S. 380 (392) spricht von „Deutschbeherrschung“. Dehne, ISR 2018, 132 (135): „Gedanke der Missbrauchsbeherrschung völlig übergangen“. 375 Vogt in Blümich, Vor §§ 7 ff. AStG Rn. 4 und § 7 AStG Rn. 27.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Steuerpflichtigen ist die Rechtsfolge: Nur der auf ihn entfallende Teil der passiven Einkünfte wird hinzugerechnet.376 Je geringer die Beteiligung, desto geringer auch die Zurechnung. Ein Sonderfall der Hinzurechnung ist § 7 Abs. 6 S. 1 AStG. In dieser Kon­ stellation ist die ausländische Gesellschaft eine Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter377 und ein in Deutsch­ land unbeschränkt Steuerpflichtiger an der Gesellschaft zu mindestens 1 Prozent beteiligt.378 Wie bei § 7 Abs. 1 AStG werden dem Steuerpflich­ tigen die passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft seiner Betei­ ligung entsprechend zugerechnet. Auf dem ersten Blick scheinen sich mit dem Verzicht auf die Beherrschung weniger Zufälligkeiten in der ­Besteuerung ergeben. Die Fremdbestimmung durch die anderen Anteils­ eigner besteht nicht, jeder Steuerpflichtige trägt die Folgen der Hinzu­ rechnungsbesteuerung nach seiner Beteiligung. Im Verhältnis von aus­ ländischer Gesellschaft und Anteilseigner ist jedoch auch bei diesem Spezialfall nicht ersichtlich, wie der so gering beteiligte Anteilseigner über die thesaurierten Gewinne der ausländischen Zwischengesellschaft disponieren kann. dd. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen Zusammenfassend lassen sich vier Besonderheiten im Umgang mit den fremdbestimmten Steuerwirkungen im Rahmen der Hinzurechnungsbe­ steuerung festhalten: – Die Fremdbestimmung ist in diesem Referenzfall klar mit dem Ge­ danken der Missbrauchsverhinderung verknüpft. Schon immer war der Grund für die systemwidrige Negierung der Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft der Verdacht, dass Anteilseigner und Gesellschaft kollusiv zu Lasten des Fiskus agieren. So lässt sich recht­ fertigen, dass Anteilseigner und Gesellschaft sich nicht fremd sind, also keine „echte“ Fremdbestimmung besteht. Spätestens seit der Re­ aktion des Gesetzgebers in § 8 Abs. 2 AStG auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes ist es möglich, die Vermutung zu widerlegen, dass der Einsatz der ausländischen Gesell­ schaft für passive Einkünfte in einem Niedrigsteuerland einen Miss­ 376 Vogt in Blümich, § 7 AStG Rn. 2: Sie werden bei ihm nach Maßgabe des allgemei­ nen Steuerrechts in die Steuerbemessungsgrundlage einbezogen. 377 § 7 Abs. 6a AStG definiert Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter als ­Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft, die aus dem Halten, der Ver­ waltung, Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen stammen. 378 Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 6 S. 3 AStG kann die Beteiligungsquote sogar noch weiter absinken. § 7 Abs. 6 S. 2 AStG sieht außerdem eine Bagatell­ grenze vor.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

brauch der internationalen Steuerrechtsordnung darstellt. Während also andere Normen, die fremdbestimmte Steuerwirkungen auslö­ sen, nur ihren Ursprung in der Missbrauchsverhinderung haben und davon mittlerweile weitgehend losgelöst sind, ist der Konnex bei §§ 7 ff. AStG deutlich. Die systematischen und verfassungsrecht­ lichen Probleme hinsichtlich der Fremdbestimmung werden daher zwar gesehen und diskutiert;379 im Ergebnis werden die Systemwid­ rigkeiten und Ungleichbehandlungen aber für gerechtfertigt gehal­ ten.380 – Unabhängig von der Exkulpationsmöglichkeit und der letztendlichen Rechtfertigung besteht doch bei § 7 Abs. 1 AStG und § 7 Abs. 6 AStG die Möglichkeit der ausländischen Gesellschaft als Subjekt, bei ei­ nem anderen Subjekt, dem Anteilseigner, eine Wirkung auszulösen. Diese Einwirkungsmöglichkeit entsteht durch die Anknüpfung an die Einkünfteerzielung der Gesellschaft (aktiv oder passiv) und be­ steht darin, dass eine Widerlegungspflicht entsteht bzw. bei Scheitern der Widerlegung die tatsächliche Steuerbelastung. Diese Steuerbelas­ tung erfolgt aber in der hier untersuchten Wirkrichtung (Gesellschaft auf Gesellschafter) streng quotal entsprechend der Beteiligung am Nennkapital. Die Fremdwirkung erscheint damit „gerechter“, da sie anders als bei § 8c Abs. 1 KStG in der anderen Wirkrichtung keine „Sozialisierung“ der Wirkungslasten auf die Gesellschaft (unmittel­ bar) und die Gesamtheit der Gesellschafter (mittelbar) auslöst. – Auch bei der Hinzurechnungsbesteuerung wird zumindest in § 7 Abs. 1 AStG die Vorstellung rezipiert, dass der Zugriff auf die Leis­ tungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft mit einer Beteiligung zu mehr als der Hälfte verbunden ist. Damit einher geht die (regelmäßig unzu­ treffende) Vorstellung, dass die Gemeinschaft der Steuerinländer ei­ nen gemeinsamen Willen zur Dispositionsausübung bilden kann. Dieser Gedanke wird bei Einkünften mit Kapitalanlagecharakter in § 7 Abs. 6 AStG aber nicht mehr aufgegriffen. – Erfreulicherweise wird die Vorstellung der Inländerbeherrschung vom europäischen Richtliniengesetzgeber nicht rezipiert. Durch die ATAD I-Richtlinie wird stattdessen auf den einzelnen Steuerpflichti­ gen (und ihm nahestehende Personen) abgestellt. Ob dieser Aspekt bei der Umsetzung der Richtlinie auch in § 7 AStG berücksichtigt wird, bleibt abzuwarten.

379 Vogel, BB 1971, S. 1185 (1189); Vogel, DB 1972, S. 1402 (1405). 380 So wohl Rust, Hinzurechnungsbesteuerung (2007), S. 208.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

e. Nachversteuerung im Erbschaftsteuerrecht, im Besonderen § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG aa. Allgemein zu fremdbestimmten Steuerwirkungen im Recht der ­Erbschaftsteuer Das Erbschaftsteuerrecht kennt zahlreiche Verschonungsregelungen, die in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen sehr vielgestaltig sind.381 Trotz aller Unterschiede ist ihnen gemein, dass der Gesetzgeber für die erfassten Konstellationen einen unmittelbaren Steuerzugriff mit dem vollen Steuersatz (bezogen auf den gemeinen Wert) für unbillig und ge­ samtwirtschaftlich nicht sinnvoll hält. Diese Wertung ist regelmäßig ­zukunftsbezogen: Der mit dem übertragenen Gut verbundene, privile­ gierte Zweck soll gerade durch die Privilegierung in der Zukunft weiter verwirklicht werden. Das Gesetz stellt dies sicher, indem es die ur­ sprüngliche Privilegierung durch eine Nachbesteuerung wieder zurück­ nehmen kann. Damit ist vor allem der Erwerber angesprochen: Er kann als Rechtsnachfolger in Bezug auf das privilegierte Gut am besten sicher­ stellen, dass der privilegierte Zweck verwirklicht wird. Er ist außerdem derjenige, der die durch die nachgelagerte Besteuerung ausgelöste Steuer­ last zu tragen hat.382 An vielen Stellen aber findet das Gesetz weitere Anknüpfungspunkte. Hängt die Auslösung der Nachbesteuerung von der Handlung eines Subjekts ab, das nicht der Erwerber (= der Steuerpflichti­ ge) ist, dann liegen fremdbestimmte Steuerwirkungen vor.383 Im Folgenden soll zunächst exemplarisch eine konkrete Situation he­ rausgegriffen werden, in der eine Handlung der Kapitalgesellschaft un­ mittelbare Steuerwirkungen beim Gesellschafter (als Erwerber, d.h. Erbe oder Beschenkten) hat; anschließend werden weitere Fälle kurz aufge­ führt. Das konkrete Beispiel findet sich in § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG. Es ist auch jene Norm (damals noch als § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 4 381 Das BVerfG, Urt. v. 17.12.2014, Az. 1 BvL 21/12 (Erbschaftsteuer), in BStBl. II 2015, S. 50 hielt die Verschonung von der Erbschaftsteuer beim Übergang betrieb­ lichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG a.F. angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, und hat den Gesetzgeber bis zum 30.06.2016 zu einer Neuregelung aufgefordert. Die Neuregelung ist mittlerweile zwar erfolgt, hat aber das grundlegende Problem der Fremdbestimmung nicht beseitigt. Insoweit behält daher auch die Literatur vor 2016 ihre Gültigkeit, die auf die grundsätzliche Fremdbestimmung in §§ 13a, 13b ErbStG Bezug nimmt. 382 § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG regelt dies ausdrücklich für den Erbfall: Nur der Erbe kommt als Steuerschuldner in Betracht. Bei einer Schenkung ist nach dem Wort­ laut des Gesetzes auch der Schenker potentieller Steuerschuldner. Nach Ab­ schnitt 13a.1 Abs. 3 der koordinierten Ländererlasse vom 22.06.2017 in BStBl. I 2017, S. 902 erfolgt die Inanspruchnahme des Schenkers aber grundsätzlich nicht, wenn ein Erwerber gegen die Behaltensregelungen oder die Lohnsummenregelung verstoßen hat. 383 Kläne, Forum Steuerrecht (2011), S. 131.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

S. 2 ErbStG), die zentral von Crezelius384 behandelt wird, der als erster die Vielzahl der fremdbestimmten Steuerwirkungen seit 2000 als Problem in den Fokus gerückt hat. Dabei ist die Besonderheit der Erbschaftsteuer anzumerken: Sowohl der Erwerb durch Erbfall als auch der Erwerb am Markt stellen zwar einen Vermögenszuwachs dar. Das Vermögen beider Erwerber mehrt sich, bei­ de sind leistungsfähiger geworden. Insoweit besteht ein Gleichlauf mit der Einkommensteuer.385 Ein wichtiger Unterschied besteht jedoch: Der Transfer im ErbStG findet nicht am Markt statt. Das EStG will mit dem Kriterium des Marktes bloße Vermögensmehrungen wie Erbschaft und Schenkung ausschließen.386 Bedenkt man, dass der allgemeine Zurech­ nungsgrund im Einkommensteuerrecht gerade aus dem Markteinkom­ mensprinzip bzw. § 2 Abs. 1 EStG hergeleitet wird,387 dann bestehen Be­ denken gegen einen unbesehenen Vergleich mit dem allgemeinen Grund der Zurechnung von Einkünften. Dennoch soll aber auf das Recht der Erbschaftsteuer hier eingegangen werden: zum einen, weil die auslösen­ de Situation so ähnlich ist (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG und § 7 Abs. 1 AStG sind als Vergleichspaar zu nennen); zum anderen, weil viele Aussagen im späteren Widerlager, etwa zur Leistungsfähigkeit und zum Rechtsstaat,388 für Erbschaft- und Einkommensteuer gleichermaßen gel­ ten. bb. Die Nachversteuerung nach § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG In § 13a Abs. 1 ErbStG wird dem Erwerber eines GmbH-Anteils (sofern der Anteil eine Beteiligung von mindestens 25 Prozent am Nennkapital vermittelt, § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) ein Verschonungsabschlag gewährt. Danach sind 85 Prozent des Werts des übertragenen Betriebsvermögens für die Bemessung der Erbschaftsteuer außer Acht zu lassen. Vorausset­ zung hierfür ist, dass die GmbH, deren Anteil übertragen wird, innerhalb von fünf Jahren (Lohnsummenfrist) eine bestimmte Lohnsumme (Min­ destlohnsumme) nicht unterschreitet. Der Verschonungsabschlag lässt sich im Rahmen des § 13a Abs. 10 ErbStG durch eine optionale Fristver­ längerung sogar noch erhöhen. Der nicht vom Verschonungsabschlag er­

384 Crezelius, FR 2002, S. 805 (806 f.). 385 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Einf. Rn. 15 ff.; Seer in Tipke/Lang, Steuer­ recht, 23. Aufl. (2018), § 15 Rz. 2; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Aufl. (2018), Einf. Rn. 3; Kläne, Forum Steuerrecht (2011), S. 131 (132). 386 Darauf weisen auch Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Einf. Rn. 15; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 15 Rz. 3 hin. Ausführlich zum Markt­ einkommensprinzip auch unten, S. 274 ff. 387 Siehe zur Herleitung aus dem Markteinkommensprinzip oben, S. 20 ff.; aus § 2 Abs. 1 EStG siehe S. 25 ff. 388 Zur Leistungsfähigkeit siehe oben, S. 247 ff.; zum Rechtsstaat siehe S. 290 ff.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

fasste Teil des Vermögens389 kann nach § 13a Abs. 2 ErbStG durch einen Abzugsbetrag nochmals vermindert werden. Sowohl Verschonungsabschlag als auch Abzugsbetrag werden aber nur unter den Voraussetzungen des § 13a Abs. 6 ErbStG gewährt. Dabei darf nach § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 1 ErbStG der begünstigte Anteil an der GmbH innerhalb der gleichen Frist wie nach § 13a Abs. 1 ErbStG nicht veräußert werden. Einer solchen Veräußerung steht es gleich, wenn die GmbH wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert und den Erlös hie­ raus390 an die Anteilseigner auskehrt. Die Veräußerungshandlung der Ka­ pitalgesellschaft entfaltet damit unmittelbar Auswirkungen bei ihrem Gesellschafter, der eben nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht mehrheit­ lich am Nennkapital beteiligt sein muss; schon eine Beteiligung zu mehr als einem Viertel reicht. Die gesetzgeberische Intention ist verständlich: Wenn die Veräußerung des Betriebes (Nr. 1) oder des Anteils selbst (Nr. 4 S. 1) schädlich ist, dann darf diese Wertung nicht durch die Veräußerung der wesentlichen Be­ triebsgrundlagen und des Behaltens der leeren GmbH-Hülle unterlaufen werden.391 Allerdings unterstellt diese Gleichsetzung, dass der Erwerber als Anteilseigner dies verhindern kann.392 Ob dies der Fall ist, soll im Rahmen der Untersuchung der gesellschaftsrechtlichen Grundlagen spä­ ter herausgearbeitet werden. Eine qualifizierte Minderheit lässt dies nicht ausgeschlossen erscheinen. cc. Weitere Beispiele im Rahmen der §§ 13a, 13b ErbStG Ähnliche Ausführungen wie zu § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG lassen sich zu den meisten Kriterien machen, an die die Verschonung bzw. das Nichteingreifen der Nachversteuerung der §§ 13a, 13b ErbStG anknüp­ fen. Der qualifizierte Minderheitsgesellschafter ist von der Entscheidung der Gesellschaft abhängig, eine entsprechende Belegschaftsstärke und damit die Lohnsumme aufrecht zu erhalten;393 die Einhaltung ist nach § 13a Abs. 1 ErbStG fristbewährt.

389 Sofern es diesen überhaupt gibt; § 13a Abs. 10 ErbStG ermöglicht sogar eine voll­ ständige Verschonung. 390 Der Wortlaut der Norm ist missverständlich, denn veräußertes Vermögen lässt sich nicht mehr verteilen. Gemeint ist wohl die Ausschüttung des aus den veräu­ ßerten wesentlichen Betriebsgrundlagen erzielten außerordentlichen Ertrags an die Gesellschafter (so auch Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 150). 391 Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Aufl. (2018), § 13a Rn. 70; Jülicher in Troll/ Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 389 ff.; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rn. 150. 392 Kläne, Forum Steuerrecht (2011), S. 131 (142); Crezelius, FR 2002, S. 805 (807). 393 Kläne, Forum Steuerrecht (2011), S. 131 (138 f.).

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Verstärkt wird die Fremdbestimmung im Kontext der Lohnsummenrege­ lung durch § 13a Abs. 4 S. 11 und 12 ErbStG: Demnach werden die Lohnsummen von Gesellschaften anteilig einbezogen, an denen jene ­Kapitalgesellschaft beteiligt ist, deren qualifizierter Minderheitsanteil unentgeltlich erworben wurde. Während die weitere Durchrechnung bei Kapitalgesellschaften erneut eine Beteiligung von mehr als 25 Pro­ zent voraussetzt, erfolgt bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft die anteilige Zurechnung ohne weitere Voraussetzung.394 Diese nach­ geschalteten Kapital- und Personengesellschaften können letztlich durch Gestaltung ihrer Lohnsumme über die Gesellschaft, deren Anteile un­ entgeltlich erworben werden, Steuerwirkungen bei ihren mittelbaren Anteilseignern auslösen. Ähnlich wirkt § 13b Abs. 2 ErbStG, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass eine Fremdbestimmung nach der unentgeltlichen Übertragung nicht mehr erfolgen kann: Dort wird die Steuerbefreiung ausgeschlossen oder jedenfalls reduziert, wenn bestimmte Wertgrenzen für Verwaltungsvermögen bei der Gesellschaft überschritten sind. Auch hier sind die Vermögenszusammensetzung und damit die Gestaltungs­ macht der Gesellschaft selbst entscheidend. Allerdings relativiert sich die zeitliche Gefahr der Fremdbestimmung, denn die GmbH als Fremde kann nur durch ihr Handeln unmittelbar vor dem Besteuerungszeitpunkt Einfluss nehmen.395 Damit besteht ein Schutz gegen eine Nachsteuer, ausgelöst durch etwaige nachträgliche Änderungen der Verwaltungsver­ mögensrelation, umgekehrt aber auch die Notwendigkeit bei unterjähri­ gen Übertragungen, gerade Bilanzansätze aus der letzten Jahresbilanz zum Stichtag fortzuschreiben.396 dd. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen Zusammenfassend lassen sich folgende Besonderheiten im Umgang mit den fremdbestimmten Steuerwirkungen im Rahmen der Nachversteue­ rung im Erbschaftsteuerrecht festhalten: – § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG enthält relativ hohe Anforderungen an die Qualität der die Fremdbestimmung auslösenden Maßnahme, nämlich die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen. Mit Blick auf die später näher zu erörternden gesellschaftsrechtlichen Grundlagen397 lässt sich vermuten, dass hieran höhere Anforderungen 394 Abschnitt 13a.7 Abs. 2 S. 1 der koordinierten Ländererlasse vom 22.06.2017 in BStBl. I 2017, S. 902. 395 Ausdrücklich Abschnitt 13b.12 Abs. 2 Satz 1 der koordinierten Ländererlasse vom 22.06.2017 in BStBl. I 2017, S. 902. 396 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13b Rn. 241. 397 Dazu unten, S. 97 ff.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

zu stellen sind als bei der Frage nach dem Wechsel zwischen passiven und aktiven Einkünften im Sinne des § 7 AStG. – Besinnt man sich auf die Rechtsfolge der Nachbesteuerung, dann fal­ len zwei Blinkwinkel ein: 85 Prozent des Vermögens sind in die Be­ messungsgrundlage erstmals einzustellen; der Abzugsbetrag fällt weg. In dieser Relation ist die Wirkung stark. Man kann aber auch schlicht feststellen, dass ein Vermögenszuwachs nun voll in die Be­ messungsgrundlage einer Steuer eingestellt wird, die solchen Vermö­ genszuwachs erfassen möchte. Der große Unterschied in der Wirkung ist nur Ausdruck eines Besteuerungssystems, das mit großen Freibe­ trägen ohne Abstimmung erhebliche und zufällige Verzerrungen aus­ löst. – In diesem Zusammenhang wird oftmals auch von „Wahlfreiheit“ ge­ sprochen. Es handele sich um eine Privilegierung, die zur freien Dis­ position des Steuerpflichtigen steht.398 Festzuhalten ist aber, dass § 13a Abs. 1 ErbStG eine Regelverschonung enthält. Es gibt auch kein opt-out, nur die Option der Verschärfung nach § 13a Abs. 10 ErbStG. Der Steuerpflichtige entscheidet sich gerade nicht frei für den Schwe­ bezustand auf Grund der drohenden Fremdbestimmung. – Beachtenswert ist aber vor allem, dass die zweite und kumulativ zu erfüllende Voraussetzung der Liquiditätszufluss beim Gesellschafter ist. Ein Grund der Verschonung ist die Schonung der Liquidität der mittelständischen Betriebe. Es ist daher folgerichtig, den Wegfall der Privilegierung zu erwägen. Diesen aber zu verneinen, wenn die Liqui­ dität dort ohnehin ab- und dem Steuerpflichtigen zufließt, ist daher ebenfalls konsequent. Damit unterscheidet sich § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG von den bisher untersuchten Referenzfällen, bei denen es beim Steuerpflichtigen gerade nicht zu einem Liquiditätszu­ wachs gekommen ist. f. Grenzfall Einbringungsgewinn II – § 22 Abs. 2 UmwStG Fremdbestimmte Steuerwirkungen ergeben sich auch in den Fällen des Einbringungsgewinns II399 aus § 22 Abs. 2 UmwStG. Da sie beim Gesell­ schafter einer Kapitalgesellschaft entstehen, wenn eine Kapitalgesell­ schaft handelt, mag man die Ursache für die Steuerwirkungen im Ge­ sellschaftsverhältnis vermuten. Zutreffender wird aber der Grund des Entstehens in einem vorherigen illiquiden Übertragungsvorgang zu se­ hen sein. Es soll daher an dieser Stelle nur kurz auf den Einbringungs­ gewinn II eingegangen werden, um diese dogmatische Einordnung zu 398 Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Aufl. (2018), § 13a Rn. 59. 399 Zum Einbringungsgewinn I und der dort enthaltenen Wirkrichtung von Erwerber zu Veräußerer siehe unten, S. 196 ff.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

begründen. Ausführlich soll das Phänomen bei den illiquiden Übertra­ gungsvorgängen besprochen werden.400 aa. Kurzdarstellung des Einbringungsgewinns II Folgende Konstellation liegt § 22 Abs. 2 UmwStG zu Grunde: Ein Steu­ erpflichtiger legt einen Betrieb, Teilbetrieb oder einen Mitunternehmer­ anteil in eine Kapitalgesellschaft ein und erhält hierfür Anteile an dieser. Erfolgt die Einlage unter Beibehaltung der Buchwerte, dann stellt eine Veräußerung dieser eingelegten Sachgesamtheit durch die Kapitalgesell­ schaft innerhalb von sieben Jahren ein schädigendes Ereignis beim Neu­ gesellschafter dar. Dieser muss dann rückwirkend auf den Zeitpunkt der Einbringung die stillen Reserven bei allen eingebrachten Wirtschaftsgü­ tern der Sachgesamtheit versteuern. bb. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen Die Kapitalgesellschaft hat es damit in der Hand, die Steuerbelastung bei einem ihrer Gesellschafter auszulösen. Die Wirkrichtung läuft nunmehr von der Gesellschaft hoch zum Gesellschafter. Die Gesellschaftsbeziehung zwischen Handelndem und Steuerpflichti­ gen ist jedoch nicht ursächlich für diese Wirkung. Die Gesellschafterstel­ lung des Steuerpflichtigen ist wie die Fremdbestimmung nur Folge der zuvor erfolgten Sacheinlage, einem illiquiden Übertragungsvorgang ge­ gen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Dies ergibt sich zunächst schon daraus, dass die Wirkungen völlig unabhängig von dem Umfang der Gesellschafterstellung sind. Sowohl bei Beteiligung mit einer Aktie als auch bei Bestehen einer qualifizierten Mehrheit treten die steuerli­ chen Folgen ein. Vor allem aber tritt die Wirkung außerhalb der gesell­ schaftsrechtlichen Beziehung auf: Der Einbringungsgewinn II ist gerade der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn hinsichtlich des bisherigen Be­ triebs; er ist nach den entsprechenden allgemeinen Normen des EStG zu versteuern.401 Damit handelt es sich um eine Wirkung, die in der juristi­ schen Sekunde vor der Sacheinlage und damit vor Begründung der Ge­ sellschafterstellung liegt. Sie besteht aber innerhalb des illiquiden Über­ tragungsvorgangs. Dementsprechend ist der Fall des Einbringungsgewinns II bei einem an­ deren Nähe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis einzuordnen. Die große Nähe zu beiden Fallgruppen bestätigt jedoch den Verdacht dieser Arbeit,402 dass die Fremdbestimmung zwischen nur vermeintlich Fremden besteht und auf einen allgemeinen Zurechnungsgrund zurückzuführen ist. 400 Siehe dazu unten, S. 198 ff. 401 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 22 UmwStG Rn. 80. 402 Dazu schon oben, S. 3.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

g. Sonderfall Organschaft Gleichfalls soll die körperschaftsteuerliche Organschaft in diese Phäno­ menologie aufgenommen werden. In vielerlei Hinsicht unterscheidet sie sich zwar von den anderen Referenzfällen und wird häufig nicht im Kon­ text der fremdbestimmten Steuerwirkungen erwähnt, doch ist auch bei ihr Folge der Tätigkeit des einen die steuerliche Belastung des anderen. Gerade aber auch die ihr zu Grunde liegende Vorstellung von einer neu gebildeten Einheit (Organkreis) aus zwei verschiedenen Subjekten soll im weiteren Verlauf der Arbeit aufgegriffen werden. aa. Überblick über Voraussetzungen und Rechtsfolge der Organschaft Unter den Voraussetzungen der §§ 14, 17 KStG ist das Einkommen einer Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft) dem Träger der Gesellschaft (Or­ ganträger) zuzurechnen. Wichtigste Voraussetzungen403 sind das Beste­ hen einer finanziellen Eingliederung und ein Ergebnisabführungsvertrag zwischen Organträger und Organgesellschaft. Dem Organträger muss nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft unmittelbar oder mittelbar404 zustehen (finanzielle Eingliederung). Zusätzlich muss nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG ein Ergebnisabführungsvertag über fünf Jahre abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt werden. Bei dem Ergebnisabführungsvertrag handelt es sich um einen Unternehmensvertrag im Sinne der §§ 291 ff. AktG, der nach § 293 Abs. 1 S. 2 AktG mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals gefasst werden muss. Die Pflicht zur Verlustübernahme folgt für die AG unmittelbar aus § 302 AktG; für die GmbH muss dies entsprechend vereinbart werden (vgl. § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KStG). In der Folge wird – mit Ausnahme der Ausgleichszahlungen nach § 16 KStG an Minderheitsgesellschafter – das Ergebnis der Kapitalgesellschaft ihrem Anteilseigner als eigenes zugerechnet, so dass das verbleibende steuerliche Ergebnis der Kapitalgesellschaft eine Null ist. Damit wird ein Akt der Einkommensverwendung zu einem von der Rechtsordnung aner­ kannten Transfer von Einkünften. Weitere Folge der Begründung einer Organschaft ist ein veränderter Be­ triebsbegriff für Zwecke der Zinsschranke. Nunmehr ist nach § 15 S. 1 403 Instruktiv zu den Voraussetzungen der Organschaft Hüttemann, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 127 (132 ff.). Ebenso und v.a. zu den Ände­ rungen durch die Reform 2013 (BGBl. I 2013, 285) Jesse, FR 2013, S. 629 und Jesse, FR 2013, S. 681. 404 Anders als bei der Berechnung der Anteilshöhe bei § 8c KStG (vgl. dazu S. 55) wer­ den nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 KStG mittelbare Beteiligungen nur zugerech­ net, wenn die Beteiligung an jeder vermittelnden Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte gewährt.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Nr. 3 S. 2 KStG der Organkreis ein Betrieb, womit gerade die Konzernzu­ gehörigkeit verneint werden kann:405 Damit ersetzt ein Fall dieser Phäno­ menologie einen anderen, in dem eine Beherrschung der Kapitalgesell­ schaft angenommen wird. bb. Fremdbestimmung durch die Organschaft Die fremdbestimmten Steuerwirkungen ergeben sich für den Organträ­ ger vor allem daraus, dass ihm ein Gewinn zugerechnet wird, den er nicht erzielt hat und auf den er Steuern zahlen muss. Obwohl dies ei­ gentlich ein typischer Fall von Fremdbestimmung ist, wird die Organ­ schaft dennoch nicht als solcher behandelt. Als Fremdbestimmung wird allenfalls ein übermäßiges Verständnis der Haftungsschuld der Organge­ sellschaft nach § 73 AO für Verbindlichkeiten gesehen, die nicht von ihr begründet wurden.406 Dies hat vermutlich zwei Gründe: Zum einen liegt der steuerlich belas­ tenden Wirkung im Gewinnfall ein Liquiditätszufluss aus dem Ergebnis­ abführungsvertrag zu Grunde. Dieser Betrag407 vermittelt ein tatsächli­ ches Mehr an Leistungsfähigkeit, aus dem auch die Steuer bezahlt werden kann. Das unterscheidet die Organschaft von den meisten anderen Refe­ renzfällen. Zum anderen ist diese Form der Steuerwirkung von Organträger und Or­ gangesellschaft gerade intendiert. Für die Organschaft wird (auf Grund der hohen formellen Anforderungen an den Ergebnisabführungsvertrag) faktisch optiert,408 weil die Konsolidierung der Einzelergebnisse als er­ strebenswert erachtet wird. Die fremdbestimmten Steuerwirkungen er­ geben sich direkt aus dem Hauptzweck der Handlung (Abschluss der Or­ ganschaft) und nicht mittelbar als nie gewollte Realisation einer Gefahr, die selbst nur Nebenerscheinung der unmittelbar bezweckten Rechtsfol­ ge ist. cc. Faktische Disposition des Organträgers durch die Organgesellschaft Sofern dennoch die Organschaft als Fremdkörper benannt und auf die hier beschriebene Rechtsfolge Bezug genommen wird, geschieht dies un­ 405 Vgl. zur Nutzung der Organschaft als Gestaltungsmittel im Rahmen der Zins­ schranke Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 505 (513). 406 Dazu schon oben, S. 45 ff. 407 Allerdings besteht regelmäßig eine Abweichung zwischen dem steuerlich ermit­ telten und zuzurechnenden Gewinn der Organgesellschaft einerseits und dem handelsbilanziell ermittelten und abgeführten Gewinn andererseits; vgl. hierzu Neumann in Gosch, KStG, 3. Aufl. (2015), § 14 Rn. 416b. 408 Böhmer, StuW 2012, S. 33 (36); Hey, IFSt-Schrift Nr. 471 (2011), S. 15 und mit ei­ nem Reformvorschlag hin zu einer ausdrücklichen Optionsmöglichkeit S. 55.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

ter anderen Überschriften: Durchbrechung des Markteinkommensprin­ zips oder des Subjektsteuerprinzips. Das Markteinkommensprinzip ist zentral für die Bestimmung des allge­ meinen Grundes der Zurechnung von Einkünften.409 Demnach ist Steuer­ schuldner derjenige, der die Möglichkeit zur Disposition über die Ein­ kunftsquelle hat. Der Zufluss an Geld ist irrelevant, da es sich um einen Akt der Einkommensverwendung handelt.410 Die Organschaft ist damit zumindest formal nicht in Einklang zu bringen, da hier die Organgesell­ schaft zwar selbst am Markt die Einkünfte erzielt, im Ergebnis aber den­ noch ein Akt der Gewinnverwendung (Ergebnisabführung) steuerlich entscheidend ist. Die Organschaft ist daher abweichend vom allgemeinen ein besonderer Zurechnungsgrund.411 Allerdings entspricht die Zuord­ nung zum Organträger wohl regelmäßig insoweit eher dem Marktein­ kommensprinzip, als der Organträger durch die Organgesellschaft hin­ durch wirken kann: Vor allem wegen des hohen Zustimmungsquorums zum Abschluss des Unternehmensvertrags412 (Drei-Viertel-Mehrheit) ist eine Dispositionsmöglichkeit des Organträgers indiziert. Wirtschaftlich kann daher weiterhin die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle beim Organträger verortet werden.413 Die Organschaft wird auch im Zusammenhang mit dem Subjektsteuer­ prinzip414 diskutiert.415 Demnach könnte vor allem die Grundentschei­ dung des Gesetzgebers zugunsten der Steuersubjektivität der Kapitalge­ sellschaft durch die Organschaft durchbrochen sein. Diese Durchbrechung wird aber teilweise verneint, da die Wirkungen der Organschaft sich in einer Ergebniszurechnung erschöpfen und die Steuersubjektivität als sol­ che unberührt bleibt; es erfolge lediglich nachgelagert eine Anknüpfung an die zivil- und haftungsrechtlichen Wirkungen des Ergebnisabfüh­

409 Ausführlich dazu schon oben, S. 20 ff. 410 So ausdrücklich schon Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (17). 411 Raupach, FS Beisse (1997), S. 403 (405). 412 Dazu schon oben, S. 94. Allerdings waren bis 2002 die Voraussetzungen für die Organschaft noch mehr auf die Verwirklichung des Willens des Organträgers aus­ gelegt: Gefordert waren neben der finanziellen auch die wirtschaftliche und die organisatorische Eingliederung; vgl. dazu Hüttemann, Kernfragen des Unterneh­ menssteuerrechts (2010), S. 127 (131). 413 Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 27 f.; im Ergebnis auch Jochum, FR 2011, S. 497 (503). 414 Zum Subjektsteuerprinzip ausführlich unten, S. 252 ff. 415 So etwa bei Witt, Konzernbesteuerung (2006), S. 452 ff., 474 ff.; Teufel in Lüdicke/ Sistermann, Unternehmensteuerrecht, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 3; Kaeser, Beihefter zu Heft 30, DStR 2010, S. 56 (61); Hüttemann, DStJG Bd. 34 (2011), S. 291 (318); Jochum, FR 2011, S. 497 (503); Hey, IFSt-Schrift Nr. 471 (2011), S. 33, 51; Böhmer, StuW 2012, S. 33 (36); Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1947 f.); Schreiber/Stiller, StuW 2014, S. 216 (217).

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

rungsvertrages.416 Teilweise wird die Durchbrechung bejaht und wegen der Verfolgung eines höheren Zwecks gerechtfertigt.417 Als Rechtferti­ gungsgrund kommen die Verwirklichung einer rechtsformneutralen Be­ steuerung von Unternehmenseinheiten oder die größere Aussagekraft einer Konzernleistungsfähigkeit in Betracht.418 Diese beiden Rechtferti­ gungsgründe sind mit dem Blick hinter die Rechtspersönlichkeit der Ge­ sellschaft und letztlich auf das dort stehende Individuum verbunden. dd. Zwischenergebnis Die Organschaft ist nach dem hier vertretenen begrifflichen Verständ­ nis419 von fremdbestimmten Steuerwirkungen eine solche: Auf Grund der Handlungen des einen Steuersubjekts (Organgesellschaft) treten Steu­ erwirkungen beim anderen Steuersubjekt (Organträger) ein. In der steuer­ rechtlichen Literatur wird das aber auf Grund des Liquiditätstransfers und auf Grund der faktischen Optionsmöglichkeit hierfür nicht als sol­ che wahrgenommen. In der unabhängig davon möglichen Rechtfertigung vor verschiedenen, vermeintlich im Widerspruch zur Organschaft stehenden Prinzipien ist auffällig, dass stets die Anteilseigner als die eigentlich Disponierenden und die eigentlich Leistungsfähigen betont werden. Im Ergebnis wird da­ mit die Eigenständigkeit der Kapitalgesellschaft zurückgenommen und die Nähe zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern betont. 2. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen a. Rechtspersönlichkeit des Verbandes Das prägende Merkmal der Organisation einer GmbH420 – im Besonderen im Vergleich zu Personengesellschaften – ist die eigenständige Rechtsfä­ higkeit: Die GmbH hat als solche nach § 13 Abs. 1 GmbHG Rechte und Pflichten, und die Haftung ist gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG begrenzt auf das Gesellschaftsvermögen. Sie ist damit rechtstechnisch ein anderes Subjekt als die Gesamtheit der Subjekte, die ihre Gesellschafter sind. Diese Anders- oder Fremd-Artigkeit ist auf Grund der klaren gesetzli­ chen Anordnung auch unbestritten. Im Hintergrund der gesetzlichen 416 Hüttemann, DStJG Bd. 34 (2011), S. 291 (318); Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1947). 417 Hey, IFSt-Schrift Nr. 471 (2011), S. 33. 418 Ausführlich dazu aus ökonomischer Sicht Schreiber/Stiller, StuW 2014, S. 216. 419 Dazu oben, S. 9 ff. 420 Bezugspunkt der nachfolgenden gesellschaftsrechtlichen Untersuchung ist erneut (vgl. oben Fn. 236) die GmbH. An Stellen aber, die für die REIT-AG besonders rele­ vant sind (z.B. die Einwirkungsmöglichkeit der Gesellschaft auf die Gesellschaf­ ter, S. 93 ff.), rückt die AG weitgehend in den Fokus.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Entscheidung stehen aber rechtstheoretische und -historische Grundfra­ gen:421 Während die von Gierke begründete Genossenschaftstheorie da­ von ausgeht, dass eine reale Verbandspersönlichkeit als ein Faktum be­ steht und dem Gesetzgeber daher die Anerkennung der Rechtsfähigkeit zwingend vorgegeben ist,422 erkennt die auf Savigny zurückgehende Fik­ tionstheorie gleichfalls die tatsächlichen Existenz eines Verbandes an, gesteht dem Gesetzgeber aber zu, dass er einen gewissen Opportunitäts­ raum hat und nutzt, wenn er sich dafür entscheidet, dem Verband wie einer natürlichen Person (deshalb Fiktionstheorie) Rechtsfähigkeit zu verleihen.423 Die eigene Rechtsfähigkeit der GmbH und die Begrenzung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen ergeben zusammen das gesellschaftsrecht­ liche Trennungsprinzip: Gesellschaft und Gesellschafter treten sich (und der gesamten Rechtsgemeinschaft) als selbstständige Rechtssubjekte ge­ genüber. b. Durchbrechungen des Trennungsprinzips im Gesellschaftsrecht Dieses Prinzip wird aber auch im Gesellschaftsrecht nicht ausnahmslos durchgehalten: Es gibt Fälle des Zurechnungs- und des Haftungsdurch­ griffs.424 Bei ersterem wird die Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaf­ tern überspielt, vor allem in Fällen der Zurechnung von Eigenschaften und Kenntnissen, im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs und der Vertrags­ auslegung.425 Beispiele für den Zurechnungsdurchgriff finden sich teilweise im Gesetz, etwa wenn die Gesellschafter als wirtschaftlich Beteiligte für Fragen der Prozesskostenhilfe nach § 116 Abs. 1 Nr. 2 ZPO berücksichtigt werden. Auch an anderen Stellen wird die Verschiedenheit von Gesellschaft und Gesellschafter in der Folge von Normanwendung negiert. In Fällen des 421 Zu den rechtstheoretischen Grundlagen der juristischen Person Schmidt, Gesell­ schaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 8 II; Flume, Juristische Person (1983), § 1 I 1; Raiser, AcP (1994), S. 495. Nicht auf dem Boden des geltenden Rechts, aber dennoch be­ achtlich ist die sog. Genießertheorie von Jhering, Geist des römischen Rechts, Bd. III-1, 4. Aufl. (1888): Die wahren Rechtsträger sind die hinter der Verbandsper­ son stehenden Mitglieder. 422 Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S. 21 f., Gierke, Deutsches Privatrecht I, 3. Aufl., unveränd. Nachdruck d. 2. Aufl. v. 1895 (2010), S. 470 ff. 423 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. II (1840), § 85, S. 236 ff. 424 Diese Unterscheidung geht zurück auf Wiedemann, Gesellschaftsrecht I (1980), § 4 III, der im Schrifttum weitgehend gefolgt wird (siehe dort auch für Über­ sichten): Bitter in Scholz GmbHG, Bd. 1, 12. Aufl. (2018), § 13 Rn. 70; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 13 Rn. 10; Bayer in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 13 Rn. 11 ff. 425 Vgl. die Übersichten bei den in Fn. 424 genannten Quellen.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

§ 123 BGB kann sich die Gesellschaft nicht darauf berufen, dass der Gesellschafter ein Dritter ist,426 während insolvenzrechtlich die Ver­ ­ schiebung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter nach §§ 138 InsO, 3 Abs. 2 AnfG wie zwischen Angehörigen angegriffen werden kann.427 Ein gutgläubiger Erwerb zwischen Gesellschaft und (der Gesamtheit al­ ler) Gesellschafter scheitert, da insoweit ein für einen gutgläubigen Er­ werb notwendiges Verkehrsgeschäft nicht vorliegt.428 Auch bei der Vertragsauslegung wird die Trennung nicht nachvollzogen: Ein Wettbewerbsverbot kann der Gesellschafter nicht durch seine GmbH unterlaufen, denn nach Treu und Glauben bezieht es sich auch auf seine Betätigung durch die GmbH;429 Gesellschaft und Gesellschafter sind auch nicht verschieden, wenn der (90 Prozent-) Gesellschafter den Ver­ tragsabschluss mit seiner Gesellschaft vermittelt: Einen nach § 652 BGB notwendigen Dritten gibt es dann nicht.430 Ein Haftungsdurchgriff wie nach § 128 HGB bei Personengesellschaften ist nach § 13 Abs. 2 GmbHG allerdings grundsätzlich nicht vorgesehen. Ansprüche bestehen gegen die Gesellschaft, die selbst unter den Voraus­ setzungen von §§ 19 ff. GmbHG eventuelle Nachschussansprüche und insbesondere auch Ansprüche aus Treuepflichtverletzungen gegen ihre Gesellschafter durchsetzen kann. Ein Haftungsdurchgriff kann daher nur dort in Betracht kommen, wo ein solches Vorgehen nicht zielführend ist, etwa bei einer Ein-Mann-GmbH.431 Dabei handelt es sich um die Haftung für Risiken, die nicht lediglich auf unternehmerischen Fehlentscheidun­ gen beruhen, sondern in denen ein Missbrauch der Rechtsform vorliegt, bei dem Funktionsbedingungen der Gläubigerschutzregeln unterlaufen werden und eine Berufung auf das Haftungsprivileg gewissermaßen „ver­ wirkt“ ist.432 Im sachlichen Anwendungsbereich liegt vor allem die Ver­ mögensvermischung, also die bewusste Vermengung von Privat- und Gesellschaftsvermögen. In diesem Fall wird diese wieder rückgängig ge­ macht und durch die Gesellschaft „durchgeschaut“: Es entsteht ein An­ spruch auf Haftung analog § 128 HGB gegenüber demjenigen, der die Vermischung veranlasst, gefördert oder von ihr Kenntnis hatte.433 426 BGH, Urt. v. 22.01.1990, Az. II ZR 25/89, in DB 1990, S. 725. 427 Vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1985, Az. IX ZR 1/85, in BGHZ 96, S. 352; BGH, Urt. v. 22.12.1971, Az. VIII ZR 136/70, in BGHZ 58, S. 20. 428 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 13 Rn. 16. 429 Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 13 Rn. 14; siehe auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I (1980), § 4 III 2a bb sowie für den umgekehrten Fall OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.04.1989, Az. 14 U 16/86, in GmbHR 1990, S. 303. 430 BGH, Urt. v. 12.05.1971, Az. IV ZR 82/70, in NJW 1971, S. 1839. 431 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 13 Rn. 18. 432 Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 13 Rn. 44. 433 BGH, Urt. v. 13.04.1994, Az. II ZR 16/93, in BGHZ 125, S. 366; BGH, Urt. v. 14.11.2005, Az. II ZR 178/03, in BGHZ 165, S. 85.

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Wenngleich das Institut des Zurechnungs- und Haftungsdurchgriffs all­ gemein anerkannt ist, auch stets mit dem Bezug auf das US-amerikani­ sche Recht434 und dessen Begrifflichkeiten435, so ist die Herleitung des Instituts im Gesellschaftsrecht nicht im Detail geklärt.436 Allen Ansät­ zen gemein ist das Bestreben, Formenmissbrauch zu bekämpfen. In den extremen Formen stehen sich dabei institutionelle Durchgriffslehren und die Normzwecklehre gegenüber. Während erste Theorien den Miss­ brauch betonen, und gerade bei Akzentuierung eines subjektiven Ele­ ments nahe an § 826 BGB heranrücken,437 stellt die Normzwecklehre auf die jeweilige Norm ab, etwa § 13 Abs. 2 GmbHG, und fragt, ob die Haf­ tungsbeschränkung im Wege der teleologischen Reduktion durchbro­ chen werden kann.438 All das zeigt, dass die im Kapitalgesellschaftsrecht bestehende Trennung zwischen der GmbH und ihrer Gesellschafter Durchbrechungen erfährt, die nicht abschließend dogmatisch geklärt sind, aber aus dem Bedürfnis heraus erfolgen, die rechtliche Selbstständigkeit der Gesellschaft nicht zu einem Selbstzweck zu erklären, und Formenmissbrauch zu verhin­ dern. c. Einwirkungsmöglichkeiten für die Gesellschafter in der Kapitalgesellschaft Unabhängig von möglichen Missbrauchs- und Normzwecküberlegen, die zum echten Durchgriff in Fragen der Haftung und Zurechnung führen, ist unbestreitbar, dass die GmbH, obwohl sie selbst nach außen auftritt, für ihre Gesellschafter wirtschaften soll.439 Oder anders gesagt: Die GmbH handelt zur Verwirklichung des Willens ihrer Gesellschafter.440 434 Siehe etwa Nacke, Durchgriffshaftung in der U.S. amerikanischen Corporation (1988). 435 Hier spricht man von piercing the corporate veil- und einer change of control- Be­ trachtung – auch das FG Hamburg fühlt sich dazu gezwungen, diese Begriffe zu verwenden (vgl. die Wiedergabe im Urteil unter Rz. 65 und in dieser Arbeit unter S. 58 ff.). 436 Ausführliche Analyse aber bei Bitter, Durchgriffshaftung (2000), S. 82 ff.; Wiedemann, ZGR 2003, S. 283. Prägnant Bitter in Scholz GmbHG, Bd. 1, 12. Aufl. (2018), § 13 GmbHG Rn. 112 ff. 437 Das subjektive Element (=subjektiver, absichtlicher Missbrauch der juristischen Person) steht vor allem bei Serick, Rechtsform und Realität (1955), S. 203 ff.; Serick, Durchgriffsprobleme (1959), S. 23 ff. im Vordergrund. Für eine objektive Missbrauchslehre z.B. Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft (1970), S. 405. 438 Siehe die Nachweise bei Bitter in Scholz GmbHG, Bd. 1, 12. Aufl. (2018), § 13 GmbHG Rn. 118. 439 Herzig, StuW 1990, S. 22 (31); ähnlich Wöhe, ZfbF 1971, S. 502 (507); Schipporeit, StuW 1980, S. 190 (196). 440 Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 36 III und insb. § 38.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

aa. Individualrechte der Gesellschafter Gesellschafterrechte hat sowohl der einzelne Gesellschafter als auch die Gesamtheit der Gesellschafter. Die Rechte des einzelnen Gesellschafters werden als Individualrechte bezeichnet.441 Dabei handelt es sich um das Recht der Mitgliedschaft als solche,442 einschließlich der Vermögensrech­ te (Gewinn- und Liquidationsanteil, Bezugsrecht), der Mitverwaltungs­ rechte (Stimmrecht, Anfechtungsrecht) und der sonstige Rechte, etwa dem Informationsrecht nach § 51a GmbHG und den Rechten und Pflich­ ten aus Treueverhältnissen.443 Bestimmte Individualrechte erfordern zu­ sätzlich eine qualifizierte Beteiligung in Höhe von 10 Prozent am Kapi­ tal.444 Diese Individualrechte des Gesellschafters, die jedem einzelnen Gesell­ schafter grundsätzlich auch bei minimaler Beteiligung am Kapital zuste­ hen, flankieren die Willensbildung der gesamten Gesellschaft. Für die Geschicke der GmbH sind aber die organschaftlichen Rechte (Kollektiv­ rechte) entscheidend, die der Gesamtheit der Gesellschafter als Willens­ bildungsorgan zusteht.445 Die konkreten Rechte im Willensbildungspro­ zess ergeben sich, sofern nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, gemäß § 45 Abs. 1 GmbHG aus dem Gesellschaftsvertrag. bb. Kollektivrechte der Gesellschafter bezogen auf die Satzung Damit ist auch die erste und rangmäßig höchste Kompetenz der Gesamt­ heit der Gesellschafter angesprochen: das Recht zur (materiellen446) Sat­ 441 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 45 Rn. 1. 442 Allgemein zur Mitgliedschaft Lutter, AcP (1980), S. 84; Bayer in Lutter/Hommel­ hoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 14 Rn. 16 ff. 443 Mit dem Individualrecht der Mitgliedschaft gehen zahlreiche Treuepflichten ein­ her. Zu den Treuepflichten, v.a. im steuerrechtlichen Kontext, siehe Erker, Kom­ pensation für Steuern (2010), S. 61 ff.; Mülbert/Kiem, ZHR 177 (2013), S. 819; Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichs­ system (2013), S. 642 ff. 444 Namentlich die Befugnisse zur Einberufung einer Versammlung der Gesellschaf­ ter nach §§ 49, 50 Abs. 1 GmbHG, zur Auflösungsklage nach § 61 Abs. 2 GmbHG oder Liquidatorenbestellung nach § 66 Abs. 2 GmbHG. 445 Zur Frage, ob die Gesamtheit der Gesellschafter oder die Gesellschafterversamm­ lung Organ der GmbH ist, siehe ausführlich Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG (1992), S. 521. Ein Überblick über den Stand der Meinungen bei Bayer in Lutter/Hommel­ hoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 45 Rn. 3 Fn. 4 f.; Schmidt in Scholz GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. (2014), § 45 Rn. 1. In dieser Arbeit wird die Terminologie der wohl herrschenden Ansicht verwendet, wonach Organ die Gesamtheit der Gesellschaf­ ter ist (Begründung: Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 48 GmbHG kann die Gesamtheit der Gesellschafter auch außerhalb der Versammlung per Beschluss entscheiden [Abs. 2]). 446 Als solche ist jede Änderung oder Ergänzung von solchen Bestimmungen des Ge­ sellschaftsvertrages zu verstehen, welche die Verfassung der GmbH oder die Aus­

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

zungsänderung nach § 53 Abs. 1 GmbHG. Diese „Kompetenzkompe­ tenz“ kann allein von der Gesamtheit der Gesellschafter (Grundsatz der Satzungsautonomie) ausgeübt werden. Eine Delegation an oder ein Ein­ bezug von Nicht-Gesellschaftern ist nicht zulässig.447 Eine Entscheidung muss mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erfolgen, wobei die Stimmen sich grundsätzlich gemäß § 47 Abs. 2 GmbHG nach dem Kapital bestimmen.448 Dieses Mehrheitser­ fordernis kann wegen § 53 Abs. 2 S. 2 GmbHG nur verschärft werden, etwa durch ein höheres Mehrheitserfordernis bis zur Einstimmigkeit, oder durch die Einräumung eines Vetorechts für bestimmte Gesellschaf­ ter. Aus § 53 Abs. 2 S. 2 GmbHG ergibt sich, dass eine geringere Mehr­ heit als drei Viertel der Stimmen nicht vereinbart werden darf.449 Als Ge­ genpart zur qualifizierten Mehrheit lässt sich folglich eine Sperrminorität erkennen, mit der sich eine Satzungsänderung verhindern lässt und für die im gesetzlichen Regelfall ein Quorum von einem Viertel der Stim­ men – bei entsprechender Disposition in der Satzung noch niedriger – ausreicht. Satzungsänderungen, die einen Gesellschafter betreffen, be­ dürfen der Zustimmung dieses Gesellschafters.450 cc. Sonstige Kollektivrechte der Gesellschafter und das Verhältnis zur Geschäftsführung Im Folgenden soll hinsichtlich der Kompetenzen des Organs angenom­ men werden, dass kein abweichender Gesellschaftsvertrag vorliegt451 und daher die Vorschriften der §§ 46 bis 51 GmbHG Anwendung finden. Die vom Gesetz vorgesehenen, dispositiven Kompetenzen und Pflichten der gestaltung der mitgliedschaftlichen Rechte der Gesellschafter zum Gegenstand haben; vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 53 Rn. 1. Die Veräußerung des Unternehmens der Gesellschaft als Ganzes (Vermögens­ übertragung), der Abschluss eines Unternehmensvertrages, die Umwandlung, Ver­ schmelzung oder Spaltung nach den Vorschriften des UmwG sind wie eine Satzungsänderung zu behandeln, da sie die Grundlagen der Gesellschaft betreffen und so die Satzung überlagern, beseitigen oder ändern (Bayer in Lutter/Hommel­ hoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 53 Rn. 3 m.w.N.). 447 Priester in Scholz GmbHG, Bd. 3, 11. Aufl. (2015), § 53 Rn. 62 f.; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), S. 459; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.03.1982, Az. 6 U 174/81, in GmbHR 1983, S. 124. 448 Vgl. aber sogleich Fn. 449. 449 So Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 53 Rn. 13. Allerdings kann die Stimmenberechnung anders als nach § 47 Abs. 2 GmbHG (ein ­Euro=eine Stimme) erfolgen, so dass auch Mehrheiten denkbar werden, die weni­ ger als drei Viertel des gezeichneten Kapitals vertreten. Vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 53 Rn. 61.  450 § 53 Abs. 3 GmbHG. Ausführlicher hierzu im Rahmen der Übertragbarkeit von Anteilen und Vinkulierung (unter S. 106 ff.). 451 Es wird somit unterstellt, dass die Vorschriften der §§ 46 ff. GmbHG nicht nur „Servicenormen“ für die Vertragsparteien des Gesellschaftsvertrages darstellen, sondern auch ein gesetzliches Leitbild verkörpern.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Gesamtheit der Gesellschafter sind in § 46 GmbHG geregelt. So haben sie den Jahresabschluss und die Verwendung des Ergebnisses (Ausschüt­ tung oder Thesaurierung) festzustellen (Nr. 1), Einlagen einzufordern (Nr. 2), ggf. Geschäftsanteile zu teilen oder zusammenzulegen (Nr. 4), Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte zum gesamten Geschäftsbe­ trieb zu bestellen (Nr. 7) und für die Gesellschaft zu handeln, wenn diese gegen ihre Gesellschafter oder Geschäftsführer vorgeht (Nr. 8). Für diese Arbeit am interessantesten sind die in § 46 Nr. 5 und Nr. 6 GmbHG genannten Aufgaben, nämlich die Bestellung und die Abberu­ fung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben, und die Maß­ regeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung. Dabei wird das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführern und da­ mit mittelbar die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftsfüh­ rung selbst angesprochen. Für den Untersuchungsgegenstand Fremdbestimmtheit ist die Frage, wer in der Kapitalgesellschaft bestimmen kann, zentral. Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum wird dabei formelhaft der Geschäftsführung die Handlungspflicht, den Gesellschaftern die Auf­ gabe der Willensbildung zugewiesen.452 Willensbildung und Handlung sind miteinander verknüpft. Die Handlung der Geschäftsführer verwirk­ licht den Willen der Gesamtheit der Gesellschafter. Der Konnex wird an erster Stelle sichtbar in der Bestellung und Abberufung des Geschäftsfüh­ rers. Sie verschafft bzw. entzieht personelle Legitimation453 und ist inso­ weit vergleichbar454 mit einer Wahl im politischen Kontext. Es gibt kein einklagbares Wahlversprechen, doch ist offensichtlich, dass sich der Ge­ schäftsführer in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis zu den Ge­ sellschaftern bewegt. Aus Sicht der Gesellschafter ist der Geschäftsfüh­ rer „ihr Mann“.455 Dabei muss der Gesellschafter aber nicht aus dem Kreis der Gesellschafter kommen; Fremdorganschaft ist möglich.456 Noch deutlicher wird die Abhängigkeit auf Grund der förmlichen Prü­ fungs- und Überwachungskompetenz der Gesellschafter nach § 46 Nr. 6 GmbHG, wonach die Gesellschafter auch jederzeit einzelne laufende Angelegenheiten an sich ziehen können.457 Diese Kompetenz ist aber überhaupt nur vonnöten, wenn die geplante Handlung in die Geschäfts­ 452 Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 36 III 1. 453 Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 16 I 1 und § 36 I 2 a. 454 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 37 Rn. 11: von den Gesellschaftern abgeleitete Verantwortung (enger als der Vorstand einer AG, der in Eigenverantwortung nach § 76 Abs. 1 AktG entscheidet). 455 Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 36 I 2 a. 456 In der deutschen Rechtswirklichkeit werden aber oftmals, d.h. in vier Fünftel aller GmbHs, als Geschäftsführer ausschließlich Gesellschafter bestellt; vgl. dazu die Nachweise bei Fleischer in MüKo GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. (2018), Einl. Rn. 203. 457 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 37 Rn. 20; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. (2019), § 37 Rn. 3 ff., 20.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

führungsbefugnis fällt. Über dieser befinden sich zwei weitere Ebenen von Geschäftshandlungen: Grundlagenentscheidungen (ungewöhnliche Geschäfte) und strukturändernde Maßnahmen. Grundlagenentscheidungen werden nach § 49 Abs. 2 GmbHG von den Geschäftsführern vorbereitet und bedürfen der Zustimmung der Gesell­ schafter.458 Beispiele hierfür sind die Änderung der Unternehmenspoli­ tik, Geschäfte, bei denen mit Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen ist, und allgemein Geschäfte, bei denen die Einberufung der Gesellschaf­ terversammlung erforderlich erscheint.459 Darüber hinaus sind alle Ge­ schäfte außergewöhnlich und damit zustimmungsbedürftig, die in der Satzung als solche definiert sind. Die Beschränkungen gelten zwar nach § 37 Abs. 2 GmbHG nur für die Geschäftsführung und damit nicht hin­ sichtlich der Vertretungsmacht im Außenverhältnis, doch wird in dieser Arbeit dieses mögliche Auseinanderfallen nicht berücksichtigt: Zum ei­ nen wird angenommen, dass der Geschäftsführer sich gegenüber den Ge­ sellschaftern als „ihr Mann“ gesetzes- und satzungskonform verhält; zum anderen erhält die Vertretungsmacht im Außenverhältnis durch die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht schließlich trotz § 37 Abs. 2 GmbHG zumindest gewisse „Leitplanken“.460 Noch weitgehender sind strukturändernde Maßnahmen, die die Satzung überlagern oder beseitigen, ohne dass die Maßnahmen in der Form einer Satzungsänderung erfolgen. Für sie gelten daher die für die Satzungsände­ rung anwendbaren Kompetenz- und Verfahrensregeln entsprechend.461 dd. Abstimmung im Gesellschafterkreis Im Allgemeinen reicht für einen Beschluss innerhalb der Gesamtheit der Gesellschafter nach den (dispositiven) Regelungen des § 47 Abs. 1–2 ­GmbHG die einfache Mehrheit der Stimmen aus, wobei die Stimmen dem Kapital entsprechen. Die Mehrheitsvoraussetzungen können auf Ebene der Stimmen-Definition sowie auf der Zählebene (durch qualifi­ zierte Mehrheiten) verändert werden (etwa durch stimmrechtslose An­ 458 Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. (2019), § 37 Rn. 22; Schneider/ Schneider in Scholz GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. (2014), § 37 Rn. 15 ff.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 37 Rn. 10; Schmidt, Gesell­ schaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 36 I 2 b; anders Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 37 Rn. 7. 459 BGH, Urt. v. 30.05.2005, Az. II ZR 236/03, in DStR 2005, S. 1066; BGH, Urt. v. 25.02.1991, Az. II ZR 76/90, in NJW 1991, S. 1681. 460 Siehe hierzu Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 37 Rn. 43 ff. 461 Dies ergibt sich u.a. durch die Übernahme der sog. Holzmüller- und Gelati­ ne-Grundsätze des BGH aus dem Aktienrecht auch auf die GmbH (Liebscher in MüKo GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. (2018), Anh. § 13 Rn. 1064 ff.). Vgl. außerdem die Ausführungen zur Satzungsänderung und die Nachweise oben, Fn. 446.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

teile).462 Als Grundsatz aber gilt: Wer mehr als die Hälfte am Kapital hält, hat auch die Stimmenmehrheit und bestimmt damit die Willensbildung in der Gesellschaft. Erhöhte Anforderungen an das erforderliche Quorum ergeben sich even­ tuell aus der Satzung, vor allem aber aus dem Gesetz. § 53 GmbHG sieht für Satzungsänderungen eine Mehrheit von drei Vierteln vor. Gleiches gilt bei weiteren Entscheidungen, die die Grundlagen der Gesellschaft berühren: Beispiele sind die Herabsetzung oder Erhöhung des Kapitals,463 die Auflösung der GmbH (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG), der Abschluss ei­ nes Unternehmensvertrages (§ 293 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechend) sowie zahlreiche Vorgänge nach den Vorschriften des UmwG wie etwa die Ver­ äußerung des Unternehmens der Gesellschaft als Ganzes (§ 50 UmwG i.V.m. § 176 UmwG oder § 125 UmwG). Das Mehrheitsprinzip kann aber in Abgrenzung zum Einstimmigkeits­ prinzip auch dazu führen, dass bestimmte Gesellschafter Teil der Le­ gitimationsbasis „Gesamtheit der Gesellschafter“ werden, die einen ­Legitimationsinhalt vermittelt, der sich von ihrem eigenen Willen unter­ scheidet. Sie sind insoweit fremdbestimmt. Diese Fremdbestimmung lässt sich zum einen mit dem etwas mystischen Verweis auf die soziale Willenseinheit des Verbandes begründen, der – wie ein Staat – mehr und etwas grundsätzlich anderes ist als die Summe seiner Mitglieder bzw. Bürger und in dieser Form den Mehrheitsentscheid als natürliche Ent­ scheidungsform kennt.464 Wenn jedoch die Vertragselemente einer Ge­ sellschaft stärker ins Blickfeld geraten, lässt sich die Mehrheitsentschei­ dung zum anderen schlicht als die zweckmäßigste Form der Entscheidung rechtfertigen.465 In jedem Fall aber ist auf dem Boden des geltenden Rechts die Entschei­ dung der (meist einfachen) Stimmenmehrheit im Kreis der Gesellschaf­ ter die Form von Herrschaft und Willensausübung, für die sich das Recht der Körperschaften entschieden hat.466 462 Teilweise wird auch ein Beschlussrecht der Minderheit für bestimmte Maßnah­ men verlangt, wenn diese der Durchsetzung von Minderheitenrechten dienen. In diesem Sinne Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. (2019), § 47 Rn. 7 m.w.N.; dagegen aber Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 47 Rn. 24. 463 Dies gilt schon deshalb, weil es sich um eine Satzungsänderung handelt; vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 47 Rn. 23b; Zöllner/ Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 58 Rn. 21. 464 Gierke, Deutsches Privatrecht I, 3. Aufl., unveränd. Nachdruck d. 2. Aufl. v. 1895 (2010), S. 501. 465 Zuerst schon bei Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. II (1840), § 96, S. 329 ff. 466 Allgemein und grundsätzlich zur Leitungsmacht und Mehrheitsherrschaft Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 16 I 2, II 1. Ausführlich zu den historischen

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

d. Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschaft in Bezug auf die Gesellschafter In der Darstellung der gesellschaftsrechtlichen Grundlagen lag bislang der Fokus ausschließlich auf den Einwirkungsmöglichkeiten der Gesell­ schafter in die Gesellschaft hinein. Bedenkt man, dass nach dem Gesell­ schaftsvertrag die Gesellschafter zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks im Rahmen der Gesellschaft zusammenkommen,467 dann drängt sich diese Blickrichtung auf. Es lässt sich aber auch vorstellen, dass die Gesellschaft unmittelbar auf einzelne Gesellschafter einwirkt, letztlich mit dem Ziel, das Wohl der Gesellschaft und das Erreichen des Gesell­ schafszwecks zu fördern. Am deutlichsten wird dies bei der REIT-Gesell­ schaft: Die Steuerwirkung durch den Anteilseigner tritt erst nach Kennt­ nis der Gesellschaft und nach Verstreichen einer Abhilfefrist ein (§ 18 Abs. 3 REITG).468 Der Gesetzgeber unterstellt daher die Möglichkeit der Gesellschaft, auf die Gesellschafter einzuwirken, sogar so weit, dass sie einen Einfluss darauf hat, wer überhaupt Gesellschafter ist. Die wichtigs­ ten Punkte sollen im Folgenden dargestellt werden,469 gerade wegen der Bedeutung im Rahmen der REIT-Besteuerung zusätzlich auch mit Bezug auf die Aktiengesellschaft:470 aa. Neutralitätspflicht der Geschäftsleitung Außerhalb der Konstellation des § 33 Abs. 1 WpÜG, in der für ein börsen­ notiertes Unternehmen ein Übernahmeangebot vorliegt, besteht keine ausdrücklich anerkannte Pflicht der Geschäftsleitung, sich neutral ge­ genüber Erwerbsvorgängen im Gesellschafterkreis zu verhalten. Im ­Rahmen der jeweiligen Haftungsvorschriften, § 43 GmbHG sowie § 35 GmbHG (bzw. § 93 AktG mit einer business judgement rule sowie au­ Grundlagen Baltzer, Der Beschluss als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht (1965), S. 186 ff. und mit eigener Untersuchung des gel­ tenden Rechts ebenda S. 212 ff. 467 Die GmbH handelt zur Verwirklichung des Willens ihrer Gesellschafter (vgl. die Nachweise oben, Fn. 439 und 440). 468 Ausführlich oben, S. 78. 469 Weitere Möglichkeiten der Einwirkung, vor allem kautelar-juristische Abwehr­ möglichkeiten, sind dargestellt bei Schürer, REITs und die Höchstbeteiligungs­ quote (2011): Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen mit Ausschluss des Be­ zugsrechts (S. 202), Erwerb eigener Anteile (S. 204), Einziehung von Anteilen (S. 215) sowie die weiche Einwirkungsmöglichkeit der Investor Relations (S. 224). Zumindest die ersten drei Aspekte sind Sonderfälle mit hohen Voraussetzungen, die die Möglichkeiten der Einwirkung nicht typisch beschreiben; vor allem sind sie angesichts der hohen Anforderungen relativ „stumpfe Schwerter“. Die Politik des Geschäftsführers und sein informelles Einwirken auf die Gesellschafter kann in dieser juristischen Arbeit nicht ausreichend gewürdigt werden. 470 Damit verschiebt sich bei der Darstellung im Folgenden der Fokus, etwas weg von der GmbH (vgl. oben Fn. 236 und 420), hin auch zur AG.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

ßerdem § 76 AktG), wird die Pflicht des Geschäftsführers zur Einwir­ kung bzw. Neutralität diskutiert. Diskussionsprägend sind dabei in ers­ ter Linie das Wohl der Gesellschaft (vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG) bzw. die jeweiligen Treuebeziehungen und der Gedanke, dass die Gesellschaft zur Verwirklichung des Willens der Gesamtheit der Gesellschafter gegründet wurde. Als Konsens lässt sich feststellen, dass es weder ein absolutes Gebot des Tätigwerdens zu Gunsten des Gesellschaft und zu Lasten der Gesellschafter noch eine unbedingte Neutralitätspflicht gibt: Für den Geschäftsführer bzw. den Vorstand ist die Handlungswahl eröffnet: Er kann im Einzelfall entscheiden, ob eine Einwirkung auf den Gesellschaf­ terkreis dem Wohl der Gesellschaft als Ganzes bzw. der Gesamtheit der Gesellschafter dient.471 bb. Übertragung von Gesellschaftsanteilen und Vinkulierung Die Fremdbestimmung ergibt sich in den meisten Referenzfällen in Folge einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen. Geschäftsanteile sind nach § 15 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich frei übertragbar. Die Übertragbarkeit kann aber nach § 15 Abs. 5 GmbHG auch einge­ schränkt werden, wenn durch den Gesellschaftsvertrag die Wirksamkeit der Abtretung an weitere Voraussetzungen geknüpft wird, insbesondere nämlich die Genehmigung durch die Gesellschaft. Diese sog. Vinkulie­ rung472 der Anteile hat dingliche Wirkung und ist eine Bestimmung des Inhalts des Anteilsrechtes im Sinne der §§ 399, 413 BGB.473 Ist sie nicht schon ursprünglich im Gesellschaftsvertrag geregelt und hat damit nicht schon die Zustimmung aller Gründungsgesellschafter erfahren, kann sie nachträglich nur unter besonderen Voraussetzungen eingeführt werden: Sie schränkt die Verkehrsfähigkeit der Anteile erheblich ein, so dass nicht nur eine qualifizierte Mehrheit, sondern die Zustimmung aller be­ troffenen Inhaber der Anteile erforderlich ist.474

471 Ausdrücklich so zu den verschiedenen Treuepflichtverflechtungen bei steuerli­ chen Belastungen aus Sicht des Geschäftsführers Erker, Kompensation für Steuern (2010), S. 151 ff. (bei konzerninternen Umstrukturierungen) und S. 165 ff. (bei der Änderung der Finanzierungsstruktur). Für die Aktiengesellschaft allgemein Dimke/Heiser, NZG 2001, S. 241 und mit Bezug auf einen Fall der fremdbestimm­ ten Steuerwirkungen Schürer, REITs und die Höchstbeteiligungsquote (2011), S. 111 f.; Klühs, RNotZ 2008, S. 509 (529) plädiert dafür, dass im Fall des § 18 Abs. 3 REITG sogar ein Neutralitätsverbot besteht. 472 Allgemein zur Vinkulierung Asmus, Vinkulierte Mitgliedschaft (2001); Mittermeier, Beteiligungskontrolle durch Anteilsvinkulierung (2010). 473 Mittermeier, Beteiligungskontrolle durch Anteilsvinkulierung (2010), S. 58 ff.; Reichert/Weller in MüKo GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. (2018), § 15 Rn. 393. 474 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 53 Rn. 25; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. (2019), § 15 Rn. 98; Reichert/Weller in MüKo GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. (2018), § 15 Rn. 395.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Mit dem Erfordernis einer Genehmigung der Übertragung lassen sich na­ türlich möglicherweise steuerrechtlich schädliche Übertragungen von Gesellschaftsanteilen verhindern. Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 15 Abs. 5 GmbHG ist „die Gesellschaft“ Zustimmungsberechtigte. Da­ mit ist freilich noch nichts über die Organzuständigkeit gesagt. Wird dies nicht in der Satzung geregelt, so kann im Außenverhältnis wirksam der Geschäftsführer die Genehmigung erteilen. Im Innenverhältnis jedoch bedarf es regelmäßig eines Beschlusses der Gesellschafter,475 wobei der betroffene Gesellschafter auch nicht nach § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG von der Beschlussfassung ausgeschlossen ist.476 Die Vinkulierung wird meist kautelar-juristisch als Präventionsmaßnah­ me gegen die Folgen von Normen wie § 8c Abs. 1 KStG477, aber auch für § 18 Abs. 3 REITG478 (dann aber über die entsprechende Vorschrift aus dem Aktienrecht, § 68 Abs. 2 AktG) vorgeschlagen, wenngleich ange­ sichts der Nichtanwendbarkeit des § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG einerseits und der Weite der Definition des schädlichen Anteilserwerbs anderer­ seits (auch Übertragungen von Anteilen an den Gesellschaftern der Ge­ sellschafter sind erfasst) die Vinkulierung nicht alle Fälle wirksam ver­ hindern kann.479 cc. Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss Eine Einwirkung auf den Gesellschafterkreis kann auch durch eine Ka­ pitalerhöhung erfolgen. Im Regelfall haben dabei die bestehenden Ge­ sellschafter ein Bezugsrecht, so dass die Beteiligungsquoten identisch bleiben. Als Möglichkeit der Einwirkung der Gesellschaft auf die (Zu­ sammensetzung der) Gesellschafter ist die Kapitalerhöhung nur dann ­interessant, wenn sie zwei Voraussetzungen erfüllt: Sie muss von der Geschäftsführung veranlasst sein und unter dem Ausschluss des Bezugs­ rechts erfolgen. Grundsätzlich ist der Erhöhungsbeschluss von der Gesellschafterver­ sammlung zu treffen. Die Kapitalerhöhung, grundsätzlich geregelt in 475 BGH, Urt. v. 14.03.1988, Az. II ZR 211/87, in NJW 1988, S. 2241. 476 BGH, Urt. v. 29.05.1967, Az. II ZR 105/66, in BGHZ 48, S. 163 Rz. 19 [zit. nach juris]: Es handelt sich dabei nicht um ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesell­ schaft und einem Gesellschafter, sondern um einen sozialrechtlichen Akt, ein Mitverwaltungsrecht; so auch Reichert/Weller in MüKo GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. (2018), § 15 Rn. 421 m.w.N. in Fn. 1280. 477 So etwa Rodewald/Pohl, DStR 2008, S. 724 (728 f.); Carlé/Demuth, KÖSDI 2008, S. 15979 (15981). 478 Zum Beispiel Klühs, RNotZ 2008, S. 509 (529 f.); Cadmus, FB 2007, S. 618 (620); Schürer, REITs und die Höchstbeteiligungsquote (2011), S. 177 ff. 479 Darauf weisen für § 8c Abs. 1 KStG schon Schildknecht/Riehl, DStR 2009, S. 117 (117 f.) und für §§ 11 Abs. 1, 4; 18 Abs. 3 REITG Schürer, REITs und die Höchstbe­ teiligungsquote (2011), S. 178; Wieneke/Fett, NZG 2007, S. 774 (776) hin.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

§ 55 GmbHG, sorgt für eine Änderung des Stammkapitals, ändert damit einen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG zwingenden Satzungsbestandteil und muss daher den Anforderungen an eine Satzungsänderung (v.a. Drei-­ Viertel-Stimmenmehrheit der Gesellschafter) genügen.480 Nach § 55a GmbHG allerdings kann der Geschäftsführer durch den Gesellschafts­ vertrag ermächtigt werden, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Sofern also in einem vorherigen Schritt durch die Gesellschafter die Grundlage dafür geschaffen wurde, besteht eine echte Möglichkeit der Einwirkung für die Geschäftsführung der GmbH.481 Beim sog. genehmigten Kapital nach § 55a GmbHG ist wie bei der Kapi­ talerhöhung durch die Gesellschafterversammlung ein Bezugsrechtsaus­ schluss482 erlaubt. Der gesetzliche Normalfall ist die Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht für alle bestehenden Aktionäre.483 Das Bezugsrecht kann bei der GmbH – wie auch bei der AG gemäß § 186 Abs. 3 AktG – unter den gleichen formellen Voraussetzungen wie bei einer Satzungsänderung wirksam ausgeschlossen werden.484 Darüber hinaus müssen aber auch materielle Voraussetzungen für einen Bezugsrechtsausschluss erfüllt werden, schließlich führt eine Verwässerung des Anteils bei einem aus­ geschlossenen Gesellschafter zu einem erheblichen Eingriff in dessen Beteiligung. Es muss ein sachlicher Grund im Gesellschaftsinteresse für den Ausschluss vorliegen, der Ausschluss muss das mildeste Mittel zur Erreichung dieses Zwecks sein und der beim ausgeschlossenen Gesell­ schafter eintretende Nachteil darf nicht außer Verhältnis zu dem für die Gesellschaft erstrebten Vorteil stehen.485 Angesichts der meist erheblichen Folgen in den Referenzfällen ist ein hierauf ausgelegter Bezugsrechtsaus­ schluss wohl regelmäßig zulässig. Außerhalb der Abwehrkonstellationen bei fremdbestimmten Steuerwirkungen mag aber die genehmigte Kapi­ talerhöhung nur als schwacher Nachweis für die Einwirkungsmöglich­ keiten der Gesellschaft gelten. Die vorherige Genehmigung durch die qualifizierte Mehrheit in der Gesellschafterversammlung und die enge 480 Hermanns in Michalski GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. (2017), § 55 Rn. 6. Zu den Anfor­ derungen an eine Satzungsänderung siehe oben, S. 101. 481 § 55a GmbHG ist durch das MoMiG geschaffen und der älteren Regelung des § 202 AktG nachempfunden. 482 Hermanns in Michalski GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. (2017), § 55a Rn. 2. 483 BGH, Urt. v. 18.04.2005, Az. II ZR 151/03, in NZG 2005, S. 551 (552) ohne Festle­ gung auf eine Rechtsgrundlage. Wohl herrschend begründet mit Analogieschluss zu § 186 AktG, so ausführlich Lutter, AcP (1980), S. 84 (123); Zöllner/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 55 Rn. 20 jeweils m.w.N. 484 Zöllner/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 55 Rn. 25; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 55 Rn. 22 ff. 485 Zöllner/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. (2017), § 55 Rn. 26; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. (2016), § 55 Rn. 24; Herrmanns in Michalski GmbHG, Bd. 2, 3. Aufl. (2017), § 55 Rn. 47 ff.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

inhaltliche Ausgestaltung lassen den Charakter eines starken Gestal­ tungsinstruments entfallen. Selbst die Wirksamkeit in der Abwehr ist nur gering. Außer in den Fällen des § 18 Abs. 3 S. 3 REITG gibt es keine Reparaturmöglichkeit,486 so dass die Gesellschaft das schädigende Ereignis antizipieren und etwa bei § 8c Abs. 1 KStG noch vor der schädlichen Veräußerung eine Kapitalerhö­ hung wirksam durchgeführt haben müsste. e. Gewinnverteilung und Kapitalerhaltung Die Befugnis zur Verfügung über den Gewinn und das Kapital ist relevant für die Untersuchung der Zuordnung von Leistungsfähigkeit im Umfeld der Körperschaft.487 Die Feststellung des Ergebnisses obliegt nach § 46 Nr. 1 GmbHG der Gesamtheit der Gesellschafter. Sie kann auch ent­ scheiden, inwieweit ein eventueller Gewinn ausgeschüttet oder in Rück­ lagen eingestellt wird (§ 29 Abs. 2 GmbHG). Die (nach § 47 GmbHG) einfache Mehrheit der Stimmen hat damit Zugriff auf den erwirtschafte­ ten Gewinn. Wird ausgeschüttet, erfolgt die Verteilung an alle Gesell­ schafter nach einem vorher vereinbarten Schlüssel, gemäß § 29 Abs. 3 GmbHG vorbehaltlich einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile. Zu beachten sind aber in jedem Fall (also auch bei einem Alleingesell­ schafter) die Vorschriften zur Kapitalerhaltung: Es darf gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG Vermögen nicht ausgezahlt werden, wenn dadurch das Stammkapital gemindert wird.488 f. Vergleich mit dem allgemeinen Zurechnungsgrund Treten Steuerwirkungen im besonderen Verhältnis zwischen Kapitalge­ sellschaft und ihren Gesellschaftern auf, so stellt sich die Frage, wie die­ se sich zu dem allgemeinen Zurechnungsgrund von Einkünften verhal­ ten.489 In beiden Konstellation – bei Steuerwirkungen im Umfeld der Kapitalgesellschaft und allgemein bei der Zurechnung von Einkünften – geht es um die gleiche Grundfrage, den Konnex von Handlung und Erfolg (= Belastung). Für diesen Vergleich bieten sich zwei Betrachtungsweisen an: 486 Selbst bei § 18 Abs. 3 S. 3 REITG mit seiner dreijährigen Frist wird das Verfahren für das genehmigte Kapital als zu schwerfällig gesehen, vgl. Schürer, REITs und die Höchstbeteiligungsquote (2011), S. 202. 487 Dazu unten, S. 129 ff. 488 Ausführlich zur Systematik der Kapitalerhaltungsvorschriften nach dem BilMoG Heidinger in Michalski GmbHG, Bd. 1, 3. Aufl. (2017), § 30 Rn. 10 ff. 489 Dieser Vergleich wurde in dieser Arbeit schon für den Spezialfall der Organschaft vorgenommen; vgl. dazu oben, S. 95.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

aa. Dispositionsmöglichkeit der Kapitalgesellschaft über ihre Gesellschafter Die Einwirkungsmöglichkeiten der Kapitalgesellschaft auf ihre Gesell­ schafter sind gering, doch existent. Die Gesamtheit der Gesellschafter bildet den Willen in der Gesellschaft und wirkt auf die Geschäftsfüh­ rung – nicht umgekehrt. Eine Schlüsselstellung kann die Gesellschaft aber vor allem dann erlangen, wenn eine Vinkulierung der Geschäftsan­ teile vereinbart worden ist oder genehmigtes Kapital mit Bezugsrechts­ ausschluss vorhanden ist. In diesen Fällen kann sie mit der Verweigerung der Zustimmung bzw. der Erhöhung entscheidend auf den Gesellschaf­ ter(-bestand) einwirken und somit insbesondere einen schädlichen An­ teilserwerb verhindern bzw. (soweit möglich) reparieren. Die Genehmi­ gungsentscheidung bei vinkulierten Anteilen wird im Innenverhältnis aber regelmäßig von (allen) Gesellschaftern getroffen, auch dem ver­ äußernden Gesellschafter, so dass durch den Rückbezug im Innen­ verhältnis auf die Gesellschafter die Möglichkeit der Einwirkung der Ge­ sellschaft auf die Gesellschafter wieder reduziert wird.490 Auch das genehmigte Kapital bedarf einer vorherigen Genehmigung durch die Ge­ sellschafterversammlung. Abgesehen von diesen Konstellationen, die ja mit dem Ende der Gesell­ schafterstellung einhergehen, hat die GmbH im laufenden Betrieb nur geringe Einflussmöglichkeiten. Neben den Ansprüchen auf Leistung der Einlage und den Kapitalerhaltungsmaßnahmen nach §§ 30 ff. GmbHG kommen vor allem Treueansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesell­ schafter in Betracht. Deren Geltendmachung ist aber schwierig: Zu­ nächst bestehen erhebliche Einschränkungen bei der Klagbarkeit von Primäransprüchen aus den Treuepflichten in der Rechtsprechung.491 So­ fern die Primäransprüche etwa auf Unterlassung klagbar sind, stellt sich die praktische Frage nach der Geltendmachung. Dabei handelt es sich um eine Aufgabe der Gesellschafter, nicht der Geschäftsführung (§ 46 Nr. 8 GmbHG). Zur Sicherung dieser Gesellschafterklage müssen bei der Beschlussfassung die Gesellschafter, die Anspruchsgegner sind, von der Abstimmung ausgeschlossen werden (§ 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG). Ungeachtet der Probleme von Klagbarkeit und Geltendmachung ist aber vor allem der Inhalt dieses Treueanspruchs fraglich. Wenngleich alle vor­ stellbaren Treuebeziehungen innerhalb des Verbandes in den letzten Jahrzehnten eine große Aufwertung erfahren haben,492 ist die Treue­ pflicht des Gesellschafters noch immer denkbar schwach. Selbst in der in 490 Ausführlicher dazu oben, S. 106 ff. 491 Vgl. hierzu den Überblick bei Weller, FS Winter (2011), S. 755 (765 ff.). 492 Zur geschichtlichen Entwicklung der Treueansprüche Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht (1988), S. 43 ff.

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dieser Hinsicht sehr progressiven Arbeit von Erker wird ein pauschaler Anspruch der Gesellschaft bzw. der Mitgesellschafter gegen den handeln­ den Gesellschafter auf Unterlassung von Anteilsveräußerungen mit Blick auf bestimmte Schwellenwerte nicht festgestellt; lediglich eine Pflicht zur Rücksichtnahme wird in bestimmten Situationen für zumut­ bar gehalten.493 Gesellschafterhandlungen liegen mit wenigen Ausnahmen und trotz ei­ niger Ansätze im Bereich der Treueverhältnisse jenseits der Einwirkungs­ möglichkeit der Kapitalgesellschaft bzw. der Mitgesellschafter. Diese Einwirkungsmöglichkeiten sind schließlich auch wieder auf die Gesell­ schafter zurückzuführen, die schließlich jederzeit über Weisungen und die Bestellung des Geschäftsführers den Willen der GmbH bilden und so „über die Bande“ auf die (anderen) Gesellschafter einwirken können. Die informellen Möglichkeiten des Geschäftsführers, auf die richtige, im In­ teresse der Gesellschaft beste Entscheidung hinzuwirken, mögen zwar bestehen, sind aber für Zwecke dieser Arbeit nicht zu erfassen. bb. Dispositionsmöglichkeit der Gesellschafter über ihre Kapitalgesellschaft Vor allem relevant aber ist die Frage, ob die Gesellschafter durch die Ka­ pitalgesellschaft am Markt tatsächlich disponieren können bzw. durch sie den Tatbestand eines Steuergesetzes verwirklichen. Dies setzt voraus, dass die Gesellschafter bzw. der relevante Teil von ihnen ihren Willen in der Gesellschaft durchsetzen können. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung zu § 8c KStG hierauf ab.494 Eine vollständige Kontrolle bzw. Dispositionsbefugnis über die Kapital­ gesellschaft lässt sich am ehesten annehmen bei einem Alleingesell­ schafter (personal geprägte GmbH). Der Gesellschafter kann in diesem Fall die Satzung ändern, uneingeschränkt Beschlüsse treffen, ohne Rück­ sicht auf eventuelle Minderheitsgesellschafter nehmen zu müssen, so­ wie den Geschäftsführer bestellen und ihm Weisungen erteilen. In der personal geprägten GmbH kann der Alleingesellschafter seinen Willen nahezu uneingeschränkt verwirklichen. Dennoch erfährt diese Wirk­ macht auch hier Einschränkungen: Zum einen hat er zu akzeptieren, dass der Geschäftsführer zwar weitestgehend seinem Willen unterwor­ 493 Erker, Kompensation für Steuern (2010), S. 105 ff.; allerdings hält sie auch die schwächeren Möglichkeiten wie eine Anpassung der Erwerbs- bzw. Veräußerungs­ struktur (S. 106) oder eine Vorab-Information der anderen Gesellschafter und der Gesellschaft (S. 110 ff.) für regelmäßig zumutbar und daher geboten. Für eine Be­ schränkung auf finanzielle Kompensation Mülbert/Kiem, ZHR 177 (2013), S. 819 (853). 494 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106 Rz. 138 ff. [zit. nach juris].

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

fen ist, aber doch als eigenes Organ der GmbH diese gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG wirksam nach außen vertritt und ein gewisses Residuum eigener Entscheidungsbefugnisse im Rahmen der Geschäftsführung ha­ ben muss.495 Dieser Einwand wirkt aber nur eingeschränkt, da diese Merkmale ähnlich bei der Stellvertretung bzw. Treuhand vorliegen, die jeweils einer Zurechnung von Einkünften bzw. Wirtschaftsgütern nicht im Wege stehen. Gewichtiger ist daher zum anderen, dass nach §§ 30 f. GmbHG auch der Alleingesellschafter an die Kapitalerhaltungsvorschrif­ ten gebunden ist und die Interessen seiner Gesellschaft, und nicht bloß seine eigenen, zu beachten hat.496 Es lässt sich also festhalten, dass der Alleingesellschafter sehr nahe an die Dispositionsbefugnis bzw. die Herr­ schaft über die Tatbestandsverwirklichung heranrückt, diese aber nicht vollständig innehat. Ähnliches lässt sich für einen qualifizierten Mehrheitsgesellschafter feststellen. Entsprechen seine Anteile mehr als 75 Prozent des gezeich­ neten Kapitals, so kann er nach der gesetzlichen Regel auch Satzungsän­ derungen herbeiführen.497 Gleichfalls hat er die Mehrheit bei allen ande­ ren, normalen Beschlussfassungen, kann damit auch den Geschäftsführer bestellen und diesem Weisungen erteilen, und seinen Willen hinsicht­ lich der Gewinnverwendung verwirklichen. Dies umfasst insbesondere auch den Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages und damit die Begründung einer Organschaft.498 Anders als der Alleingesellschafter aber muss er jedenfalls die Individualrechte499 sowie eventuell satzungsgemäß eingeräumte Minderheitsrechte der anderen Gesellschafter beachten. Wie der Alleingesellschafter ist er damit von der Disposition oder eige­ nen Tatbestandsverwirklichung entfernt, und das sogar noch ein Stück­ chen weiter als jener. Der Gesellschafter, der nur die einfache Mehrheit am gezeichneten Kapi­ tal repräsentiert, kann sich bei der (einfachen) Beschlussfassung sich durchsetzen. Bestimmte qualifizierte Entscheidungen, insbesondere zur Satzungsänderung und sonstige Grundlagengeschäfte, können von der einfachen Mehrheit nicht beschlossen werden.500 Der Einfluss auf das Ta­ gesgeschäft aber, wie eben die Bestellung des Geschäftsführers und die

495 Als Argument gegen die Dispositionsbefugnis auch von Englisch, Dividendenbe­ steuerung (2005), S. 112 vorgetragen. 496 Hennrichs, StuW 2002, S. 201 (205); Hey, Harmonisierung der Unternehmensbe­ steuerung in Europa (1997), S. 251; Greif, Wirtschaftlichen Auswirkungen des An­ rechnungsverfahrens (1977), S. 103. 497 Siehe oben, S. 101. 498 Dazu ausführlich oben, S. 94. 499 Siehe oben, S. 101. 500 Siehe oben, S. 102.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

grundsätzliche Befugnis zur Erteilung von Weisungen, bleibt bestehen.501 Eine mit dem allgemeinen Grund der Zurechnung von Einkünften ver­ gleichbare Herrschaft besteht daher nur, soweit es eben nicht um Grund­ satzfragen geht – und damit nur eingeschränkt. Eine qualifizierte Minderheit vermittelt Herrschaftsbefugnisse in gerin­ gerem Umfang. Die Macht der Gesellschafter, die mehr als ein Viertel, aber weniger als die Hälfte des Kapitals und damit der Stimmen abbilden, entspricht dem „Macht-Minus“, das zwischen qualifiziertem und einfa­ chem Mehrheitsgesellschafter besteht: Es handelt sich dabei um die Möglichkeit, eine Änderung der Satzung und der Grundlagen zu verhindern.502 Der Minderheitsgesellschafter ist mit seiner Sperrminorität re­ gelmäßig in einer Machtposition, die eben nur eine Verhinderungsmacht verleiht, keine positive Gestaltungsmacht. Das stellte auch das Bun­ desverfassungsgericht für den quotalen Verlustuntergang bei § 8c KStG fest.503 Einzelne Gesellschafter, die weniger als ein Viertel der Stimmen oder des Kapitals repräsentieren, haben regelmäßig, d.h. wenn die Satzung nichts anderes vorschreibt, nur einen minimalen Einfluss. In Einzelfällen, gera­ de bei großen Publikumsaktiengesellschaften, deren Anteile weitestge­ hend im Streubesitz gehalten werden und deren Gesellschafter nur in geringem Umfang an der Hauptversammlung teilnehmen, mag dies mit­ unter faktisch anders sein.504 Rechtlich betrachtet aber und im vom Steu­ ergesetzgeber regelmäßig zu Grunde gelegten Normalfall bleibt es dabei: 501 Deshalb wird bei der Organschaft auch eine Dispositionsmöglichkeit durch die Gesellschaft angenommen; vgl. die Nachweise oben, S. 95. 502 Siehe oben, S. 104. Diese Machtposition des qualifizierten Minderheitsgesell­ schafters wird auch vom BVerfG in einer Entscheidung zu einer Vorgängernorm des § 74 AO bestätigt: BVerfG, Beschluss v. 14.12.1966, Az. 1 BvR 496/65, in BVerfGE 21, S. 6 Rz. 14 [zit. nach juris]. Zu § 74 AO siehe oben, S. 44. 503 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106 Rz. 139 [zit. nach juris]. 504 Diese Differenzierung wird im Schrifttum oft im Zusammenhang mit der Frage der eigenständigen Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft vorgenommen, etwa bei Schneider, StuW 1975, S. 97 (101), der dabei für die Eigenständigkeit der Publi­ kums-AG schon auf Schanz, Finanz-Archiv (1885), S. 235 (318) verweist: „Die meisten [der Aktionäre] kümmern sich um die Aktiengesellschaft weniger als sonst der Gläubiger um die Verhältnisse seines Schuldners“. Dabei wird teilweise auch ein eigenes Körperschaftsteuerrecht für Kapitalgesellschaften mit weitge­ streutem Anteilsbesitz vorgeschlagen (so etwa Ruppe, Steuerliche Doppelbelas­ tung der Körperschaftsteuergewinne (1967), S. 107 und 137). Zutreffend wird aber im Schrifttum meist festgestellt, dass eine solche Unterscheidung mehr Probleme schafft als löst (Desens, Halbeinkünfteverfahren (2004), S. 9; Sieker, DStJG Bd. 25 (2002), S. 145 (170), jeweils m.w.N.). Bestätigt wird das seit März 2013 durch die nun bestehenden Probleme bei der Berechnung der 10 Prozent-Grenze bei § 8b Abs. 4 KStG – vgl. hierzu die Nachweise in Fn. 521 und speziell Haisch/Helios, DB 2013, S. 724 (725 ff.).

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Eine Dispositionsmöglichkeit über die Kapitalgesellschaft besteht für den einzelnen Gesellschafter in diesem Fall nicht.505 Das Bundesverfassungsgericht scheint aber in Anlehnung an § 29 WpÜG davon auszugehen, dass auch ein Minderheitsaktionär bei Überschreiten der 30 Prozent-­ Schwelle bei Aktiengesellschaften ohne Ankeraktionär aus tatsächlichen Gründen einen beherrschenden Einfluss auf die Geschicke der ­Gesellschaft ausüben und so aus der Gesellschaft „eine andere“ machen kann.506 Die Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschafter hängen also ent­ scheidend von ihrer Beteiligungsquote ab. Am oberen Ende dieser ­Exponentialkurve wird eine nahezu vollständige Annäherung an die Dis­ positionsbefugnis erreicht, am unteren Ende, unterhalb der 25 Pro­ zent-Beteiligungsgrenze, ist diese nur marginal und vom allgemeinen Zurechnungsgrund der Einkünfte weit entfernt. 3. Aufnahme der zivilrechtlichen Grundentscheidung in das Steuerrecht Das Bestehen eines gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips sagt für sich genommen wenig für das Steuerrecht aus. Die Trennung zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter ist für das Steuerrecht vor allem dann relevant, wenn das Steuerrecht dieses Ergebnis übernimmt oder ori­ ginär auch selbst dazu gelangt. Ein erster Ansatz zur Herleitung des steu­ errechtlichen Trennungsprinzips wird in der „Aufnahme der zivilrechtli­ chen Grundentscheidung“ durch das Steuerrecht gesehen.507 In dieser Formel stecken zwei Aussagen: Erstens, dass es eine Grundentscheidung auch im Steuerrecht gibt, und zweitens, dass diese aus dem Zivilrecht abgeleitet ist.

505 Die fehlende Disposition des Kleinaktionärs über den Gewinn wird schon bei Strickrodt, FS W. Schmidt (1959), S. 222 (233) und Tretner, Wettbewerbsneutrale Gewinnbesteuerung (1963), S. 21 zu einer Zeit als mit dem Gedanken der allge­ meinen Dispositionsbefugnis nicht vereinbar gerügt, als die Dispositionsbefugnis noch gar nicht als allgemeiner Zurechnungsgrund anerkannt war (siehe oben, S. 20 ff.). 506 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106 Rz. 139 [zit. nach juris]. 507 So das FG Hamburg, Beschluss v. 04.04.2011, Az. 2 K 33/10, in DStR 2011, S. 1172 Rz. 54 – im Wortlaut schon oben, S. 58 ff., und wortgleich mit BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010, Az. 1 BvL 12/07 (Schachtelstrafe), in BVerfGE 127, S. 224 Rz. 62 [zit. nach juris]: „Das Steuerrecht nimmt damit bei der Bestimmung verschiedener Zu­ rechnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit – verfassungsrechtlich unbe­ denklich – die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, nach der bei Personenge­ sellschaften das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerechnet wird […], während das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbständig ist“.

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a. Grundsätzliche Aufnahme einer Trennungsentscheidung Diese Aufnahme wird in § 1 Abs. 1 KStG erklärt; insoweit handelt es sich hier um eine „Anerkennungsnorm“.508 Die Körperschaftsteuer als eigenständige Steuer, die rechtstechnisch neben der Einkommensteuer steht, setzt ein Mindestmaß an Anerkennung der zivilrechtlichen Selb­ ständigkeit der juristischen Personen voraus.509 Indem der Steuergesetz­ geber die Kapitalgesellschaft als eigenes Steuersubjekt behandelt, ent­ scheidet er sich für die Anerkennung der prägenden Eigenschaften des Zivilrechts.510 Nimmt er also die Subjektivität als den Nukleus des Kapi­ talgesellschaftsrechts auf, so bezieht er sich zugleich auf das gesamte Recht der Kapitalgesellschaften, zumindest in dessen Grundzügen. Die Aufnahme der zivilrechtlichen Grundentscheidung wird dabei als eigene und damit freie Entscheidung des Steuerrechts gesehen.511 Dass das Steuerrecht dem Zivilrecht hinsichtlich der Eigenständigkeit der GmbH512 folgt, manifestiert sich am deutlichsten im Gleichlauf der Subjektivität in der jeweiligen Teilrechtsordnung: Wie die GmbH als solche nach § 13 Abs. 1 GmbHG Rechte und Pflichten im Zivilrecht hat,513 so ist sie auch im Steuerrecht eine eigenständige juristische Person, wenn sie nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG als solche körperschaftsteuerpflich­ 508 Lamprecht, FS Blaurock (2013), S. 291 (295). In diesem Sinne auch BVerfG, Be­ schluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106 Rz. 110 [zit. nach juris]. 509 Hummel in Gosch, KStG, 3. Aufl. (2015), § 1 Rn. 20. Für die hier behandelten Ka­ pitalgesellschaften trifft dies ohne Zweifel zu. Vgl. aber zu den Grenzbereichen von Rechtsfähigkeit und Körperschaftsteuerpflicht Martini, DStR 2012, S. 388; Martini, Persönliche Körperschaftsteuertatbestand (2016). 510 Hüttemann, DStJG Bd. 34 (2011), S. 291 (318); Böhmer, StuW 2012, S. 33 (34); Frankus, Verlustverrechnung von Körperschaften im Rechtsvergleich (2010), S. 197. 511 So schon die Stimmen der Literatur in Fn. 509 f. Die Entscheidung ist verfassungs­ rechtlich „nicht zu bestanden“, so Rengers in Blümich, § 1 KStG Rn. 10 sowie v.a. BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010, Az. 1 BvL 12/07 (Schachtelstrafe), in BVerfGE 127, S. 224 Rz. 62 [zit. nach juris] – ein „lautes Schweigen“ zu einem verfassungs­ rechtlichen Gebot. Darüber hinausgehend wird aber vereinzelt auch schon beinahe eine Pflicht des Steuergesetzgebers gesehen, dem zivilrechtlichen Ansatz der Trennung zu folgen, nämlich als systematisch notwendige Folge der zivilrechtlichen Selbstständigkeit der Kapitalgesellschaft als juristische Person und unter Anwendung des Grundsat­ zes der „Einheit der Rechtsordnung“; so etwa Drüen in Frotscher/Drüen, Vor § 1 KStG Rn. 15; kritisch hierzu schon Hey, Harmonisierung der Unternehmensbe­ steuerung in Europa (1997), S. 246: „Die Wahrung der Einheit der Rechtsordnung […] darf nicht als Selbstzweck missverstanden werden. Ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann die zivilrechtliche Gestaltung allein eine steuerliche Eigenständigkeit [der Gesellschaft] jedenfalls nicht begründen“. 512 Die GmbH ist die dieser Arbeit zugrunde gelegte Referenzform der Kapitalgesell­ schaft (vgl. zur Begründung Fn. 236). 513 Zu den rechtstheoretischen Grundlagen der juristischen Person siehe oben, S. 97 ff.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

tig ist. Damit unterscheidet sich die Kapitalgesellschaft von der Perso­ nengesellschaft, die weder in § 1 EStG noch § 1 KStG als Steuersubjekt genannt wird. Die Steuersubjekteigenschaft der Kapitalgesellschaft umfasst auch die Eigenschaft als Subjekt der Einkünfteermittlung.514 Nach § 7 Abs. 1 KStG bemisst sich die Körperschaftsteuer nach dem zu versteuernden Einkom­ men, das gemäß §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 S. 1 KStG grundsätzlich nach den Vorschriften des EStG ermittelt wird. Der Verweis erstreckt sich ins­ besondere auch auf § 2 Abs. 1 EStG, so dass auch für die Körperschaft entsprechend modifiziert gilt: Einkünfte, die die Kapitalgesellschaft in Nutzung einer Erwerbsgrundlage erzielt, unterliegen (bei ihr) der Körper­ schaftsteuer. Die grundsätzlichen Aussagen zu § 2 Abs. 1 EStG, auf die bei der Bestimmung des allgemeinen Zurechnungsgrunds zurückgegrif­ fen wurde,515 gelten daher auch für die GmbH. Der Gewinn der Kapital­ gesellschaft wird im Grundsatz nach den gleichen Vorschriften ermittelt wie beim Einzelkaufmann: Während dieser über § 1 HGB in das Handels­ bilanzrecht der §§ 238 ff. HGB gelangt, kommt die GmbH über § 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 HGB dort hin – Vorschriften, die wegen § 5 Abs. 1 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) auch steuerrechtlich relevant sind. Hier hat der Kaufmann einen Abschluss aufzustellen, der das Verhältnis seines Ver­ mögens und seiner Schulden darstellt (§ 242 Abs. 1 HGB). Geschäftsvor­ fälle, die ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis haben, wie Einla­ gen und Entnahmen, sind zu neutralisieren (§ 4 Abs. 1 S. 1 EStG), Ausschüttungen erfolgen erst nach der Gewinnermittlung und sind da­ her steuerlich irrelevant (§ 8 Abs. 3 KStG). Steuer- wie gesellschaftsrechtlich handelt die Kapitalgesellschaft eigen­ ständig und erwirtschaftet einen eigenen Gewinn. Sie erzielt ein eigenes Einkommen und zahlt hierauf selbst Steuern. Sie wird vom Steuerrecht daher grundsätzlich vollständig als eigenes Subjekt, unabhängig von ih­ ren Gesellschaftern wahrgenommen. Trotz manch gegenläufiger Tendenzen516 lässt sich jedenfalls auf Grund der Regelungstechnik, die eine eigene Gewinnermittlung und vor allem die ausdrückliche Steuerschuldnerschaft der GmbH vorsieht, festhalten: Das Trennungsprinzip besteht als Paradigma weiterhin. Das Steuerrecht hat sich – wie das Gesellschaftsrecht – für eine eigene Subjektivität der Kapitalgesellschaft entschieden, getrennt von ihren Gesellschaftern. 514 Sie hat dies gemein mit der natürlichen Person, aber auch der Personengesell­ schaft (vgl. zur Begründung oben, S. 173 ff.); entscheidend für die Annahme eines Trennungsprinzips ist daher die vollständige Steuersubjektivität wie in § 1 KStG; die Fähigkeit, Subjekt der Einkünfteermittlung zu sein, ist für die Annahme des Trennungsprinzips notwendig, aber nicht hinreichend. 515 Siehe oben, S. 25 ff. 516 Hierzu sogleich.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Wie das Gesellschaftsrecht auch verschließt das Steuerrecht nicht die Augen vor der wirtschaftlichen Realität: Hinter jeder Kapitalgesellschaft stehen immer Gesellschafter. Die Gesellschafter sind im Innenverhält­ nis stark eingebunden, sie verleihen die Geschäftsführungsbefugnis und gestalten diese aus.517 Wenn das Steuerrecht „die Grundentscheidung des Zivilrechts aufnimmt“, dann hat es auch die vom Zivilrecht gestaltete Wirklichkeit der GmbH zu berücksichtigen.518 b. Die auf die natürliche Person ausgerichtete Gesamtbetrachtung in der Belastungswirkung Im derzeit geltenden519 Recht wird die Berücksichtigung abhängig von der persönlichen Situation des Gesellschafters unterschiedlich geregelt. Die Belastung mit Körperschaftsteuer auf Ebene der Kapitalgesellschaft wird bei einer natürlichen Person als Gesellschafter durch das Teilein­ künfteverfahren520 anerkannt, wenn die Anteile im Betriebsvermögen gehalten werden: Diese Dividendeneinkünfte sind nur zu 60 Prozent steuerpflichtig (§ 3 Nr. 40 S. 1 lit. d-h EStG) und unterliegen nur insoweit dem jeweiligen (progressiven) Steuertarif des Anteilseigners. Hält die na­ türliche Person die Anteile im Privatvermögen, werden die Bezüge aus den Anteilen aus der synthetischen Einkommensbesteuerung ausgenom­ men; hierauf wird (in vollem Umfang) die Kapitalertragsteuer mit dem reduzierten Steuersatz von 25 Prozent angewendet (§ 3 Nr. 40 S. 2, § 32d Abs. 1 S. 1 EStG). Eventuell zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften werden neutralisiert: § 8b KStG stellt in seinen ersten beiden Absätzen die Dividenden und Veräußerungsgewinne zwischen zwei Kapitalgesell­ schaften (weitgehend) und im Grundsatz frei, so dass stets effektiv nur auf die (eine) am Markt tätige Kapitalgesellschaft und die dahinter ste­ henden natürlichen Personen abgestellt wird. Seit März 2013 wird aber in § 8b Abs. 4 KStG für Streubesitzdividenden (Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals) diese Freistellung zurück­ genommen. Die Rückausnahme ist die gesetzgeberische (Über-521) Reak­ 517 Siehe oben, S. 100 ff. 518 Vgl. die Nachweise oben bei Fn. 510. Dorenkamp, FS BFH Bd. II (2018), S. 1349 (1355) sieht diese Berücksichtigung als „Limitierung“ des Trennungsprinzips. 519 Als „derzeitig“ wird hier der Zeitraum seit 2000 gesehen, als der Übergang zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren vollzogen wurde. Ausführlich (und kritisch) zum zwischen 1977 und 2000 geltenden Anrechnungsverfahren Raupach, DStJG Bd. 20 (1997), S. 21 sowie das daran anschließende Koreferat von Sarrazin. 520 Ausführlich zum (technisch gleichen) Halbeinkünfteverfahren Desens, Halbein­ künfteverfahren (2004). 521 So die einhellige Literaturmeinung, vgl. nur Herlinghaus, FR 2013, S. 529 (531); Ortmann-Babel/Bolik/Zöller, SteuK 2013, S. 89; Benz/Jetter, DStR 2013, S. 489; Schönfeld, DStR 2013, S. 937; Grefe, DStZ 2013, S. 573; Intemann, BB 2013,

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

tion auf ein EuGH-Urteil, das in einer Nichterstattung von einbehalte­ ner Kapitalertragsteuer bei Ausschüttung von Streubesitzdividenden in Nicht-­EU-/EWR-Staaten nach §§ 43b, 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit erblickte.522 EU-/EWR-Auslän­ der konnten sich die Kapitalertragsteuer erstatten, Steuerinländer nach Maßgabe des § 31 Abs. 1 KStG und § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anrechnen lassen. Nunmehr müssen Streubesitzdividenden unabhängig von der An­ sässigkeit der empfangenen Körperschaft versteuert werden. Wie sich aber schon aus der Ausgestaltung als Ausschlusstatbestand und vor al­ lem der Aussparung der Veräußerungsgewinne ergibt, ist § 8b Abs. 4 KStG nicht als Paradigmenwechsel, sondern als Fremdkörper im System der Körperschaftsbesteuerung zu verstehen.523 Dies gilt umso mehr, als auch knapp sechs Jahre nach der Einführung des § 8b Abs. 4 KStG n.F. trotz der Prüfbitte des Bundesrates noch keine vergleichbare Regelung für Veräußerungsgewinne eingeführt wurde.524 Es verbleibt bei der Grundaussage des § 8b Abs. 1–2 KStG, wonach die Belastungsbetrach­ tung auf die einzelne, natürliche Person als ultimativen Eigentümer zu radizieren ist.

S. 1239; Haisch/Helios, DB 2013, S. 724; Kusch, NWB 2013, S. 1068; Joisten/Vossel, FR 2014, S. 794; Hechtner/Schnitger, Ubg 2013, S. 269, alle mit Nachweisen zu alternativen und diskutierten Reaktionsmöglichkeiten auf das EuGH-Urteil. 522 EuGH, Urt. v. 20.10.2011, Az. Rs. C-284/09 (Kommission/Deutschland), in Slg. 2011, I-9879. 523 So auch ausführlich Herlinghaus, FR 2013, S. 529 (533). Vgl. auch Intemann, BB 2013, S. 1239 (1240); Grefe, DStZ 2013, S. 573 (581); Benz/Jetter, DStR 2013, S. 489 (492); Hey, KSzW 2013, S. 353; Gosch in Gosch, KStG, 3. Aufl. (2015), § 8b Rn. 287b. Deshalb wird als „Reparatur“ auch die Anwendung des Teileinkünfte­ verfahrens vorgeschlagen, vgl. dazu Joisten/Vossel, FR 2014, S. 794 m.w.N. Dage­ gen aber m.w.N. Maciejewski/Rehr, DStR 2015, S. 1481. FG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 06.04.2017, Az. 1 K 87/15, EFG 2017, S. 1117 (Rev. eingelegt (Az. des BFH: I R 29/17)) hält § 8b Abs. 4 KStG ebenfalls für eine nicht folgerichtige Ausgestaltung der in § 8b Abs. 1 und 2 KStG zum Ausdruck kommenden Grundentscheidung des Gesetzgebers zur Vermeidung von Kumula­ tionseffekten in Beteiligungsstrukturen. Die Regelung entspricht zudem nicht dem Gebot steuerlicher Lastengleichheit im Sinne einer gleich hohen Besteuerung bei gleicher Leistungsfähigkeit. Eine Verfassungswidrigkeit wird aber nicht bejaht, da die Abgrenzung der Besteuerungshoheit zu anderen Staaten (Mutter-Toch­ ter-Richtlinie) und die Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG einen vom Gesetzge­ ber zu lösenden Zielkonflikt begründen, für den keine eindeutige Lösung vorgege­ ben ist. 524 BR-Drs. 432/14, S. 50. Ausführlich dazu Gosch in Gosch, KStG, 3. Aufl. (2015), § 8b Rn. 287b; Reformvorschläge des BMF (Diskussionsentwurf zum InvStRefG), die auch Veräußerungsgewinne bei Streubesitzanteilen für die Zeit ab 01.01.2018 vorsahen (vgl. Rogall/Dreßler, BB 2015, S. 2009; Bron, Stbg 2015, S. 391; Kotten/ Heinemann, DStR 2015, S. 1889), wurden aber nicht weiter verfolgt.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Das geltende Recht hat sich somit zunächst pragmatisch,525 später mit mehr Überzeugung526 für eine Gesamt- bzw. Einheitsbetrachtung von Ka­ pitalgesellschaft und ihren Anteilseignern entschieden, und in der Ge­ samtbelastung – mit Ausnahme eben der Fälle des § 8b Abs. 4 EStG 2013 – weitestgehend eine Belastungsgleichheit hergestellt. Hinfällig ge­ worden sind damit Stimmen vorwiegend im älteren Schrifttum: Es wird dort zunächst bestritten, dass die Belastung der Kapitalgesellschaft und die Belastung der Kapitalgesellschafter eine wirtschaftliche Doppelbelas­ tung darstellt.527 Soweit eine wirtschaftliche Doppelbelastung angenom­ men wird, wird dann teilweise eine Rechtfertigung hierfür gesehen: zum einen, weil die Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern ein Mehr an Leistungsfähigkeit (auch und gerade im Vergleich zur Personengesell­ schaft) bietet;528 zum anderen, weil der Staat für einen besonderen wirt­ schaftlichen und rechtlichen Rahmen sorgt (äquivalenztheoretische Rechtfertigung).529 In der heute herrschenden Literatur wird die Gesamtbetrachtung zu Grunde gelegt.530 Dabei wird die Drohung einer wirtschaftlichen Doppel­ 525 Das Fehlen einer bewussten dogmatischen Grundlage kann in Gesetzesbegründun­ gen wie BT-Drs. 7/1470, S. 326 festgestellt werden: „Ausschließlich […] Zweck­ mäßigkeitserwägungen“ veranlassen den Gesetzgeber zu Maßnahmen gegen die wirtschaftliche Doppelbelastung, eine Pflicht zur Beseitigung wird 1977 (noch) nicht gesehen; siehe weitere Nachweise in Gesetzesbegründungen bei Englisch, Dividendenbesteuerung (2005), S. 120 Fn. 104 f. Für die pragmatische, eher an wirtschaftspolitischen als an systematischen Zielen orientierte Herangehenswei­ se in der Gesetzgebung von 1920 bis in die 1960er Jahre siehe Ruppe, Steuerliche Doppelbelastung der Körperschaftsteuergewinne (1967), S. 51 ff. 526 BT-Drs. 14/2683, S. 133 f.: „Eine sachgerechte Besteuerung nach der Leistungsfä­ higkeit ist […] nur dann gewährleistet, wenn die Belastungsunterschiede zwischen den Unternehmensformen lediglich dadurch bedingt sind, dass die Leistungsfähig­ keit des Steuerpflichtigen in einer bestimmten Unternehmensform anders ist“ [Hervorhebung durch den Verfasser] – ein Bekenntnis zur Rechtsformneutralität und zur Gesamtbetrachtung, ausgerichtet auf die natürliche Person als Anteilseig­ ner. So auch Pezzer, DStJG Bd. 25 (2002), S. 37 (47); Möhlenbrock, DStJG Bd. 33 (2010), S. 339 (347 ff.). 527 Das Bestreiten der wirtschaftlichen Doppelbelastung ist verknüpft mit der Frage, ob die Kapitalgesellschaft eine Leistungsfähigkeit hat, die sich von der ihrer Ge­ sellschafter unterscheidet. Dazu mehr unten, S. 129 ff. 528 Weber, JZ 1980, S. 545 (549): „Es kann nicht der geringste Zweifel bestehen, dass ein und dasselbe Unternehmen mit denselben Kennziffern in der Rechtsform der AG erheblich stärker ist als in der Rechtsform der OHG“. 529 Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. (2003), S. 1169 ff.; Birk, StuW 2000, S. 328 (333); für die herrschende, gegenläufige Literaturansicht siehe die Nachwei­ se bei Fn. 538. 530 Vgl. etwa die Berechnungsübersichten bei Rödder, Beihefter zu Heft 40, DStR 2007, S. 2 (3) und Kusch, NWB 2013, S. 1068 (1075) oder auch im älteren Schrift­ tum schon Greif, Wirtschaftlichen Auswirkungen des Anrechnungsverfahrens (1977), S. 11, 59 ff.; Schneider, StuW 1975, S. 97 (99), die stets die Gesamtbelas­ tung des Gewinns der Kapitalgesellschaft beim Anteilseigner berechnen. Ebenso

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

belastung, verstanden als die Besteuerung desselben Besteuerungssub­ strats durch vergleichbare Steuern bei unterschiedlichen Steuersubjek­ ten,531 an bei der Dividendenzahlung als Schnittstelle gesehen. Eine wirtschaftliche Verselbstständigung der Kapitalgesellschaft mag zwar gerade bei großen Publikumsgesellschaften plausibel erscheinen, doch dient auch deren Tätigwerden primär dem Ziel, das Vermögen der Ge­ sellschafter zu mehren, sei es durch laufende Ausschüttungen, sei es durch einen Liquidationserlös.532 Dass ein Liquidationserlös für den kon­ kreten, momentanen Privatanleger angesichts der langen Lebensdauer einer großen Publikumsgesellschaft unwahrscheinlich ist, ändert daran nichts: Ein Vorgriff hierauf findet bei der Veräußerung eines Anteils in Form eines höheren Verkaufspreises statt.533 Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass der Gewinn der Gesellschaft und Ausschüttungen an die Gesellschafter das gleiche Besteuerungssubstrat darstellen.534 Auch das Bundesverfassungsgericht befürwortet diese auf die natürliche Person ausgerichtete Gesamtbetrachtung, hält sie aber nicht in allen Entschei­ dungen für zwingend. In seiner sog. Schwarzwaldklinik-Entscheidung535 (zum Umsatzsteuerrecht) fordert es eine aus Sicht der natürlichen Person rechtsformunabhängige Besteuerung für Tätigkeiten am Markt.536 Es stellt aber in seiner Entscheidung zu § 8b KStG auch fest, dass die Besei­ tigung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung in erster Linie eine fi­ nanz- und wirtschaftspolitische Entscheidung des Gesetzgebers ist, der von Verfassungs wegen nicht daran gehindert sei, für die Beantwortung der Frage, ob bei einem Unternehmen ein grundsätzlich steuerbarer Leis­ tungszuwachs eingetreten ist, an die rechtliche Selbständigkeit der Kapi­ talgesellschaft anzuknüpfen.537 Nicht mehr rezipiert ist hingegen die An­ Raber, DB 1999, S. 2596 (2598 f.). Mit etwas mehr Pathos Kirchhof, StuW 2002, S. 185 (188): „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, auch in der Bemessung der ge­ rechten Steuer“. Vgl. auch Seiler, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag (2006), S. 44. 531 Die Definition ist vor allem auch relevant bei Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA); siehe daher die Definitionsansätze im Internationalen Steuerrecht, etwa bei Vogel, DStZ 1997, S. 269 (276). 532 Jachmann, DStJG Bd. 23 (2000), S. 9 (16 ff.); Schipporeit, StuW 1980, S. 190 (196); Schneider, StuW 1975, S. 97 (101 ff.). Zur vorgeschlagenen Differenzierung im Körperschaftsteuerrecht zwischen Publikums-AG und personal geprägter GmbH siehe die Nachweise oben in Fn. 504. 533 Englisch, Dividendenbesteuerung (2005), S. 124. 534 Englisch, Dividendenbesteuerung (2005), S. 124; Schneider, StuW 1975, S. 97 (101). 535 BVerfG, Beschluss v. 10.11.1999, Az. 2 BvR 2861/93 (Schwarzwaldklinik), in BVerf­ GE 101, S. 151. 536 Ebenda Rz. 10 [zit. nach juris – Anführungszeichen auch im Original]: Das Bundesverfassungsgericht stützt sich dabei auf den Wortlaut von Art. 3 GG, der eine Gleichbehandlung „aller Menschen“ vor dem Gesetz verlangt. 537 BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010, Az. 1 BvL 12/07 (Schachtelstrafe), in BVerfGE 127, S. 224 Rz. 61 [zit. nach juris]. Drüen, GmbHR 2008, S. 393 (397) zweifelt da­

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sicht, dass die Kapitalgesellschaft die Rechtsordnung mehr in Anspruch nehmen würde als andere Marktteilnehmer.538 Die heutige Steuerrechtswissenschaft befindet sich damit im Gleichklang mit der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre.539 Die Kapitalgesellschaft ist zwar selbst leistungsfähig, doch wird ihre Leistungsfähigkeit nur als ein Widerhall der Leistungsfähigkeit der Gesellschafter gesehen, deren Dividenden durch die Gesellschaft erwirtschaftet werden.540 Bezugspunkt der Unternehmensbesteuerung ist die natürliche Person als Anteilseig­ ner. Die Kapitalgesellschaft ist – wie auch die gesetzlichen Regelungen zur Organisationsverfassung der GmbH zeigen541 – jedenfalls hinsichtlich der gesetzgeberischen Entscheidung zur Belastungswirkung ein bloßes In­ termedium für das Tätigwerden der natürlichen Personen am Markt. Ist also die natürliche Person Bezugspunkt der Belastungsentscheidung, und wird die Natur der Vorläufigkeit542 der Belastung des Besteuerungs­ substrats durch Körperschaftsteuer zu Recht festgestellt, dann ist das Trennungsprinzip letztendlich stark relativiert.543 Wenn im Unterneh­ menssteuerrecht die zentrale Frage die Belastung des Unternehmers, also der hinter dem Unternehmen stehenden natürlichen Person ist, so ist der Konnex zwischen Besteuerung der Kapitalgesellschaft und Handlung der Gesellschafter kein absoluter Fremd-Körper. c. Sukzessive Aufweichungen des Trennungsprinzips Die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbelastung desselben Besteu­ erungssubstrates ist das deutlichste, aber nicht das einzige Anzeichen für her an der Übertragbarkeit der sog. Schwarzwaldklinik-Entscheidung, die im Um­ satzsteuerecht erging, auf die direkten Steuern. Deutlich gegen die Annahme der Beliebigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung aber Hey, FR 2012, S. 994 (996). Vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 21.06.2006, Az. 2 BvL 2/99 (Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte), in BVerfGE 116, S. 164 Rz. 117 ff. [zit. nach juris]. 538 Ausführlich gegen diese Ansicht Englisch, Dividendenbesteuerung (2005), S. 124 ff.; Pezzer, DStJG Bd. 20 (1997), S. 5 (10); Schneider, StuW 1975, S. 97 (104); Ruppe, Steuerliche Doppelbelastung der Körperschaftsteuergewinne (1967), S. 126 f. 539 König/Wosnitza, Betriebswirtschaftliche Steuerplanungs- und Steuerwirkungsleh­ re (2004), S. 3; Schmidt/Terberger, Grundzüge der Investitions- und Finanzierungs­ theorie, 4. Aufl. (2006), S. 40; Hundsdoerfer/Kiesewetter/Sureth, ZfB 2008, S. 61 (68 ff.); Schreiber/Stiller, StuW 2014, S. 216 (217) m.w.N. 540 Englisch, Dividendenbesteuerung (2005), S. 128; Herzig, StuW 1990, S. 22 (31); Wöhe, ZfbF 1971, S. 502 (507); Schipporeit, StuW 1980, S. 190 (196); Döllerer, BB 1983, S. 1. 541 Siehe oben, S. 100 ff. 542 Begriff nach Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa (1997), S. 256; mehr zur Vorläufigkeit (der Leistungsfähigkeit) sogleich unten, S. 130. 543 Kirchhof, DStJG Bd. 25 (2002), S. 1 (2): „Die rechtfertigende Kraft gesellschafts­ rechtlicher Verselbständigungen zu einer Körperschaft für eine steuerliche Dop­ pelbelastung ist infrage gestellt“.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

eine Relativierung des Trennungsprinzips. Traditionell wird dabei vor allem die Organschaft als Durchbrechung benannt.544 In jüngerer Vergangenheit werden jedoch vermehrt weitere Durchbre­ chungen und Aufweichungen des Trennungsprinzips festgestellt.545 Ne­ ben den weiter oben aufgeführten Referenzfällen sind dies etwa ein strenges Korrespondenzprinzip bei der Besteuerung von verdeckten Ge­ winnausschüttungen, verdeckten Einlagen und disquotalen Einlagen in Kapitalgesellschaften. So wird durch ein Korrespondenzerfordernis im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage das Trennungsprinzip relativiert:546 § 8b Abs. 1 S. 2 KStG auf Ebene der Kapitalgesellschaft und § 3 Nr. 40 S. 1 lit. d S. 2 EStG auf Ebene der Gesellschafter sehen eine korrespondierende Besteuerung vor. Nur wenn der ausgeschüttete Betrag tatsächlich die Bemessungsgrundlage der ausschüttenden Kapitalgesell­ schaft nicht gemindert hat, greifen die entsprechenden Freistellungen. § 32a KStG ermöglicht dies prozedural und betrifft Änderungen bei der Bestandskraft des Steuerbescheids eines Gesellschafters, wenn im Rah­ men einer Betriebsprüfung bei der Gesellschaft eine verdeckte Gewinn­ ausschüttung festgestellt wird. Dabei handelt es sich zwar um nicht um einen Fall der Fremdbestimmung in dem hier verstandenen Sinne, den­ noch wird verfahrensrechtlich das Trennungsprinzip überspielt.547 Ein weiteres Beispiel für die Abschwächung des Trennungsprinzips ist die Behandlung der disquotalen Einlage im Recht der Schenkungsteuer. Nach § 7 Abs. 8 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmit­ telbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft er­ langt.548 Damit wird letztlich das Verhältnis der Kapitalgesellschaft so­ wohl zum Zuwendenden als auch zum Bedachten ignoriert. Ein Ereignis auf Gesellschaftsebene (disquotale Einlage durch den Zuwendenden) be­ trifft materiell unmittelbar einen unbeteiligten Gesellschafter, wenn­ gleich formell nur an die Werthöhung von dessen Anteil angeknüpft wird. 544 Dazu schon oben, S. 94 ff. 545 Eine Aufzählung findet sich bei Böhmer, StuW 2012, S. 33 (35 ff.). 546 Ausführlich hierzu Böhmer, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei beherrschen­ den Gesellschaftern (2011). 547 Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1944): „Transparenz trotz Intranspa­ renz“; Siehe auch die Nachweise bei Böhmer, StuW 2012, S. 33 (36) Fn. 40. 548 Die Vorgeschichte der Norm wird ausführlich dargestellt bei Friz/Grünwald, FR 2012, S. 911; Schulte/Petschulat, IFSt-Schrift Nr. 484 (2013), S. 21 ff. Zur disquota­ len Gewinnverteilung als Gestaltungs- bzw. Entschädigungsmittel bei § 8c KStG siehe Waitz, BB 2010, S. 2535.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Ebenfalls prominent – allerdings außerhalb des gesetzten Rahmens dieser auf Ertragsteuern fokussierten Arbeit549 – sind die Änderungen im Grund­ erwerbsteuerrecht. In dem zum 1. Januar 2020 wohl geltenden § 1 Abs. 2b GrEStG wird fingiert, dass mit dem Wechsel von 90 Prozent der Anteile an einer Kapitalgesellschaft eine Veräußerung des Grundbesitzes statt­ findet:550 Die „alte“ Kapitalgesellschaft veräußert an die „neue“ Kapital­ gesellschaft. Damit wird die bisherige, in § 1 Abs. 3 GrEStG bestehende erwerberzentrierte Betrachtung entscheidend aufgeweicht. Auch wenn die Gesetzesänderung im Namen der Missbrauchsverhinderung erfolgt, ist sie jedenfalls in dieser Teilrechtsordnung ein Schritt weg vom Tren­ nungsprinzip. Schließlich ist noch auf § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG hinzuweisen, der die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung ausschließt, wenn der Mehrheitsgesellschafter eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist und Dauerverluste übernimmt. Erfasst sind vor allem defizitäre Gm­ bHs der kommunalen Daseinsvorsorge. Hier wird das Trennungsprinzip zu Subventions- bzw. Lenkungszwecken durchbrochen.551 d. Zwischenergebnis Ungeachtet all dieser Aufweichungen liegt kein Paradigmenwechsel vor:552 Das Trennungsprinzip gilt im derzeitigen Steuerrecht weiterhin. Entscheidend ist schließlich, dass die Kapitalgesellschaft Subjekt der Einkünfteerzielung und -ermittlung sowie Steuerschuldner ist. Zugleich ist aber auch deutlich, dass die Kapitalgesellschaft nur die erste von zwei Stufen bei der Besteuerung des gleichen Steuersubstrats ist. Das Teilein­ künfteverfahren und der (noch weitgehend intakte) § 8b KStG sind hier­ für Beleg. Oftmals wird dabei eine der beiden Aussagen als Argument in der steuer­ politischen bzw. verfassungsrechtlichen Diskussion gegen die Zulässig­ keit einer Regelung angeführt, die Beleg der anderen Aussage ist. So wird etwa im Schrifttum bei den Referenzfällen und dort insbesondere bei § 8c KStG hervorgehoben, dass die Kapitalgesellschaft ohne ihre Gesell­ schafter zu sehen ist. Hingegen werden die Organschaft oder andere das Trennungsprinzip aufweichende Regelungen nicht als solche problema­ tisiert; vielmehr sind sie Ausdruck einer gebotenen wirtschaftlichen Be­ 549 Siehe oben unter S. 9. 550 BR- Drs. 355/19, S. 7. 551 So auch Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1947). 552 Böhmer, StuW 2012, S. 33 (40 ff.); Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1949). Im Kontext von § 8c KStG so feststellend Drüen, Ubg 2009, S. 23 (28); Hans, FR 2007, S. 775 (780); Jochum, FR 2011, S. 497 (503); Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), S. 60; Röder, StuW 2012, S. 18 (29); zweifelnd van Lishaut, FR 2008, S. 789 (790).

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

trachtungsweise.553 Der Gesetzgeber hingegen durchbricht fiskalisch mo­ tiviert mit § 8b Abs. 4 KStG 2013554 zumindest teilweise die eigene Grundentscheidung für die Anerkennung der steuerlichen Belastung auf zwei Stufen, weil nun Bedingungen an die Freistellung geknüpft werden. Trennung einerseits, Anerkennung der Zweistufigkeit bei identischem Steuersubstrat andererseits sind letztlich die beiden Kräfte (und Schlag­ worte) im Spannungsfeld der Kapitalgesellschaft und ihrer Anteilseigner, die in der konkreten Ausgestaltung des Unternehmenssteuerrechts wir­ ken und in der Frage kulminieren, welche Form und welcher Grad von Transparenz bei Kapitalgesellschaften rechtspolitisch gewollt ist.555 Ob also Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter nun eine Einheit bilden oder ob sie zueinander fremd sind, lässt sich im geltenden Recht nicht (mehr) eindeutig beantworten. 4. Versuche einer deduktiven Herleitung des Trennungsprinzips Das Trennungsprinzip als Beschreibung des Verhältnisses zwischen Ka­ pitalgesellschaft und Gesellschaftern lässt sich aber nicht nur als Auf­ nahme einer zivilrechtlichen Grundentscheidung verstehen, sondern auch als Umsetzung von Vorgaben aus höherrangigem Recht. Ohne den Vorga­ ben des höherrangigen Rechts an die fremdbestimmten Steuerwirkungen im Allgemeinen vorzugreifen,556 lassen sich doch zwei deduktive Herlei­ tungen für die Fremdheit von Kapitalgesellschaft zu Gesellschaftern er­ wägen: aus der Finanzverfassung und aus dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. a. Materieller Gehalt der Kompetenznormen der Finanzverfassung Art. 106 GG Abs. 3 S. 1 GG spricht von der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer. Daraus folgert – in einem Nebensatz und etwas ver­ steckt – das FG Hamburg,557 dass der einfache Gesetzgeber zur Schaffung eines Trennungsprinzips aufgerufen ist.558 Die Aktivierung eines derarti­ gen Arguments in der Debatte um § 8c KStG unterstellt, dass sich mit 553 Auf diese Diskrepanzen in der von Beratern dominierten Literatur weist auch schon Böhmer, StuW 2012, S. 33 (41 f.) hin. 554 Dazu bereits S. 118 ff. 555 So gelangen nach ähnlichen Analysen Böhmer, StuW 2012, S. 33 (40 ff.) und Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1949) zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen: Ersterer möchte mehr Trennung, letzterer mehr Transparenz. Für weniger Transparenz, auch bei Personengesellschaften, Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 320. 556 Dazu unten, S. 247 ff. 557 FG Hamburg a.a.O, Rz. 65; wörtlich zitiert oben, S. 58 ff. 558 So auch Drüen, GmbHR 2008, S. 393 (399); Drüen, StuW 2008, S. 3 (7 f.); Böhmer, StuW 2012, S. 33 (34), die allesamt Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG thematisieren. Für Reimer, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1477 (1487) enthält die Kompetenzordnung

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

der Bezugnahme auf Gesellschafterhandlungen die jeweiligen Normen des Körperschaftsteuerrechts materiell in solche des Einkommensteuer­ rechts wandeln, was letztlich das Ende des verfassungsrechtlich festge­ schriebenen Nebeneinanders von Einkommen- und Körperschaftsteuer und damit einen Verfassungsverstoß darstellen würde. Die Ableitung materieller Anforderungen an das Steuerrecht aus den Vorschriften der Finanzverfassung mag auf den ersten Blick überraschen, trifft die Finanzverfassung doch primär nur Aussagen zur Steuergesetz­ gebungs- und Ertragskompetenz. Allerdings lassen sich auch hier weit­ gehende Folgen eines Verstoßes erkennen: Zum einen lässt sich seit der Elfes-Entscheidung559 des Bundesverfassungsgerichts eine Überwirkung einer Verletzung der Kompetenzordnung in den materiellen Bereich an­ nehmen. Die Verfassungsmäßigkeit jeder Eingriffshandlung und der zu­ grundeliegenden Schrankennorm ist auch im Fall der gerügten Indivi­ dualrechtsverletzung umfassend zu prüfen – also auch die Frage der formellen Verfassungsmäßigkeit des Schrankengesetzes. Zum anderen lässt sich aber auch vorstellen, dass Rechtsfolge eine Umdeutung der Körperschaftsteuer in eine Form der Einkommensteuer ist, die wegen Art. 106 Abs. 5 GG mit gravierenden Folgen für die Aufkommensvertei­ lung zu Lasten des Bundes und der Länder, und zu Gunsten der Gemein­ den560 einhergeht. Ob die Bezugnahme auf Gesellschafterhandlungen die Eigenschaft der Norm als einer des Körperschaftsteuerrechts entfallen lässt, hängt von den verfassungsrechtlichen Vorgaben ab, die ein Einzelsteuerbegriff561 wie der der Körperschaftsteuer macht. Der extremste Diskussionsraum hierfür ist das Problem des Steuererfindungsrechts.562 Dabei stehen am der Finanzverfassung nur die Aussage, dass eine strikte Rechtsformneutralität ver­ fassungsrechtlich nicht geboten ist. 559 BVerfG, Urt. v. 16.01.1957, Az. 1 BvR 253/56 (Elfes), in BVerfGE 6, S. 32. 560 Zwar steht das Aufkommen aus beiden Steuern nach Art. 106 Abs. 3 S. 1–2 GG Bund und Ländern gleichermaßen und zu gleichen Teilen zu, allerdings wird nur von der Einkommensteuer nach Art. 106 Abs. 5 S. 1 GG, § 1 Gemeindefinanzre­ formgesetz (BGBl I 2009, S. 502) ein bestimmter Prozentsatz (zwischen 12 und 15 Prozent) direkt an die Gemeinden weitergeleitet. Das Argument des Steuerwandels mit Implikationen für den Finanzausgleich wird bislang nur im Verhältnis von Einkommen- zu Umsatzsteuer (für den Fall eines zu weitgehenden Abzugsverbots) vertreten, etwa bei Vogel/Waldhoff, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts (1999), Rz. 519; Drüen, StuW 2008, S. 3; Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), S. 513 (524); Schön, StuW 1995, S. 366 (368). 561 Mit normhierarchischen Argumenten für einen eigenen Inhalt der Finanzverfas­ sungsbegriffe Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmä­ ßigkeit der Verfassung (1964), S. 35 f.: „Nie dürfen also Finanzverfassungsbegriffe im Zweifel niederrangig erfüllt werden“. 562 Ausführlich hierzu Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuerge­ setzgebung (1997), S. 184 ff.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

jeweiligen Ende des Meinungsspektrums „Konservative“ und „Progressi­ ve“: Während die „Konservativen“ vertreten, dass mit der Schaffung des Grundgesetzes die wesentlichen Grundzüge des 1949 geltenden Steuer­ rechts zum Verfassungsrecht erhoben und damit konserviert wurden563, wollen progressivere Stimmen eventuelle Reformvorschläge im einfa­ chen Recht verwirklichen können.564 Sofern man eine uneingeschränkte Steuererfindungsfreiheit des Gesetz­ gebers auf Bundesebene bejaht, wird man auch für einen stärkeren Ge­ sellschaftereinbezug keine Restriktionen aus der Finanzverfassung ent­ nehmen. Nimmt man hingegen mit der heute herrschenden Meinung einen vermittelnden Standpunkt ein und versteht die Einzelsteuerbe­ zeichnung verfassungsrechtlich eigenständig als Verweis auf historisch bestimmte Steuertypen565 einerseits, aber mit gebotener Vorsicht ange­ sichts der großen Unschärfe der Begriffe andererseits, dann können diese Typenbezeichnungen nur die äußersten Grenzen darstellen, die über­ schritten werden, wenn die Essentialien der jeweiligen Steuer geändert werden.566 Werden Gesellschafterhandlungen im Rahmen der Besteuerung einer Ka­ pitalgesellschaft unter bestimmten Umständen berücksichtigt und dabei die grundsätzliche Besteuerung der Kapitalgesellschaft beibehalten, dann werden nicht die Essentialien der Körperschaftsteuer berührt. Ein stetes Problem der Besteuerung von Körperschaften war seit jeher die Gefahr einer wirtschaftlichen Doppelbelastung auf beiden Ebenen, die spätes­ tens seit den 1920er Jahren auch als solche anerkannt wurde.567 Bis 1953 563 Nach Wacke, Finanzwesen der Bundesrepublik (1950), S. 64, sind die bisherigen Steuern in Bestand, Charakter und Relation zueinander durch die Bezugnahme im Grundgesetz auf die Ebene des Verfassungsrechts erhoben; Wacke, DÖV 1955, S. 577 (579): „Das bisherige Steuersystem [ist] verfassungskräftig festgelegt“. Nach Waldhoff, FS Spindler (2011), S. 853 (875) ist die Meinung Wackes mittlerweile als Irrweg erkannt worden. 564 Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. III, 2. Aufl. (2012), S. 1353 ff. Im Ergebnis auch Palm, Person im Ertragsteuerrecht (2013), S. 556. 565 Vogel/Waldhoff, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts (1999), Rz. 578; Vogel, StuW 1971, S. 308 (313 ff.); Drüen, GmbHR 2008, S. 393 (399); Jachmann-Michel/ Vogel in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. (2018), Art. 105 Rn. 33; Isensee in Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 35; Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung (1997), S. 187 Fn. 34 mit Hinweisen auf die Ausprägungen der verschiedenen Einzelsteuerbegrif­ fe; Wernsmann, StuW 2018, S. 100 (102). Ausführlich zum Typusbegriff Isensee, Typisierende Verwaltung (1976), S. 69 ff. 566 Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung (1997), S. 187; Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz (1973), S. 64. 567 Ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung der Körperschaftsbesteuerung Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. (1993), S. 558 ff. m.w.N.; Knobbe-Keuk, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz (1992), S. 737 (739 ff.); Desens, Halbeinkünfteverfahren (2004), S. 25 ff.; Seer, GmbHR 2009, S. 1036.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

schwankte dabei die Gesetzgebung zwischen der bewussten und gerecht­ fertigten Doppelbelastung568 und Versuchen der Beseitigung der wirt­ schaftlichen Doppelbelastung, teilweise durch niedrigere Steuersätze, teilweise durch andere Techniken. Seit 1953 wurde die Doppelbelastung wieder als zu beseitigendes Problem gesehen und der Körperschaftsteuer­ satz für ausgeschüttete Gewinne gemindert.569 Dies gilt insbesondere seit der Einführung des Anrechnungsverfahrens in den Jahren von 1977 bis 2000 und dem seitdem geltenden Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren.570 Der Gesetzgeber respektierte die Grundentscheidung für eine eigene Be­ steuerung der Körperschaften, ist sich aber des Umstands bewusst, dass hinter jeder Kapitalgesellschaft eine weitere Ebene besteht. Insofern wur­ de auch bei den gerade beschriebenen großen Systemwechseln 1977 und 2000 nicht ernsthaft von einer „Denaturierung“ des Steuertyps Körper­ schaftsteuer gesprochen.571 Die Grundentscheidung für eine rechtsform­ abhängige Besteuerung bleibt damit aufrechterhalten; ob und inwieweit diese aber konsequent durchgesetzt ist, bleibt eine Frage der Folgerichtig­ keit.572 Dennoch lässt sich die Grundentscheidung für die eigene Besteuerung der Kapitalgesellschaft – wenn schon nicht mit dem scharfen Schwert der Kompetenzwidrigkeit – als (einfaches) Argument der Verfassung fruchtbar machen. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass Kompetenznormen durchaus auch materiell zu ver­ stehen sein können (sog. Lehre vom materiellen Kompetenzverständ­ nis573). So wird der Kompetenztitel als Beleg dafür herangezogen, dass ein bestimmtes Verfassungsgut besteht, und dieses sogar als ein gegen­ 568 In den wirtschaftlich schwierigen Kriegs- und Nachkriegszeiten wurde die Thes­ aurierung von Gewinnen als wirtschaftspolitisch wünschenswerte Stärkung der Unternehmen gefördert; vgl. Rasenack, Theorie der Körperschaftsteuer (1974), S. 167 ff. 569 Vgl. die Darstellungen bei Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. (1993), S. 560 f.; Desens, Halbeinkünfteverfahren (2004), S. 53 ff. 570 Zu den verschiedenen, in Deutschland in der Vergangenheit praktizierten Mög­ lichkeiten, wirtschaftliche Doppelbelastung zu vermeiden Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 11 Rz. 8 ff. 571 Selten wurde dies thematisiert. Positiv stellt das Nichtbestehen der Debatte fest: Hidien in Bonner Kommentar, Art. 106 GG Rn. 1450; Rodi, FS K. Vogel (2000), S. 187 (198). Allerdings zweifelte Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1. Aufl. (1993), S. 1093 in Bezug auf das Anrechnungsverfahren, wohl allerdings nur, um seiner Forderung nach der Möglichkeit einer umfassenden Steuerreform durch den einfachen Gesetzgeber Nachdruck zu verleihen: „Wenn man diesen Übergang […] akzeptiert“, dann steht auch Art. 106 GG einer Steuerreform nicht entgegen. Im Ergebnis so für den pauschalierten Abzug der Betriebsausgaben in § 8b KStG BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010, Az. 1 BvL 12/07 (Schachtelstrafe), in BVerfGE 127, S. 224 [zit. nach juris] Rn. 61. 572 So im Ergebnis auch Drüen, GmbHR 2008, S. 393 (401 f.) 573 Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53 (89 ff.); Waldhoff, FS Spindler (2011), S. 853 (875); auch Pestalozza, Der Staat 1972, S. 161; Stettner, Grundfragen einer Kompe­

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

läufiges Verfassungsgut grundrechtseinschränkend wirken kann.574 Auch wird der Kompetenztitel als Argument dafür verwendet, dass ein be­ stimmtes Verhalten des Staates nicht schlechterdings einen nicht zu rechtfertigenden Grundrechtseingriff darstellen kann.575 Dem FG Hamburg ist daher insoweit zuzustimmen, dass die Finanzver­ fassung eine Aussage zum Trennungsprinzip bereithält. Sie besteht da­ rin, dass sie von der Existenz des Prinzips jedenfalls ausgeht und eine rechtsformabhängige Besteuerung grundsätzlich legitimiert.576 Die Be­ zugnahme auf Gesellschafterhandlungen bei der Besteuerung der Gesell­ schaft wird jedoch nicht von der finanzverfassungsrechtlichen Aussage zum Trennungsprinzip erfasst. Die Erwähnung der Körperschaftsteuer in der Finanzverfassung stellt daher in erster Linie eine (noch nicht berühr­ te) Leitplanke für die zukünftige Gesetzgebung und Warnung an sie dar, keine vollständige Denaturierung der Körperschaftsteuer herbeizufüh­ ren. In erster Linie dient dieses Gebot aber der Wahrung der Interessen der Steuergläubiger, da von dem Charakter der erhobenen Steuer die Ver­ teilung aus deren Aufkommen abhängt.577 b. Herleitung aus der Rechtsquelle Leistungsfähigkeitsprinzip Das FG Hamburg hat in seinem Vorlagebeschluss festgestellt, dass die Kapitalgesellschaft ihre Vermögenssphäre gegenüber ihren Anteilseig­ nern abschirmt. Infolgedessen entsteht bei ihr eine eigenständige Leis­ tungsfähigkeit,578 die sich von der Leistungsfähigkeit der Gesellschafter unterscheidet. Nach Ansicht des FG Hamburg hat der Gesetzgeber daher die Möglichkeit, diese Leistungsfähigkeit von der individuellen und sub­ jektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen abzutrennen, und diese unabhängig zu besteuern.579 Besteht tenzlehre (1983); Rodi, Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem (1994), S. 151–154, dort insb. Fn. 118 m.w.N. 574 Vgl. BVerfG, Urt. v. 26.05.1970, Az. 1 BvR 83, 244 und 345/69 (Wehrpflichturteil), in BVerfGE 28, S. 243 (261): Funktionsfähigkeit der Bundeswehr, hergeleitet aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG. 575 Siehe etwa BVerfG, Urt. v. 11.06.1958, Az. 1 BvR 596/56 (Apothekenurteil), in BVerfGE 7, S. 377 (401). So wurde der eingeschränkte Berufszugang für Apotheker (auch) aus der Kompetenz für das Apothekenwesen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG hergeleitet. Ausführlich zur Möglichkeit der Einschränkung von Grundrechten durch Kompetenzregelungen: Selk, JuS 1990, S. 895 mit zahlreichen Nachweisen. 576 So auch Reimer, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1477 (1487). 577 Vgl. oben in Fn. 560. 578 Zur Herleitung des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe ausführlich unten, S. 248 ff. 579 FG Hamburg, Beschluss v. 04.04.2011, Az. 2 K 33/10, in DStR 2011, S. 1172. Die Aussagen zur Leistungsfähigkeit sind oben wörtlich wiedergegeben, S. 58 ff. Das FG Hamburg nimmt damit teilweise wortgleich Formulierungen auf, die das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit ge­ braucht hatte, etwa in BVerfG, Beschluss v. 21.06.2006, Az. 2 BvL 2/99 (Tarifbe­

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

eine eigene Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft, die auch als sol­ che besteuert wird, dann verbietet es sich, auf Vorgänge jenseits der Ge­ sellschaft abzustellen, denn die Frage, wer Gesellschafter der Kapitalge­ sellschaft ist und wer sie kontrolliert, berührt nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Dies stelle eine möglicherweise un­ zulässige, jedenfalls aber rechtfertigungsbedürftige Durchbrechung des Gedankens einer abgetrennten Leistungsfähigkeit dar. Zwei Fragen wer­ den dabei angesprochen, nämlich erstens, ob eine eigene Leistungsfähig­ keit der Kapitalgesellschaft besteht, und zweitens, was daraus für den Gesetzgeber folgt.580 aa. Eigene – vorläufige – Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft Die erste Frage ist ein historisches Grundproblem des Körperschaftsteu­ errechts581 und eng verknüpft mit der zuvor angesprochenen Problematik der wirtschaftlichen Doppelbelastung von Dividenden.582 Aus diesem Streit heraus hat sich mittlerweile der Konsens herausgebildet, dass im Hinblick auf thesaurierte Gewinne der Kapitalgesellschaft zumindest zeitlich getrennt eine eigene Leistungsfähigkeit entsteht: Hey spricht da­ bei von vorläufiger Leistungsfähigkeit.583 Im älteren rechtswissenschaftlichen, aber auch im aktuellen wirtschafts­ wissenschaftlichen Schrifttum wird die eigene Leistungsfähigkeit der Gesellschaft hingegen verneint (sog. „wirtschaftliche Betrachtungswei­ se“584). Dabei wird auf das gleiche Argument zurückgegriffen, mit dem grundsätzlich das Gebot zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbe­ grenzung für gewerbliche Einkünfte), in BVerfGE 116, S. 164 Rz. 117 ff. [zit. nach juris]; BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010, Az. 1 BvL 12/07 (Schachtelstrafe), in ­BVerfGE 127, S. 224 Rz. 61 [zit. nach juris], und die auch im Schrifttum übernom­ men werden, beispielsweise bei Rengers in Blümich, § 1 KStG Rn. 10. 580 Zur Bedeutung des Trennungsprinzips bei der Auslegung des KStG Dorenkamp, FS BFH Bd. II (2018), S. 1349; Hohmann, Beschränkung des subjektbezogenen Ver­ lusttransfers im Kapitalgesellschaftsteuerrecht (2017), S. 51, 404. 581 Ausführliche Darstellungen bei Englisch, Dividendenbesteuerung (2005), S. 111 ff.; Seer, Entwicklung der GmbH-Besteuerung (2005), S. 7 ff.; Seer, GmbHR 2009, S. 1036 (1038 ff.); Jachmann, DStJG Bd. 23 (2000), S. 9 (16 ff.); Hey, Harmonisie­ rung der Unternehmensbesteuerung in Europa (1997), S. 246 ff. (mit Rechtsver­ gleich USA); Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1938 f.). 582 Siehe oben, S. 118 ff. 583 Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa (1997), S. 254; so auch: Siegel, DStJG Bd. 25 (2002), S. 191; Hennrichs, StuW 2002, S. 201 (205). Von einer temporären Steuer spricht Uelner, DStJG Bd. 20 (1997), S. 72; von einer tem­ porären Leistungsfähigkeit Drüen, GmbHR 2008, S. 393 (395); im Ergebnis auch schon Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik (1970), S. 132. 584 Formulierung nach Desens, Halbeinkünfteverfahren (2004), S. 5. Reich, Wirt­ schaftliche Doppelbelastung der Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilsinhaber (2000), S. 33 ff. spricht von der „Integrationstheorie“.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

lastung begründet wird:585 Die steuerliche Belastung ist auf die natür­ liche Person zu radizieren. Der maßgebliche Bezug auf die natürliche Person als finaler Anteilseigner und Staatsbürger wird so weit verstan­ den, dass juristische Personen als eigenständige, definitive Träger staat­ licher Lasten nicht infrage kommen.586 Dabei darf freilich nicht überse­ hen werden, dass das Vermögen in der Gesellschaft den Gesellschaftern nicht ohne weiteres zusteht. Ihrer Verfügungsgewalt über den Unterneh­ mensgewinn stehen – selbst bei einem Alleingesellschafter – beachtliche gesellschaftsrechtliche Schranken im Weg.587 Die teilweise vertretene gegenläufige Ansicht, dass die Kapitalgesellschaft wegen dieser Zugriffs­ hürden eine vollkommen eigenständige Leistungsfähigkeit hat, die nichts mit dem Anteilseigner zu tun hat (sog. „rechtliche Betrachtungs­ weise“588) bzw. auf Grund ihrer Sondervorteile als besondere eigene Leis­ tungsfähigkeit gerechtfertigt ist,589 konnte sich dabei aber gleichfalls nicht im Schrifttum durchsetzen.590 Für die Annahme der herrschenden 585 Siehe oben, S. 118 ff. 586 Schon Dietzel, Besteuerung der Actien-Gesellschaften (1859), S. 83 f. stellt fest, dass die „Besteuerung der Gesellschaft bloß die Bedeutung hat, eine zweckmäßige Form für die Besteuerung der Gesellschafts-T[h]eilhaber zu sein“; vgl. auch Flume, StbJb 1973/74, S. 53 (67 ff.); Meichssner, Besteuerung der Kapitalgesellschaftsge­ winne (1982), S. 129 f.; Gutachten der Steuerreformkommission – Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17 (1971), Abschnitt IV KSt Rz. 52 (S. 305) und Rz. 75 (S. 309), jeweils mit Bezugnahme auf eine Gesetzesbegründung im Aktienrecht, BT Drs. IV/171 S. 92 f.: Die Aktionäre seien die wirtschaftlichen Eigentümer des auf ihren Kapitalbeiträgen beruhenden Unternehmens. In diese Richtung auch Stolterfoht, FS L. Schmidt (1993), S. 497 (501 f.); Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 7. Aufl. (2015), § 45=S. 227; Elschen, Institutionale oder personale Besteuerung (1989), S. 354; Haller, StbJb 1970/71, S. 15 (22); Friauf, StuW 1973, S. 97 (107); Wagner, StuW 2000, S. 109 (115); Siegel/Bareis/Herzig/ Schneider/Wagner/Wenger, BB 2000, S. 1269 (1269); Siegloch, StuW 2000, S. 160 (163). Teilweise wird auch auf dieser Grundlage semantisch differenziert: Bei der Kapitalgesellschaft soll nicht ein (Leistungsfähigkeit voraussetzendes) Einkom­ men, sondern ein Ertrag besteuert werden, so Schneider, StuW 1975, S. 97 (102); Schipporeit, StuW 1980, S. 190 (196). Dagegen aber mit zahlreichen Nachweisen Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa (1997), S. 254. 587 Siehe für die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen hierzu oben, S. 112 ff.; für die Zwecke des Steuerrechts wird das positiv festgestellt bei Desens, Halbeinkünfte­ verfahren (2004), S. 354; Hennrichs, StuW 2002, S. 201 (205); Frenz, StuW 1997, S. 116 (124); Tipke, StuW 1989, S. 291 (305); mit diesen Argumenten auch gegen eine „Teilhabersteuer“ bei Kapitalgesellschaften Graß, Unternehmensformneu­ trale Besteuerung (1992), S. 128 f. 588 Formulierung nach Desens, Halbeinkünfteverfahren (2004), S. 5. Reich, Wirtschaft­ liche Doppelbelastung der Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilsinhaber (2000), S. 30 ff. spricht von der „Separationstheorie“. 589 Etwa die amtliche Begründung zum deutschen Körperschaftsteuergesetz von 1920, Drucks. der Deutschen Nationalversammlung Bd. 341, abgedruckt bei Knobbe-­ Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. (1993), S. 560. 590 Vgl. etwa Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa (1997), S. 252.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Meinung, dass bei der Kapitalgesellschaft eine eigene vorläufige Leis­ tungsfähigkeit entsteht,591 ist vor allem das Argument der zeitnahen Er­ fassung von Vermögenszuwächsen entscheidend.592 bb. Grundsätzliche Unzulässigkeit von fremdbestimmten Steuerwirkungen Aus der grundsätzlich vorhandenen, eigenen (vorläufigen) Leistungsfähig­ keit wird u.a. gefolgert, dass der Bezug auf Handlungen der Gesellschafter für Zwecke der Besteuerung der Kapitalgesellschaft unzulässig sei. Diese Folgerung wird mit zwei Argumenten gestützt, die sich teilweise über­ schneiden. Aus der eigenen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, die sich von jener der Gesellschafter unterscheidet, wird zum einen gefolgert, dass sich Gesellschaft und Gesellschafter wie zwei fremde natürliche Perso­ nen gegenüberstehen und in einer solchen Konstellation schließlich auch keine Bezugnahme aufeinander stattfinden darf.593 Diese Aussage ist in ihrer Allgemeinheit schwer mit der Ausgangsthese dieser Arbeit zu ver­ einbaren: Vielmehr gibt es im Steuerrecht eine Vielzahl von Fremdbezü­ gen und damit die Möglichkeit zur Fremdbestimmung, die es gerade zu systematisieren gilt.594 Der Vergleich mit (dem Normalfall von) zwei na­ türlichen Personen sollte daher wohl eher so gemeint sein, dass eine all­ gemeine Folge des Prinzips der Leistungsfähigkeit und damit das eingangs erwähnte, zweite stützende Argument gegen die Fremdbestimmung auch hier gilt: Wenn A etwas (seine Anteile an B) an C verkauft, dann hat das nichts mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von B (der Gesell­ schaft) zu tun.595 Die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft sollte durch Handlungen ihrer Gesellschafter weder erhöht noch gemindert werden. Auf ähnliche Weise bildete auch das Bundesverfassungsgericht den Ver­ gleichsmaßstab für seine Prüfung des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F.:596 Eine Kapitalgesellschaft, deren Anteilseigner wechseln, erfährt einen Unter­ gang ihrer Verluste und wird damit anders behandelt als eine solche, de­ ren Anteilseignerskreis unverändert bleibt. Da jedenfalls bei einem Er­ werb von nicht mehr als der Hälfte der Anteile eine Begründung nicht ersichtlich sei, sieht das Bundesverfassungsgericht eine nicht gerechtfer­ tigte – ja sogar willkürliche – Ungleichbehandlung.

591 Siehe die Nachweise in Fn. 583. 592 Englisch, Dividendenbesteuerung (2005), S. 116; Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1939). 593 Böhmer, StuW 2012, S. 33 (34). 594 Siehe oben, S. 1 ff., wobei als Hypothese auch formuliert ist, dass in den Fällen der vermeintlichen Fremdbestimmung gerade keine vollständige Fremdheit besteht 595 So die Formulierung des FG Hamburg a.a.O, Rz. 55; wörtlich zitiert oben, S. 58 ff. 596 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106 Rz. 115 ff. [zit. nach juris].

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

Die Verifikation dieser allgemeinen Hypothese – jenseits des quotalen Verlustuntergangs bei § 8c KStG – soll an dieser Stelle noch nicht erfol­ gen;597 vielmehr soll hier darauf eingegangen werden, ob sie für dieses Referenzgebiet zutreffend ist bzw. was aus der vorläufigen Natur der ­eigenständigen Leistungsfähigkeit folgt. Zu dem hier vertretenen Ver­ ständnis von der Systematik des geltenden Steuer- und Gesellschafts­ rechts, wonach die eigenständige Leistungsfähigkeit der Kapitalgesell­ schaft zu irgendeinem Zeitpunkt vollständig auf die Gesamtheit der Gesellschafter transferiert wird,598 passt das allgemeine Bild nicht. Über­ spitzt lässt sich als größtmöglicher Gegenpunkt formulieren: Wenn Ge­ sellschafter handeln und das zur Folge hat, dass Steuerwirkungen bei ­einem Träger von Leistungsfähigkeit eintreten, der seine komplette Leis­ tungsfähigkeit ohnehin früher oder später an die Gesellschafter transfe­ riert, dann sollte diese „Fremdbestimmung“ bei einer Betrachtung über die gesamte Lebensdauer der Gesellschaft jedenfalls unter dem Gesichts­ punkt der Leistungsfähigkeit unproblematisch sein. cc. Konkrete Vorgaben für die Zulässigkeit des Gesellschafterbezugs Die Referenzfälle zeigen, dass der Zusammenhang komplexer ist. Drei Punkte lassen sich festhalten, die der Zuspitzung grundsätzlich im Wege stehen.599 Diese Punkte sind zugleich als Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung der Referenznormen zu verstehen, damit diese mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar sind: – Wie bereits festgestellt, besteht ein zeitlicher Unterschied in der Zu­ ordnung der Leistungsfähigkeit. Die zeitlich korrekte Erfassung von steuerrelevanten Vorgängen ist auch materiell für das Steuerrecht ent­ scheidend. Das Periodizitätsprinzip der Steuer nach § 2 Abs. 7 EStG besagt nicht nur, wann ein bestimmter Teil einer (gedachten) Lebens­ steuerschuld zu zahlen ist; vielmehr ist grundsätzlich nur relevant, welche Besteuerungsvoraussetzungen der Steuerpflichtige in der je­

597 Siehe dazu unten, S. 247 ff. 598 Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa (1997), S. 256 ver­ gleicht die Beziehung von Kapitalgesellschaft und Gesellschafter hinsichtlich der Leistungsfähigkeit mit Unterhaltsverpflichteten und Unterhaltsberechtigten, bei denen nach der Systematik des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 22 Nr. 1a EStG die Leistungsfähigkeit genau einmal erfasst wird. Die Gesellschafter sind Empfänger von transferierter Leistungsfähigkeit. 599 Für die Frage der Zulässigkeit der steuerlichen Doppelbelastung angesichts der Be­ steuerung nach der Leistungsfähigkeit verwendet Ruppe, Steuerliche Doppelbelas­ tung der Körperschaftsteuergewinne (1967), S. 132 ff. einen ähnlichen Ansatz: Ge­ boten ist im Grundsatz ausschließlich eine Belastung auf Ebene der Anteilseigner; erst die Realität des Gesellschaftsrechts, insb. die materielle Selbstständigkeit der Kapitalgesellschaften, zwingt zu Anpassungen.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

weiligen Periode erfüllt.600 Besonders deutlich wird dies bei alt einge­ sessenen Publikumsaktiengesellschaften, die seit mehr als 100 Jahren bestehen und vielleicht erst in ferner Zukunft ihre Leistungsfähigkeit vollständig transferieren. Zu bedenken ist aber auch, dass im Einzel­ fall der Transfer schon in der Gegenwart möglich sein kann, die Zu­ griffsmöglichkeit in die Kapitalgesellschaft hinein schon – trotz aller gesellschaftsrechtlichen Hindernisse601 – besteht. Das bedeutet, dass bei einer Zugriffsmöglichkeit auf die thesaurierten Gewinne auch auf die potenzielle Leistungsfähigkeit abgestellt werden kann. Beachtlich ist gleichfalls, dass mit einer weitgehenden Ausschüt­ tungspflicht wie bei der REIT-AG602 nach § 13 Abs. 1 REITG das Ar­ gument des unterschiedlichen Zugriffs in der Zeit partiell abge­ schwächt werden kann.603 – Blendet man die zeitliche Komponente aus, besteht weiterhin das Problem, dass bei den Handlungen, an die angeknüpft wird, oftmals nicht alle Gesellschafter beteiligt, regelmäßig aber alle betroffen sind. Setzt man die einzelnen „Blasen“ von Leistungsfähigkeit bei den ein­ zelnen Gesellschaftern zusammen und mit der Leistungsfähigkeits­ blase der Gesellschaft gleich, dann stellt man fest, dass zwischen der Leistungsfähigkeit eines einzelnen Gesellschafters und der Leistungs­ fähigkeit der Gesellschaft unterschiedliche Wirkrichtungen bestehen können. Die Gleichsetzung von Leistungsfähigkeit der Gesellschaft und Leistungsfähigkeit der Gesamtheit der einzelnen Gesellschafter ist problematisch, wenn divergierende Dispositionswünsche im Ge­ sellschafterkreis bestehen. Eine solche Fremdbestimmung zwischen den Gesellschaftern über die „Bande“ der Gesellschaft ist aber dem Kapitalgesellschaftsrecht inhärent: Bei den allermeisten Entscheidun­ gen, sogar bei Satzungsänderungen,604 kann es vorkommen, dass der einzelne Gesellschafter sich im Beschluss der Gesellschaft nicht ver­ wirklicht sieht. Diese Form der Fremdbestimmung als Folge des Ver­ zichts auf Einstimmigkeit ist es aber, die durch das Kapitalgesell­ schaftsrecht, dem Steuerrecht von außen quasi als Faktum vorgegeben ist und sich durch Zweckmäßigkeit bei der Entscheidungsfindung bzw. die Idee einer sozialen Willenseinheit bei der Kapitalgesellschaft 600 Ausdrücklich den materiellen Gehalt bejahend Waldhoff, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts (2009), S. 125 (139 f.); Ismer, DStJG Bd. 34 (2011), S. 91 (98 ff.); Kirchhof, Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 75 ff. Ausführlicher auch Birtel, Zeit im Einkommensteuerrecht (1985), S. 40 ff. Hinge­ gen betont Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rn. 900 (im Ausgangs­ punkt) die Technizität des Jahressteuerprinzips. 601 Dazu schon oben, S. 110. 602 Dazu oben, S. 76. 603 Pointiert formuliert Stolterfoht, FS L. Schmidt (1993), S. 497 (506 f.): „Würden alle Gewinne ausgeschüttet, könnte auf eine Körperschaftsteuer verzichtet werden“. 604 Siehe oben, S. 100 ff.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

rechtfertigen lassen.605 Sie kollidiert (nur) dann spezifisch mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wenn die steuerliche Fremdbestimmung von der üblichen gesellschaftsrechtli­ chen Fremdbestimmung abweicht.606 – Schließlich ist das Verhältnis von Kapitalgesellschaft und Gesell­ schaftern noch immer vom Dogma der Intransparenz geprägt. Das befindet sich zwar gegenwärtig im Erosionsprozess,607 doch haben sich die Bedenken in dieser Debatte nicht in jener um die eigene Leis­ tungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft niedergeschlagen.608 Begründet wird die Abgrenzung der Sphären von Leistungsfähigkeit eben auch mit der Subjekt-Eigenschaft der Kapitalgesellschaft, die im geltenden Recht auch nicht in Frage gestellt ist. Damit bleibt die Leistungsfä­ higkeit der Kapitalgesellschaft eine letzte (noch609) unumstrittene Bastion des Trennungsprinzips. Freilich ist einzuräumen, dass Bezüge auf die Gesellschafterebene weiterhin die Ausnahme darstellen. Eine gemeinsame bzw. einheitliche Leistungsfähigkeit kann im geltenden Recht nicht angenommen werden. Im Gegenteil: Durch die deutliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 8c KStG hat das Trennungsprinzip als „identitätsstiftende Messlatte für die körper­ schaftsteuerrechtliche Leistungsfähigkeit“ wieder „Rückenwind“ er­ halten und blickten „rosigen Zeiten“ entgegen.610 5. Folgerungen für das Verständnis von fremdbestimmten Steuerwirkungen innerhalb von Kapitalgesellschaften a. Leitfragen für die Anwendung auf die Referenzfälle Die Erkenntnisse zur Beziehung von Kapitalgesellschaft und Anteilseig­ nern sollen im Folgenden auf die Referenzfälle angewendet werden. Lei­ 605 Siehe oben, S. 104. 606 Das Argument, dass keinen besonderen Schutz derjenige verdient, der sich durch eine selbst gewählte bürgerlich-rechtliche Gestaltung schützender Möglichkeiten der Einwirkung begibt, ist nicht neu. So hat etwa der BFH die Vereinbarkeit von § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO mit Art. 19 Abs. 4 GG damit begründet, der nicht geschäfts­ führungsbefugte Gesellschafter sei in der Anfechtung des einheitlichen Gewinn­ feststellungsbescheids beschränkt, weil er selbst durch die bürgerlich-rechtliche Gestaltung die Grundlage dazu geschaffen habe (so BFH, Urt. v. 08.10.1957, Az. I 32/57 U, in BStBl. III 1957, S. 436; BFH, Urt. v. 07.02.1975, Az. III R 41/74, in BSt­ Bl. II 1975, S. 495). 607 Vgl. die Nachweise bei Böhmer, StuW 2012, S. 33 und Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937. Ausführlich dazu auch schon oben, S. 122 ff. 608 Vgl. Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (17). 609 Möhlenbrock, DStJG Bd. 33 (2010), S. 339 (346) vertritt, dass mit § 8c Abs. 1 S. 1–2 KStG a.F. der Gedanke einer von den Anteilseignern abgeleiteten Leistungsfähig­ keit der Gesellschaft konsequent zu Ende geführt wird. 610 Gosch, GmbHR 2017, S. 695 (697); Dorenkamp, FS BFH Bd. II (2018), S. 1349 (1371); Schramm, FR 2019, S. 346 (350).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

tend sind dabei die Fragen, ob tatsächlich eine Bestimmung der Steuer­ wirkungen durch Fremde vorliegt bzw. wie nahe sich der jeweilige Steuerpflichtige und der jeweilige Handelnde611 stehen. Erkenntnis­ quellen sind dabei – wie gerade dargestellt – die zivilrechtliche Ausge­ staltung der Beziehung zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner und der Vergleich mit dem allgemeinen Grund der Zurechnung von Ein­ künften, die Aufnahme der zivilrechtlichen Grundentscheidung für das Trennungsprinzip in das Steuerrecht sowie die (verfassungsrechtlichen) Determinanten, insbesondere jene, die sich aus dem Leistungsfähig­ keitsprinzip ergeben. Das Leistungsfähigkeitsprinzip soll dabei kein eigenständiger Maßstab für die Bestimmung der Nähe sein. Die Annahme einer eigenen, vorläu­ figen Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft hängt nach den Folge­ rungen hierzu in dieser Arbeit maßgeblich von der Subjektivität der Ka­ pitalgesellschaft und der Fähigkeit der Gesellschafter zur Disposition vor allem über die Gewinne der Gesellschaft ab.612 Deshalb orientiert sich die Arbeit nachfolgend im Wesentlichen an diesen beiden Maßstäben (Subjektivität und Dispositionsbefugnis). Nicht im unmittelbaren Fokus dieser Folgerungen liegt, inwiefern die Vorstellungen von Einheit bzw. Fremdheit auch in ihrer Gesamtheit fol­ gerichtig umgesetzt sind. Da Kapitalgesellschaften im Grundsatz (noch613) steuerlich intransparent sind, ist die Bezugnahme auf die Gesellschafter für Zwecke der Besteuerung der Gesellschaft (und vice versa) stets ein Fremdkörper und daher regelmäßig wohl ein der Rechtfertigung bedür­ fender Verstoß gegen das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung der Rechtsordnung, auch und gerade im Steuerrecht.614 b. Subjektivität Stellt man nur auf die Eigenschaft als Steuersubjekt ab, dann stehen sich ein Subjekt der Körperschaftsteuer und die Gesamtheit der Anteilseigner als ein bzw. eine Vielzahl von Steuersubjekte(n) als Fremde gegenüber.615 Eine Anknüpfung an den oder eine Zuordnung zum Anteilseigner lässt 611 Fremdbestimmung liegt nach dem äußeren Erscheinungsbild in beide Richtungen vor: Bei § 7 AStG (dazu S. 80 ff.) und § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG (dazu S. 88 ff.) kann schließlich die Gesellschaft auf die Besteuerung der Gesellschafter einwirken. 612 Dazu oben, S. 130. 613 Vgl. aber das Plädoyer für mehr Transparenz bei Gosch, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1937 (1950). 614 Zur Kritik an der Folgerichtigkeit als steuerliche Spezialmaterie und der in dieser Arbeit vertretenen Neutralität zur Debatte um die Folgerichtigkeit siehe oben, S. 7 f. 615 Ruppe, Steuerliche Doppelbelastung der Körperschaftsteuergewinne (1967), S. 85 ff. (zusammenfassend 136 f.) sieht aber Doppelbelastung als ein Identitätsproblem.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

die steuerrechtliche Eigenständigkeit der Kapitalgesellschaft nicht per se entfallen.616 aa. § 18 Abs. 3 REITG und Subjektivität Etwas anderes gilt aber bei der REIT-AG. Hier ist von Anfang an ein neu­ es Besteuerungssystem mit einer (gewissen) Transparenz bei unveränder­ ten gesellschaftsrechtlichen Grundlagen geschaffen worden,617 das die REIT-AG gerade beantragt und für das sie sich somit stets bewusst ent­ scheidet. Die Subjektivität als REIT-AG besteht gerade nicht unabhängig von der Zusammensetzung des Anteilseignerkreises.618 Außerdem wird die Annahme einer separaten Leistungsfähigkeit der REIT-AG wegen ih­ rer weitgehenden Ausschüttungspflicht619 nach § 13 Abs. 1 REITG erheb­ lich abgeschwächt. Deshalb treten sich für steuerliche Zwecke handeln­ der Anteilseigner und betroffene REIT-AG gerade nicht als Fremde gegenüber, denn an die Person des Anteilseigners wird für die Subjektivi­ tät als REIT-AG ebenso qualifiziert angeknüpft620 wie an die Ausschüt­ tungspflicht der REIT-AG. bb. Hinzurechnungsbesteuerung und Subjektivität Die Annahme eines besonderen Besteuerungsregimes mag auch im Be­ reich der Hinzurechnungsbesteuerung angedacht werden, wenn die in­ soweit transparente Kapitalgesellschaft als Zwischengesellschaft be­ zeichnet wird.621 Damit scheint indiziert zu sein, dass es sich um eine grundsätzlich andere Organisationsform handelt, der keine oder nur eine eingeschränkte eigene Rechtspersönlichkeit zusteht. Wie aber schon aus dem Wortlaut von § 7 Abs. 1 AStG deutlich wird, beschreibt der Begriff Zwischengesellschaft nicht die Gesellschaft als solche und erst recht nicht ein bestehendes Besteuerungsregime. Vielmehr werden lediglich bestimmte Einkünfte beschrieben (passive bzw. solche mit Kapitalanla­ gecharakter), für die die Gesellschaft dann Zwischengesellschaft ist und die dann hinzugerechnet werden. Zusätzlich kann sich die Qualifikation als Zwischengesellschaft im niedrig besteuernden Ausland jederzeit durch eine Erhöhung des Steuerniveaus um wenige Prozentpunkte än­

616 Hummel in Gosch, KStG, 3. Aufl. (2015), § 1 Rn. 1. 617 Gröpl, DStZ 2008, S. 62 (63 f.); Schwarz, JZ 2008, S. 550 (556); Mülbert/Kiem, ZHR 177 (2013), S. 819 (841). Ausführlich zum REIT- Besteuerungssystem oben, S. 76. 618 Dazu schon oben, S. 77. 619 Dazu oben, S. 76. 620 Zum Streubesitzerfordernis als Quelle fremdbestimmter Steuerwirkungen siehe oben, S. 77. 621 Dazu schon oben, S. 82.

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dern. All dies spricht schließlich gegen die Annahme einer nur einge­ schränkten Subjektivität der Zwischengesellschaft. cc. § 8c Abs. 1 KStG und Subjektivität Auch im Zusammenhang mit § 8c Abs. 1 KStG wird ein möglicher Iden­ titätswechsel infolge des nach dem schädlichen Anteilserwerb neu zu­ sammengesetzten Gesellschafterkreises diskutiert. Dies geschieht zum einen in der Behauptung des Gesetzgebers, ein Tatbestandsmerkmal von § 8 Abs. 4 KStG a.F. inhaltlich fortzuführen, bei dem ein Wechsel des Geschäftsinhalts gefordert wird.622 Zum anderen wird mitunter der Ver­ lustuntergang nach § 8c Abs. 1 KStG als Reaktion auf eine Änderung der Rechtsprechung623 verstanden, die die Vererblichkeit von Verlustvorträ­ gen versagt. Damit werde eine Ungleichbehandlung zulasten der sterbli­ chen, natürlichen Person beseitigt.624 Auch hier wird eine Identität von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner unterstellt, die so die Fremdheit zwischen Handelndem und Steuerpflichtigen entfallen ließe. Eine die Idee der (wirtschaftlichen) Identität besser umsetzende Lösung wäre freilich die unmittelbare Zuordnung von Verlusten nach dem Transparenzprinzip wie bei der Personengesellschaft.625 Damit wären bei einem schädlichen Anteilserwerb eintretende Steuerfolgen auf die Per­ son des handelnden Veräußerers beschränkt und somit nicht mehr fremdbestimmt. Allerdings würde eine derartige unmittelbare Zuord­ nung von negativen Einkünften steuerrechtlich auch eine entsprechende unmittelbare Zuordnung von positiven Einkünften verlangen. Vor allem aber müsste – wie der Blick auf § 15a EStG auch zeigt – eine entsprechen­ de Verlustzuweisung mit einer tatsächlich gegebenen wirtschaftlichen Belastung verknüpft sein, die aber gerade wegen der beschränkten Haf­ tung bei Kapitalgesellschaften nicht besteht. Mit einer Verlustzuweisung an den Gesellschafter wäre schließlich das Ende des Trennungsprinzips bei Kapitalgesellschaften verbunden. Letztlich sind diese Aussagen bloße Folgerungen von einem nicht bestä­ tigten Ausgangspunkt: Der Identität von Kapitalgesellschaft und (Mehr­ heit ihrer) Anteilseigner. Grundsätzlich aber stehen sich diese nach der derzeitigen steuerrechtlichen Konzeption (noch) als weitgehend fremde

622 So die Begründung des Regierungsentwurfs zum UntStRG 2008 vom 30.03.2007, BR-Drs. 220/07, S. 126 und wortgleich Begründung der Vorlage der Fraktionen von Union und SPD vom 27.03.2007, BT-Drs. 16/4841, S. 76. Dazu schon oben, S. 52. 623 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608. 624 Sächsisches FG, Urt. v. 16.03.2011, Az. 2 K 1869/10, in EFG 2011, S. 1457 Rz. 18 [zit. nach juris]; abgedruckt oben, S. 62 f. 625 Dazu unten, S. 174 ff.

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Subjekte gegenüber. Dies gilt auch im Rahmen von § 8c Abs. 1 KStG, der gerade kein neues, besonderes Besteuerungsregime schafft.626 dd. Andere Referenzfälle und Subjektivität Im allgemeinen System der Körperschaftsbesteuerung bleibt es bei dem Grundsatz, dass Handelnder und Steuerpflichtige als zueinander fremde Steuerrechtssubjekte zu betrachten sind. Gleichwohl sollen die Schluss­ folgerungen in dieser Arbeit hierbei aber nicht stehen bleiben. Zum ei­ nen hat die Trennungstheorie auch noch andere Quellen als die einfach­ gesetzliche Ausgestaltung in § 1 KStG. Zum anderen schließlich möchte diese Untersuchung nicht einem rein formaljuristischen Verständnis von Fremdheit folgen: Der Begriff der zu untersuchenden Steuerwirkungen entstammt gerade der Finanzwissenschaft, so dass auch auf das tatsäch­ liche Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner jenseits der (Fiktion von) Rechtspersönlichkeit der Kapitalgesellschaft zu schau­ en ist. c. Allgemeiner Zurechnungsgrund (Dispositionsbefugnis) und Leistungsfähigkeit Ob bei einem Steuerpflichtigen durch die Handlung eines Fremden Steu­ erwirkungen auftreten, lässt sich auch anhand eines Vergleichs mit dem allgemeinen Grund der Zurechnung der Einkünfte beantworten.627 Wenn schließlich derjenige die Steuerwirkungen zu tragen hat, dem die ent­ sprechenden Einkünfte nach allgemeinem Verständnis zugerechnet wer­ den können bzw. in Anlehnung an diesen Maßstab zugerechnet werden könnten, dann lässt sich nicht mehr von einer Bestimmung durch Frem­ de sprechen. Vielmehr ist der Steuerpflichtige selbst auch als der eigent­ liche Verursacher der Steuerwirkung zu betrachten, jedenfalls aber steht er dem Verursacher sehr nahe. Dabei rückt der Zurechnungsgrund Dis­ positionsbefugnis unter dem Stichwort change of control628 nahe an die Frage der Subjektivität heran. Mit dem Begriff ist schließlich die Vorstel­

626 So BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106 Rz. 146 [zit. nach juris]. 627 Insbesondere für den Referenzfall der Organschaft werden solche Vergleiche regel­ mäßig vorgenommen; vgl. Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 27 f.; Raupach, FS Beisse (1997), S. 403 (405); Jochum, FR 2011, S. 497 (503). Siehe zur Disposition in der Organschaft S. 95, zum allgemeinen Zurechnungsgrund ausführlich zusam­ menfassend oben, S. 49. 628 Den Begriff nutzt auch das FG Hamburg, Beschluss v. 04.04.2011, Az. 2 K 33/10, in DStR 2011, S. 1172 Rz. 65 [zit. nach juris], wenn es feststellt, dass ein Paradig­ menwechsel hin zu einer change of control-Betrachtung gerade noch nicht erfolgt sei.

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lung verbunden, dass durch einen Anteilseignerwechsel die Kapitalge­ sellschaft eine andere wird.629 Im Anschluss an die Untersuchung des allgemeinen Zurechnungsgrunds im Verhältnis von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner630 soll der Grad der Nähebeziehung zwischen Handelndem und Steuerpflichtigen in den Referenzfällen in absteigender Reihenfolge nach dem Beteiligungserfor­ dernis näher beschrieben werden. Dabei ist die oben gewonnene Erkennt­ nis vorweg zu stellen: Zum einen wirken die Gesellschafter nur mittelbar auf die Geschäftsführung ein, wenn sie den Geschäftsführer auswählen und ihm Weisungen geben, da sie dessen eigene Vertretungsmacht für die Gesellschaft nach außen hinnehmen müssen. Zum anderen sind sie durch Vorschriften über die Kapitalerhaltung und durch Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft in ihrer Dispositionsfreiheit eingeschränkt. Deshalb kann stets nur eine asymptotische Näherung an die Dispositi­ onsbefugnis erfolgen.631 aa. Organschaft und Dispositionsbefugnis Die stärkste Annäherung erfolgt im Rahmen der Organschaft. Hier ist wegen des Zustimmungserfordernisses zum Abschluss des Ergebnisab­ führungsvertrages nach § 293 Abs. 1 S. 2 AktG eine Beherrschung durch einen Gesellschafter, der mehr als drei Viertel der Anteile hält, die Regel. Damit kann dieser Gesellschafter maßgeblich die Geschicke der Gesell­ schaft beeinflussen, denn er kann insbesondere auch Satzungsänderun­ gen und eben den Abschluss von Unternehmensverträgen durchsetzen. Damit ist er denkbar nahe an die Dispositionsbefugnis durch die Kapital­ gesellschaft herangerückt.632 bb. Konzernklausel der Zinsschranke und Dispositionsbefugnis Im Rahmen der Konzern- bzw. Stand-Alone-Klausel der Zinsschranke wird auf die Fähigkeit des Gesellschafters abgestellt, seine Finanz- und Geschäftspolitik mit einem oder mehreren anderen Betrieben einheitlich zu bestimmen. Dies ergibt sich originär aus § 4h Abs. 3 S. 6 EStG bzw. 629 Insbesondere bei wichtigen Lieferantenverträgen, die ein Sonderkündigungsrecht bei einem change of control beinhalten, ist die Vorstellung zu erkennen, dass ein Wechsel im Kreis der Anteilseigner auch die Identität des Vertragspartners beein­ flusst: Mit dieser „neuen“ Gesellschaft soll der Vertrag gerade nicht gelten; vgl. Osterrieth in Pfaff/Osterrieth, Lizenzverträge Formularhandbuch, 3. Aufl. (2010), Rn. 255. Ausführlich zu sonstigen Fallgruppen mit häufiger Verwendung von change-­of-control-Klauseln Mülbert/Kiem, ZHR 177 (2013), S. 819 (832 ff.). 630 Vgl. oben, S. 110 ff. 631 Vgl. oben, S. 112 ff. 632 So schon Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 27 f.; Raupach, FS Beisse (1997), S. 403 (405); Jochum, FR 2011, S. 497 (503). Siehe zur Disposition in der Organ­ schaft oben, S. 95.

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über den Verweis auf die Konsolidierungspflicht nach den entsprechen­ den Rechnungslegungsvorschriften, die ebenfalls auf die Verfügungs­ gewalt (etwa nach IFRS 10.10 die gegenwärtige Fähigkeit, die maßgeb­ lichen Tätigkeiten zu lenken) abstellen. Kein anderer Referenzfall innerhalb dieses Näheverhältnisses stellt so deutlich die Verknüpfung zwischen der Fremdbestimmung und der Dispositionsbefugnis als ihrem Grund her.633 Die Konzernklausel selbst ist nur eine von vielen Stellschrauben inner­ halb der komplexen Zinsschranke: Die Vermutung, dass konzernzuge­ hörige Gesellschaften einen Grund zur Manipulation ihrer Fremdka­ pitalquote haben, kann über die Eigenkapital-Klausel ebenso widerlegt werden wie die gegenteilige Vermutung über § 8a Abs. 2–3 KStG.634 Die Konzernklausel ist dabei die zentrale Weichenstellung, die die Dispositi­ onsbefugnis als Grund für fremdbestimmte Steuerwirkungen in der Zinsschranke verankert. cc. Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 Abs. 1 AStG) und Dispositionsbefugnis Die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 AStG stellt verschiede­ ne neue Herausforderungen an die Vorstellung einer Dispositionsbefug­ nis durch die Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft) hindurch. Dabei treten fremdbestimmte Steuerwirkungen nicht bei der Zwischengesell­ schaft, sondern nur bei bestimmten Gesellschaftern auf. Diese können zum einen durch Handlungen der Gesellschaft ausgelöst werden, wenn sie passive statt aktive Einkünfte erzielt. Anders als etwa bei § 8c Abs. 1 KStG ist hier die Wirkrichtung geändert: Die Zwischengesellschaft dis­ poniert über Steuerfolgen ihrer Gesellschafter. Grundsätzlich sind ihre Einwirkungsmöglichkeiten gegenüber den Gesellschaftern denkbar ge­ ring.635 Allerdings kann dennoch eine Annäherung zwischen beiden Ebe­ nen angenommen werden, wenn die Handlungen der Gesellschaft dem Steuerpflichtigen als dem eigentlich Dispositionsbefugten zugerechnet werden können. Bei einer Beteiligung zu mehr als der Hälfte ließe sich das zwar grundsätzlich annehmen, doch wird gerade bloß eine derartige Beteiligung durch die Summe der Steuerinländer verlangt.636 Der einzel­ ne Gesellschafter hat damit regelmäßig keine Möglichkeit der Dispositi­ on über die Geschicke der Gesellschaft. Eine etwaige Vorstellung, dass die Steuerinländer vor der Gesellschafterversammlung einen Stimm­ 633 Seiler in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 4h Rn. 34. 634 Dazu sogleich unten, S. 146. 635 Siehe dazu die Ausführungen zum deutschen Recht oben, S. 111; bei § 7 AStG ist stets zu bedenken, dass es sich um eine ausländische Kapitalgesellschaft handelt, für die regelmäßig das Gesellschaftsrecht ihres Heimatlandes gilt. 636 Ausführlich zu der „Gemeinschaft der Steuerinländer“ oben, S. 83.

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block bilden, um die Geschäftsführung zu einer aktiven Tätigkeit hin zu bewegen, verkennt die meist strukturellen Interessengegensätze zwi­ schen Gesellschaftern, die auch nicht durch einen gemeinsam Sitzstaat gelöst werden. Selbst wenn man der Idee der „Gemeinschaft der Steuer­ inländer“ als Dispositionsbefugter einen Erfolg zugestehen will, dann findet eine bemerkenswerte Verkehrung von Ursache und Wirkung statt: Es wird kein Sachverhalt zugerechnet, weil man über diesen disponieren kann. Stattdessen gilt: Weil der Sachverhalt zugerechnet wird, muss man die Gemeinschaft nun bilden (!), die disponieren kann, um gerade diese Zurechnung abzuwenden. Zum anderen können die fremdbestimmten Steuerwirkungen bei einem steuerinländischen Gesellschafter durch einen anderen steuerinländi­ schen Gesellschafter ausgelöst werden, wenn dieser durch seinen Erwerb nun den Anteil der Gemeinschaft auf mehr als die Hälfte ansteigen lässt. Anders als in dieser Arbeit zu § 8c KStG können diese Wirkungen auf Gesellschafterebene aber nicht mit der Unterordnung unter ein dem ­Gesellschaftsrecht immanentes Mehrheitsprinzip erklärt werden.637 Die Wirkungen werden einer Minderheit nicht durch eine Mehrheit (in der Gruppe) aufgedrängt. Vielmehr bestehen hier zwei Minderheiten, die nun, ohne dass diese es in irgendeiner Form wollten, vom Gesetzgeber als Einheit verstanden werden. Abhilfe ist nur durch ein gemeinsames Drängen auf aktive Einkünfte bei der Zwischengesellschaft möglich, also die Akzeptanz der Zwangsgemeinschaft. Auch hier werden damit Ursa­ che und Wirkung von Zurechnung vertauscht. dd. Vollständiger Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 KStG638 und Dispositionsbefugnis Der vollständige Verlustuntergang bei einem Erwerb von mehr als der Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft geht grundsätzlich mit einem Erwerb der Dispositionsbefugnis einher.639 Der Erwerber kann je­ denfalls bei einer unmittelbaren Beteiligung ähnlich wie ein Organträger seinen Willen bei der Berufung des Geschäftsführers und der Erteilung von Weisungen in Beschlussform durchsetzen. Zwar sind Satzungsände­ rungen, bestimmte Grundlagengeschäfte oder der Abschluss von Unter­ nehmensverträgen ausgeschlossen, doch ist seine Stellung noch immer für die allgemeine wirtschaftliche Tätigkeit an die Dispositionsbefugnis angenähert.

637 So aber in dieser Arbeit sogleich, unter S. 142. 638 Gleiches gilt für die Zinsschranke, soweit in ihr auf § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG Bezug genommen wird. 639 Dazu oben, S. 62 ff.

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Mit der Annäherung an die Dispositionsbefugnis auf Grund einer Mehr­ heitsbeteiligung sind auch fremdbestimmte Steuerwirkungen im Kreis der Anteilseigner verbunden. Durch die Anknüpfung an den Erwerb ei­ ner Mehrheitsbeteiligung schon auf Ebene der Kapitalgesellschaft wer­ den schließlich Steuerwirkungen sozialisiert. Nunmehr trägt auch ein nicht am Erwerbsvorgang beteiligter Minderheitsgesellschafter mittelbar die Auswirkungen: Die Kapitalgesellschaft verliert mit den Verlusten ei­ nen wirtschaftlichen Wert, was mittelbar auch den Wert der Minder­ heitsbeteiligung mindert. Im Grundsatz entspricht dies auch dem einfa­ chen Mehrheitsprinzip bei Beschlussfassung in der Gesellschaft,640 nach dem sich der Minderheitsgesellschafter unterzuordnen hat. Die Fremd­ bestimmung steht hier in ihrer Wirkrichtung und Intensität im Einklang mit den Vorgaben des Zivilrechts. Lediglich in der Handlungsform unter­ scheidet sich diese Steuerwirkung von anderen Mehrheitswirkungen, da sie nicht förmlich im Wege eines Beschlusses in der Gesellschafterver­ sammlung ergeht. Schließlich mag auch die ausschließlich negative Wir­ kung der Verlustvernichtung als besonders erscheinen, denn meist basie­ ren die umstrittenen Mehrheitsentscheidungen nur auf einer anderen Einschätzung von Chancen und Risiken. Allerdings sichert die aus­ schließlich negative Wirkung im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber der Beteiligung auch, dass diese schon im eigenen Interesse ei­ nen schädlichen Beteiligungserwerb zu vermeiden suchen. Zuzugeben ist aber, dass im Interesse einer verursachungsgerechten Zu­ ordnung ein Verlustuntergang alleine beim Erwerber wünschenswert wäre, ähnlich wie § 15a EStG das bei Mitunternehmerschaften vorsieht. Damit wären eine Voll- statt einer „Teiltransparenz“641 und damit wohl ein tatsächlicher Systemwechsel geschaffen, der ein neues Subsystem be­ gründen642 und die Kritik der fehlenden Folgerichtigkeit entkräften wür­ de. Auf dem Boden des derzeit geltenden Steuer- und Zivilrechts aber wäre ein dem einzelnen Anteilseigner schon auf Ebene der Kapitalgesell­ schaft zuzurechnender (und untergehender) Verlust eine weitere Schwä­ chung des Trennungsprinzips. Die Nachbildung einer verursachungsge­ rechten Zuordnung durch entsprechende Ausgleichsansprüche wie in § 11 Abs. 3 REITG wäre aber auch unter weiterer Aufrechterhaltung des Trennungsprinzips de lege ferenda möglich. Erhebliche Friktionen mit der Vorstellung einer Dispositionsbefugnis des erwerbenden Mehrheitsgesellschafters entstehen aber bei der Berech­ nung der mittelbaren Anteilseignerquote, wonach eine bloße Multiplika­

640 Vgl. etwa M. Frotscher in Frotscher/Drüen, § 8c KStG Rn. 11d. Ausführlich dazu schon oben, S. 100 ff. 641 Begriff nach Eisgruber, DStZ 2007, S. 630 (633); vgl. dazu auch schon oben, S. 55. 642 Vgl. van Lishaut, FR 2008, S. 789.

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tion mit vermittelnden Beteiligungsquoten erfolgt.643 Ohne eine Entspre­ chung zu § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 KStG ist nicht sichergestellt, dass die mittelbare Beteiligung auch tatsächlich in irgendeiner Form eine Mög­ lichkeit zur Disposition vermittelt. Gerade wenn die Schwelle über die 50 Prozent-Grenze erst durch eine Minderheitsbeteiligung an einer Ge­ sellschaft vermittelt wird, die selbst nur minimal beteiligt ist, besteht hier keine Dispositionsmöglichkeit. Dergestalt ist die change of control-­ Betrachtung selbst, die im Gesamtkontext der Körperschaftsbesteuerung ohnehin ein Fremdkörper ist,644 inkonsistent umgesetzt. Hier ist der Ge­ setzgeber aufgerufen, in Anlehnung an das Recht der Organschaft mittel­ bare Anteilserwerbe nur dann zu berücksichtigen, wenn die vermitteln­ den Beteiligungen selbst mehrheitlich sind. Korrespondierend zu einem auf die Dispositionsbefugnis ausgerichteten Verständnis im Rahmen des Grundtatbestandes bei § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG müsste auch die entsprechende Rückausnahme sein, nämlich die (erst später eingeführte) Konzernklausel des § 8c Abs. 1 S. 4 KStG.645 Insbesondere das Erfordernis der vollständigen Beteiligung an den am Er­ werbsvorgang beteiligten Gesellschaften für das Greifen der Konzern­ klausel bei einem schädlichen Erwerb von nur mehr als der Hälfte der Anteile an der Verlustgesellschaft ist aber derzeit widersprüchlich. Für Zwecke dieser Arbeit lässt sich festhalten, dass die handelnden und steuerlichen belastenden Personen bei § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG weitestgehend angenähert sind. Der Erwerber im Rahmen von § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG verfügt über eine weitreichende Dispositions­ befugnis unmittelbar über die Kapitalgesellschaft und mittelbar auch die Minderheitsgesellschafter. Gleichwohl leidet die Annahme einer Dispo­ sitionsbefugnis unter der fehlenden Konsistenz ihrer Ausgestaltung, ins­ besondere im Bereich der mittelbaren Anteilszurechnung und bei der Konzernklausel. ee. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. und Dispositionsbefugnis Auch schädliche Beteiligungserwerbe, die unter § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. fallen, lassen sich nur schwer mit dem allgemeinen Grund der Zurech­ nung von Einkünften in Einklang bringen. Eine Beteiligung zu mehr als 643 Diese Auffassung wird auch von der Finanzverwaltung vertreten (BMF, Schreiben v. 28.11.2017, Az. IV C 7-S 2745-a/09/10002, in BStBl. I 2017, S. 1645 Tz. 11 f.) und ist de lege lata wohl auch zutreffend. Zur berechtigten Kritik siehe aber oben, S. 55 ff. und v.a. die Nachweise in Fn. 256. Zur Kritik hieran unter Aspekten des Rechtsstaates unten, S. 319. 644 Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 628. 645 Dieser Zusammenhang wird auch gesehen bei Möhlenbrock, DStJG Bd. 33 (2010), S. 339 (351); Möhlenbrock, Ubg 2010, S. 256 (258); Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), S. 60 ff.; vgl. auch Thiel, FS Schaumburg (2009), S. 515 (532 ff.).

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einem Viertel, aber nicht mehr als der Hälfte, vermittelt keinen direkten Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Vielmehr begründet eine sol­ che Beteiligung eine Sperrminorität, mit der sich lediglich Satzungsände­ rungen und ähnliche Vorgänge, die eine qualifizierte Mehrheit bedürfen, verhindern lassen.646 Damit fehlt aber die Macht zur Gestaltung, zur Dis­ position, die ein Einrücken in die Person des steuerlich Belasteten be­ gründen würde.647 Wirtschaftlich mag es ein Trost bzw. Kompromiss sein, dass nicht wie bei § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG sämtliche Verluste untergehen, son­ dern nur entsprechend der Position des Erwerbers. Allerdings wird damit suggeriert, dass die untergehenden Verluste auch dem Erwerber in ir­ gendeiner Form zuzurechnen sind, nämlich dass nur er betroffen sei. Vielmehr aber werden die Wirkungen erneut sozialisiert. Diesmal treffen die negativen Folgen aber auch einen Mehrheitsgesellschafter und damit den eigentlich Dispositionsbefugten.648 Die handelnde Person und die betroffene Kapitalgesellschaft sind sich damit im Rahmen des Satzes 1 von § 8c Abs. 1 KStG noch wesentlicher fremder als sie es bei Satz 2 sind.649 § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. ist damit keine vorsichtige, wenngleich unvollkommene Annäherung an eine wirtschaftliche Betrachtung nach der Dispositionsbefugnis, sondern Quelle systematisch nicht mehr zu rechtfertigender fremdbestimmter Steuerwirkungen.

646 Ausführlich dazu bereits oben, S. 112 ff. 647 So auch Oenings, FR 2009, S. 606 (611); Lang, DStZ 2007, S. 652; Drüen, Ubg 2009, S. 23 (28 f.); Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), S. 61; M. Frotscher in ­Frotscher/Drüen, § 8c KStG Rn. 11e; FG Münster, Beschluss v. 01.08.2011, Az. 9 V 357/11 K, in EFG 2012, S. 165 Rz. 67 [zit. nach juris, abgedruckt oben, S. 62 f.]. A.A. aber Möhlenbrock, DStJG Bd. 33 (2010), S. 339 (350), der § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. für eine verfassungsgemäße Pauschalierung hält. 648 Die besondere Stellung des Inhabers einer Sperrminorität lässt sich auch nicht mit einem Verweis auf die Haftung des wesentlich beteiligten Anteilseigners und Ei­ gentümers überlassener Gegenstände nach § 74 AO und BVerfG, Beschluss v. 14.12.1966, Az. 1 BvR 496/65, in BVerfGE 21, S. 6 zur insoweit identischen Vor­ gängernorm des § 115 AO a.F. rechtfertigen: Zum einen begründet die besondere Stellung nur eine Haftung des Inhabers der Sperrminorität und erlaubt keine Ein­ wirkungsmöglichkeit gegenüber den anderen Gesellschaftern oder der Gesell­ schaft. Zum anderen besteht – wie das BVerfG betont – mit der Überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft eine weitere Voraussetzung, um die Sonderstel­ lung als wesentlich Beteiligter zu begründen. Selbst bei § 74 AO reicht demnach eine Sperrminorität alleine nicht aus, um näher an die Gesellschaft heranzurü­ cken. Vgl. dazu auch Bax, Haftung nach allgemeinem Abgabenrecht aus steuerund verfassungsrechtlicher Sicht (1992), S. 142. 649 In diese Richtung wohl auch Sächsisches FG, Urt. v. 16.03.2011, Az. 2 K 1869/10, in EFG 2011, S. 1457 – dazu oben, S. 62.

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ff. Zinsschranke und Dispositionsbefugnis Soweit die Zinsschranke in § 8a Abs. 1 S. 3 KStG auf § 8c Abs. 1 KStG verweist, gilt das Vorstehende entsprechend. Ähnlich wie § 8c Abs. 1 KStG liegt der Konzern-/Stand-Alone-Klausel und ebenso der Eigenkapi­ tal-Klausel in § 4h Abs. 2 S. 1 lit. b-c EStG die Vorstellung zu Grunde, dass innerhalb eines Konzerns eine einheitliche Disposition erfolgen kann. Die Zinsschranke wird gerade ausgeschlossen, wenn keine Mehr­ heitsbeteiligung oder eine sonstige Form der Beherrschung besteht.650 Mit dem Fehlen einer Konzernspitze geht für den Gesetzgeber der Zins­ schranke auch das Fehlen einer Gestaltungs- und damit Missbrauchs­ möglichkeit einher.651 Auch bei der Eigenkapitalklausel wird von einer Konzernmutter ausgegangen, die auf Grund ihrer jeweiligen (auch ver­ mittelten) Mehrheitsbeteiligung vollumfänglich im Konzern die Finan­ zierungsstruktur bestimmen kann.652 Schwieriger einzuordnen ist § 8a Abs. 2–3 KStG, der jeweils den Zugang zu den Ausnahmetatbeständen der Zinsschranke beschränkt. Eine quali­ fizierte Minderheitsbeteiligung mit ihrer negativen Wirkmacht vermit­ telt gerade keine Möglichkeit für Disposition und Missbrauch; anderen­ falls wäre sie nach § 4h Abs. 2 S. 1 lit. b i.V.m. Abs. 3 S. 5–6 EStG auch erfasst. Unterschiede ergeben sich aber daraus, dass bei § 8a Abs. 2–3 KStG zusätzlich eine eigene schuldrechtliche Beziehung zwischen Perso­ nengesellschaft und Gesellschafter (bzw. dessen Umfeld) hinzukommt, während beim Grundtatbestand der Zinsschranke auch Bankdarlehen ausreichend sind. Durch die zusätzliche schuldrechtliche Beziehung wird daher stringent ein stärkerer Missbrauchsverdacht anzunehmen sein. Allerdings verschleiert dieses Stufenverhältnis das Grundproblem für § 8a Abs. 2–3 KStG: Die Erfassung von gewöhnlichen Kreditzinsen an die Hausbank durch den Grundtatbestand der Zinsschranke ist exzessiv und von dem Anliegen der Missbrauchsverhinderung nicht mehr gedeckt.653 Isoliert im Rahmen von § 8a Abs. 2–3 KStG betrachtet wirkt die Dispo­ sition eines Minderheitsgesellschafters unmittelbar für die Gesellschaft und damit mittelbar auch für einen eventuellen Mehrheitsgesellschafter. Noch deutlicher wird dies, wenn § 8a Abs. 3 KStG bei einer anderen Kon­ zerngesellschaft die Möglichkeit der Befreiung für den gesamten Konzern verschließt. Nach der Untersuchung der Organisationsverfassung der 650 Vgl. dazu oben, S. 70 f. 651 Vgl. Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 8a KStG Rn. 121; FG München, Beschluss v. 14.12.2011, Az. 7 V 2442/11, in EFG 2012, S. 453. 652 Erker, Kompensation für Steuern (2010), S. 22 ff. 653 Homburg, FR 2007, S. 717 (720 f.) nennt den Einbezug dieser Zinsaufwendung im internationalen Vergleich beispiellos. Vgl. auch Köhler in E&Y Unternehmensteu­ erreform (2008), S. 110.

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I.  Fremdbestimmung in der Kapitalgesellschaft

GmbH ist nicht ersichtlich, dass der Minderheitsgesellschafter eine Stel­ lung erlangt, in der er die Kapitalgesellschaft zum Abschluss eines (miss­ bräuchlichen, „gewinnabsaugenden“) Darlehens bestimmen kann. Die Annahme einer Dispositionsmacht zum Missbrauch geht daher bei § 8a Abs. 2–3 KStG fehl. Davon ist die Frage zu stellen, ob die Kapitalgesellschaft die Möglichkeit hat, die Rechtsfolge des § 8a Abs. 2–3 KStG abzuwehren. Während die Möglichkeit der aktiven Einflussnahme auf die Beteiligungshöhe aus Sicht der Gesellschaft eher fernliegend ist,654 kann durch entsprechen­ de Klauseln in den von § 8 Abs. 2–3 KStG erfassten Darlehensverträgen Einfluss genommen, etwa durch variable, „zinsschranken-adjustierte“655 Zinszahlungen in Abhängigkeit von den jeweiligen Kennzahlen der Zins­ schranke.656 Die Kapitalgesellschaft hat wegen § 8a Abs. 2–3 KStG bei allen ihren Darlehensverträgen auch den Fall zu bedenken, dass der bis­ lang nicht (wesentlich) beteiligte Darlehensgeber durch späteren Anteils­ erwerb die Beteiligungsgrenze überschreitet, was damit potentiell jeden unternehmerischen Darlehensvertrag erheblich verkomplizieren würde. All dies scheitert aber bei § 8a Abs. 3 KStG, soweit bei einer anderen Gesellschaft im Konzernverbund eine schädliche Gesellschafterfremdfi­ nanzierung vorliegt. In diesem Fall erfolgt jedoch wegen der Konzernzu­ gehörigkeit eine Zurechnung des „Versagens“ im Vertragsmanagement der anderen Konzerngesellschaft über die Konzernmutter. Die Zinsschranke ist im Ergebnis jedenfalls im Rahmen von § 4h EStG (unter Verletzung des Trennungsprinzips) mit dem allgemeinen Grund der Zurechnung von Einkünften weitgehend vereinbar: Kapitalgesell­ schaft und der Mehrheitsgesellschafter an der Konzernspitze nähern sich an und werden weitgehend als Einheit betrachtet. Das Etikett der „schäd­ lichen Gesellschafterfremdfinanzierung“ in § 8a Abs. 2–3 KStG aber ist irreführend: Im Kampf gegen Fremdkapital wird nicht der Missbrauch, sondern die Finanzierungsfreiheit und die Selbstbestimmung der Kapi­ talgesellschaft und der Mehrheit ihrer Gesellschafter angegangen. gg. § 13a ErbStG und Dispositionsbefugnis § 13a ErbStG ist in diesen Folgerungen als einzige Norm außerhalb des Ertragsteuerrechts vermeintlich ein Fremdkörper. Schließlich wird der allgemeine Grund der Zurechnung vor allem aus dem Markteinkom­ 654 So aber Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken (2011), S. 305 ff. 655 Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken (2011), S. 288. 656 Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 505 (510); Dörr/Fehling, Ubg 2008, S. 345 (352); Reiche/Kroschewski, DStR 2007, S. 1330 (1333).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

mensprinzip abgeleitet, das gerade nicht bei der Steuer auf Erbschaften und Schenkungen Anwendung findet.657 Dennoch wahrt zumindest der prominenteste Fall der Norm,658 § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG, weit­ gehend die Idee einer Dispositionsbefugnis des Steuerpflichtigen. Da­ nach wird eine gewährte Vergünstigung für einen Kapitalgesellschafter mit einer Beteiligung von mehr als einem Viertel zurückgenommen, wenn die Kapitalgesellschaft sich aufgelöst, ihr Nennkapital herabsetzt oder wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert. Diese Maßnahmen wir­ ken strukturändernd, werden – sofern sie nicht ohnehin in der Satzung ausdrücklich als Grundlagenentscheidungen benannt sind – nach § 49 Abs. 2 GmbHG von den Geschäftsführern vorbereitet und bedürfen der Zustimmung der Gesellschafter.659 Das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit und damit die Begründung einer Sperrminorität ergeben sich bei der Herabsetzung des Nennkapitals bereits aus § 53 Abs. 2 GmbHG, bei der Auflösung aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG und bei bestimmten Veräußerung des Unternehmens der Gesellschaft als Ganzes aus § 50 UmwG i.V.m. § 176 UmwG oder § 125 UmwG. Zum überwiegenden660 Teil kann daher der Steuerpflichtige mit seiner Sperrminorität die die Steuerpflicht auslösenden Handlungen der Kapitalgesellschaft verhin­ dern. Damit kann jedenfalls im Rahmen von § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG von einer weitgehenden Annäherung zwischen Kapitalgesell­ schaft und Anteilseigner auf Grundlage einer Betrachtung nach der Dis­ positionsbefugnis gesprochen werden. Auch beachtlich ist, dass der tat­ sächliche Liquiditätszufluss infolge der Veräußerung erforderlich ist (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 Hs. 2 ErbStG); damit werden schließlich auch Bedenken aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip661 ausgeräumt. Andere fremdbestimmte Steuerwirkungen aus §§ 13a, 13b ErbStG bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zu mehr als einem Viertel lassen sich so jedoch nicht mehr unter dem Schlagwort der „Dispositionsbefug­ nis“ erklären.662 Eine Umschichtung etwa hin zu mehr Verwaltungsver­ mögen oder ein Absinken der Lohnsumme kann nicht alleine mit einer Sperrminorität verhindert werden. Auch liegt hier kein Liquiditätstrans­ 657 So etwa Huber [jetzt: Valta]/Reimer, DStR 2007, S. 2042 (2042). Vgl. auch oben, S. 9 und S. 20 ff. 658 Crezelius, FR 2002, S. 805 (806 f.) zitiert diesen Fall in dem ersten Aufsatz zum Thema „Fremdbestimmung im Steuerrecht der Gegenwart“. Ausführlich m.w.N. zu § 13a ErbStG in diesem Kontext oben, S. 88 ff. 659 Vgl. die Nachweise in Fn. 458 und auf S. 102 ff. 660 Im Ergebnis auch Kläne, Forum Steuerrecht (2011), S. 131 (140 ff.). Es sind wohl lediglich bestimmte Veräußerungen wesentlicher Betriebsgrundlagen durch ver­ schiedene asset deals in mehreren Stufen nicht vom Erfordernis einer qualifizier­ ten Mehrheit erfasst. 661 Vgl. zu diesen Bedenken oben, S. 130. 662 Ausführliche und kritische Darstellung zu den weiteren Fällen in §§ 13, 13a ErbStG bei Kläne, Forum Steuerrecht (2011), S. 131 (137 ff.).

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

fer vor. Hier sind sich handelnde Kapitalgesellschaft und steuerpflichti­ ger Anteilseigner deutlich weniger nahestehend. hh. Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 Abs. 6 AStG) und Dispositionsbefugnis § 7 Abs. 6 AStG vermeidet einige Probleme der Fremdbestimmung, die § 7 Abs. 1 AStG aufweist, schafft aber neue. Anders als in § 7 Abs. 1 AStG wird nicht durch den Druck der Rechtsfolge eine Zwangsgemein­ schaft der Steuerpflichtigen gebildet. Deshalb entstehen auch keine fremdbestimmten Steuerwirkungen zwischen den Anteilseignern. Aller­ dings sinkt nun die erforderliche Beteiligungshöhe für die Durchbre­ chung des Trennungsprinzips: Nunmehr reicht eine Beteiligung von mehr als 1 Prozent aus, wenn die von der Zwischengesellschaft erzielten Einkünfte Kapitalanlagecharakter haben. Damit kann die Zwischenge­ sellschaft durch ihre Geschäftstätigkeit über die Steuerwirkung beim Anteilseigner disponieren. Der im Inland steuerpflichtige Anteilseigner kann aber mit seiner geringen Beteiligungsquote keinen Einfluss auf die Geschäftsführung und damit auf die Tätigkeit nehmen.663 Es verbleibt ihm einzig die Möglichkeit nach § 8 Abs. 2 AStG, den Missbrauchsvor­ wurf zu entkräften, was aber zum einen am Sitzstaat der Zwischengesell­ schaft scheitern kann (kein EU-/EWR-Staat; keine Amtshilfe mit Deutschland), zum anderen aber auch für sich schon eine erhebliche Be­ lastung darstellt. Der Charakter als Kapitaleinkünfte rechtfertigt diese Fremdbestimmung nicht. Wenig überraschend ist damit die Referenznorm mit den geringsten An­ forderungen an die gesellschaftsrechtliche Verknüpfung von Handeln­ dem und Steuerpflichtigen die Norm, die sich am weitesten vom Leitbild des allgemeinen Zurechnungsgrundes entfernt hat. Ein Näheverhältnis zwischen Handelndem und Steuerpflichtigem kann hier nicht mehr er­ kannt werden.

II. Fremdbestimmung in der Personengesellschaft Objekt der nachfolgenden Untersuchung soll vor allem die offene Han­ delsgesellschaft (oHG) sein. Die oHG ist dabei zwar nicht die am häufigs­ ten vorkommende Form der Personengesellschaft, aber rechtstechnisch die typische Form, was sich vor allem aus § 161 Abs. 2 HGB ergibt.664 663 Vgl. oben, S. 115. 664 Vgl. die Daten bei Kornblum, GmbHR 2018, S. 669: Die KG ist etwa zehnmal ver­ breiteter als die oHG. Auch andere Arbeiten zur Fremdbestimmung konzentrieren sich daher auf die oHG, z.B. Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Perso­ nen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 19.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

1. Vorbemerkung Gerade in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre werden oftmals fremd­ bestimme Steuerwirkungen explizit mit Bezug zu Personengesellschaf­ ten festgestellt.665 Der Fokus auf die wirtschaftlichen Wirkungen wird zwar in dieser Arbeit geteilt; die Wirkungen werden aber dann in genuin juristischen Kategorien, die auf die personalen Ertragsteuern ausgerich­ tet sind, erfasst, primär nach dem zu Grunde liegenden Näheverhältnis systematisiert und einem verfassungsrechtlichen und steuerdogmati­ schen Widerlager gegenübergestellt. Dies erfordert für die verschiedenen Gruppen666 der fremdbestimmten Steuerwirkungen bei Personengesell­ schaften folgende Justierungen beim Forschungsgegenstand: Die erste Gruppe lässt sich mit der prominentesten Quelle667 der Fremd­ bestimmung für Personengesellschaften verknüpfen: Die für Zwecke der Einkommensteuer transparente Personengesellschaft mit ihrer zweistu­ figen Gewinnermittlung (Ebene der Mitunternehmerschaft einerseits; Ebene der Mitunternehmer, insbesondere dargestellt durch Ergänzungsund Sonderbilanzen andererseits) wird als Steuersubjekt unter das Dach der Gewerbesteuer gebracht. Durch die Nivellierung dieser gesellschaf­ terbezogenen Korrekturposten werden zwingend nicht-verursachungsge­ rechte Steuerwirkungen hervorgerufen. Mit der besonderen Konzeption der Gewerbesteuer als Objektsteuer668 sind die Gewerbesteuer-bedingten Fälle in dieser Arbeit aber ein Fremdkörper. Zum einen ergeben sich schon Schwierigkeiten beim geplanten Vergleich mit dem allgemeinen Zurechnungsgrund, der sich explizit (auch) aus dem Einkommensteuer­ recht (§ 2 EStG) und damit einer grundsätzlich auf eine Personensteuer bezogenen Norm herleitet. Auch im Übrigen sucht diese Arbeit Antwor­ ten in der Subjektivität – gegenläufig damit zu der Objektskonzeption der Gewerbesteuer. Zum anderen müsste wegen dieser Komplikationen diese Arbeit auch in die allgemeine Diskussion zur derzeitigen Ausge­

665 Die erste Arbeit zu fremdbestimmten Steuerwirkungen befasst sich sogar aus­ schließlich mit Personengesellschaften: Rabald, Fremdbestimmte Steuerwirkun­ gen und Personengesellschaftsverträge (1987). Siehe auch Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 68 ff. 666 Vgl. eine ähnliche Gruppenbildung bei Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 63 ff. 667 Vgl. Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Aus­ gleichssystem (2013), S. 570 ff.; Beekmann, Ertragsteuerliche Behandlung der dop­ pelstöckigen Personengesellschaft (2007), S. 42; Rabald, Fremdbestimmte Steuer­ wirkungen und Personengesellschaftsverträge (1987), S. 400 ff.; Authenrieth, DStZ 1988, S. 120; Söffing, DStZ 1993, S. 587. 668 Vgl. dazu Hüttemann, StuW 2014, S. 58 (58 ff.); Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (225). In der Rechtsprechung auch BVerfG, Beschluss v. 15.01.2008 Az. 1 BvL 2/04 (Gewerbesteuerfreiheit), in BVerfGE 120, S. 1; BVerfG, Beschluss v. 15.02.2016, Az. 1 BvL 8/12, in juris Rz. 32 ff. [zit. nach juris].

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

staltung der Gewerbesteuer eintreten669; das würde aber die Grenzen des Themas sprengen. Eine zweite Gruppe fremdbestimmter Steuerwirkungen im Umfeld von Personengesellschaften findet sich im Bereich der Einkommensteuer. Hier wird der Betrieb der Personengesellschaft unter Einbezug der Ge­ sellschafter beschrieben; an diese Beschreibung knüpfen sich dann Steu­ erfolgen, die wieder beim einzelnen Gesellschafter wirken. Wegen des beschreibenden Charakters lassen sich diese Normen auch als Kontext­ normen670 bezeichnen. Damit wird jedenfalls unter den Mitunterneh­ mern eine Quelle an fremdbestimmten Steuerwirkungen geschaffen. Be­ sonders relevant sind hier Steuerwirkungen aus dem Kontext der Zinsschranke, wie sie dem Grunde nach schon bei der Kapitalgesellschaft besprochen wurden.671 Schließlich verbleibt als dritte Gruppe jene der Behaltefristen. Hier erge­ ben sich Fremdbestimmungen nach der Verletzung von übertragungsbe­ dingten Behaltefristen, wobei die Übertragung im Zusammenhang mit der Personengesellschaft steht: persönlich, wenn die Übertragung zwi­ schen Mitunternehmern bzw. in eine Mitunternehmerschaft stattfindet; sachlich, wenn ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil über­ tragen wird.672 In den Fällen der Behaltefristen dominiert aber ein anderes Näheverhältnis als das aus der Personengesellschaft: jenes infolge eines illiquiden, die Kontinuität wahrenden Übertragungsvorgangs. Deshalb soll diese Nähebeziehung betont und die Konstellation der Behaltefristen unter dieser Nähebeziehung untersucht werden. Ein weiterer Vorteil die­ ser Einordnung ist schließlich, dass nun auch die Probleme bei Behalte­ fristen mit Bezug auf Kapitalgesellschaften miteinander verglichen wer­ den können. 669 Für die Abschaffung der Gewerbesteuer zugunsten kommunaler Zuschläge auf die Stammsteuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) plädieren etwa Reimer, VVDStRL 73 (2014), S. 153 (184); Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch (2011), S. 363, 552 ff. und Schön, Stbg 2000, S. 1 (17). Vgl. auch die Vorschläge bei Tipke, Steuer­ rechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. (2003), S. 1158 ff.; Hey, FR 2001, S. 870; Hey, BB 1999, S. 1192 (1198) zu den Brühler Empfehlungen; Rödder, ZHR 171 (2007), S. 380 (384) zu den Vorschlägen der Stiftung Marktwirtschaft und zur Weiterent­ wicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Unternehmensteuer; Montag in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 12 Rz. 1; Jachmann, DStJG Bd. 25 (2002), S. 195; Jachmann, BB 2000, S. 1432; Gosch, DStZ 1998, S. 327 (334); mit Bezug auf die Debatte um Fremdbestimmung Kläne, Fremdbestimmte Steuerwir­ kungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 318 ff. 670 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 66 spricht von Fremdbestimmung durch Einfluss auf steuerlich rele­ vante Größen. 671 Dazu schon oben, S. 67 ff. 672 So etwa § 6 Abs. 5 EStG oder § 24 Abs. 5 UmwStG; siehe dazu ausführlich unten, S. 187 und S. 201.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Angesichts der prominenten Stellung der Personengesellschaften im Dis­ kurs der fremdbestimmten Steuerwirkungen einerseits,673 aber auch der relativ geringen eigenständigen Bedeutung der verschiedenen Fallgrup­ pen als solche andererseits, soll nur eingeschränkt auf dieses Referenzge­ biet eingegangen werden. Zunächst werden die verschiedenen Gruppen kurz dargestellt, wobei die Behaltefristen separat erst beim nächsten Re­ ferenzgebiet, jenem der Kontinuität wahrenden, illiquiden Übertragungs­ vorgänge, untersucht werden. Anschließend an die Beschreibung der Ge­ werbesteuer- und Einkommensteuer-bedingten Fremdwirkungen werden die Grundlagen der Disposition in einer Personengesellschaft erläutert, bevor dann auf die Grundlagen der Besteuerung von Personengesellschaf­ ten eingegangen wird. 2. Referenzfälle a. Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei der Gewerbesteuer aa. Ergänzungsbilanzen und Sonderbilanzen Ergänzungsbilanzen sind Teil der ersten Stufe der Gewinnermittlung der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht (Ermittlung des Ge­ winnanteils). Sie weisen zusammen mit der Gesellschaftsbilanz den für den einzelnen Mitunternehmer steuerlich zutreffenden Wert des Anteils am Gesamthandsvermögen aus.674 Sie sind Wertkorrekturbilanzen, da sie den Unterschied in den Anschaffungskosten des Anteils oder einzelner eingebrachter Betriebe675 oder Wirtschaftsgüter676 für den einzelnen Mit­ unternehmer abbilden. Der außerhalb der Gesamthand durch Einsatz des Sonderbetriebsvermö­ gens erwirtschaftete Gewinn des einzelnen Mitunternehmers wird für diesen gesondert in einer Sonderbilanz ermittelt. Sonderbilanzen sind Teil der zweiten Stufe der Gewinnermittlung bei Personengesellschaften im Einkommensteuerrecht und umfassen alle Wirtschaftsgüter, die der Gesellschafter zur Erwirtschaftung seines Gewinns aus der Gesellschaft einsetzt.677 In der Rechtsprechung wird die Gesamthandsbilanz der ers­ ten Stufe nicht mit der Sonderbilanz konsolidiert, sondern addiert.678 Da­ mit wird im Recht der Einkommensteuer einerseits die Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft (ähnlich einer juristischen Person) beachtet, 673 Vgl. die Nachweise in Fn. 665. 674 Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 10 Rz. 105, 123. 675 Bsp. im Rahmen von § 24 Abs. 5 UmwStG (vgl. dazu unten, S. 201). 676 Bsp. im Rahmen von § 6 Abs. 5 S. 4 EStG (vgl. dazu unten, S. 187). 677 Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 10 Rz. 106 ff., 131. 678 BFH Großer Senat, Beschluss v. 25.02.1991, Az. GrS 7/89, in BStBl. II 1991, S. 691; zu Ergänzungsbilanzen und Subjektsteuerprinzip Mutscher, FS Frotscher (2013), S. 479 (489 ff.).

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

andererseits aber für den einzelnen Mitunternehmer die Annäherung an den Einzelunternehmer vorgenommen. Im Rahmen der Gewerbesteuer werden diese Unterschiede nivelliert: Für die Ermittlung des Gewerbeertrags ist § 15 EStG auf Grund der Verwei­ sungen in § 2 Abs. 1 S. 1 und § 7 GewStG zu beachten. Ergänzungs- und Sonderbilanzen sind danach auch bei der Ermittlung des Gewerbeer­ trages zu berücksichtigen.679 Die Personengesellschaft steht als Steuer­ schuldnerin nach § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG selbst hierfür ein, also auch für eventuelle Gewinne aus den Ergänzungs- und Sonderbilanzen eines ein­ zelnen Gesellschafters. Damit liegt es in der Hand des einzelnen Gesellschafters, etwa durch Sonderbetriebseinnahmen die Steuerwirkungen auf Ebene der Personen­ gesellschaft zu sozialisieren. Eine echte Belastung tritt bei den anderen Gesellschaftern ein, wenn § 35 EStG keine vollständige Anrechnung der Gewerbesteuer über die Einkommensteuer ermöglicht. Die Anrechnung wirkt sich insbesondere nur dann vollständig entlastend aus, wenn der belastete Mitgesellschafter eine natürliche Person ist, die Personenge­ sellschaft in einer Gemeinde mit einem niedrigeren als den in § 35 Abs. 1 EStG genannten (relativ geringen) Hebesatz ansässig ist und keine An­ rechnungsüberhänge auftreten.680 Diese nicht verursachungsgerechte Verteilung sorgt für fremdbestimmte Steuerwirkungen.681 Dabei macht es für Zwecke der Fremdbestimmung keinen Unterschied, ob der jeweilige erfolgswirksame Vorgang in einer Ergänzungs- oder einer Sonderbilanz abgebildet wird. Beispiele für so­ zialisierte und so fremdbelastende Steuerwirkungen aus Sonderbilanzen sind etwa Sondervergütungen eines Gesellschafters nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG und Erträge mit Bezug auf aktivierte oder passivierte Wirtschaftsgüter in der Sonderbilanz. Beispiele682 für fremdbestimmte Steuerwirkungen infolge der Sozialisie­ rung von Ergänzungsbilanzen im Gewerbesteuerrecht sind ebenso viel­ fältig wie die Anwendungsfälle der Ergänzungsbilanzen:683

679 BFH Großer Senat, Beschluss v. 03.05.1993, Az. GrS 3/92, in BStBl. II 1993, S. 616 Rz. 62, 67, 97 [zit. nach juris] m.w.N. 680 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 842; Kläne, Fremdbe­ stimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 69 f.; Scheifele, DStR 2006, S. 253 (253). 681 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 68 ff.; Söffing, DStZ 1993, S. 587 (589 ff.). 682 Weitere Beispiele finden sich bei Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 72 ff., dort insb. auch in Fn. 313. 683 Anwendungsfälle von Ergänzungsbilanzen etwa bei Schoor, StBp 2006, S. 212 (213 ff.).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

– Bei einem entgeltlichen Erwerb von Anteilen an einer Personenge­ sellschaft kann auf Grund der Transparenz der Personengesellschaft der Erwerber nicht die Beteiligung selbst als Wirtschaftsgut aktivie­ ren, sondern nur anteilig die einzelnen Wirtschaftsgüter der Gesell­ schaft.684 Die Abweichung zwischen anteiligen Anschaffungskosten und Buchwert wird nicht in der Bilanz der Gesellschaft selbst, son­ dern in einer Ergänzungsbilanz abgebildet. Durch die Addition der Bilanzen für Zwecke der Gewerbesteuer werden im Jahr des Anteils­ erwerbs die anteiligen stillen Reserven des Wirtschaftsguts auf Ebene der Gesellschaft mit Wirkung für unbeteiligte Gesellschafter aufge­ deckt. – Bei Einbringung eines Mitunternehmeranteils, eines Betriebs oder ei­ nes Teilbetriebs in eine Personengesellschaft kann nach § 24 Abs. 2 UmwStG die Buchwertfortführung beantragt werden. Dabei gibt es keine zwingende bilanzielle Darstellung: So kann die Gesamthands­ bilanz den gemeinen Wert aufweisen und die Ergänzungsbilanz des einbringenden Gesellschafters die Differenz zum Buchwert. Alterna­ tiv kann der Buchwert in der Bilanz der Gesellschaft angesetzt wer­ den und lediglich die ebenfalls dort erfolgende Anpassung der Kapi­ talanteile in der Ergänzungsbilanz neutralisiert werden.685 Erneut führt die für den Gewerbeertrag folgende Addition von Gesamthandsund Ergänzungsbilanz zu fremdbestimmten Steuerwirkungen. Zu beachten ist aber, dass der Anlass hierfür die Ausübung eines bi­ lanziellen Wahlrechts durch die Personengesellschaft ist. Zwar mö­ gen wirtschaftliche Zwänge und Gründe im Rahmen des Einbrin­ gungsvorgangs diese Wahlfreiheit einengen,686 doch letztlich ist hier die Entscheidung der Gesellschaft Grund dafür, dass unmittelbar sie selbst eine erhöhte Gewerbesteuer schuldet. – Auch im Rahmen der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 S. 3 ff. EStG687 sowie für den persönlich haftenden Gesell­ schafter einer KGaA688 werden Ergänzungsbilanzen gebildet, bei de­ ren Addition gewerbesteuerliche fremdbestimmte Steuerwirkungen auftreten können.

684 BFH, Urt. v. 26.04.2012, Az. IV R 44/09, in BStBl. II 2013, S. 142 m.w.N. in Rz. 18 [zit. nach juris]. 685 Vgl. Bär/Merkle in Haritz/Menner, UmwStG, 5. Aufl. (2019), § 24 Rn. 139–143 m.w.N. 686 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 76 m.w.N. 687 Da es sich hierbei um eine Ergänzungsbilanz im Rahmen eines Kontinuität wah­ renden, illiquiden Übertragungsvorgangs handelt, wird hierauf ausführlich unten eingegangen, S. 187. 688 Hageböke, DK 2018, S. 136.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

– Gleiches gilt für Fälle von personenbezogenen Steuervergünstigun­ gen wie §§ 6b, 7i EStG, in denen nicht alle Gesellschafter die Anfor­ derungen des Gesetzes erfüllen. – Schließlich sieht § 5 Abs. 7 S. 1, 3 EStG in der Fassung des AIFM-St­ AnpG 2013 vor, dass der Erwerber689 eines Anteils an einer Personen­ gesellschaft von dieser eingegangene und von ihm übernommene Ver­ pflichtungen nicht passivieren darf, soweit bei der Gesellschaft ein Passivierungsverbot690 bestand. Der neue Gesellschafter muss die an­ teilig erworbene stille Last, die sich regelmäßig kaufpreismindernd ausgewirkt hat, zunächst erfolgsneutral mit dem Verkehrswert passi­ vieren und dann zum nächsten Bilanzstichtag (einkommensteuerlich nur mit Wirkung für ihn selbst) aus seiner Ergänzungsbilanz ausbu­ chen. Dieses Ergebnis wird für die Gewerbesteuer aber wieder auf die Gesellschaft bzw. die Gesamtheit der Gesellschafter umgelegt.691 bb. Veräußerung von Anteilen Nicht nur beim Erwerb, sondern auch bei der Veräußerung von Anteilen an einer Personengesellschaft entstehen fremdbestimmte Steuerwirkun­ gen für die Gesellschaft, die sich wirtschaftlich wiederum auf die Ge­ samtheit der Gesellschafter auswirken. Anders aber als beim Erwerb er­ geben sich die Wirkungen nicht aus der Addition von Ergänzungsbilanzen, sondern auf Grund der gesetzlichen Qualifikation als laufender Gewinn bzw. Gewerbeertrag. Dabei handelt es sich stets um Fremdkörper im Sys­ tem der Gewerbesteuer, denn sie erfasst im Grundsatz nur laufende Ge­ winne.692 (1) Die Regelungstechnik des § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG Bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils erhöhen sich nach § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG der Gewerbeertrag und damit die Steuerlast des Ge­ werbebetriebs um den durch den Gesellschafter erzielten Veräußerungs­ gewinn, wenn der Veräußerer keine natürliche Person (also regelmäßig eine Kapital- oder Personengesellschaft) ist. Nach der Gesetzesbegrün­ dung soll die Regelung verhindern, dass Kapitalgesellschaften einzelne Wirtschaftsgüter, deren Veräußerung bei ihnen der Gewerbesteuer unter­ 689 Für den Veräußerer gilt § 4f EStG i.d.F. AIFM-StAnpG 2013. 690 Zum Beispiel wegen einer Drohverlustrückstellung, die in der Steuerbilanz nach § 5 Abs. 4a EStG in Abweichung vom Maßgeblichkeitsgrundsatz nicht gebildet werden darf. 691 Ausdrücklich als fremdbestimmte Steuerwirkung benennend Dannecker/Rudolf, BB 2014, S. 2539 (2540). Gestaltungsbedarf erkennen auch Schindler, GmbHR 2014, S. 786 (789 f.); Benz/Placke, DStR 2013, S. 2653 (2659). 692 BVerfG, Beschluss v. 06.11.2008, Az. 1 BvR 2360/07, in NJW 2009, S. 499 Rz. 10 [zit. nach juris]; Montag in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 12 Rz. 18; Jachmann, FS Mußgnug (2005), S. 237 (238).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

liegt, nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG steuerneutral auf eine Personengesell­ schaft übertragen und anschließend die Beteiligung an der Personenge­ sellschaft steuerfrei veräußern.693 Ungeachtet der Frage, ob die Norm im sachlichen Anwendungsbereich schon überschießend ist694, führt sie zu einer teilweisen Auswechslung des Steuerschuldners. Nunmehr schuldet nicht der Anteilseigner, der von der Verschonung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG Gebrauch gemacht hat bzw. haben könnte (!), sondern die Gesellschaft selbst die Gewerbesteuer bezüglich der aufgedeckten stillen Reserven. Während dies für den ein­ tretenden Gesellschafter auf einen eigenen Entschluss zurückzuführen und einzupreisen ist, stellt die Erfassung des Veräußerungsgewinns hier eine echte Fremdbestimmung dar.695 Gleiches gilt auch bei einer natürlichen Person als Veräußerer, wenn das Einkommensteuerrecht einen Veräußerungsgewinn ausdrücklich als ei­ nen laufenden Gewinn bezeichnet wie in § 16 Abs. 1 S. 2 EStG bezüglich eines Teils eines Mitunternehmeranteils, oder wenn wie in § 18 Abs. 3 S. 1 UmwStG eine Gewerbesteuerpflicht explizit angeordnet wird.696 (2) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 zu § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG Das Bundesverfassungsgericht697 hat sich im Jahr 2018 anlässlich der Verfassungsbeschwerde einer als Kommanditgesellschaft organisierten Brauerei mit § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG beschäftigen müssen und dabei des­ sen verfassungsrechtliche Zulässigkeit im Grundsatz bestätigt. Dabei wurde auch explizit auf den Umstand eingegangen, dass der Veräuße­ rungsgewinn von einem ausscheidenden Mitunternehmer erzielt wird, jedoch von der Mitunternehmerschaft als Subjekt der Gewerbesteuer zu versteuern ist.

693 BT-Drs. 14/6882, S. 41; BFH, Urt. v. 30.08.2012, Az. IV R 54/10, in BStBl. II 2012, S. 927 Rz. 29 [zit. nach juris]. 694 So Bormann, FS Spiegelberger (2009), S. 22 (23); Montag in Tipke/Lang, Steuer­ recht, 23. Aufl. (2018), § 12 Rz. 18; Jachmann, FS Mußgnug (2005), S. 237 (239). 695 Kutt/Möllmann, DB 2010, S. 1662; Schmidt/Hageböke, DB 2003, S. 790 (791); Bormann, FS Spiegelberger (2009), S. 22; Günkel/Levedag, FR 2004, S. 261; Brinkmann/Schmidtmann, DStR 2003, S. 93; Schmidt-Fehrenbacher, FS Herzig (2010), S. 459 (466). Ausführlich zu Gestaltungsvorschlägen, um die fremdbestimmten Steuerwirkungen zu verhindern oder zu kompensieren Scheifele, DStR 2006, S. 253; Kutt/Möllmann, DB 2010, S. 1662 (1663 ff.); Schrade, FR 2017, S. 862. 696 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 85 ff.; Schmidt/Hageböke, DB 2003, S. 790; kritisch Montag in Tip­ ke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 13 Rz. 45. 697 BVerfG, Urt. v. 10.04.2018, Az. 1 BvR 1236/11, in BVerfGE 148, S. 217.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

Zur Rechtfertigung führte das Bundesverfassungsgericht aus,698 dass …ein durchgreifender Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip […] jedenfalls deshalb nicht [vorliegt], weil die in steuerrechtlicher Hinsicht mit dem Mitunter­ nehmeranteil veräußerten Anteile an den Vermögensgegenständen durch den in die Gesellschaft einrückenden Erwerber in der Mitunternehmerschaft verbleiben und die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft im Grundsatz unverändert erhalten. Soweit der veräußernde Mitunternehmer einen Verkaufserlös durch Aufdeckung stiller Reserven erzielt hat, übernimmt der Erwerber den entsprechend erhöhten Bilanzwert in Form einer Ergänzungsbilanz in der Mitunternehmerschaft. Ver­ kauft die Gesellschaft später diese Vermögensgegenstände oder veräußert sie den Betrieb oder Teile daran, wird durch die Auflösung der Ergänzungsbilanz beim eingetretenen Gesellschafter im Ergebnis eine Doppelbesteuerung auch nur von Teilen der stillen Reserven vermieden.

Diese Argumentation699 wird aber zu Recht kritisiert:700 Auf Ebene der Personengesellschaft kommt es gerade nicht zu einem Zuwachs an Leis­ tungsfähigkeit – im Gegenteil mindert sich die Leistungsfähigkeit durch den Abfluss der Gewerbesteuer. Damit wird selbst für die Gewerbesteuer systemfremd auf einen Geschäftsvorfall außerhalb des laufenden Ge­ schäftsbetriebs abgestellt. Das eigentliche Problem der Norm – die Sozialisierung einer nur von ei­ nem Gesellschafter ausgelösten Steuerlast – wird vom Bundesverfassungsgericht nur lapidar „im Übrigen“ behandelt:701 Der Gesetzgeber dürfe von „keinen unüberwindbaren Problemen“ auf dem Weg zu einer interessengerechten Verteilung ausgehen, denn Gesellschaftsverträge ­sehen üblicherweise entsprechende Klauseln zur Verteilung der Gewer­ besteuerlast vor. Dabei handele es sich nicht um die Reparatur einer ­ansonsten verfassungswidrigen Norm, da die Belastung der Personenge­ sellschaft mit der Gewerbesteuer anlässlich eines Veräußerungserlöses gerade zulässig sei. Damit zeigt sich das Bundesverfassungsgericht gegenüber fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen ambivalent: Es thematisiert sie einerseits in der Personengesellschaft bei der Gewerbesteuer als „nicht interessen­ gerecht“, sieht andererseits hierin (noch) kein verfassungsrechtliches Problem. Ein solches hat der gleiche Senat des Bundesverfassungsgerichts etwa ein Jahr zuvor bei § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. für Kapitalgesell­ 698 BVerfG, Urt. v. 10.04.2018, Az. 1 BvR 1236/11, in BVerfGE 148, S. 217 Rz.110 [zit. nach juris]. 699 Hageböke, DK 2018, S. 136 (148) weist zutreffend darauf hin, dass bei Anwendung dieses Maßstabs die Verortung der Ergänzungsbilanz für den persönlich haftenden Gesellschafter „oben“ bei der KGaA wie nach BFH v. 15.03.2017, Az. I R 41/16, DStR 2017, S. 1976 nicht zu rechtfertigen sei. 700 Siebert/Sommer/Grün, DStR 2019, S. 367 (368); Roser, FR 2018, S. 421 (423). 701 BVerfG, Urt. v. 10.04.2018, Az. 1 BvR 1236/11, in BVerfGE 148, S. 217 Rz.111 [zit. nach juris].

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

schaften bei der Körperschaftsteuer noch bejaht.702 Im Ergebnis besteht damit je nach Steuerart und Gesellschaftsform ein unterschiedliches ver­ fassungsrechtliches Schutzniveau vor fremdbestimmten Steuerwirkun­ gen. cc. Weitere Referenzfälle Fremdbestimmte Steuerwirkungen entstehen auch dann, wenn der Per­ sonengesellschaft Abzugsmöglichkeiten auf Grund der Anknüpfung an bestimmte Handlungen eines Gesellschafters versagt werden. Diese Wir­ kungen können sich entweder originär aus dem Recht der Gewerbesteu­ er oder mittelbar aus dem der Einkommensteuer ergeben. Originär gewerbesteuerlich ist die Fremdbestimmung im Rahmen von § 10a GewStG, soweit infolge des Ausscheidens eines Mitgesellschafters entsprechend seinem Anteil am Gewinnverteilungsschlüssel gewerbe­ steuerliche Verluste und Verlustvorträge untergehen. Insoweit ähnelt die Regelung jener aus § 8c Abs. 1 KStG. Anders aber als im Recht der Kör­ perschaftsteuer ist keine qualifizierte Beteiligung erforderlich. Der ent­ sprechend quotal verminderte Fehlbetrag gilt für die Personengesell­ schaft im Ganzen,703 so dass fremdbestimmte Steuerwirkungen wiederum unmittelbar für die Personengesellschaft und im Ergebnis für die verblie­ benen Gesellschafter eintreten.704 Durch § 10a S. 10 Hs. 2 GewStG tritt der Verlustuntergang auch insoweit bei einer Personengesellschaft ein, als dass bei der an der Personengesell­ schaft beteiligten Kapitalgesellschaft ein schädlicher Beteiligungserwerb im Sinne des § 8c Abs. 1 KStG erfolgt.705 Die Regelungssysteme zum Ver­ lustuntergang bei § 10a GewStG und § 8c KStG werden so miteinander kombiniert. Die Veräußerung einer unmittelbaren Beteiligung einer na­ türlichen Person an einer Personengesellschaft steht (unter den weiteren Voraussetzungen des § 8c KStG) der Veräußerung einer Beteiligung der­ selben natürlichen Person gleich, die nur durch Kapitalgesellschaften vermittelt wird. Im toten Winkel dieser Gleichstellung liegt aber die Beteiligung, die nur durch eine Personengesellschaft vermittelt wird: ­ ­Damit entfaltet die an sich transparente Personengesellschaft nach der

702 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106; dazu schon oben, S. 60. 703 BFH Großer Senat, Beschluss v. 03.05.1993, Az. GrS 3/92, in BStBl. II 1993, S. 616 Rz. 59 ff. [zit. nach juris]. 704 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 97; Rabald, Fremdbestimmte Steuerwirkungen und Personengesell­ schaftsverträge (1987), S. 492 ff. 705 Ausführlich zu § 10a S. 10 GewStG und dessen Bezug zu § 8c KStG oben, S. 67.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

Rechtsprechung des BFH706 eine Abschirmwirkung für Zwecke des Ver­ lustuntergangs bei der Gewerbesteuer, die die Kapitalgesellschaft nach § 10a S. 10 GewStG nicht herzustellen vermag.707 Fremdbestimmte Steuerwirkungen unter der Gewerbesteuer, die infolge von Abzugsbeschränkungen der Einkommensteuer entstehen, ergeben sich etwa aus § 4 Abs. 4a EStG, der bei der Überentnahme durch einen Gesellschafter unter bestimmten weiteren Voraussetzungen den Abzug von Schuldzinsen einschränkt. Während im Recht der Einkommensteu­ er nach herrschender Meinung708 die Rechtsfolgen nur bei dem Gesell­ schafter eintreten, der die Überentnahme getätigt hat, erfolgt erneut über § 7 GewStG eine Sozialisierung der Abzugseinschränkung auf Ebene der Gesellschaft: Die nicht abzugsfähigen Schuldzinsen werden auf Ebene der Gesellschaft wieder hinzugerechnet, so dass hier fremdbestimmte Steuerwirkungen entstehen können.709 b. Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei der Einkommensteuer aa. Konzern- und Betriebsbetrachtung unter der Zinsschranke Wie bei Kapitalgesellschaften ergeben sich auch bei Personengesellschaf­ ten durch die Regelungen zur Zinsschranke710 zahlreiche fremdbestimm­ te Steuerwirkungen. Im Rahmen der Zinsschranke wird im Unterschied zur allgemeinen Ermittlung der Einkünfte nicht mehr nur auf Vorgänge auf Ebene der Steuerbilanz der Gesellschaft, sondern (weit) darüber hi­ naus auf eine steuerliche „Gesamtbilanz“711 der Personengesellschaft oder gar eine Konzernbilanz Bezug genommen. Zum einen geschieht dies mit dem Verweis auf § 8c Abs. 1 KStG in § 4h Abs. 5 S. 3 EStG sowie mit der Bezugnahme auf die Konzernzugehörig­ keit im Allgemeinen und die Eigenkapitalquote im Konzernvergleich im Besonderen (§ 4h Abs. 2 S. 1 lit. b-c EStG): Damit stellen sich die gleichen Probleme wie bei Kapitalgesellschaften, so dass auf die Darstellung hier­ zu verwiesen werden kann.712 706 BFH Großer Senat, Beschluss v. 03.05.1993, Az. GrS 3/92, in BStBl. II 1993, S. 616 Rz. 64 [zit. nach juris]. Dies ist auch Verwaltungsauffassung, vgl. R 10a.3 Abs. 3 S. 9 Nr. 8 GewStR 2009. 707 Gestaltungspotenzial sehen Prinz, FR 2010, S. 736 (740); Breuninger, StbJb 2010/2011, S. 303 (308 f.). 708 BFH, Urt. v. 29.03.2007, Az. IV R 72/02, in BStBl. II 2008, S. 420; vgl. dazu auch Baschnagel, BB 2015, S. 349 (349 f.). 709 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 93 m.w.N. 710 Zur Grundaussage der Zinsschranke oben, S. 68. 711 Zu dem Begriff Wacker in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 15 Rn. 401. 712 Ausführlich dazu oben, S. 67 ff. Nicht anwendbar und damit auch kein Quell fremdbestimmter Steuerwirkungen ist aber § 8a Abs. 2–3 KStG, der die schädliche

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Zum anderen aber ergeben sich fremdbestimmte Steuerwirkungen da­ durch, dass Bezugsobjekt der Zinsschranke lediglich „der Betrieb“ ist. Damit wird – ähnlich wie im Recht der Gewerbesteuer713 – versucht, ei­ nen (systemvermischenden) Gleichlauf von Personen- und Kapitalgesell­ schaft zu erreichen.714 Mit der Fokussierung auf den Betrieb wird die be­ stehende, dogmatisch begründete Unterscheidung von Gesellschafts- und Gesellschafterebene mit Gesamthandsbilanz einerseits und Ergänzungsund Sonderbilanzen andererseits nivelliert.715 Gerade durch Ergänzungsund Sonderbilanzen soll sichergestellt werden, dass sich im Gesell­ schaftsvermögen enthaltene stille Reserven oder stille Lasten bei der Besteuerung derjenigen Gesellschafter auswirken, in deren Person sie entstanden sind.716 Durch den Einbezug von Handlungen einzelner Ge­ sellschafter aus dem jeweiligen Sonderbereich können die Wirkungen der Zinsschranke auf jeder Stufe ihrer Anwendung erstmalig oder verstärkt eintreten. Zinsaufwendungen im Sonderbereich eines Gesellschafters sind Zinsauf­ wendungen nach § 4h Abs. 3 S. 2 EStG und können so ein erstmaliges Überschreiten der 30 Prozent-Grenze im Grundtatbestand des § 4h Abs. 1 EStG oder eine weitergehende Erhöhung der Nettozinsaufwen­ dungen bewirken.717 Gleiches gilt für das erstmalige Überschreiten der Bagatell-Freigrenze des § 4h Abs. 2 S. 1 lit. a EStG. Durch die Gesell­ schafter-veranlassten Zinsaufwendungen kann auch die Eigenkapital­ quote im Konzernvergleich absinken (§ 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG). Jenseits der Zinsaufwendungen haben die Ergebnisse in den Sonderberei­ chen auch Einfluss auf den maßgeblichen Gewinn nach § 4h Abs. 3 S. 1 EStG, so dass Aufwendungen (auch solche, die keine Zinsaufwendungen sind) den Gewinn vermindern und damit dem Betrag nach gleichbleiben­ de Zinserträge erstmals oder noch weiter über die 30 Prozent-Grenze des § 4h Abs. 1 S. 1 EStG gleiten können. Zu bedenken ist aber, dass auch entlastende fremdbestimmte Steuerwir­ kungen beim Einbezug von Ergänzungs- und Sonderbilanzen entstehen

Fremdfinanzierung durch Gesellschafter zu einem Ausschlussgrund für die An­ wendung von § 4h Abs. 2 S. 1 lit. b-c EStG macht. 713 Dazu schon oben, S. 152 ff. 714 Prinz, FR 2010, S. 736 (740); Hoffmann, GmbHR 2008, S. 927 (928). 715 Zur Definition von Ergänzungs- und Sonderbilanz sowie zu deren Nivellierung im Recht der Gewerbesteuer siehe schon unten, S. 152 ff. 716 Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. (2015), Kapitel L Rn. 700; Wacker in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 15 Rn. 401, 460 ff. 717 BMF, Schreiben v. 04.07.2008, Az. IV C 7 S 2742 a/07/10001, in BStBl. I 2008, S. 718 Tz. 6, 19, 50 ff.; Loschelder in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 4h Rn. 9; Korn in Korn, EStG, § 4h Rn. 200 f.; Seiler in Kirchhof, EStG Kompaktkommen­ tar, 18. Aufl. (2019), § 4h Rn. 15.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

können,718 etwa wenn durch Sonderzinserträge die Nettozinsaufwendun­ gen absinken oder durch andere Erträge sich der maßgebliche Gewinn nach § 4h Abs. 3 EStG und damit auch die unbedenklichen Zinsaufwen­ dungen erhöhen können. Die fremdbestimmten Steuerwirkungen treten im Folgenden aber nur ein, weil bei der Rückführung vom Subjekt der Einkünfteerzielung und -ermittlung719 auf den Gesellschafter als Steuerpflichtigen eine Soziali­ sierung der Steuerwirkung über den allgemeinen Gewinnverteilungs­ schlüssel erfolgt. Dies ist jedenfalls die Auffassung des BMF720, wonach ein unter die Zinsschranke fallender Sonderbetriebs-Zinsaufwand den steuerlichen Gewinn aller Mitunternehmer quotal erhöhen soll (entspre­ chendes Entstehen eines Zinsvortrags). Die Fremdbestimmung ergibt sich in erster Linie aus der entsprechenden Verwaltungsauffassung und gerade nicht unmittelbar aus dem Gesetz.721 Das BMF-Schreiben steht aus diesem Grund im Fokus der Kritik des Schrifttums.722 Die Bedenken sind nicht bloß normhierarchischer Natur und nicht nur Ausdruck einer generellen Skepsis gegen fremdbestimmte Steuerwir­ kungen. Vielmehr bedeutet eine Fremdbestimmung auf Grund einer Verwaltungsvorschrift auch, dass die Fremdbestimmung unter dem ­ ­Gesetz nicht zwingend ist.723 Es sind Alternativmodelle denkbar und 718 S. auch Hoffmann, GmbHR 2008, S. 927 (928); Kläne, Fremdbestimmte Steuerwir­ kungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 115 ff. 719 Grundlegend BFH, Beschluss v. 11.04.2005, Az. GrS 2/02, in BStBl. II 2005, S. 679 (am Beispiel der Zebragesellschaft). 720 BMF, Schreiben v. 04.07.2008, Az. IV C 7 S 2742 a/07/10001, in BStBl. I 2008, S. 718 Tz. 51. 721 Auch bei § 22 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 UmwStG (dazu unten, S. 196 ff.) ergibt sich eine Fremdbestimmung nicht zwingend aus dem Gesetz, sondern erst auf Grund einer Verwaltungsanweisung. An anderer Stelle aber wird eine im Gesetz angelegte Fremdbestimmung durch eine Verwaltungsanweisung beseitigt, etwa bei der Real­ teilung (vgl. S. 192). Vgl. zu den unterschiedlichen normhierarchischen Quellen fremdbestimmter Steuerwirkungen auch S. 327 ff. 722 Kaltenbach/Layh, Ubg 2014, S. 573 (579 ff.); Liekenbrock, Management und Bi­ lanzierung von Zinsschrankenrisiken (2011), S. 132 ff.; Fischer/Wagner, BB 2008, S. 1872 (1876); Schmidt-Fehrenbacher, FS Herzig (2010), S. 459 (467 f.); van Lishaut/Schuhmacher/Heinemann, DStR 2008, S. 2341 (2343 f.); Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 1 (6); Brinkmeier, EStB 2008, S. 316; Müller/Marchand, ErbStB 2008, S. 272 (275); Feldgen, NWB 2009, S. 998 (1000 f.); Köhler in E&Y Unternehmen­ steuerreform (2008), S. 112 f.; Rödder, Beihefter zu Heft 40, DStR 2007, S. 2 (7 Fn. 40); Wagner/Fischer, BB 2007, S. 1811; Loschelder in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 4h Rn. 9; Dörfler, Ubg 2008, S. 693 (700 f.); Hoffmann, GmbHR 2008, S. 927 (928) spricht von einem Kuckucksei, das jetzt ins Netz der steuerlichen Gewinnermittlung der anderen Gesellschafter gelegt wurde. 723 Eine Modifikation erfolgt idealiter ohne gesonderte Vereinbarung (so auch Wagner/Fischer, BB 2007, S. 1811 (1812)). In der Literatur wird aber eine entsprechende Abrede vorgeschlagen; vgl. etwa Dörfler, Ubg 2008, S. 693 (700 f.); van Lishaut/ Schuhmacher/Heinemann, DStR 2008, S. 2341 (2344); Hoffmann, GmbHR 2008,

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

­gedacht,724 die einen modifizierten, die Verursachungsbeiträge berück­ sichtigenden Gewinnverteilungsschlüssel anwenden: So kann bei der Zuteilung der nicht abziehbaren Zinsaufwendungen der allgemeine Ge­ winnverteilungsschlüssel um die Prozentpunkte erhöht (bzw. erniedrigt) verwendet werden, um die der Anteil am maßgeblichen Gewinn im Sin­ ne des § 4h Abs. 3 EStG nach unten (bzw. nach oben) abweicht. Gleiches kann beim Anteil der Nettozinsaufwendungen gelten: Der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel wird um die Prozentpunkte erhöht (bzw. er­ niedrigt), um die der Anteil des Gesellschafters an den Nettozinsaufwen­ dungen nach oben (bzw. nach unten) abweicht. Eine derartige Verteilung des Zinsvortrages bewegt sich zwar (leider) auf dem gleichen Komplexitätsniveau wie die Zinsschranke im Allgemei­ nen; dennoch wäre sie eine verursachungsgerechtere Verteilung der Rechtsfolgen der Zinsschranke, die die Bezugnahme auf den gesamten Betrieb mit den Eigenheiten der zweistufigen Gewinnermittlung bei Per­ sonengesellschaften versöhnt. Eine derartige Auslegung, die eben die Verursachungsbeiträge berücksichtigt, wäre außerdem nicht nur rechts­ politisch wünschenswert; sie ist auch rechtsstaatlich geboten.725 Auf Grundlage des weiten Anwendungsbereichs der Zinsschranke und der Verteilung der Rechtsfolgen nach der Verwaltungsauffassung lässt sich nur der Versuch erkennen, Personen- und Kapitalgesellschaften über den Betriebsbegriff um jeden Preis gleich zu behandeln. Dies schafft ein Spannungsfeld zwischen Betriebsbezogenheit einerseits und Transpa­ renzprinzip andererseits.726 Aus diesem heraus entstehen die verschiede­ nen fremdbestimmten Steuerwirkungen für Personengesellschaften bei Anwendung der Zinsschranke. bb. Weitere betriebsbezogene Betrachtungen Wesentlich weniger prominent als die Zinsschranke, aber die gleiche Grundkonstellation betreffend sind die Fälle des § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 S. 927 (928): nur vorsorglich bis zu einer entsprechenden Ablehnung der Verwal­ tungsmeinung durch die Gerichte. Eine Lösung ohne vorherige Abrede, sondern über sekundäre Ausgleichsansprüche wird bei Erker, Kompensation für Steuern (2010), S. 170 ff. vorgeschlagen. 724 Verschiedene, alternative Modelle bei Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs (2009), S. 249 ff.; Feldgen, NWB 2009, S. 998 (1001); Kußmaul/Ruiner/Schappe, DStR 2008, S. 904 (906 ff.). Hieran ist auch der folgende Alternativvorschlag zur verursachungsgerechten Aufteilung angelehnt. 725 Zur Herleitung der Auslegungsregel aus dem Rechtsstaatsprinzip unten, S. 327 ff. 726 Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs (2009), S. 247; Köhler in E&Y Unternehmensteuerreform (2008), S. 112 f.; Prinz, FR 2010, S. 736 (740); Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken (2011), S. 133 f.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

EStG und § 141 AO: Bei beiden Normen ist eine Rechtsfolge abhängig von einer Rechengröße, die an den Betrieb einer Personengesellschaft und dabei auch an die Sonderbilanzen der einzelnen Gesellschafter mit Wirkung für die Gesamthand anknüpft.727 Nach § 7g EStG können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungs­ kosten als Investitionsabzugsbeträge gewinnmindernd abgezogen wer­ den. Persönliche Voraussetzung für die Gewährung dieser Subvention in Form einer Steuerstundung ist ein den Vorgaben des § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG entsprechend geringes Betriebsvermögen.728 Bei der Berechnung des Betriebsvermögens ist insoweit auch das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter einzubeziehen.729 Nach § 141 AO kann die Finanzbehörde gewerblichen Unternehmern aufgeben, Bücher zu führen und damit ihren Gewinn nach §§ 4 Abs. 1; 5 EStG statt nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Eine der alternativen Vo­ raussetzungen ist hierfür das Überschreiten eines bestimmten Grenz­ wertes beim Gewinn des Betriebs (60.000 Euro nach § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AO seit 2016). Auch hier wird an die Sonderbilanz angeknüpft, wenn der Gewinn aus dieser bei der Bestimmung des Gewinns einbezo­ gen wird.730 Zu bedenken ist aber, dass die gewerblichen Personengesell­ schaften ohnehin als KG oder oHG nach § 140 AO i.V.m. §§ 6 Abs. 1; 238 Abs. 1 HGB buchführungspflichtig sind und damit der Tatbestand des § 141 AO wegen der dort ausdrücklich angeordneten Subsidiarität zu § 140 AO insoweit für Personengesellschaften leerläuft: § 141 AO mit

727 Vgl. Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesell­ schaften (2010), S. 105 ff.; allgemein zur gesellschafts- vs. gesellschafterbezogenen Anwendung der Gewinnermittlungsvorschriften Hüttemann, DStJG Bd. 34 (2011), S. 291 (300 f.). 728 § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG setzt hierfür am Schluss des Wirtschaftsjahres voraus (a) bei Gewerbebetrieben oder der selbständigen Arbeit dienenden Betrieben, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln, ein Betriebsvermögen von 235.000 Euro; (b) bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft einen Wirtschaftswert oder ei­ nen Ersatzwirtschaftswert von 125.000 Euro oder (c) bei Betrieben im Sinne der Buchstaben a und b, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, ohne Be­ rücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags einen Gewinn von 100.000 Euro. 729 BMF, Schreiben v. 20.03.2017, Az. IV C 6 – S 2139-b/07/10002-02, in BStBl. I 2017, S. 423 Tz. 4, 13 in der Fassung nach BMF, Schreiben v. 26.08.2019, Az. IV C 6-S 2139-b/07/10002-02, in BStBl. I 2019, S. 870; BFH, Urt. v. 02.08.2012, Az. IV R 41/11, in BFHE 238, S. 135 Rz. 49 [zit. nach juris]; Bugge in Kirchhof/Söhn/Mel­ linghoff, EStG, § 7g Rn. B 9. 730 So BFH, Urt. v. 23.10.1990, Az. VIII R 142/85, in BStBl. II 1991, S. 401 Rz. 37 [zit. nach juris]; ausführlich und kritisch hierzu Wichmann, DStR 2012, S. 2513 (2517).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

dem Einbezug der Sonderbilanzen ist derzeit nur ein potentieller Tatbe­ stand für Fremdbestimmungen.731 c. Behaltefristen Schließlich werden im Zusammenhang mit Personengesellschaften auch jene Normen erwähnt, die Behaltefristen bei Übertragungen von Wirt­ schaftsgütern oder Sachgesamtheiten zwischen verschiedenen Mitunter­ nehmern der gleichen Mitunternehmerschaft, verschiedenen Betriebs­ vermögen desselben Steuerpflichtigen oder zwischen Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft vorsehen, wie etwa §§ 6 Abs. 3 S. 2; 6 Abs. 5 S. 4; 16 Abs. 3 S. 3 EStG und verschiedene Normen des UmwStG. Deren Darstellung erfolgt in dieser Arbeit aber als exemplarisch für die illiquiden, Kontinuität wahrenden Übertragungsvorgänge.732 In diesen Fällen ist die Nähebeziehung zwischen Veräußerer und Erwerber weni­ ger geprägt von der Verbindung innerhalb der Mitunternehmerschaft; sondern vielmehr von dem Umstand, dass die Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung von Anteilen erfolgt und eine Fortführung der Nutzung vom Gesetz jeweils vorausgesetzt wird. Damit stehen diese Re­ ferenzfälle auch jenen näher, die Behaltefristen bei der Einlage in eine Kapitalgesellschaft vorsehen. 3. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen a. Rechtsfähigkeit statt Rechtspersönlichkeit Im Recht der Personengesellschaft fehlt eine dem § 13 Abs. 1 GmbHG oder § 1 Abs. 1 AktG entsprechende Norm: Die Personengesellschaft wird vom Gesetz nicht als juristische Person definiert. § 124 HGB ordnet für die oHG an,733 dass diese Rechte erwerben und Verbindlichkeiten ein­ gehen kann (auch im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern), allerdings ohne den Zusatz „als solche“ wie bei der GmbH. Deshalb wird stets von der Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaft gesprochen, während

731 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 107 ff., der aber auf entsprechende Diskussionen für Buchführungs­ erleichterungen auch bei kleinen Personenhandelsgesellschaften ähnlich § 241a HGB im Rahmen des BilMoG-Gesetzgebungsverfahren verweist, die § 141 AO ­virulent hätten werden lassen. 732 Siehe dazu unten, S. 181 ff. 733 Die Darstellung der gesellschaftsrechtlichen Grundlagen bei Personengesellschaf­ ten orientiert sich an der oHG, ebenso wie die entsprechende Darstellung bei Ka­ pitalgesellschaften an die GmbH angelehnt war (vgl. dazu schon Fn. 664). § 124 HGB gilt aber über den Verweis des § 161 Abs. 2 HGB für die KG und nach BGH, Urt. v. 29.01.2001, Az. II ZR 331/00, in NJW 2001, S. 1056 auch für die Au­ ßen-GbR entsprechend.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

Kapitalgesellschaften als Körperschaften und juristische Personen be­ nannt werden.734 Gerade mit Bezug auf das geltende Umwandlungsrecht, das eine form­ wechselnde Umwandlung von Personen- in Kapitalgesellschaften und andersherum erlaubt, wird aber diese Trennung zwischen Gesamthands­ gesellschaften und juristischen Personen von manchen Stimmen in der Literatur als überholt gesehen: Sowohl Personen- als auch Kapitalgesell­ schaften seien demnach juristische Personen,735 das begriffliche Gegen­ satzpaar mithin nur noch Körperschaften und Gesamthandsgesellschaf­ ten. Diese Disparität zwischen gesetzgeberischen Definitionen wie in §§ 124 HGB; 13 GmbHG auf der einen Seite und der Wahrnehmung in Wirt­ schaft, Literatur und auch durch den Gesetzgeber des Umwandlungs­ rechts von der Personengesellschaft als (vergleichbare) Alternative zur Kapitalgesellschaft auf der anderen Seite steht kennzeichnend für die De­ batte um die Personengesellschaft als Rechtsperson:736 Mehrheitlich wird sie noch als rechtsfähige Gesamthandsgesellschaft ohne eigene Rechts­ persönlichkeit gesehen. Mit dieser fehlenden Rechtspersönlichkeit kann sie daher auch nicht selbst als solche handelnder Fremder oder betroffe­ ner Steuerpflichtiger im Bild der fremdbestimmten Steuerwirkungen sein. Diese Erkenntnis ist aber gerade wegen der Fortentwicklung durch Richterrecht, weg vom kodifizierten Recht, ins Wanken geraten.737 Auch ohne die Annahme einer eigenen Rechtspersönlichkeit folgt aus der eigenen Rechtsfähigkeit der Gesellschaft, dass sie Verträge mit jeder­ mann einschließlich ihrer Gesellschafter abschließen kann. Zu beachten sind lediglich die Grenzen des dispositiven § 181 BGB.738 Anders als im Steuerrecht erfolgt auch keine spätere Neutralisierung der Vergütungen an den Gesellschafter, die in Erfüllung des Vertrages erbracht werden. b. Einwirkungsmöglichkeiten für die Gesellschafter in der Personengesellschaft Auch bei der Personengesellschaft stellt sich die Frage, inwieweit Gesell­ schafter auf die Gesellschaft einwirken können. Reicht die Möglichkeit 734 Auch an anderer Stelle geht der Gesetzgeber von einer Unterscheidung zwischen Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit aus: § 14 BGB und § 7 MarkenG gehen von juristischen Personen einerseits und rechtsfähigen Personengesellschaften aus; vgl. ausführlich auch Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2002), § 8 I. 735 Raiser, AcP (1994), S. 495 (498 ff.); Timm, NJW 1995, S. 3209 (3214). 736 Schmidt, ZHR 177 (2013), S. 712 (713). 737 Habermeier, Staudinger – Eckpfeiler des Zivilrechts (2014), Gesellschaft und Ver­ ein, Rn. 28; Schmidt, ZHR 177 (2013), S. 712 (717); Schmidt, JZ 2009, S. 10 (13); Raiser, AcP (1994), S. 495 (510 ff.). 738 Schmidt in MüKo HGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2016), § 126 Rn. 15.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

der Einwirkung so weit, dass die steuerauslösende Handlung verhindert werden kann, liegt schließlich keine Fremdbestimmung mehr vor. Im Vergleich zur GmbH ist diese Untersuchung bei der oHG verkompliziert: Zum einen ist die zugrundeliegende Rechtsmaterie das Innenrecht der oHG, das weitgehend dispositiv und daher nur eingeschränkt verallge­ meinerungsfähigen Aussagen zugänglich ist; zum anderen besteht keine echte Trennung zwischen den Ebenen, da §§ 709, 714 BGB, 114, 125 HGB der Personengesellschaft Selbstorganschaft vorschreiben: Die Gesell­ schafter können sich nicht vollständig der Geschäftsführungs- und Ver­ tretungsbefugnis begeben, denn wer uneingeschränkt persönlich haftet, muss stets auch Einfluss auf die haftungsauslösende Handlung nehmen können.739 Damit verschwimmen auch die bei der Kapitalgesellschaft ge­ zogenen Grenzen zwischen Individual740- und Kollektivrechten, die den Gesellschaftern zustehen. Auch bei der Personengesellschaft soll nur die Geschäftsführungsbefugnis, nicht die darüber hinausgehende Vertre­ tungsbefugnis untersucht werden.741 Es wird dabei davon ausgegangen, dass vertretungsbefugte Gesellschafter oder andere Personen sich regel­ mäßig innerhalb der Grenzen des rechtlichen Dürfens bewegen. aa. Beteiligung an der Geschäftsführung Dabei ist im Folgenden zwischen gewöhnlichen, außergewöhnlichen und Grundlagengeschäften zu differenzieren:742 Grundlagengeschäfte sind überhaupt kein Teil der Geschäftsführung, also weder gewöhnliche noch außergewöhnliche Geschäfte derselben.743 Das bedeutet, dass sie nur von den Gesellschaftern beschlossen werden können. Grundlagenge­ schäfte werden allgemein als das Gesellschaftsverhältnis und seine Ge­ staltung betreffend beschrieben.744 739 Stengel in Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl. (2014), § 3 Rn. 16; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. (2017), § 2 Rn. 17. 740 Als Individualrecht eindeutig zu benennen ist aber das Informationsrecht nach § 118 Abs. 1 HGB (dazu Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. (2017), § 2 Rn. 32). 741 So auch schon bei der Kapitalgesellschaft, siehe oben, S. 102 ff. 742 Vgl. die Abbildung bei Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personenund Kapitalgesellschaften (2010), S. 23 mit einer Aufschlüsselung, in welchen Konstellationen fremdbestimmte Steuerwirkungen denkbar sind, allerdings ohne zwischen außergewöhnlichen und Grundlagengeschäften zu unterscheiden, da sie nicht unmittelbar fremdbestimmte Steuerwirkungen auslösen (ebd., S. 20 Fn. 72). 743 Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. (2018), § 116 Rn. 3; Rawert in MüKo HGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2016), § 114 Rn. 9; kritisch zum Begriff aber BGH, Urt. v. 16.10.2012, Az. II ZR 239/11 (KG), in NZG 2013, S. 63. 744 Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. (2018), § 116 Rn. 3. Schulze-Osterloh, FS Hadding (2004), S. 637 (645): „berühren das Verhältnis der Gesellschafter unterei­ nander oder deren Beziehung zur Gesellschaft“. Davon umfasst sind etwa Ände­ rungen des Gesellschaftsvertrages, Umwandlung und Auflösung, die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, die Aufnahme bzw. Ausschlie­ ßung von Gesellschaftern, die Veräußerung des Handelsgeschäfts im Ganzen und

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

Nach § 116 Abs. 2 HGB ist zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen (außergewöhnliche Geschäfte), gleichfalls ein Beschluss aller (auch der nicht geschäftsführenden) Gesellschafter erforderlich. Der Beschluss ist dann von den Geschäftsführern auszuführen. Außergewöhnliche Geschäf­ te sind solche mit Ausnahmecharakter, entweder nach Art und Inhalt, Zweck (z.B. außerhalb des Unternehmensgegenstands) oder Umfang und Risiko.745 Dabei kann in der Satzung abweichend auch der Umfang der zustimmungspflichtigen Maßnahmen geweitet oder verengt werden.746 Alle anderen Maßnahmen werden von den Geschäftsführern vorgenom­ men. Dabei greifen grundsätzlich §§ 114, 115 HGB. Demnach sind zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet, wobei einzelne Gesellschafter ausgeschlossen werden können. Soweit die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaf­ tern zusteht, ist jeder von ihnen allein zu handeln berechtigt. Gesetzli­ ches Leitbild ist daher die Einzelgeschäftsführungsbefugnis: Jeder einzel­ ne Gesellschafter kann die Gesellschaft verpflichten und damit bei allen anderen, den nicht handelnden Gesellschaftern fremdbestimmte Steuer­ wirkungen auslösen.747 Das Widerspruchsrecht des § 115 Abs. 1 HGB ist dabei nur ein eingeschränkter Schutz, denn es darf als uneigennütziges Mitgliedschaftsrecht nicht nach freiem Belieben ausgeübt werden, son­ dern nur im Rahmen ordnungsmäßiger, am Gesellschaftszweck orien­ tierter Geschäftsführung.748 Von dieser Regelung sind zahlreiche Abweichungen möglich und in der Praxis auch häufig anzutreffen.749 So kann die Befugnis auf einzelne Res­ sorts beschränkt, einzelne Gesellschafter ausgeschlossen, Gesamtge­ schäftsführungsbefugnis (auch mit Mehrheitsentscheid) angeordnet oder Widerspruchsrechte eingeschränkt oder eingeräumt werden. Auch hier besteht stets die Gefahr der Fremdbestimmung; nämlich dann, wenn der jeweilige steuerpflichtige Gesellschafter nicht zur Handlung befugt ist, sein Widerspruch erfolglos bleibt oder er bei einem Mehrheitsentscheid in der Minderheit ist. Angesichts der Gestaltungsoffenheit des Innen­ rechts der oHG ist dabei eine abschließende abstrakte Darstellung der Fremdbestimmungsrisiken aber nur eingeschränkt möglich. die Feststellung des Jahresabschlusses (so die Aufzählung bei Priester, DStR 2007, S. 28 (29)). 745 Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. (2018), § 116 Rn. 2 mit zahlreichen Bei­ spielen. 746 Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. (2018), § 116 Rn. 11. 747 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 20. 748 Rawert in MüKo HGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2016), § 115 Rn. 35 ff. 749 Stengel in Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl. (2014), § 3 Rn. 28 ff.; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. (2017), § 2 Rn. 14 ff.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

bb. Abstimmung im Gesellschafterkreis Soweit es einer Abstimmung im Gesellschafterkreis bedarf und im Ge­ sellschaftsvertrag keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, ist nach § 119 Abs. 1 HGB Einstimmigkeit erforderlich. Bleibt es bei dieser Regelung, wird jeder Gesellschafter ausreichend vor Fremdbestimmung geschützt, allerdings nur, wenn es sich eben nicht um eine gewöhnliche Maßnahme der Geschäftsführung handelt. Abgesenkte Mehrheitserfor­ dernisse können vereinbart werden, wobei in Praxis entgegen § 119 Abs. 2 HGB nicht nach Köpfen, sondern nach Kapitalanteilen abgestimmt wird.750 Dabei ist im Einzelfall durch Auslegung festzustellen, ob die je­ weilige Regel des Gesellschaftsvertrages ein abgesenktes Quorum vor­ sieht. Bei der Auslegung gibt es keine allgemeine Regel, wohl aber eine Tendenz dahingehend, dass Grundlagengeschäfte zumeist höhere Quo­ ren bzw. eventuell eine Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses ver­ langen, soweit dies aus Gründen des Minderheitenschutzes notwendig ist.751 Dabei wurde in der älteren Rechtsprechung noch die Lehre vom Bestimmtheitsgrundsatz vertreten, wonach gültige Mehrheitsbeschlüsse sowohl bei Grundlagen- als auch bei außergewöhnlichen Geschäften vo­ raussetzen, dass sie nach Sinn und Zweck des Vertrages im Hinblick auf den konkreten Beschlussgegenstand unzweideutig zugelassen sind.752 Diese Rechtsprechung wurde nunmehr aufgegeben.753 Allerdings beste­ hen bei der Begründung von Mehrheitskompetenzen weiterhin noch in­ haltliche Schranken: So sind bestimmte Rechte unverzichtbar (Teilnah­ me an Gesellschafterversammlungen, Austrittsrecht, Anfechtungsrecht) bzw. unentziehbar (Stimmrecht, Gewinnbeteiligung).754 c. Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschaft in Bezug auf die Gesellschafter Daneben bestehen in der entgegengesetzten Wirkrichtung auch für die Personengesellschaft Möglichkeiten, auf ihre Gesellschafter einzuwir­ ken. Erneut ergibt sich aber die Schwierigkeit, die handelnde Ebene rich­ tig zu benennen, denn die Geschäftsführung liegt wegen des Grundsatzes der Selbstorganschaft stets auch bei den Gesellschaftern. Nachfolgend soll aber jede Maßnahme der Geschäftsführung stets der Gesellschaft selbst zugeordnet sein.

750 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. (2017), § 2 Rn. 30. 751 Schulze-Osterloh, FS Hadding (2004), S. 637 (649 ff.) m.w.N. 752 Allgemein zur Lehre vom Bestimmtheitsgrundsatz Enzinger in MüKo HGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2016), § 119 Rn. 78 ff. 753 BGH, Urt. v. 16.10.2012, Az. II ZR 239/11 (KG), in NZG 2013, S. 63. 754 Enzinger in MüKo HGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2016), § 119 Rn. 64 ff.; Roth in Baumbach/ Hopt, HGB, 38. Aufl. (2018), § 119 Rn. 36.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

aa. Begründung einer Durchgriffshaftung Zentraler Unterschied zur Kapitalgesellschaft ist, dass die Gesellschaft eine unmittelbare Haftung auch der Gesellschafter nach § 128 HGB be­ gründen kann. Diese der Höhe nach unbeschränkte755 Pflicht besteht nicht als Nachschusspflicht, sondern unmittelbar und nicht bloß subsi­ diär gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Damit kann die Ge­ sellschaft im Grundsatz uneingeschränkt den einzelnen Gesellschafter verpflichten und damit fremdbestimmen. Freilich verbleibt dem Gesell­ schafter die Möglichkeit des teilweisen Regresses bei den anderen Ge­ sellschaftern nach § 426 BGB bzw. vollständig nach § 110 HGB bei der Gesellschaft, jeweils verbunden mit deren Ausfallrisiko. bb. Weitere Einwirkungsmöglichkeiten Darüber hinaus kann eine Vielzahl weiterer Einwirkungsmöglichkeiten bestehen, die der Gesellschaftsvertrag der Geschäftsführung der Gesell­ schaft einräumt. Gesetzlich besonders vorgesehen sind diese – anders als die Einwirkungsmöglichkeiten der Kapitalgesellschaft – jedoch nicht. Auch in der kautelar-juristischen Literatur zur Vermeidung fremdbe­ stimmter Steuerwirkungen wird als zentrales Gestaltungsinstrument der Gesellschaftsvertrag gesehen, der regelmäßig nicht von den Ge­ schäftsführern, sondern den anderen Gesellschaftern durchgesetzt wird.756 Gleiches gilt für die Zustimmung zur Übertragung von Anteilen an einer oHG: Diese wird von den anderen Gesellschaftern, nicht von der Gesellschaft selbst erklärt.757 Es verbleiben schließlich die Ansprüche auf vertraglich vereinbarte Einlagepflichten, die Geschäftsführungspflicht und die Einhaltung der gesellschaftsvertraglich geschuldeten Treue. d. Gewinnverteilung und Kapitalerhaltung Auch der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat – anders als der Einzelunternehmer – nicht uneingeschränkt Zugriff auf das Gesellschafts­

755 Zum Inhalt von Haftungsansprüchen, wenn die Verbindlichkeit der Gesellschaft nicht auf Geld gerichtet ist, Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. (2017), § 2 Rn. 38 ff. 756 So etwa die Vorschläge bei Scheifele, DStR 2006, S. 253 und Schrade, FR 2017, S. 862 im Rahmen von § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG; vgl. dazu im Kontrast die zahlrei­ chen Möglichkeiten der Kapitalgesellschaft, die Schürer, REITs und die Höchstbe­ teiligungsquote (2011), S. 202 ff. aufzählt (vgl. dazu auch oben, Fn. 469). Das BVerfG, Urt. v. 10.04.2018, Az. 1 BvR 1236/11, in BVerfGE 148, S. 217 Rz. 111 [zit. nach juris] hat deutlich gemacht, dass auch die Verfassungsrechtsprechung vom Steuerpflichtigen eine entsprechende kautelar-juristische Gestaltung erwar­ tet. 757 Schmidt in MüKo HGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2016), § 105 Rn. 218; Grunewald, Gesell­ schaftsrecht, 10. Aufl. (2017), § 1 Rn. 154 ff., § 2 Rn. 66.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

vermögen.758 Insoweit besteht auch eine gewisse Annäherung an die ­Kapitalgesellschaft, deren Vermögenssphäre gleichfalls abgeschirmt ist. Hinsichtlich des möglichen Zugriffs auf das Gesellschaftsvermögen ist zwischen Gewinnverteilung und Entnahmehandlungen zu unterschei­ den. Der Jahresgewinn der Personengesellschaft wird gemäß §§ 120 Abs. 1; 238 ff. HGB nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung er­ mittelt. § 121 Abs. 1 HGB sieht vor, dass jeder Gesellschafter zunächst eine Verzinsung i.H.v. 4 Prozent seines Kapitalanteils erhält. Reicht der Jahresgewinn hierzu nicht aus, so bestimmen sich die Anteile nach ei­ nem entsprechend niedrigeren Satz. Ein eventuell übersteigender, ver­ bleibender Jahresgewinn wird nach § 121 Abs. 3 HGB nach Köpfen ver­ teilt. Regelmäßig wird die gesetzliche Regelung des § 121 HGB aber vertraglich zugunsten einer Verteilung nach (festen) Kapitalanteilen ab­ bedungen.759 Modifikationen erfolgen meist, um eine erhöhte Mitarbeit zu honorieren, etwa Geschäftsführervergütungen als Vorabgewinne. Die Zulässigkeit von Entnahmen ist in § 122 HGB geregelt. Demnach kann der Gesellschafter bis zu 4 Prozent seines Kapitalanteils aus dem Vorjahr sowie – soweit es nicht zu einem offenbaren Schaden der Gesell­ schaft führt – auch der Gewinn des letzten Jahres entnommen werden. Die gewinnunabhängige Entnahmemöglichkeit wird damit gerechtfer­ tigt, dass der Gesellschafter oftmals ausschließlich für die Gesellschaft arbeitet und so über keine weiteren Einkünfte verfügt.760 Auch beim Ent­ nahmerecht erfolgen vielfach gesellschaftsvertragliche Modifikationen; vorrangig geht es hier um einen erhöhten Kapitalschutz der Gesellschaft schon unterhalb der Grenze des „offenbaren Schadens“, um eine verste­ tigte Vergütung des Geschäftsführers761 und eine Regelung über das Steu­ erentnahmerecht der Gesellschafter zur Begleichung der wegen der transparenten Besteuerung auch ohne Entnahme anfallenden Steuern.762 e. Vergleich mit dem allgemeinen Zurechnungsgrund Die Fragen, wem Einkünfte in einer Personengesellschaft zuzurechnen sind und wer dort die Dispositionsbefugnis ausübt, war schon Gegen­ stand der ersten DStJG-Tagung und des ersten grundlegenden Beitrags 758 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. (1993), S. 361 f.; Drüen, GmbHR 2008, S. 393 (398). 759 Priester in MüKo HGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2016), § 121 Rn. 3, 27 ff. 760 Priester in MüKo HGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2016), § 122 Rn. 1, 17; Grunewald, Gesell­ schaftsrecht, 10. Aufl. (2017), § 2 Rn. 56. 761 Priester in MüKo HGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2016), § 122 Rn. 50; Roth in Baumbach/ Hopt, HGB, 38. Aufl. (2018), § 122 Rn. 15. 762 Reichert/Düll, ZIP 2008, S. 1249 (1257), die auch entsprechende Musterklauseln vorschlagen.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

der Zurechnungsdebatte.763 Auch bei der Personen- ist wie bei der Kapi­ talgesellschaft die Dispositionsbefugnis in beide Richtungen zu beden­ ken. Erschwert ist eine derartige abstrakte Beurteilung durch die vielfäl­ tigen Möglichkeiten, die den Gesellschaftern bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags eröffnet sind. aa. Dispositionsmöglichkeit der Personengesellschaft über ihre Gesellschafter Die Gesellschaft selbst kann in erster Linie durch die Begründung von Verbindlichkeiten auf ihre Gesellschafter einwirken, für die diese haften. Aus Sicht ihrer Gläubiger ist die Gesellschaft daher transparent. Diese Disposition in der Gesellschaft selbst erfolgt regelmäßig durch den ge­ schäftsführenden Gesellschafter. Für nicht (zustimmend) an der Entschei­ dung beteiligte Gesellschafter entscheidet damit letztlich ein Fremder über die konkrete Disposition am Markt; es entstehen schon gesell­ schaftsrechtlich Fremdbestimmungen.764 Dabei ist der Personengesell­ schaft insoweit eine Betrachtung nach Kapitalanteilen fremd: Sperrmino­ ritäten mit Bezug auf den Kapitalanteil wie bei der Kapitalgesellschaft bestehen regelmäßig nicht. Prägend sind vielmehr die personenbezoge­ nen Kompetenzen aus dem Gesellschaftsvertrag. bb. Dispositionsmöglichkeit der Gesellschafter über ihre Personengesellschaft Noch stärker im Fokus steht natürlich die Dispositionsmöglichkeit der Gesellschafter über ihre Gesellschaft. Für Ruppe ist maßgeblicher Be­ zugspunkt deren Beitrag zur Gesellschaft in Form von Kapital und Ar­ beitskraft.765 Kann der Gesellschafter hierüber disponieren, dann ist ihm der auf diesen Beitrag gezahlte Gewinnanteil abschließend zuzurechnen. Damit ist gerade bei Familiengesellschaften eine richtige Zurechnungs­ entscheidung getroffen, die Gestaltungsmissbrauch vermeidet. In der Phänomenologie wird aber die Einkünftezurechnung nicht infrage ge­ stellt. Der Maßstab der Dispositionsbefugnis soll gerade über dessen ur­ sprünglichen Anwendungsbereich hinaus zur Erklärung der Phänomene vermeintlicher Fremdbestimmung aktiviert werden. Bildet das Steuer­ recht die allgemeine Dispositionsbefugnis in der Gesellschaft bei den Steuerwirkungen zutreffend ab, dann ist die Fremdbestimmung jeden­ falls kein spezifisch steuerrechtliches Problem mehr. 763 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (22); vgl. auch den Beitrag zu den Famili­ enpersonengesellschaften von Groh, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 97. 764 So auch Kläne/Marx/Löffler, StuW 2010, S. 65 (67), die die sich daraus ergebende Erscheinungsform der fremdbestimmten Steuerwirkungen als „sphärentreu“ be­ zeichnen und aussparen. 765 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (22).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Davon ausgehend ist zumindest nach der (dispositiven) gesetzlichen Re­ gelung eine weitgehende Dispositionsbefugnis des Gesellschafters über die Gesellschaft gegeben. Es besteht für ihn unabhängig von seinem ein­ gesetzten Kapital die Berechtigung, alleine mit Wirkung für die Ge­ sellschaft und damit letztlich für alle Gesellschafter zu handeln. Das Widerspruchsrecht der anderen Gesellschafter stellt dabei eine gewisse Einschränkung dar, doch solange sein Handeln zum Wohle der Gesell­ schaft erfolgt, entfaltet dieses Widerspruchsrecht keine Wirkung. Genau­ so wirkungslos ist aber das Widerspruchsrecht zur Verhinderung von für ihn nachteilige Dispositionen durch andere Gesellschafter, wenn die Maßnahme der Geschäftsführung zum Wohle der Gesellschaft erfolgt. Damit hat der einzelne Gesellschafter eine weitreichende Befugnis zur aktiven Disposition; er muss aber eben auch hinnehmen, dass andere Gesellschafter ebenfalls aktiv werden, was er nur eingeschränkt verhin­ dern kann. Er verfügt so nur über eine schwache Möglichkeit zur passi­ ven bzw. negativen Disposition, so dass er hier gesellschaftsrechtlich fremdbestimmt werden kann. Der Zugriff auf das auf den Gesellschafter entfallene Gesellschaftsver­ mögen und damit die in der Gesellschaft enthaltene Leistungsfähigkeit besteht nach der gesetzlichen Regelung sehr weitgehend, bis hin zur Grenze des offensichtlichen Schadens bei der Gesellschaft. Wenngleich in der Praxis hier die Möglichkeit des Zugriffs zum Schutz der Kapitalba­ sis der Gesellschaft zurückgenommen wird, wird doch jedenfalls gesell­ schaftsvertraglich die Zugriffsmöglichkeit auf die bei der Gesellschaft entstandene Leistungsfähigkeit geschaffen, die bei einer transparenten Besteuerung vorausgesetzt wird. Die Dispositionsbefugnis des Gesell­ schafters ist weit, aber nicht grenzenlos.766 4. Besteuerung der Personengesellschaft a. (Keine) Steuerpflicht und Steuerschuldnerschaft Im Recht der personalen Ertragsteuern besteht keine Steuerpflicht der Personengesellschaft. § 1 EStG bezeichnet nur natürliche Personen als Steuerpflichtige für Zwecke der Einkommensteuer, § 1 KStG benennt die Personengesellschaft nicht als Körperschaftsteuerpflichtige. Aus diesem lauten Schweigen sowie dem Umstand, dass die Gewinnanteile nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG beim jeweiligen Gesellschafter zu versteuern sind, wird unbestritten767 im geltenden personalen Ertragsteuerrecht eine 766 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. (1993), S. 361 f. 767 Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO (2017), S. 53 ff., erwägt hingegen die Möglichkeit, für eine gemeinnützige GbR (gGbR) eine be­ schränkte Steuerpflicht nach § 3 Abs. 1 KStG anzunehmen, allerdings mit dem Ziel, sodann eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG zu gewähren.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

Steuerpflicht und damit eine Steuerschuldnerschaft der Personengesell­ schaft verneint.768 Damit wird eine ähnliche Grundentscheidung wie im Zivilrecht769 ge­ troffen: Die Personengesellschaft ist weder juristische Person noch Steu­ erpflichtige. Sie hat sich nicht in gleicher Weise wie eine Kapitalgesell­ schaft verselbstständigt. Die fehlende Rechtsformneutralität770 freilich ist Gegenstand von Kritik und Reformüberlegungen: So wird sowohl vor­ geschlagen, die Kapital- wie die Personengesellschaft ins Recht der Ein­ kommensteuer zu integrieren, als auch die Personengesellschaft selbst­ ständig wie die Kapitalgesellschaft zu besteuern.771 b. Subjekt der Einkünfteermittlung und Zurechnung Mittlerweile wird die Personengesellschaft als partielles Steuerrecht­ subjekt beschrieben: als Subjekt der Einkünfteermittlung.772 Die Gesell­ schaft selbst verwirklicht Merkmale eines Tatbestandes, welche den ­Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind.773 Solche Merk­ male sind insbesondere die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des Tatbestands einer bestimmten Einkunftsart und das Erzielen von ­Gewinn oder Überschuss im Rahmen dieser Einkunftsart.774 Verfahrens­ rechtlich wird dies in einem Grundlagenbescheid auf Ebene der Gesell­ schaft nach §§ 179 Abs. 2 S. 2; 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO festgestellt, der auch gegenüber den Gesellschaftern wirkt.

768 BFH Großer Senat, Beschluss v. 03.07.1995, Az. GrS 1/93, in BStBl. II 1995, S. 617 Rz. 53; BFH, Urt. v. 26.06.2014, Az. IV R 5/11, in BStBl. II 2014, S. 972 Rz. 16 [jew. zit. nach juris]. 769 Dazu oben, S. 164. 770 Zur Rechtsformneutralität als vermeintlichen Imperativ des Verfassungsrecht Drüen, GmbHR 2008, S. 393 (396 ff.). 771 Ausführlich zur Diskussion m.w.N. Reiß, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1925 (1935); Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 13 Rz. 168 ff. mit einer Präferenz für letzteres. Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch (2011), S. 361 schlägt hingegen ersteres Reformmodell vor, das auch in Kirchhof (Hrsg.): Das Bundes­ steuergesetzbuch in der Diskussion (2013), S. 38 ff. diskutiert wird. 772 BFH Großer Senat, Beschluss v. 03.07.1995, Az. GrS 1/93, in BStBl. II 1995, S. 617 Rz. 53; BFH, Urt. v. 26.06.2014, Az. IV R 5/11, in BStBl. II 2014, S. 972 Rz. 16 [jew. zit. nach juris]. 773 Grundlegend Tipke, StuW 1977, S. 293 (299); siehe auch Raupach, FS Beisse (1997), S. 403 (418 ff.); Hüttemann, DStJG Bd. 34 (2011), S. 291 (294 ff.). Teilweise wird aber auch von einer originären Erzielung gewerblicher Einkünfte durch „ge­ meinschaftliche“ Tatbestandsverwirklichung gesprochen (etwa bei Fischer, FR 1998, S. 813 (819); Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften (2001), S. 128 ff.). 774 BFH Großer Senat, Beschluss v. 03.07.1995, Az. GrS 1/93, in BStBl. II 1995, S. 617 Rz. 53 [zit. nach juris] m.w.N. Ebenso Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 40.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Aus heutiger Sicht sind die Mühen in Rechtsprechung und Literatur auf dem Weg zu dieser Erkenntnis nur schwer nachzuvollziehen.775 Fast zwanzig Jahre nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Au­ ßen-GbR776 erscheint die Vorstellung einer gemeinsamen Tatbestands­ verwirklichung durch alle Gesellschafter777 unnötig artifiziell. Ebenso bemüht wirkt das Bild des Bilanzbündels,778 wonach die Bilanz der Ge­ sellschaft durch Gesamtheit aller Gesellschafterbilanzen gebildet wird. In dieser Gesellschafterbilanz sind dann sämtliche Aktiva und Passiva anteilig entsprechend dem Gewinnanteil enthalten, denn die Gesell­ schafter haben selbst Einzelunternehmen, die sie nur durch die transpa­ rente Personengesellschaft betreiben. Mit der Personengruppe als Zurechnungssubjekt bzw. als tatbestandsver­ wirklichendes Rechtssubjekt beschreitet das Steuerrecht wie das Zivil­ recht mit der Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft einen Mittelweg. Die Personengesellschaft wird als weitgehend eigenständig wahrgenom­ men. Im Gegensatz aber zur Kapitalgesellschaft, die als Steuerpflichtige und Rechtssubjekt anerkannt ist, bleibt der provisorische Charakter der Personengesellschaft für Zwecke der Einkünfteerzielung durch die Ge­ sellschafter deutlich erkennbar. c. Verwirklichung der Transparenz Trotz der Eigenschaft als Subjekt der Einkünfteermittlung verbleibt es bei dem Grundsatz der Transparenz der Personengesellschaft. Mit dem Schlagwort der Transparenz werden vor allem folgende Eigenschaften be­ schrieben, die die Besteuerung der Personengesellschaft von der der Kapi­ talgesellschaft unterscheidet: aa. Thesaurierung und eigene Leistungsfähigkeit Der thesaurierte wie auch der ausgeschüttete Gewinn der Personen­ gesellschaft wird zumindest im Grundsatz sofort der Besteuerung beim Gesellschafter unterworfen. Damit wird im Unterschied zur Kapitalge­ 775 So auch Hüttemann, DStJG Bd. 34 (2011), S. 291 (294 ff.); Hennrichs in Tipke/ Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 10 Rz. 14. Beispielhaft für den schweren Kampf gegen die vermeintliche Dichotomie von juristischer Person und Vielheit der Gesellschafter Schön, StuW 1988, S. 253. 776 BGH, Urt. v. 29.01.2001, Az. II ZR 331/00, in NJW 2001, S. 1056 – dazu oben, S. 164. 777 So Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften (2001), S. 85 ff. und Bodden, FR 2002, S. 559 (560 ff.). 778 Etwa in BFH, Urt. v. 15.11.1957, Az. VI 43/56 U, in BFHE 66, S. 171 Rz. 7 [zit. nach juris] mit ausdrücklichem Bezug auf die ältere RFH-Rechtsprechung. Die Rechtsprechungswende eingeleitet hat Meßmer, StbJb 1972/73, S. 127. Dazu auch Stolterfoht, FS L. Schmidt (1993), S. 497 (519 ff.); Raupach, FS Beisse (1997), S. 403 (404).

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

sellschaft auch nicht eine wie auch immer geartete eigenständige Leis­ tungsfähigkeit der Gesellschaft angenommen. Diese Grundentscheidung wird wirtschaftlich zwar auf entsprechenden Antrag durch die Thesau­ rierungsbegünstigung des § 34a EStG wieder zurückgenommen. Diese Regelung ist der Versuch einer Annäherung an eine rechtsformneutrale Besteuerung. Sie hat sich in der Praxis aber als problematisch erwiesen779 und wird daher kaum genutzt.780 bb. Verluste und deren Untergang Die unmittelbare Zurechnung von Gewinnanteilen erfasst auch solche mit negativem Vorzeichen. Deren Berücksichtigung ist in den Grenzen des § 10d EStG (und des § 15a EStG bei Kommanditisten) möglich. Da der Verlustvortrag bereits dem Gesellschafter zugeordnet ist, führt ein Scheitern der Nutzung etwa auf Grund einer Gesamtrechtsnachfolge781 zu keinen fremdbestimmten Steuerwirkungen bei der Gesellschaft und anderen Gesellschaftern. Da die Annahme der wirtschaftlichen Identität von Gesellschaft und Gesellschaftern hier stringenter durchgesetzt ist als im Rahmen von § 8c KStG782, entstehen in der Folge keine Spannun­ gen im Gesellschafterkreis. cc. Zebra-Rechtsprechung Auch die sog. Zebra-Rechtsprechung783 wird mit dem Schlagwort der Transparenz in Verbindung gebracht. Danach werden Gewinnanteile aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, die auf Ebene der Gesellschaft Kapitaleinkünfte oder solche aus Vermietung und Verpach­ tung sind, beim Gesellschafter entsprechend umqualifiziert, wenn dieser etwa wegen § 8 Abs. 2 KStG nur gewerbliche Einkünfte erzielen kann. Während die grundsätzliche Qualifikation der Einkünfte auf Ebene der Gesellschaft erfolgt, bestimmt hier wegen der Transparenz der Personen­ gesellschaft (und der Subsidiarität der Einkünfte aus vermögensverwal­ tender Tätigkeit nach §§ 20 Abs. 8; 21 Abs. 3 EStG) der Gesellschafter die Art der Einkünfte, aber nur für sich selbst.

779 Ratschow in Blümich, § 34a EStG Rn. 2 f., 5; Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 34a EStG Rn. 5, 63: Vor allem die „Einsperrung“ von Altgewinnen, der Ausschluss nicht abziehbarer Betriebsausgaben von der Begünstigung und die Nachversteuerung mit einem festen, am Spitzensteuersatz angelegten Steuersatz werden als Probleme gesehen. 780 Vgl. die empirische, quantitative Untersuchung zu § 34a EStG von Brähler/Guttzeit/Scholz, StuW 2012, S. 119. 781 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608. 782 Zu § 8c KStG oben, S. 51 ff. 783 BFH, Beschluss v. 11.04.2005, Az. GrS 2/02, in BStBl. II 2005, S. 679.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

dd. Gewerbliche Prägung Eine Wirkung auf Ebene der Gesellschaft tritt aber nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ein. Demnach werden Einkünfte einer nicht gewerblich tätigen Per­ sonengesellschaft in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert, wenn aus­ schließlich Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind, und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäfts­ führung befugt sind. Mit der Bezugnahme auf die Gesellschafter zur Be­ gründung einer „Prägung“ wird Transparenz hergestellt und dem einzel­ nen Gesellschafter ein bestimmender Einfluss über die Gesellschaft eingeräumt. Betroffen sind hiervon in erster Linie die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG, bei der die GmbH die alleinige persönlich haften­ de und geschäftsführende Gesellschafterin ist und die dergestalt auch das Leitbild der gewerblich geprägten Gesellschaft darstellt.784 Das Steuer­ recht knüpft damit an die gesellschafts- und steuerrechtliche Wirklich­ keit im Übrigen an, in der die Einkünfte der handelnden Kapitalgesell­ schaften wegen § 8 Abs. 2 KStG ohnehin gewerblich wären; die fehlende Beachtung der Kommanditisten korrespondiert mit deren passiver Stel­ lung nach § 164 HGB. ee. Zweite Stufe der Gewinnermittlung Am deutlichsten ist der Charakter der verbliebenen Transparenz in den Ergänzungs- und Sonderbilanzen785 zu erkennen. Dies ergibt sich bereits aus dem sachlichen Anwendungsbereich dieser Bilanzen. So werden ge­ rade Vergütungen aus Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter mit der Aufnahme als Sondervergütungen erfasst. Damit wird die Verschiedenheit der Sphären anders als bei der Kapitalgesell­ schaft nicht mehr anerkannt und im Ergebnis durch die gewinnerhöhen­ de Anerkennung beim Gesellschafter nach gewinnmindernder Anerken­ nung auf Ebene der Gesellschaft negiert. Das lässt sich als Transparenz beschreiben.786 Bemerkenswert ist aber die Technik dieser Transparenz bei den Sonderbilanzen, denn sie wird nicht auf Ebene der Gesellschaft und damit mit Wirkung für die gesamte Gesellschaft geschaffen, sondern zielgenau nur auf der sog. zweiten Stufe der Gewinnermittlung bei dem Gesellschafter, bei dem sie auch zu neutralisieren sind.787

784 Bode in Blümich, § 15 EStG Rn. 277. 785 Zu deren Funktion und Technik ausführlich oben, S. 152 ff. 786 Reiß, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1925 (1931 ff.). 787 Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 64; Hüttemann, DStJG Bd. 34 (2011), S. 291 (301 ff.).

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

d. Zwischenergebnis Im Recht der personalen Ertragsteuern ist es weitgehend gelungen, eine transparente Besteuerung zu schaffen, die im Grundsatz frei von fremd­ bestimmten Steuerwirkungen ist. Dies erscheint auf den ersten Blick verblüffend, denn eine der Thesen dieser Arbeit ist ja, dass fremdbe­ stimmte Steuerwirkungen in Näheverhältnissen auftreten. Von daher wäre zu erwarten, dass die mit der Transparenz einhergehende Nähe auch zu einem Mehr an Fremdbestimmung führen würde. Mit der weitgehenden Verselbstständigung der Personengesellschaften als Subjekt der Einkünfteermittlung und Zurechnung einerseits und ei­ ner anschließenden, zweiten Stufe der Gewinnermittlung andererseits ist trotz aller Unebenheiten im Detail und dogmatischen Bedenken we­ gen der fehlenden gesetzlichen Verankerung der partiellen Subjektfähig­ keit richterrechtlich ein Besteuerungskonzept geschaffen worden, das für die Realität der meisten Personengesellschaften eine sinnvolle Befrie­ dung darstellt.788 5. Folgerungen für das Verständnis von fremdbestimmten Steuerwirkungen innerhalb von Personengesellschaften Nach dem Blick auf die gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Grund­ lagen lassen sich zwar verschiedene Quellen möglicher fremdbestimm­ ter, nicht im Steuerrecht begründeter789 Wirkungen feststellen; dies wird am deutlichsten, wenn einzelne Gesellschafter als Geschäftsführer Ver­ pflichtungen begründen, und so zivilrechtlich Haftungsansprüche und steuerrechtlich veränderte Gewinnanteile der Mitgesellschafter die Fol­ gen sind.790 Dass die oben aufgeführten Referenznormen791 aber dennoch als Besonderheiten wahrgenommen werden, lässt sich einerseits mit de­ ren spezifisch steuerrechtlich begründeter Fremdbestimmung, anderer­ seits mit dem Fehlen eines eigenen, kohärenten Besteuerungssystems für Personengesellschaften erklären. In den Referenzfällen neigt sich das Steuerrecht stets (zu) stark zu einem der beiden Pole, zwischen denen es sich sonst bewegt. Diese Pole sind einerseits die Besteuerung der Gesell­ schafter wie ein Einzelunternehmer, andererseits die Besteuerung der Gesellschaft wie eine Körperschaft.

788 Schön, StuW 1996, S. 275 (288); Schön, StuW 1988, S. 253 (260 f.); überwiegend kritisch aber noch Hüttemann, DStJG Bd. 34 (2011), S. 291 (319). 789 Zu dem Argument, dass keinen besonderen steuerrechtlichen Schutz derjenige verdient, der sich durch eine selbst gewählte bürgerlich-rechtliche Gestaltung schützender Möglichkeiten der Einwirkung begibt, siehe schon Fn. 606. 790 Dazu oben, S. 171 und insbesondere auch Fn. 764. 791 Zu den Folgerungen für Referenzfälle mit Behaltefristen siehe S. 215 ff.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

a. Annäherung an Einzelunternehmer als Ausgangspunkt für Fremdbestimmung Die Entscheidung für die Transparenz wird stets mit dem Gebot der Gleichbehandlung von Einzel- und Mitunternehmern begründet. Der Einzelunternehmer muss sich schließlich auch jede Mehrung der Leis­ tungsfähigkeit in seinem Betrieb sofort zurechnen lassen. Er kann sich nicht selbst Mietzinsen oder Vergütungen für die Geschäftsführung sei­ nes Einzelbetriebs zahlen (deshalb die Qualifikation von Sondervergü­ tungen als gewerbliche Einkünfte des Gesellschafters), ihm sind stets die Wirtschaftsgüter als solche zuzuordnen (deshalb auch die entsprechende anteilige Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu den Gesellschaftern). Diese Gleichstellung sorgt natürlich für gewisse Friktionen. Die Rechts­ wirklichkeit ist für den Gesellschafter einer oHG eine andere als für den Einzelunternehmer.792 Im Grundsatz löst das Einkommensteuerrecht diese Herausforderungen sehr pragmatisch: Die mit der anteiligen Zu­ ordnung von Wirtschaftsgütern verbundenen Gefahren der Fremdbe­ stimmung werden durch Ergänzungsbilanzen und die Besteuerung des Veräußerungsgewinns beim Gesellschafter vermieden. Gleiches gilt für den Sonderbereich, der erst auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung beim Gesellschafter berücksichtigt wird.793 b. Wechsel zwischen gesellschafter- und gesellschaftsbezogener Besteuerung – Reformvorschläge Dennoch sind die Veräußerung von Anteilen an einer Personengesell­ schaft, aber auch Ergänzungs- und Sonderbilanzen in den Referenzfällen Ausgangspunkt fremdbestimmter Steuerwirkungen. Grund hierfür ist der zwischen gesellschafter- und gesellschaftsbezogener Besteuerung. Während es grundsätzlich ausreicht, die Gewinnanteile der Gesellschaf­ ter zu berechnen, um diese zu besteuern, wird in den Referenzfällen stets die Personengesellschaft ins Blickfeld genommen, am deutlichsten im Gewerbesteuerrecht, wo sie Steuerschuldnerin ist. Damit erfolgt eine Gleichbehandlung mit der Kapitalgesellschaft, die aber wie die Gleich­ behandlung mit dem Einzelunternehmer die Besonderheiten der Perso­ nengesellschaft negiert und in Multiplikation mit dieser letztlich die fremdbestimmten Steuerwirkungen auslöst. Diese lassen sich daher auch nicht mehr systematisieren und rechtfertigen. Sie sind vielmehr Ausdruck eines Steuersystems, das noch kein eigenes kohärentes Besteu­ erungskonzept für Personengesellschaften gefunden hat, insbesondere nicht im Zusammenspiel mit der Gewerbesteuer. Letztlich können nur Reformvorschläge gemacht werden. 792 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. (1993), S. 361 f. 793 Dazu oben, S. 176.

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II.  Fremdbestimmung in der Personengesellschaft

aa. Referenzfälle aus dem Recht der Gewerbesteuer Bei der Gewerbesteuer bietet sich deren Ersetzung durch eine kommuna­ le Zuschlagsteuer an, die auf der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer aufsetzt794 und von der gleichen Person zu entrichten ist, die auch die entsprechende Stammsteuer schuldet. Damit würden fremdbestimmte Steuerwirkungen entfallen, die durch den Einbezug von Ergänzungs- und Sonderbilanzen sowie der Gewinne bei der Anteilsveräußerung entste­ hen. Wie bei den Stammsteuern trägt die Steuerlast wieder derjenige, dessen Handlung die Steuer ausgelöst hat. Dem Aufsatz auf eine Perso­ nensteuer würde auch nicht die Beschreibung als Objektsteuer entgegen­ stehen. Zum einen ist der Objektsteuercharakter nicht in Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG festgeschrieben, zum anderen ist dieser nach Wegfall der Gewer­ bekapital- und Lohnsummenbesteuerung auch im geltenden Recht schon faktisch aufgegeben.795 Die Reform der Gewerbesteuer ist daher nicht zuletzt auch zur Vermeidung fremdbestimmter Steuerwirkungen gebo­ ten. bb. Referenzfälle mit Gesellschafterbezug Fremdbestimmte Steuerwirkungen ließen sich weiterhin vermeiden, so­ weit diese darauf beruhen, dass auf die Ergebnisse aus den Ergänzungsund Sonderbereichen, aber auch auf sonstige persönliche Eigenschaften der Gesellschafter Bezug genommen wird. Auch hier sollte die Bezug­ nahme unterlassen werden, etwa durch die Beschränkung auf die Ge­ samthandsbilanz. Steuervergünstigungen, die für die Gesellschaft wir­ ken, sollten an die Handlungen der Gesellschaft und letztlich an die Gesamthandsbilanz anknüpfen; personenbedingte Vergünstigungen müs­ sen bei der Person wirken, auf deren Eigenschaften abgestellt wird.796 Bei der Zinsschranke, aber auch bei Subventionsnormen wie § 7g EStG ist dies grundsätzlich auch möglich, wie die entsprechenden Regelungstech­ niken des InvZulG oder FördG zeigen.797 Eventuelle Korrekturen – ein­ schließlich einer eigenen gewerbesteuerlichen Erfassung – könnten und sollten beim Gesellschafter selbst erfolgen.798

794 Für die Abschaffung der Gewerbesteuer zugunsten kommunaler Zuschläge auf die Stammsteuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) plädieren Reimer, VVD­ StRL 73 (2014), S. 153 (184); Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch (2011), S. 363, 552 ff.; Schön, Stbg 2000, S. 1 (17); Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 318 ff. 795 Hüttemann, StuW 2014, S. 58 (60). 796 So schon Knobbe-Keuk, DStJG Bd. 2 (1979), S. 109 (115 ff.). 797 Hüttemann, DStJG Bd. 34 (2011), S. 291 (300 f.). 798 Siebert/Sommer/Grün, DStR 2019, S. 367 (368).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

cc. Referenzfall der Zinsschranke im Besonderen Während die obigen Reformvorschläge angesichts ihrer Grundsätzlich­ keit nur eine geringe Chance auf Umsetzung haben, ist die Beseitigung einer Quelle fremdbestimmter Steuerwirkungen sogar ohne Gesetzesän­ derung möglich: Die Fremdbestimmung bei der Zinsschranke infolge des Einbezugs von Zinsaufwendungen aus den Sonderbilanzen ergibt sich schließlich erst aus der Auffassung des BMF, das die sich aus dem Ein­ bezug ergebenden Wirkungen auf alle Gesellschafter unter Anwendung des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels verteilen möchte.799 Diese Auffassung folgt aber nicht ohne weiteres aus dem Gesetz; vorzugs­ würdig und de lege lata zulässig sind Alternativmodelle,800 die einen ­modifizierten, die Verursachungsbeiträge berücksichtigenden Gewinn­ verteilungsschlüssel anwenden.801 Derartige Alternativmodelle können schließlich – in Abwesenheit einer grundlegenden Reform der Besteue­ rung von Personengesellschaften und der Gewerbesteuer – wirksam fremdbestimmte Steuerwirkungen vermeiden.

III. Fremdbestimmung bei Kontinuität wahrenden, illiquiden Übertragungsvorgängen 1. Vorbemerkung Das Phänomen der fremdbestimmten Steuerwirkungen wird in der steu­ errechtlichen Diskussion meist mit Behaltefristen assoziiert. Behalte­ fristen knüpfen nach einer Übertragung an das Verhalten des Erwerbers an („Pflicht“ zur Fortführung oder Behalt).802 Die Rechtsfolgen einer be­ stimmten („verletzenden“) Handlung durch den Erwerber treten jedoch nicht bei dem Handelnden selbst ein, sondern beim ursprünglichen Ver­ äußerer, nämlich durch die rückwirkende Aufdeckung stiller Reserven bei diesem. Die verschiedenen Fälle dieser Behaltefristen sollen zunächst betrachtet werden, bevor auf das Spannungsfeld eingegangen wird, in dem all diese sich bewegen: jenes zwischen Subjektbesteuerung und Realisation. Eine 799 BMF, Schreiben v. 04.07.2008, Az. IV C 7 S 2742 a/07/10001, in BStBl. I 2008, S. 718 Tz. 51. Siehe zur Kritik an dieser Auffassung die Nachweise in Fn. 722; zu den unterschiedlichen normhierarchischen Quellen fremdbestimmter Steuerwir­ kungen auch unten, S. 327 ff. 800 Verschiedene, alternative Modelle bei Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs (2009), S. 249 ff.; Feldgen, NWB 2009, S. 998 (1001); Kußmaul/Ruiner/Schappe, DStR 2008, S. 904 (906 ff.). 801 Ein solcher, zugegebenermaßen technisch anspruchsvoller Vorschlag wird auch oben dargestellt (S. 161 f.). 802 Eine Checkliste aller für Berater relevanten Behaltefristen findet sich bei Korn/ Fuhrmann, KÖSDI 2010, S. 17077.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

Spannung entsteht hier, weil die Übertragung keine klassische Realisati­ on durch Verkauf ist, durch den beim Veräußerer liquide und konkret benennbare Mittel vorhanden sind. Vielmehr handelt es sich um be­ stimmte Schenkungen und Erbfolgen (unentgeltliche Rechtsnachfolgen) oder bestimmte Tauschvorgänge wie bei Umwandlungen – deren große Gemeinsamkeit die Illiquidität ist. Auf die Besonderheiten von Tausch und Unentgeltlichkeit soll anschließend eingegangen werden. Dabei wird auch deutlich werden, dass nicht jede Form von illiquider Übertra­ gung gleich (privilegiert) behandelt wird, sondern abhängig von der teil­ weise dahinterstehenden gesetzgeberischen Intention der „Beseitigung steuerlicher Hemmnisse für [bestimmte] betriebswirtschaftlich sinnvol­ le“ Übertragungsvorgänge.803 2. Referenzfälle a. § 6 Abs. 3 S. 2 EStG (Übertragung von Sachgesamtheiten) Die Privilegierung eines unentgeltlichen Rechtsgeschäfts in Zusammen­ spiel mit Behaltefristen findet sich zunächst in § 6 Abs. 3 S. 2 EStG. Die Norm stellt eine Ausnahme von der Regelung des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG dar, die wiederum einen Spezialfall zur allgemeinen Regelung in § 16 Abs. 1 S. 1 EStG darstellt. aa. Grundfall des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil entgelt­ lich veräußert, werden die stillen Reserven aufgedeckt: Der steuerpflich­ tige Veräußerungsgewinn ist nach §§ 16 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 EStG der Ver­ äußerungspreis abzüglich der Buchwerte und der Veräußerungskosten. Es besteht beim Veräußerer die letztmalige Möglichkeit des Zugriffs auf das Betriebsvermögen (in liquidierter Form); dessen Liquidation ermög­ licht (und rechtfertigt) erst die unmittelbare Leistung auf die Steuer­ schuld. Ausreichend liquide Mittel fehlen regelmäßig, wenn Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil unentgeltlich übertragen werden. Hier kann man den Veräußerer vorwerfen, an seiner Illiquidität „selbst schuld“ zu sein, schließlich hätte er auch verkaufen können; jedoch handelt es sich oft um Erbfälle oder Fälle der vorweggenommenen Erbfolge, durch die das Fortführen von Unternehmen in der nächsten Generation ermöglicht werden soll.804 Der Gesetzgeber erachtet dies als volkswirtschaftlich 803 Begründung der Unions-/FDP-Fraktionen zum UmwStG 1995, BT-Drs. 12/6885, S. 14; Regierungsbegründung des SEStEG 2006 in BT-Drs. 16/2710, S. 25. 804 § 6 Abs. 3 EStG flankiert damit entsprechende Regelungen des UmwStG (vgl. BTDrs. 14/23, S. 172 f.). Diese Verschonung gilt aber nur für die Ertragsteuern. Es

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

wünschenswert und ermöglicht daher in § 6 Abs. 3 S. 1 EStG ein (system­ fremdes805) Überspringen der stillen Reserven auf ein anderes Steuersub­ jekt. Ab dem Veranlagungszeitraum 2017 ist die Buchwertfortführung nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG explizit unter den Vorbehalt der sichergestellten Besteuerung der stillen Reserven gestellt – es handelt sich dabei aber nur um eine redaktionelle Klarstellung, die auch der bis­ herigen Rechtsprechung zur Vorgängernorm des § 7 EStDV entspricht.806 bb. Einschränkung nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG Die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG und damit die Ver­ schonung desjenigen, bei dem die stillen Reserven entstanden sind, ­werden ohne weitere Einschränkung aber nur gewährt, wenn Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil vollständig übergehen. Werden hingegen Wirtschaftsgüter, die weiter zum Betriebsvermögen gehören, vom Rechtsvorgänger zurückgehalten,807 dann darf der Rechtsnachfolger den Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil innerhalb der nächs­ ten fünf Jahre nicht veräußern oder aufgeben.808 Verletzt er diese Behalte­

verbleibt eine mögliche Belastung durch Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Steuerbarkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 1 ErbStG, wobei Betriebsübergänge unter den Voraussetzungen des § 13a ErbStG privilegiert sind. Zur fehlenden Abstim­ mung von EStG und ErbStG allgemein Huber [jetzt: Valta]/Reimer, DStR 2007, S. 2042 und speziell für Übertragungsgewinne BFH, Urt. v. 22.10.2008, Az. X B 162/08, in BFH/NV 2009, S. 156. 805 Ausführlich Beyschlag, Transfer von Einzelwirtschaftsgütern bei gewerblichen Personenunternehmen (2010), S. 151 ff.; Baldauf, System der einkommensteuer­ rechtlichen Gewinnrealisierung (2009), S. 49 ff.; Gratz/Uhl-Ludäscher in Herr­ mann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rn. 1200: Das Subjektprinzip weicht zugunsten des Realisationsprinzips zurück. Siehe aber auch Kirchhof in Kirchhof, EStG Kom­ paktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 2 Rn. 84, der § 6 Abs. 3 EStG als einen Sonder­ fall der gespaltenen Tatbestandsverwirklichung sieht, die allgemein in § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG angelegt ist. 806 So BT-Drs. 18/9956, S. 5 unter Bezugnahme auf BFH, Urt. v. 19.02.1998, Az. IV R 38/97, in BStBl. II 1998, S. 509. 807 Allerdings muss auch ohne das zurückgehaltene Wirtschaftsgut die übergehende Vermögensmasse als Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil zu qualifizie­ ren sein, so dass schon § 6 Abs. 3 S. 1 EStG einschlägig ist; anderenfalls könnte jede Veräußerung eines einzelnen Wirtschaftsgutes steuerneutral erfolgen, wenn nur die Haltefrist des § 6 Abs. 3 S. 2 EStG eingehalten wäre – gemeint sind daher regelmäßig Wirtschaftsgüter im Sonderbetriebsvermögen, die dem Betrieb weiter­ hin zur Verfügung stehen; vgl. die anschauliche Darstellung bei Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 Rn. 469.3. 808 Die unentgeltliche Weiterübertragung ist unschädlich; vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rn. 1247; BMF, Schreiben v. 03.03.2005, Az. IV B 2 - S 2241 - 14/05, in BStBl. I 2005, S. 458 Tz. 14. Umstritten ist, ob als schädliche Veräußerung auch die Veräußerung des nur unterproportional miterworbenen Wirtschaftsgut aus dem Sonderbetriebsvermögen zu werten ist (ausführlich hierzu Kempermann, FR 2003, S. 321 (327)).

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

frist, haben Rechtsvorgänger und -nachfolger den Teilwert anzusetzen,809 so dass der Rechtsvorgänger dann regelmäßig einen Veräußerungsgewinn verbuchen muss. Im Ergebnis kann also der neue Betriebsinhaber, der unentgeltlich erworben hat, in der Konstellation des § 6 Abs. 3 S. 2 EStG den Betrieb (Teilbetrieb) zu einem marktüblichen Wert veräußern und damit beim (illiquiden) alten Betriebsinhaber und Schenker einen steuer­ baren Gewinn auslösen – der ursprünglich Beschenkte und jetzt Veräu­ ßernde muss dann noch nicht einmal seinerseits einen Veräußerungsge­ winn versteuern, da sich mit der Veräußerung seine Buchwerte auf den Teilwert zum Zeitpunkt der ersten, unentgeltlichen Übertragung erhö­ hen. Im Schrifttum wird als ungerechte, fremdbestimmte Steuerwirkung wahrgenommen810 und daher ein Bedürfnis für entsprechende vertragli­ che, Schadensersatz-bewährte Beschränkungen festgestellt.811 cc. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen Bei genauerer Betrachtung des § 6 Abs. 3 S. 2 EStG sind zwei Dinge be­ merkenswert: – Es besteht kein Wahlrecht zwischen Buchwert einerseits und Teiloder gemeinem Wert andererseits, die Privilegierung des Übertragen­ den erfolgt – anders als etwa im UmwStG – zwingend.812 Auch wenn die zwingende Buchwertfortführung zu Recht rechtspolitisch kriti­

809 § 6 Abs. 3 S. 2 EStG benennt keine explizite positive Rechtsfolge, sondern ledig­ lich den Wegfall des Buchwertprivilegs (kritisch zum Fehlen der ausdrücklichen Rechtsfolge Wendt, FR 2002, S. 127 (134); Wendt, FR 2005, S. 468 (476)). Nach h.M. erzielt der Übertragende stattdessen (rückwirkend gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO) einen laufenden Gewinn aus der Übertragung des Teilanteils, so dass nach § 16 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG der Teilwert anzusetzen ist (BMF, Schreiben v. 03.03.2005, Az. IV B 2 - S 2241 - 14/05, in BStBl. I 2005, S. 458 Rz. 11; Kempermann, FR 2003, S. 321 (328); Kulosa in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 6 Rn. 669; Gratz/Uhl-Ludäscher in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rn. 1291; Wendt, FR 2005, S. 468 (476) = Teilwert als Rechtsfolge sui generis; Förster, FR 2002, S. 649 (656) = Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG. A.A. Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 Rn. 475.12 = normspezifischer, aufgabeähnlicher Vorgang mit Ansatz des gemeinen Werts). 810 In diesem Sinne u.a. Wendt, FR 2002, S. 127 (135); Kanzler, FS Korn (2005), S. 287 (302); Crezelius, FR 2002, S. 805; Crezelius, ZEV 2004, S. 45 (51). 811 Kempermann, FR 2003, S. 321 (328); Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 Rn. 475.12 a.E.; Gratz/Uhl-Ludäscher in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rn. 1291; Förster, FR 2002, S. 649 (656); Geck, FS Spiegelberger (2009), S. 128 (128 f.; 137); Geck, ZEV 2005, S. 196 (198); Rogall/Stangl, DStR 2005, S. 1073 (1079); Emmrich/Kloster, GmbHR 2005, S. 448 (456). 812 Ausdrücklich feststellend für den Rechtsvorgänger BFH, Urt. v. 28.08.2001, Az. VIII B 54/01, in DStRE 2001, S. 1267 (Rz. 12 [zit. nach juris]), noch zur Vorgängernorm des § 7 Abs. 1 EStDV a.F.; für den Rechtsnachfolger BFH, Urt. v. 22.10.2008, Az. X B 162/08, in BFH/NV 2009, S. 156 (Rz. 4 [zit. nach juris]). Siehe auch Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rn. 1228; Crezelius, ZEV 2004, S. 45.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

siert wird,813 lässt sich doch nur schwer mehr begründen, dass die Gefahr der Fremdbestimmung der Preis für ein selbst gewähltes Pri­ vileg in einem Sachverhalt unter § 6 Abs. 3 EStG ist. – Damit zusammen hängt eine zweite Beobachtung: Wenn der Gesetz­ geber mit der Frist in Satz 2 vermutet, dass nicht der Fortbestand der Beteiligung, sondern die baldige Realisierung der stillen Reserven durch ein anderes Steuersubjekt Anlass für die Übertragung gewe­ sen sein mag, stellt sich die Frage, warum diese Gefahr nicht auch bei Satz 1 gegeben sein soll.814 Schließlich kann auch hier die Über­ tragung nur die Vorbereitung einer späteren Realisation der stillen Reserven durch den Rechtsnachfolger darstellen. Es ist nicht ersicht­ lich, warum der Zurückbehalt eines Wirtschaftsguts aus dem Sonder­ betriebsvermögen einen verstärkten Missbrauchsverdacht begründen sollte.815 Ein Erklärungsversuch lässt sich aus der Historie der Regelung heraus begründen: Von 1949 bis 2001 gab es nur die (zwingende) Privilegie­ rung wie im heutigen Satz 1.816 Wurden Wirtschaftsgüter des Son­ derbetriebsvermögens zurückgehalten, durften die Buchwerte nicht fortgeführt werden. Aus Gründen der Gleichstellung mit dem Einzel­ unternehmer, bei dem das Sonderbetriebsvermögen notwendiges Be­ triebsvermögen wäre, wollte die Bundesregierung das – anders als der Bundesrat, der den heutigen Satz 2 ohne Behaltefrist forderte817 – bei­ behalten.818 Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses sah dann als Kompromiss Satz 2 mit Behaltefrist vor.819 Insofern lässt sich ange­ sichts der fehlenden Begründung des Vermittlungsergebnisses unter­ stellen, dass die Drohung mit der Frist den Übertragenden auch zur Übertragung des Sonderbetriebsvermögens drängen sollte.820 Freilich 813 Baldauf, System der einkommensteuerrechtlichen Gewinnrealisierung (2009), S. 95–103 sowie Danz, FR 2018, S. 169 plädieren überzeugend für die (verfassungs­ rechtlich gebotene) Einführung eines Wahlrechts. 814 So auch Wendt, FR 2005, S. 468 (476); Kempermann, FR 2003, S. 321 (327). 815 Zum Einbezug des zugehörigen Sonderbetriebsvermögens in die Definition des Anteils an der Mitunternehmerschaft in der BFH-Rechtsprechung siehe Crezelius, ZEV 2004, S. 45 (50). 816 Ein Wahlrecht zwischen Buchwert und gemeinem Wert bestand von 1925 bis 1949 nach § 20 EStG 1925 und später nach den untergesetzlichen Normen der § 6 Abs. 1 L EStDV 1935 und § 5 Abs. 1 EStDB 1939; seit 1949 ist die Buchwertfort­ führung nach § 5 Abs. 1 EStDV 1949/§ 7 Abs. 1 EStDV 1955 ff. zwingend (Vorläu­ ferregelungen zitiert nach Gratz/Uhl-Ludäscher in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rn. 1201). 817 BT-Drs. 14/7084, S. 2. 818 Gegenäußerung der Bundesregierung zum Vorschlag des Bundesrates in BT-Drs. 14/7084, S. 7. Zur Begründung der alten Rechtsprechung Kempermann, GmbHR 2002, S. 200 (202). 819 BT-Drs. 14/7780. Zur Entstehungsgeschichte ausführlich Wendt, FR 2002, S. 127. 820 So Wendt, FR 2005, S. 468 (476).

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

ist diese (unterstellte) Begründung nicht überzeugend:821 Wenn der Gesetzgeber ein Angebot an den Steuerpflichtigen macht, dann soll­ ten eventuelle Einschränkungen bei der Geltendmachung nicht der grundsätzlichen Abschreckung, sondern der Verwirklichung des posi­ tiven Gesetzeszwecks dienen. b. § 6 Abs. 5 S. 4 EStG (Übertragung innerhalb von Mitunternehmerschaften) aa. Überblick über die Grundfälle des § 6 Abs. 5 S. 1–3 EStG Ein weiterer Fall von fremdbestimmten Steuerwirkungen in Folge von Behaltefristen findet sich in § 6 Abs. 5 S. 4 EStG. Wie § 6 Abs. 3 EStG ist auch dieser Sachverhalt durch das UntStRG 1999 gesetzlich normiert worden; § 6 Abs. 5 EStG greift eine Rechtsprechung zum erweiterten Be­ triebsbegriff auf.822 § 6 Abs. 5 EStG betrifft die privilegierte Verschiebung einzelner Wirt­ schaftsgüter innerhalb einer Mitunternehmerschaft ohne Aufdeckung der stillen Reserven. Zunächst behandeln § 6 Abs. 5 S. 1–2 EStG Über­ führungsfälle:823 Wirtschaftsgüter gehen von einem Vermögen in ein an­ deres über, bleiben aber demselben Rechtsträger zugeordnet. Erfasst sind alle denkbaren Wechselrichtungen zwischen verschiedenen Betriebsver­ mögen und Sonderbetriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen. Voraus­ setzung ist, dass die spätere Besteuerung der stillen Reserven sicherge­ stellt ist.824 § 6 Abs. 5 S. 3 EStG stellt der Überführung die Übertragung825 in drei Fällen gleich („Satz 1 gilt entsprechend“). In diesen Fällen ändert sich nicht nur das Vermögen, sondern auch der Rechtsträger. Nr. 1 betrifft Übertragungen aus einem Betriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft und umgekehrt. Nr. 2 erfasst Übertragungen von einem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft und umge­ kehrt. Sowohl die Buchwertfortführung nach Nr. 1 als auch die nach 821 Wegen derartiger, politisch notwendiger Kompromisse wird die grundsätzliche Fä­ higkeit des Steuerrechts zur Folgerichtigkeit angezweifelt; vgl. Kempny, StuW 2014, S. 185 (187); Lepsius, JZ 2009, S. 260 (262). 822 Ehmcke, in Blümich, § 6 Rn. 1280; Brandenberg, FR 2000, S. 1182. Zur Rechtspre­ chung siehe BFH Großer Senat, Beschluss v. 07.10.1974, Az. GrS 1/73, in BStBl. II 1975, S. 168. 823 Zu den Begrifflichkeiten von Übertragung versus Überführung vgl. Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 Rn. 486.1. 824 BMF, Schreiben v. 08.12.2011, Az. IV C 6 - S 2241/10/10002, in BStBl. I 2011, S. 1279 Tz. 7; Schulze zur Wiesche, DStZ 2012, S. 12 (12): Auch die Verstrickung der zukünftig erst entstehenden stillen Reserven muss sichergestellt sein. 825 Begrifflichkeit nach Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 Rn. 486.1.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Nr. 2 setzen aber voraus, dass die Übertragung entweder unentgeltlich oder gegen eine entsprechende Gewährung oder Minderung von Gesell­ schaftsrechten erfolgt. Schließlich ist nach Nr. 3 auch die Übertragung zwischen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer der­ selben Mitunternehmerschaft erfasst, allerdings nur, wenn diese unent­ geltlich geschieht. Nicht erfasst sind Vorgänge gegen entsprechende Ge­ währung oder Minderung von Gesellschaftsrechten. In allen Fällen des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG werden die stillen Reserven eines Wirtschaftsguts mindestens teilweise – und unter Verletzung826 des Sub­ jektsteuerprinzips827 – auf einen anderen Rechtsträger übertragen. bb. Die Ausgestaltung der Behaltefrist des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG Diese Privilegierung wird aber einen Satz später unter einen Vorbehalt gestellt: Wenn das übertragene Wirtschaftsgut innerhalb einer bestimm­ ten Frist vom (ursprünglichen) Erwerber veräußert828 oder entnommen wird, ist rückwirkend829 sowohl beim (ursprünglichen) Veräußerer als auch beim (ursprünglichen) Erwerber830 auf den Zeitpunkt der Übertra­ gung der damalige831 Teilwert anzusetzen.832 Es entsteht regelmäßig rück­ wirkend ein Übertragungsgewinn beim Veräußerer in Höhe der bei ihm entstandenen Reserven, dem kein Liquiditätszuwachs gegenübersteht. Vor allem ist dieser Übertragungsgewinn nicht von ihm ausgelöst wor­ den, sondern vom Erwerber – insofern steht § 6 Abs. 5 S. 4 EStG eben­ falls833 zu Recht im Fokus der Kritik der fremdbestimmten Steuerwir­ kungen.834

826 So etwa Brandenberg, FR 2000, S. 1182 (1188); Reiß, BB 2001, S. 1225 (1226); Kloster/Kloster, GmbHR 2002, S. 717 (719); Schindler in Kirchhof, EStG Kompakt­ kommentar, 18. Aufl. (2019), § 6 EStG Rn. 213; Crezelius, Stbg 2007, S. 449 (453); Beyschlag, Transfer von Einzelwirtschaftsgütern bei gewerblichen Personenunter­ nehmen (2010), S. 333; Wacker, NWB 2013, S. 3377 (3379). 827 Ausführlich zum Spannungsfeld von Subjektsteuerprinzip und Realisation unten, S. 202 ff.; zum Subjektsteuerprinzip unten, S. 252 ff. 828 Zur Frage, was eine schädliche Veräußerung ist, vgl. Kloster/Kloster, GmbHR 2002, S. 717 (723); Goebel/Ungemach/Reifarth, DStZ 2011, S. 561 (562 ff.). 829 Als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO kann die Steu­ ererklärung trotz Bestandskraft noch geändert werden; der Anspruch wird aller­ dings nicht rückwirkend verzinst, vgl. § 233a Abs. 2a AO. 830 Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rn. 1355. 831 BMF, Schreiben v. 08.12.2011, Az. IV C 6 - S 2241/10/10002, in BStBl. I 2011, S. 1279 Tz. 7; klarstellend Seitz/Düll, StbJb 2011/2012, S. 107 (116). 832 Auf die Möglichkeit der Ergänzungsbilanz wird unten eingegangen, S. 188. 833 Vgl. die insofern parallel ausgestaltete Norm des § 6 Abs. 3 S. 2 EStG und dazu oben, S. 182. 834 Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (230); Crezelius, FR 2002, S. 805; Kläne, Fremd­ bestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 133; Kanzler, FS Korn (2005), S. 287 (302); Söffing, FS Streck (2011), S. 195 (208).

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

Die Frist beträgt drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung835 durch den Übertragenden (Anlaufhemmung). Handelt es sich bei der Veräußerung um einen gleichfalls privilegierten Vorgang nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG, wird nicht der Teilwert angesetzt, doch beginnt erneut eine Frist von drei Jahren zu laufen.836 Vorgänge nach § 6 Abs. 5 S. 1–2 EStG sind unschäd­ lich und begründen keinen neuen Fristanfang.837 Begründet wird die Behaltefrist als Missbrauchsverhinderungsvor­ schrift:838 Die Buchwertfortführung bei Rechtsträgerwechsel nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG verletzt das Subjektsteuerprinzip. Diese Durchbrechung kann aber nur damit gerechtfertigt, dass so wirtschaftlich sinnvolle Um­ strukturierungen839 innerhalb der Mitunternehmerschaft ermöglicht werden sollen. Die Veräußerung innerhalb der Frist ist für den Gesetzge­ ber unwiderleglicher840 Beleg dafür, dass mit der ursprünglichen Transak­ tion bloß eine Realisation zu steuerlich günstigeren Bedingungen vorbe­ reitet werden sollte.841 cc. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen Im Rahmen des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG sind zwei Punkte besonders festzu­ halten: – Wie bei § 6 Abs. 3 EStG liegt zumindest technisch auch hier eine aufgedrängte Privilegierung und damit verbunden eine aufgedrängte

835 Sechs Jahre nach Übertragung, wenn keine Steuererklärung abgegeben wird; vgl. BMF, Schreiben v. 08.12.2011, Az. IV C 6 - S 2241/10/10002, in BStBl. I 2011, S. 1279 Tz. 22. 836 BMF, Schreiben v. 08.12.2011, Az. IV C 6 - S 2241/10/10002, in BStBl. I 2011, S. 1279 Tz. 23. 837 Zum Zusammenspiel mit den anderen Behaltefristen aus § 6 EStG sowie dem UmwStG siehe Scharfenberg, DB 2012, S. 193 (196); Seitz/Düll, StbJb 2011/2012, S. 107 (117 ff.). 838 BMF, Schreiben v. 08.12.2011, Az. IV C 6 - S 2241/10/10002, in BStBl. I 2011, S. 1279 Tz. 22; Scharfenberg, DB 2012, S. 193 (196); Schulze zur Wiesche, DStZ 2012, S. 12 (16). Mit dieser Begründung wird etwa vom BFH, Urt. v. 31.07.2013, Az. I R 44/12, in DStR 2013, S. 2165 auch § 6 Abs. 5 S. 4 EStG entsprechend ausge­ legt, wenn der Übertragungsvorgang nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zu keiner Übertra­ gung von stillen Reserven geführt hat. 839 Dies wird konkret für § 6 Abs. 5 S. 3 EStG aber vereinzelt auch bestritten, vgl. Reiß, BB 2001, S. 1225 (1228): bloß Geschenk an die Wirtschaft und Ergebnis von Lobbyarbeit. 840 Regierungsbegründung des UntStFG in BT-Drs. 14/6882, S. 33; kritisch und für eine Widerlegbarkeit der Missbrauchsvermutung aber etwa Rödder/Schuhmacher, DStR 2001, S. 1634 (1637); Spiegelberger/Wälzholz, DStR 2001, S. 1093 (1095); Kloster/Kloster, GmbHR 2002, S. 717 (720). 841 Seitz/Düll, StbJb 2011/2012, S. 107 (115); Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Rau­ pach, § 6 EStG Rn. 1634.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse



Gefahr der Fremdbestimmung vor: Es besteht kein Wahlrecht.842 Nun könnte man mit Blick auf die in Satz 4 erwähnte mögliche Ausnahme von der Sperrfrist ein (tatsächlich aber nicht gegebenes) funktiona­ les Äquivalent843 erblicken: die (negative) Ergänzungsbilanz.844 Schon zum Zeitpunkt der Übertragung wird in der Gesamthandsbilanz das Wirtschaftsgut mit dem Teilwert bewertet. Das Vorhandensein der stillen Reserven beim ursprünglichen Veräußerer wird in einer eige­ nen, negativen Ergänzungsbilanz für ihn dargestellt. Die stillen Re­ serven bleiben so stets bei dem Rechtsträger verhaftet, bei dem sie entstanden sind. Eine Behaltefrist ist daher nicht erforderlich.845 Allerdings entsteht bei einer späteren Veräußerung unabhängig von der Behaltefrist ein Gewinn beim ursprünglichen Veräußerer, indem in seiner negativen Ergänzungsbilanz das Minderkapital aufgelöst wird. Im Ergebnis ist damit nicht viel gewonnen, denn sowohl mit als auch ohne Ergänzungsbilanz wird wirtschaftlich betrachtet zunächst zu Buchwerten übertragen, aber bei einer späteren Veräußerung (nicht durch den Steuerpflichtigen) rückwirkend ein Veräußerungsgewinn realisiert.846 Dennoch kann es teilweise sinnvoll sein, eine Ergän­ zungsbilanz zu bilden, denn mit der Ergänzungsbilanz werden nicht nachträglich die Anschaffungskosten in der Gesamthandsbilanz er­ höht, sondern eben nur in der Ergänzungsbilanz. Beispielsweise kön­ nen so die Möglichkeiten der Rücklage nach § 6b EStG, der erweiter­ ten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG oder allgemein Potentiale für die Verlustberücksichtigung optimal genutzt werden.847 Die Bildung

842 Anders noch beim Mitunternehmererlass und im UmwStG, vgl. Spiegelberger/ Wälzholz, DStR 2001, S. 1093 (1095) m.w.N. Für ein Wahlrecht plädiert Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (229). 843 Vgl. Mutscher, FS Frotscher (2013), S. 479 (483 f.). 844 Wegen dieser möglichen Abweichung von der Pflicht zur Buchwertfortführung hält Geck, ZEV 2002, S. 41 (46) die Möglichkeit der Ergänzungsbilanz für inkon­ sistent: Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich eine Pflicht zur Buchwertfortführung begründet, fehlt es an sich an der gesetzlichen Grundlage für eine Ergänzungs­ bilanz. Eine solche ist aber wohl in § 6 Abs. 5 S. 4 EStG angelegt (so auch etwa Kulosa in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 6 Rn. 708). Umstritten ist die Zulässigkeit von Ergänzungsbilanzen, wenn überhaupt keine Verschiebung der stillen Reserven stattfindet, etwa bei einer 100 Prozent-Beteili­ gung am Kapital der Gesellschaft (verneinend etwa BFH, Urt. v. 31.07.2013, Az. I R 44/12, in DStR 2013, S. 2165, ausführlich dazu Wacker, NWB 2013, S. 3377, Schulze zur Wiesche, DStZ 2014, S. 108; zur Vorinstanz Fischer, JbFfSt 2013/2014, S. 391 (396)). Zur Definition der Ergänzungs- und Sonderbilanz siehe schon S. 152 ff. 845 Schindler in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 6 EStG Rn. 226. 846 Geck, FS Spiegelberger (2009), S. 128 (129 f.); Mutscher, FS Frotscher (2013), S. 479 (491 f.); Wacker in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 16 Rn. 463. 847 Ausführliche Fallbeispiele bei Prinz, StuB 2013, S. 465; Fischer, JbFfSt 2013/2014, S. 391.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

einer Ergänzungsbilanz wirkt nur auf Ebene der Mitunternehmer­ schaft als funktionales Äquivalent eines Wahlrechts. Für das Grundproblem dieser Arbeit, die Abhängigkeit des Steuer­ pflichtigen von anderen Personen und damit die Fremdbestimmung, ist durch die Ergänzungsbilanz nichts verändert. Allerdings wird auf­ gezeigt, dass die (identischen) fremdbestimmten Steuerwirkungen mit verschiedenen Regelungstechniken hervorgerufen werden kön­ nen. Es ist daher notwendig, unabhängig von der formaljuristischen Ausgestaltung stets die wirtschaftlichen Auswirkungen der verschie­ denen Varianten im Auge zu behalten. – Anders als bei § 6 Abs. 3 EStG wird eine Nähebeziehung nicht erst durch den illiquiden Übertragungsvorgang begründet. Neben der Un­ entgeltlichkeit (in § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1–3 EStG) bzw. der Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsanteilen (nur bei § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1–2 EStG) ist eine weitere Verbundenheit zwischen Veräußerer und Erwerber erforderlich: Über verschiedene Sonderbetriebsvermö­ gen und Gesamthandsvermögen muss regelmäßig auch eine perso­ nengesellschaftsrechtliche Verbindung bestehen. Deshalb wird oft­ mals auch § 6 Abs. 5 S. 4 EStG als ein Fall der fremdbestimmten Steuerwirkungen bei Personengesellschaften qualifiziert.848 Auch das ist ein Beleg für den vermuteten Zusammenhang der verschiedenen besonderen Zurechnungsgründe.849 Schließlich geht die Nähebezie­ hung innerhalb der Mitunternehmerschaft sogar so weit, dass eine teilweise Rechtsträgeridentität zwischen Übertragendem und Erwer­ ber bestehen kann.850 c. § 16 Abs. 3 S. 3 EStG (Realteilung) aa. Der Grundfall des § 16 EStG Ein weiterer Fall von fremdbestimmten Steuerwirkungen in Folge von Behaltefristen findet sich in § 16 Abs. 3 S. 3 EStG.851 § 16 Abs. 1 S. 1 EStG regelt zunächst, dass auch die Veräußerung eines Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs (Nr. 1), eines gesamten Mitunternehmeranteils (Nr. 2) und eines gesamten Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer 848 Etwa bei Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalge­ sellschaften (2010), S. 113; Müller, Verhalten zu Lasten Dritter (2016), S. 70. Zur Einordnung der Norm unter dem Zurechnungsgrund der illiquiden Übertragungs­ vorgänge (und nicht der Personengesellschaft) siehe oben, S. 151. 849 Siehe oben, S. 2. 850 Kritisch Rödder/Schuhmacher, DStR 2001, S. 1634 (1637); Niehus/Wilke in Herr­ mann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rn. 1634. Für die Fälle der vollständigen Identität und die Möglichkeiten der teleologischen Extension siehe schon BFH, Urt. v. 31.07.2013, Az. I R 44/12, in DStR 2013, S. 2165 – dazu oben, Fn. 844. 851 So auch Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalge­ sellschaften (2010), S. 110.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Kommanditgesellschaft auf Aktien (Nr. 3) Einkünfte aus Gewerbetrieb darstellen. Nach § 16 Abs. 2 EStG ist der zu versteuernde Gewinn der Veräußerungspreis abzüglich diverser Kosten und Buchwerte: Es werden vorhandene stille Reserven gehoben. Gleiches gilt nach § 16 Abs. 3 S. 1 EStG auch für die Aufgabe des Gewer­ bebetriebs sowie eines in Absatz 1 erwähnten Anteils. § 16 Abs. 3 S. 2 EStG schreibt davon abweichend für den Fall der Realteilung einer Mit­ unternehmerschaft eine zwingende852 Buchwertfortführung vor, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Der übernehmen­ de Mitunternehmer (Realteiler) ist an diese Werte gebunden. Der Begriff der Realteilung wird von § 16 Abs. 3 S. 2 EStG vorausgesetzt und nicht definiert. In Rechtsprechung und Schrifttum wird die „echte“ Realtei­ lung in Anlehnung an das Zivilrecht als die Aufgabe einer Mitunterneh­ merschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Mit­ unternehmern verstanden, bei der zumindest einer der bisherigen Mitunternehmer ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt.853 Es handelt sich so verstan­ den bei der Realteilung nach § 16 Abs. 3 S. 2 ff. EStG um eine Aufgabe wie in § 16 Abs. 3 S. 1 EStG, wobei an Stelle der Liquidation in Geld eine Auskehrung des Gesellschaftsvermögens in natura (Naturalteilung) an die Mitunternehmer stattfindet.854 Mittlerweile umfasst der Begriff der Realteilung nach der Rechtsprechung und ihr folgend der Finanzverwal­ tung auch die „unechte“ Realteilung: Demnach schließt die Realteilung i.S. des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG i.d.F. des UntStFG auch das Ausschei­ den ­eines Mitunternehmers aus einer unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft ein, und zwar unabhängig davon, ob der ausscheidende Gesellschafter einen Teilbetrieb, einen Mitunternehmer­

852 Zu einem von der Finanzgerichtsbarkeit eingeräumten Wahlrecht siehe noch Rabald, Fremdbestimmte Steuerwirkungen und Personengesellschaftsverträge (1987), S. 553. 853 BFH, Beschluss v. 29.04.2004, Az. IV B 124/02, in BFH/NV 2004, S. 1395; BFH, Urt. v. 16.03.2017, Az. IV R 31/14, in BStBl. II 2019, S. 24; BMF, Schreiben v. 19.12.2018, Az. IV C 6-S 2242-07/10002, in BStBl. I 2019, S. 6 Rz. 1; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rn. 542; Wacker in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 16 Rn. 535, jeweils m.w.N. Dabei sind viele Einzelfragen der Realteilung weiterhin umstritten, etwa ob eine begünstigte Realteilung auch bei unmittelbarer Übertragung in das Gesellschafts­ vermögen einer Schwestergesellschaft vorliegt, soweit an dieser die bisherigen Mitunternehmer der realgeteilten Personengesellschaft beteiligt sind (bejahend etwa Seer in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 16 Rn. 199; Wacker in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 16 Rn. 546; Stenert, DStR 2019, S. 245 (251); verneinend BMF, Schreiben v. 19.12.2018, Az. IV C 6-S 2242-07/​ 10002, in BStBl. I 2019, S. 6 Rz. 12). 854 Seer in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 16 Rn. 199.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

anteil oder Einzelwirtschaftsgüter erhält.855 Die insoweit erfolgende Ent­ nahme wird privilegiert bzw. deren Steuerwirkung reduziert, wenn bei fortgesetztem unternehmerischem Engagement des bisherigen Mitunter­ nehmers die Buchwerte weitergeführt werden.856 Da die Buchwerte je­ denfalls nach Ansicht der Rechtsprechung über die Kapitalkontenanpas­ sungsmethode verteilt werden, kommt es zu einem Verstoß gegen das Subjektsteuerprinzip.857 Der einzelne Realteiler muss dabei nicht zwingend eine nach § 16 Abs. 1 S. 1 EStG qualifizierte Einheit von Wirtschaftsgütern erhalten. Wie sich aus § 16 Abs. 3 S. 3 EStG ergibt, ist auch die Übertragung einzelner ­Wirtschaftsgüter von Mitunternehmerschaft auf Mitunternehmer aus­ reichend.858 § 16 Abs. 3 EStG gilt durch die Verweise in § 14 S. 2 EStG und § 18 Abs. 3 S. 2 EStG für Einkünfte aus Land und Forstwirtschaft bzw. aus selbst­ ständiger Tätigkeit entsprechend. bb. Ausgestaltung der Behaltefrist des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG Der Buchwertansatz im Rahmen der Realteilung ist jedoch nach § 16 Abs. 3 S. 3 EStG unter bestimmten Voraussetzungen zurückzunehmen. Zunächst muss es sich um eine qualifizierte Form der Realteilung han­ deln: Übertragungsobjekt der Realteilung muss ein einzelnes Wirt­ schaftsgut sein. Weiter qualifiziert beschrieben wird das Objekt der die Behaltefrist verletzenden Weiterveräußerung oder Überführung ins Privat­ vermögen: Grund und Boden, Gebäude und andere wesentliche Betriebs­ grundlagen. Schließlich muss die die Behaltefrist verletzende Handlung in einem bestimmten Zeitraum erfolgen, der mit Ablauf des dritten Jah­ res nach Abgabe der Steuererklärung des Veranlagungszeitraums endet, in dem die Realteilung erfolgt ist. Damit wird „nicht nur Kontinuität gewährt, sondern auch Kontinuität [ge]fordert“.859 Unmittelbare Rechtsfolge des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG ist der rückwirkende Ansatz des gemeinen Werts des veräußerten bzw. entnommenen Wirt­ schaftsguts zum Zeitpunkt der Realteilung. Die Buchwertaufdeckung ist aber nur begrenzt auf das Wirtschaftsgut, das Objekt der die Behaltefrist verletzenden Handlung ist („soweit“). In der Folge entsteht rückwirkend 855 BFH, Urt. v. 16.03.2017, Az. IV R 31/14, in BStBl. II 2019, S. 24; BMF, Schreiben v. 19.12.2018, Az. IV C 6-S 2242-07/10002, in BStBl. I 2019, S. 6 Rz. 2. 856 BMF, Schreiben v. 19.12.2018, Az. IV C 6-S 2242-07/10002, in BStBl. I 2019, S. 6 Rz. 10; Zum Telos der Realteilungsregeln Wacker, FS Priester (2007), S. 819 (820). 857 Danz, Subjektsteuerprinzip (2017), S. 171 f.; Reiß, FR 2017, 458 (459). 858 Ausführlich dazu die Dissertation von Elbert, Realteilung bei Übertragung einzel­ ner Wirtschaftsgüter (2012). 859 Wendt, FS J. Lang (2010), S. 699 (705).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

ein Übertragungs- bzw. Aufgabegewinn bei der im Rahmen einer „ech­ ten“ Realteilung geteilten Gesamthand, der grundsätzlich nach dem ­allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel auf alle beteiligten Realteiler verteilt wird.860 Dieser Gewinn, dem kein Liquiditätszuwachs gegen­ übersteht, wird also auch bei dem Realteiler ausgelöst, der die wesentli­ che Betriebsgrundlage gerade nicht veräußert oder entnommen hat. Dies ist ein Fall fremdbestimmter Steuerwirkungen.861 Der Gesetzgeber sieht die Behaltefrist als Missbrauchsverhinderungsvor­ schrift.862 Die mit der Buchwertfortführung verbundene Begünstigung863 soll nur solchen Realteilungen zu Gute kommen, die der Umstrukturie­ rung, nicht aber der Vorbereitung einer Veräußerung oder Entnahme ein­ zelner Wirtschaftsgüter dienen. Eine solche Gefahr besteht, wenn in den im Zuge der Realteilung verteilten Wirtschaftsgütern unterschiedlich stark stille Reserven lagern, und so deren Aufdeckung bei bestimmten Personen (etwa mit niedriger Progressionsstufe oder nicht anders verre­ chenbaren Verlusten) bezweckt wird. cc. Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen Die Besonderheit hierbei ist weniger in der Norm selbst zu sehen als in der Auffassung der Finanzverwaltung, die eine verursacherbezogene Zu­ rechnung des verwirklichten Gewinns zulässt. Demnach soll bei einer Realteilung der Gewinn allein dem entnehmenden oder veräußernden Realteiler zuzurechnen sein, wenn das nach dem Gesellschaftsver­ trag oder den von den Mitunternehmern schriftlich getroffenen Verein­ barungen über die Realteilung so bestimmt worden ist.864 Anders als die sonst stets vorgeschlagenen Ausgleichsansprüche bei Übertragungen ist eine solche Vereinbarung kein second best865, sondern wirkt tatsächlich 860 BMF, Schreiben v. 19.12.2018, Az. IV C 6-S 2242-07/10002, in BStBl. I 2019, S. 6 Rz. 29 unter IX, 2. Absatz.; Paus, FR 2002, S. 866 (868); Crezelius, FR 2002, S. 805 (806). 861 Heß, DStR 2006, S. 777 (781); Wendt, FS J. Lang (2010), S. 699 (705) Fn. 35; Söffing, FS Streck (2011), S. 195 (208); Crezelius, FR 2002, S. 805 (806); Crezelius, FR 2011, S. 401 (402). 862 Regierungsbegründung des UntStFG in BT-Drs. 14/6882, S. 34 mit ausdrückli­ chem Verweis auf die gleichen Überlegungen bei § 6 Abs. 5 S. 4 EStG. 863 Ausführlicher Elbert, Realteilung bei Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter (2012), S. 5 ff. 864 BMF, Schreiben v. 19.12.2018, Az. IV C 6-S 2242-07/10002, in BStBl. I 2019, S. 6 Rz. 29 unter Fortführung älterer Erlasse (seit 2006) zur Realteilung. Eine solche abweichende Gewinnzurechnung wurde im Kontext der fremdbestimmten Steu­ erwirkungen aber gerade zu deren Vermeidung schon in Literatur gefordert, etwa bei Brandenberg, DStZ 2002, S. 594 (595); Crezelius, FR 2002, S. 805 (806). 865 Schell, BB 2006, S. 1026 (1030) findet die Lösung der Finanzverwaltung im Ver­ gleich zu den hergebrachten Vereinbarungen über Ausgleichszahlungen „wesent­ lich praktikabler“.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

schon bei der Entstehung der Steuer: Fremdbestimmte Steuerwirkungen werden nicht vertraglich kompensiert, sondern vertraglich vermieden. Auf Grundlage dieser Verwaltungsauffassung ist das Problem dieser Ar­ beit für die Realteilung für die Praxis einstweilen gelöst,866 freilich zu dem Preis, dass so die sich vom Gesetzgeber des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG vorgestellten Missbrauchsfälle gerade verwirklicht werden können.867 Für die fremdbestimmten Steuerwirkungen bleibt die Erkenntnis, dass auf Grund der Relevanz der Gewinnverteilungsabrede die Fremdbestim­ mung vermieden werden kann, und die Fremdbestimmung von der Fi­ nanzverwaltung partiell als Problem erkannt und für die Praxis gelöst wird. Festzuhalten bleiben aber auch der Wunsch nach einer Lösung auf Ebene des Gesetzes868 und das Bedürfnis bei den anderen Referenzfällen, eine in der Wirkung gleiche Lösung zu schaffen. d. Behaltefristen im UmwStG am Beispiel des „Stiefmutter-Falls“ aa. Grundaussagen des UmwStG Die ertragsteuerlichen Auswirkungen von Restrukturierungen sind nicht im allgemeinen Ertragsteuerrecht geregelt, sondern im Umwandlungs­ steuergesetz (UmwStG). Allein die Auslagerung in ein anderes Gesetz verdeutlicht die Sonderstellung der Materie.869 Das UmwStG zielt auf die steuerliche Ermöglichung von Restrukturierungen.870 Daher wird in die­ sem Teilgebiet des Steuerrechts unter bestimmten Voraussetzungen die Buchwertfortführung erlaubt und die Übertragung von stillen Reserven auf einen anderen Rechtsträger zugelassen. Auf diese Weise wird eine teil­ weise als Schwäche empfundene Eigenschaft des Ertragsteuerrechts aus­ geglichen, das regelmäßig keine Konzern-, sondern eine Rechtsträger-zen­ trierte Betrachtung mit verschiedenen Konzerneinheiten vornimmt.871 866 Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rn. 562; Bock, Realteilung von Personengesellschaften (2011), S. 72. Ausdrücklich begrüßt wird dieses Ergebnis etwa von Heß, DStR 2006, S. 777 (781); Geck, FS Spiegelberger (2009), S. 128 (130). Im Ergebnis auch Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. (2019), Anhang 5 Rn. 144 ff. Levedag, GmbHR 2017, S. 113 (122) spricht von einer Billigkeitsregelung. Zur Akzeptanz dieses Wahlrechts in der neueren BFH-Recht­ sprechung Pupeter, DB 2017, S. 2122 (2126). 867 Paus, DStZ 2006, S. 285 (288 f.); Wacker in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 16 Rn. 554; Wacker, FS Priester (2007), S. 819 (833 f.), die daher auch die Verwal­ tungsauffassung ablehnen. 868 Geck, FS Spiegelberger (2009), S. 128 (130); dazu auch unten, S. 327 ff. 869 Crezelius, FR 2011, S. 401 (405 f.). 870 BT-Drs. 12/6885, S. 14: „Dadurch werden betriebswirtschaftlich erwünschte und handelsrechtlich […] mögliche Umstrukturierungen der Wirtschaft nicht durch steuerliche Folgen behindert“. In diesem Sinne auch die Regierungsbegründung des SEStEG in BT-Drs. 16/2710, S. 25. 871 Kredig, Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen (2013), S. 25.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Die Übertragung von stillen Reserven auf einen anderen Rechtsträger stellt selbst eine Durchbrechung bzw. Ausnahme vom Prinzip der Sub­ jektbesteuerung dar.872 Die erwähnten bestimmten Voraussetzungen der Buchwertfortführung sind regelmäßig Behaltefristen, deren Einhaltung das kontinuierliche unternehmerische Engagement unwiderleglich ver­ muten und damit den Missbrauchsvorwurf entfallen lässt.873 Über die Einhaltung der Behaltefrist hinaus aber sind noch weitere Anforderungen für die Fortführungs-Vermutung und somit die ertragsteuerliche Privile­ gierung erforderlich: ein qualifiziertes Übertragungsobjekt, nämlich in Form eines Betriebs (Teilbetriebs); die Unentgeltlichkeit oder tauschwei­ se Übertragung. Im Folgenden sollen an einem Fall mehrere Konstellationen der illiqui­ den, fremdbestimmte Steuerwirkungen auslösenden Übertragungsvor­ gänge und ihr Zusammenspiel dargestellt werden. Anschließend wird auf die einschlägigen Normen noch abstrakt und vertieft eingegangen. bb. Der Stiefmutter-Fall874 Der Fall macht deutlich, wie weit man vom „bösen Willen“ einer ande­ ren Person abhängig sein kann: Der Vater bringt seinen Betrieb in eine GmbH ein. Auf Antrag der aufnehmenden GmbH führt diese nach § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG die Einlage zu Buchwerten fort. Damit korrespondierend hat der Vater nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG die (für ihn regelmäßig erfreuliche) Pflicht, die Buchwerte des eingebrachten Betriebsvermö­ gens als Anschaffungskosten für die erhaltenen Gesellschaftsanteile anzusetzen, und nicht den gemeinen Wert der erhaltenen GmbH-Anteile als Veräußerungs­ preis; insoweit sind § 16 EStG bzw. § 20 Abs. 2 S. 1 UmwStG suspendiert. Die für die Einbringung gewährten Anteile sind im Gegenzug sperrfristverhaftet; eine Veräußerung der Anteile innerhalb der Frist von sieben Jahren würde gemäß § 22 Abs. 1 UmwStG zur Aufdeckung der stillen Reserven und damit zu einem Ein­ bringungsgewinn I führen. Dennoch möchte der Vater seinem Sohn aus erster Ehe im Wege der vorwegge­ nommenem Erbfolge diese Anteile zuwenden, gerade weil der Sohn die Ehe seines Vaters mit der neuen Frau kritisch sieht und der Vater seine Frau als testamenta­ rische Alleinerbin einsetzen möchte. Der Sohn ist nun unentgeltlicher Rechts­ nachfolger des Vaters, gilt künftig als Einbringender (§ 22 Abs. 6 UmwStG) und 872 Reiß, BB 2001, S. 1225 (1230); Schmitt/Keuthen, DStR 2013, S. 1565 (1569). 873 Kredig, Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen (2013), S. 333 ff., v.a. auch 301 ff.: „normative Umsetzung der Rechtfertigungs­ gründe“ für die Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips. 874 Die Personifizierung mit der Stiefmutter im Sachverhalt, der voraussetzt, dass un­ entgeltliche Teilrechtsnachfolge und Gesamtrechtsnachfolge auseinanderfallen, ist dem traditionell schlechten Leumund der Stiefmutter geschuldet. Ein Beispiel mit Behaltefristen und einem bösen Stiefvater findet sich bei Crezelius, Beihefter zu Heft 51–52, DStR 2013, S. 99 (105).

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen tritt in die Behaltefrist des Vaters ein, ohne diese auszulösen.875 Außerdem wird der Sohn als mächtiger Gesellschafter von der Gesellschafterversammlung zum Geschäftsführer bestellt. Nun verstirbt der Vater und seine Ehefrau (die Stiefmutter des Sohnes) wird als testamentarische Erbin seine Gesamtrechtsnachfolgerin. Für den Sohn ist die Zeit der (steuerlichen) Rache an der ungeliebten Stiefmutter gekommen, für die er aus zwei Varianten wählen kann.

Variante I (Rache als Rechtsnachfolger): Er veräußert die Anteile an der GmbH und löst damit nach § 22 Abs. 1 UmwStG einen Einbringungsge­ winn I aus. Dieser entsteht nicht beim Sohn als Rechtsnachfolger im Sinne des § 22 Abs. 6 UmwStG, sondern bei der Stiefmutter als Rechts­ nachfolgerin des ursprünglich Einbringenden.876 Zwar kommt es für den Sohn zu einer Buchwertaufstockung nach § 23 Abs. 2 UmwStG nur, wenn die Stiefmutter die Steuern auf den (ausgelösten) Einbringungsge­ winn auch entrichtet; dennoch lohnt sich die Veräußerung zumindest als „Rache an der Stiefmutter“.877 Variante II (Rache als Geschäftsführer): Der Stiefsohn veräußert seine Anteile nicht, setzt sich aber erfolgreich als Geschäftsführer der GmbH im Rahmen seiner Geschäftsführungskompetenzen vorbereitend878 für die Veräußerung des eingebrachten Betriebs ein. Durch die Veräußerung entsteht beim Einbringenden ein Einbringungsgewinn II nach § 22 Abs. 2 UmwStG. Auch hier kommt es nicht nach § 22 Abs. 6 UmwStG zu Steu­ erwirkungen beim Sohn, sondern nach allgemeinen Grundsätzen bei der Gesamtrechtsnachfolgerin des Vaters, also der Stiefmutter. 875 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 22 UmwStG Rn. 106. 876 § 22 Abs. 6 UmwStG regelt nur, dass auf den unentgeltlichen Rechtsnachfolger bei der Frage abzustellen ist, ob schädlich verfügt würde. Die Steuerpflicht selbst wird dabei nicht übertragen. Es bleibt dabei, dass der ursprünglich Einbringende bzw. dessen Gesamtrechtsnachfolger den Einbringungsgewinn zu versteuern hat, so jedenfalls die herrschende Meinung (vgl. auch unten, S. 196 ff.). 877 Noch klarer wäre der Sachverhalt freilich, wenn auf die zusätzliche Person der Stiefmutter in dem Fall verzichtet worden wäre, etwa dergestalt, dass sich Vater und Sohn kurze Zeit später aus nicht näher bekannten Gründen zerstritten hätten (Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 22 UmwStG Rn. 92: dort wegen man­ gelhafter Dokumentation durch den Sohn fiktive (!) Veräußerung nach § 22 Abs. 3 S. 2 UmwStG). In der hier geschilderten Version mag man vielleicht auf den ersten Blick rechtspolitische Bedenken dagegen haben, dass der Einbringungsgewinn bei der Stiefmutter entsteht, und nicht beim Rechtsnachfolger der sperrfristverhafte­ ten GmbH-Anteile. Durch die Person der Stiefmutter wird aber noch deutlicher, dass es aus ihrer Sicht keine Gestaltungsmöglichkeiten gegen die steuerauslösende Handlung des Stiefs­ ohnes gibt: im Vorfeld nicht, weil sie nicht beteiligt war; im Nachgang nicht, weil Handlungsmöglichkeiten schlicht nicht mehr bestehen. Einzige Handlungsmög­ lichkeit wäre die Ausschlagung des (gesamten) Erbes innerhalb von sechs Wochen nach dem Erbfall. 878 Ausführlich oben, S. 102 ff.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

cc. § 22 Abs. 1 (Einbringungsgewinn I) i.V.m. Abs. 6 UmwStG (1) Grundaussagen zum Einbringungsgewinn I Der Einbringungsgewinn I nach § 22 Abs. 1 UmwStG ist für sich genom­ men kein Fall der fremdbestimmten Steuerwirkungen. Zunächst ist eine qualifizierte Einlage (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen an dieser Gesell­ schaft geleistet worden. Die Kapitalgesellschaft hat die Einlage mit den bisherigen Buchwerten, jedenfalls aber unter dem gemeinen Wert ange­ setzt (möglich nach § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG). Dieser Ansatz ist nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG auch für die Anschaffungskosten beim Einle­ genden bindend. Veräußert der Einlegende die erhaltenen Anteile inner­ halb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt, hat er nach­ träglich für Zwecke des § 16 EStG den Veräußerungspreis der eingelegten Wirtschaftsgüter bis zur Höhe des gemeinen Werts, linear um ein Siebtel pro Jahr verringert, zu erhöhen. Ein derart entstehender Gewinn wird von § 22 Abs. 1 S. 1 EStG Einbringungsgewinn I genannt. Durch die Ver­ äußerung innerhalb der Frist wird unwiderleglich vermutet, dass schon die ursprüngliche Einbringung zur Vorbereitung einer interpersonellen Übertragung von stillen Reserven erfolgte.879 Da der Einbringende im Regelfall des § 22 Abs. 1 UmwStG selbst die er­ haltenen Anteile an der Kapitalgesellschaft veräußert und dadurch bei ihm auch der Einbringungsgewinn I entsteht, ist § 22 Abs. 1 UmwStG ein Fall einer selbstbestimmten Steuerwirkung und damit ohne das Zu­ sammenspiel mit § 22 Abs. 6 UmwStG für Zwecke dieser Arbeit irrele­ vant. (2) Grundaussagen zu § 22 Abs. 6 UmwStG § 22 Abs. 6 Var. 1 UmwStG besagt, dass in Fällen der unentgeltlichen Rechtsnachfolge der Rechtsnachfolger des Einbringenden als Einbringen­ der im Sinne der Absätze 1 bis 5 gilt. Dabei kann es sich sowohl um eine Einzel- als auch eine Gesamtrechtsnachfolge handeln. Diese Fiktion be­ zieht sich aber nur auf die Person des Einbringenden als Veräußerer.880 879 Regierungsbegründung des SEStEG 2006 in BT-Drs. 16/2710, S. 46. Dazu auch Graw, Konzept der Anteilseignerbesteuerung nach § 22 UmwStG (2009), S. 134 f.; Kredig, Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen (2013), S. 159 f. 880 So auch BMF, Schreiben v. 11.11.2011, Az. IV C 2-S 1978-b/08/10001, in BStBl. I 2011, S. 1314 Tz. 22.41; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 22 UmwStG Rn. 106; Bilitewski in Haritz/Menner, UmwStG, 5. Aufl. (2019), § 22 Rn. 324; Widmann in Widmann/Mayer, § 22 UmwStG Rn. 18, 174, 451; Dorn, DStR 2014, S. 248 (250); wohl auch Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. (2019), § 22 UmwStG Rn. 561; Stangl/Kaeser in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011 (2012), S. 474.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

Durch den rückwirkenden Ansatz des gemeinen statt des Buchwerts kann nur an die Person des ursprünglich Einbringenden angeknüpft wer­ den. Die Veräußerung innerhalb der Behaltefrist ist auch verfahrensmä­ ßig nach § 22 Abs. 1 S. 2 UmwStG ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, das an die Steuererklärung anknüpft, in der die Einbringung ursprünglich erklärt wurde. Das ist die Steuererklärung des ursprünglichen Einbringenden bzw. desjenigen, der hinsichtlich der Erklärung dessen Rechtsnachfolge antritt. Im hier geschilderten Fall ist es für den (Einzel-)Rechtsnachfolger bezüglich der Anteile schlicht nicht möglich, einen Einbringungsgewinn I zu ermitteln, denn er hatte schließ­ lich keinen Zugriff auf das zu bewertende Betriebsvermögen im Zeit­ punkt der Einbringung.881 Die Fremdbestimmung in der ersten Variante des Stiefmutterfalls ent­ steht erst auf Grund des Auseinanderfallens von Rechtsnachfolger des Einbringenden als Veräußerer hinsichtlich der Fristen einerseits und Rechtsnachfolger des Einbringenden für den Einbringungsgewinn I ande­ rerseits. Es ist daher nachvollziehbar, dass dieses Verständnis von § 22 Abs. 6 UmwStG als „unbefriedigend“ empfunden wird.882 Aus diesem unbefriedigenden Ergebnis und damit letztlich aus dem Umstand, dass sonst fremdbestimmte Steuerwirkungen entstünden, wird teilweise auch gefolgert, dass dieses herrschende, vor allem auch von der Finanz­ verwaltung erzielte Auslegungsergebnis abzulehnen sei.883 (3) Probleme der Fremdbestimmung Erst im Zusammenspiel von § 22 Abs. 1 und Abs. 6 UmwStG ergibt sich in der ersten Variante des Stiefmutter-Falls die Fremdbestimmung. Wäh­ rend § 22 Abs. 1 UmwStG keine Personenverschiedenheit von Handeln­ dem und Rechtsfolgenträger behandelt, wird diese durch die gespaltene Rechtsnachfolge bei § 22 Abs. 6 UmwStG884 begründet. Dadurch tritt eine Person in die Rechtsnachfolge hinsichtlich der auslösenden Hand­ lung (der Sohn aus erster Ehe im Beispiel), eine andere Person hinsicht­ lich der Wirkung (Stiefmutter) ein. Die Möglichkeit der Fremdbestim­ mung wird so geschaffen.

881 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 22 UmwStG Rn. 106. 882 Bilitewski in Haritz/Menner, UmwStG, 5. Aufl. (2019), § 22 Rn. 327 a.E.; Widmann in Widmann/Mayer, § 22 UmwStG Rn. 451. 883 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, 8. Aufl. (2018), § 22 UmwStG Rn. 178; Graw in Bordewin/Brandt, § 22 UmwStG Rn. 307; Nitzschke in Blümich, § 22 UmwStG Rn. 93; Schell/Krohn, DB 2012, S. 1172 (1177); Schmitt/Schloßmacher, UmwStE 2011 (2012), S. 320. 884 Widmann in Widmann/Mayer, § 22 UmwStG Rn. 451; Stangl in Rödder/Herling­ haus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. (2019), § 22 UmwStG Rn. 561; Stangl/Kaeser in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011 (2012), S. 474.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

(4) Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen An der Konstellation des § 22 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 UmwStG sind zwei Punkte besonders hervorzuheben: – Die Fremdbestimmung ergibt sich nicht selbst aus dem Absatz der Norm, der die Rechtsfolgen auslöst. Das ist regelungstechnisch be­ denklich, da sich für den Rechtsanwender der Grund der Fremdbe­ stimmung nicht ohne weiteres dem Gesetz entnehmen lässt und so leicht übersehen wird. Auf Grund der Zweiteilung stellt sich auch die Frage, was nun der genaue Grund für die Fremdbestimmung (bei der Stiefmutter) sein soll: Nach § 22 Abs. 6 UmwStG für sich genommen ist dies nur die unentgeltliche (Einzel-885) Rechtsnachfolge. Das wäre singulär im Verhältnis zu den anderen illiquiden Übertragungsvor­ gängen in diesem Abschnitt, bei denen stets noch ein weiterer Grund hinzu tritt. Diesen wird man wohl in der vorher erfolgten Einbrin­ gung zu Buchwerten gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen se­ hen müssen, der aber gerade beim Rechtsvorgänger verwirklicht wird. Beim Rechtsvorgänger liegen damit zwei Merkmale vor, die die Ge­ fahr der Fremdbestimmung begründen, sich aber aus verschiedenen Transaktionen ergeben: Der „Tausch“ von eingelegtem Gut gegen Anteile bei der Einlage und die Unentgeltlichkeit der nachfolgenden Übertragung. – Angesichts des nicht klaren Wortlauts von § 22 Abs. 6 UmwStG hat sich eine stark vertretene Mindermeinung in der Literatur zusam­ mengefunden, die mit Bezug auf die Fremdbestimmung versucht, ein anderes Auslegungsergebnis zu erzielen.886 Fremdbestimmte Steuer­ wirkungen werden erstmals nicht mehr als bloß beschreibender Ter­ minus für eine bestimmte Gesetzgebungstechnik benutzt, sondern auch als echtes Auslegungsargument verwendet. Damit wird auch eine der Hoffnungen dieser Arbeit bestärkt,887 fremdbestimmte Steu­ erwirkungen als Gegenstand der steuerrechtlichen Dogmatik zu akti­ vieren und auch für zukünftige Diskurse in Anwendung und Ausle­ gung, sowie in der Rechtspolitik fruchtbar zu machen. dd. § 22 Abs. 2 UmwStG (Einbringungsgewinn II) Ein Wechsel in der Wirkrichtung findet bei § 22 Abs. 2 UmwStG statt. Hier kann eine Handlung der Kapitalgesellschaft Steuerwirkungen beim Anteilseigner auslösen.

885 Bei einer Gesamtrechtsnachfolge nach § 22 Abs. 6 UmwStG würde gerade keine weitere fremde Person die Rechtsfolgen tragen. 886 Vgl. die Nachweise in Fn. 883. 887 Siehe oben, S. 6 f.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

(1) Grundaussagen zum Einbringungsgewinn II Ausgangssituation ist, dass ein Steuerpflichtiger nun Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält, die er für die vorherige Einlage eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils (§ 20 Abs. 1 UmwStG) erhalten hat.888 Zusammen bzw. als Teil der Sacheinlage hat die übernehmende Kapitalgesellschaft Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft erhal­ ten.889 Die übernehmende Kapitalgesellschaft hat die Möglichkeit, statt des gemeinen Werts den Buchwert für die Sacheinlage anzusetzen (§ 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG). Während das für sie selbst in den meisten Fällen nachteilig sein wird, da sie damit ein verringertes Abschreibungspotenti­ al hat, ist die Buchwertfortschreibung für den Einbringenden und Neu-­ Anteilseigner – für den wegen § 20 Abs. 3 UmwStG die von der Gesell­ schaft gewählten Werte zwingend gelten – im Gegenzug vorteilhaft: Er muss keine stillen Reserven heben und erzielt keinen Veräußerungsge­ winn. Deshalb wird er regelmäßig nur einbringen, wenn die überneh­ mende Kapitalgesellschaft für die Buchwerte optiert. Veräußert die übernehmende Kapitalgesellschaft nun die eingelegten An­ teile an einer anderen Kapitalgesellschaft innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren, ist nach § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG der Gewinn aus der Einbringung im Wirtschaftsjahr der Einbringung rückwirkend als Ge­ winn des ursprünglich Einbringenden und jetzigen Anteilseigners an der Kapitalgesellschaft zu versteuern (Einbringungsgewinn II).890 Aufgegrif­ fen werden sollen Fälle, in denen die Einbringung als Mittel gesehen wer­ den kann, um für eine künftige Veräußerung der Anteile eine günstigere Steuerposition zu erlangen.891 Der Gewinn reduziert sich nach § 22 Abs. 2 S. 3 UmwStG für jedes seit der Einbringung abgelaufene Zeitjahr um ein Siebtel, die Missbrauchsvermutung schwächt sich entsprechend ab. (2) Probleme der Fremdbestimmung Aus Sicht des steuerpflichtigen Anteilseigners ist das Ergebnis unbefrie­ digend. Die Kapitalgesellschaft kann durch die Veräußerung nach Einla­ 888 Alternativ nennt § 22 Abs. 2 S. 1 EStG auch den Anteilserwerb im Rahmen eines vorherigen qualifizierten Anteilstausches (§ 21 Abs. 1 UmwStG). Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die Erwähnung dieser Variante verzichtet. 889 Die Rechtsfolge des § 22 Abs. 2 UmwStG knüpft nicht an die Sacheinlage allge­ mein an, sondern nur an die evtl. eingelegten Anteile an einer anderen Kapitalge­ sellschaft (vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, 8. Aufl. (2018), § 22 UmwStG Rn. 109). 890 Dies gilt nur, soweit beim Einbringenden der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre. 891 Bilitewski in Haritz/Menner, UmwStG, 5. Aufl. (2019), § 22 Rn. 214.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

ge, die von dem eintretenden Gesellschafter ja oftmals nur unter der Bedingung der Steuerneutralität erfolgte, diesen sog. Veräußerungsge­ ­ winn II auslösen. Für die Anwendung des § 22 Abs. 2 UmwStG ist es nicht nötig,892 dass der Einbringende nun eine Beteiligung an der Kapi­ talgesellschaft hält, die eine qualifizierte Einflussmöglichkeit auf die ­Gesellschaft ermöglicht.893 Es handelt sich dabei um einen Fall der fremdbestimmten Steuerwirkungen.894 Sofern nicht bei Einbringung Vor­ kehrungen zur Verhinderung der Veräußerung getroffen oder Schadenser­ satzpflichten vereinbart wurden,895 ist die Veräußerung innerhalb der Behaltefrist für die Kapitalgesellschaft ohne weiteres möglich und wegen der dann erfolgenden Aufstockung nach § 23 Abs. 2 S. 3 UmwStG896 nur vorteilhaft. (3) Besonderheiten im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen Im Rahmen des § 22 Abs. 2 UmwStG sind drei Punkte hervorzuheben: – Besonderheit beim Einbringungsgewinn II ist, dass der ursprüngliche Veräußerer und nun belastete Steuerpflichtige im Zeitpunkt der steu­ erauslösenden Handlung Gesellschafter des Handelnden ist. Das Nähe-/ Abhängigkeitsverhältnis des illiquiden Übertragungsvorgangs begründet die Wirkungsmöglichkeit. Dieses geht über in das Gesell­ schaftsverhältnis. Für die Zwecke dieser Arbeit ist dabei der Ein­ bringungsgewinn II primär als Folge der Sacheinlage und damit eines illiquiden Übertragungsvorgangs897 einzuordnen. Dennoch ist bemer­ kenswert, dass hier ein Abhängigkeitsverhältnis so fließend in ein anderes übergeht. Damit wird auch eine Hypothese der Arbeit bekräf­ tigt, wonach die verschiedenen Verhältnisse zwischen Handelndem und Steuerpflichtigen auf einen allgemeinen Zurechnungsgrund zu­ rückzuführen sind.898

892 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. (2019), § 22 Umw­ StG Rn. 459; Forst, EStB 2007, S. 61 (64). 893 Das UmwStG kennt die Differenzierung zwischen Beteiligung und qualifizierter Beteiligung: § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG verlangt für seine Privilegierung einen qua­ lifizierten Anteilsaustausch, so dass nach dem Tausch die übernehmende Gesell­ schaft die unmittelbare Stimmrechtsmehrheit an der erworbenen Gesellschaft hält. 894 Ley, FR 2007, S. 109 (118); Krohn/Greulich, DStR 2008, S. 646 (655); Schwetlik, NZA 2008, S. 41 (43); Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. (2019), § 22 UmwStG Rn. 459. 895 Ausführlich zu den verschiedenen Vorschlägen zur Vertragsgestaltung im Einzel­ nen Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 22 UmwStG Rn. 69a. 896 Weitere Voraussetzung für die Aufstockung ist die tatsächliche Entrichtung der Steuer auf den Veräußerungsgewinn II durch den Einbringenden. 897 Ausführlich dazu oben, S. 198 ff. 898 Vgl. oben, S. 3.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

– Damit verbunden sein kann auch die Vorstellung, dass Erwerber und Veräußerer eine Einheit bilden. Mit einer derartigen Annäherung kann schließlich die Ablehnung einer Fremdheit und stattdessen die Annahme einer Nähebeziehung erwogen werden. – Die Belastungswirkung des Einbringungsgewinns II wird nach § 22 Abs. 2 S. 4 UmwStG (unzureichend) kompensiert. Der Einbringungs­ gewinn II gilt als nachträgliche Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. Diese Kompensationswirkung tritt aber erst mit Veräuße­ rung der erhaltenen Anteile ein, wenn der spätere Veräußerungserlös sich entsprechend mindert.899 Wann und ob das überhaupt geschieht, ist allerdings ungewiss.900 Mit § 22 Abs. 2 S. 4 UmwStG wird damit die Fremdbestimmung durch den Einbringungsgewinn eventuell ge­ mildert, aber nicht ausreichend kompensiert. ee. Weitere Norm: § 24 Abs. 5 UmwStG Kurz soll an dieser Stelle noch auf eine andere Norm verwiesen werden, die in ihrer Rechtsfolge unter anderem auf § 22 Abs. 2 UmwStG (Einbrin­ gungsgewinn II) und § 22 Abs. 6 UmwStG verweist. Im Unterschied zu jenen Regelungen wird im Rahmen von § 24 UmwStG ein Betrieb, Teil­ betrieb oder Mitunternehmeranteil unter gemeinem Wert in eine Perso­ nengesellschaft statt in eine Kapitalgesellschaft eingelegt. Hierfür wird der Einlegende Mitunternehmer. Veräußert die Personengesellschaft nun Anteile an einer Körperschaft, die Teil der eingelegten Sachgesamtheit waren, und entsteht so ein nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigter Gewinn bei einem Mitunternehmer, dann finden § 22 Abs. 2, 3 und 5 bis 7 entsprechend Anwendung, soweit beim Einbringenden der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile im Ein­ bringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre. Kurz gesagt: Man soll sich nicht durch eine Einbringung in eine Personengesellschaft mit Kapitalgesellschaften im Gesellschafterkreis die Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 2 KStG901 erschleichen können.902 Die tatsächliche Gefahr eines solchen Missbrauchs wird – auch ohne § 24 Abs. 5 UmwStG – in der Praxis aber als relativ gering angesehen, da 899 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 22 UmwStG Rn. 69a. 900 Schwetlik, NZA 2008, S. 41 (46) empfiehlt für die Notariatspraxis deshalb keine Vorteilsanrechnung im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses, sondern erst für den späteren Zeitpunkt der tatsächlichen Anteilsveräußerung, und das auch nur zeitlich begrenzt. 901 Zu § 8b KStG siehe oben, S. 118 ff. Ausführlich zu § 24 Abs. 5 UmwStG und des­ sen Änderungen 2013 nach Änderung des § 8b Abs. 2 KStG Müller-Etienne/Dorst, DStR 2013, S. 1924. 902 So den Zweck der Norm zusammenfassend Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 24 UmwStG Rn. 224.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

regelmäßig die stillen Reserven der eingebrachten Wirtschaftsgüter dem neuen Gesellschafter durch eine Ergänzungsbilanz zugeordnet werden. Ein Überspringen stiller Reserven ist damit verhindert.903 Anderenfalls droht die Annahme einer verdeckten Einlage bzw. Gewinnausschüttung, wenn ohne Ergänzungsbilanz und bei Einräumung eines nicht wertange­ messenen Mitunternehmeranteils schon bei der Einbringung stille Re­ serven auf die anderen Mitunternehmer übertragen werden.904 Da schließlich § 24 Abs. 5 UmwStG auf zwei fremdbestimmte Steuer­ wirkungen auslösende Normen, nämlich § 22 Abs. 2 UmwStG, aber auch § 22 Abs. 6 UmwStG verweist, soll auch in dieser Phänomenologie auf die Ausführungen zu diesen Normen verwiesen werden. Zusätzlich bemerkenswert ist aber, dass diesmal eine Personengesellschaft einen Mitunternehmer schädigen kann. Daraus folgt zum einen, dass ertrag­ steuerlich betrachtet daher schon gar keine Wirkung bei einem vollstän­ dig Fremden eintritt. Zum anderen ist hervorzuheben, dass der Gesetzge­ ber mit einer Pflicht zur Ergänzungsbilanz eine Übertragung der stillen Reserven verhindern und damit eine Ausnutzung des § 8b Abs. 2 KStG gleichfalls verhindern könnte.905 3. Die Referenzfälle im Spannungsfeld von Realisationsprinzip und Subjektsteuerprinzip a. Gemeinsame Ausgangssituation Die obigen Referenzfälle lassen sich auf eine gemeinsame Ausgangssitu­ ation zurückführen: Mit stillen Reserven belastete Wirtschaftsgüter wer­ den auf einen anderen Rechtsträger übertragen, wobei das zugrundliegen­ de Rechtsgeschäft keinen Verkauf und damit auch keine klassische Realisation darstellt. Entweder erfolgt die Übertragung unentgeltlich oder im Rahmen eines Tausches, meist gegen Gewährung von Anteilen. In den Referenzfällen entscheidet sich der Gesetzgeber zunächst stets für eine Übertragbarkeit der stillen Reserven, nimmt diese aber bei einem

903 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, § 24 UmwStG Rn. 224. Ausführlich zur Notwendigkeit der teleologischen Reduktion von § 24 Abs. 5 UmwStG Kredig, Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen (2013), S. 184 ff. 904 BFH, Urt. v. 15.09.2004, Az. I R 7/02, in BStBl. II 2005, S. 867 Rz. 25 [zit. nach ju­ ris]; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. (2019), § 24 Rn. 168. 905 Dazu schon davor. Zu bedenken ist aber, dass auch bei einer Ergänzungsbilanz oftmals Fremdbestimmungen möglich sind, vgl. Kahle, BB 2018, S. 747 (749); Kahle, FR 2013, S. 873; Prinz, StuB 2013, S. 465; Schmitt/Keuthen, DStR 2013, S. 1565; Söffing, DStZ 1993, S. 587.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

bestimmten Verhalten des Fremden wieder zurück.906 Um diese Fremd­ bestimmung zu verstehen, soll kurz auf das Grundproblem der Konstel­ lationen eingegangen werden: Während das Subjektsteuerprinzip nach herrschendem Verständnis eine endgültige Besteuerung stiller Reserven bei dem Subjekt verlangt, bei dem sie entstanden sind,907 erlaubt das Re­ alisationsprinzip die Besteuerung von stillen Reserven nur dann, wenn sich der Wertzuwachs in einem Veräußerungsvorgang manifestiert.908 In dieser Konfliktlage werden Kompromisse mit Behaltefristen gesucht, die letztlich bei ihrer Verletzung eine weitere Problemquelle – nämlich die der Fremdbestimmung – schaffen und so die konkrete Rechtslage weiter verkomplizieren. Mit der Charakterisierung des Grundkonflikts Subjektsteuer versus Rea­ lisation und der Behandlung als Vorfrage soll auch eine Klarstellung ver­ bunden sein: Alle Fälle mit Behaltefristen enthalten auch schon ohne diese eine Herausforderung für das Subjektsteuerprinzip. Behaltefristen im Speziellen und fremdbestimmte Steuerwirkungen im Allgemeinen sind zwar (zu Recht) auch im Zusammenspiel mit dem Subjektsteuer­ prinzip zu sehen,909 doch sind sie in diesem Referenzfeld nur die zweite Herausforderung an das Subjektsteuerprinzip. Es wird im Ergebnis fest­ zustellen sein, dass bei der Verletzung von Behaltefristen in allen vorlie­ genden Referenzfällen zwar jeweils eine zweite Beeinträchtigung des Subjektsteuerprinzips vorliegt, diese jedoch die erste aufhebt:910 Bei Ver­ letzung der Behaltefristen wird in den konkreten Referenzfällen das Sub­ jektsteuerprinzip gerade erst verwirklicht. b. Gebot der Steuerbarkeit von stillen Reserven Entgegen der ersten Lektüre von § 4 Abs. 1 S. 1 EStG sind stille Reserven bei Gewinneinkünften nicht ohne weiteres zu versteuern, wenn sie ent­ stehen.911 Mit dem Betriebsvermögensvergleich wird zwar jeder Wertzu­ wachs eines einzelnen Wirtschaftsgutes prinzipiell erfasst; diese Vermö­ 906 Anders etwa noch zu den Zeiten des Mitunternehmerlasses, vgl. hierzu Wasmer, Unentgeltliche Übertragung von Betriebsvermögen (1985). 907 So Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 9 Rz. 430; Begriff nach Beisse, DStJG Bd. 4 (1981), S. 13 (14). Dazu sogleich für die stillen Reserven. Allgemein zum Subjektsteuerprinzip siehe S. 252 ff. 908 Zu diesem Spannungsfeld Fasold, Einkommensteuerliche Problematik der Buch­ wertfortführung (2005), S. 127 ff.; Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 9 Rz. 400 ff. 909 Dazu ausführlich unten, S. 250 f. und S. 268 ff. 910 Das ist im Schrifttum bislang so nicht herausgearbeitet, vgl. die Nachweise bei Danz, Subjektsteuerprinzip (2017). Ansätze aber schon bei Crezelius, FR 2002, S. 805 (811) und Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (232). 911 Ein solches Verständnis wird mit dem Begriff der „Wertzuwachssteuer” verbun­ den, vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 67 m.w.N. in Fn. 102.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

gensmehrung wird allerdings erst bei einer entsprechenden Neubewertung unter den Voraussetzungen des § 6 EStG und den Grundsätzen ordnungs­ mäßiger Buchführung festgestellt. Diese wird grundsätzlich erst bei ei­ nem bestimmten Ereignis vorgenommen. Deshalb wird die unmittelbare Steuerbarkeit von stillen Reserven teilweise sogar angezweifelt.912 aa. Gebotsquelle Leistungsfähigkeitsprinzip In der Literatur wird jedoch überwiegend von der grundsätzlichen Steu­ erbarkeit von stillen Reserven ausgegangen, die so vom Prinzip der ­Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit auch geboten ist.913 Die Wert­ mehrung eines Wirtschaftsgutes, das dem Betriebsvermögen eines Steu­ erpflichtigen zugeordnet wird, mehrt zugleich auch dessen Leistungsfä­ higkeit. Er ist somit leistungsfähig(er) geworden, er muss daher auch Steuern entrichten. Diese Zuordnung von Leistungsfähigkeit beruht nicht nur auf Zufälligkeit, sondern im Gegenteil auf der Vermutung, dass erst durch den Einsatz des Steuerpflichtigen (Verwirklichung des Handlungs­ tatbestandes) dieser Wertzuwachs entstanden ist. Erwägungen hinsicht­ lich Liquidität und Realisationsstatus spielen für die Bestimmung des Vorhandenseins von Leistungsfähigkeit keine Rolle:914 Nicht realisiertes Einkommens kann man realisieren und beleihen915 und ist schließlich schon mit einer latenten steuerlichen Hypothek belastet.916 bb. Bedenken aus Art. 14 GG Wenn aber die fehlende Liquidität angesprochen und auf die Möglich­ keit der Realisation verwiesen ist, dann sind auch die Härten einer er­ zwungenen Liquidation und der Angriff auf die Substanz des Eigentums angesprochen.917 Mit der Steuerbarkeit von stillen Reserven bei nicht erfolgter Realisation wird der Eigentümer (vermeintlich) zum Verkauf gezwungen. Die Lösung dieses Problems erfolgt aber über die Zeitachse: Der Anspruch (im untechnischen Sinne) des Fiskus auf die stillen Reser­ 912 Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (56 ff.). 913 Thiel, FS Flume Bd. 2 (1978), S. 281 (282); Trzaskalik, StuW 1979, S. 97 (107); Tipke, DStJG Bd. 4 (1981), S. 1 (10); Trzaskalik, DStJG Bd. 4 (1981), S. 145 (161); Reiß, BB 2001, S. 1225 (1226); Rödder, DStJG Bd. 25 (2002), S. 253 (254 ff.); Müller-Franken, StuW 2004, S. 109 (116); Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (222) m.w.N. in Fn. 16; Schmitt/Keuthen, DStR 2013, S. 1565 (1568). Vgl. auch die Regierungsbe­ gründung zu einem UmwSt-Änderungsgesetz von 1994 in BT-Drs. 12/6885, S. 22. 914 Dazu v.a. Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (227 ff.). 915 Tipke, DStJG Bd. 4 (1981), S. 1 (3). 916 Hügel, Verschmelzung und Einbringung (1993), S. 462; Schmitt/Keuthen, DStR 2013, S. 1565 (1568); Tipke, DStJG Bd. 4 (1981), S. 1 (3); Mutscher, FS Frotscher (2013), S. 479 (488) jeweils m.w.N. 917 Kloster/Kloster, GmbHR 2002, S. 717 (719) konkret zu § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG; all­ gemeiner Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 344 ff.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

ven bzw. deren gegenwärtige Verstrickung wird mit dem Abstellen auf die spätere Realisation nicht negiert, sondern lediglich gestundet und damit bestätigt. cc. Vorsichtsprinzip als gegenläufige Normquelle Ähnlich sind auch die empfundene Schwierigkeit und das Misstrauen bei der Bewertung stiller Reserven zu verstehen. Erst mit der Realisation verwirklicht sich die Wertsteigerung, davor schließlich können stille Re­ serven nur als Hoffnungen betrachtet werden. Der ordentliche Kaufmann beachtet daher das Vorsichtsprinzip (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und bilanziert erst mit Realisation. Die Erosion des Vorsichtsprinzips beiseitegelassen – Annäherung des HGB an interna­ tionale Rechnungslegungsvorschriften mit der Präferenz für einen fair market value, unterschiedliche Normzwecke von Handels- und Steuer­ bilanz etc. – würde auch der Kaufmann nicht bestreiten, dass ihm diese stillen Reserven (wenngleich in unbestimmter Höhe) schon jetzt zuzu­ ordnen sind. Das Vorsichtsprinzip dient in erster Linie als Selbst- und Verkehrsschutz des Kaufmanns vor übermäßigen Optimismus bei der genauen Bewertung seiner Gewinnpotenziale. Das Bestehen dieser und vor allem die Zuordnung derselben zu dem Kaufmann sind aber damit nicht infrage gestellt. Der Kaufmann kalkuliert natürlich in anderen An­ gelegenheiten schon mit dem Potenzial: Er würde jedenfalls die Belei­ hungsgrenze einer Immobilie mit hohen stillen Reserven nicht in Rela­ tion zum Buch-, sondern zum Verkehrswert bestimmen. dd. Realisationsprinzip als gegenläufige Normquelle Aus dem Vorsichtsprinzip folgt das Realisationsprinzip.918 Durch das Ab­ stellen auf die Realisation als maßgeblichen Zeitpunkt für die Hebung der stillen Reserven wird das Vorsichtsprinzip verwirklicht. Soweit das Realisationsprinzip als (über § 5 EStG erheblicher) handelsrechtlicher Bi­ lanzierungsgrundsatz angesprochen ist, enthält es aber auch eine weite­ re, eigenständige Aussage zur Subjektbindung der stillen Reserven: Es fehlen Tatbestände der Ersatzrealisation. Stille Reserven verschwinden ohne Ausweis bei der Entnahme oder Aufgabe des Betriebs. Daraus aber nun zu schließen, es gebe sie schon davor nicht, ist zu kurz gegriffen. Im Handelsbilanzrecht besteht schlicht kein Bedürfnis, die stillen Reserven in diesen Fällen zu nennen, wenn an deren Stelle kein entsprechender Geldbetrag wie bei der typischen entgeltlichen Realisation tritt. Die Ak­ tivseite weist das Vermögen aus und die Passivseite dessen Herkunft. Für den Gläubiger des Kaufmanns wäre der Ausweis von gehobenen stillen 918 Zum Realisationsprinzip als gegenläufige Normquelle Kredig, Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen (2013), S. 301 m.w.N. in Fn. 176.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Reserven in diesen Fällen sogar irreführend. Die Gläubigerinteressen sind hier regelmäßig anderweitig geschützt, etwa durch die Anfechtungs­ regeln in und vor der Insolvenz919 sowie die Vorschriften zur Kapital­ erhaltung920 und Nachhaftung921. Das handelsrechtliche Realisations­ prinzip kann daher auch nicht überzeugend gegen die grundsätzliche Steuerbarkeit von stillen Reserven in Stellung gebracht werden. Allerdings wird das Realisationsprinzip auch als Verwirklichung des Markteinkommensprinzips im Einkommensteuerrecht gesehen.922 Erst mit einem entgeltlichen Realisationsakt lässt sich ein Gewinn am Markt annehmen. Die Marktnutzung ist Rechtfertigung für die Erhebung und ein Charakteristikum der Einkommensteuer.923 Nicht jede Vermögens­ mehrung stellt Einkünfte dar. Für Gewinneinkünfte kann dies aber nur eingeschränkt gelten, schließlich stellen §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG auf den bloßen Vergleich des Betriebsvermögens ab. Entscheidend ist damit die Zuordnung zum Betriebsvermögen. Diese Grundentscheidung bei Gewinneinkünften muss schließlich bei der Marktqualifikation des un­ entgeltlichen Realisationsvorgangs berücksichtigt werden. Mit der Ver­ strickung des Wirtschaftsgutes ist die Vermutung aufgestellt, dass der Wertzuwachs durch die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Gewerbetrei­ bender, Landwirt, Freiberufler entsteht, weil er eben seinen Betrieb am Markt besonders gut geführt hat. Als nicht marktgängige Vorgänge ver­ bleiben damit in erster Linie solche im Privatvermögen. Zuzugeben ist allerdings, dass ein gradueller Unterschied hinsichtlich der Verwirklichung des Markteinkommensprinzips besteht. Der entgelt­ liche Realisationsakt drückt deutlicher die Verknüpfung des Zuwachses von Leistungsfähigkeit mit dem Markt aus. Er begegnet außerdem auch weniger Bedenken hinsichtlich der kritischen Substanzsteuereffekte und der Bewertungsfrage.924 Das Realisationsprinzip als Konkretisierung des Markteinkommensprinzips wirkt damit auf die Umsetzung einer Sub­ 919 Nach § 4 Abs. 1 AnfG ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners auch außer­ halb des Insolvenzverfahrens bei Gläubigerbenachteiligung anfechtbar. Im Fall der Insolvenz ergibt sich die Anfechtbarkeit aus § 134 Abs. 1 InsO. 920 §§ 30 f. GmbHG (analog) sieht das Gebot der Kapitalerhaltung bzw. das Verbot der Einlagenrückgewähr vor. 921 Im Rahmen des § 160 HGB haftet ein ausgeschiedener Gesellschafter für die bis dahin begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. 922 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 7 Rz. 33 und Hennrichs in Tip­ ke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 9 Rz. 400 ff.; Wittmann, Markteinkom­ men (1992), S. 52 ff.; Schneider, FS U. Leffson (1976), S. 101 (117). Insbesondere für das Umwandlungssteuerrecht sieht Riedel, StuW 2019, S. 225 (228 ff.) dieses Prin­ zip als Rechtfertigung für die Buchwertfortführung, und sogar stärker als den Zweck, volkswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen zu fördern. 923 Ausführlich dazu unten, S. 275 ff. 924 Zu ersterem siehe die Ausführungen zu Art. 14 GG oben, S. 204; zu letzterem jene zum Vorsichtsprinzip oben, S. 205.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

jektbesteuerung ein, schließt aber bestimmte Ersatzrealisationen nicht kategorisch aus.925 Lediglich eine Abwägung wird verlangt. Deutlich wird das etwa auch im Schrifttum, wenn die Wirkung des Markteinkom­ mensprinzips danach unterschiedlich gewichtet wird, in welche Rich­ tung die stillen Reserven vom Steuerpflichtigen abwandern: Gehen sie dem Fiskus verloren (ins Ausland oder ins Privatvermögen), dann gebie­ tet ein Prinzip der Entstrickung den Steuerzugriff; bei der Übertragung an einen anderen Steuerpflichtigen hingegen soll eher das Prinzip der Buch­ wertverknüpfung bzw. -fortführung gelten.926 Allein diese Differenzie­ rung verdeutlicht den Charakter des Markteinkommensprinzips als (blo­ ßes) Optimierungsgebot in Bezug auf das einzelne Steuersubjekt. c. Verwirklichung im geltenden Recht Im geltenden Recht hat sich mittlerweile927 durchgesetzt, dass stille Re­ serven steuerpflichtig verstrickt sind, und zwar grundsätzlich bei der Person, bei der sie entstehen. Als entscheidender Zeitpunkt für die um­ fassende Erfassung der stillen Reserven kann das Jahr 2006 gesehen wer­ den, in dem die bislang als Richterrecht bestehende finale Entnahmethe­ orie in § 4 Abs. 1 S. 3 EStG festgeschrieben wurde. Neben den klassischen Realisationstatbeständen wie Verkauf und Tausch besteht nun ein umfassendes928 Netz an Ersatzrealisationstatbeständen, das ein „Entweichen“ der stillen Reserven, die bei einem Steuerpflichti­ gen entstanden sind, im Grundsatz verhindert. Dabei ist an erster Stelle die Entnahme nach § 4 Abs. 1 S. 2 EStG zu nennen, d.h. die Überführung einzelner Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen in das Privatver­ mögen des Steuerpflichtigen für sich, seinen Haushalt oder andere be­ triebsfremde Zwecke. Die Ersatzrealisation erfolgt nach § 4 Abs. 1 S. 1–2 i.V.m. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1 Hs. 1 EStG durch die Bewertung der ent­ nommenen Wirtschaftsgüter zum Teilwert. Eine Entnahme liegt nicht vor, wenn das Wirtschaftsgut in irgendeiner Form noch beim Steuer­ 925 BFH, Beschluss v. 10.04.2013, Az. I R 80/12, in BStBl. II 2013, S. 1004 Rz. 41 [zit. nach juris]; Rödder, DStJG Bd. 25 (2002), S. 253 (255). 926 So Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. (2015), § 9 Rz. 403 f. 927 Grundlegend Tipke, DStJG Bd. 4 (1981), S. 1; Beisse, DStJG Bd. 4 (1981), S. 13 (15; 18 ff.). Außerdem Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 9 Rz. 450; Reiß, BB 2001, S. 1225 (1226); Schmitt/Keuthen, DStR 2013, S. 1565 (1568 f.). Nachweise bei Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (56) Fn. 90; auch Beyschlag, Transfer von Einzelwirtschaftsgütern bei gewerblichen Personenunter­ nehmen (2010), S. 134 ff. Anders aber auf Grund der damals noch bestehenden ­großen Lücken im Recht der Entstrickungsbesteuerung etwa Stoll, DStJG Bd. 4 (1981), S. 207 (244). 928 Freilich bestehen mitunter noch unbeabsichtigte Lücken, z.B. durch ein gesetzes­ technisch unvollkommenes Entstrickungsregime bei der Gewerbesteuer; vgl. dazu den Fall bei Klein, JbFfSt 2014/2015, S. 526.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

pflichtigen verstrickt bleibt.929 Einen Sonderfall der Entnahme, nämlich eine Totalentnahme, stellt die Betriebsaufgabe dar, die spezifisch für jede Einkunftsart in §§ 14, 14a Abs. 3; 16 Abs. 3;930 18 Abs. 3 EStG geregelt ist. Relativ neu, mehrfach nachgebessert und im Fokus der Rechtsprechung des EuGH ist die allgemeine Entstrickungsregel des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG (sowie § 16 Abs. 3a EStG, § 12 KStG). Demnach liegt eine Entnahme für betriebsfremde Zwecke insbesondere dann vor, wenn Deutschland das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Nutzung oder Veräußerung des Wirt­ schaftsgutes verliert, wie etwa auf Grund eines entsprechenden DBA (§ 4 Abs. 1 S. 4 EStG).931 Der Tatbestand ist auf die Rechtsfolgen anderer Sach­ verhalte bzw. Normen bezogen und damit eine umfassende Generalklau­ sel. Die Aufdeckung der stillen Reserven erfolgt hier allerdings nur bis zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1 Hs. 2 EStG). Vorgaben des Unionsrechts bestimmen das Wie der Entstrickung, die nach § 4g EStG in einer ratierlichen, zinsfreien Stundung erfolgt. Grundsätzlich ist die Exit-Tax (Entstrickungsbesteuerung) auch vom EuGH mittlerweile ge­ billigt, denn sie dient der Sicherstellung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Ter­ ritorialitätsprinzip und ist daher als Rechtfertigungsgrund für eine Beein­ trächtigung von Grundfreiheiten anerkannt.932 d. Zwischenergebnis Damit ist im geltenden Recht jedenfalls eine Grundentscheidung für das Subjektsteuerprinzip getroffen: Sofern kein klassischer Realisationsvor­ gang zur Hebung der stillen Reserven führt, stellen die Ersatzrealisati­ onstatbestände sicher, dass die Wertzuwächse dort erfasst werden, wo sie entstanden sind. Den zahlreichen und verschiedenen Bedenken aus dem Realisationsprin­ zip, aus Art. 14 GG oder den Grundfreiheiten wird im geltenden Recht aber ebenfalls Rechnung getragen, wenngleich nur in der Ausgestaltung: Die Besteuerung erfolgt erst im Moment des letztmöglichen Zugriffs als

929 Etwa nach § 4 Abs. 1 S. 6 EStG; ausführlich auch zu anderen Fällen Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 9 Rz. 461. 930 Dazu und zum Sonderfall der Realteilung in § 16 Abs. 3 S. 3 EStG ausführlich oben, S. 189 ff. 931 Vgl. zum Streit über die finale Entnahmetheorie zwischen Rechtsprechung und Gesetzgeber die ausführliche Darstellung bei FG Düsseldorf, EuGH-Vorlage v. 05.12.2013, Az. 8 K 3664/11 F, in EFG 2014, S. 119 Rz. 21 ff. [zit. nach juris], insb. auch zur Historie der § 4 Abs. 1 S. 4 f. EStG. 932 Beispielsweise EuGH, Urt. v. 29.11.2011, Az. Rs. C-371/10 (National Grid Indus), in Slg. 2011, I-12273 Rz. 43, EuGH, Urt. v. 23.01.2014, Az. Rs. C-164/12 (DMC), in DStR 2014, S. 193 Rz. 46; EuGH, Urt. v. 26.02.2019, Az. Rs. C-581/17, (Martin Wächtler/FA Konstanz), in IStR 2019, S. 260 jeweils m.w.N.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

ultima ratio,933 teilweise mit der Möglichkeit der Stundung und Stre­ ckung der Steuerschuld (z.B. § 4g EStG), mit zahlreichen Verschonungs­ beträgen (z.B. §§ 16 Abs. 4; 18 Abs. 3 S. 2; 14a EStG) und mit der privi­ legierten Möglichkeit der Ersatzbeschaffung934 und Reinvestition (§ 6b EStG). Dieses Subjektsteuerprinzip wird in den Referenzfällen schon vor der die fremdbestimmten Steuerwirkungen auslösenden Handlung durch­ brochen. 4. Voraussetzungen des illiquiden Übertragungsvorgangs und dessen Qualifikation a. Vorbemerkung Charakteristisch für die Möglichkeiten der Fremdbestimmung in den Referenznormen ist die Illiquidität des vorangegangen Übertragungsvor­ gangs. Daher sollen beide Formen dieses Vorgangs, nämlich der Tausch und die unentgeltliche Übertragung, näher betrachtet werden. Festzu­ stellen wird dabei auch sein, inwiefern sich die Übertragungen in den Referenzfällen von anderen illiquiden Übertragungsvorgängen unter­ scheiden, die nicht zu einer Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips geführt haben. b. Aussagen der Rechtsordnung zum Tausch Das Zivilrecht betrachtet den Tausch als modifizierten Kauf: In der ein­ zigen Norm zum Tausch (§ 480 BGB) wird auf das Kaufrecht verwiesen. In der Logik des BGB unterscheidet sich der Tausch von einem Doppel­ kaufvertrag nur dadurch, dass statt einer Verrechnung der Zahlungs­ ansprüche im Sinne des § 433 Abs. 2 BGB eine unmittelbare Sachgegen­ leistung vereinbart ist.935 Modifikationen ergeben sich zwingend nur auf Grund der Unteilbarkeit der Gegenleistung und der eventuell fehlenden Bewertung der Leistungen in Geld.936 Wie das Bürgerliche Recht erkennt auch das Steuerrecht keine Besonder­ heiten beim Tausch. Nach § 6 Abs. 6 S. 1 EStG werden wie beim Tausch die stillen Reserven des hingegebenen Wirtschaftsgutes realisiert, indem die Anschaffungskosten des tauschhalber erlangten Wirtschaftsguts mit dem Teilwert des hingegebenen Wirtschaftsguts angesetzt werden. Auch der illiquide Vorgang des Tausches ist damit ein normaler entgeltlicher

933 Reiß, BB 2001, S. 1225 (1226); Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 9 Rz. 450.  934 Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 9 Rz. 421 ff. m.w.N. 935 St. Rspr. seit BGH, Urt. v. 27.10.1967, Az. V ZR 157/64, in BGHZ 49, S. 7. Siehe auch H.P. Westermann in MüKo BGB, Bd. 4, 8. Aufl. (2019), § 480 Rn. 2. 936 H.P. Westermann in MüKo BGB, Bd. 4, 8. Aufl. (2019), § 480 Rn. 6–7 m.w.N.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Realisationsvorgang.937 Bewertungsschwierigkeiten und Substanzsteuer­ effekte, aber auch besondere Näheverhältnisse gibt es für den Gesetzge­ ber in der Grundkonstellation nicht. c. Aussagen der Rechtsordnung zur Unentgeltlichkeit Die zivilistische Grundlage unentgeltlicher Übertragungen sind regel­ mäßig die Schenkung und der Erbfall. Das Zivilrecht begegnet dem Feh­ len einer Gegenleistung bei Schenkungen mit einer gewissen Skepsis: Es bestehen erhöhte Formerfordernisse (§ 518 BGB), leichtere Rückforde­ rungsmöglichkeiten (§§ 528 ff. BGB) und Haftungsprivilegien des Schen­ kers (§§ 521 ff. BGB). Ertragsteuerlich wird die Schenkung nur beim aufnehmenden Vermögen gesondert erwähnt:938 Bei einem aufnehmenden Betriebsvermögen ist bei einer Schenkung in Form einer Einlage der Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, ansonsten nach § 6 Abs. 4 EStG der gemeine Wert anzusetzen; beim aufnehmenden Privatvermögen sind nach § 11d EStDV die Werte aus dem Betriebsvermögen des Schenkers für Zwecke der AfA fortzu­ schreiben. Beim Schenker hingegen findet nicht unmittelbar eine Neu­ bewertung statt, die zur Hebung der stillen Reserven führt; das Schen­ kungsobjekt ist schlicht nicht mehr im Betriebsvermögen, an sich ein erfolgsneutraler Schwund. Die Abgabe eines werthaltigen Gegenstandes ohne Gegenleistung ist aber in der Regel nicht fremdüblich, was einen betriebsfremden Zweck und somit eine Entnahme bzw. eine verdeckte Gewinnausschüttung vermuten lässt939 und zur Aufdeckung der stillen Reserven führt940. Insoweit setzt sich die Skepsis des Zivilrechts auch im Steuerrecht fort. Anders ist die Motivlage des zivilistischen Gesetzgebers beim Erbfall. Hier ist die Notwendigkeit des Vermögenstransfers auf Grund der End­ lichkeit des menschlichen Lebens anerkannt. Auch das Steuerrecht er­ kennt diese Notwendigkeit und nimmt ohne weiteres die Gesamtrechts­ nachfolge nach § 1922 BGB i.V.m. § 45 AO steuerlich an: Der Erbe tritt auch hinsichtlich Ansatz und Bewertung in die Rechtsstellung des Erb­ lassers.941 Damit findet eine weitgehende Annäherung zwischen Erblas­ 937 Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rn. 103, 1380 ff.; Schindler in Kirchhof, EStG Kom­ paktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 6 Rn. 232. 938 Ausführlich zu verschiedenen Erscheinungsformen der Unentgeltlichkeit im EStG Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rn. 154 ff. 939 Böhmer, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei beherrschenden Gesellschaftern (2011), S. 29; Rengers in Blümich, § 8 KStG Rn. 385 ff. m.w.N. 940 Dazu schon oben, S. 207. 941 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608 Rz. 56 [zit. nach juris]; Müller-Franken, StuW 2004, S. 109 (110 f.). Auch stellt für BMF, Schreiben v. 28.11.2017, Az. IV C 7-S 2745-a/09/10002, in BStBl. I 2017,

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

ser und Erben statt, die sich jedoch noch nicht zur Identität verdichtet hat,942 was von der Rechtsprechung spätestens seit der Entscheidung über die Nichtvererblichkeit von Verlustvorträgen auch betont wird.943 d. Unterschied zu anderen illiquiden Übertragungen: Möglichkeit zur Fortsetzung der unternehmerischen Aktivität Trotz der weitgehenden Grundentscheidung für die Aufdeckung der stil­ len Reserven beim Subjektwechsel infolge illiquider Übertragungsvor­ gänge wird in den Referenzfällen gerade die interpersonelle Übertragung der stillen Reserven ermöglicht. Begründet wird dies regelmäßig mit dem fortgesetzten unternehmerischen Engagement.944 Eine solche Kontinuität wird bereits durch die Illiquidität des Übertra­ gungsvorgangs gefördert, denn der Erwerber kann bestehende liquide Mittel für die Fortführung des unternehmerischen Engagements nutzen. Fehlen die liquiden Mittel von Anfang an, wird er nicht durch die Schul­ denlast zur übermäßigen Gewinnentnahme gezwungen. Über die Illiqui­ dität des Übertragungsvorgangs hinaus sind aber weitere Nachweise für ein fortgesetztes unternehmerisches Engagement erforderlich. aa. Umwandlungssteuerrecht Am deutlichsten zeigt sich dieser Gedanke im Umwandlungssteuer­ recht. Das UmwStG stellt insoweit einen Paradigmenwechsel dar, indem es grundsätzlich die interpersonelle Übertragung der stillen Reserven zur Fortführung gerade ermöglicht.945 Auch technisch lässt sich der Kontinu­ itätsgedanke in den Referenzfällen, aber auch darüber hinaus nachwei­ sen. Zunächst zeigt sich das an der Qualifikation des Objekts, das unentgelt­ lich oder im Tausch gegen Gesellschaftsanteile übertragen wird: ein Be­ trieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil im Rahmen des S. 1645 der Erbfall bzw. die vorweggenommene Erbfolge zwischen Angehörigen im Sinne des § 15 AO keinen schädlichen Beteiligungserwerb im Rahmen von § 8c Abs. 1 KStG dar. 942 Müller-Franken, StuW 2004, S. 109 (116 f.). 943 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608. 944 Vgl. bspw. die Begründung der Unions-/FDP-Fraktionen zum UmwStG 1995, BTDrs. 12/6885, S. 14; Regierungsbegründung des SEStEG 2006 in BT-Drs. 16/2710, S. 25. Zu diesem Argument allgemein bei Übertragungsvorgängen Mutscher, FS Frotscher (2013), S. 479 (488 f.). Ausführlich Baldauf, System der einkommensteu­ errechtlichen Gewinnrealisierung (2009), S. 83 ff. zur Rechtfertigung der Durch­ brechung des Subjektsteuerprinzips mit dem Erhalt betrieblicher Einheiten im Rahmen von § 6 Abs. 3 EStG. 945 Riedel, StuW 2019, S. 225 (227 f.); Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KSt, Einf. UmwStG Rn. 82; Schmitt/Keuthen, DStR 2013, S. 1565 (1569); ausführ­ lich dazu oben, S. 193.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Einbringungsgewinns I oder II nach §§ 22 Abs. 1946, 2947; 24 Abs. 5948 UmwStG, beim Einbringungsgewinn II auch Anteile an einer Kapitalge­ sellschaft nach vorangegangenem qualifizierten Anteilstausch nach § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG, wenn die übernehmende Gesellschaft nach der Ein­ bringung auf Grund ihrer Beteiligung nunmehr unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft hat. Jenseits der Refe­ renzfälle ist ein Überspringen der stillen Reserven nur möglich, wenn auf den übernehmenden Rechtsträger im Wege der Verschmelzung das ge­ samte Vermögen (§§ 3 ff. UmwStG; §§ 11 ff. UmwStG) bzw. im Wege der Abspaltung wenigstens ein Teilbetrieb (§ 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG) übertragen wird. Durch diese erhöhten Anforderungen an das Objekt der Übertragung wird für das gesamte Umwandlungssteuerrecht jeden­ falls die Förderungswürdigkeit mit ebenjenem Übertragungsobjekt ver­ knüpft:949 Nur diese qualifizierten Sachgesamtheiten geben im Umwand­ lungssteuerrecht Grund zur Annahme, dass eine Unternehmensfortfüh­ rung erfolgt. Schließlich aber wird die Kontinuität auch in persönlicher Hinsicht re­ gelmäßig gewahrt, zumindest in den Fällen der nicht unentgeltlichen Übertragung, sondern gegen Anteilsgewährung. Der Übertragende ist nunmehr an dem aufnehmenden Rechtsträger beteiligt. Am deutlichsten sichtbar wird das jenseits der Referenzfälle beim Formwechsel in eine bzw. von einer Kapitalgesellschaft nach § 9 bzw. § 25 UmwStG. Damit unterscheiden sich privilegierte Tauschvorgänge nach dem UmwStG von anderen Tauschvorgängen dadurch, dass sich im tauschhalber erlangten Gut die Beteiligung am tauschhalber weggegebenen Gut fortsetzt. Zu­ gleich setzen sich damit auch die stillen Reserven fort.950 Das UmwStG wahrt damit auch in persönlicher Hinsicht jedenfalls bei entgeltlichen illiquiden Transaktionen die persönliche Kontinuität. bb. § 6 Abs. 3 S. 1–2 EStG Auch außerhalb des Umwandlungssteuerrechts wird bei qualifizierten Übertragungsvorgängen die interpersonelle Übertragung der stillen Re­ serven zugelassen. Wie im Umwandlungssteuerrecht setzt § 6 Abs. 3 EStG ein qualifiziertes Objekt der Übertragung voraus: einen Betrieb, Teilbe­ trieb oder Mitunternehmeranteil.

946 Dazu i.V.m. § 22 Abs. 6 UmwStG oben, S. 196 ff. 947 Dazu oben, S. 198 ff. und S. 92 f. 948 Dazu oben, S. 201. 949 Vgl. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, 8. Aufl. (2018), Einführung Rn. 26; Reiß, BB 2001, S. 1225 (1227). 950 Kredig, Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen (2013), S. 298 mit Verweis auf S. 158 ff.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

In persönlicher Hinsicht wird grundsätzlich keine Kontinuität gefordert, da nur unentgeltliche Übertragungen erfasst sind. Eine weitere Verbun­ denheit über im Gegenzug erhaltene Gesellschaftsanteile besteht daher nicht. Der Grundfall des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG ist dabei die (auch vorweg­ genommene) Vererbung einer entsprechend qualifizierten Sachgesamt­ heit. Nicht leicht verständlich ist hingegen die personelle Verknüpfung, die sich nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG ergibt: Hier hält der unentgeltlich Ver­ äußernde Wirtschaftsgüter in seinem Sonderbetriebsvermögen951 zurück. Es ist nicht ersichtlich, wie durch eine derartige persönliche Verknüp­ fung die Fortsetzung eines unternehmerischen Engagements gefördert wird. Allerdings ist auch hier sich zu vergegenwärtigen, dass der Sonder­ fall des im Sonderbetriebsvermögen zurückgehaltenen Wirtschaftsguts politisch stets umstritten und die Inklusion in § 6 Abs. 3 EStG nur halb­ herzig gewollt war.952 Deshalb ist auch die Behaltefrist des § 6 Abs. 3 S. 2 EStG als eine „Giftpille“ gegen den Zurückbehalt einzelner Wirtschafts­ güter zu sehen. In diesem Licht wird die Kontinuität des unternehmeri­ schen Engagements nicht wegen, sondern gerade trotz der weiterhin be­ stehenden persönlichen Verbindung angenommen. cc. § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG Im Gegensatz zur Konstellation des § 6 Abs. 3 EStG ist in den verschie­ denen Fällen des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG Übertragungsobjekt keine qualifi­ zierte Sachgesamtheit, sondern stets ein einzelnes Wirtschaftsgut. Dafür bestehen erhöhte Anforderungen an die persönlichen Indikatoren für eine Fortsetzung der wirtschaftlichen Kontinuität: Bei § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1–2 EStG geht die persönliche Verbundenheit sogar so weit, dass das übertragene Wirtschaftsgut mit den stillen Reserven stets dem Veräuße­ rer zumindest teilweise zugerechnet bleibt.953 Dies gilt natürlich bei der Gewährung von Gesellschaftsanteilen im Tausch für die übertragenen Wirtschaftsgüter, aber auch im Fall der unentgeltlichen Übertragung: Das Wirtschaftsgut wechselt nur von einem Betriebsvermögen (Sonder­ betriebsvermögen) des Steuerpflichtigen in ein anderes. Bei § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 3 EStG hingegen erfolgt ein endgültiger Übergang der stillen Reserven auf ein anderes Steuersubjekt. Persönlich verbunden verbleiben die beiden am Übertragungsvorgang beteiligten Mitunter­ nehmer aber dennoch, denn das Wirtschaftsgut dient weiterhin ihrer Mitunternehmerschaft, wenngleich nun aus einem anderen Sonderbe­ triebsvermögen heraus. So wird – im Unterschied zur gewöhnlichen 951 Ausführlich dazu die Ausführungen und Nachweise in Fn. 807. 952 Dazu ausführlich schon oben, S. 184. 953 Deshalb wird auch eine teleologische Reduktion gefordert für den Fall, dass kein Übergang der stillen Reserven stattfindet; vgl. dazu oben, S. 188, und v.a. die Nachweise in Fn. 850.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Schenkung – der kontinuierliche Betrieb einer Mitunternehmerschaft gefördert. dd. § 16 Abs. 3 S. 2–3 EStG Bei der Realteilung können auch einzelne Wirtschaftsgüter steuerneutral übertragen werden.954 Das Weniger an Anforderungen an den Übertra­ gungsgegenstand wird durch ein Mehr an persönlicher Kontinuität aus­ geglichen: Die übertragenden Mitunternehmer (Realteiler) der übertra­ genden Mitunternehmerschaft sind nunmehr auch die Erwerber. Damit wird die persönliche Kontinuität jedenfalls gewahrt. Voraussetzung ist aber die unternehmerische Kontinuität, was durch das Erfordernis der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen über einen Zeitraum von (mindes­ tens) drei Jahren sichergestellt wird. ee. Zwischenergebnis Die verschiedenen Formen der privilegierten unternehmerischen Kon­ tinuität mit unterschiedlichen Schwerpunkten legen zwar eine Systema­ tisierung nahe, doch setzt dies das Bestehen eines in sich schlüssigen Systems voraus. Die Ausgestaltung der möglichen Restrukturierungser­ leichterungen ist aber selbst für den BFH „nicht nachvollziehbar“.955 Es besteht vielmehr eine Vielzahl einzelner Privilegien der Buchwertfort­ führung zur Fortsetzung unternehmerischer Tätigkeit, die nicht Aus­ druck eines einheitlichen Konzepts des Gesetzgebers ist.956 Dennoch lassen sich in diesem unvollkommenen System zwei Tenden­ zen erkennen: – Erste Tendenz ist die Zulässigkeit der Buchwertfortführung, wenn eine qualifizierte Sachgesamtheit illiquide übertragen wird, vor allem ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil. Erfolgt dies un­ entgeltlich und vollumfänglich wie bei § 6 Abs. 3 S. 1 EStG, besteht sogar keine Gefahr der Nachbesteuerung: Die Buchwertfortführung wird vorbehaltslos gewährt. Tauschweise Übertragungen ganzer Ein­ heiten werden im Umwandlungssteuerrecht dann privilegiert, wenn im Gegenzug eine wie auch immer geartete Fortsetzung der Beteili­ gung grundsätzlich ermöglicht wird. Abgesichert werden die Fälle des UmwStG ebenso wie die unentgeltliche, aber nicht vorbehaltslose 954 Vgl. schon oben, S. 189 ff. 955 BFH, Beschluss v. 10.04.2013, Az. I R 80/12, in BStBl. II 2013, S. 1004 Rz. 49 [zit. nach juris] zu beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften und Buch­ wertfortführung; jetzt BVerfG, Anhängiges Verfahren, Mitteilung v. 15.10.2013, Az. 2 BvL 8/13, in juris; vgl. dazu Novosel, StuW 2015, S. 247; Danz, Subjektsteu­ erprinzip (2017), S. 189 ff. 956 Crezelius, FR 2011, S. 401 (411).

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

Übertragung durch Nachbehaltefristen. Eine vorherige persönliche Beziehung zwischen den Parteien des Übertragungsvorgangs besteht nicht, vielmehr wird sie erst durch die Übertragung begründet bzw. erstmalig manifestiert. – Als zweite Tendenz ist die restriktivere Haltung bei einzelnen Wirt­ schaftsgütern festzustellen. Nur im engen Rahmen von §§ 6 Abs. 5 S. 3; 16 Abs. 3 S. 2–3 EStG und stets mit Nachbehaltefrist ist eine Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter zu Buchwerten auf andere Personen zugelassen. Der Gesetzgeber begegnet also dem Transfer von einzelnen Wirtschaftsgütern mit einer erhöhten Skepsis und ver­ langt weitere Nachweise für die Privilegierung. Dies geschieht zu­ sätzlich zur Behaltefrist vor allem durch eine persönliche Einschrän­ kung auf Personen, die bereits zuvor in einer Mitunternehmerschaft miteinander verbunden waren. 5. Folgerungen für das Verständnis von fremdbestimmten Steuerwirkungen bei Kontinuität wahrenden, illiquiden Übertragungsvorgängen a. Subjektivität und gemeinsame Leistungsfähigkeit In den meisten anderen Referenzgebieten dieser Arbeit lassen sich die durch einen (vermeintlich) Fremden hervorgerufenen Steuerwirkungen dadurch erklären oder jedenfalls relativieren, dass Handelnder und Steu­ erpflichtiger auf Grund wirtschaftlicher oder anderer Wertungen eigent­ lich das selbe Subjekt sind, zumindest das selbe Bezugssubjekt für Zwe­ cke der Bestimmung der Leistungsfähigkeit.957 Bei Übertragungsvorgängen drängt sich dieser Schluss weniger stark auf. Bei Übertragungen stehen sich in der Regel zwei Subjekte auf Augenhöhe gegenüber. Am ehesten lässt sich in diesem Referenzgebiet eine solche Erwägung bei der unentgeltlichen Gesamtrechtsnachfolge anstellen: Hier bestünde eine Subjektidentität nicht auf Grund eines Miteinanders (wie bei der Ehe oder zwischen Gesellschaftern) oder eines Übereinanders (wie bei einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern), sondern eines Nacheinanders in derselben Subjektstellung.958 Abgesehen aber von der Strittigkeit dieser These im Steuerrecht959 kann sie auch keine Erklärung für die 957 Zur Kapitalgesellschaft vgl. die Folgerungen oben, S. 135 ff., zur zusammenveran­ lagten Ehe vgl. die Folgerungen unten, S. 241 f. 958 Zu den verschiedenen Formen (Neben-, Mit-, Übereinander) von Subjekten als Zu­ rechnungseinheiten bei der Bestimmung von Leistungsfähigkeit siehe unten, S. 261 ff. 959 Im Ergebnis das Einrücken in die Subjektstellung für Zwecke des Verlustvortrags ablehnend BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608; dazu unten, S. 267.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

fremdbestimmten Steuerwirkungen in diesem Referenzgebiert liefern. Ausgerechnet der Erbfall mit dem Einrücken in die Stellung des Betriebs­ inhabers oder Mitunternehmers löst gerade keine Behaltefristen aus (§ 6 Abs. 3 S. 1 EStG). Die Annahme eines durch den Übertragungsvorgang begründeten Mitei­ nanders, dass ein gemeinsames Subjekt mit gemeinsamer Leistungsfä­ higkeit entsteht, lässt sich bei diesen Übertragungsvorgängen jedenfalls nicht überzeugend vertreten. Eine Beziehung, die aus lediglich einer Transaktion besteht, bleibt weit hinter dem Grad an Verbundenheit zu­ rück, der bei der ehelichen Gemeinschaft des Erwerbs, des Verbrauchs und der Versorgung960, aber auch durch Gründung einer GmbH961 ent­ steht. In den Referenzfällen mit qualifizierten962 Tauschvorgängen besteht bei Auslösung der Nachversteuerung zwar in den Referenzfällen tatsächlich eine Verbundenheit, die vermeintlich ähnliche Aussagen wie bei der Ka­ pitalgesellschaft bedingt: Beim Einbringungsgewinn II etwa entstehen die Steuerwirkungen beim Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft durch Handlungen dieser Kapitalgesellschaft.963 Daraus aber zu schließen, diese Steuerwirkungen entstünden wegen der gesellschaftsrechtlichen Ver­ bundenheit bei keinem Fremden, würde die bestehenden Beteiligungs­ verhältnisse ignorieren. In keiner der Referenznormen wird nämlich eine Anforderung an den Grad der erhaltenen964 Beteiligung gestellt. Eine un­ qualifizierte und damit auch möglicherweise minimale Beteiligung an dem handelnden Subjekt kann aber nicht die Annahme einer gemeinsa­ men Identität oder gemeinsamen Leistungsfähigkeit begründen. In allen Referenzfällen befinden sich Fremde in einem Nebeneinander. b. Dispositionsbefugnis in den Referenzfällen Ein anderer Ansatz der Annäherung an das Phänomen ist schließlich der Abgleich mit dem allgemeinen Grund der Zurechnung von Einkünften. Wenn – unabhängig von Fragen der Subjektivität – der Steuerpflichtige durch den Handelnden über dessen die Steuerpflicht auslösende Hand­ 960 Dazu unten, S. 235 und S. 240. 961 Dazu oben, S. 97 ff. 962 Die Tauschvorgänge in den Referenzfällen sind gerade deshalb qualifiziert, weil das tauschhalber Erlangte eine weitere Verbundenheit mit dem tauschhalber Her­ gegebenen ermöglicht (siehe S. 211 ff.). 963 Von daher wird der Einbringungsgewinn II sowohl beim Referenzgebiet der Kapi­ talgesellschaft auf S. 92 f. als auch (ausführlicher) in diesem Referenzgebiet auf S. 198 ff. besprochen. 964 Lediglich beim Einbringungsgewinn II nach dem Anteilstausch nach § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG wird ein Qualifikationserfordernis gestellt, das sich aber nur auf die hergegebene (!) Beteiligung bezieht.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

lung disponieren kann, dann wären die fremdbestimmten Steuerwirkun­ gen im Einklang mit der übrigen Steuerrechtsordnung; vor allem wären sie dann im Ergebnis nicht fremdbestimmt. Dabei soll im Folgenden zwi­ schen der Dispositionsmöglichkeit über die fristbegründende und der über die fristverletzende Handlung differenziert werden. aa. Dispositionsmöglichkeit über die fristverletzende Handlung Eine Möglichkeit zur Disposition über die fristverletzende und Steuer­ wirkungen auslösende Handlung besteht grundsätzlich nicht. Wie auch schon im Rahmen der Subjektivität festgestellt wird auch bei den quali­ fizierten Tauschvorgängen nicht zwingend eine Beteiligung gehalten, die einen Einfluss auf die Geschäftsführung und damit auf die Übertragung des tauschweise hergegebenen Guts ermöglicht.965 Das mag im Einzelfall anders sein, wenn etwa der Übertragende für die Übertragung eines Be­ triebs eine Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft (§§ 20 ff. UmwStG) erhält. Als gesetzliches Leitbild in den vorliegenden Referenz­ fällen kann diese Form der Dispositionsmöglichkeit mangels qualifizier­ ter Beteiligungserfordernisse aber nicht angenommen werden. bb. Dispositionsmöglichkeit über die fristbegründende Handlung Ein anderer Ansatzpunkt für die Annahme einer Dispositionsmöglich­ keit kann in der Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts ihrer Be­ stimmung liegen. Damit schwingt zugleich eine Art von Vorwurf mit: Man muss ja schließlich nicht zu Buchwerten übertragen; und wer es doch tut, muss für eventuelles Fehlverhalten des Erwerbers einstehen: quasi eine Form von eigenverantwortlicher Selbstgefährdung im Steuer­ recht.966 Bevor auf die Zulässigkeit einer solchen Unterstellung eingegan­ gen wird,967 sollen zunächst die tatsächlichen Grundlagen, also die Mög­ lichkeiten der Disposition bei der fristbegründenden Handlung dargelegt werden. Eine eigenverantwortliche Begründung der Gefahr der Fremdbestim­ mung kann am ehesten wohl dann angenommen werden, wenn beim Übertragungsvorgang eine Möglichkeit der Wahl zwischen Buchwert­ 965 Zu den Möglichkeiten der Einwirkung der Gesellschafter auf die Gesellschaft aus­ führlich oben, S. 100 ff. 966 In diese Richtung geht auch die Argumentation bei Crezelius, FR 2002, S. 805 (810), allerdings ohne die begriffliche Anlehnung an diese Rechtsfigur des Strafbzw. Deliktsrechts. In dem Beitrag wird aber in anderem Zusammenhang die – für diese Referenzmaterie nicht relevante – Übertragung der mittelbaren Täterschaft ins Steuerrecht diskutiert. Vgl. dazu von Groll, StuW 1995, S. 326 und oben, S. 36. 967 Zur Zulässigkeit dieser Argumentation unter dem Rechtsstaatsprinzip siehe un­ ten, S. 312 ff.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

fortführung und Aufdeckung der stillen Reserven bestand. Deutlich wird das bei Antragserfordernissen bzw. -rechten wie etwa in § 20 Abs. 2 UmwStG. Allerdings stellt den Antrag der übernehmende Rechtsträger mit Wirkung für den übertragenden (§ 20 Abs. 3 UmwStG). Da es aber nicht im Sinne des übernehmenden Rechtsträgers ist, die niedrigen Buchwerte fortzuführen, geschieht dies regelmäßig auf Drängen des übertragenden Rechtsträgers. Nicht formal, aber im Ergebnis besteht da­ mit ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, der durch die fremdbestimmten Steuerwirkungen belastet wird. Jenseits des UmwStG sind die Buchwert­ fortführung und damit auch die Behaltefrist aber nicht (mehr968) antrags­ gebunden. Neben dem Antrag sind in diesem Referenzgebiet auch entsprechend ge­ änderte Gewinnverteilungsabreden und Ergänzungsbilanzen als tatsäch­ liche oder vermeintliche funktionale Äquivalente eines Wahlrechts un­ tersucht worden. Während aber die Ergänzungsbilanz im Rahmen von § 6 Abs. 5 S. 4 EStG nur die Modalitäten der Nachversteuerung bei vor­ heriger Buchwertfortführung modifiziert (über die Frist hinaus bis zur Auflösung der Ergänzungsbilanz perpetuiert) und damit gerade kein Wahlrecht begründet,969 ist das bei der geänderten Gewinnverteilung im Rahmen der Realteilung anders: Hier kann zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung durch einen entsprechenden Teilungsbeschluss oder Gesellschaftsvertrag eine verursachungsgerechte Verteilung der Steuerlast vereinbart werden.970 Natürlich erfordert eine derartige Ver­ einbarung ein entsprechend hohes Zustimmungsquorum und kann da­ mit oftmals nicht vom (späteren) Steuerpflichtigen alleine beschlossen werden. Allerdings sprechen zwei Gründe dennoch dafür, dass eine sol­ che Regelung getroffen wird: Zum einen treten die fremdbestimmten Steuerwirkungen in Folge von Realteilungen bei allen anderen Realtei­ lern ein, die das verteilte Vermögen betrieblich weiter nutzen. Damit wird auch die Motivation jedenfalls bei einer Mehrheit der Realteiler nach Köpfen bestehen, die fremdbestimmten Steuerwirkungen zu ver­ meiden. Zum anderen geht meist wohl auch der spätere Verursacher der fremdbestimmten Steuerwirkungen im Zeitpunkt der Realteilung davon aus, dass er die Behaltefrist einhalten und eher durch die Fremdbestim­ mung belastet wird.971 Auch deshalb spricht viel dafür, jedenfalls bei der 968 So war in der Konstellation des § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG zu Zeiten des Mitunterneh­ mererlasses noch ein Wahlrecht vorgesehen, vgl. Spiegelberger/Wälzholz, DStR 2001, S. 1093 (1095) m.w.N. und dazu oben, S. 187. Für ein Wahlrecht plädiert Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (229). 969 Ausführlich dazu oben, S. 187. 970 Hierzu ausführlich oben, S. 192. 971 Insoweit besteht ein „Schleier des Nichtwissens“, unter dem die Realteiler wohl eine im Sinne Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit (1975), S. 29 ff., S. 159 ff. ge­ rechte Verteilungsentscheidung treffen werden. Vgl. zur Rezeption dieser Gerech­

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

Realteilung auf Grund der tatsächlichen Abdingbarkeit von einer selbst verursachten Abhängigkeit vom Handeln anderer zu sprechen. Damit ergeben sich bei den Referenznormen drei Gruppen hinsichtlich der Dispositionsmöglichkeiten: In der ersten Gruppe befindet sich die Realteilung nach § 16 Abs. 3 S. 3 EStG; hier kann zu Buchwerten über­ tragen und gegen die Gefahr der Fremdbestimmung mit den gerade dar­ gelegten Vorbehalten optiert werden. In der zweiten Gruppe sind die Be­ haltefristen des UmwStG, die ein Antragsrecht einräumen, das faktisch dem später durch die Fremdbestimmung belasteten Steuerpflichtigen zusteht. Mit der Entscheidung gegen die Fremdbestimmung ist aber auch eine Entscheidung gegen die Fortführung der Buchwerte verbunden. In der dritten Gruppe finden sich § 6 Abs. 3 S. 2 EStG und § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG. Hier kann die Gefahr der Fremdbestimmung nur gebannt werden, wenn die grundlegenden Parameter der Transaktion verändert werden. Bei § 6 Abs. 3 S. 2 EStG kann stattdessen entweder die Sachgesamtheit mit dem dazugehörigen Sondervermögen unentgeltlich übertragen972 oder ein Entgelt verlangt werden. Bei § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG verbleibt nur die Möglichkeit der entgeltlichen Übertragung, bei der keine Fremdbe­ stimmung und anschließend die nötige Liquidität zur Begleichung der Steuerschuld besteht. cc. Unzweckmäßigkeit der Missbrauchssicherung Eigentlich in allen der oben erwähnten drei Gruppen – vor allem aber in der dritten Gruppe mit §§ 6 Abs. 3 S. 2; 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG – wären die Handlungsalternativen gravierend anders als die gewählte Übertragungs­ struktur. Deshalb ist die Anknüpfung an die Übertragung in dieser Form eine erhebliche Belastung, die auf dem Verdacht ruht, die erste Übertra­ gung habe nur der Vorbereitung der Verlagerung von stillen Reserven un­ ter Verletzung des Subjektsteuerprinzips gedient. Gerade im Fall der Ver­ letzung der Behaltefrist aber zeigt sich, dass ein solch konspirativer Missbrauch jedenfalls von demjenigen nicht gewollt war, der ursprüng­ lich übertragen hat. Die Belastung kann auch nicht dadurch kleingeredet werden, dass Rechtsfolge nur ein Rückfall zu allgemeinen Grundregeln des Subjekt­ steuerprinzips ist, nämlich die Aufdeckung der stillen Reserven auch bei unentgeltlicher oder tauschhalber Übertragung.973 Der Steuergesetzgeber tigkeitsvorstellung im deutschen Recht schon BVerfG, Urt. v. 11.11.1999, Az. 2 BvF 2/98 u.a. (Länderfinanzausgleich III), in BVerfGE 101, S. 158 Rz. 272 [zit. nach juris]. 972 Dann läge ein Fall des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG vor, nach dem eine Buchwertfortfüh­ rung ohne Behaltefrist erfolgt. 973 Dazu bereits oben, S. 209 ff.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

setzt einen Verhaltensanreiz, der sich auch ausdrücklich an den ur­ sprünglichen Veräußerer richtet, zur Übertragung in dieser konkreten Ausgestaltung, weil er diese Form der Umstrukturierung für volkswirt­ schaftlich sinnvoll hält. Es wird wohl zumeist überhaupt nur illiquide übertragen, weil der Gesetzgeber diese Angebote gemacht hat. Anderen­ falls würden die als gesamtwirtschaftlich sinnvoll identifizierten Über­ tragungen gar nicht erfolgen oder nur in Zusammenhang mit einem er­ heblichen Verlust an Liquidität. Die Rücknahme des Privilegs der Buchwertfortführung trifft den Steuerpflichtigen nicht weniger hart als jede andere Form der Belastung. Die drastische Rechtsfolge der Nachversteuerung beim ursprünglichen Veräußerer wird regelmäßig mit der Gefahr der gezielten Übertragung von stillen Reserven begründet.974 Eine Rechtfertigung der fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen gelingt hier aber nur, wenn sie zur Verfol­ gung des legitimen Zwecks auch erforderlich sind. Betrachtet man die für die Steuerpflichtigen unter Umständen attraktiven und für den Fis­ kus eventuell negativen Folgen des Überspringens der stillen Reserven genauer, dann liegt eigentlich eine andere, verursachungsgerechtere ge­ setzliche Gestaltung deutlich näher. dd. Vorschlag de lege ferenda zur Verhinderung von Missbrauch und fremdbestimmten Steuerwirkungen (1) Anforderungen der Missbrauchsverhinderung Aus Sicht der beteiligten Steuerpflichtigen besteht ein Manipulationsan­ reiz vor allem auf Grund der Ausgestaltung des Steuerrechts nach dem Prinzip der Individual- bzw. Subjektbesteuerung.975 Demnach kann sich der Steuersatz auf Grund der Progression, der Rechtsform oder dem He­ besatz günstiger gestalten, es können Verlustverrechnungen oder Abset­ zungen für Zinsaufwand uneingeschränkt erfolgen, Freigrenzen oder -be­ träge optimal genutzt werden. Aus Sicht des Fiskus kommt schließlich noch die Veränderung der Solvenz auf Grund des Schuldnerwechsels hin­ zu. 974 Für die Behaltefristen des UmwStG ausdrücklich Regierungsbegründung des ­SEStEG 2006 in BT-Drs. 16/2710, S. 46 und Regierungsbegründung des UntStFG in BT-Drs. 14/6882, S. 32 f. Bestätigend BFH, Urt. v. 31.07.2013, Az. I R 44/12, in DStR 2013, S. 2165 zu § 6 Abs. 5 S. 4 EStG; ebenso Seitz/Düll, StbJb 2011/2012, S. 107 (115); Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rn. 1634. Zu § 16 Abs. 3 S. 3 EStG siehe Paus, DStZ 2006, S. 285 (288 f.); Wacker in Schmidt, EStG, 38. Aufl. (2019), § 16 Rn. 553 f.; Wacker, FS Priester (2007), S. 819 (833 f.). Kritisch hierzu im Rahmen von § 6 Abs. 3 S. 2 und Abs. 5 S. 4 EStG Wendt, FR 2005, S. 468 (453); Kempermann, FR 2003, S. 321 (327). 975 Dazu und zu den jeweiligen Erscheinungsformen ausführlich oben, S. 115 ff., und unten, S. 252 ff.

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

(2) Grundsätzlicher Systemwechsel in der Ausgestaltung der Behaltefrist Diese Vorbehalte ließen sich weitgehend entkräften durch eine teilweise entsprechende Anwendung der Regelungstechnik des § 6 AStG: Am Ende des Veranlagungszeitraums, in dem die bislang die Behaltefrist auslösende Übertragung liegt, werden für den übertragenden Rechtsträger zweimal die festzusetzenden Ertragsteuern (Einkommensteuer bzw. Körperschaft­ steuer sowie Gewerbesteuer) berechnet, einmal unter der Annahme der Übertragung der Buchwerte, einmal unter der Annahme der Aufdeckung der stillen Reserven. Der Differenzbetrag wird auch für den übernehmen­ den Rechtsträger bindend festgestellt. Der übertragende Rechtsträger be­ gleicht seine Steuerlast nach der Berechnung zu Buchwerten, also ohne Veräußerungsgewinn. Veräußert der übernehmende Rechtsträger nun in­ nerhalb der Behaltefrist, hat dieser und damit der Handelnde (!) den Diffe­ renzbetrag wie beim übertragenden Rechtsträger errechnet an den jeweili­ gen Steuergläubiger zu entrichten und kann eine Wertaufholung bei sich vornehmen. Der Steueranspruch wird wie bei § 6 Abs. 5 AStG – evtl. aber gegen Sicherheitsleistung – gestundet und bei Einhaltung der Behaltefrist nach ihrem Ablauf erlassen. Eine Form der Sicherheitsleistung kann auch eine Haftung der übertragenen Substanz sein.976 Im Ergebnis würde diese Lösung zu einer Abbildung der in der Praxis ohnehin vereinbarten zivilrechtlichen Sekundäransprüche977 auf der pri­ mären Ebene des Steuerrechts führen. Grundsätzlich ist dies erstrebens­ wert, denn Friktionen des Steuerrechts sollten primär im Steuerrecht gelöst und nicht im Zivilrecht repariert werden.978 Außerdem kann so die im Bereich der direkten Steuern zu Recht in der Kritik stehende Über­ wälzung von Steuerlasten durch private Vereinbarungen vermieden wer­ den.979 Nachteil des vorgeschlagenen Konzepts ist die nun stets (und nicht erst bei Veräußerung innerhalb der Behaltefrist) notwendige Er­ mittlung des Verkehrswerts.980 976 Zur Haftung auf Grund von Substanz siehe oben, S. 44. 977 Siehe nur die entsprechenden Vorschläge für § 6 Abs. 3 S. 2 EStG bei Kempermann, FR 2003, S. 321 (328); Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 Rn. 475.13 a.E.; Förster, FR 2002, S. 649 (656); Geck, FS Spiegelberger (2009), S. 128 (128 f.; 137); Geck, ZEV 2005, S. 196 (198); Rogall/Stangl, DStR 2005, S. 1073 (1079); Emmrich/Kloster, GmbHR 2005, S. 448 (456). Allgemein zu Ausgleichszahlungen bei fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Perso­ nen- und Kapitalgesellschaften (2010), S. 217 ff. 978 Knobbe-Keuk, StuW 1985, S. 382 (389); Crezelius, FR 2002, S. 805 (808); ebenso Kläne, Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaf­ ten (2010), S. 293. 979 Zur Überwälzung unter Aspekten der Leistungsfähigkeit bzw. des Rechtsstaats siehe unten, S. 271 bzw. S. 326. 980 Ähnliche Regelungen gibt es auch beim Übergang zur Liebhaberei: Nach § 8 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO erfolgt in diesem Fall eine gesonderte Feststellung der stillen Reserven.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

(3) Begegnung von (neuen) Missbrauchsgefahren Wie aber schon bei der Lösung der Finanzverwaltung bei § 16 Abs. 3 S. 3 EStG981 besteht die Gefahr, dass mit Beseitigung der fremdbestimmten Steuerwirkungen eine erneute Quelle des Missbrauchs geschaffen wür­ de.982 Konkret droht nun eine Umkehr der Missbrauchsrichtung auf Grund der bloß fiktiven Berechnung der Steuer beim übertragenden Rechtsträger. So kann der berechnete Differenzbetrag gering ausfallen, weil der über­ tragende Rechtsträger hohe Verlustvorträge oder Freibeträge hatte. Grund­ sätzlich ist das kein Missbrauch, denn der übertragende Rechtsträger hätte bei strikter Einhaltung des Subjektsteuerprinzips gleich viel Steu­ ern gezahlt. Soweit aber diese Verlustvorträge oder Freibeträge nur fiktiv in Ansatz gebracht wurden, können sie im Ergebnis zweifach (einmal fiktiv, einmal real) genutzt werden. Zwar besteht diese Missbrauchsquel­ le vielfach bei einer Differenzbetrachtung am Ende des Veranlagungszeit­ raums nur scheinbar, da wegen des Periodizitätsprinzips der Steuer nach § 2 Abs. 7 EStG983 eine Vielzahl von Steuerwirkungen wie etwa Freibeträ­ ge nur innerhalb der Periode wirken. Dennoch verbleibt gerade in Berei­ chen wie der Verlustverrechnung, die interperiodische Verrechnungen zulassen,984 eine Missbrauchsgefahr: Durch die absichtliche Verletzung der Behaltefrist wird eine wegen der Verlustvorträge beim übertragenden Rechtsträger nur minimale Differenzsteuer festgestellt und vom über­ nehmenden Rechtsträger gezahlt; der übertragende Rechtsträger kann aber erneut und nun tatsächlich die Verlustvorträge mit anderen Gewin­ nen verrechnen. Derartigen Missbrauchskonstellationen kann auf zwei Arten vorgebeugt werden. Die einfachste Präventionsform wäre die Nichtberücksichti­ gung aller Vorteile bei der Berechnung des Differenzbetrages und der möglichen späteren Steuerzahlung, die interperiodisch nutzbar sind. Eine solche Ausnahme wäre einfach handhabbar. Im Einzelfall droht aber eine Steuerlast beim übernehmenden Rechtsträger, die über jene hinaus­ geht, die bei einem Verbot der Buchwertfortführung beim übertragenden Rechtsträger angefallen wäre. Die zweite Form der Missbrauchsverhinderung wäre passgenauer, aber auch komplizierter:985 Wird der interperiodisch nutzbare Vorteil (hier: die 981 Dazu oben, S. 192. 982 Vgl. zur insoweit begründeten Kritik bei § 16 Abs. 3 S. 3 EStG die Nachweise in Fn. 867. 983 Dazu bereits oben, S. 133 ff. 984 Vgl. aber für die Möglichkeit der zeitlichen Begrenzung der Verlustnutzung in der Vergangenheit und entsprechende Bestrebungen in der Gegenwart Klemt, DStR 2011, S. 1686 und Kube, DStR 2011, S. 1781. 985 Die erhöhte Komplexität einer Regelung, die fremdbestimmte Steuerwirkungen kompensiert oder verhindert, und damit verbundene Kosten der Beratung und

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III.  Fremdbestimmung bei Übertragungsvorgängen

Verlustvorträge) innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem die Behaltefrist auslösenden Ereignis vom übertragenden Rechtsträger er­ neut in Anschlag gebracht, erhöht sich der vom übernehmenden Rechtsträ­ ger zu zahlende Differenzbetrag entsprechend. Damit wird eine doppelte Nutzung von interperiodisch nutzbaren Vorteilen vermieden; im Kolli­ sionsfall profitiert der übertragende Rechtsträger alleine von seinem Ver­ lustvortrag. Freilich kostet diese Rückausnahme in der zweiten Variante zugunsten der Missbrauchsverhinderung einen hohen Preis: Es ist eine neue Quelle der fremdbestimmten Steuerwirkungen geschaffen worden. Nunmehr kann der ursprünglich übertragende Rechtsträger nach Verletzung der Be­ haltefrist durch den übernehmenden Rechtsträger bei einer zweiten, nun erstmals tatsächlichen Inanspruchnahme dessen Differenzsteuerbetrag nachträglich erhöhen. Aus diesem Grund könnte die zweite Form der Missbrauchsverhinderung nur auf Antrag des übernehmenden Rechtsträ­ gers zugelassen werden. Wenn er – legitimer Weise – auch von Verlust­ vorträgen u.ä. des übertragenden Rechtsträgers profitieren möchte, kann er sich selbstbestimmt in die Gefahr der Fremdbestimmung begeben. Diese konkrete Gefahr der Fremdbestimmung hat er aber nun selbst durch die Verletzung der ursprünglichen Behaltefrist (und ggf. auf Grund eines entsprechenden Antrags) zu verantworten. Diese geschieht nicht zur Verwirklichung wirtschaftlich sinnvoller Sachverhalte,986 sondern als normaler Marktvorgang. Der Entzug des Privilegs der Nutzung fiktiver Verluste eines anderen Steuerpflichtigen ist hinzunehmen, insbesondere auch, da erst mit der eigenen Handlung die entscheidende Ursache hier­ für gesetzt worden ist. (4) Zwischenergebnis Auf dem Boden der Grundentscheidungen des geltenden Rechts987 für das Subjektsteuerprinzip einerseits, und für die Förderung bestimmter For­ men unternehmerischer Kontinuität andererseits, bleiben Behaltefristen Compliance sind in der Kautelarpraxis sogar ein Grund, die Hinnahme der Gefahr der Fremdbestimmung zu empfehlen (vgl. Kläne/Marx/Löffler, StuW 2010, S. 65 (79) m.w.N.). 986 Sonst wäre es regelmäßig keine Verletzung der Behaltefrist: Im Grundsatz ist eine weitere, gleichfalls privilegierte Veräußerung zu Buchwerten keine Verletzung der Behaltefrist (vgl. für § 6 Abs. 3 S. 2 EStG die Nachweise in Fn. 808, für § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG die Nachweise in Fn. 828). Allerdings ist dieser Grundsatz zumindest in dem Netz der Verwaltungsanweisungen zu den jeweiligen Normen nicht strin­ gent durchgesetzt (Crezelius, FR 2011, S. 401). 987 Andere Vorschläge zur Beseitigung der fremdbestimmten Steuerwirkungen sind deutlich radikaler. So will Reiß, BB 2001, S. 1225 (1228) die Möglichkeit der Buch­ wertfortführung jedenfalls bei einzelnen Wirtschaftsgütern grundsätzlich abschaf­ fen.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

zur Missbrauchsverhinderung notwendige Folge der privilegierten Buch­ wertübertragungen bei unternehmerischer Kontinuität.988 Mit den obigen Ausführungen soll aber ein Reformimpuls zu einer anderen Ausgestal­ tung dieser Behaltefristen gegeben werden, der die Ziele der Missbrauchs­ verhinderung genauso effektiv wie in den bisherigen Regelungen ver­ folgt, aber Steuerwirkungen wieder verursachungsgerechter zuordnet.

IV. Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe989 1. Vorbemerkung Im Vergleich mit den anderen Referenzmaterien, die eher dem Recht der Unternehmensbesteuerung zuzuordnen sind, mag die zusammenveran­ lagte Ehe herausstechen. Die Ehe ist dabei grundsätzlich der persönli­ chen Sphäre der Steuerpflichtigen zuzuordnen. Ehe und etwa Organ­ schaft zu vergleichen erscheint mindestens als unromantisch.990 Dennoch aber verdankt die Forschung zu fremdbestimmten Steuerwirkungen ge­ rade dem Institut der (zusammenveranlagten) Ehe sehr viel: In der Recht­ sprechung des Bundesverfassungsgerichts wurden gerade in diesem Refe­ renzgebiet wichtige Aussagen zum Grundsatz der Individualbesteuerung getroffen. Während sich das Gericht zunächst noch mit der Haushaltsbe­ steuerung beschäftigen musste, erfolgten später die Billigung des Split­ ting-Verfahrens und zuletzt die Ausweitung der Wirkungen auf eingetra­ gene Lebenspartnerschaften. Der Zusammenhang von Fremdbestimmung und Zusammenveranlagung wird bei genauerem Hinsehen aber ver­ 988 So auch Beyschlag, Transfer von Einzelwirtschaftsgütern bei gewerblichen Perso­ nenunternehmen (2010), S. 336 ff. 989 Für Zwecke dieser Arbeit wird durchgehend von zusammenveranlagter Ehe ge­ sprochen. Nach der Entscheidung BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 (ausführlich dazu un­ ten, S. 237 ff.) und der entsprechenden Reaktion des Gesetzgebers in § 2 Abs. 8 EStG profitieren auch eingetragene Lebenspartnerschaften von den Wirkungen der Zusammenveranlagung. Begründet wird die steuerliche Gleichstellung mit der in­ haltlichen Annäherung der beiden Institute im außersteuerlichen Recht, so dass für diese Untersuchung eine eigene namentliche Erwähnung der eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht notwendig erscheint. Die eigene Erwähnung würde nur die Lesbarkeit erschweren; außerdem entspricht sie der Regelungstechnik in § 2 Abs. 8 EStG 2013. Nachfolgend wird auch die geschlechtsneutrale Formulierung des Ehepartners oder Ehegattens verwendet, um der gesetzlichen Neuregelung in § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB durch die „Ehe für alle“ in BGBl. I 2017, S. 2787 Rechnung zu tragen. 990 Für einen Vergleich mit einer Personengesellschaft aber Meyer, Steuerliches Leis­ tungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem (2013), S. 7; Seiler, Grundzüge eines öffentlichen Familienrechts (2008), S. 89; Oepen, IFSt- Schrift Nr. 370 (1999), S. 11; F.  Kirchhof, StuW 2002, S. 3 (9) und Kirchhof, Stbg 1998, S. 385 (390); für die Unvergleichbarkeit der Ehe Vogt, Verfahrensrechtliche Proble­ me bei zusammenveranlagten Ehegatten (2004), S. 28.

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IV.  Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe

ständlich, erfolgt in der zusammenveranlagten Ehe eine (noch zu erläu­ ternde) Form der steuerlichen Verantwortlichkeit für die Handlung des einen Ehepartners mit Wirkung beim anderen Ehepartner. Im Folgenden soll daher auf die Voraussetzungen und Wirkungen der Zu­ sammenveranlagung von Ehepartnern nach geltendem Recht991 einge­ gangen werden. Daran anschließend werden die verschiedenen, teilweise schon erwähnten Urteile des Bundesverfassungsgerichts auf Aussagen zur Individualbesteuerung hin untersucht. In dieser chronologischen Un­ tersuchung der Rechtsprechung sollen auch die jeweils geltenden recht­ lichen Grundlagen des Haushalts und der Ehe einbezogen werden. Ver­ mutet wird, dass die frühere Ausgestaltung des Haushalts auch heute noch Anklänge bei der zusammenveranlagten Ehe findet. Aus diesem Grund erfolgt die Darstellung der zusammenveranlagten Ehe im Gegen­ satz zu den anderen Näheverhältnissen im Zeitstrahl. Abschließend wird gefragt, welche Vorstellung von Ehe schließlich der Zusammenveranlagung zu Grunde liegt und vor allem, wie diese sich mit dem allgemeinen Grund der Zurechnung von Einkünften verglei­ chen lässt. 2. Referenzfälle a. Voraussetzungen der Zusammenveranlagung Die Voraussetzungen für die Möglichkeit der Wahl zwischen Einzel- und Zusammenveranlagung sind in § 26 Abs. 1 EStG geregelt.992 Demnach müssen zwei natürliche Personen in Deutschland unbeschränkt steuer­ pflichtig993 und verheiratet sein, sowie nicht dauerhaft getrennt leben. Diese Anforderungen müssen zu Beginn des Veranlagungszeitraums vor­ gelegen haben oder währenddessen eingetreten sein. Dies eröffnet aber nur die Wahlmöglichkeit: Auch die Einzelveranlagung bleibt möglich, wonach beide Ehegatten wie zwei fremde Subjekte be­ handelt werden. Die Wahl für die Zusammenveranlagung muss von bei­ den Partnern gleich ausgeübt werden: Entscheidet sich nur einer von 991 Zu Reformvorschlägen siehe etwa Oepen, IFSt- Schrift Nr. 370 (1999), S. 13 ff.; Vollmer, Ehegattensplitting (1998), S. 225 ff.; Maurer, Verfassungsrechtliche An­ forderungen an die Besteuerung von Ehegatten und Familien (2004), S. 133 ff.; Winhard, DStR 2006, S. 1729 (1731 ff.); Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch (2011), S. 362; Schuler-Harms, FPR 2012, S. 297; Becker/Englisch, DStR 2016, S. 1005. 992 Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurde eine dritte Veranlagungs­ form, die besondere Veranlagung nach § 26c EStG a.F., erstmalig für den Veranla­ gungszeitraum 2013 abgeschafft. Gleichfalls wurde die „getrennte Veranlagung“ in „Einzelveranlagung“ umbenannt. 993 Neben dem Standardfall des § 1 Abs. 1 EStG begründen auch § 1 Abs. 2 EStG und § 1a EStG eine unbeschränkte Steuerpflicht.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

beiden für die Einzelveranlagung, ist nach § 26 Abs. 2 S. 1 EStG die Zu­ sammenveranlagung für beide ausgeschlossen. Erfolgt keine ausdrückli­ che Erklärung, so wird nach § 26 Abs. 3 EStG die Zusammenveranlagung durchgeführt, die Zustimmung der beiden hierzu quasi fingiert. Der ge­ setzlichen Regelung liegt die Annahme zu Grunde, dass dies regelmäßig günstiger für beide ist. Faktisch besteht daher die Möglichkeit des optout aus der Zusammenveranlagung für jeden Ehepartner. Unter Umstän­ den kann sich aber familienrechtlich eine aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB abzuleitende Pflicht zur Zustimmung ergeben, wenn der auf Zustim­ mung in Anspruch genommene Ehegatte keiner zusätzlichen steuerli­ chen Belastung ausgesetzt wird, etwa durch entsprechende Freistellungs­ verpflichtungen im Innenverhältnis.994 b. Zusammenrechnung und Anwendung des Splitting-Verfahrens Die primäre Rechtsfolge der Zusammenveranlagung ist in § 26b EStG geregelt. Demnach werden die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt ha­ ben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, sodann die Ehegatten gemein­ sam als (ein) Steuerpflichtiger behandelt. Deutlich wird durch diese Formulierung, dass die Wirkungen der Zusam­ menveranlagung erst nach der üblichen individuellen Zurechnung der erzielten Einkünfte einsetzen. Die Zurechnung von Einkünften erfolgt bei jedem Individuum nach allgemeinen Grundsätzen.995 Die Zusam­ menveranlagung sorgt lediglich für eine Zusammenrechnung und daran anschließend eine Modifikation der ursprünglich getroffenen Zurech­ nungsentscheidung.996 Die Wirkung der Zusammenrechnung tritt im Rahmen des von § 2 EStG gegebenen Prüfprogramms unmittelbar im Anschluss an den zweiten 994 BGH, Urt. v. 18.05.2011, Az. XII ZR 67/09, in NJW 2011, S. 2725; BGH, Urt. v. 12.06.2002, Az. XII ZR 288/00 in DStRE 2002, S. 1121. Ausführlich zum Innenver­ hältnis bei Zusammenveranlagung Witt, DStR 2007, S. 56. Der BGH, Urt. v. 31.05.2006, Az. XII ZR 111/03, in DStR 2006, S. 1455 lehnt sich dabei an § 270 AO an – ausführlich zu dieser Norm unten, S. 228. 995 Vogt, Verfahrensrechtliche Probleme bei zusammenveranlagten Ehegatten (2004), S. 28. Auf Grund der Zusammenveranlagung wird aber schon auf Ebene des § 2 Abs. 2 EStG eine stärkere Berücksichtigung von Drittaufwand (dazu auch oben, S. 31) vorgeschlagen, so Franckenstein, Einfluss der Ehegattenbesteuerung auf den Drittaufwand (2004), S. 107 ff. 996 BFH Großer Senat, Beschluss v. 23.08.1999, Az. GrS 1/97, in BStBl. II 1999, S. 778: Der Grundsatz der Individualbesteuerung der Eheleute wird durch die Möglich­ keit der Zusammenveranlagung nicht aufgehoben. In diesem Bereich stehen sich die Eheleute wie Fremde gegenüber. Darauf beruht z.B. die Möglichkeit des ver­ traglichen Leistungsaustauschs zwischen den Ehegatten und seine steuerrechtli­ che Anerkennung.

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IV.  Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe

Absatz ein: Außerhalb der Einkünfteermittlung sind zusammen zu ver­ anlagende Eheleute als ein Steuerpflichtiger zu behandeln, und damit vor allem beim Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belas­ tungen.997 Am bedeutendsten wird dies bei der Anwendung des Splitting­ verfahrens nach § 32a Abs. 5 EStG: Das gemeinsame Einkommen wird halbiert, darauf der Steuersatz angewendet, und die so ermittelte tarifli­ che Einkommensteuer verdoppelt. Der dergestalt bei Ehepaaren mit gro­ ßen Einkommensunterschieden entstehende Progressionsvorteil ist für die Steuerpflichtigen der Hauptgrund für die Wahl der Zusammenveran­ lagung.998 Dieser Vorteil in der Gesamtbetrachtung hat aber beim weniger verdie­ nenden Partner in der Einzelbetrachtung einen erheblichen Nachteil, der häufig als gesellschaftspolitischer Kritikpunkt gegen das Ehegatten-Split­ ting aufgeführt wird: Grenz- und Durchschnittssteuersatz erhöhen sich für den weniger verdienenden Partner erheblich. Die Erhöhung findet auch entsprechend über die Lohnsteuerabrechnung unmittelbaren Aus­ druck im monatlichen Netto. Für diese Untersuchung ist jener Effekt zentral, allerdings nicht so sehr als ein Hindernis für die Verwirklichung der beruflichen Gleichstellung von Mann und Frau,999 sondern als ein echter Fall der Fremdbestimmung: Die Höhe der Einkünfte des einen Ehepartners bestimmt die Anwendung des entsprechenden steuerlichen Belastung des anderen Ehepartners. Nur bezogen auf den Grenzsteuer­ satz betrifft dieses Phänomen beide Partner negativ, denn jeder mehr ­verdiente Euro des einen Partners erhöht den Grenzsteuersatz auch für den anderen Partner. Bezogen auf den Durchschnittsteuersatz ist die ­Wirkung des Splitting-Verfahrens für den geringer verdienenden Partner eine belastende, für den mehr verdienenden Partner eine begünstigende fremdbestimmte Steuerwirkung. 997 So auch der BFH im eben erwähnten Beschluss (Fn. 996). Daher kann in bestimm­ ten Jahren auch die Wahl der Einzelveranlagung vorzugswürdig sein, etwa wenn nach der Zusammenrechnung mit (negativen) Einkünften des einen Gatten der Gesamtbetrag der Einkünfte zu niedrig ist, um die außergewöhnlichen Belastun­ gen und Sonderausgaben des anderen, besser verdienenden Ehegattens voll zu be­ rücksichtigen. 998 Siehe nur Vollmer, Ehegattensplitting (1998), S. 39. Maiterth/Chirvi, StuW 2015, S. 19 (20) spricht daher von einem Ehegattentarifsplitting. 999 Zur kritischen Würdigung der gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Aus­ wirkungen des Ehegatten-Splittings siehe Maiterth/Chirvi, StuW 2015, S. 19 (28 ff.); Löhr/Serwe, Ehegattensplitting auf dem Prüfstand (2011), S. 19 ff.; Vollmer, Ehegattensplitting (1998), S. 35 ff., und v.a. 103 ff.; Dietrich, Ehegattensplit­ ting in Deutschland (2007), S. 17 ff.; Maurer, Verfassungsrechtliche Anforderun­ gen an die Besteuerung von Ehegatten und Familien (2004); Schuler-Harms, FPR 2012, S. 297. Solche Auswirkungen wurden sogar schon vor der Einführung in den 50er Jahren gesehen, etwa bei Binder, Finanz-Archiv N.F. Bd. 17 (1956), S. 260 und Wolkersdorf, Finanz-Archiv N.F. Bd. 18 (1957), S. 81 (91 ff.). Die Kritik besteht wohl auch nach der Öffnung der Ehe für alle fort.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Die Anwendung des Splitting-Verfahrens in Folge der Zusammenveran­ lagung ist damit ein Grundfall der fremdbestimmten Steuerwirkungen. c. Frei- und Pauschbeträge Entgegen der Grundentscheidung für die Entfaltung der Wirkungen der Zusammenveranlagung nach § 2 Abs. 2 EStG wird die Veranlagungsform teilweise auch schon bei der Ermittlung des Einkommens relevant:1000 Der Pauschbetrag bei Kapitaleinkünften nach § 20 Abs. 9 S. 2 EStG, der nicht nur einen Freibetrag, sondern auch einen Werbungskostenpausch­ betrag beinhaltet, wird ebenso auf das Paar (und nicht das Individuum) bezogen wie bestimmte Freibeträge bei der Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Rahmen von § 14a EStG. Die meisten Pauschbeträge auf Ebene der Einkünfteermittlung aber wer­ den nicht ehepaarbezogen gewährt, sondern verwirklichen hier noch eine Individualbesteuerung: So kann der Ehegatte nur (s)einen Pauschbe­ trag für Werbungskosten bei nichtselbständiger Arbeit nach § 9a EStG in Anspruch nehmen. d. Gesamtschuldnerschaft Mit der Behandlung der beiden Ehegatten als ein Steuerpflichtiger geht auch die wechselseitige Inanspruchnahme für die Steuerschuld einher: Nach § 44 S. 1 Abs. 1 Var. 3 AO haften beide als Gesamtschuldner für die gesamte Steuerschuld.1001 Wie bei der Organschaft über den Umweg der Haftung aus § 73 AO1002 wird hier eine Mehrheit von Steuerschuldnern geschaffen. Jeder Ehegatte haftet damit auch für die nicht von ihm selbst begründete Steuerschuld. Das Finanzamt kann im Rahmen seines Aus­ wahlermessens (§ 5 AO) bestimmen, welchen der Gesamtschuldner es zur Leistung auffordern will, wobei es zunächst nicht darauf ankommt, welchen Anteil der in Anspruch genommene Ehegatte an dem zu ver­ steuernden Einkommen hat.1003 Damit ist eine zweite, mit dem Split­ ting-Verfahren inhaltlich verbundene Erscheinungsform der fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen benannt: Es erhöht sich nicht nur der Grenz- und ggf. Durchschnittssteuersatz auf Grund der fremden Hand­ lung – es wird nun sogar eine Personalsicherheit für die fremdbegründete Schuld geschaffen. 1000 Zu den Frei- und Pauschbeträgen bei der zusammenveranlagten Ehe siehe Vogt, Verfahrensrechtliche Probleme bei zusammenveranlagten Ehegatten (2004), S. 76 f. Dazu und zur Wirkungen auch im Sozialversicherungsrecht Schuler-­ Harms, FPR 2012, S. 297. 1001 Ausführlich dazu Preißer, Gesamtschuld im Steuerrecht (1985), S. 91 ff.; Kraemer, DStZ 1989, S. 609 ff. 1002 Dazu oben, S. 45 ff. und S. 94 ff. 1003 Hagen, NWB 2005, S. 1545 (1546).

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IV.  Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe

Gemildert wird diese Wirkung durch die Möglichkeit des Ehegatten, ei­ nen Antrag nach §§ 268 ff. AO zu stellen. Im Rahmen der Vollstreckung werden die Wirkungen der Gesamtschuld wieder zurückgefahren: Für rückständige Steuern des Paares haftet der einzelne Ehegatte nur inso­ weit, wie es dem Verhältnis der Steuerschuld des einen zur Steuerschuld des anderen Ehegatten entspricht, wenn diese fiktiv einzeln veranlagt worden wären (§ 270 AO). Durch das bewusste Abstellen auf die so er­ mittelte Steuerschuld (und nicht die Einkünfte) wird der gering verdie­ nende Ehegatte geschützt.1004 Damit wird auch die progressionsbezogene fremdbestimmte Steuerwirkung abgemildert. Zu bedenken ist aber, dass dieser Schutzmechanismus erst in der Vollstreckung, und nicht schon in der Begründung der Gesamtschuld greift, nur auf Antrag erfolgt, die Be­ schränkung für spätere Zuwendungen unter Ehegatten nach § 278 Abs. 2 AO greift1005 und vor allem nur für Restschulden gilt – vorherige, nach diesem Maßstab übermäßige Tilgungsleistungen werden nicht berück­ sichtigt.1006 Die Gesamtschuld ist damit auflösend bedingt, und kann sich entsprechend in eine Teilschuld wandeln.1007 e. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lassen sich folgende Beobachtungen festhalten: – Die Rechtsfolgen der Zusammenveranlagung und damit auch die Fremdbestimmung sind optional. Beide Ehegatten müssen zwar nicht explizit der Zusammenveranlagung zustimmen, können aber ohne weiteres gegen diese Veranlagungsform optieren. In den meisten Fäl­ len ist die Zusammenveranlagung für ein Paar erstrebenswert. Sofern die Zustimmung zivilrechtlich erzwungen werden soll, muss nachge­ wiesen werden, dass das für den zustimmenden Partner nicht nach­ teilig ist, und entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Das Steuerrecht jedenfalls knüpft an die Wahlmöglichkeit des Steuer­ pflichtigen an; die Wirkungen sind für das Steuerrecht Ausfluss sei­ ner Entscheidung. – Die Wirkungen der Fremdbestimmung bei dem einzelnen Ehegatten können über die Vorschriften zur Haftungsvollstreckung und auf An­

1004 BFH, Beschluss v. 09.08.2004, Az. VI S 4/04, in BFH/NV 2004, S. 1624. Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die Annahme einer Mithaftung des geringverdie­ nenden Ehegatten über §§ 73 i.V.m. 191 AO überspielt (so aber Hermes, INF 1994, S. 353 (355) und Mallach, NWB 1994, S. 3557; überzeugend dagegen argu­ mentierend Vogt, Verfahrensrechtliche Probleme bei zusammenveranlagten Ehe­ gatten (2004), S. 108 ff.). 1005 Ausführlich hierzu Kraemer, DStZ 1989, S. 609 (612). 1006 Werth in Klein, AO, 14. Aufl. (2018), § 270 Rn. 2. 1007 Preißer, Gesamtschuld im Steuerrecht (1985), S. 100 sowie S. 97 m.w.N. in Fn. 2; Hagen, NWB 2005, S. 1545 (1546).

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

trag nach §§ 268 ff. AO weitgehend zurückgenommen werden.1008 Wie schon bei der Organschaft und § 191 AO1009 findet eine „Repara­ tur“ des Schadens durch Fremdbestimmung in einem späten Stadium des Haftungsrechts statt. – So deutlich wie bei keinem Referenzfall davor ist zu erkennen, dass die Frage der Fremdbestimmung mit der Frage der Identität zusam­ menhängt. § 26b EStG spricht davon, dass die Ehegatten gemeinsam als (ein) Steuerpflichtiger behandelt werden, so dass nach der Diktion des Gesetzes eigentlich gar keine Fremdbestimmung mangels Perso­ nenmehrheit mehr möglich ist. 3. Die Entscheidung vom 17.01.1957 – Ausläufer der Haushaltsbesteuerung Die Rechtsprechungslinie des Bundesverfassungsgerichts zum Ehegat­ ten-Splitting beginnt mit einem Beschluss aus dem Jahre 1957.1010 Die der Entscheidung zu Grunde liegende Rechtslage sah wie heute eine Zu­ sammenveranlagung von Ehegatten vor. Darüber hinaus wurde der Haus­ haltsvorstand auch mit seinen Kindern, für die ihm aber auch eine Kin­ derermäßigung zusteht, zusammenveranlagt. Die aus heutiger Sicht unverständliche Besonderheit befand sich in der Anwendung des Tarifs: Der so veranlagte Haushalt mit Ehegatten und Kindern wurde der glei­ chen Progression unterworfen wie das einzelveranlagte Individuum. Bei der Berechnung der tariflichen Einkommensteuer wurde nicht (ausrei­ chend)1011 berücksichtigt, dass von dem zu versteuernden Einkommen mindestens zwei Menschen leben müssen. a. Erkenntnis des Grundsatzes der Individualbesteuerung Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung zunächst fest, dass schon nach dem damals geltenden Recht eine Grundentschei­ dung zu Gunsten eines Grundsatzes der Individualbesteuerung getroffen wurde:1012 Das typische Steuersubjekt war nach § 1 Abs. 1 EStG die na­ türliche Person, und der Gesamtbetrag der Einkünfte dieser natürlichen 1008 So auch Vollmer, Ehegattensplitting (1998), S. 61 f. 1009 Siehe schon oben, S. 48. 1010 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehegatten), in BVerfGE 6, S. 55. 1011 Ebenda Rz. 45 [zit. nach juris]: Die Mehrbelastung der Ehegatten wird auch „durch die in den Tarif eingearbeiteten festen – nicht progressiven – steuerfreien Einkommensteile für die Ehefrau (und für die Kinder) nicht ausgeglichen. Diese Freibeträge berücksichtigen nur die Erhöhung des Existenzminimums, die mit der Unterhaltsverpflichtung des einzelnen Steuerpflichtigen gegenüber seinen Familienangehörigen verbunden ist, ändern also nichts an dem Grundsatz der progressiven Individualbesteuerung“. 1012 Ebenda Rz. 2 [zit. nach juris].

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IV.  Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe

Person die Grundlage für die Bemessung der Einkommensteuer nach ei­ nem progressiven Tarif. Diese Aussage bezog sich auf eine Rechtslage, die auch die Grundformen des heute geltenden Rechts der Einkommen­ steuer beinhaltete, und erscheint heute als Gemeinplatz, als natürliche Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips.1013 Zum Zeitpunkt der Entscheidung jedoch war diese Erkenntnis kontrovers,1014 da neben der Individual- auch eben eine Haushaltsbesteuerung (dazu sogleich) be­ stand, die das Bundesverfassungsgericht am Maßstab der Individualbe­ steuerung messen wollte. Auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Individualbesteuerung soll später bei der Bestimmung des richtigen Zu­ ordnungssubjekts der Leistungsfähigkeit eingegangen werden.1015 Das Gericht stellte dabei aber ausdrücklich nicht fest, ob abstrakt die Zusammenveranlagung mehrerer Personen überhaupt oder jene der Ehe­ gatten im Besonderen mit dem Grundgesetz vereinbar ist.1016 Jedenfalls in dem Recht der progressiven Einkommensbesteuerung stelle die Be­ steuerung des Haushalts einen Fremdkörper dar.1017 b. Haushalt als Steuersubjekt In den Mittelpunkt der Entscheidung stellte das Gericht den Haushalt bzw. die Haushaltgemeinschaft als das vom EStG gewählte Steuersub­ jekt. Vor allem die historischen Grundlagen der Haushaltsbesteuerung wurden dabei aufbereitet. Nach dem Abriss durch das Bundesverfassungsgericht war das preußi­ sche Gesetz wegen Einführung einer Klassensteuer von 1820 das erste

1013 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 164 oder auch Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (221). 1014 Beispielhaft für die Kritik der Zeit Spitaler, BB 1957, S. 268; Bachof, JZ 1957, S. 272 und Klein, IFSt- Schrift Nr. 48 (1959), S. 38 ff., verhalten kritisch auch Wolkersdorf, Finanz-Archiv N.F. Bd. 18 (1957), S. 81 (86 ff.). Ausführlich zu der Kontroverse, aber eher dem BVerfG zuneigend Weisensee, JR 1961, S. 85, mit Replik von Friedlaender, JR 1961, S. 91. Siehe allgemein auch die Darstellungen bei Becker, Grundsatz der Individualbesteuerung (1970); Obstfelder, Individual­ besteuerung oder Haushaltsbesteuerung (1976). Außerdem Kullmer, Ehegatten­ besteuerung (1960), S. 19 ff. 1015 Siehe unten, S. 252 ff. 1016 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehegatten), in BVerfGE 6, S. 55 Rz. 38 [zit. nach juris]. 1017 BVerfG, Beschluss v. 03.12.1958, Az. 1 BvR 488/57 (Nutzungswertbesteuerung), in BVerfGE 9, S. 3 Rz. 33 [zit. nach juris]: erklärt die Rechtsprechung des Vorjah­ res: „Wenn das BVerfG ausgeführt hat, das moderne Einkommensteuerrecht be­ ruhe auf dem Grundsatz der Individualbesteuerung, so ist damit [vorrangig] das Prinzip der Haushaltsbesteuerung als Fremdkörper im System des Einkommen­ steuerrechts charakterisiert worden.“ Kritisch zum Leitbild des ledigen Kinder­ losen Seiler, Grundzüge eines öffentlichen Familienrechts (2008), S. 91.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Steuergesetz, das an den Haushalt anknüpfte.1018 Mit der Wahl des Haus­ halts als Subjekt (sowie der Bemessung durch Schätzung) sollte eine ein­ fache, praktikable und die Privatsphäre schonende Form der Besteuerung gewählt werden;1019 eine Person, die keinem Haushalt angehörte, zahlte den halben Steuersatz eines Haushalts. Das Einkommensteuergesetz von 1920 nahm schließlich außer der Zusammenveranlagung von Ehegatten (§ 16) auch eine begrenzte Zurechnung des Einkommens minderjähriger Kinder (§ 17) vor. Die Erfassung des Arbeitseinkommens der Frau außer­ halb der Ehe schwankte hierbei zwischen 1921 und 1951, je nach der politischen Bewertung der Erwerbstätigkeit der Frau.1020 Dieses nicht abgestimmte Nebeneinander der Steuersubjekte (Individu­ um einerseits und Haushalt andererseits) löste schließlich eine nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung der Ehe und Familie aus, die schon von Art. 6 GG verboten wird. Obgleich sich schon seit einiger Zeit im Steuerrecht immer mehr ein Mischsystem von Einzel- und Haushaltsbe­ steuerung etabliert hatte, gewann dieses Problem erst durch die verstärk­ te Betonung der Progression praktische Bedeutung.1021 Entgegen dem Vorbringen des Bundesfinanzministers in dem damaligen Verfahren ist das Ziel, „die Ehefrau ins Haus zurückzuführen“, also die absichtliche Schlechterstellung einer bestimmten Form der Ehe, für das Gericht keine Rechtfertigung für die Beeinträchtigung. Wie aber schon erwähnt, spricht sich das Gericht nicht kategorisch gegen die Zusammen­ veranlagung aus, sondern lässt diese grundsätzlich zu. Anklänge an das Konzept des Haushalts finden sich auch im geltenden Recht, wenn die Zusammenveranlagung nicht nur die Ehe fordert, sondern auch verlangt, dass die Ehegatten „nicht dauerhaft getrennt leben“.1022 Die Haushaltsbe­

1018 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehegatten), in BVerfGE 6, S. 55 Rz. 40 [zit. nach juris]. Ausführlich zur histori­ schen Entwicklung in Preußen und Deutschland auch Becker, Grundsatz der In­ dividualbesteuerung (1970), S. 29 ff. und Wolkersdorf, Finanz-Archiv N.F. Bd. 18 (1957), S. 81 (82 ff.). 1019 So Schimmelfennig, Die Preußischen direkten Steuern (Bd. 2), 3. Aufl. (1843), S. 10. Diese Begründung würde in jüngerer Zeit bei der Neugestaltung der Finan­ zierung des öffentlichen Rundfunks wiederholt als es um die Anknüpfung der Beitragspflicht an den Haushalt ging, vgl. Kirchhof, Finanzierung des öffent­ lich-rechtlichen Rundfunks (2010), S. 54. 1020 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehegatten), in BVerfGE 6, S. 55 Rz. 42 f. [zit. nach juris]. 1021 Vgl. die Darstellungen bei Wolkersdorf, Finanz-Archiv N.F. Bd. 18 (1957), S. 81 (85 f.); Becker, Grundsatz der Individualbesteuerung (1970), S. 76 ff. 1022 Preißer, Gesamtschuld im Steuerrecht (1985), S. 92; so schon BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehegatten), in BVerf­ GE 6, S. 55 Rz. 82 [zit. nach juris], aber mit Ausführungen zu den Problemen der praktischen Ausgestaltung.

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IV.  Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe

steuerung hat damit nicht nur historische, sondern durchaus auch in die Gegenwart reichende Bedeutung.1023 c. Rechtswirklichkeit des Haushaltes vor 1957 Mit der Bezugnahme auf den Haushalt ist auch dessen außersteuerliche Rechtswirklichkeit angesprochen. Je länger man zeitlich zurückblickt, desto eher erscheint der Haushalt als (allein) geeignetes Steuersubjekt. In den letzten beiden Jahrhunderten fand eine Entwicklung vom Familien­ haushalt germanischer Prägung als monolithischer Einheit mit dem Haushaltsvorstand als Fokalpunkt hin zum Individuum statt: Mit dem Eintritt in die Ehe ging nach dem ALR bis in die 1950er Jahre (§ 1363 BGB a.F.1024) das Vermögen der Ehefrau mit Ausnahme des Vorbehaltsgutes in die Verwaltung des Ehemannes über. In allen das gemeinschaftliche Le­ ben betreffenden Angelegenheiten stand dem Ehemann die Entschei­ dungsmacht zu, insbesondere auch bei der Ausübung eines Berufs durch die Ehefrau.1025 Einkünfte des Kindes galten als Einkünfte des Vaters,1026 die elterliche Sorge stand noch bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1959 allein dem Vater zu.1027 Auch im Steuerverfahrens­ recht drückte sich die einheitliche Willensbildung des Haushaltes durch den Haushaltsvorstand, regelmäßig den Mann, aus: Der Ehemann konn­ te die Steuererklärung für beide Ehegatten abgeben und auch die Steuer­ schuld mit dem Vermögen der Ehefrau, das unter seiner Verwaltung stand, begleichen.1028 Die Steuersubjektivität der familiären häuslichen Gemeinschaft erscheint bei Einbezug der damaligen Rechtswirklichkeit bis in die 1950er Jahre daher nicht unverständlich, im Gegenteil fast sogar folgerichtig: Durch den Haushaltsvorstand bestand in einem starken Maße eine einheitliche Willensbestimmung des gesamten Haushalts; der Haushalt war zu einer einheitlichen Willensbildung, notfalls auch durch Zwang, fähig. Entsteht dergestalt eine Einheit, dann bietet sich diese auch als Steuersubjekt an. Das Bundesverfassungsgericht rügt daher maßgeblich die Benachtei­ ligung des ehelichen Haushaltes, wenn dieser zwingend dem gleichen Tarifverlauf unterworfen ist wie das Individuum. Dass Ehe und Familie – trotz der weniger werdenden Bestimmungsmöglichkeiten durch den Haushaltsvorstand – auch nach 1957 noch eine wichtige Rolle im Rah­ 1023 Siehe eben auch die Rundfunkgebühr, die auf den Haushalt abstellt (ausführlich dazu das Gutachten von Kirchhof, vgl. Fn. 1019) 1024 Becker, Grundsatz der Individualbesteuerung (1970), S. 94. 1025 Voppel, § 1356 BGB – Staudinger Neubearbeitung (2012), Rz. 1–3. 1026 Engler, § 1649 BGB – Staudinger Neubearbeitung (2009), Rz. 1 ff., 7 ff. 1027 BVerfG, Urt. v. 29.07.1959, Az. 1 BvR 205/58 (Stichentscheid, elterliche Gewalt), in BVerfGE 10, S. 59. 1028 Becker, Grundsatz der Individualbesteuerung (1970), S. 94.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

men der Veranlagung und Steuersubjektivität spielen sollten, war auf Grund der rechtlichen Ausgestaltung auch dem Bundesverfassungs­ gericht klar. Es verwies1029 auf die seit 1948 in Amerika bestehende Re­ gelung des Splittings1030 als Lösung, die Individualbesteuerung und die Wirklichkeit des ehelichen Haushalts in seinen verschiedenen Facetten miteinander zu vereinbaren. Mit dem Hinweis auf dieses Rechtsinstitut in Amerika setzte das Gericht einen Akzent, der das Recht der Besteue­ rung von Ehegatten bis heute prägt. d. Erweiterung auf die Zusammenveranlagung von Eltern und Kindern in der Entscheidung vom 30.06.1964 Sieben Jahre später bekräftigte das Bundesverfassungsgericht schließlich seine Rechtsprechung für Ehegatten und weitete sie explizit nun auf wei­ tere Mitglieder des Haushalts aus: Die Zusammenveranlagung von El­ tern und Kindern nach § 27 EStG sei gleichfalls nicht mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar.1031 Verfassungswidrig ist auch hier die steuererhöhende Wirkung, die grundsätzlich eintreten muss, wenn bei einem auf die indi­ viduelle Besteuerung des Einkommens des einzelnen Steuerpflichtigen angelegten progressiven Steuertarif die Einkünfte mehrerer Steuerpflich­ tiger zusammengerechnet und das daraus gebildete gemeinschaftliche Einkommen einheitlich der Steuer unterworfen wird. Eventuell beste­ hende Freibeträge können diese Progressionsbelastung nicht wirksam ausgleichen. Auch in dieser Entscheidung hielt sich das Gericht trotz der grundlegenden Ausführungen zum Steuerrecht nur an Art. 6 GG, und ließ dabei ausdrücklich Art. 3 GG dahinstehen. 4. Das Splitting-Urteil vom 03.11.1982 und die Erweiterung auf Lebenspartnerschaften am 07.05.2013 – Ehe als Erwerbsgemeinschaft Mit dieser Norm musste sich das Gericht aber im Anschluss mehrfach beschäftigen.1032 Es galt nun, den neuen Status Quo zu verteidigen. Es musste erklärt werden, warum mit der ehelichen Gemeinschaft eine Per­ sonenmehrheit ausnahmsweise zusammenveranlagt und auf Grund des Splittings regelmäßig privilegiert wird. Durch die Rechtfertigung und den ständigen Vergleich mit anderen Formen des Zusammenlebens und Wirtschaftens schließlich wurde auch die Begründung der Zusammen­ 1029 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehegatten), in BVerfGE 6, S. 55 Rz. 77 [zit. nach juris]. 1030 Ausführlich zur amerikanischen Regelung schon vor dem Urteil des BVerfG Binder, Finanz-Archiv N.F. Bd. 17 (1956), S. 260. 1031 BVerfG, Beschluss v. 30.06.1964, Az. 1 BvL 16/62 (Haushaltsbesteuerung), in BVerfGE 18, S. 97. 1032 BVerfG, Urt. v. 03.11.1982, Az. 1 BvR 620/78 u.a. (Ehegattensplitting), in BVerf­ GE 61, S. 319.

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IV.  Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe

veranlagung und damit der fremdbestimmten Steuerwirkungen insge­ samt geschärft. Erst recht gilt das mit Blick auf die Entwicklung der Rechtsprechung zur Lebenspartnerschaft, die in deren Gleichstellung für Zwecke der Zusammenveranlagung und des Splittings im Beschluss vom 07.05.2013 gipfelte:1033 Vor Feststellung der Vergleichbarkeit von Ehe und Lebenspartnerschaft muss erst herausgearbeitet sein, was der materielle Grund der Zusammenveranlagung nach der bis dahin geltenden bzw. nunmehr erweiterten Regelung ist. Dementsprechend ist die nachfolgen­ de Darstellung entlang den Aussagen einer destillierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegliedert, bei der neben dem Beschluss von 2013 vor allem eine Entscheidung von 1982 im Mittelpunkt steht, in der das Splitting für Ehegatten gegenüber alleinerziehenden Eltern abge­ grenzt werden musste.1034 a. Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs Zentrale Aussage der Rechtsprechung ist das Verständnis der intakten Ehe1035 als Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs1036. Hinsicht­ lich des Erwerbs wird dabei unterstellt, dass grundsätzlich beide Partner erwerben (können) und der Erwerb stets der ehelichen Gemeinschaft zu Gute kommt. Zwischen den Partnern findet ein von der Rechtsordnung anerkannter Transfer von Leistungsfähigkeit statt,1037 so dass insgesamt von einem Mehr an Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft gesprochen werden kann. Die rechtliche Anerkennung des Transfers leitet das Ge­ richt aus Entscheidungen des Familienrechts (von 1982, aber noch im­ mer geltend) ab: Der Versorgungs- und der Zugewinnausgleich als gesetz­ licher Güterstand sind wie die Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365 ff. BGB und die Verpflichtungsbefugnis nach § 1357 BGB Ausdruck der ehe­ lichen Gemeinschaft. Entscheidend ist aber das Vertrauen des Gesetzge­ 1033 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377. 1034 BVerfG, Urt. v. 03.11.1982, Az. 1 BvR 620/78 u.a. (Ehegattensplitting), in BVerf­ GE 61, S. 319. 1035 Die Intaktheit drückt sich durch das Zusammenleben, die Akzeptanz der Ge­ samtschuldnerschaft und die Offenheit durch die gemeinsame Erklärung aus, vgl. Lang, StuW 1983, S. 103 (113). Im Folgenden soll wieder aus Gründen der erhöhten Lesbarkeit ausschließlich von der Ehe (und nicht auch den Lebenspart­ nern) die Rede sein, vgl. auch schon Fn. 989. 1036 Die nachfolgenden Aussagen in diesem Absatz finden sich allesamt in BVerfG, Urt. v. 03.11.1982, Az. 1 BvR 620/78 u.a. (Ehegattensplitting), in BVerfGE 61, S. 319 Rz. 80 f. [zit. nach juris]. Zum Verhältnis von Erwerb und Verbrauch Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 650 f.; Seiler, Grundzüge eines öffentlichen Familienrechts (2008), S. 90, 93. Die These des Bundesverfassungsgerichts wird empirisch von Baumgarten/Houben, StuW 2014, S. 116 be­ stätigt. 1037 Vgl. Seiler, Grundzüge eines öffentlichen Familienrechts (2008), S. 89; Merkt, DStR 2009, S. 2221 (2223).

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bers, des Gerichts und auch der Literatur darauf, dass die Lebenswirk­ lichkeit einer intakten Ehe im Steuerinland sich als Gemeinschaft des Erwerbes darstellt. Das Bundesverfassungsgericht rezipierte damit erste Ansätze in der steu­ errechtlichen Literatur in diese Richtung, insbesondere von J. Lang1038, aber auch Haller1039. Allgemein anerkannt ist mittlerweile die Ehe als Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs.1040 Gegenstand von Dis­ kussionen ist jedoch vor allem der Splitting-Divisor von zwei, der als veränderungsoffen wahrgenommen wird,1041 teilweise auch deshalb, weil etwaige Einsparungen infolge des Haushaltens „aus einem Topf“ derzeit nicht erfasst sind.1042 b. Wertungsneutralität hinsichtlich der Erwerbsausgestaltung Das Verständnis von Ehe als Erwerbsgemeinschaft als Voraussetzung des Splittings ist nicht nur empirisch1043 und durch die Ausgestaltung des Eherechts bedingt, sondern auch normativ zwingend, wenn man den Ehepartnern eine Gestaltungsfreiheit in Dingen des Erwerbs und des Haushalts zugesteht. Ohne Zusammenveranlagung und Splitting würde wirtschaftlich Druck auf die Ehepartner ausgeübt, ihre Erwerbstätigkeiten in bestimmter Wei­ se zu gestalten.1044 Im geltenden Recht drückt der Gesetzgeber auch sei­ nen Respekt vor der Leistung des im Haushalt arbeitenden Partners aus, der in gleicher Weise wie der berufstätige Partner zum Funktionieren der 1038 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 620 ff. – Die Habilita­ tionsschrift wurde schon 1982 vom BVerfG zitiert, aber erst 1988 veröffentlicht. 1039 Haller, Die Steuern, 3. Aufl. (1981), S. 68 ff.: „Das in einem Haushalt zusammen­ strömende Einkommen [ist] im weitesten Sinne als Grundlage der Bedürfnisbe­ friedigung [nach Hallers Diktion: Leistungsfähigkeit] des Haushalts zu betrach­ ten “. 1040 Etwa Uelner in Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 23 f.; Isensee in Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 56 ff.; Wendt, FS K. Tipke (1995), S. 47 (63 ff.); F. Kirchhof, StuW 2002, S. 3 (9); Jachmann, Nachhaltige Entwicklung und Steuern (2003), S. 225 ff.; Merkt, DStR 2009, S. 2221 (2223); Jachmann/Liebl, DStR 2010, S. 2009 (2009). 1041 Vgl. Lampert, Familienlastenausgleich (1990), S. 14 f.; Vollmer, Ehegattensplit­ ting (1998), S. 228 f.; Maurer, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Be­ steuerung von Ehegatten und Familien (2004), S. 135; auch Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), S. 513 (569); Maiterth/Chirvi, StuW 2015, S. 19 (28). Siehe Jachmann/Liebl, DStR 2010, S. 2009 (2012 ff.) insb. für das Familiendivisorensplit­ ting. 1042 Dazu schon Haller, Die Steuern, 3. Aufl. (1981), S. 72 f. 1043 Baumgarten/Houben, StuW 2014, S. 116. 1044 Ausdrücklich zu diesem Aspekt BVerfG, Urt. v. 03.11.1982, Az. 1 BvR 620/78 u.a. (Ehegattensplitting), in BVerfGE 61, S. 319 Rz. 81 [zit. nach juris]. Zustim­ mend auch Jachmann/Liebl, DStR 2010, S. 2009; di Fabio, NJW 2003, S. 993 (997).

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Erwerbsgemeinschaft beiträgt.1045 Damit wird auch eine Forderung er­ füllt, die unmittelbar nach der Entscheidung von 1957 vom BFH gestellt wurde1046 und sich im Gesetzgebungsverfahren als einflussreich1047 er­ wiesen hat: keine Benachteiligung der Alleinverdiener-Ehe gegenüber anderen Erwerbskonstellationen. Mit dieser Begründung wurde das Ehe­ gattensplitting letztlich veränderungsfest.1048 Es ist so gesehen für das Bundesverfassungsgericht nämlich „keine beliebig veränderbare Steu­ er-‚Vergünstigung‘, sondern – unbeschadet der näheren Gestaltungsbe­ fugnis des Gesetzgebers – eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung“.1049 c. Das Lebenspartner-Splitting-Urteil vom 07.05.2013 und die rechtliche Verfestigung der Gemeinschaft aa. Bedeutung der Lebenspartner-Rechtsprechung Soweit sich die Begründung der Zusammenveranlagung auf das Bestehen einer Erwerbsgemeinschaft stützt, stellt sich sofort die Frage, warum nicht andere Formen von Erwerbsgemeinschaften gleichfalls zusammen veranlagt werden. Es gibt rein tatsächlich zahlreiche Gemeinschaften von Menschen, die zusammen leben und ihre Einkünfte miteinander tei­ len, insbesondere nicht-eheliche Lebensgemeinschaften und Verwandte in gerader Linie. Auch außerhalb des Instituts der Ehe wirtschaften und verbrauchen Menschen gemeinsam, und übernehmen füreinander Ver­ antwortung. Besonders interessant ist dabei die Lebenspartnerschaft, da sie zum einen im konstanten Fokus der Rechtspolitik und Rechtspre­ chung steht, zum anderen auch eine stufenweise Annäherung an die Ehe erfahren hat. Anhand der nur stufenweise erfolgten Gleichsetzung von Eheleuten und Lebenspartnern (vor der Öffnung des § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB, womit die Lebenspartnerschaft natürlich an Relevanz verloren hat) und der daraus folgenden Kontroverse sollte sich untersuchen lassen, was genau der Grund für die Zusammenveranlagung (und damit auch die Möglichkeit der Fremdbestimmung) ist. Die Darstellung orientiert sich 1045 So die Begründung des Gesetzgebers in BT-Drs. III/260, S. 34. S. auch Lang, GS Tettinger (2007), S. 553; Merkt, DStR 2009, S. 2221 (2223). 1046 BFH, Urt. v. 02.04.1957, Az. I 335/56 U, in BStBl. III 1957, S. 162 Rz. 11 [zit. nach juris]. 1047 Wolkersdorf, Finanz-Archiv N.F. Bd. 18 (1957), S. 81 (88) m.w.N. 1048 Vgl. Jachmann/Liebl, DStR 2010, S. 2009 (2010). 1049 BVerfG, Urt. v. 03.11.1982, Az. 1 BvR 620/78 u.a. (Ehegattensplitting), in BVerf­ GE 61, S. 319 Rz. 81 [zit. nach juris]; bestätigt der Sache nach, aber nicht mehr so emphatisch in BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 Rz. 82 [zit. nach juris]. Ausdrücklich be­ stätigt auch in BFH, Beschluss vom 29.09.2016, Az. III R 62/13, BStBl. II 2017, S. 259 Rz. 20 [zit. nach juris].

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dabei an der Streitlinie im zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts, der mit sechs Stimmen die Gleichstellung schon für die Jahre 2001 und 2002 bejahte. Die Richter Landau und Kessal-Wulf verneinten dies.1050 bb. Kein Diskriminierungsgebot nach Art. 6 Abs. 1 GG Soweit eine Gemeinschaft rechtlich und tatsächlich in der gleichen Wei­ se wie die intakte Ehe1051 ausgestaltet ist, verbietet sich eine Ungleich­ behandlung. Diese Erkenntnis ist Konsens und wird von der Mehrheit ausdrücklich festgestellt.1052 Art. 6 Abs. 1 GG enthält kein Diskriminie­ rungsgebot. cc. Zusammenveranlagung und Kinder Umstrittener ist, ob die Zusammenveranlagung damit begründet werden kann, dass die Ehe eine typische Vorstufe der Familie ist, und damit der Generationenfolge in Staat und Gesellschaft dient.1053 Der historische Gesetzgeber hat dies jedenfalls auch als ein Motiv erkannt, als er von der Anerkennung der Leistung der Frau im Splitting als Hausfrau und Mutter sprach.1054 Die Nicht-Erwerbstätigkeit des einen Partners ist also typi­ scherweise qualifiziert. Dies ist auch heute noch zutreffend, zugleich aber für die Senatsmehrheit unerheblich: Ehen bleiben bzw. werden zu solchen ohne sorgebedürftige Kinder;1055 vor allem aber wachsen anders als noch zur Einführung des Splittings heute Kinder auch oftmals in an­ 1050 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 Rz. 117 ff. [zit. nach juris]. Damit ist der Senat in etwa auch „repräsentativ“ für die deutsche Öffentlichkeit: Etwa zwei Drittel aller Be­ fragten halten das Urteil für „richtig“; vgl. die Entwicklung der Zustimmungsra­ ten für die steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnern bei Bruttel/Abaza-­ Uhrberg, DÖV 2014, S. 510 (514 f.). 1051 Zur Intaktheit vgl. Fn. 1035. 1052 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 Rz. 84 [zit. nach juris]. Zustimmend in der Literatur etwa Frenz, DVBl 2013, S. 914; Kruhl, StBW 2013, S. 610 (613); Campbell, NJW-Spe­ zial 2013, S. 452. Kritisch aber Greite, FR 2013, S. 724. 1053 Zur Frage, ob es daher bei der Öffnung der Ehe für alle einer Verfassungsänderung bedurft hätte, siehe nur Schmidt, NJW 2017, S. 2225; Ipsen, NVwZ 2017, S. 1096. 1054 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377, Rz. 96 (Mehrheit); Rz. 139 (Minderheit). Dazu und zu Reformoptionen (etwa Splitting nur für Ehen mit aktueller Elternschaft) Birk/ Wernsmann, JZ 2001, S. 218 (222). 1055 Nach den Daten von Wagenhals, Ehegattensplitting und Familienpolitik (2008), S. 239 (248 ff.) entfallen allerdings nur gut sechs Prozent des gesamten Splitting­ vorteils, wie er vom Fiskus an die Gesamtheit der Steuerzahl gewährt wird, auf Ehen, die auf Dauer kinderlos bleiben. Freilich entfällt nur etwas mehr als die Hälfte dieses Vorteils auf Paare, die derzeit mindestens ein Kind unter 16 Jahre aufziehen. Ähnliche empirische Daten (90 Prozent entfallen auf Ehen, in denen Kinder geboren wurden) weisen Löhr/Serwe, Ehegattensplitting auf dem Prüf­ stand (2011), S. 31 auf. Vgl. auch Maiterth/Chirvi, StuW 2015, S. 19 (24, 31).

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deren Konstellationen auf,1056 auch und gerade bei eingetragenen Le­ benspartnerschaften.1057 Eine rechtlich verfasste Gemeinschaft des Er­ werbs und Verbrauchs liefert insoweit regelmäßig die Gewähr für die erfolgreiche Sorge für Kinder. Die abweichenden Richter konzentrieren sich dabei vor allem auf die Frage, ob der Gesetzgeber schon 2001 zu ei­ ner solchen Korrektur gezwungen war. dd. Rechtliche Verbindlichkeit durch gegenwärtige Pflichtenbindungen Der gesamte Senat betont die im Vergleich zu anderen Lebensgemein­ schaften besonders starke Prägung der Ehe durch wechselseitige Pflich­ tenbindungen.1058 Die rechtlich verbindliche Verfassung begründet die Zusammenveranlagung.1059 Eine solche bejaht die Senatsmehrheit für die Lebenspartnerschaft seit 2001: Es besteht seitdem eine gegenseitige Ver­ pflichtung zu Fürsorge und Unterstützung. Die Partner sind zur gemein­ samen Lebensgestaltung verpflichtet und tragen füreinander Verantwor­ tung (§ 2 LPartG 2001).1060 Die eine Gemeinschaft mitkonstituierenden Elemente der wechselseitigen Verpflichtungsbefugnis bei Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs, der Eigentumsvermutung zugunsten der Gläubiger des anderen Partners sowie der eingeschränkten Verfügungs­ berechtigung über eigenes Vermögen sind für beide Institute seit 2001 identisch geregelt (§ 8 LPartG 2001).1061 Freilich führt die Betonung der Unterhaltsverpflichtung dazu, dass auch ein Einbezug von weiteren, ge­ genseitig sich zum Unterhalt verpflichteten Personen (z.B. in Form eines Familien-Splittings) zu erwägen ist.1062 1056 Vgl. schon Zeidler, StuW 1985, S. 1 (5 f.) und Böckenförde, StuW 1986, S. 335 (339); auch Schuler-Harms, FPR 2012, S. 297 (300). Kanzler, NWB 2014, S. 549 plädiert deshalb für ein Splitting für verwitwete Alleinerziehende mit ihren Kin­ dern, was in BFH, Beschluss vom 29.09.2016, Az. III R 62/13, BStBl. II 2017, S. 259 auch mit Blick auf Art. 3 GG ausdrücklich abgelehnt wird. Kritisch zu einem solchen „Ausspielen“ von Ehe gegen Familie di Fabio, NJW 2003, S. 993 (997). 1057 Rz. 96 ff. Vgl. auch schon BVerfG, Urt. v. 19.02.2013, Az. 1 BvL 1/11 u.a. (Sukzes­ sivadoption), in BVerfGE 133, S. 59. So auch Campbell, NJW-Spezial 2013, S. 452. Kritisch aber Greite, FR 2013, S. 724 (725) und Hillgruber, JZ 2013, S. 843 (845), da dies empirisch die Ausnahme sei. 1058 Ebenda Rz. 83. Im Anschluss an BVerfG, Urt. v. 29.07.1959, Az. 1 BvR 205/58 (Stichentscheid, elterliche Gewalt), in BVerfGE 10, S. 59 Rz. 66 [zit. nach juris]; BVerfG, Urt. v. 28.02.2007, Az. 1 BvL 5/03 (Künstliche Befruchtung), in BVerfGE 117, S. 316 Rz. 37 ff. [zit. nach juris]; auch BVerfG, Beschluss v. 19.06.2012 Az. 2 BvR 1397/09 (Familienzuschlag in Lebenspartnerschaften), in BVerfGE 131, S. 239 Rz. 66 [zit. nach juris]. 1059 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 Rz. 84 [zit. nach juris]. 1060 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 Rz. 90 [zit. nach juris]. 1061 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 Rz. 95 [zit. nach juris]. 1062 Kirchhof, DB 2016, S1-S2.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

ee. Rechtliche Verbindlichkeit durch Versorgungsgemeinschaft? Über die rechtliche Verbindlichkeit in der Gegenwart hinaus betont die Minderheit im Senat die Verbindlichkeit in der Zeit. Am interessanten ist dabei der eingebrachte Begriff der Versorgungsgemeinschaft1063. Erst durch sie soll deutlich werden, dass die Erwerbs- und Verbrauchsgemein­ schaft auf Dauer ausgelegt und damit hinreichend rechtlich verfestigt ist. Eine solche Versorgungsgemeinschaft bestand sicher erst seit 2005. Zu diesem Zeitpunkt wurden schließlich die zeitlich der Partnerschaft nachlaufenden Regelungen neu gefasst; der Zugewinnausgleich wurde gesetzlicher Güterstand (§ 6 LPartG) und der Versorgungsausgleich ein­ bezogen (§ 20 LPartG i.V.m. VersAusglG). Damit ist nun die Frage aufgeworfen, ob nur unter Einschluss dieser Re­ gelungen eine rechtliche Verfestigung bejaht werden kann. Die abwei­ chenden Richter gehen davon aus.1064 Eine rechtlich verfestigte Gemein­ schaft zwischen den Partnern entstehe nur, wenn im Familien- und Sozialrecht in der gleichen Weise die Erwerbs-, Verbrauchs- und vor al­ lem der Versorgungsgemeinschaft begründet sei. Diese Einrichtung auf die gesamte Lebenszeit hin präge das Bild der Zusammenveranlagung, auch wenn Paare in Gütertrennung sich für die gemeinsame Veranlagung entscheiden können. Typisch und prägend sei gerade die Kombination von Zugewinngemeinschaft und Zusammenveranlagung. Dagegen führt die Mehrheit im Senat aber zu Recht1065 aus, dass die ge­ meinsame Veranlagung von Eheleuten auch ohne Zugewinngemein­ schaft zulässig ist.1066 Selbst aber wenn die Zugewinngemeinschaft be­ gründet wurde, hat dieser bei der intakten Ehe keine Bedeutung, denn während der Ehe bleiben bei diesem Güterstand die Vermögen gerade getrennt. Auch der Versorgungsausgleich ist nicht prägend: Er wurde erst 1977 eingeführt, also nach Einführung des Splittings. Ein derart starker Bezug zur Abwicklung (Versorgungsgemeinschaft) ist nicht Ausdruck der rechtlichen Verfestigung und daher nicht Grund der Zusammenveranla­ gung.1067 1063 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 Rz. 122 [zit. nach juris]. 1064 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 Rz. 119 ff. [zit. nach juris]. 1065 Mit ausführlicher Begründung auch Sanders, NJW 2013, S. 2236 (2237). Vgl. au­ ßerdem Campbell, NJW-Spezial 2013, S. 452; Muckel, JA 2013, S. 714 (716 f.); Brosius-Gersdorf, FamFR 2013, S. 312. 1066 BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az. 2 BvR 909/06 u.a. (Splitting Lebenspartner), in BVerfGE 133, S. 377 Rz. 94 f. Ausführlich zu den Problemkreis Maiterth/­ Chirvi, StuW 2015, S. 19 (21) und schon Lang, StuW 1983, S. 103 (114 f.), der die Anknüpfung an die Zugewinngemeinschaft als zulässige Typisierung begrüßt. 1067 Im Übrigen besaßen beide Institute schon seit 2001 Äquivalente: Schlossen die Partner keinen Lebenspartnerschaftsvertrag ab (in dem sie sich allerdings aus­

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IV.  Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe

ff. Zwischenergebnis Trotz der Unterschiede in der technischen Ausgestaltung bestand daher schon 2001 ein erhebliches Programm von Rechten und Pflichten, die eine Behandlung als „ein Steuerpflichtiger“ begründen. Kritisch mag sein, die Gleichstellung für zwölf Jahre rückwirkend herzustellen.1068 Entschei­ dende Erkenntnis für die Begründung der fremdbestimmten Steuerwir­ kung im Rahmen der Zusammenveranlagung ist aber Folgendes: Die Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs muss (lediglich) rechtlich ­ ­verbindlich verfasst sein. Nicht entscheidend sind nichtsteuerliche Wer­ tungen wie die des Art. 6 Abs. 1 GG oder besondere Vorstellungen von Familienförderung. Gleichfalls nicht relevant sind die Fragen des Güter­ standes1069 und der Nachwirkung der Gemeinschaft nach Abwicklung. 5. Folgerungen für das Verständnis von fremdbestimmten Steuerwirkungen bei der zusammenveranlagten Ehe An mehreren Stellen der Darstellung dieses Referenzgebiets klangen schon allgemeine Grundthemen dieser Arbeit an, auf die hier noch ein­ mal gesondert eingegangen werden soll: Dispositionsbefugnis und Dispo­ sitionssubjektivität. Die Folgerungen sind für alle Ausprägung der Zu­ sammenveranlagung gültig und bedürfen daher keiner Differenzierung nach einzelnen Referenznormen. a. Einheitssubjekt oder Mehrheit von Steuersubjekten Alle fremdbestimmten Steuerwirkungen im Rahmen der zusammen­ veranlagten Ehe werden über das Scharnier des § 26b EStG begründet, wo von der Behandlung der Ehegatten „gemeinsam als [ein] Steuerpflich­ tiger“ die Rede ist. In der Tat erscheint damit die Trennung der Indivi­ duen aufgehoben und die Metamorphose zum „Einheitssubjekt“1070 abge­ schlossen. drücklich für eine „Ausgleichsgemeinschaft“ entscheiden mussten), dann galten die Vorschriften über den Zugewinn (§§ 1371 bis 1390 BGB) entsprechend. Auch bestand – statt des Versorgungsausgleichs – eine Verpflichtung zum nachpartner­ schaftlichen Unterhalt (§ 16 LPartG 2001). 1068 Ausführlich dazu erneut Sanders, NJW 2013, S. 2236 (2237). Zu den praktischen Fragen der Rückwirkung in diesem Fall Tölle, NWB 2013, S. 2708; Gebhardt, EStB 2013, S. 315; Christ, FamRB 2013, S. 257. 1069 Baumgarten/Houben, StuW 2014, S. 116 (121) belegen die gleichmäßige Ver­ teilung der Güterstände über alle Einkommensgruppen. Demnach ist in nur 3,3 Prozent der Ehen Gütertrennung vereinbart. Lediglich bei Unternehmerei­ genschaft eines Ehepartners ist (wohl aus Gründen der gesicherten Betriebsfort­ führung) überproportional häufig Gütertrennung anzutreffen. Zu bedenken ist weiter, dass viele Fälle der Gütertrennung wohl auch dem durch § 5 Abs. 2 ErbStG bedingten „Trick“ der sog. Güterstandsschaukel dienen. 1070 Preißer, Gesamtschuld im Steuerrecht (1985), S. 94.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

Die Bezeichnung als Einheitssubjekt beschreibt zutreffend den Grund der Bestimmung der Steuerlast des einen Individuums durch ein anderes Individuum. In der Sprache und der Technik des Rechts werden eben nicht die Einkünfte des einen dem anderen zugerechnet; die Einkünfte des einen erhöhen auch nicht den Durchschnitts- und Grenzsteuersatz des anderen. Vielmehr bestehen die Pflichten für das (eine) Ehepaar. Erst bei (erneuter) Betrachtung des Individuums lassen sich fremdbestimmte Wirkungen feststellen. In den Normen des Steuerschuldrechts wird dies auch sprachlich deutlich, wenn wieder die einzelnen Ehepartner gesamt­ schuldnerisch die gemeinsame Steuer schulden. Die uneingeschränkte Bezeichnung als Einheitssubjekt aber ist zu pau­ schal und damit irreführend. Es wird so die Erwartung begründet, dass eine durchgängige Subjektivität besteht. Der erste Schritt der Ermittlung der steuerlichen Wirkungen, die Ermittlung der Einkünfte, erfolgt grund­ sätzlich1071 nur bezogen auf den einzelnen Partner. Es ist also gerade der Teil ausgenommen, für den die Personengesellschaft weitestgehend Sub­ jektivität besitzt, wenn sie Subjekt der Erzielung und Ermittlung der Ein­ künfte ist.1072 Es besteht daher nur eine partielle Subjektivität der zusammenveranlag­ ten Ehe, die sich am besten als „Veranlagungsgemeinschaft“1073 beschrei­ ben lässt. Damit wird zum einen deutlich, dass tatsächlich in einem ge­ wissen Umfang eine Einheit besteht, zum anderen aber auch, worauf diese begrenzt ist. Mit dem Bezug auf die Veranlagung erklären sich der Unterschied zur nicht-zusammenveranlagten Ehe sowie der Umfang der Subjektivität, die gerade in der Veranlagung, also bei der Berechnung der konkreten Steuerlast Ausdruck findet.1074 Allerdings wird diese Steuer­ last ja durch den Splitting-Divisor von zwei pauschaliert wieder auf den individuellen Ehepartner radiziert.1075 Wenn also Steuerwirkungen bei der zusammenveranlagten Ehe entstehen, die mit Blick auf die einzelnen Partner als fremdbestimmt zu qualifizieren sind, lassen sich diese auf ein weitgehend modifiziertes Verständnis von Subjektivität zurückführen.

1071 Siehe aber die Ausnahmen bei Freibeträgen schon oben, S. 228. 1072 Siehe dazu oben, S. 173 ff. 1073 Preißer, Gesamtschuld im Steuerrecht (1985), S. 91 m.w.N. zu ersten Anklängen im Schrifttum. Der Begriff wird teilweise auch in der Rechtsprechung gebraucht, etwa bei BFH, Urt. v. 14.05.2003, Az. X R 35/99, in BFH/NV 2003, S. 1176 Rz. 11 [zit. nach juris]. Im Ergebnis auch Moderegger, Familienschutz und System des Einkommensteuerrechts (1991), S. 110 f. 1074 Unterschlagen wird dabei die Wirkung schon bei der Berechnung der subjektiven Leistungsfähigkeit, etwa bei den außergewöhnlichen Belastungen. 1075 Zu dieser Form alternativer Zurechnungseinheiten zur Feststellung von Leis­ tungsfähigkeit siehe unten S. 263 und S. 266.

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IV.  Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe

b. Disposition der ehelichen Gemeinschaft über Einkünfte Soweit tatsächlich eine Veranlagungsgemeinschaft als Grundlage für die Steuerwirkungen angenommen wird, stellt sich die Frage, inwiefern sich deren Zusammenhalt mit dem allgemeinen Grund der Zurechnung von Einkünften, der Befugnis zur Disposition (über die Einkunftsquelle), ver­ einbaren lässt.1076 Direkt vergleichbar sind beide Konstellationen nicht, da sie eben auf ver­ schiedenen Ebenen der Berechnung der Steuerlast Anwendung finden. In der Wirkung sind aber beide Konstellationen identisch: Ob Einkünfte ori­ ginär einem Partner zugerechnet werden, oder – in der Diktion des § 26b EStG – die Einkünften der beiden zusammengerechnet und dann den Ehegatten gemeinsam und damit letztlich auch dem einzelnen Ehepart­ ner anteilig zugerechnet werden, macht keinen Wirkungsunterschied. Deutlich wird diese Ambivalenz (Unterschied in Technik, aber nicht in Wirkung) in der Bezeichnung der Ehe als Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch:1077 Der Erwerb selbst erfolgt nicht gemeinsam, aber es wird für die Gemeinschaft erworben. So ist nicht die Dispositionsmöglichkeit über die Einkunftsquelle entscheidend, sondern jene über die Einkünfte selbst. In der Debatte über die Zurechnung von Einkünften wird dieses Kriterium von Ruppe als unzulässiges Abstellen auf die Einkommens­ verwendung hart kritisiert,1078 womit implizit die Vermutung geäußert wird, dass der Disponent über die Einkunftsquelle immer nur für sich selbst erwirbt und eventuell später (nur) verwendet. Mit dem Abstellen auf die Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs ändert sich nun wegen des „von der Rechtsordnung anerkannten Trans­ fers von Leistungsfähigkeit“1079 das Bezugsobjekt der Dispositionsbe­ fugnis: Entscheidend ist, wer über die (von einem der Partner erzielten) Einkünfte disponieren kann, und das ist nach der Vorstellung des Gesetz­ gebers1080 bei einer intakten Ehe die eheliche Gemeinschaft als solche.

1076 Die eheliche Gemeinschaft bzw. den Haushalt sieht auch schon Obstfelder, Indi­ vidualbesteuerung oder Haushaltsbesteuerung (1976), S. 117 ff. als entscheiden­ den Disponenten, wenn er vom „Konzept der kollektiven Entscheidungseinheit“ spricht. Einen Zusammenhang zwischen dem allgemeinen Grund der Zurech­ nung von Einkünften und der zusammenveranlagten Ehe sehen auch Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. B 209 und Tipke, StuW 1977, S. 293 (298); vgl. auch schon oben S. 18. 1077 BVerfG, Urt. v. 03.11.1982, Az. 1 BvR 620/78 u.a. (Ehegattensplitting), in BVerf­ GE 61, S. 319 Rz. 80 f. [zit. nach juris]; dazu schon oben, S. 235. 1078 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (17); vgl. dazu schon oben, S. 20 ff. 1079 Seiler, Grundzüge eines öffentlichen Familienrechts (2008), S. 89. Vgl. dazu auch schon oben, S. 235. 1080 Baumgarten/Houben, StuW 2014, S. 116 (125 ff.) belegen, dass die Annahme der Durchschnittsehe auch als Verbrauchsgemeinschaft empirisch zutreffend ist.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

c. Konsensuale Disposition In der Zusammenschau der rechtlichen, außersteuerlichen Umfelder der oben dargestellten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist ein Wandel in den ehelichen Dispositionsverhältnissen deutlich gewor­ den. Der Haushaltsbesteuerung der frühen 1950er Jahre lag eine sehr „übersichtliche“ eherechtliche Wirklichkeit zu Grunde: Stets oder zu­ mindest im Zweifel bestimmte der Ehemann, was der Wille des Haus­ halts war.1081 Mit der zwingenden Anknüpfung an den Haushalt konnte sich der Steuergesetzgeber sicher sein, dass auch die Veranlagungsge­ meinschaft zu einer einheitlichen Disposition fähig war. Seither wurde auch vom Bundesverfassungsgericht der gesellschaftliche Wandel stark vorangetrieben. Mann und Frau treten sich in der Ehe auf Augenhöhe gegenüber, gleichgeschlechtliche Paare mittlerweile auch. Die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit regeln sie in gegenseiti­ gem Einvernehmen bzw. stimmen sich mit Rücksicht auf die Interessen des jeweils anderen ab (§ 1356 BGB). Sie üben die elterliche Sorge (§ 1629 Abs. 1 S. 2 BGB) gemeinsam aus. Im gesetzlichen Güterstand wird die Vermögenssubstanz der Ehe geschützt, da ein Partner nicht über sein Vermögen im Ganzen verfügen kann (§ 1365 BGB).1082 Dieser Wandel ist auch für das Steuerrecht relevant. Die Veranlagungsge­ meinschaft der Ehe und damit auch die Annahme einer Dispositionsfä­ higkeit der ehelichen Gemeinschaft bleiben wie schon zu Zeiten der Haushaltsbesteuerung bestehen, doch wird nun diese Disposition kon­ sensual statt autoritär durch den Haushaltsvorstand begründet.1083 Eine alte Rechtsfigur wird dabei mit neuem Inhalt gefüllt.1084 Der gesellschaftliche Wandel hin zur konsensualen Disposition findet aber auch seinen Ausdruck im Negativen: Konsens meint letztlich Frei­ willigkeit und damit auch die Möglichkeit, sich insgesamt gegen die Ver­ anlagungsgemeinschaft zu entscheiden: Die Zusammenveranlagung ist optional.1085 Es kann also auch darüber disponiert werden, ob für steuer­ Die Annahme findet sich auch an weiteren Stellen der Rechtsordnung (vgl. hier­ zu die Nachweise bei Schmidt, ZRP 2017, S. 134 (135 f.)). 1081 Siehe schon S. 233. 1082 Weitere Beispiele zur konsensualen Ausgestaltung der Ehe finden sich oben, S. 235 und bei der Darstellung der Vergleichbarkeit von Ehe und Lebenspartner­ schaft, S. 237 ff. 1083 Zu kollektiver Entscheidungsfindung in der zusammenveranlagten Ehe und Ehe­ gattensplitting aus Sicht der Finanzwissenschaften Beblo, Ehegattensplitting und Familienpolitik (2008), S. 269 (276 ff.). 1084 Baumgarten/Houben, StuW 2014, S. 116 (118 ff.) zum Nachweis der Arbeitszeit und Arbeitsteilung: Ehepaare stimmen sich demnach hinsichtlich der Erwerbs-, Haushalts- und Kinderbetreuungstätigkeit tatsächlich ab. 1085 Vgl. schon S. 225 und vor allem auch S. 229.

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IV.  Fremdbestimmung in der zusammenveranlagten Ehe

liche Zwecke überhaupt zusammen disponiert wird. Diese Freiwilligkeit in Form einer Option wird auch im Rahmen der Beschränkung der Voll­ streckung über §§ 268 ff. AO wieder aufgegriffen. d. Zwischenergebnis Die zusammenveranlagte Ehe und die mit ihr verbundenen fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen müssen nicht zwingend als Fremdkörper des Steuerrechts betrachten werden. Vielmehr lassen sich die bei einem for­ malen Blick auf die einzelnen Individuen festgestellten Fremdbestim­ mungen als notwendige Modifikationen von allgemeinen Gedanken ver­ stehen und mit diesen in Einklang bringen. – Im Eherecht und in der Lebenswirklichkeit ist die intakte Ehe eine derart rechtlich verfestigte Gemeinschaft des Erwerbs, des Verbrauchs und der Versorgung, dass sie für das Steuerrecht im maßgeblichen Zeitpunkt des Steuerzugriffs als Einheit zu sehen ist. Bilden die Ehe­ partner eine Gemeinschaft, dann sind sie sich nicht mehr fremd. Fremdbestimmte Steuerwirkungen können in diesem Verständnis gar nicht entstehen. – Dass sie doch als solche wahrgenommen werden, liegt daran, dass jedenfalls am Marktgeschehen die Partner einzeln teilnehmen: Es gibt keinen Erwerb der Gemeinschaft, sondern nur einen für die Ge­ meinschaft. Die Beachtlichkeit der Person oder Gemeinschaft, für die erworben wird, ist im geltenden Steuerrecht eine Ausnahme, die aber wegen der Natur der Gemeinschaft geboten ist. – Die Dispositionsbefugnis ist noch immer Leitbild bei der Bestim­ mung der Steuerpflicht, doch ist sie akzessorisch zu dem maßgebli­ chen Zeitpunkt der Bestimmung der Leistungsfähigkeit. Wird die Leistungsfähigkeit erst nach dem Erwerb für die Gemeinschaft festge­ stellt, ist zu fragen, wer über diese Leistungsfähigkeit verfügen kann. Beide Partner bilden gemeinschaftlich und konsensual einen Willen zur Disposition über die erworbenen Einkünfte ebenso wie über den Verbrauch und die Versorgung. – Historisch bemerkenswert ist dabei, dass steuerrechtlich stets ange­ nommen wurde, dass die Ehe eine Form von Einheit bildet und in ihr auch ein einheitlicher Dispositionswille gebildet wird. Der gesell­ schaftliche Wandel selbst fand dabei außerhalb des Steuerrechts statt, ist aber vom Steuerrecht rezipiert worden. Zum einen gilt dies wegen des Einbezugs der Lebenspartner und der gleichgeschlechtlichen Ehe­ partner in den persönlichen Anwendungsbereich, zum anderen auch für die Form der Willensbildung innerhalb der ehelichen Gemein­ schaft.

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C.  Referenzmaterien der besonderen Näheverhältnisse

– Ausdruck der Freiwilligkeit bei der Bildung des Dispositionswillens ist schließlich auch das Bestehen der Möglichkeit, diesen Willen ge­ rade nicht zu bilden. Eine andere Form der Veranlagung kann gewählt werden; ein opt-out aus der Gemeinschaft und der gemeinschaftli­ chen Bildung eines Dispositionswillens ist möglich. Damit entfallen zugleich die Steuerwirkungen, die bei dieser Form des Zusammenle­ bens tatsächlich fremdbestimmt wären.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben I. Vorbemerkung Als Widerlager zu den im einfachen Recht gefundenen Referenzgruppen sollen allgemeine, d.h. steuersystematische und verfassungsrechtliche Argumente in Stellung gebracht werden. Die Argumente sollen jenseits einzelner Referenzmaterien stehen und aus allgemeinen Vorgaben bzw. der Gesamtheit der Phänomenologie entwickelt werden.1086 Die jeweili­ gen steuersystematischen und verfassungsrechtlichen Prinzipien werden auf eine abstrakte Definition von fremdbestimmten Steuerwirkungen angewandt: A handelt und B hat die steuerrechtlichen Folgen zu tragen. Ob und inwieweit ein Näheverhältnis oder gar eine Form von Identität vorliegt, soll dabei erst in einem zweiten Schritt beleuchtet werden. Nicht unterschieden wird zwischen (Fundamental-)Prinzipien des Steu­ errechts und Prinzipien von Verfassungsrang. Ob und inwieweit be­ stimmte steuerrechtliche Strukturprinzipien selbst Verfassungsrang ha­ ben, ist jeweils bestritten, soll aber nicht Gegenstand dieser Arbeit sein.1087 Strukturprinzipien und Verfassung stellen jedenfalls beide An­ forderungen an die pathologischen Referenzfallgruppen des einfachen Steuerrechts, und werden dabei zugleich auch von diesen ausgefüllt.1088

II. Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen Wenn A handelt und B die steuerlichen Folgen zu tragen hat, dann er­ scheint dies schwer mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar: Eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit des B und eine hieraus abgeleitete 1086 Siehe grundsätzlich zur Methodologie dieser Arbeit oben, S. 4 ff. 1087 Für die Frage des Verfassungsranges des objektiven Nettoprinzips siehe etwa Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), S. 513 (520 ff.); Bowitz, Objektives Netto­ prinzip als Rechtfertigungsmaßstab im Einkommensteuerrecht (2016), S. 25 ff. Sofern Strukturprinzipien nicht schon per se verfassungsrechtlichen Ursprungs sind, können sie als Prinzipien des einfachen Rechts über das Prinzip der Folge­ richtigkeit Verfassungsrang erlangen (grundlegend Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz (1969); Isensee, Typisierende Verwaltung (1976), S. 166; ausführlich hierzu Prokisch, FS K. Vogel (2000), S. 293; Payandeh, AöR 136 (2011), S. 578; Bowitz, Objektives Nettoprinzip als Rechtfertigungs­ maßstab im Einkommensteuerrecht (2016), S. 127 ff. 1088 Zum Wechselbezug von Allgemeinem und Besonderem Schmidt-Aßmann, Ord­ nungsidee (2004), S. 12; ausführlicher siehe auch oben, S. 6.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Rechtfertigung für den Steuerzugriff kann nicht ohne weiteres angenom­ men werden.1089 1. Herleitung und Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips Die Ausgestaltung des einfachen Steuerrechts in seinen konkreten Belas­ tungsentscheidungen ist an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Anders als etwa bei Beiträgen und Gebühren scheidet bei Steuern als Zahlung ohne kon­ krete Gegenleistung das Äquivalenzprinzip als Konkretisierung des all­ gemeinen Gleichheitssatzes aus.1090 Im Grundgesetz fehlt die Festschrei­ bung eines besteuerungslenkenden Leitgedankens wie zu Zeiten der Weimarer Reichsverfassung von 19191091 oder in der aktuellen bayrischen Verfassung1092, in denen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit fest­ geschrieben wurde. Dennoch hat sich das Bundesverfassungsgericht stets deutlich zum Leistungsfähigkeitsprinzip als bereichsspezifische Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes für das Steuerrecht bekannt.1093 Eine unterschiedliche Besteuerung von zwei Wirtschaftssub­ jekten in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen ist die Ungleichbe­ handlung schlechthin.1094 1089 Die Frage wurde schon im Rahmen der Abhängigkeits- oder Näheverhältnisse in Kapitalgesellschaften sowie bei den Kontinuität wahrenden, illiquiden Übertra­ gungsvorgängen aufgeworfen, S. 129 ff. bzw. S. 202 ff. So auch bei FG Hamburg, Beschluss v. 04.04.2011, Az. 2 K 33/10, in DStR 2011, S. 1172, Rz. 55 [zit. nach juris]; wörtlich zitiert oben, S. 58 ff. sowie BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106 Rz. 109 ff. [zit. nach juris]. 1090 So Kirchhof, StuW 2000, S. 316 (321); Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), S. 513 (518); Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 100; Birk, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1591 (1593). Das Äquivalenzprinzip (mit den Ausprä­ gungen Kostendeckung und Vorteilsabschöpfung) wirkt aber z.B. bei Gebühren­ erhebung und -bemessung für verbindliche Auskünfte nach § 89 AO (BFH, Urt. v. 30.03.2011, Az. I R 61/10, in BStBl. II 2011, S. 536). 1091 Artikel 134 WRV: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei“ [Hervor­ hebung durch den Verfasser]. 1092 Art. 123 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern (GVBl 1998, S. 991): „Alle sind im Verhältnis ihres Einkommens und Vermögens und unter Berücksichti­ gung ihrer Unterhaltspflicht zu den öffentlichen Lasten heranzuziehen“ [Hervor­ hebung durch den Verfasser]. 1093 Zuerst in BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranla­ gung von Ehegatten), in BVerfGE 6, S. 55 Rz. 38; seitdem ständige Rechtspre­ chung, etwa in BVerfG, Beschluss v. 30.06.1964, Az. 1 BvL 16/62 (Haushaltsbe­ steuerung), in BVerfGE 18, S. 97 Rz. 43; BVerfG, Beschluss v. 21.06.2006, Az. 2 BvL 2/99 (Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte), in BVerfGE 116, S. 164 Rz. 70 f.; BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010, Az. 1 BvL 12/07 (Schachtelstrafe), in BVerfGE 127, S. 224 Rz. 51 [zit. jeweils nach juris]. Siehe auch die Urteile in Fn. 1095. 1094 Formulierung nach Ulbrich, Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung (1975), S. 15, der noch pointierter festhält: „Denn welche Vorstellung von gerechter Be­ steuerung man im Übrigen auch haben mag, wenn zwei Wirtschaftssubjekte in

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Art. 134 WRV dient dabei als Argumentationsstütze;1095 das Fehlen eines vergleichbaren Artikels im heutigen Grundgesetz wird nicht als Gegenar­ gument gebraucht.1096 Während im älteren Schrifttum die normhierarchi­ sche Einordnung und auch die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips noch etwas niedriger angesetzt wurden,1097 ist das Leistungsfähigkeitsprin­ zip im jüngeren Schrifttum ganz allgemein als stärkste Konkretisierung von Steuergerechtigkeit und allgemeinem Gleichheitssatz anerkannt.1098 Zu beachten bleibt freilich, dass mit dem Bezug auf die Leistungsfähig­ keit nicht alle anderen Charakteristika einer jeweiligen Steuer überspielt werden dürfen: Im Recht der Einkommensteuer etwa greift das Leistungs­ fähigkeitsprinzip grundsätzlich erst dann, wenn feststeht, dass sich der Zuwachs an Leistungsfähigkeit infolge einer Teilnahme am Markt erge­ ben hat.1099 Zentraler Indikator für Leistungsfähigkeit ist zumindest im geltenden Recht das Einkommen, wobei auch andere Maßstäbe wie etwa das Vermögen, die Soll-Leistung oder der Konsum sich anbieten bzw. im gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen unterschiedlich besteuert, mithin will­ kürlich diskriminiert werden, so ist das schlechthin nicht akzeptabel. Eine Steu­ er, die dieses Gleichheitspostulat missachtet, kann nach allgemeinem Verständ­ nis nicht gerecht sein“. Desens, StuW 2016, S. 240 (242) hält aber fest, dass das BVerfG in seinen Ent­ scheidungen die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips eher voraussetzt als „wirklich begründet“. 1095 Vgl. die Verweise auf Art. 134 WRV in BVerfG, Beschluss v. 24.06.1958, Az. 2 BvF 1/57 (Parteispendenurteil I), in BVerfGE 8, S. 51 Rz. 73 sowie BVerfG, Beschluss v. 22.02.1984, Az. 1 BvL 10/80, in BVerfGE 66, S. 214 Rz. 24 [zit. jeweils nach ju­ ris]. 1096 Kritisch hierzu aber Arndt, FS Mühl (1981), S. 17 (26 ff.). 1097 So Arndt, FS Mühl (1981), S. 17 (32 ff.); Vogel, DStZ/A 1977, S. 5 (9): Das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip sei kein Leitmotiv und nur eine von verschiedenen Mög­ lichkeiten der Konkretisierung von Gerechtigkeit; Birk, Leistungsfähigkeits­ prinzip als Maßstab (1983), S. 155 ff.: Der einfache Gesetzgeber habe sich frei für das Leistungsfähigkeitsprinzip entschieden, und sei nun über Art. 3 GG zu des­ sen folgerichtiger Umsetzung gezwungen. Kischel, Symposium aus Anlass des 65. Geburtstags von P. Kirchhof (2008), S. 175 sieht aber eine Gleichwertigkeit von Leistungsfähigkeitsprinzip und Lenkungszwecken. 1098 Für Nachweise in der Rechtsprechung s. Fn. 1093. Allgemein und grundsätzlich zustimmend zu dieser Einordnung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Schrift­ tum Kirchhof, StuW 2000, S. 316 (317 ff.); Vogel, DStZ/A 1975, S. 409 (410 f.); Friauf, DStJG Bd. 12 (1989), S. 3 (28); Lang, Bemessungsgrundlage der Einkom­ mensteuer (1988), S. 97 ff.; Ulbrich, Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung (1975), S. 15 (aber an späterer Stelle mit Kritik an der konkreten Ausgestaltung); Birk, StuW 2000, S. 328; Hey, StuW 2015, S. 3 (7 ff.); F. Kirchhof, BB 2017, S. 662 sowie die ausführlichen Literaturnachweise bei Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 40. Zum „Sinneswandel“ bei einigen in Fn. 1097 genann­ ten Autoren siehe Bowitz, Objektives Nettoprinzip als Rechtfertigungsmaßstab im Einkommensteuerrecht (2016), S. 69 ff. 1099 Zu dieser Zweistufigkeit siehe schon oben beim allgemeinen Zurechnungsgrund von Einkünften, S. 23 f. Zum Markteinkommensprinzip als Widerlager für fremdbestimmte Steuerwirkungen sogleich unten, S. 274 ff.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

geltenden Recht als eine Art „Nebenindikator“ jeweils auch genutzt wer­ den.1100 Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist ein (Fundamental1101-) Prinzip1102, und damit keine definitive Regel, sondern in der Diktion von Alexy bloßes Optimierungsgebot1103. Durchbrechungen sind daher dem Gesetzgeber gestattet, vor allem dann, wenn die Ungleichbehandlung zur Verwirklichung anderer Prinzipien oder eines Lenkungszwecks erfolgt.1104 Aus der hohen (=abstrakten) Einordnung des Prinzips folgt zugleich sein erhöhter Konkretisierungsbedarf.1105 Auf Grund der Verortung in Art. 3 Abs. 1 GG wird das Leistungsfähigkeitsprinzip regelmäßig als interperso­ neller Maßstab herangezogen: Sind A und B gleich leistungsfähig, dann müssen A und B gleich belastet werden. Ist A hingegen leistungsfähiger als B, dann muss A auch steuerlich stärker belastet werden als B. 2. Verengung auf eine Person und Unvereinbarkeitsthese Der letztere Fall, der Fall der sog. „vertikalen Steuergerechtigkeit“1106, lässt sich auch auf eine Person verengen: Das Subjekt B vor der Handlung des A (B°) ist mit dem gleichen Subjekt nach der Handlung des A (B‘) hinsichtlich der Leistungsfähigkeit zu vergleichen. Abstrakt betrachtet – und eine solche Betrachtung wird diesem Teil der Arbeit zugrunde ge­ legt – lässt sich nicht erwarten, dass durch eine Handlung des fremden A die Leistungsfähigkeit des B erhöht wird, unabhängig davon, ob man als 1100 Ausführlich zur Auswahl des richtigen Indikators bei der Bestimmung der Leis­ tungsfähigkeit Ulbrich, Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung (1975), S. 19 ff.; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 55 ff. 1101 So vor allem Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. (2000), S. 479 ff. Allge­ mein zur Einordnung als „Prinzip“ Bowitz, Objektives Nettoprinzip als Recht­ fertigungsmaßstab im Einkommensteuerrecht (2016), S. 25 ff.; 69 ff. 1102 Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. (2000), S. 479 ff. Grundsätzlich zu Prinzipien und Theorienbildung im Steuerrecht Drüen, FS J. Lang (2010), S. 57; Mössner, FS J. Lang (2010), S. 83. Allgemein zur Prinzipienbildung Alexy, Theo­ rie der Grundrechte (1986). 1103 Alexy, Begriff und Geltung des Rechts (1992), S. 119 ff. 1104 Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist kein Maßstab für Nicht-Fiskalzwecknormen: Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. (2000), S. 494 ff.; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 43; zur Unterscheidung zwischen Lenkungs­ normen und Fiskalzwecknormen v.a. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 62 ff., 95 ff. 1105 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 41 m.w.N., v.a. in Fn. 55. 1106 Vertikale Steuergerechtigkeit betrifft die Behandlung von Steuersubjekten mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit. Terminologie nach Vogel, DStZ/A 1975, S. 409 (411 f.). Siehe auch für die Wirtschaftswissenschaften Homburg, Allgemei­ ne Steuerlehre, 7. Aufl. (2015), § 41 = S. 207 ff. Zum Verhältnis zur horizontalen Leistungsfähigkeit Schulemann, Horizontale Gerechtigkeit und Einkommensbe­ steuerung (2008), S. 21 ff.; Palm, Person im Ertragsteuerrecht (2013), S. 416 ff.; Weber-Grellet, StuW 2016, S. 226 (236 f.); Desens, StuW 2016, S. 240 (242).

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Leistungsfähigkeit das Einkommen, das Vermögen oder die Konsumkraft definiert.1107 Die Erkenntnis der grundsätzlichen Unvereinbarkeit soll – auch mit Blick auf die späteren Vorbehalte – als aus dem Leistungsfähigkeitsprin­ zip abgeleitete These1108 wie folgt formuliert werden: Eine Steuerwirkung beim Subjekt B, die sich als Rechtsfolge einer Fiskalzweck­ norm und auf Grund einer Handlung des für B fremden Subjekts A ergibt, lässt sich mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit logisch nicht vereinbaren und stellt daher einen Verstoß gegen dieses Prinzip dar.

Oder in Anlehnung an das Bundesverfassungsgericht in seiner Entschei­ dung zu § 8c KStG:1109 Wenn die steuerliche Behandlung von Subjekt B und Subjekt C sich nur deswegen unterscheidet, weil die Besteuerung von Subjekt B von einer Handlung des Sub­ jekts A abhängt, liegt grundsätzlich eine willkürliche Ungleichbehandlung vor.

Diese These lässt sich als Subprinzip des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstehen und zutreffend als Subjektsteuerprin­ zip1110 benennen. Natürlich aber ist die These in dieser Absolutheit ­angreifbar.1111 Im Folgenden sollen hiergegen Bedenken aus zwei Rich­ tungen vorgetragen werden: Zum einen ist auf Grund der zentralen Be­ deutung des Subjektbegriffs die Frage aufgeworfen, wie dieses Subjekt zu umschreiben ist, insbesondere ob A und B nicht in irgendeiner Form das gleiche Subjekt bilden. Zum anderen ist zuzugeben, dass eine derart hohe Auflösung des Leistungsfähigkeitsprinzips, mit der nun die einzelne steuerauslösende Handlung an dem Prinzip gemessen wird, ungewöhn­ lich ist. Deshalb soll gerade mit Bezug auf die Referenznormen der Phä­ nomenologie untersucht werden, ob mit einer Erweiterung des Blickfel­ des über die einzelne Handlung hinaus ein Handlungszusammenhang 1107 Vgl. schon die Ansätze bei Crezelius, FR 2002, S. 805 (811). Ähnlich auch FG Hamburg, Beschluss v. 04.04.2011, Az. 2 K 33/10, in DStR 2011, S. 1172, Rz. 55 [zit. nach juris]; wörtlich zitiert oben, S. 58 ff. 1108 Schon im Rahmen der Phänomenologie wird diese These für die Kapitalge­ sellschaft auf S. 132 aufgestellt. Ähnlich auch die These bei Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem (2013), S. 193 ff., wonach bei einer Lastenausteilungsentscheidung, die streng nach der Leistungs­ fähigkeit erfolgt, kein Bedürfnis für einen zivilrechtlichen Ausgleich bestehen sollte. Vgl. auch Müller, Verhalten zu Lasten Dritter (2016), S. 164. 1109 BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106 Rz. 109 ff. [zit. nach juris]. 1110 Begriff nach Beisse, DStJG Bd. 4 (1981), S. 13 (14). Dazu schon im Rahmen der Besteuerung stiller Reserven bei Kontinuität wahrenden, illiquiden Übertra­ gungsvorgänge oben, S. 202 ff. 1111 Zu Recht kritisch zur verfassungsrechtlichen Aufladung spezifischer rechtspolit­ scher Ideen mit Hilfe der Redeweise vom „Prinzip“ Schön, StuW 2018, S. 201 (214).

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

festzustellen ist, in dem sich noch die Verwirklichung des Leistungsfä­ higkeitsprinzips erkennen lässt. 3. Subjekt der steuerlichen Leistungsfähigkeit Die Bestimmung des Subjekts der Leistungsfähigkeit bzw. die Modifika­ tion dieser Subjekteinheit1112 berührt eine zentrale Frage dieser Arbeit, nämlich die Beschreibung der Nähebeziehung zwischen Handelndem und Steuerpflichtigem. Beide sind sich nach den Erkenntnissen der Phä­ nomenologie meist nicht fremd, sondern im Gegenteil sogar nah. Von der Nähe kann es dabei nur ein kleiner Schritt zur Annahme einer Iden­ tität sein, so dass die Frage nach dem Subjekt bzw. der Subjektverschie­ denheit angesprochen ist. Diese Frage ist daher auch schon an anderen Stellen der Arbeit im Speziellen gestellt worden, etwa bei dem Verhältnis einer Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern und die jeweilige Leistungs­ fähigkeit dieser beiden potentiellen Subjekte, vor allem bei der Kapi­ tal-1113, aber auch der Personengesellschaft1114; bei der Gesamtrechtsnach­ folge1115 oder der Besteuerung der ehelichen Gemeinschaft.1116 a. Individuum als ultimativer Bezugspunkt Bei der allgemeinen Bestimmung des zulässigen Zuordnungssubjekts für Zwecke der Feststellung der Leistungsfähigkeit lässt sich zunächst fra­ gen, ob und inwieweit die Wahl des Zuordnungssubjekts in einer be­ stimmten Weise determiniert ist. Eine Determinierung kann sowohl ge­ nuin juristisch als auch mit Bezug auf die Wirtschafswissenschaften begründet werden. Diese Ansätze sind verknüpft mit zwei Prinzipienbe­ zeichnungen, die teilweise als Synonym, teilweise als Unterfall oder Konkretisierung, mitunter auch als Gegensatzpaar gebraucht werden:1117 das Individualsteuerprinzip1118 und das Subjektsteuerprinzip1119. Unab­ hängig von der Determination bzw. deduktiv hergeleiteten Bestimmung 1112 Dazu sogleich, S. 261 ff. 1113 Siehe oben, S. 129 ff. 1114 Siehe oben, S. 174. 1115 Siehe oben, S. 215; außerdem Müller-Franken, StuW 2004, S. 109 (116 f.). 1116 Siehe oben, S. 241 f. 1117 Zum Verhältnis der Begriffe mit ausführlichen Nachweisen Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 ff. 1118 Monographisch hierzu Becker, Grundsatz der Individualbesteuerung (1970); ­Könemann, Grundsatz der Individualbesteuerung (2001). Vgl. auch Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 und Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1. 1119 Zuerst Beisse, DStJG Bd. 4 (1981), S. 13 (14). Monographisch Danz, Subjektsteu­ erprinzip (2017) und Cropp, Subjektsteuerprinzip als personaler Bezugspunkt ei­ ner Ertragsbesteuerung nach der Leistungsfähigkeit (2016); ausführlich auch ­Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35.

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

des Subjekts lässt sich aber auch auf die tatsächliche Ausgestaltung des geltenden Steuerrechts abstellen, um eine Subjektwahl zu begründen. Auch diese Auswahl wird mitunter als (Umsetzung des) Individualsteu­ erprinzip(s) beschrieben. Auf die tatsächliche Verwendung bzw. die in­ duktive Herleitung einer Zuordnungsregel soll im Anschluss1120 einge­ gangen werden. aa. Bezug auf Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG Ausgangspunkt der Überlegung ist die Norm des Grundgesetzes, in der das Leistungsfähigkeitsprinzip verortet wird: Art. 3 Abs. 1 GG.1121 Ausge­ hend vom Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG kommt rechtlich betrachtet zunächst nur der (einzelne) natürliche Mensch infrage.1122 Der personale Anwendungsbereich des Gleichheitssatzes wird aber durch Art. 19 Abs. 3 GG geweitet:1123 Auch juristische Personen können sich demnach auf Grundrechte berufen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Für Art. 3 Abs. 1 GG wird dies unbestritten auch angenommen.1124 Der Schutz der juristischen Person ist aber kein Selbstzweck: In der stän­ digen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird deutlich, dass der Einbezug juristischer Personen dem Schutz der dahinterstehen­ den natürlichen Personen dient:1125 1120 Siehe S. 259. 1121 Dazu schon ausführlich oben, S. 248 ff. 1122 So BVerfG, Beschluss v. 07.11.1972, Az. 1 BvR 338/68 (Aufsichtsratsvergütung), in BVerfGE 34, S. 103 Rz. 37; BVerfG, Beschluss v. 11.10.1977, Az. 1 BvR 343/73 u.a. (Hausgehilfin), in BVerfGE 47, S. 1 Rz. 79 und Rz. 97; BVerfG, Beschluss v. 05.02.2002, Az. 2 BvR 305/93 u.a. (Sozialpfandbrief), in BVerfGE 105, S. 17 Rz. 62 [jeweils zit. nach juris]. Ebenso auch Könemann, Grundsatz der Individualbesteuerung (2001), S. 30. Waldhoff, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts (2009), S. 125 (129) spricht vom Prinzip der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungs­ fähigkeit; ebenso Moderegger, Familienschutz und System des Einkommensteu­ errechts (1991), S. 70; Söhn, FS K. Tipke (1995), S. 343 (359 ff.); Söhn, FR 1996, S. 81 (91). Vgl. im älteren Schrifttum mit Anlehnung an die Finanzwissenschaf­ ten Mann, FG Schanz, Bd. II (1928), S. 112 (140). Mit Bezug auf Art. 1 Abs. 1 GG auch Palm, Person im Ertragsteuerrecht (2013), S. 400. 1123 Für die Verknüpfung von Subjektfähigkeit für Zwecke der Leistungsfähigkeit und Art. 19 Abs. 3 GG beispielsweise Jachmann, DStJG Bd. 23 (2000), S. 9 (18 f.); Palm, Person im Ertragsteuerrecht (2013), S. 473 ff. Außerdem Seiler, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag (2006), S. 45 ff. 1124 Ausdrücklich und ausführlich etwa BVerfG, Beschluss v. 03.07.1973, Az. 1 BvR 153/69 (Armenrecht für juristische Personen), in BVerfGE 35, S. 348 Rz. 25, und bestätigend für das Steuerrecht bspw. BVerfG, Urt. v. 20.04.2004, Az. 1 BvR 905/00 (Ökosteuer), in BVerfGE 110, S. 274 Rz. 56 [zit. jeweils nach juris]. Ebenso Hey, FS Herzig (2010), S. 7 (7, 10 f.). 1125 BVerfG, Beschluss v. 14.04.1987, Az. 1 BvR 775/84 (Zur Grundrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Sparkassen), in BVerfGE 75, S. 192, Rz. 14 [zit. nach juris]. Außerdem auch BVerfG, Beschluss v. 02.05.1967, Az. 1 BvR 578/63 (Sozialversi­

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben „Juristische Personen in den Schutzbereich materieller Grundrechte einzubezie­ hen, ist […] nur dann gerechtfertigt, wenn deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen ist, insbesondere wenn der ‚Durchgriff’ auf die hinter ihnen stehenden Menschen es als sinnvoll und erforder­ lich erscheinen lässt.“

Auch in der Literatur findet die Betonung des so umschriebenen sog. per­ sonalen Substrats – neben dem Abstellen auf eine der natürlichen Person vergleichbare Gefährdungslage – grundsätzliche Zustimmung.1126 Dabei stellt etwa Dürig pointiert fest,1127 dass es Art. 19 Abs. 3 GG nicht „um den Wertschutz von ‚Fiktionen‘ [geht], mit denen unpersönliche Substrate rechtstechnisch zur ‚Person‘ im Rechtssinn zusammengedacht werden. Auch Art. 19 Abs. 3 ist ‚um des Menschen willen‘ da.“

Anders als etwa bei der Frage der Sphären von Leistungsfähigkeit bei der Kapitalgesellschaft1128 wird im Schrifttum die Existenz großer Publi­ kumsaktiengesellschaften nicht als Grund für die Absage an einer auf das Individuum ausgerichteten Betrachtungsweise gesehen; vielmehr er­ gibt sich aus der Distanz zwischen Individuum als Anteilseigner und gro­ ßer Gesellschaft die Notwendigkeit, diese Gesellschaften über Art. 19 Abs. 3 GG zu schützen, da nur so der Schutz des Individuums gewähr­ leistet werden kann.1129 Damit ist zugleich die positive, erweiternde Wir­ kung von Art. 19 Abs. 3 GG als „Relaisstation“1130 festzuhalten. Grundrechte können auch von organisierten Zusammenschlüssen geltend gemacht werden. Ausgehend vom Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG – dem cherungsträger), in BVerfGE 21, S. 362, Rz. 22 [zit. nach juris]: „Das Wertsystem der Grundrechte geht von der Würde und Freiheit des einzelnen Menschen als natürlicher Person aus. Die Grundrechte sollen in erster Linie die Freiheitssphä­ re des Einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen und ihm inso­ weit zugleich die Voraussetzungen für eine freie aktive Mitwirkung und Mitge­ staltung im Gemeinwesen sichern. Von dieser zentralen Vorstellung her ist auch Art. 19 Abs. 3 GG auszulegen und anzuwenden“. Bestätigt in BVerfG, Beschluss v. 08.07.1982, Az. 2 BvR 1187/80 (Sasbach), in BVerfGE 61, S. 82, Rz. 57 [zit. nach juris]. 1126 Insoweit auch Rüfner, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 2 (2001), S. 55 (56): „Die Grund­ rechtsfähigkeit der juristischen Person hat wie deren Existenz dienende Funkti­ on“; zustimmend auch Hey, StuW 2015, S. 3 (18); Remmert in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 34 f.; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. (2018), Art. 19 Rn. 16. Im Ergebnis auch P.M. Huber in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. (2018), Art. 19 Rn. 205 ff., jeweils m.w.N. 1127 In einer Vorauflage des Maunz/Dürig, zitiert nach Remmert in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 113. 1128 Siehe hierzu oben, S. 118 ff. 1129 Etwa P.M. Huber in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. (2018), Art. 19 Rn. 219. Für das Steuerrecht Hey, StuW 2015, S. 3 (18); Seiler, Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag (2006), S. 45 ff. 1130 Ausdruck nach Bethge, Grundrechtsberechtigung juristischer Personen (1985), S.  31 f.

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

effektiven Schutz der dahinter stehenden natürlichen Personen – wird die juristische Person weit verstanden. Auch Gebilde ohne Rechtspersön­ lichkeit sind grundrechtsberechtigt. Mindestvoraussetzung ist aber we­ nigstens die (Teil-)Rechtsfähigkeit des Gebildes.1131 Fehlt diese bei einer Gemeinschaft bzw. hat sie keine hinreichende organisatorische Verfesti­ gung erfahren, kann diese Gruppe sich nicht selbst auf den grundrechtli­ chen Schutz berufen. Nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung zur (Teil-)Rechtsfähigkeit von Personenzusammenschlüssen bleiben kaum Fälle denkbar, in denen nicht die Gemeinschaft selbst zum Bezugspunkt von Grundrechten werden kann und stattdessen auf die dahinterstehen­ den Individuen abzustellen ist. Es ist dann nicht unzumutbar, die Indivi­ duen auf die unbenommen bestehen bleibende Alternative zu verweisen: Sie können ihre eigenen, individuellen Rechte aus dem nicht-rechtsfähi­ gen Verhältnis in eigenem Namen geltend machen.1132 Leistungsfähigkeit als bereichsspezifische Konkretisierung des allgemei­ nen Gleichheitssatzes lässt sich daher auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 3 GG nur auf das Individuum bezogen verstehen. An die oben genannte Formulierung von Dürig anknüpfend, wonach Art. 19 Abs. 3 GG wie die juristische Person um des Menschen willen da sei, kommt nur „eine Per­ son mit Selbstzweck“1133 in Betracht. Daran hat sich auch das Leistungs­ fähigkeitsprinzip zu messen. Ultimativ kann die Leistungsfähigkeit nur bei der natürlichen Person erfasst werden. Eine dem Individuum vorge­ schaltete Einheit („juristische Person“ im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG) kann sich demnach auf Art. 3 GG als eigenes Recht berufen, um den Schutz von Fremden, der dahinter stehenden Individuen, zu ermöglichen. Die Konstellation mit zwei Subjekten der Leistungsfähigkeit führt aber nicht einfach zu einer Vervielfältigung der Zahl von Subjekten, denn die­ se befinden sich nicht auf der gleichen Stufe. Bei einer Kapitalgesellschaft etwa ist eben zu berücksichtigen, dass die natürlichen Personen hinter der Gesellschaft stehen. Eine eigene Leistungsfähigkeit der Gesellschaft besteht zwar, doch ist diese nur vorläufig1134, solange eben der Transfer der Leistungsfähigkeit an die Gesellschafter noch nicht vollzogen ist. Art. 19 Abs. 3 GG verdoppelt nicht den Rechtschutz, sondern stellt ihn nur gleichmäßig über alle möglichen Stationen des Steuerzugriffs hin­ weg sicher. 1131 Ausführlich Ramm, GS Rödig (1978), S. 229 (234 f.); Bethge, Grundrechtsberech­ tigung juristischer Personen (1985), S. 31 f. Im Ergebnis auch Schoch, Jura 2001, S. 201 (202 f.); Krausnick, JuS 2008, S. 869 (870). 1132 Rüfner, HStR IX3 (2011), § 196 Rz. 90. 1133 Palm, Person im Ertragsteuerrecht (2013), S. 515 ff., 543. 1134 Begriff nach Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa (1997), S. 256. Ausführlich zur Vorläufigkeit der Leistungsfähigkeit bei Kapitalge­ sellschaften oben, S. 130.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Eine weitere Unterscheidung im Rahmen der Leistungsfähigkeit, ähnlich der nach der Vorläufigkeit, ist jene zwischen objektiver und subjektiver Leistungsfähigkeit.1135 Die objektive Komponente der Leistungsfähigkeit meint dabei den tatsächlichen Mittelzufluss, der auch bei einer Kapital­ gesellschaft vorliegen kann, während die subjektive Komponente die per­ sönlichen Verhältnisse erfasst, die nur bei der natürlichen Person festzu­ stellen sind. Im Ergebnis muss aber auch nach diesem Verständnis ein Subjekt subjektiver Leistungsfähigkeit der Endpunkt der ertragsteuerli­ chen Zurechnung sein.1136 Nicht alle Zurechnungsverhältnisse der Phänomenologie fallen in den personalen Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG und lassen sich so erklären. Sie sind damit rechtlich nicht taugliche Zuordnungssubjekte für Zwecke des Leistungsfähigkeitsprinzips: Der Haushalt, die Ehe1137 und vor allem die qualifizierten Übertragungsvor­ gänge sind tatsächlicher oder schuldrechtlicher Natur, rechtsfähig sind sie jedoch nicht. Dies reißt aber kein Loch in das hier dargelegte Ver­ ständnis von Subjektivität im Rahmen der Leistungsfähigkeit: Haben sich die Verhältnisse nicht zu einem rechtsfähigen Gebilde verdichtet, dann entfällt lediglich die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft, nicht aber der Schutz des Besteuerungssubstrats. Es kommt auf die individuelle Leistungsfähigkeit der natürlichen Person im konkreten Zurechnungs­ verhältnis an. Das ist zwar nicht rechtschutztechnisch, aber in der mate­ riellen Gesamtbelastungsbetrachtung identisch mit der Situation bei der juristischen Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG: Auch die Annahme einer abgetrennten, vorläufigen bzw. objektiven Leistungsfähigkeit ist lediglich dienend für die korrekte Ermittlung der individuellen Leis­ tungsfähigkeit. bb. Wirtschaftswissenschaftliche Betrachtungsweisen Auch aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften kommt einzig das Indivi­ duum als Subjekt der Leistungsfähigkeit in Betracht. Die Relevanz einer wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtung lässt sich vor allem histo­ 1135 Vgl. ausführlich Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirt­ schaftlicher Freiheit (2000), S. 11 ff.; Jachmann, DStJG Bd. 23 (2000), S. 9 (16 ff.); Englisch, Dividendenbesteuerung (2005), S. 118 f.; Palm, Person im Ertragsteuer­ recht (2013), S. 541 ff.; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 51; Desens, StuW 2016, S. 240 (250 f.). 1136 Palm, Person im Ertragsteuerrecht (2013), S. 543; Englisch, Dividendenbesteue­ rung (2005), S. 130 ff.; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 51. 1137 Die Eheleute können sich natürlich auf Art. 6 GG berufen, die Ehe ist aber keine juristische Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG; auch im Rahmen der Ehe kommt es auf die individuelle Leistungsfähigkeit an, so Lang, Bemessungsgrund­ lage der Einkommensteuer (1988), S. 201 – mit einem Plädoyer für das Realsplit­ ting.

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

risch begründen: Leistungsfähigkeit war zuallererst ein finanzwissen­ schaftliches Konstrukt, das von der Rechtswissenschaft zur Konkretisie­ rung des Begriffs der Steuergerechtigkeit rezipiert wurde.1138 Sämtliche Formen von Gesellschaften und Gemeinschaften stellen wirt­ schaftlich betrachtet lediglich jeweils ein Mittel zur Verwirklichung ei­ nes Zwecks dar, der vom einzelnen Individuum festgelegt wird.1139 Selbst Unternehmen in Form einer Kapitalgesellschaft haben insoweit keine echte Persönlichkeit; sie sind nur eine große Anzahl von Verträgen. Die Verleihung der Rechtspersönlichkeit durch die Rechtsordnung ist dabei bloß eine Folge von Effizienzüberlegungen, ein Service der Rechtsord­ nung im Verhältnis zu anderen vertraglichen Konstellationen.1140 Inso­ weit steht die herrschende wirtschaftswissenschaftliche Ansicht der Fik­ tionstheorie von Savigny1141 nahe. Dabei ist die Debatte um die Leistungsfähigkeit von Unternehmen nur der Kulminationspunkt der Diskussion um die allgemeine Subjektfähigkeit in den Wirtschaftswis­ senschaften. Erst recht gilt das für andere, losere Zusammenschlüsse von Individuen, denen die Rechtsordnung keine eigenständige Rechtspersön­ lichkeit zuweist. Ein anderer Begründungsansatz in den Wirtschaftswissenschaften ist in dem Bezug auf die sog. Opfertheorie zu sehen. Leistungsfähigkeit wird dabei mit Opferfähigkeit gleichgesetzt.1142 Der Staat muss zur Finanzie­ rung seiner allgemeinen Aufgaben von jedem das gleiche Opfer abverlan­ 1138 Oechsle, Steuerliche Grundrechte in der jüngeren deutschen Verfassungsge­ schichte (1993), S. 137 ff.; Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 98; Waldhoff, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts (2009), S. 125 (129). Lang, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1827 (1827) benennt Thomas von Aquin und Adam Smith als erste Vertreter. Noch weitergehend Palm, Person im Ertragsteuerrecht (2013), S. 402, der schon bei Aristoteles erste Ansätze des Leis­ tungsfähigkeitsprinzips erkennt. 1139 Am eindrücklichsten ist der offene Brief zahlreicher Professoren der Betriebs­ wirtschaftlichen Steuerlehre und der Volkswirtschaft gegen die Abschaffung des Anrechungsverfahrens: Siegel/Bareis/Herzig/Schneider/Wagner/Wenger, BB 2000, S. 1269. Lehrbuchhaft Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 7. Aufl. (2015), § 45 = S. 227. Für das internationale Schrifttum siehe Fama, Journal of Political Eco­ nomy 88 (1980), S. 288. Außerdem Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 50; Herzig, StuW 1990, S. 22 (31). Siehe in der vorliegenden Arbeit vor allem die Diskussion der Frage, inwiefern die Besteuerung des Unterneh­ mens auf den Anteilseigner ausgelegt ist (S. 118 ff.), dort auch mit ausführlichen Literaturnachweisen. 1140 Grundlegend Coase, Economica 4 (1937), S. 386. Zur Rezeption siehe etwa Jacobsen, Journal of the History of Economic Thought 30 (2008), S. 65. Vgl. auch Schreiber/Stiller, StuW 2014, S. 216 (217). 1141 Siehe oben, S. 97 ff. 1142 Etwa bei Schneider, StuW 1975, S. 97 (101) und Haller, Die Steuern, 3. Aufl. (1981), S. 15. Zu den verschiedenen Opfertheorien Homburg, Allgemeine Steuer­ lehre, 7. Aufl. (2015), § 41 = S. 207 und vertieft zum Zusammenhang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Richter, Journal of Public Economics 20 (1983), S. 211.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

gen. Durch die Entrichtung der Steuern an den Staat fällt ein Teil der privaten Bedürfnisbefriedigung, die aus der Verfügung über Güter und Dienste bzw. aus der Verfügungsmöglichkeit über diese resultiert, zu­ gunsten des Fiskus weg. Soll das Opfer jeden gleich stark treffen, so muss die private Bedürfnisbefriedigung der einzelnen Staatsbürger um eine einheitliche Quote gekürzt werden.1143 Mit dem Bezug auf die private Bedürfnisbefriedigung kommt als Subjekt für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit nur die natürliche Person in Betracht. Nur sie konsumiert und kann damit den Konsum aufgeben. Leistungsfähigkeit in ihrer auch-subjektiven Ausprägung ist einzig bei der natürlichen Person zu messen. Dennoch bestehen aber andere Rechtssubjekte und sonstige Zusammenschlüsse natürlicher Personen. Für die Finanzwissenschaft ist deren Bestand Anlass für den Auftrag an das Steuerrecht, diese Verbindungen für die Bestimmung der steuerlich relevanten individuellen Leistungsfähigkeit zu neutralisieren. cc. Subjektneutralitätsthese Die Verknüpfung von Individuum und Leistungsfähigkeit, beschrieben als Verknüpfungsthese1144, wird aber im rechtswissenschaftlichen Schrift­ tum auch mit dem gegenläufigen Schlagwort der „Subjektneutralität des Leistungsfähigkeitsprinzips“ bestritten.1145 Dabei wird das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht mehr im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG erwähnt. Eine gewisse Verselbstständigung des Prinzips tritt ein. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebe nicht vor, auf ­welche Subjekte abzustellen ist; logisch zwingend ist nur, dass auf ein Subjekt abgestellt wird. Insoweit lassen sich diese Überlegungen als ­Subjektsteuerprinzip1146 beschreiben1147, und stimmen auch mit dem Ausgangspunkt der Überlegungen in dieser Arbeit zum Leistungsfähig­ keitsprinzip überein.1148 Die eventuelle verfassungsrechtliche Determinierung wird zwar gese­ hen, nicht aber als ein interner Bestandteil des Leistungsfähigkeitsprin­ zips, sondern als externer Einfluss.1149 Leistungsfähigkeit wird damit 1143 Haller, Die Steuern, 3. Aufl. (1981), S. 15 und insb. S. 74 ff. Zur geschichtlichen Entwicklung der (verschiedenen) Opfertheorie(n) siehe Birk, Leistungsfähig­ keitsprinzip als Maßstab (1983), S. 23 ff. 1144 Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (46). 1145 Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (47). 1146 Vgl. die Nachweise bei Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 Fn. 1 und S. 42 ff. sowie dort auch passim zur begrifflichen Vielfalt. Ratschow ist der einzige Ver­ treter der Subjektneutralitätsthese, der dies auch ausdrücklich benennt. 1147 Vgl. die Nachweise in Fn. 1119. 1148 Siehe schon oben, S. 250 f. 1149 Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (49): Eine solche Untersuchung könne aber an dieser Stelle nicht vorgenommen werden.

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

(ohne nähere Begründung) nicht mehr unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG geknüpft. Die Anknüpfung an das Individuum kann aber verwirklicht werden, wenn sich der Steuergesetzgeber für das Individuum als Subjekt entscheidet. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist demnach subjektoffen, erst mit der (möglichen) externen Grundentscheidung wird es inhaltlich konkretisiert. Die Subjektneutralitätsthese versteht die Besteuerung nach der Leis­ tungsfähigkeit als Prinzip ohne Herkunft und die Frage nach dem Sub­ jekt als ein rein logisches Problem. Wenngleich die Subjektneutralitäts­ these bei einem isolierten Verständnis von Leistungsfähigkeit überzeugt, so verkennt sie doch die Bedeutung der juristischen Herleitung aus Art. 3 GG und die wirtschaftswissenschaftlichen Wurzeln der Leistungsfähig­ keit. Ultimativ muss die Leistungsfähigkeit beim Individuum festge­ stellt werden. b. Ausformung des Subjektsteuerprinzips im geltenden Steuerrecht Im einfachen Recht hingegen ist das jeweilige Steuerrechtssubjekt die naheliegende Antwort auf die Frage nach dem Subjekt der Leistungsfä­ higkeit, und diese Antwort fällt vermeintlich im Sinne der Subjektneu­ tralitätsthese aus. Das jeweils zugrundeliegende Steuergesetz bestimmt, an wen angeknüpft wird und wer die Steuer schuldet. Im Ertragsteuer­ recht wird im Grundsatz stets die Bemessungsgrundlage und Höhe der Steuer nach dem jeweiligen Steuerrechtssubjekt ermittelt. Diese An­ knüpfung wird mit dem Begriff „Subjektsteuerprinzip“ umschrieben.1150 Regelmäßig wird dieses Prinzip vor allem bei dem Grundtatbestand des § 2 Abs. 1 EStG und bei der Subjektbindung stiller Reserven themati­ siert. Auch hier ist aber zu bedenken, dass eine bei dem Steuerrechtssub­ jekt festgestellte Leistungsfähigkeit mit der gebotenen ultimativen Fest­ stellung der Leistungsfähigkeit beim Individuum in Einklang zu bringen ist.1151 aa. Zurechnung von Einkünften nach § 2 Abs. 1 EStG § 2 Abs. 1 EStG (ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) beansprucht für das gesamte Ertragsteuerrecht Geltung und trifft zentrale Grundaussagen für die Er­ mittlung von Einkünften. Voraussetzung für die Ermittlung und Zurech­ nung von Einkünften ist demnach, dass das Steuerrechtssubjekt selbst 1150 Ausführlich zur Verwendung des Begriffes Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (42 ff.) und Danz, Subjektsteuerprinzip (2017), S. 27 ff., zur Begriffsherkunft schon Fn. 1110 und 1119. 1151 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 3 Rz. 50 f. Daher tritt Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch (2011), S. 361 ff. bei Kapitalgesellschaften auch für eine (alleinige) Steuerpflicht der Gesellschafter ein, ähnlich wie im geltenden Recht bei der Personengesellschaft.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

handelt und auch selbst einen Erfolg, also einen Zugewinn an Leistungs­ fähigkeit, erzielt.1152 Trotz seiner Abstraktionshöhe wird § 2 Abs. 1 EStG regelmäßig als Beleg für die Gleichsetzung von Steuerrechtssubjekt und Subjekt der (oder besser: einer) Leistungsfähigkeit verstanden.1153 bb. Zuordnung und Übertragbarkeit von stillen Reserven Mit der konkreten Verwirklichung des Subjektsteuerprinzips verbunden ist auch die Zuordnung von stillen Reserven, insbesondere die Frage nach deren Übertragbarkeit. Wie bereits in der Phänomenologie dieser Arbeit festgestellt,1154 besteht ein Grundsatz, der besagt, dass stille Reser­ ven bei dem Steuerrechtssubjekt verstrickt und letztlich zu versteuern sind, bei dem sie entstanden sind. Dies gilt trotz Realisationsprinzips auch dann, wenn die Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven illiquide übertragen werden. Ausnahmen erfolgen zur Verwirklichung eines Len­ kungszwecks, nämlich der Wahrung unternehmerischer Kontinuität. Diese Erkenntnis gründet auf dem Leistungsfähigkeitsprinzip, denn schließlich vermitteln auch vorhandene stille Reserven ein Mehr an Leistungsfähigkeit, wenngleich nicht in liquider Form. Für die Bestim­ mung des Subjekts der Leistungsfähigkeit liefert der Grundsatz der Steu­ erbarkeit stiller Reserven auf den ersten Blick – wie bei § 2 Abs. 1 EStG – auch nur eine technische, farblose1155 Antwort: das Steuerrechtssubjekt. Der Grundsatz ist letztlich die Umsetzung des Subjektsteuercharakters der Einkommensteuer.1156

1152 Kirchhof in Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 18. Aufl. (2019), § 2 Rn. 7–9 spricht daher von einem zu erfüllenden Handlungs- und Erfolgstatbestand, neben dem Zustandstatbestand aus den Einkunftsarten; ebenso Ratschow in Blümich, § 2 EStG Rn. 80 ff. Ausführlich zu § 2 Abs. 1 EStG und seiner Bedeutung bei der Bestimmung des allgemeinen Grunds der Zurechnung von Einkünften siehe oben, S. 25 ff. 1153 Vgl. etwa Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (7 f.). 1154 Ausführlich oben, S. 207. 1155 Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (56 f.) verneint dabei ausdrücklich den Indi­ vidualbezug. 1156 Crezelius, FR 2009, S. 881 (882); deshalb überlegt auch Rödder, DStJG Bd. 25 (2002), S. 253 (257), das Umwandlungssteuerrecht jedenfalls bei konzerninternen Umstrukturierungen schlicht durch eine Neudefinition des Steuerpflichtigen zu ersetzen: Die Konzernmutter ist der Steuerpflichtige, andere Konzerngesellschaf­ ten lediglich Betriebsstätten. Siegel, FR 2011, S. 45 (47 ff.) hingegen will die Per­ sonengesellschaft als Subjekt der Einkünfteermittlung aufgeben und stattdessen eine Individualbilanz einführen, die alle steuerrelevanten erwerbswirtschaftli­ chen Aktivitäten eines Unternehmers zusammenfasst, mögen sie aus seinem (oder seinen) Einzelunternehmen oder aus Beteiligungen an Mitunternehmer­ schaften resultieren, um so vor allem für beteiligungsidentische Schwesterperso­ nengesellschaften ein befriedigendes Besteuerungsregime zu schaffen und § 6 Abs. 3 und 5 EStG zu entlasten. Diese Vorschläge sind auch Beleg dafür, dass im

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Hintergrund der starken Betonung der Verstrickung stiller Reserven ist die Furcht des Fiskus vor Steuerverlusten, die sich infolge einer Übertra­ gung von stillen Reserven ergeben: Der andere Steuerpflichtige hat ande­ re, günstigere Freibeträge, Verlust- und Zinsvorträge, ein anderes Besteu­ erungsregime, oder – wie im klassischen Fall aus den Anfangszeiten der Zurechnungsdiskussion, der Übertragung von Vater auf Sohn1157 – eine niedrigere Progression. Auch diese subjektbezogenen Modalitäten des Steuerzugriffs sind Ausweise einer Anknüpfung an das Steuerrechtssub­ jekt als das Subjekt der Leistungsfähigkeit. Die meisten und wichtigsten dieser subjektbezogenen Modalitäten, insbesondere die Progression, knüpfen aber nicht an beliebige Subjekte, sondern an natürliche Perso­ nen an. Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass die Suche nach dem Sub­ jekt der Leistungsfähigkeit auch im geltenden Recht nicht beim Steuer­ rechtssubjekt endet, sondern bei der Untersuchung von alternativen Zurechnungseinheiten und der Verwirklichung des Individualbezugs in diesen Einheiten fortzusetzen ist. c. Alternative Zurechnungseinheiten Wie sich bereits im Rahmen der Phänomenologie gezeigt hat, kennt die Steuerrechtsordnung aber eine Vielzahl von Einheiten, an die für die Be­ stimmung der Leistungsfähigkeit angeknüpft werden kann. Teilweise sind diese Einheiten bereits von der Steuerrechtsordnung als Steuersub­ jekt anerkannt. Die Bewertung als alternative Zurechnungseinheit ergibt sich erst auf Grund einer auf das Individuum fokussierten Sichtweise. Teilweise sind diese Einheiten aber auch keine Steuersubjekte, sondern hiervon unterschiedliche Anknüpfungspunkte für Leistungsfähigkeit. aa. Nacheinander von Subjekten Ein erster Fall von Subjektmehrheiten ist das Nacheinander von Subjek­ ten in derselben Subjektstellung als Rechtsnachfolger.1158 Die Rechtsnach­ folge kann eine Gesamtrechtsnachfolge wie die Erbfolge, grundsätzlich aber auch eine Einzelrechtsnachfolge sein. Sofern die Steuerrechtsord­ nung eine Einheit aus Rechtsvorgänger und -nachfolger schafft, erfolgt ein bloßer Austausch: Der Rechtsnachfolger tritt an die Stelle des Rechts­ vorgängers; er allein hat die steuerlichen Wirkungen zu tragen. Ein derar­ tiges Nacheinander zeigt sich z.B. bei der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB, § 45 AO und der Übernahme von Bewertungsansätzen1159, Schrifttum Konzepte alternativer, veränderungsoffener Zurechnungseinheiten verbreitet sind. 1157 So schon der Titel des Beitrags von Schmidt, StbJb 1975/76, S. 149. 1158 Dazu bereits oben, S. 241 f. 1159 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608 Rz. 56 [zit. nach juris]; Müller-Franken, StuW 2004, S. 109 (110 f.). Auch

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

nicht aber bei Verlustvorträgen1160. Das Nacheinander von Subjekten in der identischen Subjektstellung zeigt sich am deutlichsten bei der sog. gespaltenen Tatbestandsverwirklichung1161, wenn erst durch ein Zusam­ menwirken von Rechtsvorgänger und -nachfolger der Tatbestand ver­ wirklicht wird (§ 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG). Nicht jede Form der unentgeltlichen Rechtsnachfolge führt aber auch zu einem Nacheinander von Subjekten: Gerade bei Einzelrechtsnachfolgen verbleibt es regelmäßig beim Nebeneinander.1162 Praktische Schwierig­ keiten bei einer Gesamtrechtsnachfolge ergeben sich in Form fremdbe­ stimmter Steuerwirkungen dann, wenn es wie im Rahmen von § 22 Abs. 6 UmwStG zu einer gespaltenen Rechtsnachfolge kommt1163, d.h. ein Teil der Rechtsstellung zugleich oder zuvor im Wege einer Einzel­ rechtsnachfolge übergegangen ist. Hier wird an die Handlung des einen Rechtsnachfolgers angeknüpft, während die Rechtsfolgen bei einem an­ deren Rechtsnachfolger eintreten. bb. Übereinander von Subjekten Ein Übereinander von Steuerrechtsubjekten besteht bei Körperschaften, insbesondere bei Kapitalgesellschaften, und ihren Anteilseignern. Hier wird wegen der grundsätzlichen Trennung1164 zunächst eine objektive bzw. vorläufige Leistungsfähigkeit ermittelt. Auf Grund der spezifischen Eigenheiten der Körperschaften ist die Feststellung dieser Leistungsfä­ higkeit geboten.1165 Diese wird zu einem späteren Zeitpunkt auf die Ebe­ ne der Anteilseigner transferiert. Mit der Modifikation dieser Transfer­ modalitäten wird auch die Vorstellung einer eigenen objektiven bzw. vorläufigen Leistungsfähigkeit modifiziert, konkret: abgeschwächt. Eine weitgehende Ausschüttungspflicht wie bei der REIT-AG oder ein Ergeb­ nisabführungsvertrag wie bei der Organschaft sind Beispiele hierfür.

stellt für BMF, Schreiben v. 28.11.2017, Az. IV C 7-S 2745-a/09/10002, in BStBl. I 2017, S. 1645 der Erbfall bzw. die vorweggenommene Erbfolge zwischen Angehö­ rigen im Sinne des § 15 AO keinen schädlichen Beteiligungserwerb im Rahmen von § 8c Abs. 1 S. 1–2 KStG dar. 1160 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608. 1161 Dazu bereits oben, S. 29. 1162 Dazu bereits oben, S. 215. 1163 Vgl. dazu den „Stiefmutterfall“ oben, S. 194 ff. 1164 Zum Trennungsprinzip oben, S. 115 ff. Zu Überlegungen, mit einer Konzernbe­ steuerung dieses bisherige Übereinander von Subjekten bei der Konzernmutter zu konsolidieren Rödder, DStJG Bd. 25 (2002), S. 253 (257) und oben in Fn. 1156. 1165 Zur Begründung der vorläufigen, eigenen Leistungsfähigkeit oben, S. 130.

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

cc. Miteinander von Subjekten Schließlich können auch Einheiten bestehen, die selbst keine Steuer­ rechtssubjekte darstellen, aber dennoch auf Grund eines qualifizierten Miteinanders von Steuerrechtsubjekten als Bezugspunkte der Ermittlung von Einkünften und der Bemessung von Steuern (also bei der Bestim­ mung der Leistungsfähigkeit) dienen. Das Steuerrechtssubjekt ist dann Teilhaber einer solchen Gemeinschaft.1166 Als Beispiele hierfür, aber auch für die Unterschiedlichkeit derartiger Gemeinschaften sind die zusam­ menveranlagte Ehe und die Personengesellschaft zu nennen. Zusammen­ veranlagte Eheleute sind (erst) außerhalb der Einkünfteermittlung als ein Steuerpflichtiger zu behandeln, d.h. beim Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen und vor allem bei der Anwendung des (gesplitteten) Steuertarifs.1167 Die Personengesellschaft ist insoweit ein Gegenstück: Sie ist Subjekt der Einkünftequalifikation und -ermitt­ lung.1168 Darüber hinaus aber wird für alle weiteren Schritte der Berech­ nung der Steuerschuld auf den Gewinnanteil des Individuums an dessen persönliche Verhältnisse angeknüpft. An eine derart lose Form der Zurechnungseinheit kann aber nicht will­ kürlich vom Gesetzgeber angeknüpft werden. So könnte schließlich jede Form der fremdbestimmten Steuerwirkungen als ein Miteinander de­ finiert und gerechtfertigt werden. Mit der Anknüpfung an andere Zu­ rechnungseinheiten darf und muss nachvollzogen werden, dass und in­ wiefern das Steuerrechtssubjekt außersteuerlichen Bindungen in der Verfügungsmöglichkeit über die ihm zugeordnete Leistungsfähigkeit un­ terliegt. dd. Folgerungen für die Unvereinbarkeitsthese Das Bestehen dieser alternativen Zurechnungseinheiten gebietet Ein­ schränkungen der oben aufgestellten These1169, wonach jede Anknüpfung an ein anderes Subjekt der Leistungsfähigkeit eine Verletzung dieser These darstellt. Zur korrekten Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Individuums ist es vielmehr erforderlich, in diesen Zurechnungseinhei­ ten auf andere Steuerrechtssubjekte bzw. andere Subjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit Bezug zu nehmen. Soweit durch die Zurechnungsein­ 1166 So Kirchhof, Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag (1988), F 68 f.: „Das EStG wird das Einkommen demnach beim Nutzer der Erwerbsgrundlage (dem individuellen Einkommensbezieher) erfassen können, darf aber die Gebunden­ heit des Einkommensbeziehers in einer am Einkommen teilhabenden Gruppe nicht außer Acht lassen“. So auch Seiler, Gutachten F für den 66. Deutschen Ju­ ristentag (2006), S. 35 f. 1167 Ausführlich oben, S. 225 ff. 1168 Dazu oben, S. 173 ff. 1169 Siehe oben, S. 250 f.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

heiten die Bindungen des Subjekts zutreffend abgebildet werden, ist diese steuerliche „Fremdbestimmung“ durch andere Subjekte geboten. Beste­ hen hingegen solche Bindungen nicht und befinden sich die Steuerrechts­ subjekte nach der obigen Terminologie weiterhin in einem Nebeneinander, bleibt die These gültig. Davon unberührt ist aber die Frage, ob die Steuerwirkungen den Bindun­ gen, die sich aus den Zurechnungseinheiten ergeben, entsprechen. Es lässt sich an dieser Stelle die Forderung aufstellen, dass die Sachgesetz­ lichkeiten der jeweiligen alternativen Zurechnungseinheit, aber auch der jeweiligen Sachmaterie einzuhalten sind.1170 Für die jeweiligen alternati­ ven Zurechnungseinheiten wurden diese Anforderungen im Rahmen der Phänomenologie schon dargelegt.1171 Bei den Sachmaterien gilt es ange­ führte Besonderheiten zu beachten. So steht etwa bei Verlustvorträgen die These im Raum, dass diese höchstpersönlicher Natur seien, was im Rahmen von § 8c KStG möglicherweise einen Untergang gebietet.1172 Ob dies aber zutrifft und welche Folgen es für die Einteilung in objektive und subjektive, vorläufige und endgültige Leistungsfähigkeit hat, kann in dieser Arbeit nicht herausgearbeitet werden.1173 d. Verwirklichung des Individualbezugs in den alternativen Zurechnungseinheiten des geltenden Steuerrechts Der gebotene ultimative Bezug auf das Individuum wird auch durch die Zurechnungseinheiten hindurch gewahrt. Die Verwirklichung des ver­ fassungsrechtlich gebotenen Grundsatzes der Individualbesteuerung, und konkret der Bezug auf das Individuum als Subjekt der Leistungsfä­ higkeit, ist heute für das Einkommensteuerrecht allgemein anerkannt.1174 Damit wird auch der These der Subjektneutralität des Leistungsfähig­ keitsprinzips1175 die praktische Relevanz genommen, denn der Gesetzge­ ber hat sich eben im Grundsatz für das Individuum als Subjekt entschie­ den.

1170 Schön, StuW 2005, S. 247 (249 ff.). 1171 Für die Kapitalgesellschaft siehe etwa S. 130, für die Personengesellschaft S. 177 ff., für illiquide, Kontinuität wahrende Übertragungsvorgänge S. 215, für die zusammenveranlagte Ehe S. 241 ff. 1172 So etwa Sächsisches FG, Urt. v. 16.03.2011, Az. 2 K 1869/10, in EFG 2011, S. 1457 Rz. 18 [zit. nach juris]; insoweit wörtlich zitiert oben, S. 62 f. 1173 Vgl. aber hierzu Röder, System der Verlustverrechnung im deutschen Steuer­ recht (2010), S. 122 ff.; Röder, StuW 2012, S. 18 (29 ff.). 1174 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608 Rz. 65 [zit. nach juris]; Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 625, jeweils m.w.N. Dogmengeschichtlich war die natürliche Person stets das „Urbild eines Steuersubjekts“, vgl. Reimer, StuW 2014, S. 29 (34). 1175 Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (47).

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

aa. Grundentscheidung durch Grundfreibetrag und Progression Die erste und damals noch Kritik auslösende1176 Feststellung dieser Art wurde vom Bundesverfassungsgericht 1957 in der schon im Rahmen der Phänomenologie behandelten Entscheidung zur Zusammenveranlagung von Eheleuten getroffen.1177 Das Gericht gelangt zu dieser Erkenntnis vor allem wegen der progressiven Ausgestaltung der Einkommensteuer be­ zogen auf das Steuersubjekt der natürlichen Person (§ 1 EStG).1178 Die Höhe des Steuerzugriffs ist abhängig von der Zuordnung zu einem Indi­ viduum: Die tarifliche Einkommensteuer hängt allein von der festge­ stellten Leistungsfähigkeit der natürlichen Person ab. Nach den Wertun­ gen des EStG wird durch den Grundfreibetrag die eigenverdiente Befriedigung der essentiellen Bedürfnisse des Individuums ermöglicht. Die auf das Individuum ausgerichtete Betrachtung setzt sich fort im pro­ gressiven Tarifverlauf, wenn unterstellt wird, dass mit steigendem Ein­ kommen auch ein stärkerer Zugriff auf jeden Grenzbetrag gerechtfertigt ist. bb. Leistungsfähigkeit des Individuums beim Übereinander von Subjekten Die Festlegung auf einen progressiven Tarifverlauf mit Grundfreibetrag ist die stärkste Grundentscheidung für das Individuum als Subjekt der Leistungsfähigkeit. Abgestützt wird diese Wertung bei Kapitalgesell­ schaften und Anteilseignern, also einem Übereinander von Steuerrechts­ subjekten, durch die Ausrichtung der Gesamtbelastungswirkung auf das Individuum.1179 Dies geschieht am deutlichsten bei der Organschaft und der REIT-­ Besteuerung, wenn das Substrat auf Ebene der Organgesellschaft bzw. REIT-AG nicht und auf Ebene des Organträgers bzw. Aktionärs voll be­ lastet wird. Jenseits dieser Fälle, die sich durch eine weitgehende Pflicht zur Ausschüttung bzw. Gewinnabführung auszeichnen, wird aber den Gründen für die Annahme einer eigenen vorläufigen bzw. objektiven Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft zumindest im Grundsatz wei­ terhin Rechnung getragen. Wegen der eigenen Subjektivität, der Ab­ schirmwirkung und der möglichen, zeitlichen Verzögerung der Aus­ 1176 Spitaler, BB 1957, S. 268; Bachof, JZ 1957, S. 272; Klein, IFSt- Schrift Nr. 48 (1959), S. 38 ff. 1177 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehegatten), in BVerfGE 6, S. 55, dort v.a. Rz. 38 – zu dem Urteil ausführlich oben schon, S. 230 ff. 1178 Die Entscheidung für die Progression und gegen eine sog. flat tax ist aber nicht zwingend von Art. 3 GG geboten; vgl. dazu Musil, FS E. Klein (2013), S. 237 (242 f.) m.w.N. 1179 Ausführlich dazu oben, S. 118 ff.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

schüttung wird zunächst beim Subjekt der Körperschaftsteuer eine eige­ ne Ertragsteuer erhoben. Je nach Anteilseigner wird diese Vorbelastung des Steuersubstrats durch Freistellungen bzw. niedrigere Steuersätze be­ rücksichtigt; weitere zwischengeschaltete juristische Personen sollen nach der Grundkonzeption des § 8b KStG neutralisiert werden. Dies gilt auch nach der Einführung des § 8b Abs. 4 KStG, wonach Streubesitzdivi­ denden nunmehr unabhängig von der Ansässigkeit der empfangenen Körperschaft versteuert werden müssen. Wie sich schon aus der Ausge­ staltung als Ausschlusstatbestand und vor allem der Aussparung der Ver­ äußerungsgewinne1180 ergibt, ist § 8b Abs. 4 KStG kein Paradigmenwech­ sel, sondern Fremdkörper in einem System, das weiterhin grundsätzlich auf die Leistungsfähigkeit der natürlichen Person als ultimativer Anteils­ eigner ausgerichtet ist.1181 cc. Leistungsfähigkeit des Individuums beim Miteinander von Subjekten Auch in den Fällen des Miteinanders von Steuerrechtssubjekten in einer Gemeinschaft, die Zurechnungseinheit bei der Ermittlung von Leis­ tungsfähigkeit ist, wird der Bezug auf das Individuum durchgesetzt. Die Einkünfte auf Ebene der Personengesellschaft werden dem einzelnen In­ dividuum entsprechend der Gewinnverteilungsabrede zugerechnet. Al­ lerdings ist der Durchblick gerade durch die Personengesellschaften gele­ gentlich nicht konsequent genug. Als problematische Ausnahmen stehen derzeit die Pflicht zur Erstellung von Ergänzungsbilanzen bei unverän­ derter individueller Zuordnung stiller Reserven1182 oder die Entstrickung bei Transfers zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften im Fokus der Rechtsprechung.1183 Durch die Anwendung des Splittingverfahrens werden die Einkünfte der zusammenveranlagten Ehepartner, die nach § 26b EStG „gemeinsam als [ein] Steuerpflichtiger“ behandelt werden, gleichfalls wieder einem Indi­ viduum zugeordnet, wobei freilich bloß eine Aufteilung nach Köpfen der „Teilhaber“ erfolgt. Auch hier war die bereits mehrfach erwähnte Ent­

1180 Vgl. Fn. 524 zu bislang gescheiterten Reformvorschlägen (zuletzt ein Diskussi­ onsentwurf zum InvStRefG, der im Referentenentwurf vom 16.12.2015 nicht weiter verfolgt wurde), auch Veräußerungsgewinne zu erfassen. 1181 So auch Herlinghaus, FR 2013, S. 529 (533). Vgl. auch Intemann, BB 2013, S. 1239 (1240); Grefe, DStZ 2013, S. 573 (581); Benz/Jetter, DStR 2013, S. 489 (492). Des­ halb wird zur „Reparatur“ auch die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens vor­ geschlagen, vgl. dazu Joisten/Vossel, FR 2014, S. 794 m.w.N. Ausführlicher dazu oben, S. 118 ff. 1182 BFH, Urt. v. 31.07.2013, Az. I R 44/12, in DStR 2013, S. 2165; vgl. auch Fn. 844. 1183 BFH, Beschluss v. 10.04.2013, Az. I R 80/12, in BStBl. II 2013, S. 1004; jetzt BVerfG, Anhängiges Verfahren, Mitteilung v. 15.10.2013, Az. 2 BvL 8/13, in juris.

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

scheidung des Bundesverfassungsgerichts1184 zur Haushaltsbesteuerung grundlegend. Verworfen wurde damals eine Gemeinschaft (des Haus­ halts), die gerade nicht durch ein späteres Splitting auf das Individuum zurückgeführt worden wäre. dd. Leistungsfähigkeit des Individuums beim Nacheinander von Subjekten Der Eintritt in die Leistungsfähigkeit des Rechtsvorgängers erfolgt meist geräuschlos. Das Steuerrecht vollzieht die Universalsukzession des Zi­ vilrechts weitgehend nach und ermöglicht teilweise sogar eine vorweg­ genommene Erbfolge, etwa bei der unentgeltlichen, vorbehaltslosen Be­ triebsübergabe im Rahmen von § 6 Abs. 3 S. 1 EStG. Als Besonderheit werden erst die Einschränkungen der Idee des Nacheinanders von Steu­ errechtssubjekten in derselben Rechtsposition wahrgenommen. Aufgegriffen wird die Frage des Zurechnungssubjekts der Leistungsfähig­ keit in der Entscheidung des Großen Senats des BFH zur Unvererblich­ keit von Verlustvorträgen.1185 Diese Entscheidung wird auch an anderen Stellen der Arbeit für die Feststellung von Identität bzw. eines Identitäts­ wechsel herangezogen.1186 Demnach können die beim Erblasser bis zu seinem Tod nicht aufgezehrten Verlustvorträge auf ein anderes Einkom­ mensteuerrechtssubjekt – und sei es auch nur auf seinen Erben (Gesamt­ rechtsnachfolger) – nicht übertragen werden. Es ist diesem daher nicht gestattet, die „Verluste“ mit eigenen positiven Einkünften zu verrech­ nen. Zu diesem Auslegungsergebnis von § 10d EStG gelangt der BFH aber nicht aus der Norm selbst heraus; die festgestellte Unvererblichkeit von Verlustvorträgen steht nicht gleichberechtigt als Manifestation des Indi­ vidualsteuerprinzips neben § 1 EStG und Progressionsverlauf mit Grund­ freibetrag. Erst von dieser Grundentscheidung leitet der BFH die Unver­ erblichkeit des Verlustvortrages ab. Durch die den Verlustvorträgen zu Grunde liegenden Aufwandsüberschüsse wurde und wird der Erblasser nicht persönlich belastet; es handelt sich nur um Drittaufwand, der grundsätzlich unbeachtlich ist.1187

1184 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1957, Az. 1 BvL 4/54 (Zusammenveranlagung von Ehegatten), in BVerfGE 6, S. 55 – zu dem Urteil ausführlich oben schon, S. 230 ff., aber auch S. 265. 1185 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608. 1186 Für diese Frage im Rahmen des Markteinkommensprinzips siehe unten, S. 286 ff.; den Vergleich nahm auch schon das Sächsische FG bei der Frage der Verfassungs­ mäßigkeit von § 8c Abs. 1 KStG vor (dazu oben, S. 62 f.). 1187 So BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608 Rz. 67 [zit. nach juris]; zu den beachtlichen Fällen des Drittaufwands siehe oben, S. 31.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Unterstützend und zur Widerlegung des Arguments der Gesamtrechts­ nachfolge auch hinsichtlich von Verlusten nach §§ 1967 BGB, 44 AO ­erkennt der BFH auf eine (eigene) Höchstpersönlichkeit von Verlustvor­ trägen.1188 Die durch Verluste und Werbungskostenüberschüsse verur­ sachte „negative Leistungsfähigkeit“ kann als personenbezogene und mithin nicht fungible Eigenschaft des betreffenden Einkommensteuer­ rechtssubjekts genauso wenig auf eine andere Person übergehen, wie dies in der entgegengesetzten Situation der durch Gewinne und Einnahmen­ überschüsse vermittelten „positiven Leistungsfähigkeit“ in Betracht kommt.1189 Als Ergebnis lässt sich eine (argumentative) Wahrung des Individualbe­ zugs im geltenden Steuerrecht in zwei Varianten feststellen:1190 Entweder wird der Individualbezug strikt („höchstpersönlich“) umgesetzt und da­ mit ausdrücklich das Individualsteuerprinzip gewahrt.1191 Dann besteht schon in der Subjektstellung kein Nacheinander, das wieder auf ein Indi­ viduum zurückzuführen ist. Alternativ besteht ein Nacheinander, das aber dergestalt aufgelöst wird, dass nicht auf die isolierte Leistungsfähig­ keit des ersten Individuums abgestellt wird. Vielmehr ist ausschließlich die Leistungsfähigkeit des zweiten Individuums beachtlich, wie sie sich nach der Rechtsnachfolge darstellt. Bezug genommen wird dabei nur auf einzelne Merkmale, etwa auf den vorherigen Buchwert des Wirtschafts­ guts bei einer späteren Veräußerung (etwa bei § 6 Abs. 3 EStG) oder auf die Verwirklichung des Handlungstatbestandes durch den Rechtsvorgän­ ger (§ 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG). Damit wird bei jeder Rechtsnachfolge, und insbesondere auch bei einem Nacheinander von Steuerrechtssubjekten in derselben Subjektstellung, der Individualbezug im Rahmen der Fest­ stellung der Leistungsfähigkeit gewahrt. 4. Betrachtung des Gesamtgeschehens Ein anderer Erklärungsansatz für fremdbestimmte Steuerwirkungen un­ ter dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und im Rahmen obiger These zu deren grundsätzlicher Unvereinbarkeit mit die­ sem Prinzip1192 liegt in der Betrachtung des Gesamtgeschehens. Dies wäre also ein „Herauszoomen“, weg von der konkret benannten Hand­ lung. Diese Vorgehensweise ist vor allem in der Konstellation des Ne­ 1188 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608 Rz. 68 ff. [zit. nach juris]. 1189 Ebenda, Rz. 70. 1190 Aus Sicht des steuerpflichtigen Erbens bestehen aber große Unterschiede, die sich auch in Abhängigkeit vom genauen Zeitpunkt des Erbfalls als beliebig dar­ stellen; vgl. dazu den Vergleich bei Fischer/Lackus, DStR 2014, S. 302. 1191 Crezelius, FR 2009, S. 881 (882). 1192 Siehe oben, S. 250 f.

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

beneinanders von Subjekten1193 geboten, kann aber auch bei den zuvor untersuchten alternativen Zurechnungseinheiten ein weiterer Erklä­ rungsansatz für die vermeintliche Fremdbestimmung sein. Die dabei ge­ fundenen Erklärungen können sich im Einzelnen überschneiden. a. Lenkungsnormen Wie sich schon aus der oben formulierten Ausgangsthese selbst ergibt, soll diese nicht gelten, wenn die Handlung nicht den Tatbestand einer Fiskalzwecknorm, sondern den einer Lenkungsnorm erfüllt.1194 Len­ kungsnormen sind solche Normen, mit denen außersteuerliche Zwecke verfolgt werden.1195 Sie dienen nicht der Verwirklichung des Leistungsfä­ higkeitsprinzips, sondern sind rechtfertigungsbedürftige Ausnahmen hier­ von.1196 Deshalb sollten Lenkungsnormen schon ihrer Natur nach nicht unter dem Leistungsfähigkeitsprinzip bzw. Ableitungen hiervon beur­ teilt werden. Der Einbezug der Qualifikation der Norm, deren Handlungstatbestand erfüllt ist, weitet den Fokus weg von der konkreten Handlung. Diese Gesamtbetrachtung führt bei Lenkungsnormen allerdings nicht zu einer Neubewertung innerhalb der obigen These von der Unvereinbarkeit fremdbestimmter Steuerwirkungen mit einer Besteuerung nach der Leis­ tungsfähigkeit. Vielmehr ist festzuhalten, dass Lenkungsnormen nicht unter Leistungsfähigkeitsaspekten zu beurteilen sind.1197 Andere verfas­ sungsrechtliche Maßstäbe sind aber uneingeschränkt auch an Lenkungs­ normen anzulegen.1198 b. Missbrauchsverhinderungsnormen Konstellationen, in denen zunächst ein bestimmtes Privileg gewährt und dann bei fehlendem Wohlverhalten später zurückgenommen wird, wei­ sen eine inhaltliche Nähe zu Lenkungsnormen auf. Auch hier wird vom 1193 Nebeneinander in Abgrenzung zum Miteinander. Dazu bereits oben, S. 215 und S. 261 ff. 1194 Siehe dazu oben, S. 250 f. 1195 Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, Einführung zum EStG, Rn. 62; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 63. 1196 BVerfG, Urt. v. 09.12.2008, Az. 2 BvL 1/07 (Pendlerpauschale), in BVerfGE 122, S. 210 Rz. 58 ff.; BVerfG, Beschluss v. 22.06.1995, Az. 2 BvL 37/91 (Vermögen­ steuer), in BVerfGE 93, S. 121 Rz. 76 [jew. zit. nach juris]; Köck, JZ 1991, S. 692 (696); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem (2005), S. 177 ff., 215 ff.; Desens, StuW 2016, S. 240 (245 f.). Zur Kritik an Lenkungssteu­ ern siehe Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch (2011), S. 124 ff.; Hey in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einführung zum EStG, Rn. 701 m.w.N. 1197 So auch Hey, StuW 2015, S. 3 (8); Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, Einführung zum EStG, Rn. 701; Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. (2000), S. 340. 1198 In dieser Arbeit insbesondere das Rechtsstaatsprinzip; dazu unten, S. 290 ff.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Steuerpflichtigen ein gewisses Verhalten eingefordert – die Einhaltung wird belohnt, die Verletzung bestraft. Derartige Referenzfälle finden sich auch in der Phänomenologie dieser Arbeit. Dabei handelt es sich um Übertragungs- und Einbringungsvor­ gänge, bei denen die Gegenleistung entweder in der Gewährung von An­ teilen liegt oder vollständig entfällt. Darüber hinaus bestehen qualifizier­ te Anforderungen an die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit in Bezug auf den Gegenstand der Übertragung, die nur von demjenigen erfüllt werden können, der gerade auch die Sachherrschaft über diesen Gegenstand ausübt.1199 Das ist naturgemäß nicht mehr der Übertragende, den wegen der Rücknahme der Privilegierung aber die Rechtsfolgen tref­ fen. Bei Wahl dieses „Bildausschnitts“ wäre von einer Lenkungsnorm zu sprechen, die nicht unter Leistungsfähigkeitsaspekten beurteilt werden und auch nicht von obiger These erfasst sein soll. Nach den Feststellun­ gen in dieser Arbeit ist die infrage stehende Privilegierung (Verzicht auf die Entstrickungsbesteuerung) auch nicht etwa wegen des Realisations­ prinzips geboten1200 und daher eine echte Subvention. Weitet man aber den Blickwinkel noch mehr und bezieht gerade die Pri­ vilegierung selbst mit ein, dann lässt sich auch ein Bezug zum Leistungs­ fähigkeitsprinzip wieder herstellen. In den Fällen mit verletzten Behalte­ fristen ist die Privilegierung gerade im Verzicht auf die Aufdeckung stiller Reserven zu sehen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebietet deren Erfassung. In Verbindung mit dem Subjektsteuerprinzip müssen die im Laufe der Zeit bei einem Steuersubjekt entstandenen stillen Reserven jedenfalls im Zeitpunkt des letztmöglichen Zugriffs bei dem Steuersub­ jekt versteuert werden.1201 Durch die Rücknahme der Privilegierung wird wieder an die Übertragung als solche angeknüpft und die gebotene und grundsätzlich auch erfolgende Besteuerung der stillen Reserven vorge­ nommen. Stellt man auf diesen Bildausschnitt ab, so tritt tatsächlich beim Steuerpflichtigen eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit ein, aller­ dings nicht in bleibender liquider Form: Die Unentgeltlichkeit der Ver­ äußerung wird dabei als private Entscheidung und damit als Mittelver­ wendung verstanden. Sofern tauschweise ein anderer Gegenstand erlangt wurde, verbleibt es bei dem allgemeinen steuerlichen Grundsatz, dass eine solche Veräußerung einem normalen Verkauf grundsätzlich gleich­ steht.1202

1199 Vgl. dazu die Referenzfälle oben, S. 181 ff. 1200 Vgl. zur gebotenen Besteuerung der stillen Reserven oben, S. 203 ff. 1201 Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 9 Rz. 403; Reiß, BB 2001, S. 1225 (1226); ausführlich dazu auch oben, S. 203 ff. 1202 Allgemein zum Tausch im Zivil- und Steuerrecht siehe oben, S. 209.

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Ob eine bzw. welche Perspektive in derartigen Fällen die allein richtige ist, lässt sich nur schwer beurteilen. Missbrauchsverhinderungsvor­ schriften – und die Referenzfälle mit Behaltefristen sind grundsätzlich als solche zu qualifizieren1203 – begründen gerade keine eigene Steuer­ pflicht, sondern sichern eine bereits angelegte Steuerpflicht ab.1204 Des­ halb soll nach Gabel für die Einordnung in die Kategorien von Lenkungs-, Fiskalzweck- und Vereinfachungsnorm die Norm maßgeblich sein, deren Missbrauch verhindert werden soll.1205 Letztlich reicht es für Zwecke dieser Arbeit aus, die Ambivalenz der Referenzfälle festzustellen, wie sie sich aus den möglichen unterschiedlichen Blickwinkeln ergibt. Eine ein­ deutige Einteilung kann unterbleiben, da entweder bei Betonung des Subventionscharakters schon eine Beurteilung unter Aspekten der Leis­ tungsfähigkeit entfällt, oder durch das Abstellen auf die gebotene Aufde­ ckung Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip besteht. c. Überwälzung der Steuerfolgen Keine gesetzlich erwähnte, oftmals aber eintretende Folge von fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen ist deren Kompensation durch den Verursa­ cher. Im Ergebnis kommt es so zu einer Überwälzung der Steuerfolgen. Auch diese nicht vom Gesetz erwähnte, aber angesichts der Fremdbe­ stimmung und den entsprechenden Vorschlägen zur Gestaltung in der Literatur1206 vorhersehbare Steuerfolge ist in die Gesamtbetrachtung ein­ zubeziehen. In der Literatur werden vorhersehbare Überwälzungen unter Aspekten der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bei direkten Steuern kri­ tisch gesehen:1207 Die Belastung mit der Steuer soll bei dem Steuerpflich­ tigen erfolgen, bei dem ein Zuwachs an Leistungsfähigkeit eingetreten ist. Eine regelmäßige Überwälzung indiziert, dass der Steuerpflichtige gar nicht leistungsfähiger geworden ist; der anscheinend leistungsfähige, privatrechtlich zum Regress verpflichtete Fremde wird vom Gesetz ver­ 1203 Für § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG siehe etwa BFH, Urt. v. 31.07.2013, Az. I R 44/12, in DStR 2013, S. 2165; Scharfenberg, DB 2012, S. 193 (196); Schulze zur Wiesche, DStZ 2012, S. 12 (16); für § 16 Abs. 3 S. 3 EStG siehe die Regierungsbegründung des UntStFG in BT-Drs. 14/6882, S. 34; allgemein zu den Behaltefristen des UmwStG siehe Kredig, Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstruk­ turierungen (2013), S. 333 ff. 1204 Hey, StuW 2008, S. 167 (171). 1205 Gabel, Verfassungsrechtliche Maßstäbe spezieller Missbrauchsnormen (2011), S. 44 ff. 1206 Vgl. die Nachweise bei den einzelnen Referenzfällen. Allgemein dazu Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem (2013). 1207 Vgl. Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (225 ff.) m.w.N.; siehe auch Hey, Kernfra­ gen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (6); Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. (2003), S. 584 und 979 ff.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

schont bzw. nicht in der gebotenen Form unmittelbar durch ein Steuer­ gesetz belastet.1208 Anders als bei indirekten Steuern greifen regelmäßig auch keine Erwägungen zur Praktikabilität als Rechtfertigung. Diese Kritik beschreibt auch das Phänomen der fremdbestimmten Steu­ erwirkungen, in deren Folge es zu Überwälzungen kommt. Erfolgt die Überwälzung auf den Verursacher, dann wird jedenfalls wirtschaftlich ein in obiger These gefordertes Ergebnis erreicht:1209 Wer die Steuerwir­ kung auslöst, wird belastet. Jedenfalls im Bereich der illiquiden Übertra­ gungsvorgänge bei einer fristverletzenden Weiterveräußerung kann in Ansätzen auch ein Zugewinn an Leistungsfähigkeit entdeckt werden: Die so übergewälzte Steuerlast entspricht zusammen mit einer eventuel­ len weiteren Wertsteigerung dem Veräußerungserlös, den der ursprüngli­ che Erwerber und Weiterveräußerer erzielt hätte, wäre zu Buchwerten und ohne Behaltefrist übertragen worden. Da bei Begleichung der Steuer­ last durch den fremdbestimmten Steuerpflichtigen zugleich eine Erhö­ hung der Anschaffungskosten beim Weiterveräußerer erfolgt1210 und so dessen steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn sich mindert, sorgt die Überwälzung letztlich für eine vermeintlich sachgerechte Erfassung der Leistungsfähigkeit – freilich im Widerspruch zur oben festgestellten Leistungsfähigkeit, die schon durch die stillen Reserven selbst beim ­ursprünglichen Veräußerer entsteht, dort zu versteuern ist1211 und vor allem ausweislich der gesetzlichen Belastungsentscheidung auch ver­ steuert wird. Alternativ ließe sich der spätere Regress auch nicht als Überwälzung der Steuerlast verstehen, sondern als nachträgliche teilwei­ se Zahlung eines Kaufpreises für die übertragenen Gegenstände. Letztlich bestätigen diese Schwierigkeiten beim Auffinden der richtigen Perspektive das Verdikt der Literatur:1212 Wenn die Überwälzung der Steuerlast vorhersehbar ist – und fremdbestimmte Steuerwirkungen sind ein offensichtlicher Grund hierfür –, dann sollte der Gesetzgeber auch beim erwartbar endgültig belasteten Handelnden zugreifen.1213 In diesem Fall würde zwar ein systemfremdes Überspringen stiller Reserven er­ möglicht werden; die gleiche wirtschaftliche Wirkung tritt derzeit aber ohnehin schon ein: entweder durch das Einhalten der Behaltefrist oder im Wege des Regresses. 1208 So Könemann, Grundsatz der Individualbesteuerung (2001), S. 40 f.; Kaiser, Ab­ zugsfähigkeit des Drittaufwandes (1993), S. 133 f. 1209 Siehe oben, S. 250 f. 1210 Die Buchwertaufstockung ist etwa für den Referenzfall des § 22 Abs. 1 UmwStG ausdrücklich in § 23 Abs. 2 UmwStG geregelt; für § 6 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 4 EStG ist trotz fehlender ausdrücklicher Anordnung die Rechtsfolge anerkannt (vgl. die Nachweise in Fn. 809 bzw. 830). 1211 Siehe oben, S. 203 ff. 1212 Vgl. die Nachweise in Fn. 1207. 1213 Siehe dazu den Vorschlag in dieser Arbeit oben, S. 220 ff.

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II.  Leistungsfähigkeitsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

d. Vorverlagerung der Eigenverantwortlichkeit Bei einigen Referenzfällen wurde auch thematisiert, ob die Gefahr der Fremdbestimmung durch eine vorherige, freiwillige Entscheidung erst begründet wurde – mit den fremdbestimmten Steuerwirkungen würde sich dann die Gefahr einer Art von eigenverantwortlicher Selbstgefähr­ dung realisieren. Diese Argumentation wird an anderen Stellen1214 dieser Arbeit aufgegriffen; unter Aspekten der Leistungsfähigkeit ist sie jedoch nicht brauchbar. Die Zunahme von Leistungsfähigkeit setzt im Einzel­ fall – solange nur grundsätzlich die Tätigkeit mit Gewinnerzielungsab­ sicht ausgeübt wird – keine Freiwilligkeit voraus.1215 5. Zusammenfassung für Zwecke der Fremdbestimmung Das Leistungsfähigkeitsprinzip wurde in einigen Referenzmaterien der Phänomenologie bereits angesprochen. In den jeweiligen Diskursen wur­ de teilweise untersucht, unter welchen Voraussetzungen fremdbestimm­ te Steuerwirkungen mit Leistungsfähigkeitsaspekten vereinbar sind. Teilweise wurde mit dem Prinzip auch das Spannungsfeld beschrieben, in denen sich andere Fremdbestimmungen ergeben. Auch im Rahmen der abstrakten Betrachtung in diesem Teil der Arbeit lassen sich Aussagen treffen. Danach sind – zugespitzt formuliert – fremdbestimmte Steuerwirkungen mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit grundsätzlich unvereinbar. Die festgestell­ ten Referenzfälle liegen dabei in den Grenzbereichen dieser These. Hier­ zu zählt zum einen die Subjektbestimmung für die Ermittlung der Leis­ tungsfähigkeit. Zutreffenderweise ist der ultimative Bezugspunkt stets das Individuum, was auch in den alternativen Zurechnungseinheiten des hier so bezeichneten Nacheinanders, Übereinanders und Miteinanders berücksichtigt wird. Dabei ist das Postulat aufzustellen, dass die Sachge­ setzlichkeiten der jeweiligen Referenzmaterie und des jeweiligen Rege­ lungsgegenstands einzuhalten sind.1216 Insbesondere sind die Möglichkei­ ten des Individuums zu berücksichtigen, auf die Leistungsfähigkeit in der alternativen Zurechnungseinheit zuzugreifen. Hier bestehen große Unterschiede zwischen den Referenzfälle dieser Arbeit.1217 1214 Vgl. für die Behaltefristen und grundsätzlich zur Eigenverantwortlichkeit oben, S. 217, für die Ehe etwa unter S. 225. Im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips siehe unten, S. 312 ff. 1215 BFH, Beschluss v. 30.06.2004, Az. VI B 54/02, in BFH/NV 2004, S. 1531. 1216 Schön, StuW 2005, S. 247 (249 ff.). 1217 Zu den Anforderungen etwa für die Kapitalgesellschaft S. 133 ff. und für die zu­ sammenveranlagte Ehe S. 234 ff.; zur Anwendung auf die jeweiligen Referenzfäl­ le auch mit ausdrücklicher Feststellung, wann diese Sachgesetzlichkeiten noch bzw. nicht mehr gewahrt sind, siehe für die Kapitalgesellschaft S. 139 ff. und für die zusammenveranlagte Ehe S. 243 f.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Zum anderen stellt die Betrachtung des Gesamtgeschehens einen weite­ ren Randbereich der obigen These dar, wenngleich sich hier ein weniger kohärentes System als bei den alternativen Zurechnungseinheiten be­ schreiben lässt. Soweit jedenfalls die Fremdbestimmung mit einer vorhe­ rigen, eigenverantwortlichen Entscheidung des Steuerpflichtigen erklärt werden soll, hält das Leistungsfähigkeitsprinzip keine Antwort bereit. Gleiches gilt für jene Fälle, in denen sich die Fremdbestimmung aus ei­ ner Lenkungsnorm ergibt. Soweit die Überwälzung der Steuerlast auf den handelnden Fremden vorhersehbar ist, fallen Verursachung und Steuer­ last zwar wieder zusammen; allerdings bestehen unnötige Friktionen, die sich durch einen zielgerichteteren Subjektzugriff durch den Gesetz­ geber vermeiden ließen.

III. Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen 1. Die Formel von Ruppe als Ausgangspunkt Das Markteinkommensprinzip ist in den Problemkreis der fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen im Rahmen der Bestimmung des allgemei­ nen Grunds der Zurechnung von Einkünften eingeführt worden.1218 Der erste, grundlegende, und noch heute die Zurechnungsdebatte am stärks­ ten prägende Beitrag stammt von Ruppe.1219 Für ihn ist derjenige Zurech­ nungssubjekt der Einkunftsquelle und damit der daraus resultierenden Einkünfte, der über die Teilnahme am Marktgeschehen, also über die Leistungserstellung disponieren kann.1220 Er aktiviert in seinem Beitrag das Markteinkommensprinzip als Gegenspieler zum Leistungsfähig­ keitsprinzip, das für ihn nur erfassen würde, wem das Entgelt für die Leistung zufließt, und diese Person dann zum Zurechnungssubjekt der Einkünfte machte. In der Diskussion der fremdbestimmten Steuerwirkungen wird soweit ersichtlich nicht unmittelbar auf das Markteinkommensprinzip Bezug genommen; nur auf Ruppe wird regelmäßig verwiesen, ohne aller­ dings das Markteinkommensprinzip als seinen Ausgangspunkt offen­ zulegen.1221 Dabei liegt es nahe, eine Verknüpfung zu erstellen: Wer die Formel von Ruppe in die Diskussion einbringt und die Disposition für 1218 Allgemein zur Zurechnung oben, S. 18 ff. 1219 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7; zur Rezeption ausführlich oben, S. 23 f. 1220 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (17). 1221 Explizit auf Ruppe geht etwa Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (221) und Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (7) ein. Bei anderen Auto­ ren erfolgt der Verweis auf Kommentierungen zu § 2 EStG, die wiederum die Formel von Ruppe aufnehmen (so etwa Crezelius, FR 2002, S. 805 (809), der zu­ sätzlich auch vom „Tätigwerden am Markt“ spricht.).

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III.  Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

den Steuerpflichtigen für eine auf fremdbestimmte Steuerwirkungen an­ wendbare bzw. vergleichbare Rechtsidee hält, impliziert auch die Rele­ vanz des Markteinkommensprinzips für die fremdbestimmten Steuer­ wirkungen. Nach einer kurzen Darstellung des Markteinkommensprinzips soll auf dessen Bedeutung für die fremdbestimmten Steuerwirkungen eingegangen werden. 2. Das Markteinkommensprinzip im Steuerrecht Bei der Darstellung des Markteinkommensprinzips ist zu unterscheiden zwischen einer möglichen verfassungsrechtlichen Determination einer­ seits und der tatsächlichen Ausgestaltung des Steuerrechts andererseits. a. Äquivalenztheoretische Rechtfertigung aus Art. 14 Abs. 2 GG Im Schrifttum wird die verfassungsrechtliche Verankerung ausdrücklich von Kirchhof vertreten.1222 In der Folge wurde daher auch von einem „Kirchhof’schen Modell“ zum Markteinkommen gesprochen.1223 aa. Das Kirchhof’sche Modell Ausgangspunkt der Argumentation von Kirchhof ist dabei das Verständ­ nis von Einkommen als Eigentum. Einkommen ist nicht werdendes, son­ dern hinzuerworbenes Eigentum.1224 Damit wird das Einkommen einer­ seits dem Anwendungsbereich von Art. 14 GG unterstellt, andererseits aber auch eine Unterscheidung vorgenommen: Es gibt faktisch neues Eigentum und altes Eigentum. Da das alte Eigentum bei Kirchhof Be­ standschutz genießt, hat sich der Gesetzgeber beim Steuerzugriff auf das Einkommen zu konzentrieren. Dennoch handelt es sich eben um Eigen­ tum, so dass Art. 14 Abs. 2 GG greift, der dem individuellen Schutz des Eigentums die Sozialpflichtigkeit gegenüberstellt. Dabei wird unter­ stellt, dass die Sozialpflichtigkeit des Eigentums deswegen besteht, weil der Erwerb von Einkommen niemals nur individuell möglich ist. Die beste Leistung, sei es Dienstleistung oder Produkt, erhält erst ihren Wert, wenn jemand diesen bezahlt. Ein Markt muss bestehen. Der Staat be­ gründet und garantiert den Markt, indem er Währung, Recht, Sicherheit, Infrastruktur, gebildete Arbeitskräfte etc. bereitstellt und/oder garan­ tiert. Einkommenserwerb ist deshalb individueller Vermögenszugang durch individuelle Nutzung gemeinschaftlich angebotener Erwerbsmög­ 1222 Grundlegend Kirchhof, Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag (1988), F 16 ff.; siehe auch Kirchhof, DStJG Bd. 24 (2001), S. 9 (14 ff.); Kirchhof, Besteue­ rung im Verfassungsstaat (2001), S. 55. In Ansätzen schon Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213 (231 ff.), aber auch bei Vogel, Der Staat 1986, S. 481 (516 f.). 1223 So etwa bei Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 106. 1224 Kirchhof, Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 16.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

lichkeiten.1225 Zur Ermöglichung und Gewährleistung dieses Marktes erhebt der Staat im Gegenzug Steuern und verwirklicht damit die Sozial­ pflichtigkeit des neuen Eigentums, also des Einkommens. Voraussetzung für die Steuer ist damit die Teilnahme am Markt. bb. Rezeption des Modells Dieser äquivalenztheoretische Ansatz löste in der nachfolgenden Litera­ tur eine starke Reaktion aus.1226 Dabei hat er auch Kritik erfahren. An erster Stelle wird dabei das Verständnis von Markt als einer staatlichen Veranstaltung gerügt.1227 Das Bild eines Marktes sei nicht vom staatli­ chen Rahmen geprägt. Das Recht und die Währung spielen in heutigen Märkten sicherlich eine große Rolle; für das Funktionieren eines Mark­ tes müssen sie aber nicht zwingend staatlich sein. Prägend sei vielmehr die Interaktion zwischen Individuen. Am deutlichsten werde dies am Sonderproblem der Einkünfte aus illegalen Tätigkeiten.1228 Unbestritten ist, dass auch diese Einkünfte der Einkommensteuer unterliegen (vgl. die Wertung des § 40 AO). Der Staat fördere jedoch nicht diesen Erwerb, son­ dern versucht vielmehr mit Mitteln des Strafrechts und Gefahrenab­ wehrrechts ihn zu verhindern. Die Rechtfertigung der Steuer durch die Marktermöglichung wird aber auch von einer anderen Seite aus kritisiert: Der Markt werde nicht nur nicht vom Staat geprägt; der Staat habe vor allem (auch) andere Aufga­ ben. Die Gewährleistung des Markts sei nicht das einzige Staatsziel. Am deutlichsten werde dies etwa im Bereich des in Art. 20 Abs. 1 GG veran­ kerten Sozialstaatsprinzips.1229 Wird die Steuer als Globaläquivalent zur staatlichen Marktförderung verstanden, dann lässt sich eine Verwendung für soziale Zwecke nicht begründen. Überzeugender ist es wohl, Steuern als Kehrseite der wirtschaftsorien­ tierten Grundrechte zu sehen. Wenn der Staat nach Artt. 2, 9, 12 und 14 GG eine Grundentscheidung für die Privat- und gegen die Staatswirt­ schaft trifft, dann muss der Finanzierungsbedarf des Staates anders ge­ deckt werden, und zwar zwingend über Steuern. Dieser Gedanke ist mit 1225 Kirchhof, Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 17. 1226 Meincke, DB 1988, S. 1869 findet den Ansatz „faszinierend“, wenngleich er ihn als „zu eng geschnürtes Korsett“ ablehnt. Ausführlich zur Rezeption in der un­ mittelbaren Zeit nach dem grundlegenden Gutachten von 1988 Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 108 ff. 1227 Wendt, DÖV 1988, S. 710 (715); Uelner in Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 11; Isensee in Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juris­ tentag (1988), S. 37; Steichen, FS K. Tipke (1995), S. 365 (371); Kirchhof zustim­ mend aber Wittmann, StuW 1993, S. 35 (42 f.) und Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 113. 1228 Steichen, FS K. Tipke (1995), S. 365 (372). 1229 Darauf weist Steichen, FS K. Tipke (1995), S. 365 (371) hin.

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III.  Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

dem Schlagwort vom Steuerstaat verbunden.1230 Die Rechtfertigung der Steuer ist dann zwar auch mit Art. 14 GG verknüpft; mit dem Verzicht aber auf die Äquivalenz wird die Freiheit des Haushaltsgesetzgebers überzeugender erklärt. Schließlich bestehen aber auch noch andere Zweifel an der verfassungs­ rechtlichen Einordnung des Markteinkommensprinzips. Steuern, die nicht an den Markterwerb anknüpfen, wie die Erbschaftsteuer, aber auch sämtliche Bestandsteuern und Verbrauchsteuern sind damit infrage ge­ stellt.1231 Ist die Sozialpflichtigkeit aus Art. 14 Abs. 2 GG der Maßstab und wird diese mit der Marktnutzung beim Erwerb begründet, müsste die Erbschaftsteuer als solche verfassungswidrig sein.1232 Auch die mitt­ lerweile abgeschaffte Nutzungswertbesteuerung wäre trotz einer gegen­ teiligen Feststellung des Bundesverfassungsgerichts1233 verfassungswid­ rig gewesen. Es ist daher mit dem wohl herrschenden Schrifttum davon auszugehen, dass das Markteinkommensprinzip keinen eigenen Verfassungsrang hat. Die Rechtfertigung von Steuern sollte außerhalb des als Abwehrrecht und nicht als Dirigent des gesamten Steuerrechts konzipierten Art. 14 GG stattfinden.1234 Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist dabei besser geeig­ net, einen allgemeinen und gerechten Maßstab für den Steuerzugriff zu bilden.1235 b. Verwirklichung des Markteinkommensprinzips im EStG Wenngleich dem Markteinkommensprinzip eine eigenständige verfas­ sungsrechtliche Qualität nicht zuzugestehen ist, so besteht doch kein Zweifel daran, dass es im geltenden Einkommensteuerrecht weitestge­ hend verwirklicht ist.1236 Diese Beobachtung wurde explizit zuerst von Ruppe gemacht. Im Anschluss schließlich hat Lang den Begriff „Markt­ 1230 Grundlegend Isensee, FS H. P. Ipsen (1977), S. 409; auch Wendt, DÖV 1988, S. 710 (715) und Steichen, FS K. Tipke (1995), S. 365 (372 ff.) gebrauchen den Steuerstaat als Argument gegen die verfassungsrechtliche Verankerung des Markteinkommensprinzips. 1231 Söhn, FS K. Tipke (1995), S. 343 (351); Meincke, DB 1988, S. 1869 (1869). 1232 Wernsmann, StuW 2018, S. 100 (106 f.), der dies aber im Ergebnis verneint. 1233 BVerfG, Beschluss v. 03.12.1958, Az. 1 BvR 488/57 (Nutzungswertbesteuerung), in BVerfGE 9, S. 3. 1234 Isensee in Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 36; Uelner in Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 11 f.; Schön, FS K. Offerhaus (1999), S. 385 (395); Tipke, NJW 1988, S. 2090 (2094). 1235 Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. (2003), S. 629 f.; Söhn, FS K. Tipke (1995), S. 343 (351, 363); Isensee in Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juris­ tentag (1988), S. 37. 1236 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 7 Rz. 30 f.; § 8 Rz. 52; Wendt, DÖV 1988, S. 710 (714) Fn. 41; Biergans/Stockinger, FR 1982, S. 1 (5).

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

einkommensprinzip“ geprägt.1237 Dabei knüpft die Rechtswissenschaft an ältere Theorien aus den Wirtschaftswissenschaften an.1238 Bemerkenswert ist dabei, dass das Markteinkommensprinzip anders als etwa die Reinvermögenszugangs- oder die Quellentheorie nie Ausgangs­ punkt gesetzgeberischer Überlegungen war.1239 In den Gesetzesmateriali­ en findet sich zu diesem Prinzip nichts – weder bei den Normen, die als Beleg für das Prinzip herangezogen werden (etwa § 22 Nr. 1 S. 2 EStG), noch bei jenen, die als Fremdkörper bezeichnet und abgeschafft wurden (Nutzungswertbesteuerung).1240 Das Markteinkommensprinzip ist ge­nuin induktiv aus dem geltenden EStG gewonnen.1241 Damit verbunden ist aber wohl auch die Unterstellung, nur ein Zufallsprodukt der Steuerge­ setzgebung mit niedriger Wertigkeit zu sein. Die Manifestation dieses Prinzips findet sich ausdrücklich zunächst in der Definition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG.1242 Die selbstän­ dige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, muss sich als Beteiligung am allgemeinen wirt­ schaftlichen Verkehr darstellen. Dies gilt gleichfalls für die spezielleren Einkunftsarten der Land- und Forstwirtschaft nach § 13 EStG sowie der selbstständigen Tätigkeit nach § 18 EStG. Am deutlichsten zeigt sich die Verwirklichung des Markteinkom­ mensprinzips in jenen Grenzbereichen, in denen eine auf eine bloße Be­ reicherung ausgerichtete Betrachtungsweise andere Ergebnisse hervorru­ fen würde. Hier entscheidet sich das EStG (nahezu) immer für eine Beschränkung auf Markteinkünfte: – Vermögenstransfers zwischen Privaten werden vom enumerativen Katalog der Einkünfte grundsätzlich nicht erfasst. Schenkungen und Erbfälle sind dem ErbStG unterstellt. Das EStG versucht nur für seine Zwecke die Rechtsnachfolge nachzuvollziehen, etwa bei § 24 Nr. 2 Hs. 2 EStG1243 oder auch bei § 6 Abs. 3 EStG1244, erfasst sie aber nicht 1237 Lang, DStJG Bd. 4 (1981), S. 45 (55) 1238 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (16) etwa knüpft ausdrücklich an den Fi­ nanzwissenschaftler Neumark, Theorie und Praxis der modernen Einkommens­ besteuerung (1947), S. 41 an. Bei Wernsmann, StuW 2018, S. 100 (102) wird auf Adam Smith verwiesen. 1239 Nach Lang, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1827 (1832) entstand die Marktein­ kommenstheorie vor allem auf dem Boden der Ausgrenzung der Liebhaberei aus dem Einkünftekatalog. 1240 Ausführlich weist Söhn, FS K. Tipke (1995), S. 343 dies für § 22 Nr. 1 S. 2 EStG (357 ff.) und das Realsplitting (359 ff.) nach. 1241 Rödder, DStJG Bd. 25 (2002), S. 253 (255) geht davon aus, dass die Beschränkung auf das am Markt erzielte Einkommen Ausdruck von Verhältnismäßigkeit sei. 1242 Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 235 ff. 1243 Ausführlich oben, S. 29. 1244 Ausführlich oben, S. 181 ff.

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III.  Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen









als solche. Wiederkehrende Bezüge, die freiwillig oder auf Grund von Unterhaltsverpflichtungen erfolgen, sind keine Marktvorgänge und daher nicht erfasst (§ 22 Nr. 1 S. 2 EStG).1245 Unterhaltsleistungen sind nur unter den engen und beschränkten Voraussetzungen des Re­ alsplittings1246 beachtlich (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1; 22 Nr. 2 EStG). Der Selbstverbrauch von Dienstleistungen und Waren ist grundsätz­ lich nicht steuerlich relevant. Erstellt der Steuerberater seine eigene Steuererklärung oder rasiert sich der Barbier zu Hause, dann werden diese Vorgänge nicht vom EStG nachvollzogen. Bei Waren mag es mitunter anders sein, wenn diese als Wirtschaftsgut zuvor verstrickt waren, so dass eine Entnahme erfolgte. Der Verzehr des im privaten Gewächshaus angebauten Gemüses wird vom EStG nicht erfasst. Auch die Nutzung dauerhafter eigener Güter wie die des eigenen Hauses wird nicht als Einkommen qualifiziert. Die noch von Ruppe als Fremdkörper beschriebene1247 Nutzungswertbesteuerung findet sich heute im EStG nicht mehr.1248 Wer sein Haus vermietet, erzielt steuerbare Einkünfte; wer selbst darin wohnt, muss den entsprechen­ den Vorteil nicht versteuern. Soweit Wertzuwächse bei der Vermögenssubstanz steuerbar sind, sei es beim Betriebsvermögensvergleich oder bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern wie Wertpapieren, entscheidet sich das EStG für das von Markteinkommensprinzip gebotene Realisationsprinzip: Erst in der Veräußerung am Markt manifestiert sich der Wertzuwachs;1249 Tatbestände der Ersatzrealisation sind hier Durchbrechungen, die nur zur Verwirklichung anderer Zwecke, insbesondere des Subjektsteuer­ prinzips, geboten sind.1250 Auch nicht steuerbar ist etwa der Freizeitnutzen. Obwohl er der Be­ friedigung von Bedürfnissen dient, wird sein Einbezug in das steuer­ lich relevante Einkommen als erhebliche Freiheitsbeschneidung ­abgelehnt:1251 Ein Einbezug wäre faktisch ein Abstellen auf die Soll-­

1245 So auch Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 38. 1246 Als Ausnahme auch schon benannt bei Lang, DStJG Bd. 4 (1981), S. 45 (55); Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 41. Söhn, FS K. Tipke (1995), S. 343 (346, 359 ff.) zweifelt deshalb schon an der tatsächlichen Verwirklichung der Theorie, die für ihn nur ein „Steuerreformkonzept“ ist. 1247 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (16); so auch Gutachten der Steuerre­ formkommission – Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17 (1971), S. 118. 1248 Abgeschafft durch das Wohnungseigentumsförderungsgesetz v. 15.05.1986, BGBl. I S. 720. Zur Abschaffung auch Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 36. 1249 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 7 Rz. 33; Wittmann, Markt­ einkommen (1992), S. 52 ff.; Schneider, FS U. Leffson (1976), S. 101 (117). 1250 Dazu bereits oben, S. 202 ff. 1251 Kirchhof, Gutachten F für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 12 f.; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab (1983), S. 167.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Leistungsfähigkeit und würde den Steuerpflichtigen zur entgeltli­ chen Arbeit zwingen, um sich seine Freizeit im Steuerrecht zu verdie­ nen. Das Einkommensteuerrecht erfasst damit nur Einkünfte, die am Markt erwirtschaftet werden. Die Abgrenzung erfolgt dabei gegen Bereicherun­ gen, die sich insgesamt als privat bezeichnen lassen. Zumindest vom EStG werden dabei Vermögensveränderungen in der Privatsphäre nicht erfasst. Dies kann natürlich als Zustimmung des Gesetzgebers zur ver­ fassungsrechtlichen Einordnung betrachtet werden; es kann aber auch als Anknüpfung sowohl an die Quellentheorie als auch an die Reinver­ mögenszugangstheorie verstanden werden: Die Unterscheidung zwi­ schen Privatsphäre und Marktsphäre lehnt sich damit an die Unterschei­ dung von Frucht (am Markt) und Stamm (im Privaten) an. Sie kann auch gleichfalls als eine Verwirklichung einer reinen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Reinvermögenszugangstheorie) betrachtet werden, die auf ein praktikables Maß zurückgeführt wird.1252 Schließlich sind die in der Privatsphäre vorgenommenen Transaktionen schwer zu bewerten und selten oder nur mit großen Eingriffen in die persönliche Lebensfüh­ rung zu erfassen. Gerade der Eigenverbrauch oder die Freizeit vermittelt keine Liquidität, so dass der Steuerpflichtige auch zum Substanzver­ brauch gezwungen wird. c. Zwischenergebnis Unabhängig von der genauen Verknüpfung von Markteinkommensprin­ zip und anderen Strukturprinzipien des EStG lässt sich festhalten, dass das EStG eine als Markteinkommensprinzip bezeichnete Grundunter­ scheidung zwischen Einkünften am Markt und privaten Einkünften1253 vornimmt: Nur erstere sind steuerbar. Dabei ist allerdings auch die normhierarchische Verankerung sowie die Herkunft des Markteinkommensprinzips zu bedenken: Es handelt es sich richtigerweise nicht um ein Prinzip von Verfassungsrang. Es kann auch dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er das Prinzip in seinen Willen aufgenommen und das geltende EStG bewusst nach 1252 Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. (2003), S. 629 f.; Söhn, FS K. Tipke (1995), S. 343 (351); Elicker, DStZ 2005, S. 564 (565); Isensee in Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juristentag (1988), S. 50; Schön, FS K. Offerhaus (1999), S. 385 (398); Andel, Finanzwissenschaft, 4. Aufl. (1998), S. 318. 1253 Lang, StuW 1981, S. 223 bringt das Markteinkommensprinzip in Abgrenzung zur Liebhaberei in Stellung. In Lang, Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (1988), S. 239 fordert er, dass vielmehr aus der Sicht des Einkommensteuersub­ jekts, dessen Leistungsfähigkeit zu bestimmen ist, die Art der Handlung zu qua­ lifizieren ist. Dabei ist zu fragen, ob aus dessen Sicht eine Erwerbshandlung oder eine Privathandlung vorliegt.

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III.  Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

­diesem Prinzip ausgestaltet hat.1254 Vielmehr handelt es sich bei dem Markteinkommensprinzip um eine in weiten Teilen zutreffende Be­ schreibung1255 des Ist-Zustandes des EStG. 3. Aussagen für fremdbestimmte Steuerwirkungen Von diesem Befund ausgehend ist nun zu fragen, was das Marktein­ kommensprinzip sowohl als (eventuelle) verfassungsrechtliche Determi­ nante als auch als einfache Ausprägung des geltenden Rechts für das in dieser Arbeit beschriebene Phänomen der fremdbestimmten Steuerwir­ kungen bedeutet. Konkret gefragt: Unter welchen Voraussetzungen las­ sen sich die Erscheinungsformen der fremdbestimmten Steuerwirkun­ gen als vereinbar mit dem Markteinkommensprinzip bezeichnen? a. Markteinkommensprinzip als Zurechnungsdeterminante Dem Markteinkommensprinzip wird nach dem Aufsatz von Ruppe allge­ mein die Fähigkeit zugesprochen, Aussagen zur persönlichen Zurech­ nung bereitzuhalten:1256 Der Steuerpflichtige hat die Einkünfte selbst zu erwirtschaften. Die Ausführungen von Ruppe betreffen die Beziehung des Steuerpflichtigen zur Einkunftsquelle. Dabei wird bestimmt, wer der Steuerpflichtige ist, nämlich der, der über die Quelle disponieren kann. Das Markteinkommensprinzip bestimmt so den Steuerpflichtigen, die Zentralfigur des Steuergeschehens. Ruppe setzt sich in diesem Rahmen auch mit anderen Personen ausei­ nander. Dabei versucht er eine Aufteilung von Haupt- und Nebenfiguren vorzunehmen, sowohl im Falle einer horizontalen als auch bei einer ver­ tikalen Aufteilung der Dispositionsbefugnisse.1257 Diese Konstellationen werden seziert, so dass eine (oder mehrere) Einkunftsquelle(n) freigelegt ist (sind), und zur jeweiligen Einkunftsquelle der Disponierende bzw. der entsprechende Anteil bei einer Personenmehrheit feststeht. Dabei wird die über die Einkunftsquelle disponierende Hauptfigur als Marktteilneh­ mer und deshalb als Steuerpflichtiger beschrieben. Allgemeiner wird der­ jenige als disponierender Steuerpflichtiger anerkannt, der in der Nähe der Einkunftsquelle ist, um die Zurechnung zu rechtfertigen.1258 Es er­ folgt eine Anknüpfung an die Leistungsnähe1259. Im Umkehrschluss be­

1254 Siehe schon Fn. 1240. 1255 So auch Röhner, Übertragung von Wirtschaftsgütern (2003), S. 37 f. 1256 Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 8 Rz. 52; Wittmann, Markt­ einkommen (1992), S. 26 ff., 59 ff. 1257 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (horizontal 20 ff., vertikal 22 ff.). 1258 Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 26 f. 1259 Ruppe, Familienverträge und Individualbesteuerung (1976), S. 1 (4).

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

deutet dies, dass auch andere Personen den Sachverhalt mitprägen, ohne dass dessen Qualifikation als Marktvorgang infrage gestellt wäre. Die nicht über die Quelle disponierende Nebenfigur wird hinsichtlich der konkreten Einkunftsquelle ausgeblendet und wird oftmals nur noch als eventueller Empfänger von privaten Transferleistungen erwähnt, die jenseits der Marktsphäre und in der Privatsphäre stattfinden. Soweit der Fremde über die Einkunftsquelle disponiert und so Steuerwirkun­ gen beim unbeteiligten Steuerpflichtigen auslöst, ist das Markteinkom­ mensprinzip als Determinante der Zurechnung, wie es Ruppe als Argu­ ment nutzt, tatsächlich berührt. In diesem Fall ist der Rechtsfolgenträger nicht der richtige Steuerpflichtige. Der Fremde sollte eigentlich der Steu­ erpflichtige sein. Ein solcher Fall konnte in der Phänomenologie aber nicht entdeckt wer­ den: An der Eigenschaft des Rechtsfolgenträgers als derjenige, der über die Quelle disponieren kann bzw. konnte, besteht grundsätzlich kein Zweifel. Wie aber lassen sich die Fälle beschreiben, in denen der Fremde zwar nicht über die Quelle der Einkünfte, aber über den Steuerzugriff disponieren kann? Im Hintergrund stehen dabei zwei Kontrollfragen: Kann der Sachverhalt noch als Marktvorgang beschrieben werden? In welcher Relation zur Disposition bzw. Dispositionsbefugnis des Steuer­ pflichtigen über die Einkunftsquelle steht die Handlung des Fremden? b. Fremdbestimmung im Rahmen der Qualifikation der Markthandlung Zahlreiche fremdbestimmte Steuerwirkungen lassen sich als Qualifika­ tion der eigentlichen Marktdisposition des Steuerpflichtigen beschrei­ ben. Durch die Handlung des Fremden wird die Disposition des Steuer­ pflichtigen anders bewertet. Deutlich aufzeigen lässt sich dies anhand der Fälle der illiquiden Rechts­ nachfolge.1260 Veräußert der Rechtsnachfolger innerhalb einer Behalte­ frist, dann wird eine Nachbesteuerung ausgelöst, die an den vorheri­ gen Übertragungsvorgang anknüpft. Veräußert der Nachfolger, besteht der Verdacht, dass die vorherige Übertragung nur zur Vorbereitung der späteren Veräußerung erfolgte; eine gegen das Prinzip der Individualbe­ steuerung verstoßende interpersonelle Übertragung von stillen Reserven wäre so gelungen. Die spätere Veräußerung innerhalb der Behaltefrist lässt damit die ursprüngliche Übertragung, gerade wenn es eine Disposi­ tion des Steuerpflichtigen selbst ist,1261 in einem anderen Licht erschei­ nen. 1260 Ausführlich dazu oben, S. 180 ff. 1261 Zu den Fällen der Übertragung, in denen keine Disposition vorliegt (z.B. Erb­ schaft), sogleich.

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III.  Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Mit der Anknüpfung an die vorherige Übertragung steht allerdings diese selbst auf dem Prüfstand. Gerade bei den privilegierten illiquiden Rechts­ vorgängen mögen an der Qualifikation als Marktvorgang Zweifel beste­ hen: So sind bedeutende Fälle der illiquiden Rechtsnachfolge eben auch die Erbschaft und die Schenkung, die als solche keine Marktvorgänge sind.1262 Die Behauptung, dass die Fremdbestimmung durch die Nach­ besteuerung nur die Modifikation eines vorherigen Marktvorgangs dar­ stellt und dessen Qualifikation auch auf die fremdbestimmte Nach­ besteuerung abfärbt, trägt hier nicht mehr. Die (ersatzweise) Realisation bei illiquiden Rechtsnachfolgen ist keine Verwirklichung des Marktein­ kommensprinzips.1263 Die ertragsteuerliche Belastung dient hier der indi­ viduellen Erfassung der stillen Reserven bei dem Rechtsträger, bei dem sie entstanden sind. Es wird so das Subjektsteuerprinzip verwirklicht,1264 und die Beeinträchtigung des Markteinkommensprinzips als gerecht­ fertigt angesehen. Die Anknüpfung der fremdbestimmten Nachbesteue­ rung an diesen Übertragungsvorgang sorgt damit für eine genauere und ggf. modifizierende Beschreibung dieses Vorgangs. Geteilt wird damit nicht der Charakter als Marktvorgang, sondern die Rechtfertigung für dieDurchbrechung. Das Problem ist damit ein anderes, nämlich die Ver­ einbarkeit von Ersatzrealisationstatbeständen mit dem Markteinkom­ mensprinzip. In diesem Zusammenhang ist noch auf zwei Dinge hinzuweisen: Sofern das Subjektsteuerprinzip zur Durchbrechung des Markteinkommensprin­ zips zwingt, dann stellt die nachfolgende Möglichkeit der Übertragung der stillen Reserven bei Wohlverhalten des Rechtsnachfolgers wenigs­ tens die Möglichkeit her, dass nach Ablauf der Frist das Markteinkom­ mensprinzip effektiv verwirklicht wird. Die Möglichkeit, dass die fremd­ bestimmte Nachbesteuerung nicht ausgelöst wird, erweitert damit sogar die Reichweite des Markteinkommensprinzips. Alternativ ließe sich die Fremdbestimmung in Folge der Behaltefristen aber auch als lenkungspo­ litisch gewollte „Subvention“ verstehen, die sich jedem Systemdenken entzieht: Müssten die stillen Reserven bei illiquidem Erwerb (wie vom Subjektsteuerprinzip eigentlich geboten) aufgedeckt werden, wäre eine Fortführung familiengeführter Betriebe unmöglich. Mit der zeitnahen anschließenden Veräußerung erweist sich der Nachfolger und damit auch die gesamte Familie der Subvention nicht mehr „würdig“ und die Subvention wird zurückverlangt. Es handelt sich damit um einen Akt der mittelständischen Wirtschaftsförderung im Gewand des Steuer­ rechts, der vom Markteinkommensprinzip nicht nachvollzogen werden 1262 Vgl. Huber [jetzt: Valta]/Reimer, DStR 2007, S. 2042 (2042). 1263 Schröck, Steuersystem und Formwechsel (1998), S. 157 f.; Rödder, DStJG Bd. 25 (2002), S. 253 (254 f.). 1264 Dazu schon oben, S. 202 ff.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

muss.1265 Eine solche Sichtweise („Subventionsverständnis“) sollte nicht vollständig verworfen werden, ist aber aus für die Rechtswissenschaften stets nur second best: Die Aufgabe der Rechtswissenschaft ist nach dem Verständnis dieser Arbeit1266 schließlich die auch induktive Gewinnung von allgemeinen Aussagen aus dem gesamten geltenden Recht. Eine sol­ che Herangehensweise gebietet die Inkorporation auch wirtschaftspoli­ tisch gewollter, vermeintlicher Fremdkörper in ein bestehendes, eventu­ ell zu modifizierendes Netz von Prinzipien. Als beschreibende und qualifizierende Normen lassen sich schließlich relativ unproblematisch auch Kontextnormen wie die Eigenkapitalquo­ te-bezogene Ausnahme der Zinsschranke in § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG1267 beschreiben: Das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital im Konzern be­ schreibt nach der Konzeption des Gesetzes (nur) den Charakter der Zins­ aufwendungen bei der steuerpflichtigen Gesellschaft. Ist der Konzern insgesamt in hohem Maße fremdfinanziert, dann ist auch die konkrete Zinsaufwendung, die die Gesellschaft selbst tätigt, als nicht übermä­ ßig und damit als nicht missbräuchlich anzusehen. Marktvorgang ist dann unbestritten die Zinsaufwendung der Gesellschaft, die lediglich durch die Finanzierungsstruktur der anderen Konzerngesellschaften be­ schrieben wird. An der Nichtabziehbarkeit von (bestimmten) eigenen Schuldzinsen des Steuerpflichtigen mag auch aus Sicht des Marktein­ kommensprinzips grundsätzliche Kritik geboten sein; es ist jedoch kein Problem der fremdbestimmten Steuerwirkungen. c. Bildung bzw. Korrektur von Zurechnungseinheiten Das Markteinkommensprinzip qualifiziert in erster Linie Tätigkeiten als Markttätigkeiten, und Einkünfte als Markteinkünfte. Des Weiteren er­ möglicht das Markteinkommensprinzip die Zurechnung der Marktein­ künfte zu einem bestimmten Subjekt, wobei bestimmte Subjekte quasi angeboten werden. Die Frage, was oder wer überhaupt ein Subjekt sein kann, ist für das Markteinkommensprinzip nur eine Vorfrage. Die Sub­ jekte bilden den Markt. Dabei scheint eine Anknüpfung an die Person des Steuerpflichtigen stattzufinden: Subjekt kann für das Markteinkom­ mensprinzip nur ein Steuerpflichtiger sein, schließlich soll durch das Markteinkommensprinzip in erster Linie aus dem Kreis der Steuerpflich­ tigen der richtige benannt werden.

1265 Lenkungsnormen verschließen sich einer steuersystematischen Betrachtung auch an anderen Stellen der Arbeit, etwa unter Aspekten der Leistungsfähigkeit; vgl. dazu oben, S. 269. 1266 Siehe oben, S. 4 ff. 1267 Dazu oben, S. 72.

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III.  Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Die Wirklichkeit des Marktes ist dabei komplizierter. Am Markt finden sich Teilnehmer, die keine Steuerrechtssubjektivität haben wie die Per­ sonengesellschaften, und Steuersubjekte, die kaum mehr als einen Man­ tel für andere Steuersubjekte darstellen. Dieses Problem wird in erster Linie bei Geschäften zwischen nahestehenden Personen (im Konzern wie in der Familie) erkannt. Die Geschäfte werden dabei besonders genau auf ihre Vergleichbarkeit mit dem Markt untersucht.1268 aa. Ausblendung des unmittelbar am Marktgeschehen beteiligten Steuerpflichtigen Probleme entstehen aber in diesem Zusammenhang auch mit fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen, soweit die Subjektivität formell aufrechter­ halten, materiell aber überspielt wird. Am deutlichsten lässt sich das bei der Organschaft feststellen, aber auch bei sonstigen qualifizierten Betei­ ligungen an Kapitalgesellschaften. Bei der Organschaft wird ausnahmsweise eine Form der Einkommens­ verwendung und damit ein typischer Vorgang der Privatsphäre (verstan­ den als das Gegenstück zur Marktsphäre) erfasst. Was mit dem auf dem Markt erzielten Gewinn gemacht wird, ist keine Frage des Marktes und nach dem Markteinkommensprinzip somit auch keine des EStG. Den­ noch wird die organschaftliche Zurechnung als systemgerecht erkannt. Schließlich kann der Organträger seinen Willen bei der Organgesellschaft verwirklichen und durch sie hindurch agieren:1269 Damit wird der Or­ ganträger auch derjenige sein, der durch die Organgesellschaft über die Einkunftsquelle disponieren kann.1270 Er ist der wirkliche Disponent. Die Konsolidierung der Ergebnisse beim Organträger durch Organschaft dient damit der Verwirklichung des Markteinkommensprinzips. Schwieriger fällt diese Feststellung für einen anderen Fall der Ausblen­ dung des unmittelbar am Marktgeschehen beteiligten Steuerpflichtigen: Bei § 7 AStG werden die Einkünfte der ausländischen Tochtergesell­ schaft dem in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner hinzugerechnet,1271 ohne dass das Ergebnis tatsächlich abgeführt wird. Allgemein ist dafür gemäß § 7 Abs. 1 AStG erforderlich, dass Steuerin­ länder zu mindestens der Hälfte an der ausländischen Basisgesellschaft beteiligt sind. Für die Beteiligung des einzelnen Gesellschafters gibt es keine Voraussetzungen. Die Gemeinschaft der Steuerinländer ist nach 1268 Dazu schon Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (31 ff.). 1269 Jakob, Abgabenordnung, 5. Aufl. (2010), Rn. 375. 1270 Wittmann, Markteinkommen (1992), S. 27 f. m.w.N. Allerdings galt zu der Zeit auch noch die wirtschaftliche Eingliederung als eine Voraussetzung – ausführli­ cher oben, S. 94 ff. 1271 Ausführlich oben, S. 80 ff.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

der Vorstellung des Gesetzgebers in der Lage, auf die Gewinne der Basis­ gesellschaft zuzugreifen und so sich Liquidität zur Begleichung der Steu­ erlast auf das nicht erhaltene, aber hinzugerechnete Einkommen zu ver­ schaffen. Die Vorstellung, bestimmte Gesellschafter bilden (darüber hinaus) einen gemeinsamen Dispositionswillen bezüglich der Einkunfts­ quellen der Basisgesellschaft, nur weil sie im gleichen Land unbeschränkt steuerpflichtig sind, ist abwegig. Erst recht gilt dies für die Beteiligungen an einer Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanla­ gecharakter im Sinne des § 7 Abs. 6 AStG – hierfür ist allein eine Min­ destbeteiligung von 1 Prozent des Stammkapitals erforderlich. Die Hin­ zurechnungsbesteuerung und das Markteinkommensprinzip sind nicht miteinander vereinbar. Abgemildert wird dieser Befund jedoch durch weitere Voraussetzungen der §§ 7 ff. AStG, die den Charakter als Missbrauchsverhinderungsvor­ schrift deutlicher erkennbar werden lassen: Voraussetzungen sind der Bezug von sog. passiven Einkünften,1272 die den Verdacht der missbräuch­ lichen Einschaltung der Zwischengesellschaft begründen; die Möglich­ keit, die Missbrauchsvermutung zu widerlegen, vor allem in § 8 Abs. 2 AStG; sowie die Ansässigkeit der ausländischen Gesellschaft im niedrig besteuerten Ausland (§ 8 Abs. 3 AStG). Es bleibt aber letztlich bei dem Befund: Die Hinzurechnungsbesteuerung ist nicht mit dem Marktein­ kommensprinzip vereinbar. bb. Identitätswechsel des unmittelbar am Marktgeschehen beteiligten Steuerpflichtigen Die gegengesetzte Wirkrichtung ist bei Gesellschafter-induzierten Wir­ kungen auf Ebene der Gesellschaft festzustellen. Als Beispiele hierfür ist der Untergang von Verlust- und Zinsvorträgen nach § 8c Abs. 1 KStG (i.V.m. § 8a Abs. 1 S. 3 KStG bzw. § 4h Abs. 5 S. 3 KStG) zu nennen.1273 Werden innerhalb von fünf Jahren die Hälfte der Anteile an einer Körper­ schaft von einem Erwerber erworben, gehen die entsprechenden Vorträge vollständig unter. Bei einem Erwerb von weniger als der Hälfte, aber mehr als einem Viertel gehen die Vorträge anteilig unter. Insbesondere für den Fall des vollständigen Untergangs nach § 8c Abs. 1 S. 1 (S. 2 a.F.) KStG lässt sich annehmen, dass sich die Identität des un­ mittelbar am Marktgeschehen beteiligten Rechtsträgers und Steuer­ pflichtigen gewandelt hat. So vergleicht das Sächsische FG diesen Fall 1272 Dazu oben, S. 82. 1273 Zum Verlustuntergang siehe oben, S. 51 ff., zum Untergang des Zinsvortrags siehe S. 67 ff. Zur sprachlichen Ungenauigkeit bei der Verwendung des Be­ ­ griffs „Verlustvortragsuntergang“ im Rahmen von § 8c Abs. 1 KStG siehe schon Fn. 237.

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III.  Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

explizit mit dem Tod einer natürlichen Person.1274 Bei der anschließen­ den Gesamtrechtsnachfolge geht schließlich nach der Rechtsprechung des BFH1275 der Verlustvortrag auch unter. Auch der Vorgängernorm zu § 8c KStG lag die Annahme eines Identitätswechsels zu Grunde, sogar noch deutlicher mit dem Erfordernis der Änderung des Geschäftsinhalts bei der GmbH. Bei Annahme des Identitätswechsels stellt sich die Frage, wie der Identitätswechsel bei einem Steuerpflichtigen innerhalb des Markteinkommensprinzips zu verstehen ist. Der Identitätswechsel lässt sich – in Anlehnung an das Bild vom Todes- und Erbfall – so verstehen, dass der „alte“ Steuerpflichtige verschwindet und ein „neuer“ Steuer­ pflichtiger an seine Stelle tritt, allerdings ohne die Verlust- und Zinsvor­ träge. Er ist bezogen auf die Zuordnung der Einkunftsquelle kein Markt­ vorgang und sollte daher wie eine Erbschaft nicht erfasst sein. Ein Identitätswechsel sollte wie eine Gesamtrechtsnachfolge nach dem Markteinkommensprinzip keine steuerlichen Auswirkungen haben. Allerdings ist spätestens seit dem schon angesprochenen Urteil des Gro­ ßen Senats des BFH für die Verlustvorträge anerkannt, dass diese nicht übertragbar sind: Wie schon bei der grundsätzlichen Unzulässigkeit der inter-personellen Übertragung der stillen Reserven wird dies mit dem Charakter der Einkommensteuer als Personensteuer gerechtfertigt.1276 Die Verlustvorträge sind wie grundsätzlich auch stille Reserven nicht übertragbar. Sie fallen als Vorträge (und anders als Erstattungsansprüche) auch nicht in den sachlichen Schutzbereich von Art. 14 GG,1277 der Norm also, die teilweise als Begründung für die verfassungsrechtliche Quali­ tät des Markteinkommensprinzips herangezogen wird. Auch in dieser Konstellation wird die Steuerwirkung unmittelbar durch die Grundent­ scheidung ausgelöst, bei Wechsel der Identität des Steuerpflichtigen der Verwirklichung einer Individualbesteuerung Vorrang vor dem Marktein­ kommensprinzip einzuräumen. Die Fremdbestimmung wirkt nur bei der Vorfrage der Identität.

1274 Sächsisches FG, Urt. v. 16.03.2011, Az. 2 K 1869/10, in EFG 2011, S. 1457 Rz. 18 [zit. nach juris]; zu diesem Urteil ausführlicher schon oben, S. 62 f. 1275 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608. 1276 BFH Großer Senat, Beschluss v. 17.12.2007, Az. GrS 2/04, in BStBl. II 2008, S. 608 Rz. 65 [zit. nach juris]. Ausführlich zum Prinzip der Individualbesteuerung auch oben, S. 252 ff. 1277 BFH, Urt. v. 11.02.1998, Az. I R 81/97, in BStBl. II 1998, S. 485 Rz. 17 [zit. nach juris]: „[D]ie bei ihrer Entstehung gegebene bloße Möglichkeit, die Verluste spä­ ter ausgleichen zu können, [erstarkt] nicht zu einer grundgesetzlich geschützten Vermögensposition“; bestätigt auch in BFH, Urt. v. 22.08.2012, Az. I R 9/11, in BStBl. II 2013, S. 512 Rz. 19 [zit. nach juris]; ausführlich Röder, System der Ver­ lustverrechnung im deutschen Steuerrecht (2010), S. 306 ff.; Kube, DStR 2011, S. 1829 (1833).

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Schwieriger zu verstehen ist der anteilige Untergang von Vorträgen nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. Hier bietet sich der Vergleich mit (dem Tod) der natürlichen Person nicht mehr an. Der Mensch stirbt oder er stirbt nicht. Das Gesellschaftsrecht und auch die Körperschaftsteuer sind jedoch in der Lage, einen Teilidentitätswechsel abzubilden. Geht eine qualifizierte Minderheitsbeteiligung über, dann ist die „neue“ Gesellschaft eine andere, wenngleich keine ganz andere Gesellschaft. Im Ergebnis unterschei­ det sich die Konstellation des teilweisen nicht von der des vollständigen Identitätswechsels: Es handelt sich hier um keinen Marktvorgang – die steuerliche Wirkung ist erneut die Folge der Verwirklichung der Indivi­ dualbesteuerung, denn infolge der Durchschau durch das vorstehende Subjekt wird das Individuum als der ultimative Anteilseigner wieder zum Bezugspunkt. Die Frage, ob bei einem Erwerb von einem Viertel der Anteile von einer Identitätsveränderung gesprochen werden kann, ist eine Vorfrage zum Markteinkommensprinzip – die aber nach dem Weg­ fall des Fremdkörpers des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F. nicht mehr zu beant­ worten ist. Im Fall der REIT-AG, die nach § 18 Abs. 3 REITG ihre Steuerbefreiung auf Grund von Veränderungen in ihrem Gesellschafterbestand (Streube­ sitz- und Mindestbeteiligungsquote1278) verliert, lassen sich das Bild des Identitätswechsels innerhalb eines geschlossenen Systems und die Be­ gründung der Beeinträchtigung mit dem Grundsatz der Individualbesteu­ erung nicht mehr aufrecht erhalten. Nicht die Verwirklichung der Indivi­ dualbesteuerung bei einem Identitätswechsel löst die Steuerwirkung aus – es ist vielmehr ein Systemwechsel in der Besteuerung, der Folge der Handlung des Fremden und zugleich Auslöser der konkreten Belastung der REIT-AG ist: Es erfolgt ein Wechsel von der in dieser Konstellation vorteilhafteren Transparenz und einem einstufigem Steuerzugriff hin zur wirtschaftlich weniger attraktiven Abschirmung und einer zweistufiger Besteuerung. Die Kriterien von Streubesitz und Mindestbeteiligung sind dabei Umschreibungen des Gesetzgebers für die Förderungswürdigkeit der Gesellschaft: Nur solche Gesellschaften, deren Anteile in ausrei­ chendem Maße im Streubesitz sind und die keinen dominierenden An­ teilseigner haben, sollen von dem Privileg profitieren. Anders als bei der Nachbesteuerung beim Veräußerer auf Grund einer schädlichen Hand­ lung des Erwerbers findet hier keine Qualifikation einer vorherigen Markthandlung statt: Durch die Handlung des Fremden wird nicht eine Handlung des Steuerpflichtigen auf dem Markt beschrieben, sondern der Steuerpflichtige selbst. Es kann also nicht an eine vorherige Handlung angeknüpft werden, deren Qualifikation wird daher nicht geteilt. Wie der Identitätswechsel bei den beiden Konstellationen von § 8c KStG ist die 1278 Dazu oben, S. 76 ff.

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III.  Markteinkommensprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

veränderte Beschreibung der Gesellschaft kein Marktvorgang und sollte daher auch keine Ertragsteuer auslösen. Bei § 18 Abs. 3 REITG wird eine solche Wirkung tatsächlich aber nicht hervorgerufen: Die belastende Wirkung ist der Wechsel in ein anderes Besteuerungssystem, und dies mit Wirkung für die Zukunft. Beide Syste­ me der Besteuerung dienen der Erfassung von Marktvorgängen. Aus Sicht des Marktes liegt die Rechtsfolge damit in einer Meta-Ebene. Nicht nur die auslösende Handlung, auch die Rechtsfolge liegt damit jenseits des Marktes. cc. Zusammenveranlagung von Ehegatten Sofern Ehegatten zusammenveranlagt werden, entsteht keine abwei­ chende Zurechnung von Einkunftsquellen.1279 Die Zusammenveranla­ gung wirkt erst bei der Zusammenrechnung der Einkünfte und daran anschließend der Anwendung des progressiven Steuersatzes. Die Steuer­ wirkungen treten somit jenseits von § 2 Abs. 2 EStG und damit des ­Anwendungsbereichs des Markteinkommensprinzips ein. Im Ergebnis mag sich wirtschaftlich eine neue Zurechnungseinheit – die zusammen­ veranlagte Ehe – gebildet haben, die je nach Ausgestaltung wohl auch mit dem Markteinkommensprinzip vereinbar wäre. Das Markteinkom­ mensprinzip hält für die zusammenveranlagte Ehe in dieser Form jeden­ falls keine Aussagen bereit. 4. Zusammenfassung für Zwecke der Fremdbestimmung Das Markteinkommensprinzip betrifft nur einen ausgewählten Teil der fremdbestimmten Steuerwirkungen. Es bezieht sich auf den Teil des Be­ steuerungsvorganges, der die Erzielung von Einkünften beschreibt. Wich­ tige Voraussetzungen der Besteuerung wie die Identität des Steuerpflich­ tigen können nicht erfasst werden. Gleiches gilt für spätere Abschnitte der Besteuerung wie die Zusammenveranlagung oder gar die Haftungs­ ansprüche. Das Markteinkommensprinzip kann den Steuerzugriff nicht im Ganzen erfassen. Sofern das Markteinkommensprinzip Anwendung findet, ist dessen wichtigster Antagonist der Grundsatz der Subjekt- bzw. Individualbe­ steuerung. Auch Vorgänge, die keine Marktvorgänge sind, werden bei der Einkünfteermittlung beachtlich, wenn so die personelle Prägung des Ein­ kommensteuerrechts gewahrt werden kann: Stille Reserven und Vorträ­ ge von Verlusten und Zinsen sind als höchstpersönlich anzusehen, so 1279 Vogt, Verfahrensrechtliche Probleme bei zusammenveranlagten Ehegatten (2004), S. 28. Ausführlich dazu oben, S. 226.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

dass ein nicht marktgängiger Rechtsträgerwechsel dennoch steuerlich nachvollzogen werden muss. Die einzige Beeinträchtigung des Marktein­ kommensprinzips, die nicht so erklärt werden kann, ist die Hinzurech­ nungsbesteuerung – sie stellt innerhalb des Markteinkommensprinzips einen Fremdkörper dar. Am Ende steht ein überraschendes Ergebnis: Wenngleich die meisten Fälle der fremdbestimmten Steuerwirkungen nicht unmittelbar auf dem Markt stattfinden, so bietet doch die Formel von Ruppe, die aus dem Markteinkommensprinzip stammt, mit dem Abstellen auf die Dispositi­ onsbefugnis einen tauglichen Maßstab für die Bewertung von fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen. Mit Ausnahme erneut der Hinzurechnungs­ besteuerung, aber auch des mittlerweile für verfassungswidrig erklärten § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F., lassen sich die oben dargestellten Referenzfälle mit dem Dispositionsgedanken als vereinbar beschreiben.1280 Der Rechtsgedanke in der Formel von Ruppe transzendiert damit seine Herleitung. Das Dispositionserfordernis stammt sicher (auch) aus dem Markteinkommensprinzip, doch besteht angesichts der weitergehenden Anwendbarkeit des Rechtsgedankens die Vermutung, dass weitere, über die Ermittlung des Einkommens hinausgehende Rechtssätze als Quellen dieses Rechtsgedankens infrage kommen.

IV. Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen 1. Tatbestandsmäßigkeit als Ausgangspunkt a. Tatbestandsmäßigkeit in der steuerrechtlichen Diskussion Das Rechtsstaatsprinzip, verankert in Art. 20 Abs. 3 GG,1281 wird in der Diskussion um fremdbestimmte Steuerwirkungen meist in einer be­ stimmten Ausprägung aktiviert, nämlich dem Grundsatz der Tatbe­ 1280 Vgl. für die Kapitalgesellschaft S. 139 ff., für die illiquiden Übertragungsvorgänge S. 216 und für die zusammenveranlagte Ehe S. 243. Zu den Problemen aber bei der Besteuerung der Personengesellschaft S. 177 ff. 1281 Die in diesem Abschnitt behandelten Aspekte wie Bestimmtheit, Gesetzmäßig­ keit und Vertrauensschutz werden allerdings nicht (mehr) nur ausschließlich als solche des Rechtsstaats verstanden, sondern auch aus den Freiheitsgrundrechten abgeleitet; vgl. hierzu Kempny, StuW 2014, S. 185 (187); Thiemann, StuW 2019, S. 295 (296). Die Verschränkung zwischen den Grundrechten der Freiheit und dem Rechtsstaat wird im Folgenden auch deutlich (insb. S. 301). Dennoch sollen die o.g. Aspekte in dieser Arbeit unter dem Rechtsstaatsprinzip untersucht wer­ den: zum einen, da sich aus der unterschiedlichen Verortung soweit ersichtlich keine inhaltlichen Unterschiede ergeben; zum anderen, weil jedenfalls in der steuerrechtlichen Literatur die Bezugnahme auf den Rechtsstaat (und eben nicht auf die Freiheitsgrundrechte) ganz herrschend ist.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

standsmäßigkeit der Besteuerung. Der Grundsatz ist in dieser Arbeit be­ reits angesprochen worden: Er wird bei der Bestimmung des allgemeinen Zurechnungsgrundes von Einkünften als Maßstab genannt.1282 Demnach sollen Einkünfte demjenigen zugerechnet werden, der den Tatbestand verwirklicht. Teilweise erfolgt der Bezug auf den Tatbestand auch in der Benennung des Problems der fremdbestimmten Steuerwirkungen, das eben auch „Tatbestandsverwirklichung durch Dritte“1283 oder „Besteue­ rung ohne Tatbestandsverwirklichung“1284 genannt wird; teilweise wird gesagt, das Subjekt der Ermittlung der Leistungsfähigkeit nur sein kann, wer den Tatbestand eines Steuergesetzes verwirklichen (und über eine Leistungsfähigkeit verfügen) kann.1285 Ohne ein Ergebnis der Untersuchung des Zusammenhangs von fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen und Rechtsstaatsprinzip vorwegnehmen zu wollen, lässt sich doch schon an dieser Stelle festhalten, dass die im Zu­ sammenhang mit der Tatbestandsmäßigkeit genannten Probleme gelöst erscheinen bzw. gar nicht erst auftreten würden, wenn der Steuerpflich­ tige den Tatbestand selbst verwirklicht, so dass er die steuerlichen Fol­ gen seines eigenen Handelns zu tragen hätte. Im Schrifttum wird dabei vertreten, dass sich eine solche Aussage schon unmittelbar aus § 38 AO entnehmen lässt.1286 b. Die Bedeutungslosigkeit des § 38 AO für die Fremdbestimmung In der auf § 38 AO bezogenen Literatur wird versucht, den allgemeinen Zurechnungsgrund zu benennen. Für die Fragen (des Subjekts) der Tatbe­ standsverwirklichung erscheint § 38 AO auf den ersten Blick tatsächlich als entscheidende Norm. Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhält­ nis entstehen demnach, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Wie aber oben bereits festgestellt, ist der Satz im Passiv formuliert; er verschweigt das Subjekt.1287

1282 Siehe oben, S. 34. 1283 Kamm, Über Grundlinien steuergesetzlicher Tatbestandsbildung und steuertat­ bestandlicher Garantiefunktionen, entwickelt an Zweifelsfällen von Steuer­ schuldnerschaft infolge Tatbestandsverwirklichung durch Dritte (1976); Sparrer, Sonderbetriebsvermögen (2007), S. 54; ähnlich Hey, Kernfragen des Unterneh­ menssteuerrechts (2010), S. 1 (2): „Tatbestandsverwirklichung durch die Zurech­ nung von Drittverhalten“ und Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, Einführung zum EStG, Rn. 46. 1284 Kanzler, FS Korn (2005), S. 287 (302). 1285 Ratschow, DStJG Bd. 34 (2011), S. 35 (47). 1286 Etwa Crezelius, FR 2002, S. 805 (809); Crezelius, ZEV 2004, S. 45 (51); Crezelius, Beihefter zu Heft 51–52, DStR 2013, S. 99 (106); Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (221). 1287 Vgl. oben, S. 34.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Aus der passiven Formulierung folgt, dass die „Verwirklichung des Tat­ bestandes nicht vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt“.1288 Aus die­ ser Erkenntnis aber weiter abzuleiten, dass die passive Formulierung des § 38 AO fremdbestimmte Steuerwirkungen erlaubt, ginge zu weit.1289 Mit der vorstehenden Aussage sind Fälle gemeint, in denen sich der Steu­ erpflichtige in einem Irrtum über rechtliche oder tatsächliche Umstände befindet, oder lediglich „fahrlässig“ den Tatbestand eines Steuergesetzes verwirklicht. Im Gegenteil wird teilweise aus dem Grundsatz der Tatbestandsmäßig­ keit im Sinne des § 38 AO hergeleitet, dass der Tatbestand durch den Steuerpflichtigen verwirklicht werden muss. Dabei stellt sich aber he­ raus, dass die Benennung des Steuerpflichtigen als (verlorenes) Subjekt des § 38 AO einen anderen Ursprung hat: Vor allem wird auf § 2 Abs. 1 EStG rekurriert, der als Dirigent des Rechts der Einkommensteuer for­ dert, dass der Steuerpflichtige Einkünfte erzielt.1290 Weniger weit geht die Behauptung, dass § 38 AO ein besonderes Näheverhältnis zwischen Steuerpflichtigen und Handelndem fordert – diese Forderung wird aber wohl von der allgemeinen Norm des § 42 AO zur Missbrauchsverhin­ derung abgeleitet.1291 Derartige Erkenntnisse sind keine, die aus § 38 AO gewonnen sind. In § 38 AO besteht lediglich eine Lücke im Wort­ laut, die durch eine eigenständige Aussage des § 2 EStG für die Ein­ kommensteuer bzw. mit § 42 AO geschlossen werden soll. § 2 Abs. 1 EStG ist auch keine Manifestation des Grundsatzes der Tatbestandsmä­ ßigkeit aus § 38 AO. Die Norm der Abgabenordnung bleibt für das Prob­ lem der fremdbestimmten Steuerwirkungen in jeder Hinsicht bedeu­ tungslos.1292

1288 BFH, Urt. v. 27.03.1990, Az. VII R 26/89, in BStBl. II 1990, S. 939 Rz. 24 [zit. nach juris]; Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rn. 4. 1289 So auch Crezelius, Beihefter zu Heft 51–52, DStR 2013, S. 99 (106). 1290 Crezelius, FR 2002, S. 805 (809) etwa diskutiert die Implikationen der fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen im Rahmen von Behaltefristen und gelangt unter der Überschrift von § 38 AO zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand durch den Steuer­ pflichtigen erfüllt werden müsse; alle vier zustimmenden Literaturangaben frei­ lich sind Kommentierungen zu § 2 EStG (ebd., Fn. 22). Schuster in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 38 AO Rn. 15 kommentiert „§ 38 AO i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 EStG“. Siehe auch die weiteren Nachweise in dieser Arbeit in Fn. 154. 1291 Nach Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rn. 3 setzt anscheinend grundsätzlich „die gesetzliche Zurechnung von Drittverhalten einen besonderen Zurechnungs­ grund sowie zumindest ein besonderes Näheverhältnis voraus“. Zur Vertiefung wird dann aber auf die Kommentierung Vor § 42 Rn. 25 verwiesen. Zur Kritik an dieser Verweisung siehe ausführlicher unten in Fn. 1371. 1292 Ebenso Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl. (2018), § 38 Rn. 16.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

c. Überblick über die weitere Vorgehensweise Im Folgenden werden in der Untersuchung der fremdbestimmten Steuer­ wirkungen unter dem Rechtsstaatprinzip zwei Komponenten des Rechts­ staats unterschieden: die formelle und die materielle. Dabei wird mit der formellen Komponente begonnen, denn darunter fällt insbesondere die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, die zum einen die in diesem Kontext am häufigsten erwähnte Ausprägung des Rechtsstaats, zum an­ deren aber auch Sammelbegriff für weitere, oft erwähnte formelle Anfor­ derungen der Besteuerung ist. In den formellen Bedingungen für den Steuerzugriff wird schließlich die materielle Komponente des Rechts­ staats erkannt, die hier mit dem Begriff der Vorausberechenbarkeit ver­ knüpft wird. Danach wird der Schlüsselfrage an das Rechtsstaatsprinzip für fremdbe­ stimmte Steuerwirkungen nachgegangen: Schützt das Rechtsstaatsprin­ zip auch vor der Verknüpfung von eigener Steuerpflicht und fremdem Handeln? Oder abstrakter gefragt: Welche Reichweite hat die Freiheits­ garantie des Rechtsstaats? Schließlich werden die dergestalt gefundenen Erkenntnisse auf die in den Referenzfällen erkannten Regelungstechni­ ken angewendet. Die so entstehende Kontextualisierung fremdbestimm­ ter Steuerwirkungen, quasi eine „Phänomenologie der Formen“, soll da­ bei auch aus rechtsstaatlicher Sicht evaluiert werden. Durch diese Durchdringung soll auch der spezifisch steuerrechtliche „Vorsprung des Art. 3 Abs. 1 GG“ gegenüber anderen Verfassungssätzen1293 aufgeholt wer­ den. 2. Formelle Komponente des Rechtsstaates: Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung Wenngleich also § 38 AO keine Aussage bereithält, wer den Tatbestand zu verwirklichen hat, lassen sich dem Grundsatz der Tatbestandsmäßig­ keit der Besteuerung bzw. allgemein der Tatbestandsmäßigkeit eines je­ den staatlichen Eingriffs Aussagen zur Vorhersehbarkeit und zur Selbst­ bestimmung entnehmen.1294

1293 So Seiler, VVDStRL 75 (2016), S. 333 (339): „Die in der allgemeinen Grundrechts­ dogmatik anerkannte ‚Präponderanz der Freiheit‘ kehrt sich im Steuerrecht um in eine Dominanz der Gleichheit“. 1294 So (erneut) auch Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl. (2018), § 38 Rn. 1: „Nicht zum Regelungsgehalt der Vorschrift gehören die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgelei­ teten Anforderungen an die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und die methodi­ schen Grundlagen der Gesetzesanwendung. Die Tatbestandsmäßigkeit der Be­ steuerung wird als normatives Postulat in § 38 vorausgesetzt“.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

a. Besonderheiten des Steuerrechts im Verhältnis zu anderen Regelungsmaterien der Eingriffsverwaltung Wie jede andere Materie der Eingriffsverwaltung unterliegt das Steuer­ recht hohen rechtsstaatlichen Anforderungen. Jeder belastende Eingriff muss auf Grundlage eines Gesetzes erfolgen. Insoweit ist das Erfordernis der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung eine Konkretisierung des Vor­ behalts des Gesetzes und damit des Demokratieprinzips,1295 aber auch eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips.1296 Erst wenn der Tatbestand dieses Gesetzes erfüllt ist, darf der Bürger (der Steuerpflichtige) belastet werden. Zu bedenken ist aber die Besonderheit des Steuerrechts im Vergleich zu anderen Materien der Eingriffsverwaltung. In jedem Haushaltsjahr muss der Fiskus bei der Gesamtheit der Steuerpflichtigen zugreifen, denn jedes Jahr hat der Staat Aufgaben zu erfüllen und mit entsprechenden Steuer­ einnahmen für eine Gegenfinanzierung zu sorgen. Würde jedes Indivi­ duum den Steuerzugriff bei ihm erfolgreich vermeiden können, dann scheiterte der Steuerstaat. Das Steuerrecht ist daher „nicht auf Tatbe­ standsvermeidung, sondern auf Tatbestandsverwirklichung angelegt“.1297 Dies fällt mit dem Diktum von der Unvermeidlichkeit der Steuer zu­ sammen.1298 Es lässt sich daher fragen, ob zur effektiven Durchsetzung des Steuerstaats und zur Vermeidung von Gestaltungsmissbrauch die rechtsstaatlichen Anforderungen an das Steuerrecht zu senken sind.1299 Zu Recht wird diese Forderung in Rechtsprechung und Literatur allerdings zurückgewiesen.1300 Teilweise erfolgt dies auf Grundlage eines etwas defä­ 1295 Papier, Finanzrechtliche Gesetzesvorbehalte (1973), S. 153 ff.; Papier, DStJG Bd. 12 (1989), S. 61 (63); Kirchhof, DStJG Bd. 33 (2010), S. 9 (16). 1296 BVerfG, Urt. v. 14.12.1965, Az. 1 BvR 571/60, in BVerfGE 19, S. 253 Rz. 44 [zit. nach juris]. 1297 Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem (2002), S. 15; i.E. auch Wendt, DStJG Bd. 33 (2010), S. 117 (124). 1298 Kritisch daher gegenüber zu großer Gestaltungsfreiheit Kirchhof, DStJG Bd. 33 (2010), S. 9. 1299 Ausdrücklich mit dem Verweis auf das Sozialstaatsprinzip als gegenläufige Rechtsquelle und im Rahmen von Art. 14 GG Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), S. 8 (31) und Forsthoff, NJW 1955, S. 1249 (1250); vgl. auch das Sondervotum von Böckenförde in BVerfG, Beschluss v. 22.06.1995, Az. 2 BvL 37/91 (Vermögensteuer), in BVerfGE 93, S. 121 Rz. 112 ff. [zit. nach juris]. Merz, Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatz und Verwaltungsermessen im Steuer­ recht (2009), S. 297: Im Bereich des Ermessens im Steuerrecht etwa wird teilwei­ se nicht die fehlende Vorhersehbarkeit für den Steuerpflichtigen als das maßgeb­ liche Problem gesehen, sondern die Gefahr für die Gleichheit der Besteuerung. 1300 Gegen die in Fn. 1299 aufgeführte Ansicht („Sozialstaat statt Rechtsstaat“) v.a. Waldhoff, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts (2009), S. 125 (131); Waldhoff, FS Spindler (2011), S. 853 (869); Hey, StuW 2015, S. 3 (12); Ipsen, FS Badura (2004), S. 201 (205 f.).

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

tistischen Verständnisses vom Steuerrecht: Wenn die Gesetze so schlecht und die Rechtsfolgen in Abhängigkeit von minimalen tech­nischen Ände­ rungen im Sachverhalt so unterschiedlich sind, dann ist es nur legitim, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Steuerplanung und damit ein­ hergehend die Sicherheit dieser Planung zuzugestehen.1301 Darüber hinaus wird aber auch dogmatisch argumentiert: Das Steuer­ recht ist als Standort- und Planungsfaktor anerkannt, was etwa in der Zulässigkeit des Steuerwettbewerbs in der Europäischen Union, zwi­ schen Gemeinden im Rahmen der Gewerbesteuer oder zwischen Län­ dern bei der Grunderwerbsteuer, und insbesondere bei Lenkungssteuern Ausdruck findet.1302 Der Steuerpflichtige soll sich gerade an den Steuer­ gesetzen orientieren. Wenn er dabei im Rahmen der geltenden Steuerge­ setze (und in den Grenzen des § 42 AO) handelt, dann darf er seine Ange­ legenheiten so einrichten, dass seine Steuerlast möglichst gering ist.1303 Wird eine solche Gestaltungsfreiheit grundsätzlich anerkannt, dann darf diese nicht durch eine Absenkung rechtsstaatlicher Standards nachträg­ lich negiert werden. Vor allem aber liegt dem Ertragsteuerrecht ein grundsätzliches Bekennt­ nis zur Freiheit zu Grunde: Niemand wird auf Grund unterstellter poten­ tieller Leistungsfähigkeit (Soll-Ertrag) zur Entrichtung einer Steuer und damit zu einer Arbeit gezwungen.1304 Erst wenn das Individuum tätig wird und tatsächlich einen Ertrag erzielt (Ist-Ertrag), werden hierauf Steu­ ern erhoben. Die Steuer ist daher insoweit vermeidbar und knüpft an die Ausübung von Freiheit an. Dass der Steuerstaat aber dennoch nur funkti­ onieren kann, wenn eine ausreichend große Anzahl von Individuen sich für das Erzielen von Erträgen entscheidet, ist ein Charakteristikum des 1301 In diesem Sinne etwa Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem (2002), S. 15; Rödder, Gestaltungssuche im Ertragsteuerrecht (1991), S. 436; Vogel, StuW 1980, S. 206 (208). 1302 Rödder, Gestaltungssuche im Ertragsteuerrecht (1991), S. 30; ausführlich mit ak­ tuellen Beispielen Rödder, DStJG Bd. 33 (2010), S. 93 (96 ff.). Zum internationa­ len Steuerwettbewerb Schmehl, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts (2009), S. 99. 1303 BVerfG, Beschluss v. 14.04.1959, Az. 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57 (Getrennte Veran­ lagung), in BVerfGE 9, S. 237 Rz. 46 [zit. nach juris] stellt fest, dass „es grundsätz­ lich jedem Steuerpflichtigen freisteht, seine Angelegenheiten so einzurichten, dass er möglichst wenig Steuern zu zahlen braucht“. Die Rechtsprechung des BVerfG wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung des BFH v.a. im Zusam­ menhang mit § 42 AO positiv rezipiert; vgl. die Nachweise bei Drüen, GmbHR 2008, S. 393 (394); Hey, StuW 2008, S. 167 (169); Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem (2002), S. 14 Fn. 26 und bei Gabel, Verfassungsrechtliche Maßstäbe spezieller Missbrauchsnormen (2011), S. 214. 1304 Vgl. aber zu den engen Voraussetzungen der Zulässigkeit von Sollertragsteuern BVerfG, Beschluss v. 22.06.1995, Az. 2 BvL 37/91 (Vermögensteuer), in BVerfGE 93, S. 121.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

freiheitlichen Staates. In Anlehnung an ein Diktum von Böckenförde1305 lässt sich sagen: Der freiheitliche Steuerstaat lebt von einer Vorausset­ zung, die er nicht garantieren kann, nämlich der Bereitschaft der Staats­ bürger, wirtschaftlich tätig zu werden, so dass der Staat hieran partizipie­ ren kann. Gesteht die Rechtsordnung dem Individuum hinsichtlich der sachlichen Steuerlast diese Freiheit zu, dann gibt es keinen Grund im Verhältnis zu anderen Bereichen von Freiheitsausübung zu differenzie­ ren: Die Freiheit ist durch den Rechtsstaat abzusichern. Oder in den Wor­ ten von Schön: Freiheit ist nur „der schlichte Reflex eines streng verstan­ denen Prinzips der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung“.1306 Will man diesen Reflex auslösen, dann muss das Prinzip verwirklicht werden. Besteht also die Freiheit des Steuerbürgers und mit ihr die Pflicht des Staates zur Rechtsstaatlichkeit, dann trifft den Gesetzgeber zur Verwirk­ lichung des Steuerstaates die Pflicht, Steuergesetze so zu gestalten, dass sie bei (der nicht zu garantierenden Voraussetzung) wirtschaftlicher Tä­ tigkeit des Individuums effektiv und gleichmäßig greifen.1307 Eine Absen­ kung des rechtsstaatlichen Schutzniveaus im Steuerrecht kommt nicht in Betracht. b. Grundaussagen zur Tatbestandsmäßigkeit Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Auslöser des Reflexes von Freiheit1308 hat in der Literatur eine Aufteilung in Fallgruppen erfahren. Brinkmann etwa stellt in seiner Dissertation zur Tatbestandsmäßig­ keit der Besteuerung verschiedene rechtstechnische Ausprägungen die­ ses Prinzips fest:1309 Klassische Problemfelder im Bereich der Gesetz­ mäßigkeit bzw. Tatbestandsmäßigkeit sind die Fragen der Bestimmtheit von Steuergesetzen1310, der Normenklarheit1311, der Auslegungsbegren­ 1305 Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit (1976), S. 60. Vgl. auch Kirchhof, For­ schen heißt Hoffen – Abschiedsvorlesung (07.06.2013): „die im Freiheitsprinzip angelegte Hoffnung“. 1306 Schön, DStJG Bd. 33 (2010), S. 29 (39). 1307 Ausführlich Diwell, Beihefter zu Heft 17, DStR 2008, S. 7; Schön, DStJG Bd. 33 (2010), S. 29 (36). 1308 Vgl. den Nachweis in Fn. 1306. 1309 Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und formeller Gesetzesbe­ griff (1982). 1310 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, siehe bspw. BVerfG, Beschluss v. 12.10.1978, Az. 2 BvR 154/74, in BVerfGE 49, S. 343 Rz. 68 [zit. nach juris]. Papier, DStJG Bd. 12 (1989), S. 61; Schulze-Osterloh, Strafverfolgung und Strafver­ teidigung im Steuerstrafrecht (1983), S. 43; Osterloh, Gesetzesbindung und Typi­ sierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze (1992), S. 109 ff.; Jochum, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1611 (1612 ff.); Thiemann, StuW 2019, S. 295. Monographisch etwa Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht (2005). 1311 So legte etwa der BFH, Beschluss v. 06.09.2006, Az. XI R 26/04, in BStBl. II 2007, S. 167 die Mindeststeuerregelung des StEntlG 1999/2000/2002 wegen eines (ver­

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

zung1312, die Rückbewirkung von Rechtsfolgen bzw. der tatbestandlichen Rückanknüpfung1313, der Zulässigkeit von (belastender) Rechtsfortbil­ dung1314 und untergesetzlicher Belastungsentscheidungen1315 sowie der Ausübung des Ermessens1316. Dabei handelt es sich um Themen, die im Verwaltungsrecht unter dem Oberbegriff „Gesetzmäßigkeit der Verwal­ tung“ diskutiert werden. Für Zwecke dieser Arbeit wird mit der herr­ schenden Literatur angenommen, dass der Begriff der Tatbestandsmäßig­ keit der Besteuerung zwar spezifisch steuerrechtlich ist, inhaltlich jedoch keine Unterscheidung aufweist zum Begriff „Gesetzmäßigkeit der Ver­ waltung“.1317 Um all diese bislang anerkannten Ausprägungen der Tatbestandsmäßig­ keit geht es aber im Kontext der fremdbestimmten Steuerwirkungen gar nicht: Die Behaltefristen, die Durchgriffsregelungen, die Haftungstatbe­ stände sind alle bestimmt formuliert. Der Belastungsgrund ergibt sich aus dem Gesetz und die Finanzverwaltung handelt erst dann, wenn der Tatbestand des Gesetzes erfüllt ist; sie hält sich an die in einem Parla­ mentsgesetz ergangenen Vorgaben des demokratisch legitimierten Ge­ setzgebers. Im Gegenteil versucht der Rechtsanwender, den Tatbestand oftmals zu überwinden, indem etwa über Ermessensvorschriften als zu

meintlichen) Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit (letztlich erfolglos) dem BVerfG vor. 1312 Kamm, Grundlinien steuergesetzlicher Tatbestandsbildung (1976); Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und formeller Gesetzesbegriff (1982), S. 8 f.; Schön, DStJG Bd. 33 (2010), S. 29 (45 ff.). 1313 Zuletzt BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012, Az. 1 BvL 6/07, in BGBl I 2012, S. 2344; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010, Az. 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, in BVerfGE 127, S. 61. Dazu auch Hey, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1657 (1661 ff.). 1314 Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 362 ff.; Papier, Finanzrechtliche Gesetzesvorbehalte (1973), S. 181 ff.; Jochum, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1611 (1615 f.); Hey, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1657 (1660 f.). 1315 Etwa in BVerfG, Urt. v. 14.12.1965, Az. 1 BvR 571/60, in BVerfGE 19, S. 253. 1316 Ausführlich monographisch zum Problemkreis Tatbestandsmäßigkeit und Er­ messen Merz, Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatz und Verwaltungsermessen im Steuerrecht (2009); siehe außerdem auch Papier, Finanzrechtliche Gesetzesvor­ behalte (1973), S. 164 ff. 1317 So auch Hahn, Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und der Tatbe­ standsmäßigkeit der Besteuerung (1984), S. 20 ff.; Sobota, Prinzip Rechtsstaat (1997), S. 498; Seiler, Einheitlicher Parlamentsvorbehalt (2000), S. 316 f. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht (2005), S. 175 ff. sieht noch einen ei­ genen Anwendungsbereich des Begriffs für die Entstehung der Steuer kraft Geset­ zes und bei der strikten Ablehnung von Ermessen. Selmer, FS Starck (2007), S. 435 sieht die Tatbestandsmäßigkeit auch als Abgrenzungskriterium der Abga­ ben zu anderen öffentlichen Geldleistungspflichten.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

weit empfundene – weil fremdverursachte – Belastungsfolgen korrigiert werden sollen.1318 Zutreffend führte Schaumburg schon bei der Einführung des § 8c KStG auf der Steuerrechtlichen Jahresarbeitstagung der Fachanwälte für Steu­ errecht aus:1319 „Und ich möchte noch eins draufsetzen: Wir haben jetzt die Situation, dass der Tatbestand durch eine dritte Person verwirklicht wird, die nachteilige Rechtsfolge tritt aber bei der Kapitalgesellschaft ein. Das ist ein gravierender Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. Wir haben alle gelernt, dass es eine Vorhersehbarkeit in der Besteuerung geben muss. Hier wird ein Vorstand als gesetzlicher Vertreter einer Kapitalgesellschaft nie vorausberechnen können, bis wann Verluste überhaupt noch abziehbar sind. Er ist sozusagen den Handlungen Dritter, fremder Personen ausgesetzt.“

c. Perspektive des formellen Rechtsstaates Aus Sicht der Exekutive sind in den Referenzfällen alle formalen Anfor­ derungen erfüllt, den Grundsätzen der Tatbestandsmäßigkeit ist genüge getan. In der Tat ist gewollt, dass der Blick des Staates und insbesondere der der Exekutive1320 maßgeblich ist. Die Formalisierung des Prozesses auf Seiten der Behörde ist Mittel des Rechtsstaates, um Vorhersehbar­ keit, Verlässlichkeit, und damit die Freiheit des Bürgers zu garantie­ ren.1321 Dennoch – trotz der Erfüllung aller Formerfordernisse – wird die­ ses Ziel aber bei fremdbestimmten Steuerwirkungen nicht erreicht. Damit wird das Telos des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit ver­ fehlt, wenn dieser nur als Begrenzung der staatlichen Willkür wirkt. Deutlich wird dies anhand des letzten Halbsatzes der Formel, die das

1318 Siehe die Lösung der Literatur und Rechtsprechung bei der Haftung der Organge­ sellschaft für nicht bei ihr entstandene Steuern nach § 73 AO; in diesem Fall soll eine Korrektur im Ermessen von § 191 Abs. 1 AO erfolgen (ausführlich oben, S. 48). 1319 Schaumburg, JbFfSt 2007/2008, S. 136 (138). Diese Aussage von Schaumburg wird zwar gelegentlich wiedergegeben (z.B. bei Hohmann, Beschränkung des sub­ jektbezogenen Verlusttransfers im Kapitalgesellschaftsteuerrecht, Teilband 1 (2017), S. 214 f.), ohne dass aber nachfolgende Stimmen mit gleichem Nachdruck einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip feststellten. Auch BVerfG, Be­ schluss vom 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, S. 106 schweigt hierzu in seiner Entscheidung zu § 8c KStG. 1320 Auch im anglo-amerikanischen Recht ist die Meinung vorherrschend, dass das staatsbegrenzende Recht in erster Linie gegen die Exekutive wirkt; vgl. dazu Rivers, FS Starck (2007), S. 891 (892 ff.). 1321 Kamm, Grundlinien steuergesetzlicher Tatbestandsbildung (1976), S. 88; Schmidt-­ Aßmann, HStR II3 (2004), § 26 Rz. 19. Dort findet sich auch das Diktum Iherings, wonach die Form die „geschworene Feindin der Willkür ist“.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung zur Tatbestands­ mäßigkeit entwickelt hat:1322 „Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips im Bereich des Abgabenwesens fordert, dass steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann.“

Die „Vorausberechenbarkeit“ wird grundsätzlich durch die Begrenzung des Staates mit Hilfe der formellen Ausprägungen gesichert; diese greifen aber zu kurz bzw. bedürfen einer Neujustierung auf Grund materieller Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips. 3. Materielle Komponente des Rechtsstaats: Vorausberechenbarkeit Fremdbestimmte Steuerwirkungen sind daher keine Herausforderung des Rechtsstaatsprinzips in dessen formeller Ausprägung der Tatbe­ standsmäßigkeit. Vielmehr müssen sie sich an anderen, materiellen An­ forderungen von Rechtsstaatlichkeit messen lassen. a. Die Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Rechtsstaat und die daraus folgende Entwicklungsoffenheit Rechtsstaatlichkeit mag als ein Sammelbegriff für typische Formelemen­ te des Rechts verstanden werden, wie etwa Gewaltenteilung, Gesetzmä­ ßigkeit der Verwaltung und Rechtsschutz.1323 Diese Formelemente sind Grundlage für die Sicherung des Friedens durch Recht. Die Beschränkung auf die Form (formeller Rechtsstaat) aber beschreibt nicht vollständig die Vorstellung, die das Grundgesetz von Rechtsstaatlichkeit hat. Vielmehr bestehen als Grundannahmen des Grundgesetzes von Rechtsstaatlich­ keit die Verfassungsstaatlichkeit, die Leistungsfähigkeit des Rechts und die Menschenwürde.1324 Zusammen mit letzterer ist auch die Grund­ 1322 BVerfG, Urt. v. 14.12.1965, Az. 1 BvR 571/60, in BVerfGE 19, S. 253 Rz. 44; BVerfG, Beschluss v. 28.02.1973, Az. 2 BvL 19/70, in BVerfGE 34, S. 348 Rz. 75; BVerfG, Beschluss v. 12.10.1978, Az. 2 BvR 154/74, in BVerfGE 49, S. 343 Rz. 71; für die Spielapparatesteuer auch übernommen von BVerwG, Beschluss v. 26.09.2007, Az. 9 B 12/07, in NVwZ 2008, S. 88 Rz. 9 [jew. zit. nach juris]. Zustimmend wie­ dergebend etwa Paulick, Lehrbuch des allgemeinen Steuerrechts, 3. Aufl. (1977), Rz. 167; Waldhoff, FS Spindler (2011), S. 853 (872); Mellinghoff, Beihefter zu Heft 20–21, DStR 2003, S. 3 (14); Isensee, StuW 1994, S. 3 (6 f.); Selmer, FS Starck (2007), S. 435 (440); Kirchhof, DStJG Bd. 33 (2010), S. 9; Hey, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1657 (1664 f.); Thiemann, StuW 2019, S. 295 (296); für Fragen der Be­ stimmtheit kritisch Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht (2005), S. 131 ff. 1323 Etwa Forsthoff, FS C. Schmitt (1959), S. 35 (61); Dicey, Introduction to the study of the law of the constitution (1959), S. 188 ff. und 267 f. 1324 Scheuner, Staatstheorie und Staatsrecht: Gesammelte Schriften (1978), S. 185 (204 ff.); Bachof, VVDStRL 12 (1953), S. 37 (80) als erster Leitsatz: Die formellen

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

rechtsordnung als Ganzes eine Grundannahme des Rechtsstaates (Art. 1 Abs. 3 GG).1325 Diese Grundannahmen befinden sich in einem Wechselspiel mit den an zahlreichen Stellen im Grundgesetz und im einfachen Recht verteil­ ten formellen Ausprägungen des Rechtsstaates. Die formellen Ausprä­ gungen konkretisieren diese und gestalten sie aus. Deshalb sind sie auch nicht abschließend: Wenn der materielle Gehalt des Rechtsstaats an­ gegriffen ist, dann kann dies nicht mit dem Verweis auf fehlende Rechts­ formen ignoriert werden. Die Formen sind daher wandlungs- und ergän­ zungsfähig; aus ihnen sind „Bauprinzipien“ und Entwicklungslinien zu erschließen.1326 Diese Wechselwirkungen halten das Rechtsstaatsprinzip einerseits konkret und damit effektiv, andererseits aber auch entwick­ lungsoffen. In der deutschen Staatsrechtswissenschaft (wie auch in weiten Teilen des angelsächsischen Raums1327) ist dieses formell-materielle Verständnis von Rechtsstaat mit der einhergehenden Entwicklungsoffenheit seit je­ her1328 vorherrschend.1329 Als Kern des Rechtsstaats lässt sich der Auftrag des Staates festhalten, durch Begrenzung und Gewährleistung staatli­ chen Handelns Menschenwürde, Freiheit1330 und Gerechtigkeit sowohl gegenüber der Staatsgewalt als auch im Verhältnis der Individuen unter­ einander zu gewährleisten.1331

Elemente des Rechtsstaates dienen nur der Gewährleistung dieses materiellen Gehalts. 1325 Ausführlich dazu Sobota, Prinzip Rechtsstaat (1997), S. 65 ff. 1326 Schmidt-Aßmann, HStR II3 (2004), § 26 Rz. 69; Scheuner, Staatstheorie und Staatsrecht: Gesammelte Schriften (1978), S. 185 (190). 1327 Raz, The authority of law: essays on law and morality (1979), S. 210; Ausführlich zu diversen formell-materiellen, aber auch rein materiellen Konzepten von Rechtsstaat im angelsächsischen Raum Craig, Public Law 1997, S. 467; Rivers, FS Starck (2007), S. 891 (897 ff.). Vertreter eines rein materiellen Verständnisses von Rechtsstaats (als ein Individualrechte-basierter Ansatz) ist etwa Dworkin, A matter of principle (1985), S. 11 ff. 1328 Schmidt-Aßmann, HStR II3 (2004), § 26 Rz. 18 f., 69; Scheuner, Staatstheorie und Staatsrecht: Gesammelte Schriften (1978), S. 185 (204 ff.). 1329 Grzeszick in Maunz/Dürig, Art. 20 GG VII Rn. 40: „Verschränkung“ formeller und materieller Elemente des Rechtsstaates; so auch Bettermann, Totaler Rechtsstaat (1986), S. 5 ff.; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungs­ staat (2001), S. 37 ff., 243 f.; Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. (2010), § 8 Rn. 8, der den materiellen auch als sozialen Rechtsstaat beschreibt; Sommermann, Staats­ ziele und Staatszielbestimmungen (1997), S. 174 ff. 1330 Ausführlich zur Verknüpfung von Rechtsstaat und (den verschiedenen Vorstel­ lungen von) Freiheit Sobota, Prinzip Rechtsstaat (1997), S. 46 ff. 1331 Schmidt-Aßmann, HStR II3 (2004), § 26 Rz. 1 m.w.N.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

b. Perspektivenverschiebung des materiellen Rechtsstaates Eine starke Gewährleistung für die Erhaltung dieser Rechtsgüter sind Rechtssicherheit im Allgemeinen und „Vorausberechenbarkeit“1332 staatlichen Handelns im Besonderen. Das Individuum muss absehen können, unter welchen Voraussetzungen eine bzw. welche staatliche Be­ lastung erfolgt. Insbesondere muss es wissen, was es tun kann, ohne dass eine solche Belastung erfolgt. Nur in diesem Rahmen kann sich Men­ schenwürde1333 und Freiheit ausdrücken:1334 „Freiheit erfordert zumal die Verlässlichkeit der Rechtsordnung. Denn Freiheit meint vor allem die Möglichkeit, das eigene Leben nach eigenen Entwürfen zu gestalten. Eine wesentliche Bedingung hierfür ist, dass die Umstände und Fakto­ ren, die die Gestaltungsmöglichkeiten solcher Entwürfe und ihren Vollzug nach­ haltig beeinflussen können, insbesondere die staatlichen Einwirkungen hierauf, möglichst zuverlässig eingeschätzt werden können.“

Diese zuverlässige Einschätzung verlangt mit Blick auf die Vergangen­ heit Beständigkeit (Bestandskraft, Rechtskraft, aber auch keine „Rückbe­ wirkung von Rechtsfolgen“1335). Mit Blick auf die Zukunft sind Vorher­ sehbarkeit bzw. speziell im Steuerrecht Vorausberechenbarkeit gefordert. Garant der Vorhersehbarkeit ist der Tatbestand des Gesetzes, an denen die oben beschriebenen technischen Anforderungen gestellt werden, so dass sich dem Tatbestand entnehmen lässt, welche Rechtsfolgen sich für das Individuum ergeben. Typischer Weise handelt es sich dabei um die 1332 Begriff nach BVerfG, Urt. v. 14.12.1965, Az. 1 BvR 571/60, in BVerfGE 19, S. 253 Rz. 44 [zit. nach juris]; siehe auch die weiteren Nachweise in Fn. 1322. 1333 Raz, The authority of law: essays on law and morality (1979), S. 210 (220 f.): “We value the ability to choose styles and forms of life, to fix long-term goals and ­effectively direct one’s life towards them. One’s ability to do so depends on the existence of stable, secure frameworks for one’s life and actions. This (…) is the concern of the rule of law (…) Respecting human dignity entails treating humans as persons capable of planning and plotting their future. Thus, respecting ­people’s dignity includes respecting their autonomy, their right to control their future.”; siehe auch Allan, Constitutional Justice: A Liberal Theory of the Rule of Law (2001), S. 283. Mit der Verknüpfung von Rechtsstaatlichkeit als Mittel und Menschenwürde bzw. Selbstbestimmung als Zweck tritt als Folge auch die eigenständige Prüfung von Grundrechten, insb. Art. 2 Abs. 1 GG, hinter die Untersuchung der Rechts­ staatlichkeit zurück. Eine eigene grundrechtliche Prüfung ist nicht erforderlich. Durchgeführt wird eine solche aber bei Becker, Grundsatz der Individualbesteue­ rung (1970), S. 125 ff., sogar am Maßstab von Art. 1 Abs. 1 GG. 1334 BVerfG, Beschluss v. 20.04.1982, Az. 2 BvL 26/81, in BVerfGE 60, S. 253 Rz. 54 [zit. nach juris] sowie speziell für das Steuerrecht BVerfG, Urt. v. 14.12.1965, Az. 1 BvR 571/60, in BVerfGE 19, S. 253 Rz. 44 [zit. nach juris], wiedergegeben oben, S. 298. 1335 Spindler, DStJG Bd. 27 (2004), S. 69; Hey, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1657 (1661 ff.). In der Rechtsprechung zuletzt BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012, Az. 1 BvL 6/07, in BGBl I 2012, S. 2344; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010, Az. 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, in BVerfGE 127, S. 61.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

schon bei der Tatbestandsmäßigkeit angesprochenen Problemkreise, wie Bestimmtheit und Klarheit, Rechtsfortbildung und Auslegung sowie Er­ messen.1336 Rechtssicherheit und Vorausberechenbarkeit sind damit rechtstechni­ sche Postulate, die die materielle Idee eines solchen Rechtsstaates ermög­ lichen wollen, in dem das Individuum frei und selbstbestimmt leben kann.1337 Der Lebensraum des freien Individuums ist dann in der „frei­ heitssichernden Differenz“ zwischen Norm und Sachverhalt zu finden.1338 Mit der Betonung der persönlichen Freiheit des Individuums verschiebt sich auch die Perspektive: Während der formelle Rechtsstaat sich in ers­ ter Linie auf die Begrenzung staatlicher Eingriffe fokussiert, rückt der ma­ terielle Rechtsstaat den (mit der formellen Begrenzung verbundenen) Freiheitsgewinn des Individuums in den Vordergrund. 4. Freiheitsgarantie des Rechtsstaates und Handlungen Privater a. Bestimmung der Perspektive und Qualität des Eingriffs Die rechtstechnischen Garantieformen der Rechtssicherheit sind aber allesamt auf zweipolige Verhältnisse ausgelegt: Staat und Individuum stehen sich gegenüber.1339 Das Individuum weiß, welche Folgen staatli­ chen Handelns sein eigenes Tätigwerden auslöst. Diese Betrachtung wird gestört, wenn ein Fremder hinzutritt. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige nicht nur das Handeln der Fi­ nanzbehörden nicht vorhersehen kann, sondern sogar der steuerrechtli­ che Eingriff „im Ermessen eines anderen Privaten“1340 steht, ist bislang – soweit ersichtlich – nur bei Crezelius als Herausforderung an den Rechtsstaat herausgearbeitet worden. Das Schweigen zumindest im älte­ ren Schrifttum1341 überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass die promi­

1336 Siehe schon oben, S. 290 ff., und insbesondere die monographische Aufberei­ tungen von Kamm, Grundlinien steuergesetzlicher Tatbestandsbildung (1976); Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und formeller Gesetzesbe­ griff (1982); Hahn, Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und der Tat­ bestandsmäßigkeit der Besteuerung (1984); Merz, Tatbestandsmäßigkeitsgrund­ satz und Verwaltungsermessen im Steuerrecht (2009). 1337 Hey, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1657 (1664 f.). 1338 Schön, DStJG Bd. 33 (2010), S. 29 (34) mit Bezug auf eine ältere Formulierung von Grimm. 1339 Diese Dichotomie von Staat und Bürger wird vor allem im älteren Schrifttum – etwa bei Fechner, Freiheit und Zwang im sozialen Rechtsstaat (1953) – betont. 1340 Crezelius, FR 2002, S. 805 (809); Crezelius, Beihefter zu Heft 51–52, DStR 2013, S. 99 (106). Zum Beispiel der Stiefmutter oben, S. 194. 1341 Lediglich bei Kamm, Grundlinien steuergesetzlicher Tatbestandsbildung (1976), S. 88 ff. werden unter Aspekten des Rechtsstaats fremdbestimmte Steuerwirkun­ gen (als „Tatbestandsverwirklichung durch Dritte“) untersucht, die sich dort al­

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

nentesten Fälle der Fremdbestimmung – Durchgriffe bei der Kapitalge­ sellschaft, Behaltefristen – noch relativ neue Erscheinungsformen sind. Mit der Formulierung vom Eingriff „im Ermessen eines anderen Priva­ ten“ aber ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten für den Anschluss des Phänomens an das Rechtsstaatsprinzip und die Rechtssicherheit. Damit erscheint die Forderung erhoben, dass der Rechtsstaat das Individuum vor Handlungen anderer Privater schützen müsste. Letztlich können ja auch diese die Zukunft des Individuums beeinflussen und dessen Freiheit und Selbstverwirklichung beeinträchtigen. Einen solchen Schutzauftrag aus dem Rechtsstaatsprinzip und insbesondere aus der Ausprägung der Rechtssicherheit (und nicht bestimmten Grundrechten) herzuleiten, würde eine Überforderung des Rechtsstaatsbegriffs bedeuten. Der Eingriff ist letztlich immer noch der Steuerzugriff selbst. Diese Entscheidung knüpft lediglich an die fremde Handlung an. Nötig ist vielmehr eine Ver­ knüpfung mit staatlichen bzw. spezifisch rechtlichen Handlungen. Dazu Schmidt-Aßmann:1342 „Rechtssicherheit meint jedenfalls nicht einen Schutz vor allen Wechselfällen des Lebens. Vielmehr geht es um eine spezifische Sicherheit durch Recht und in Bezug auf Rechtsakte, kurz: um Verlässlichkeit der Rechtsordnung.“

Das Problem muss daher so formuliert werden: Darf die Rechtsordnung an eine Handlung eines Fremden anknüpfen und diese zur Grundlage eines staatlichen Eingreifens bei einem Individuum machen? Entschei­ dend ist also der Perspektivwechsel hin zum Steuerpflichtigen, der auf den Staat blickt. Gegenstand der Untersuchung muss staatliches Handeln aus Sicht des Steuerpflichtigen sein.1343 Der einfache Blick aus Sicht des Staates, insbesondere in der Gestalt der Finanzverwaltung, hilft wie oben festgestellt nicht weiter, da es sich um kein klassisch-zweipoliges Verhältnis handelt, in dem durch (klassische) Restriktionen staatlichen Handelns die Idee eines materiellen Rechtsstaates verwirklicht wird. Der Blick aus Sicht des Fremden mit „Ermessen“ hingegen würde, wie mit dem obigen Zitat deutlich wird, die bisherigen Grenzen des Rechts­ staatsprinzips sprengen. b. Wirkungsgleiche Belastung bei fremdbestimmten Steuerwirkungen Bildet man zwei Fallgruppen – die erste bestehend aus den klassischen Problemfällen des Rechtsstaates (vor allem Unbestimmtheit, Rechtsfort­ lerdings nur auf Grund der teleologischen Extension oder durch Analogiebildung ergeben. 1342 Schmidt-Aßmann, HStR II3 (2004), § 26 Rz. 81. 1343 Grzeszick in Maunz/Dürig, Art. 20 GG VII Rn. 69: Vertrauensschutz und Rechts­ sicherheit schützen zuvorderst das Vertrauen des Bürgers in die Kontinuität von Recht. Ebenso Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 28 ff. m.w.N.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

bildung, Rückwirkung, Ermessen1344), die zweite jene mit fremdbestimm­ ten Steuerwirkungen –, dann bestehen aus Sicht des Steuerpflichtigen keine Unterschiede im staatlichen Handeln in beiden Fallgruppen. In beiden Fällen ist aus Sicht des Steuerpflichtigen das Handeln der Steuer­ behörden nicht vorhersehbar, nicht vorausberechenbar. Die Unsicher­ heit besteht dabei unabhängig von der tatsächlichen Handlung des Frem­ den, denn alleine das Wissen um die Möglichkeit der fremdbestimmten Steuerwirkung erschwert die Planung des Steuerpflichtigen. In der steuerrechtlichen Literatur zur Rechts- und Planungssicherheit im Steuerrecht wird die Kategorie „Planungsunsicherheit auf der Ebene des Steuerpflichtigen durch andere Private“ aber dennoch nicht geführt.1345 Innerhalb der Gruppe der Planungsunsicherheit auf Ebene der Gesetzge­ bung werden nur mangelnde Gesetzgebungsqualität, Gesetzesänderung (mit Vergangenheitsbezug) und gesetzgeberischer Aktionismus, gleich­ zeitig aber auch Untätigkeit und überlange Gesetzgebungsverfahren ge­ scholten; trotz der gleichen Wirkung erfolgt eine Anknüpfung des Geset­ zes an die Handlungen von fremden Privaten nicht.1346 Trotz gleicher Belastungswirkung sind die fremdbestimmten Steuerwirkungen bislang in der Literatur nicht als Fallgruppe erkannt. c. Verortung des Unsicherheitsfaktors im Verhältnis zur Norm als Unterscheidungskriterium aa. Anerkannte Unsicherheitsfaktoren innerhalb der Norm Die bisherige Nichtberücksichtigung der fremdbestimmten Steuerwir­ kungen als Fallgruppe der steuerrechtsspezifischen Rechts(un)sicherheit wirft natürlich die Frage auf, ob es neben der relativen Neuigkeit des Phänomens nicht auch noch einen anderen Grund hierfür geben kann. Auffällig ist, dass bei den anderen Fallgruppen der Unsicherheitsfaktor eine größere Nähe zur Norm aufweist. Die Geltung der Norm selbst ist unsicher, die Aussage der Norm ist unklar oder ändert sich rückwirkend, die Norm wird von Verwaltung und Rechtsprechung über ihren eigentli­ chen Aussagegehalt hinaus gestreckt. Die Unsicherheit bezieht sich auf die Norm bzw. deren Anwendung und damit spezifisch auf das Recht, was die Unsicherheit zu einem Problem macht, das der Rechtsstaat zu 1344 Siehe dazu schon die Aufzählung oben, S. 296. 1345 Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem (2002), S. 63 ff. etwa kennt diese Erscheinungsform fehlender Steuerplanungssicherheit nicht. Auch bei Voß, Ungewißheit im Steuerrecht (1992), S. 26 ff. erfolgt eine Systematisierung nur bezüglich der Rechtsquellen. 1346 Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem (2002), S. 67–76. Auch Voß, Ungewißheit im Steuerrecht (1992), S. 33 ff. sieht im Rahmen der möglichen sta­ tischen Ungewissheit beim Gesetzgeber kein Problem mit fremdbestimmten Steuerwirkungen im Sinne dieser Arbeit.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

lösen hat, und nicht bloß einen der „Wechselfälle des Lebens“ darstellt. Im Rahmen der anerkannten Fallgruppen ist das Problem des Ermessens noch am weitesten von der Norm entfernt, jenseits des Tatbestands und bereits auf der Rechtsfolgenseite. Die Unsicherheit entsteht in der Exe­ kutive und im Rahmen eines Willensbildungsprozesses der Behörde im Einzelfall. Auch deshalb wohl nähert sich Crezelius mit seinem „Ermes­ sen eines anderen Privaten“1347 an diese Gruppe an. Allerdings ist auch das Ermessen im Steuerrecht nach § 5 AO an den Zweck der Norm und damit die Norm selbst wieder angebunden, so dass die Entfernung hierzu nicht zu groß wird. Vor allem aber ist das Ermessen im Steuerrecht der typische Fall der Durchbrechung der Rechtssicherheit zu Gunsten der Einzelfallgerechtigkeit.1348 Insoweit muss sich diese Durchbrechung an diesem (höheren) Ziel messen lassen. bb. Unsicherheitsfaktoren außerhalb (im Vorfeld) der Referenznorm Die Handlung des Fremden liegt vor der Normanwendung. Die Unge­ wissheit, ob der Fremde handelt oder nicht, ergibt sich zwar unabhängig von der konkreten Handlung und aus dem Recht. Dies ist aber vielmehr stets zwingende Folge des Gesetzesvorbehalts auch im Steuerrecht.1349 Prägend für das Geschehen und im konkreten Belastungsfall stets steuer­ auslösend ist das Verhalten des Fremden. Es entsteht keine Unsicherheit innerhalb, sondern außerhalb der Norm, in ihrem Vorfeld. Schließlich weiß der Steuerpflichtige genau, welche Vorgaben das Recht macht und an welche Voraussetzungen das Tätigwerden des Staates anknüpft. Die Unsicherheit des Steuerzugriffs ergibt sich unmittelbar nur aus der Unsi­ cherheit, ob der Fremde handelt oder nicht. Das Vertrauen darauf, dass ein Sachverhalt so eintritt, wie es sich der Steuerpflichtige vorstellt, bezieht sich unmittelbar auf etwas außerhalb der Norm. Aus diesen Gründen hält für diesen Unsicherheitsfaktor auch der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit keine Aussage parat.1350 Unsi­ cherheitsfaktoren im Tatsächlichen, d.h. außerhalb der Norm, werden 1347 Crezelius, FR 2002, S. 805 (809). 1348 Beispielhaft der Wortlaut des § 163 S. 1 AO: „Steuern können niedriger festge­ setzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhe­ bung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre“ [Hervorhebungen durch den Verfasser]. Siehe auch die vergleichbare Vorschrift des § 227 AO. 1349 Papier, Finanzrechtliche Gesetzesvorbehalte (1973), S. 153 ff. 1350 Siehe dazu die Ausführungen oben, S. 290 ff., sowie die vier Dissertationen zur Tatbestandsmäßigkeit von Kamm, Grundlinien steuergesetzlicher Tatbe­ standsbildung (1976); Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und for­ meller Gesetzesbegriff (1982); Hahn, Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der ­Besteuerung und der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (1984); Merz, Tatbe­ standsmäßigkeitsgrundsatz und Verwaltungsermessen im Steuerrecht (2009).

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

als allgemeine Risiken des Lebens in Freiheit gesehen. Rechtsstaatlich schutzwürdig ist nach klassischem Verständnis nur das Vertrauen dar­ auf, dass bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts die angekündigten Rechtsfolgen eintreten werden.1351 cc. Aufwertung des Unsicherheitsfaktors in die Norm hinein Auffällig bei den fremdbestimmten Steuerwirkungen ist aber, dass jene Handlung, die nach obigem Verständnis vermeintlich außerhalb der Norm liegt, zumeist1352 in der jeweiligen Referenznorm explizit genannt wird. Die Handlung außerhalb der Norm wird so in den Tatbestand in­ korporiert. Aus diesem Grund werden fremdbestimmte Steuerwirkun­ gen mitunter auch als ein Problem der Tatbestandsverwirklichung be­ schrieben.1353 Im Vergleich zu anderen Handlungen fremder Privater wird die Handlung aufgewertet, denn nur diese Handlung entfaltet eine un­ mittelbare Steuerwirkung, da sie in den Tatbestand eines Steuergesetzes aufgenommen ist. Darin unterscheidet sie sich von den allgemeinen „Wechselfällen des Lebens“1354, vor denen das Rechtsstaatsprinzip kei­ nen Schutz bietet. Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten: Fremdbestimmte Steuerwir­ kungen bilden Unsicherheitsfaktoren, die in der hier verwendeten Dikti­ on außerhalb der Norm liegen. Wohl aus diesem Grund werden sie in der juristischen Diskussion selten als Herausforderungen des Rechtsstaates wahrgenommen. Innerhalb der Gruppe der Risikofaktoren außerhalb des Tatbestandes aber bilden sie eine Sondergruppe. Zum einen stellen sie eine Belastung des Steuerpflichtigen dar, die wirkungsgleich mit den an­ erkannten, klassischen Problemfällen des Rechtsstaates in der Wirkung auf den Steuerpflichtigen ist.1355 Zum anderen wird durch die Nennung 1351 Grzeszick in Maunz/Dürig, Art. 20 GG VII Rn. 69; Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip (2002), S. 28 ff. m.w.N. 1352 Teilweise ergibt sich die Fremdbestimmung aber auch nicht aus dem Gesetz selbst, sondern erst auf Grundlage einer Verwaltungsauffassung oder der Recht­ sprechung: Ein Beispiel hierfür ist für die Personengesellschaft unter der Zins­ schranke in dieser Arbeit oben zu finden, S. 159 ff. Siehe außerdem sogleich im Rahmen der Kontextualisierung der Formen der Referenzfälle unten, S. 327 ff. 1353 „Tatbestandsverwirklichung durch Dritte“: H. Kamm, Über Grundlinien steuer­ gesetzlicher Tatbestandsbildung und steuertatbestandlicher Garantiefunktionen, entwickelt an Zweifelsfällen von Steuerschuldnerschaft infolge Tatbestandsver­ wirklichung durch Dritte (1976); Sparrer, Sonderbetriebsvermögen (2007), S. 54; Schmidt-Fehrenbacher, FS Herzig (2010), S. 459 (467). „Tatbestandsverwirkli­ chung durch Zurechnung von Drittverhalten“: Hey, Kernfragen des Unter­ nehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (2); Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, Einfüh­ rung zum EStG, Rn. 46. „Besteuerung ohne Tatbestandsverwirklichung“ durch den Steuerpflichtigen: Kanzler, FS Korn (2005), S. 287 (302); Crezelius, FR 2009, S. 881 (887). 1354 Vgl. dazu oben, S. 302. 1355 Vgl. dazu oben, S. 303.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

der Handlung selbst im Steuertatbestand die herausgehobene Stellung der fremdbestimmten Steuerwirkungen im Vergleich zu anderen Fremd­ einflüssen begründet. dd. Entwicklungsoffenheit hinsichtlich der Unsicherheitsfaktoren Die Beschränkung auf Unsicherheitsfaktoren innerhalb der Norm in den bisherigen Ausprägungen ist aber nicht abschließend. Der Rechtsstaat und auch einzelne Teilgliederungen sind mehr als eine bloße Ansamm­ lung von formellen Rechtssätzen. Sie dienen der Idee von einem materi­ ellen Rechtsstaat und müssen daher bei neuen Rechtsentwicklungen hinterfragt und ggf. weiterentwickelt werden. Der Rechtsstaat ist grund­ sätzlich entwicklungsoffen1356 und damit auch offen für die Frage, auf welche Unsicherheitsfaktoren er reagieren muss, die jenes Leben in Frei­ heit bedrohen, das das Bundesverfassungsgericht stets in den Mittel­ punkt des Rechtsstaatsprinzips gestellt hat.1357 Eine Weiterentwicklung bedarf freilich einer Begründung. d. Begründung des Einbezugs: Freiheit als Möglichkeits-, nicht Erfolgsgarantie Fremdbestimmte Steuerwirkungen lösen einen spezifisch staatlichen Eingriff aus. Für den Steuerpflichtigen ist der staatliche Eingriff vor der Handlung des Fremden (und teilweise auch danach1358) nicht vorherseh­ bar; die Wirkungsgleichheit mit den anderen Fallgruppen der Rechtsstaat­ lichkeit und Tatbestandsmäßigkeit ist festzuhalten.1359 Der einzige Unter­ schied im Vergleich zu diesen besteht darin, dass der Unsicherheitsfaktor unmittelbar tatsächlicher Natur ist. Grundsätzlich ist das Ausdruck des­ sen, was der Rechtsstaat nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts schützen möchte, der Freiheit. Dabei soll auch das (je nach Geschmack als „vormodern“ und „alltäglich“1360 bzw. klassisch-liberal1361 bezeichne­ te) Verständnis des Bundesverfassungsgerichts1362 von Freiheitlichkeit zu 1356 Schmidt-Aßmann, HStR II3 (2004), § 26 Rz. 69; siehe auch schon oben, S. 230. 1357 Siehe die Nachweise oben, Fn. 1334. 1358 Dazu insbesondere am Beispiel von § 18 Abs. 3 S. 3–4 REITG unten, S. 321 ff. 1359 Siehe schon oben, S. 303. 1360 So Sobota, Prinzip Rechtsstaat (1997), S. 47 ff.; auch Hesse, Grundzüge des Ver­ fassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudr. d. 20. Aufl. (1999) Rn. 185, angelehnt an die Definition von Freiheit im Sinne von Kant, Die Meta­ physik der Sitten [Band 8 der Werksausgabe] (1977). 1361 Ausdrücklich BVerfG, Urt. v. 17.08.1956, Az. 1 BvB 2/51 (KPD-Urteil), in BVerf­ GE 5, S. 83 Rz. 493: Das Grundgesetz knüpft an die Tradition des „liberalen bür­ gerlichen Rechtsstaats“ an. So auch Scheuner, Staatstheorie und Staatsrecht: Ge­ sammelte Schriften (1978), S. 185 (188); Hofmann, GS Küchenhoff (1987), S. 231 (237 f.). 1362 Ständige Rechtsprechung seit BVerfG, Urt. v. 16.01.1957, Az. 1 BvR 253/56 (El­ fes), in BVerfGE 6, S. 32; vgl. auch zur seitdem positiven Rezeption Cornils, HStR

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Grunde gelegt werden: Freiheit ist die Möglichkeit, das zu tun und zu lassen, was man will.1363 Um diese Freiheit ausüben zu können, muss klar sein, welche staatliche Konsequenz an ein Tun anknüpft. Freiheit in dem klassisch-liberalen Verständnis des Grundgesetzes und in der Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht meint jedoch nicht, dass alles so geschehen muss, wie es sich das Individuum vorstellt. Das Individuum ist in der Freiheit nicht alleine und sein Erfolg ist nicht garantiert: Ein Plan kann scheitern, eine Berechnung nicht aufgehen und vor allem kann der Wille eines fremden Individuums, das gleichfalls sei­ ne Freiheit genießt, der eigenen Verwirklichung Grenzen setzen. Der Fremde kauft dem Individuum seine Waren nicht ab oder bezahlt die Rechnung nicht. Vielleicht versagt auch der oder die Fremde einen Zu­ sammenschluss, zur Ehe und Zusammenveranlagung, zur Gründung ei­ ner Kommanditgesellschaft oder GmbH, zum gemeinsamen Handeln als Mitunternehmer. All dies sind die Risiken der Freiheit, deren Folgen die Rechtsordnung mit dem Deliktsrecht und dem Leistungsstörungsrecht unter bestimm­ ten Voraussetzungen zwischen Privaten auszugleichen sucht. Auch das Steuerrecht nimmt die Handlungen Fremder bei der Bestimmung des In­ dividuums wahr. Am deutlichsten lässt sich dies anhand der Begriffe vom Handlungs- und Erfolgstatbestand von Kirchhof im Rahmen von § 2 Abs. 1 EStG1364 beschreiben: Die Handlung des Fremden findet zuvor­ derst Berücksichtigung im Rahmen des Erfolgstatbestands. Der Fremde entscheidet darüber, ob die Handlung zu einem (steuerlich relevanten) Erfolg führt, indem er für das Handeln des Steuerpflichtigen Geld zahlt oder nicht. Für den Steuerpflichtigen ist das ein bedeutender Unsicher­ heitsfaktor, der für den Rechtsstaat aber unerheblich da freiheitsimma­ nent ist. Auch im Rahmen des Handlungstatbestands können sich die Handlungen eines Fremden auswirken, wenn etwa dessen Weigerung zur Mitarbeit in einer Personenhandels- oder Kapitalgesellschaft dazu führt, dass der Steuerpflichtige nicht oder jedenfalls nicht in dieser Form eine tatbestandliche Handlung vornimmt. Insgesamt wirkt damit die Hand­ lung des Fremden qualifizierend auf eine andere Handlung des Steuer­ pflichtigen oder den Erfolg von dessen Handlung ein. Die unmittelbare Anknüpfung an die Handlung des Fremden unterschei­ det sich davon fundamental. Die Handlung des Fremden wirkt nicht mehr VII3 (2009), § 196 Rz. 1; Grzeszick in Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 78; di Fabio in Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG Rn. 18 Fn. 10, jew. m.w.N. 1363 Diese Formulierung war ursprünglich für die allgemeine Handlungsfreiheit in Art. 2 GG vorgesehen. Sie wurde jedoch nur deshalb nicht ins Grundgesetz ge­ nommen, da sie zu profan erschien. Ausführlich hierzu Sobota, Prinzip Rechts­ staat (1997), S. 47 Fn. 125. 1364 Ausführlich dazu oben, S. 27 ff.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

nur auf die Handlung oder den Erfolg der Handlung des Steuerpflichtigen ein, sondern sie tritt an die Stelle der Handlung. Damit findet ein Paradig­ menwechsel bei der Berücksichtigung von Handlungen Fremder statt. Dieser stellt schon für sich selbst genommen die Aussage infrage, dass Handlungen fremder Privater für den Rechtsstaat unbeachtlich sind. Beachtet man die Folgen dieses Wechsels, erodiert diese Aussage noch weiter. Inhaltlich verbunden ist damit eine Entleerung der rechtsstaatli­ chen Garantie von Freiheit, die durch die Tatbestandsmäßigkeit gegeben ist. Die Vorhersehbarkeit des rechtlichen Rahmens kann nur dann der Verwirklichung der Freiheit dienen, wenn die Möglichkeit der Einwir­ kung des Individuums gegeben ist, wenn also die rechtliche Folge an die Gestaltungsmöglichkeit der Lebenswelt durch das Individuum auch an­ knüpft. Ein Plan zur Gestaltung eines Sachverhaltes mag am Ende zwar nicht aufgehen, doch muss wenigstens die Möglichkeit bestehen, dass der Steuerpflichtige auf seine Umwelt und seine Mitmenschen einwir­ ken kann:1365 Der Steuerpflichtige darf scheitern, doch muss das Schei­ tern sein Scheitern sein. Wenn die Handlung des Fremden nun über den Erfolg der Handlungen des Steuerpflichtigen entscheidet, dann prägt noch immer die Handlung des Steuerpflichtigen die Situation, denn er kann sich um ein anderes Ergebnis bemühen oder einen anderen Ge­ schäftspartner suchen. Die Person des Fremden und dessen Möglichkeit der Einwirkung auf den Erfolg wird durch die vorherige Handlung des Steuerpflichtigen in Freiheit determiniert. Dies ist nicht der Fall, wenn das Gesetz unmittelbar an das Verhalten eines anderen Individuums an­ knüpft. Der Wille des Fremden entzieht sich der Gestaltungsmacht des Individuums. Die vom Gesetz der anderen Person verliehene Schlüssel­ stellung entleert die Dispositionssicherheit, die die Rechtssicherheit an­ sonsten garantiert. Im Fall der unmittelbaren Anknüpfung an das Handeln eines Fremden trägt die Begründung für die Unbeachtlichkeit tatsächlicher Unsicher­ heitsfaktoren im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips daher nicht. Es han­ delt sich nicht mehr um eine der Freiheit innewohnende Gefahr, sondern das Gegenteil von Freiheit. Es verbietet sich daher, mit dem Verweis auf die Unterscheidung von Anwendung und Vorfeld der Norm bzw. dem Innerhalb und Außerhalb der Norm1366 eine derartige Herabsenkung des Dispositionsschutzniveaus zu rechtfertigen.1367 1365 Dazu Kirchhof, HStR IX3 (2014), § 273 Rz. 25: „Der Zusammenklang von Frei­ heit und Schicksalhaftem begrenzt das Recht auf Regeln, die der freie Mensch befolgen kann“. 1366 Siehe dazu oben, S. 304 ff. 1367 So in Ansätzen auch schon Crezelius, FR 2002, S. 805 (809), der a fortiori die glei­ chen rechtsstaatlichen Kriterien auf fremdbestimmte Steuerwirkungen (in seiner Diktion: „Besteuerung aus Drittverhalten“) angewendet sehen möchte, wie sie etwa auch auf das Ermessen bei Behördenentscheidungen angewendet werden.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

e. Zwischenergebnis Das Rechtsstaatsprinzip im Allgemeinen und Rechtssicherheit im Beson­ deren stehen der Zulässigkeit von fremdbestimmten Steuerwirkungen im Grundsatz entgegen. Als Fallgruppe innerhalb der Rechtssicherheit sind sie den anderen Fallgruppen in der Wirkung auf den Steuerpflichti­ gen gleich. Der Unterschied im Vergleich zu den anderen Fallgruppen be­ steht beim Unsicherheitsfaktor, der im Vorfeld der Norm, im Tatsächli­ chen liegt. Dies rechtfertigt jedoch keine unterschiedliche Behandlung, weil im Fall der fremdbestimmten Steuerwirkungen der der Unterschei­ dung zu Grunde liegende Gedanke – nämlich die Verwirklichung von Freiheit – keine Rechtfertigung bieten kann. 5. Kontextualisierung der Referenzfälle a. Kontextualisierungsbedarf Die bisherigen Aussagen zu fremdbestimmten Steuerwirkungen unter dem Rechtsstaatsprinzip betreffen freilich den idealisierten und isoliert betrachteten Fall, in dem A handelt und bei B hierauf steuerliche Wir­ kungen eintreten.1368 So mag es sich im konkreten Fall für den Steuer­ pflichtigen anfühlen und dieses „Störgefühl“ ist auch Anlass für diese Arbeit gewesen.1369 Allerdings ist diese Betrachtung regelmäßig bloß der Ausschnitt eines Geschehens, denn zwischen A und B besteht in allen Fällen der hier untersuchten fremdbestimmten Steuerwirkungen ein Nä­ heverhältnis,1370 das in verschiedenen Erscheinungsformen Ausdruck fin­ det. Die Kontextualisierung im Rahmen der Referenzfälle verlangt daher danach, das oben getroffene Verdikt von der grundsätzlichen Unverein­ barkeit von fremdbestimmten Steuerwirkungen und Rechtsstaatlichkeit zu konkretisieren und ggf. zu modifizieren. Eine derartige Kontextualisierung hat außerdem den Effekt, dass so auch verschiedene rechtstechnische Ausprägungen der fremdbestimmten Steuerwirkungen im geltenden Recht im Zusammenhang beschrieben werden. Dieser Formenbaukasten mag schließlich auch dem zukünfti­ gen Gesetzgeber dazu dienen, bestimmte Regelungstechniken zu wählen oder zu vermeiden. b. Näheverhältnisse als Mindestvoraussetzung In der Kommentarliteratur zu § 38 AO wird vertreten, dass es aus ver­ fassungsrechtlichen Gründen geboten, aber auch wohl ausreichend sei, wenn ein besonderer Zurechnungsgrund sowie zumindest ein besonderes 1368 Vgl. die Vorbemerkung zu diesem Abschnitt, S. 247. 1369 Siehe schon oben, S. 4. 1370 Siehe die Phänomenologie oben, S. 51 ff.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Näheverhältnis zwischen Tatbestandsverwirklicher und Steuerpflichti­ gen bestehe.1371 Dem wird Crezelius als Gegenposition gegenüberstellt, für den eine Besteuerung ohne Tatbestandsverwirklichung durch den Steuerpflichtigen jedenfalls dann unzulässig ist, wenn der Steuerpflichti­ ge die Leistungsbeziehungen, die der Tatbestandsverwirklichung zu Grunde liegen, nicht mehr steuern kann.1372 Auch diese Aussage bezieht sich ausdrücklich auf § 38 AO. Im Ergebnis sind beide Thesen berechtigt, wenngleich nach dem in die­ ser Arbeit vertretenen Standpunkt nicht § 38 AO selbst, sondern allge­ mein das Rechtsstaatsprinzip der Ausgangspunkt der grundsätzlichen Unzulässigkeit von (isoliert betrachtet) fremdbestimmten Steuerwirkun­ gen ist.1373 Davon ausgehend ist das Bestehen eines Näheverhältnisses ein erster Schritt für ein Mehr an Rechtssicherheit. Zum einen wird so der Kreis der potentiell Einwirkenden eingeschränkt. Das ist für sich schon ein Gewinn an Rechtssicherheit. Zum anderen ist mit der Nähe auch die Erwartung verbunden, Einfluss nehmen, die Handlung verhin­ dern oder wenigstens vorhersehen zu können. Am besten sichergestellt ist das durch die Forderung nach der absoluten Dispositionsmöglichkeit über die zugrundeliegenden Verhältnisse. Aber auch unterhalb dieser Schwelle ist eine Vielzahl von weiteren, Rechtssicherheit gewährenden Regelungsmechanismen denkbar, auf die nachfolgend eingegangen wird.

1371 Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rn. 3 – allerdings wird dieser Befund ausschließ­ lich mit Verweisen auf die Kommentierung von § 42 AO i.d.F. bis 31.12.2007 (§ 42 Rn. 65) oder i.d.F. des JStG 2008 (Vor § 42 Rn. 25) belegt, die selbst wieder in erster Linie die Beziehung des „Dritten“ im Rahmen von § 42 AO zum Steuer­ pflichtigen kommentieren. So besagt § 42 Abs. 2 S. 1 AO i.d.F. des JStG 2008: „Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung ge­ wählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt“. Eine Gleichstellung des Problemkreises der fremdbestimmten Steuerwir­ kungen, insbesondere soweit diese sich unmittelbar aus dem Wortlaut einer Spe­ zialnorm selbst ergeben, mit dem der Drittbevorteilung bei einer allgemeinen Missbrauchsverhinderungsnorm kann aber nicht ohne weiteres behauptet wer­ den. Vielmehr wirkt der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit dergestalt in § 42 AO hinein, dass einem Steuerpflichtigen mit Verweis auf das Handeln eines Fremden und unter Anwendung des § 42 AO ein Steuervorteil nicht versagt wer­ den soll (so auch Wendt, DStJG Bd. 33 (2010), S. 117 (134 f.)). Siehe dazu auch bereits oben in Fn. 1291. Ähnlich Kamm, Grundlinien steuergesetzlicher Tatbestandsbildung (1976), S. 66 ff., insb. 79 f., der zu diesem Ergebnis auf Grund der „Erfassung der Wirk­ lichkeit durch den incidenten Zurechnungswortlaut der gesetzlichen Steuertat­ bestände“ mit Besonderheiten für die Personalsteuern kommt. Im Ergebnis auch Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (231). 1372 Crezelius, FR 2002, S. 805 (809); Crezelius, FR 2009, S. 881 (887). 1373 Zur Einschlägigkeit des Rechtsstaatsprinzips siehe oben, S. 310; zur Kritik an der Anknüpfung an § 38 AO siehe oben, S. 291 und S. 296.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Damit ist die Forderung nach einem besonderen Näheverhältnis zutref­ fend. Dessen Bestehen ist zwingende Voraussetzung für die rechtsstaatli­ che Zulässigkeit fremdbestimmter Steuerwirkungen. Das Bestehen die­ ser Näheverhältnisse wurde in der materiellen Phänomenologie in dieser Arbeit für alle Referenzfälle festgestellt.1374 Rechtsstaatlich kann diese Nähebeziehung aber nur eine Mindestvoraussetzung bei der Sicherstel­ lung der persönlichen Freiheit des Steuerpflichtigen durch das Recht sein. c. Formen der Einwilligung in die Gefahr der Fremdbestimmung Hat der Steuerpflichtige sich bewusst in eine Situation begeben, in der er von einer Person abhängig wird, sinkt bzw. entfällt dessen Bedürfnis, vor dieser Unsicherheit geschützt zu werden. Der staatliche Eingriff ist nun zumindest in Bezug auf die Handlung des Fremden nicht mehr vollends unvorhersehbar, denn der Steuerpflichtige hat die Möglichkeit der Fremdbestimmung erkannt und in sie eingewilligt. Die Möglichkeit, sich durch eine Einwilligung in eine Abhängigkeit zu begeben, ist Aus­ druck von Freiheit.1375 Die spätere Einwirkung ist dann Folge einer eigen­ verantwortlichen Entscheidung. Es lässt sich bei einer wertenden Gesamtbetrachtung des Geschehens unter Umständen vertreten, dass der Steuerzugriff an die eigene, die Möglichkeit der Fremdbestimmung begründende Handlung des Steuer­ pflichtigen anknüpft. Inwieweit dies zutreffend ist, hängt von der Ausge­ staltung im Einzelfall ab. Dabei lassen sich verschiedene Formen der Einwilligung bei den Referenzfällen dieser Arbeit feststellen:1376 aa. Antrag des Steuerpflichtigen als Einwilligung Am stärksten findet der Gedanke der Eigenverantwortung Ausdruck, wenn der Steuerpflichtige sich ausdrücklich in Form eines Antrags für die Möglichkeit der Fremdbestimmung entscheidet. Beispiele aus dem Kreis der Referenzfälle sind etwa der Antrag nach § 10 REITG, mit dem sich die Aktiengesellschaft der transparenten Besteuerung mit allen An­ forderungen bezüglich ihres Gesellschafterkreises unterwirft,1377 und die Anträge nach dem UmwStG,1378 die etwa die Buchwertfortführung bei 1374 Oben, S. 51 ff. 1375 Vgl. etwa BVerfG, Beschluss v. 19.10.1993, Az. 1 BvR 567/89 u.a. (Bürgschafts­ vertrag), in BVerfGE 89, S. 214 zur allgemeinen Handlungsfreiheit im Verhältnis zur Privatautonomie. 1376 Vgl. dazu die Darstellung oben für die Kontinuität wahrenden, illiquiden Über­ tragungsvorgänge, S. 217. 1377 Vgl. dazu oben, S. 76 ff. 1378 Oben unter S. 194 wird der Antrag auf Buchwertfortführung bei Einbringung ei­ nes Betriebs nach § 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 UmwStG beschrieben. Auch in der

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

gleichzeitiger Begründung einer Behaltefrist für den Erwerber ermög­ licht.1379 Dieser Antrag ist Anknüpfungspunkt für den Steuerzugriff und rechtfertigt damit die nachfolgende Unsicherheit, die beim Steuerpflich­ tigen entsteht. Natürlich stellt sich die Frage, warum der Steuerpflichti­ ge freiwillig einen derartigen Unsicherheitsfaktor schaffen sollte. Regel­ mäßig ist das dann der Fall, wenn die Variante ohne anschließende Fremdbestimmung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich unvorteil­ hafter wäre. Primärer Vergleichsmaßstab ist dabei wohl für den Steuer­ pflichtigen innerhalb der Variante mit Fremdbestimmung der Unterfall des Wohlverhaltens des Fremden. Besteht eine Nähebeziehung zwischen A und B, so besteht schließlich auch die Hoffnung, dass A die Interessen des B berücksichtigt, schon allein auf Grund eventueller sekundär-recht­ licher Verpflichtungen. Der Steuerpflichtige wird aber auch den Unter­ fall bedenken, in dem der Fremde sich nicht erwartungs- oder verein­ barungsgemäß verhält. Der mündige Steuerpflichtige entscheidet sich dafür in Freiheit. Voraussetzung für die Annahme echter Freiheit ist aber, dass die Variante ohne Fremdbestimmung keine prohibitiven Rechtsfolgen bereithält. In diesem Fall würde es sich verbieten von einer echten Wahl und der Aus­ übung von Freiheit zu sprechen. Der Steuerpflichtige würde in die Fremd­ bestimmung gedrängt. Aus Sicht des Steuerpflichtigen mag sich dies oft so anfühlen: Eine bestimmte Transaktion ist wirtschaftlich im konkreten Einzelfall nur dann sinnvoll, wenn die Variante mit Fremdbestimmung in dem Unterfall des Wohlverhaltens des Fremden aufgeht, etwa bei der illi­ quiden Übertragung eines großen Vermögens auf einen Fremden. Die Steuern für die Ersatzrealisation wären für den Steuerpflichtigen eine wirtschaftliche Überforderung, wenn die zu übertragende Vermögens­ masse nahezu das einzige Vermögen des Steuerpflichtigen darstellt. Zu beachten ist aber, dass sich diese Steuerwirkung vor allem daraus er­ gibt, dass die an sich durch das Subjektsteuerprinzip gebotene Ersatzrea­ lisation durch die Begründung der Fremdbestimmungsgefahr gerade erst suspendiert wird.1380 Gleiches gilt für die Besteuerung der REIT-AG, die grundsätzlich nach den Regeln des KStG mit einem entsprechenden Steuersatz geboten ist und gerade wegen deren Verpflichtungen zuguns­ Konstellation des § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG war zu Zeiten des Mitunternehmerer­ lasses noch ein Wahlrecht vorgesehen; vgl. dazu oben, S. 187. 1379 Formal stellt der übernehmende (und später potenziell handelnde) Rechtsträger den Antrag, allerdings auch mit Wirkung für den übertragenden (§ 20 Abs. 3 UmwStG). Da es aber nicht im Sinne des übernehmenden Rechtsträgers ist, die niedrigen Buchwerte fortzuführen, geschieht dies regelmäßig auf Drängen des übertragenden Rechtsträgers. Damit besteht im Ergebnis ein Wahlrecht des Steu­ erpflichtigen, der durch die fremdbestimmten Steuerwirkungen belastet wird. 1380 Vgl. zur gebotenen Besteuerung der stillen Reserven und zum Subjektsteuerprin­ zip oben, S. 203 ff. bzw. S. 252 ff.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

ten der Besteuerung der Anteilseigner entfällt. Ein systematisch gebote­ ner Steuerzugriff in einer alternativen Variante ist aber nicht als prohibi­ tiv zu sehen: Die Variante mit der Fremdbestimmung wirkt vielmehr rechtskreiserweiternd, so dass die Entscheidung hierfür noch immer als ein Ausdruck von Freiheit des Steuerpflichtigen zu sehen ist. Von daher wird der Kritik an der Behaltefrist, die ja in diesem Abschnitt mit dem Verweis auf die Freiheit des Steuerpflichtigen und den sie schüt­ zenden Rechtsstaat verbunden ist, viel genommen. Umgekehrt ist es also rechtsstaatlich geboten, Szenarien mit der Möglichkeit fremdbe­ stimmter Steuerwirkungen an einen vorherigen Antrag des Steuerpflich­ tigen zu knüpfen.1381 Dennoch verbleibt auch mit einem solchen Antrag ein jedenfalls rechtspolitisch nicht wünschenswertes Restrisiko verbun­ den, denn der Steuerpflichtige unternimmt etwa bei dem illiquiden Ein­ bringungsvorgang im Rahmen von § 20 Abs. 2, 3 UmwStG etwas, das der Steuergesetzgeber für förderungswürdig erachtet. Wenn es dem Gesetz­ geber möglich ist, die dort gewollte unternehmerische Kontinuität si­ cherzustellen, ohne die Nichteinhaltung der gewünschten Pflicht zur Fortführung bei demjenigen zu sanktionieren, der hierauf keinen Ein­ fluss nehmen kann – und in dieser Arbeit wird ein solcher Vorschlag ge­ macht1382 –, dann sollte sich der Gesetzgeber für eine solche Möglichkeit entscheiden. Trotz freiwilligem Antrag und damit verbundener Rechts­ kreiserweiterung ist sonst die Unsicherheit in dieser Konstellation unnö­ tig belastend für den Steuerpflichtigen. bb. Nicht erfolgter opt-out als Einwilligung Vergleichbar mit einem ausdrücklichen Antrag1383, der die Möglichkeit der Fremdbestimmung begründet (opt-in), ist die Nichtausübung eines Rechts, mit dem die Fremdbestimmung hätte vermieden werden können (opt-out). Beispiel hierfür ist die Vermutung für die Zusammenveranla­ gung von Ehegatten nach § 26 Abs. 3 EStG.1384 Die Nichtausübung des Wahlrechts stellt wie auch die ausdrückliche Wahl für die Zusammen­ veranlagung nach § 26 Abs. 2 S. 2 EStG einen Anknüpfungspunkt beim Steuerpflichtigen für die spätere Fremdbestimmung dar. 1381 Baldauf, System der einkommensteuerrechtlichen Gewinnrealisierung (2009), S. 95–103, plädiert überzeugend für die (verfassungsrechtlich gebotene) Einfüh­ rung eines Wahlrechts bei § 6 Abs. 3 S. 2 EStG; für ein Wahlrecht auch Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (229). 1382 Oben wird ein solcher Vorschlag erarbeitet, S. 220 ff. Dessen Kerngedanke ist, dass der Erwerber, der die Behaltefrist verletzt, Steuern in der Höhe zu entrichten hat, wie sie auch der ursprüngliche Veräußerer geschuldet hätte. Vgl. zu den Ein­ zelheiten, insb. zur Sicherung des Anspruchs des Fiskus, oben a.a.O. 1383 Von daher gelten die dortigen Ausführungen grundsätzlich auch für den hier be­ sprochenen Fall des nicht erfolgten opt-out. 1384 Siehe oben, S. 225.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Die Möglichkeit des opt-out ist zwar im Verhältnis zum opt-in die we­ niger eindeutige, aber immer noch eine hinreichende Begründung für die Entstehung der Fremdwirkung. Voraussetzung für die Annahme der Gleichwertigkeit ist aber freilich, dass der Steuerpflichtige Kenntnis vom opt-out haben konnte. cc. Sachverhaltsgestaltung als faktische Einwilligung Auch jenseits der formalen Einwilligungsinstrumente des Antrags oder des unterlassenen opt-out sind Handlungen des Steuerpflichtigen denk­ bar, die als eine Form der Einwilligung in die Gefahr der fremdbestimm­ ten Steuerwirkungen verstanden werden können. Als solche stehen sie den obigen Einwilligungsformen gleich, sodass obige Aussagen auch für sie gelten. Dabei muss es sich um ein Verhalten des Steuerpflichtigen handeln, das wertend betrachtet nicht mehr als bloße Alltagshandlung, sondern als bewusste Einwilligung in die Möglichkeit der Fremdbestim­ mung zu verstehen ist. Das prominenteste Beispiel hierfür aus dem Kreis der Referenzfälle ist die Organschaft, für die durch den Abschluss eines den hohen Anforde­ rungen des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG genügenden Gewinnabführungs­ vertrag faktisch optiert werden muss.1385 Auch deswegen stehen die Ein­ kommenszurechnung und die entsprechende Steuerlast nicht in der Kritik der fremdbestimmten Steuerwirkungen; lediglich die damit zu­ sammenhängende Haftung nach § 73 AO wird als übermäßig und unvor­ hersehbar empfunden.1386 Weniger offensichtlich ist dies bei § 6 Abs. 3 S. 2 EStG, wonach die Behaltefrist erst dadurch begründet wird, dass be­ stimmte Wirtschaftsgüter bei einer ansonsten qualifizierten Sachge­ samtheit zurückgehalten werden. Wie sich aus der Gesetzgebungshisto­ rie1387 ergibt, ist dieser Vorbehalt nach dem Willen des Gesetzgebers als „Giftpille“1388 in § 6 Abs. 3 EStG gelangt, um den Steuerpflichtigen zur Übertragung der gesamten qualifizierten Sachgesamtheit zu bewegen und damit in den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 S. 1 EStG zu drän­ gen, der ein Überspringen der stillen Reserven ohne Behaltefrist erlaubt. Damit liegt jedenfalls nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Wahl­ möglichkeit für den Steuerpflichtigen vor. Dies mag grundsätzlich zu­ treffen; im Einzelfall aber kann es dem Steuerpflichtigen gerade nicht möglich sein, das zurückbehaltene Wirtschaftsgut gleichfalls zu übertra­ gen. 1385 Böhmer, StuW 2012, S. 33 (36); Hey, IFSt-Schrift Nr. 471 (2011), S. 15 und S. 55 mit einem Reformvorschlag hin zu einer ausdrücklichen Optionsmöglichkeit. Zu fremdbestimmten Steuerwirkungen bei der Organschaft siehe oben, S. 94 ff. 1386 Vgl. dazu oben, S. 45 ff. 1387 Diese ist dargestellt oben, S. 183 f. 1388 Vgl. zu dieser Einschätzung bereits oben, S. 213.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

Einen Sonderfall unter allen diskutieren Fällen mit tatsächlicher oder faktischer Einwilligung stellt die Realteilung nach § 16 Abs. 3 S. 2–3 EStG dar. Während in allen anderen Fällen der Steuerpflichtige sich für eine bestimmte Form der Privilegierung entscheidet und dabei zwin­ gend, aber sehenden Auges in die Gefahr der Fremdbestimmung einwil­ ligt, besteht bei § 16 Abs. 3 S. 3 EStG die Wahl zwischen zwei Varianten, die beide die Begünstigung gewähren, von denen aber nur eine die Gefahr der Fremdbestimmung begründet. Die Zulässigkeit der anderen Varian­ te – nämlich die Zurechnung des Gewinns allein bei dem entnehmenden oder veräußernden Realteiler, wenn dies nach dem Gesellschaftsvertrag oder den von den Mitunternehmern schriftlich getroffenen Vereinbarun­ gen über die Realteilung so bestimmt worden ist – ergibt sich als weitere Besonderheit nicht ohne weiteres aus dem Gesetz, sondern erst auf Grundlage einer Verwaltungsauffassung.1389 Für eine derartige Sachver­ haltsgestaltung, d.h. eine entsprechende Gesellschaftsvereinbarung, be­ nötigt der Steuerpflichtige zwar die Zustimmung der anderen Gesell­ schafter; eine solche sollte aber jedenfalls im Moment der Realteilung ohne weiteres zu erlangen sein, da zu diesem Zeitpunkt jeder der Gesell­ schafter sich potenziell mit der Gefahr fremdbestimmter Steuerwirkun­ gen durch fristverletzende Handlungen der anderen Realteiler konfron­ tiert sieht. Diese Verwaltungsauffassung zur Vermeidung der potentiellen Fremdbe­ stimmung bei einer Realteilung entspricht der in dieser Arbeit erhobe­ nen Forderung:1390 Auch bei Rechtskreiserweiterungen, die nur bei er­ klärtem oder faktischem Einverständnis gewährt werden, besteht ein weiterhin schützenswertes Interesse des Steuerpflichtigen an Vorausbe­ rechenbarkeit. Wenn es dem Staat möglich ist, diese Vergünstigungen auch ohne Fremdbestimmungsgefahr bei gleichzeitig sichergestellter ordnungsgemäßer Verwendung zu gewähren, dann hat er sich hierfür zu entscheiden. dd. Rechtskreiserweiterung ohne Wahlmöglichkeit Ein zu obiger Fallgruppe nur gradueller Unterschied besteht bei jener Gruppe der Rechtskreiserweiterung ohne Wahlmöglichkeit, bei der dem Namen nach eigentlich gar keine Einwilligung mehr vorliegt. Ein Bei­ spiel hierfür ist § 6 Abs. 5 S. 3–4 EStG, der die Verschiebung einzelner Wirtschaftsgüter innerhalb einer Mitunternehmerschaft auf ein anderes Steuersubjekt ohne Aufdeckung der stillen Reserven ermöglicht, dabei allerdings eine Behaltefrist begründet, die der Erwerber einzuhalten hat, 1389 BMF, Schreiben v. 19.12.2018, Az. IV C 6-S 2242-07/10002, in BStBl. I 2019, S. 6 Rz. 29. Ausführlich dazu und zur Realteilung oben, S. 192, sowie später, S. 327 ff. 1390 Siehe oben, S. 313 f.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

und deren Wirkungen beim Veräußerer eintreten. Dabei kann im Gegen­ satz zu obigen Fällen auch nicht mehr eine bestimmte Handlung des Steuerpflichtigen benannt werden, die als Einwilligung in die Gefahr ver­ standen werden kann. Der Steuerpflichtige hat nur die Wahl zwischen möglichen fremdbestimmten Steuerwirkungen und dem Absehen von der illiquiden Übertragung zu Buchwerten.1391 Zwar ist zuzugeben, dass auch die Nachbesteuerung nur den an sich ge­ botenen Zugriff auf entstandene stille Reserven vollzieht. Der Steuer­ pflichtige profitiert von der Verschonungsregel mit Fremdbestimmungs­ gefahr, wenn die einzige Alternative für den Gesetzgeber wäre, überhaupt keine Form der Verschonung anzubieten. Auch hier ist aber wie bei den anderen Fallgruppen und unter Verweis auf obigen Vorschlag zur neuen Ausgestaltung der Behaltefristen1392 zu wiederholen: Wenn es dem Ge­ setzgeber möglich ist, ein Verhalten sicherzustellen, ohne die Nichtein­ haltung der gewünschten Pflicht bei demjenigen zu sanktionieren, der hierauf keinen Einfluss nehmen kann, dann sollte sich der Gesetzgeber für eine solche Möglichkeit, für Vorausberechenbarkeit und gegen die den Steuerpflichtigen unnötig belastende Unsicherheit entscheiden. d. Formen des Durchgriffs Unsicherheit ergibt sich für Steuerpflichtige auch in unterschiedlichem Maße bei den verschiedenen Formen des Durchgriffs durch ein Steuer­ rechtssubjekt, wie sie in dieser Arbeit vor allem bei Kapitalgesellschaf­ ten1393 thematisiert werden. Ein derartiger Durchgriff ist grundsätzlich rechtfertigungsbedürftig.1394 aa. Grad der Dispositionsbefugnis Ein erstes Unterscheidungskriterium zwischen den verschiedenen iden­ tifizierten Formen des Durchgriffs ist der unterschiedliche Grad an Dis­

1391 Auch das Erstellen einer Ergänzungsbilanz kann die fremdbestimmten Steuer­ wirkungen bei späterer fristverletzender Handlung nur modifizieren, nicht ver­ hindern (vgl. dazu oben, S. 188). 1392 Vgl. dazu oben, S. 220 ff. 1393 Ein Durchgriff erfolgt zwar auch bei Personengesellschaften; allerdings wird die­ ser „Durchgriff“ wegen der Grundentscheidung für die Transparenz weniger als solcher empfunden. Im Übrigen sind Durchgriffe jedenfalls im Einkommensteu­ errecht wegen der mehrstufigen Gewinnermittlung mit den gesellschafterbezo­ genen Ergänzungs- und Sonderbilanzen in Anbetracht dieser Transparenz relativ selten; erst die (steuersystematisch nicht zu rechtfertigende) Nivellierung dieser Ebenen wie bei der Zinsschranke und grundsätzlich im Recht der Gewerbesteuer verursachen hier fremdbestimmte Steuerwirkungen (s. dazu oben, S. 177 ff.). 1394 Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rn. 3.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

positionsbefugnis1395, der von der jeweiligen Norm für den Durchgriff vo­ rausgesetzt wird.1396 Dabei besteht ein weites Spektrum, das von der für die Organschaft effektiv vorausgesetzten 75 Prozent-Mehrheit des Kapi­ tals1397 bis zur letztlich vollständigen Aufgabe eines individuellen Dispo­ sitionserfordernisses bei der Hinzurechnungsbesteuerung1398 reicht. Dispositionsbefugnis wurde in dieser Arbeit bislang vor allem mit dem Markteinkommensprinzip assoziiert, aus dem Ruppe die Dispositionsbe­ fugnis als allgemeinen Grund der Zurechnung von Einkünften herleite­ te;1399 sowie mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, unter dem die Dispositi­ onsbefugnis als Möglichkeit des Zugriffs auf eine ansonsten abgeschirmte Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft verstanden wurde.1400 Auch für Zwecke des Rechtsstaates und die damit verknüpfte Garantie von Freiheit und Vorausberechenbarkeit staatlichen Handelns ist die Dispo­ sitionsbefugnis zentral: Wird für den Steuerzugriff an die Handlung des­ jenigen angeknüpft, der ohnehin über den Steuerpflichtigen disponieren kann, dann mag dies aus Sicht der Kapitalgesellschaft selbst oder der an­ deren Gesellschafter noch immer unvorhersehbar sein: Diese Freiheits­ einschränkung wäre aber dann nicht mehr spezifisch steuerrechtlich und damit auch nicht mehr in besonderer Weise dem Staat zuzurechnen, was ja gerade Voraussetzung für die ausnahmsweise Beachtlichkeit der Hand­ lungen fremder Privater unter dem Rechtsstaatsprinzip ist.1401 Denn die­ se Form der Fremdbestimmung ist gerade Personenzusammenschlüssen in ihrer kapitalgesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung immanent. Davon ausgehend erscheinen Durchgriffe bei einer Beteiligungsquote, die keine positive Dispositionsbefugnis vermittelt, auch rechtsstaatlich problematisch.1402 Gesellschaftsrechtlich ist dabei regelmäßig eine Betei­ ligung erforderlich, die einen Stimmenanteil von mindestens 50 Prozent darstellt, bei besonders gewichtigen Entscheidungen auch eine Mehrheit von mehr als 75 Prozent. Allerdings besteht nicht bei allen Referenzfäl­ 1395 Weitere Gradmesser für Vorausberechenbarkeit neben der Dispositionsbefugnis sind die Möglichkeiten zur Kenntnisnahme und Abhilfe; auf diese soll – unab­ hängig von Fragen des Durchgriffs – später eingegangen werden, S. 321 ff. 1396 Vgl. die absteigende Auflistung der Referenzfälle nach dem Grad der Dispositi­ onsbefugnis oben, S. 139 ff. 1397 Erforderlich zum Abschluss des (für die Organschaft zwingend notwendigen) Er­ gebnisabführungsvertrages ist nach § 293 Abs. 1 S. 2 AktG die Zustimmung ei­ ner Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertrete­ nen Grundkapitals umfasst (S. 140). 1398 Siehe dazu oben, S. 141 f., 149. 1399 Ruppe, DStJG Bd. 1, 2. Aufl. (1979), S. 7 (18). 1400 Zur Dispositionsbefugnis in Verbindung mit dem Markteinkommensprinzip sie­ he oben, S. 20 ff. und S. 281 ff.; in Verbindung mit dem Leistungsfähigkeitsprin­ zip S. 139 ff. und S. 286. 1401 So oben, S. 302 ff. 1402 Schaumburg, JbFfSt 2007/2008, S. 136 (138).

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

len, in denen ein Durchgriff erfolgt, eine Beteiligung in diesem Umfang. Auch aus diesem Grund ist des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG a.F., bei der ein Durchgriff auch dann erfolgt, wenn nur ein Anteil von größer als 25 Pro­ zent erworben wird, mittlerweile für verfassungswidrig erklärt. Dass die Verlustuntergangsquote in diesen Fällen der erworbenen Beteiligungs­ quote entspricht, erzeugt nur den Anschein einer verursachungsgerech­ ten Zuordnung, denn die Steuerwirkungen werden hier auf Ebene der Gesellschaft sozialisiert. Damit tritt wirtschaftlich eine Belastung aller Gesellschafter durch die Handlung eines Minderheitsgesellschafters ein. Knüpft der Steuergesetzgeber für Zwecke der Besteuerung einer Ge­ sellschaft an die Handlung eines Gesellschafters an, der gesellschafts­ rechtlich über keine Möglichkeit zur (positiven1403) Disposition in der Gesellschaft verfügt, schafft er letztlich eine neue, eigene Quelle an Un­ sicherheit, die über die üblichen, dem gesellschaftsrechtlich begründeten Mehrheitsprinzip geschuldeten Fremdwirkungen hinausgeht. Eine an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit orientierte Gesetzgebung muss dies vermeiden. bb. Anzahl der Ebenen Verkompliziert wird die Frage nach der Dispositionsbefugnis, wenn für deren Feststellung auch mittelbar gehaltene Anteile einbezogen werden. Deren Einbezug liegt die Wertung zu Grunde, dass die Zwischenschaltung einer weiteren Gesellschaft unbeachtlich ist und nicht den Ausschluss aus dem persönlichen Anwendungsbereich begründen soll. Mittelbare Be­ teiligungsquoten können etwa bei der Bestimmung der finanziellen Ein­ gliederung im Rahmen der Organschaft oder beim Anteilserwerb nach § 8c Abs. 1 KStG fremdbestimmte Steuerwirkungen auslösen. Die oben getroffene Feststellung, dass fremdbestimmte Steuerwirkungen in Form eines Durchgriffs jedenfalls dann kein rechtsstaatliches Problem darstel­ len, wenn der Durchgriff im Einklang mit der allgemeinen, gesellschafts­ rechtlich begründeten Dispositionsmöglichkeit durch die vorstehende Subjekteinheit steht, gilt gleichfalls für mittelbar gehaltene Beteiligun­ gen. Jenseits der offensichtlich unproblematischen Fälle der vermittelnden 100 Prozent-Beteiligungen verbietet sich daher eine mathematische Be­ rechnung der gesamten Beteiligungsquote durch bloße Multiplikation der Quoten. Vielmehr ist auf jeder vermittelnden Beteiligungsstufe zu fragen, ob tatsächlich eine Dispositionsmöglichkeit besteht. Nur dann 1403 Freilich verbleibt für den qualifizierten Minderheitsgesellschafter die Möglich­ keit, seine Sperrminorität gegen bestimmte Maßnahmen wie Satzungsänderun­ gen einzusetzen. Damit kann er aber selbst nicht gestalten, nur die Disposition der einfachen Mehrheit verhindern. Zur Sperrminorität schon oben, S. 114 f.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

kann eine Disposition durch mehrere Ebenen hindurch angenommen werden. Auch hier zeigt sich die Diversität der untersuchten Referenzfäl­ le. Während nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 KStG eine Multiplikation der Beteiligungsquoten nur erfolgt, wenn die Beteiligung an jeder vermitteln­ den Gesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte gewährt, fehlt eine sol­ che Einschränkung bei § 8c Abs. 1 KStG. Wird nur vermittelt durch eine (auch minimale) Minderheitsbeteiligung ein Schwellenwert des § 8c Abs. 1 KStG überschritten, stellt dies keine rechtsstaatlich unbeachtli­ che, im Einklang mit der gesellschaftsrechtlichen Wirklichkeit stehende Fremdbestimmung mehr dar.1404 cc. Wirkrichtung Ein weiterer Unterschied in den Erscheinungsformen fremdbestimmter Steuerwirkungen lässt sich in der Wirkrichtung des Durchgriffs feststel­ len. Während in den meisten Referenzfällen für Zwecke der Besteuerung der Gesellschaft auf die Gesellschafter abgestellt wird, wurden in der Ar­ beit auch Konstellationen untersucht, in denen umgekehrt für Zwecke der Besteuerung der Gesellschafter Handlungen der Gesellschaft relevant sind. Neben der Zinsschranke, bei der etwa die konzernweite Eigenkapi­ talquote auch durch Tochtergesellschaften beeinflusst werden kann,1405 ist hier die Nachversteuerung im Erbschaftsteuerrecht zu nennen. Nach § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG löst die Kapitalgesellschaft durch die Veräußerung bestimmter Betriebsgrundlagen (und die nachfolgende Aus­ schüttung des so erzielten Veräußerungserlöses) bei ihrem qualifiziert beteiligten Gesellschafter als Erben des Anteils fremdbestimmte Steuer­ wirkungen aus.1406 Die Annahme einer veränderten Wirkrichtung, und damit einer Disposi­ tionsbefugnis der Kapitalgesellschaft über ihre Gesellschafter, ist natür­ lich nur auf den ersten Blick überzeugend. Wie an anderer Stelle in dieser Arbeit bereits herausgearbeitet wurde, dient die Gesellschaft letztlich ausschließlich ihren Gesellschaftern.1407 Von daher stellt jede Einwir­ kung von unten nach oben ein Spiel „über die Bande“ der (anderen) Ge­ sellschafter dar. Soweit daher Steuerwirkungen beim beherrschenden Mehrheitsgesell­ schafter eintreten, ist dies erneut aus rechtsstaatlicher Sicht unbedenk­ lich: Er disponiert über die Gesellschaft, die wiederum über ihn disponiert. 1404 Dazu schon oben, S. 142, vor allem mit Bezug auf die vermittelte Leistungsfähig­ keit. Vgl. für die ganz überwiegende Kritik an dem Einbezug von Erwerbsvorgän­ gen „bis zu den Sternen“ bei § 8c KStG die Nachweise in Fn. 256. 1405 Zur Eigenkapitalklausel der Zinsschranke siehe oben, S. 72. 1406 Siehe dazu oben, S. 88 ff. 1407 Aus Sicht des Gesellschaftsrechts siehe oben, S. 110 ff.; unter Aspekten der Leis­ tungsfähigkeit S. 129 ff. und S. 252 ff.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Diese Wirkung ist wegen des Rückbezugs auf den Mehrheitsgesellschaf­ ter auch vermeidbar bzw. vorhersehbar. Anders ist dies aber beim Min­ derheitsgesellschafter: Es kann nun der Mehrheitsgesellschafter über die Gesellschaft auf ihn einwirken. Eine derartige Wirkmacht steht ihm grundsätzlich nur innerhalb der Gesellschaft zu; ein Verlassen der gesellschaftlichen Ebene wäre jenseits der Wirkungssphäre, die der ­Minderheits- dem Mehrheitsgesellschafter eingeräumt hat. Deshalb be­ schränken sich Normen, die für die Wirkung nach oben nur eine Minder­ heitsbeteiligung voraussetzen, auf Steuerfolgen, die nur auf die Anteile selbst bezogen sind. Während die Konzerngesellschaft mit veränderter Eigenkapitalquote im Rahmen der Zinsschranke auf alle Zinsaufwen­ dungen des Gesellschafters einwirkt, sorgt die Handlung der GmbH für Zwecke der Nachversteuerung im Erbschaftsteuerrecht dafür, dass nur die Anteile des Steuerpflichtigen an ihr einer nachträglichen Besteue­ rung unterliegen. Gleiches lässt sich bei der ausländischen Zwischenge­ sellschaft nach § 7 AStG feststellen, die über die Art ihrer Tätigkeit (ak­ tiv oder passiv) Steuerwirkungen bei ihren inländischen Gesellschafter auslöst, der selbst keinen beherrschenden Einfluss ausüben muss.1408 Fremdbestimmte Steuerfolge ist nur die Zurechnung der Einkünfte der Zwischengesellschaft, soweit der Steuerpflichtige an ihr beteiligt ist. Diese Beschränkung sorgt letztlich aber nur für ein Mindestmaß an Vo­ rausberechenbarkeit des Steuerzugriffs, da dieser auf den gehaltenen An­ teil beschränkt wird. Es verbleibt hier ein toter Winkel der Vorhersehbar­ keit: Der Minderheitsgesellschafter weiß nicht, wann ihm durch die Gesellschaft und letztlich den Mehrheitsgesellschafter Einkommen ei­ ner Zwischengesellschaft zugerechnet oder ein Verschonungsabschlag bzw. Abzugsbetrag nachträglich entzogen wird. e. Kenntnis und Abhilfemöglichkeit vor Steuerzugriff In vielen Referenzfällen drücken fremdbestimmte Steuerwirkungen ei­ nen Vorwurf an den Steuerpflichtigen aus: Die spätere Handlung des Fremden ist Ausdruck einer vorher bestehenden, nicht förderungswürdi­ gen Absicht des Steuerpflichtigen, oder Ausdruck eines (missbräuchli­ chen) Identitätswechsels. In den meisten Referenzfällen kann der Steuer­ pflichtige diesem Vorwurf nicht entgegentreten und ihn entkräften.1409 Oftmals erfährt er von der fremden Handlung nichts; gerade bei mittelba­ ren Anteilserwerben nach § 8c Abs. 1 KStG, die nur in der Addition zum Überschreiten der Schwellenwerte führen, wissen weder Handelnder noch Steuerpflichtiger von der Tatbestandsverwirklichung. 1408 Zur Hinzurechnungsbesteuerung siehe oben, S. 80 ff.; zur Kritik an der niedrigen Beteiligungsquote bei § 7 Abs. 6 AStG und der Vorstellung bei § 7 Abs. 1 AStG, es entstehe eine „Gemeinschaft der Steuerinländer“, S. 141 f., 149. 1409 Vgl. Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (230).

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

In diesem Zusammenhang ist § 18 Abs. 3 S. 3–4 REITG hervorzuhe­ ben.1410 Demnach tritt der Verlust der Steuerfreiheit der REIT-AG erst ein, wenn sie den Mitteilungen nach dem WpHG die Verstöße gegen das Streubesitz- oder das Höchstbeteiligungserfordernis durch ihre Anteils­ eigner entnehmen kann.1411 Daran anschließend besteht eine Frist bis zum Ablauf des folgenden Wirtschaftsjahres, in der die REIT-AG wieder auf ihre Anteilseignerstruktur zur Vermeidung der negativen Rechtsfolge einwirken kann. Beide Aspekte – sowohl Kenntnis von der fremden Handlung als Voraussetzung für die fremdbestimmte Steuerwirkung als auch die Einräumung der Möglichkeit, die Wirkung der Handlung des Fremden zu beseitigen – sind erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens und wohl infolge einer noch weitergehenden Empfehlung1412 der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) eingeführt worden.1413 Die IFD als informeller Zusammenschluss deutscher Banken1414 sprach in ihrer Emp­ fehlung von § 18 Abs. 3 S. 3–4 REITG als einer Exkulpationsmöglichkeit. Wenngleich der Begriff der Exkulpation im Steuerrecht ein Fremdkörper ist – Steuern knüpfen nicht an ein Verschulden des Steuerpflichtigen an, sondern an dessen Leistungsfähigkeit1415 –, beschreibt er doch wenigstens im Rahmen der Referenznormen, die jedenfalls ursprünglich als Miss­ brauchsverhinderungsnormen konzipiert waren, ein berechtigtes Bedürf­ nis: jenes, den Vorwurf des Missbrauchs, der durch die Handlung einer fremden Person entsteht, auszuräumen. Die Exkulpation bei § 18 Abs. 3 S. 3–4 REITG erfolgt nicht durch das Belegen der fehlenden Missbrauchs­ absicht; sie erfordert vielmehr ein aktives Tun, um den Anknüpfungs­ punkt für die vermutete Missbrauchsabsicht bzw. die fehlende Förde­ rungswürdigkeit zu beseitigen.

1410 Dazu bereits oben, S. 77. 1411 Trotz vollständiger Meldungen kann u.U. nicht erkannt werden, ob Schwellen gerissen wurden; siehe dazu die Nachweise in Fn. 351. 1412 Vgl. den Vorschlag der Initiative Finanzstandort Deutschland, Ergänzende ­Vorschläge zum Regierungsentwurf vom 02.11.2006 eines Gesetzes zur Schaf­ fung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REITG-E) (19.02.2007), S. 17 f., zu finden unter rsw.beck.de/rsw/upload/Beck_ Aktuell/22-IFD.pdf [zuletzt abgerufen am 31.08.2019]. Dort wird vorgeschlagen, dass § 18 Abs. 3 S. 3 REITG wie folgt lauten sollte: „Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn die REIT-Aktiengesellschaft nachweist, dass sie im Rahmen des Zumutbaren da­ rauf hingewirkt hat, dass der Streubesitz auf mindestens 15 Prozent ansteigt und vorhandene direkte Beteiligungen unter 10 Prozent absinken“. 1413 Vgl. dazu Schürer, REITs und die Höchstbeteiligungsquote (2011), S. 127. 1414 Die IFD initiierte und dominierte in Arbeitsgruppen mit dem BMF das Gesetzge­ bungsverfahren maßgeblich (vgl. Wewel in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG (2008), Einf. A Rn. 17). Der zitierte Vorschlag wurde etwa u.a. von einem Vertre­ ter der Deutsche Bank AG unterzeichnet. Die IFD ist mittlerweile aufgelöst. 1415 Dazu bereits oben, S. 269 ff. und S. 273.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

Dies ließe sich auch auf andere Referenzfälle übertragen: So könnte der Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 KStG gerade bei mittelbaren Anteils­ übertragungen erst eintreten, wenn die Verlustgesellschaft hiervon er­ fahren hat und ihre Alt- bzw. Neugesellschafter innerhalb eines be­ stimmten Zeitraums trotz Verweises auf bestehende Treuepflichten nicht zur Rückübertragung bewegen konnte. Auch bei den illiquiden Übertragungsvorgängen könnte dem ursprünglichen Veräußerer so die Möglichkeit gewährt werden, auf den ursprünglichen und auf den späte­ ren Erwerber zur Rückübertragung bzw. zur Weiterführung des Betriebs einzuwirken. Damit wird der Unsicherheitsfaktor, den die Gefahr fremdbestimmter Steuerwirkungen auslöst, nicht beseitigt. Die Verwirklichung des Tatbe­ stands durch einen Fremden wäre noch immer nicht vorausberechenbar. Allerdings werden die Folgen der fehlenden Vorausberechenbarkeit abge­ mildert und dem Steuerpflichtigen wieder ein Stück Selbstbestimmung zurückgegeben. Jedenfalls in Fällen, in denen die fremdbestimmte Steu­ erwirkung von dem Fremden nicht vorsätzlich ausgelöst wurde, kann so dem Steuerpflichtigen auf einer zweiten Stufe eine echte Chance einge­ räumt werden, den Eintritt der Wirkungen zu verhindern. Die Exkulpati­ onsmöglichkeit des REIT-Gesetzes hat daher Modellcharakter für die zukünftige Ausgestaltung von Normen, die die Verhinderung von Miss­ brauch als Regelungsziel verfolgen und dabei fremdbestimmte Steuer­ wirkungen auslösen können. f. Effektive Belastung des Handelnden Absehbar ist, dass selbst bei Einschlägigkeit einer Referenznorm der Steuerpflichtige im Ergebnis oftmals wirtschaftlich nicht belastet wird. Grund hierfür kann einerseits die anderweitige, erfolgreiche Inanspruch­ nahme des handelnden Fremden sein, der selbst (auch) die Steuer ­schuldet, während der Steuerpflichtige „nur“ als einer der Gesamt- oder Haftungsschuldner einsteht. Andererseits kann auf Grund der in der Kautelarpraxis regelmäßig vorgeschlagenen Ausgleichsregelungen auch ein Rückgriff des Steuerpflichtigen auf den Fremden gelingen, so dass die fremdbestimmten Steuerwirkungen vollständig kompensiert werden. Die Steuerlast trägt so letztlich der Verursacher der Steuerwirkung. Die­ ses Ergebnis ist für alle drei Untergruppen natürlich zu begrüßen; aller­ dings stellt sich dabei jeweils auch die Frage, ob dann die Schaffung der Gefahr fremdbestimmter Steuerwirkungen und das verbleibende Risiko der endgültigen Belastung überhaupt erforderlich sind.

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

aa. Gemeinsame Veranlagung Eine der stärksten Formen der Inanspruchnahme für fremdverursachte Steuerlasten ist jene als weiterer Steuerschuldner. Als Beispiel ist in die­ ser Phänomenologie die Gesamtschuldnerschaft der zusammenveranlag­ ten Ehegatten nach § 44 Abs. 1 Var. 3 AO identifiziert worden.1416 Die Einstandspflicht geht nach der gesetzlichen Konzeption sogar so weit, dass die von einem Ehegatten begründete Last für den anderen Ehegatten nicht als fremde (dann wäre es ein Fall der Haftung), sondern als eigene Schuld qualifiziert wird. Folge dieser Unterscheidung ist vor allem, dass der Fiskus bei der Inanspruchnahme ein freies Auswahlermessen hin­ sichtlich der Person des Schuldners hat.1417 Es muss nicht gemäß § 219 AO primär gegen den Verursacher der Last vorgegangen werden. Die Gesamtschuldnerschaft stellt eine Form der Auflösung jenes Mitei­ nanders1418 von Subjekten dar, das zuvor nach der gesetzgeberischen Wer­ tung die Steuerschuld begründet hat. Dabei ist auch schon eine Auflö­ sung zu einem früheren Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens denkbar, etwa bei der Personengesellschaft, wenn nach der Gewinnfeststellung auf Ebene der Gesellschaft der einzelne Gesellschafter nur die Steuer auf seinen eigenen Gewinnanteil schuldet – und gerade nicht als Gesamt­ schuldner für die Steuern auf die Gewinnanteile aller Gesellschafter. Das Einstehen als weiterer Gesamtschuldner für eine fremdverursachte Steuerschuld ist zwar stets eine rechtstechnische Erscheinungsform der fremdbestimmten Steuerwirkungen in der zusammenveranlagten Ehe; eine endgültige Belastung aber wird nur in den seltensten Fällen auch wirklich eintreten. Der verursachende Ehegatte wird regelmäßig auch mit Wirkung für den anderen die Schuld begleichen. Effektiv ist damit nur er belastet. Im Übrigen besteht bei dem einschlägigen Referenzfall der Arbeit noch ein weiteres Sicherungssystem für den gering verdienenden Ehegatten. Er kann auf seinen Antrag hin eine Aufteilung der Gesamtschuld nach §§ 268 ff. AO in Teilschulden bewirken. Die Aufteilung bei Fehlen einer anderweitigen Vereinbarung entspricht nach § 270 AO dem Verhältnis der Steuerschuld des einen zur Steuerschuld des anderen Ehegatten, die sich bei fiktiver Einzelveranlagung der beiden Ehegatten ergeben würde.

1416 Dazu oben, S. 228. 1417 Drüen in Tipke/Kruse, § 44 AO Rn. 28 ff.; Hagen, NWB 2005, S. 1545 (1546). 1418 Zu den Kategorien des Nacheinanders, Übereinanders, Miteinanders und Nebeneinanders in dieser Arbeit im Kontext der alternativen Zurechnungseinhei­ ten der Leistungsfähigkeit oben, S. 264.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

bb. Haftungsnormen Ein weiterer Unterfall der Gesamtschuldnerschaft ist die Haftungs­ schuldnerschaft: Steuerschuldner und Haftungsschuldner haften nach § 44 Abs. 1 Var. 2 AO wie zusammenveranlagte Ehegatten als Gesamt­ schuldner. Auch der Haftungsschuldner steht für eine Steuerschuld ein, die er nicht verursacht hat. Von daher stehen wirtschaftlich betrachtet Fälle der Haftung jenen der fremdbestimmten Steuerschuldwirkung gleich.1419 Bei Haftungsschulden wird aber anders als bei den Referenzfällen in die­ ser Arbeit die Nähebeziehung ausdrücklich benannt, denn der Haftungs­ anspruch entsteht erst, wenn neben dem Tatbestand des Schuldanspruchs auch der Haftungstatbestand erfüllt ist, der notwendigerweise den Haf­ tungsanspruch gegen den Haftungsschuldner komplettiert. Damit wird auch die Zwitterhaftigkeit des Haftungsanspruchs in Sachen Fremdbe­ stimmung deutlich: Es gibt einerseits einen Haupttatbestand, der aus­ schließlich von einem Fremden verwirklicht wird. Andererseits gibt es aber auch einen Grund für die nun folgende Belastung eines „Fremden“, der in dem Haftungstatbestand ausdrücklich benannt wird. Diese Rege­ lungstechnik ist unter Aspekten der Vorausberechenbarkeit und der Au­ tonomie zu begrüßen: Der Haftungsschuldner erkennt ohne weiteres, dass und warum er für eine fremde Schuld einsteht. Oft tritt aber trotz erfülltem Haftungstatbestand keine Belastungswir­ kung beim Haftungsschuldner ein, denn primär wird der Steuerschuld­ ner in Anspruch genommen. Nach § 219 S. 1 AO darf der Haftungs­ schuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, wenn die Vollstreckung beim Steuerschuldner keinen Erfolg bringt bzw. verspricht. In Ausnahmefällen unterbleibt sogar bei einem erfolglosen Vorgehen ge­ gen den Steuerschuldner die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners aus Billigkeitsgründen: Das Ermessen, das der Behörde gemäß § 191 Abs. 1 AO bei der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners zusteht, wird zwar wegen des Legalitätsprinzips – für das allgemeine Steuerrecht in § 85 AO niedergelegt – grundsätzlich nicht als ein Entschließungser­ messen verstanden, wonach die Behörde bei fehlender Aussicht auf Voll­ streckungserfolg beim Schuldner frei über die Inanspruchnahme des Haf­ tungsschuldners entscheiden könnte.1420 Ausnahmen bestehen aber aus Billigkeitsgründen;1421 so kann bei einer offensichtlich übermäßigen Haf­ 1419 Dazu schon oben, S. 41. 1420 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. (2018), § 6 Rz. 84: Das „kann“ in § 191 Abs. 1 S. 1 AO begründet nur ein Auswahlermessen, keine Opportunität hin­ sichtlich der Inanspruchnahme, wenn der Anspruch gegen den Steuerschuldner scheitert; s. auch Nacke, GmbHR 2006, S. 846 (848 f.). 1421 Nacke, GmbHR 2006, S. 846 (848).

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

tung nach § 73 AO für Steuerschulden des Organträgers, die nicht im Zusammenhang mit der Organgesellschaft stehen, von der Geltendma­ chung der Haftungsschuld abgesehen werden.1422 Damit lassen sich zwei Feststellungen für Zwecke dieser Arbeit treffen: Zum einen treten die belastenden Haftungswirkungen für eine fremdbe­ gründete Steuerschuld oftmals nicht ein, da der Steuerschuldner selbst in Anspruch genommen oder aus anderen Gründen auf die Inanspruchnah­ me verzichtet wird. Zum anderen zeigen aber auch die verschiedenen Regelungsinstitute zum Schutz des Haftungsschuldners, dass bei Gesetz­ geber (§ 219 S. 1 AO) und Rechtsanwendern (entsprechende Ausübung des Ermessens bei § 191 Abs. 1 AO) eine gewisse Zurückhaltung besteht, wenn andere Personen als der Steuerpflichtige für von diesem begründete Steuerschulden in Anspruch genommen werden. cc. Vorhersehbare Überwälzung In der Literatur zu den meisten Referenzfällen dieser Arbeit wird die kau­ telar-juristische Notwendigkeit erkannt, vertragliche Vereinbarungen dahingehend zu treffen, dass der Verursacher der Steuerwirkung den Steuerpflichtigen freizustellen hat.1423 Dies ist regelmäßig auch möglich, da zwischen den Beteiligten ein Näheverhältnis besteht, sei es durch eine entsprechende Gestaltung der Satzung zwischen Gesellschaftern, sei es bei einer Vereinbarung über einen Übertragungsvorgang als Veräu­ ßerer und Erwerber. Anders aber als im Bereich der indirekten Steuern, in dem teilweise gute (praktische) Gründe gegen die Inanspruchnahme des eigentlich zu Belas­ tenden und für eine Überwälzungslösung sprechen, ist die Überwälzung im Bereich der direkten Steuern ein Fremdkörper.1424 Direkte Steuern können punktgenau die steuerliche Belastung bei der Person bewirken, die der Gesetzgeber hierfür vorgesehen hat. Die intendierte bzw. vorher­ sehbare endgültige Belastung (also eventuelle Überwälzungen) sind vom Steuergesetzgeber zu berücksichtigen. Die zwischengeschaltete Belas­ tung des „falschen“ Schuldners ist nicht nur unter Aspekten der Leis­ tungsfähigkeit bedenklich,1425 sondern auch eine Freiheitseinschränkung des Steuerpflichtigen. Diese wirkt im Ergebnis zwar weniger stark als 1422 Siehe für die Verwaltungspraxis BMF, AEAO zu § 73 Nr. 3.1; weitere Beispiele aus der Rechtsprechung oben in Fn. 233. Ausführlich dazu auch oben, S. 45 ff. 1423 Vgl. grundsätzlich dazu Meyer, Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zi­ vilrechtliches Ausgleichssystem (2013), aber auch die Nachweise bei den einzel­ nen Referenzfällen, für § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG etwa Scheifele, DStR 2006, S. 253; Kutt/Möllmann, DB 2010, S. 1662 (1663 ff.); Schrade, FR 2017, S. 862. 1424 Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (226). 1425 So Könemann, Grundsatz der Individualbesteuerung (2001), S. 40 f. Ausführlich dazu auch oben, S. 271.

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

endgültige fremdbestimmte Steuerwirkungen, ist aber – da sie bei direk­ ten Steuern oftmals unnötig sein sollte – in besonderem Maße rechtferti­ gungsbedürftig.1426 Die mögliche Überwälzung befreit den Gesetzgeber jedenfalls nicht von seiner Aufgabe, fremdbestimmte Steuerwirkungen zu vermeiden. g. Normhierarchische Einordnung und Auslegungsregel Weiter verkompliziert wird die Einordnung der fremdbestimmten Steu­ erwirkungen unter das Rechtsstaatsprinzip, wenn diese sich nicht ohne weiteres unmittelbar aus dem Gesetz, sondern erst infolge einer entspre­ chenden Norminterpretation der Verwaltung oder der Finanzgerichte1427 ergeben. In dieser Konstellation werden auch noch andere Fallgruppen der Rechtssicherheit1428 angesprochen, nämlich die Begrenzung der Aus­ legung1429 sowie die Zulässigkeit belastender Rechtsfortbildung1430 und untergesetzlicher Belastungsentscheidungen1431. Das prominenteste Beispiel hierfür findet sich in dieser Arbeit bei der Anwendung der Zinsschranke auf Personengesellschaften. Es ist die Auf­ fassung1432 des BMF, dass ein unter die Zinsschranke fallender Sonderbe­ triebs-Zinsaufwand eines einzelnen Mitunternehmers den steuerlichen Gewinn aller Mitunternehmer quotal erhöhen soll. Aus § 4h EStG ergibt sich diese Form der Fremdbestimmung nicht zwingend.1433 Es sind Alter­ nativmodelle im geltenden Recht möglich und auch vorgeschlagen, die einen modifizierten Gewinnverteilungsschlüssel anwenden, der die Ver­

1426 Vgl. auch Hey, Kernfragen des Unternehmenssteuerrechts (2010), S. 1 (6); Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (225 ff.); Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. (2003), S. 584 und 979 ff. 1427 Zu fremdbestimmten Steuerwirkungen durch richterliche Rechtsfortbildung am Beispiel eines (mittlerweile aufgehobenen) Urteils des FG Münster siehe Mirbach/Riedel, FR 2015, S. 272 (273 ff.). 1428 Die folgenden Kategorien fordern zugleich auch das Demokratieprinzip heraus; vgl. Waldhoff, FS Spindler (2011), S. 853 (872 f.) sowie Kamm, Grundlinien steu­ ergesetzlicher Tatbestandsbildung (1976), S. 86 ff. zur „Tatbestandsverwirkli­ chung durch Dritte“ unter Demokratieaspekten, wenn diese sich infolge einer Analogie ergibt. 1429 Kamm, Grundlinien steuergesetzlicher Tatbestandsbildung (1976); Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und formeller Gesetzesbegriff (1982), S. 8 f.; Schön, DStJG Bd. 33 (2010), S. 29 (45 ff.). 1430 Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung (1983), S. 362 ff.; Papier, Finanzrechtliche Gesetzesvorbehalte (1973), S. 181 ff.; Jochum, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1611 (1615 f.); Hey, FS P. Kirchhof Bd. II (2013), S. 1657 (1660 f.). 1431 Etwa in BVerfG, Urt. v. 14.12.1965, Az. 1 BvR 571/60, in BVerfGE 19, S. 253. 1432 BMF, Schreiben v. 04.07.2008, Az. IV C 7 S 2742 a/07/10001, in BStBl. I 2008, S. 718 Tz. 51; ausführlich dazu in der Phänomenologie oben, S. 159 ff. 1433 So auch Wagner/Fischer, BB 2007, S. 1811 (1812).

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D.  Verfassungsrechtliche und steuersystematische Vorgaben

ursachungsbeiträge berücksichtigt1434 und damit fremdbestimmte Steu­ erwirkungen vermeidet. Weiteres Beispiel aus dem Kreis der Referenzfäl­ le ist die Bestimmung des Rechtsnachfolgers bei § 22 Abs. 6 UmwStG, bei der eine starke Mindermeinung anders als die Verwaltungsauffas­ sung1435 auch im geltenden Recht an eine andere Person anknüpfen1436 und so fremdbestimmte Steuerwirkungen vermeiden möchte. Fremdbestimmte Steuerwirkungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, stellen einen noch intensiveren Eingriff in die durch Vo­ rausberechenbarkeit abgesicherte Freiheit dar. Die ohnehin bestehende Gefahr der Fremdbestimmung wird noch dadurch verstärkt, dass sie schlicht übersehen wird. Da diese fremdbestimmten Steuerwirkungen aber nicht zwingend durch ein Parlamentsgesetz geboten sind, bedarf es nicht eines rechtspoliti­ schen Appells an den Gesetzgeber. Vielmehr ergibt sich schon im gelten­ den Recht die Möglichkeit, dem rechtsstaatlichen Gebot der Vermeidung der Fremdbestimmung zur Geltung zu verhelfen. Ausgehend von der Grundsage des Abschnittes, dass eine rechtsstaatliche Steuerordnung, die die Freiheit des Steuerbürgers verwirklichen will, fremdbestimmte Steuerwirkungen vermeidet, ist folgende Auslegungsregel aufzustellen: Von mehreren nach Wortlaut und Telos möglichen Auslegungen eines Gesetzes ist stets die zu wählen, die die Bestimmung durch fremde ­Private vermeidet, wenigstens aber vermindert. Der erste konkrete An­ wendungsfall ist die oben beschriebene Allokation der Steuerfolgen eines erhöhten Zinsaufwands in den Sonderbereichen im Rahmen der Zins­ schranke: Die Verwirklichung der vorgeschlagenen Alternativmodelle zur (erstmalig belastenden) Verwaltungsauffassung ist damit nicht mehr nur rechtspolitisch wünschenswert, sondern verfassungsrechtlich gebo­ ten. Allerdings sind in dieser Arbeit auch Verwaltungsvorschriften identifi­ ziert worden, die eine an sich bestehende Gefahr fremdbestimmter Steu­ erwirkungen beseitigen.1437 Vergleichbares lässt sich auch über die von den Finanzgerichten bislang gebilligte Reparatur über Ermessensnormen 1434 Verschiedene, alternative Modelle bei Kußmaul/Ruiner/Schappe, DStR 2008, S. 904 (906 ff.); Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs (2009), S. 249 ff.; Feldgen, NWB 2009, S. 998 (1001). Für weitere Lösungsansätze siehe oben, S. 161 f. und in Fn. 723. 1435 BMF, Schreiben v. 11.11.2011, Az. IV C 2-S 1978-b/08/10001, in BStBl. I 2011, S. 1314. 1436 Vgl. die Stimmen in Fn. 883. Ausführlich zu dieser Problematik oben, S. 196 ff. 1437 Bspw. bei der Realteilung, wenn eine entsprechende Abrede der Realteiler die Quelle der Fremdbestimmungsgefahr beseitigen kann (vgl. S. 192). Für eine in­ haltsgleiche Lösung auf Ebene des Gesetzes plädiert aber Geck, FS Spiegelberger (2009), S. 128 (130).

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IV.  Rechtsstaatsprinzip und fremdbestimmte Steuerwirkungen

sagen. Wenngleich im Ergebnis hier ein Freiheitsgewinn des Individu­ ums über den Wortlaut hinaus erzielt wird, sollte sich doch auch hier die Beseitigung der Fremdbestimmung unmittelbar aus dem Gesetz ableiten lassen. Die Frage, an wessen Verhalten die Steuerpflicht anknüpft, ist so wichtig1438, dass sich die Antwort – wenn schon nicht unmerklich, dann wenigstens ohne weiteres1439 – aus dem Tatbestand eines Steuergesetzes ablesen lassen sollte.

1438 Vgl. Hey, GS Trzaskalik (2005), S. 219 (226). 1439 In Anlehnung an das vielzitierte Diktum von Hensel, Steuerrecht, 3. Aufl. (1933), S. 59.

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E.  Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

1. Die Fähigkeit des Steuerpflichtigen, über die Verwirklichung des Tat­ bestandes disponieren zu können, ist ein zentrales Gebot des Steuer­ rechts, das sich aus vielen Quellen speist. Die Dispositionsbefugnis wur­ de zunächst aus dem Markteinkommensprinzip für Zwecke der Einkünftezurechnung als Schlüsselbegriff gewonnen, findet sich aber ausdrücklich geregelt auch bei der Zurechnung von Wirtschaftsgütern. Mittlerweile beansprucht die Dispositionsbefugnis über diese Herleitung und über diesen Anwendungsbereich hinaus weitergehende Bedeutung: So ist Dispositionsbefugnis über die steuerauslösende Handlung rechts­ staatlich geboten, um Rechtssicherheit und letztlich die Freiheit des Steuerbürgers zu verwirklichen. Sie ist unter dem Schlagwort des Sub­ jektsteuerprinzips ebenfalls leitend bei der ultimativen Zurechnung von Leistungsfähigkeit in dieser Arbeit. Dabei sind stets die Sachgesetzlich­ keiten des exakten Bezugsobjekts der Disposition und der jeweiligen Re­ gelungsmaterie, in der der Steuerpflichtige sich bewegt, zu beachten. Für den Durchgriff durch eine Kapitalgesellschaft bedeutet dies, dass der Ge­ setzgeber sich hierfür an den gesellschaftsrechtlich gewährten Dispositi­ onsmöglichkeiten der Gesellschafter mit Bezug auf die Gesellschaft ori­ entieren muss. Für die Besteuerung der Ehe, bei der Bezugspunkt der Disposition ist nunmehr auf Grund der im Laufe der Zeit gewandelten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Ehe- und Familienle­ bens das Bild einer konsensual disponierenden Gemeinschaft des Er­ werbs und des Verbrauchs prägend. 2. Die Vermeidung fremdbestimmter Steuerwirkungen ist das Gebot ei­ nes Rechtsstaates, der die Freiheit des Individuums durch die Vorausbe­ rechenbarkeit des staatlichen Steuerzugriffs ermöglichen will. Durch die tatbestandliche Anknüpfung an die Handlung eines fremden Privaten ist dem Staat die daraus folgende Unsicherheit zuzurechnen. Fremdbe­ stimmte Steuerwirkungen bzw. deren Vermeidung stehen daher gleich­ berechtigt als Fallgruppe der Rechtssicherheit neben anderen Ausprägun­ gen wie der Bestimmtheit von Gesetzen, der Normenklarheit, der Auslegungsbegrenzung, der Zulässigkeit von (belastender) Rechtsfortbil­ dung und der Ausübung des Ermessens. Aus dieser These sind folgende Forderungen abzuleiten: a. Wenn es dem Staat, und insbesondere dem Gesetzgeber, möglich ist, die verfolgten Regelungsziele auch ohne Schaffung einer Quelle fremdbe­ stimmter Steuerwirkungen gleich wirksam zu erreichen, dann hat er sich für diese Alternative zu entscheiden. Für Rechtsanwender verdich­ tet sich dieses Gebot zu einer Auslegungsregel. Beispiele hierfür wurden 331

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E.  Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

in dieser Arbeit in der Gesetzesanwendung entdeckt, aber auch de lege ferenda vorgeschlagen. b. Mindestvoraussetzung für die Anknüpfung an das Verhalten eines fremden Subjekts des Privatrechts ist, dass zwischen dem Steuerpflichti­ gen und dem Fremden ein Näheverhältnis besteht. Solche Näheverhält­ nisse wurden in der Phänomenologie dieser Arbeit identifiziert. c. Wenn bei einer Rechtskreiserweiterung die Gefahr der Fremdbestim­ mung nicht zu vermeiden ist, dann ist dem Steuerpflichtigen die Mög­ lichkeit in Form eines Wahlrechts einzuräumen, hierauf zu verzichten und die zugrunde liegende Handlung ohne die Gefahr der Fremdbestim­ mung vorzunehmen. d. Die durch den Staat herbeigeführte Unsicherheit ist nach Möglichkeit dadurch zu mindern, dass die Steuerwirkung erst dann eintritt, wenn der Steuerpflichtige Kenntnis von deren Verursachung erlangt und erfolglos eine Frist verstrichen ist, in der der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat­ te, die steuerauslösende Handlung effektiv wieder rückgängig zu ma­ chen. e. Die Rechtsunsicherheit, die infolge fremdbestimmter Steuerwirkun­ gen entsteht, wird multipliziert, wenn sie sich nicht ohne weiteres aus dem Tatbestand einer Norm selbst ergibt. Es ist im Tatbestand deutlich zu machen, an wessen Verhalten der Steuerzugriff – idealiter natürlich an das Verhalten des Steuerpflichtigen – anknüpft. Dies gilt grundsätz­ lich auch für untergesetzliche Regelungen und Rechtsanwendungen, die eine an sich im Tatbestand angelegte Fremdbestimmung wieder zurück­ nehmen. 3. Der Diskurs über fremdbestimmte Steuerwirkungen verdankt dem Markteinkommensprinzip die Erkenntnis, dass die Dispositionsbefugnis ein taugliches Zurechnungskriterium ist. Bei genauerer Betrachtung der Herleitung dieses Zurechnungskriteriums einerseits und der die Fremd­ bestimmung auslösende Disposition andererseits erkennt man aber Un­ terschiede im Zurechnungsobjekt. Die Zurechnung der Einkunftsquelle und die grundsätzliche Marktteilnahme stehen in den pathologischen Fällen der Fremdbestimmung außer Frage. Daraus folgt die Erkenntnis, dass eine Vielzahl der Referenznormen, die fremdbestimmte Steuerwir­ kungen auslösen, nur die die Einkünftezurechnung begründende Hand­ lung näher beschreiben, oder in einem Bereich jenseits des eigentlichen Marktgeschehens wirken. Das Markteinkommensprinzip hält dabei kei­ ne originären Aussagen zu fremdbestimmten Steuerwirkungen bereit. Der Rechtsgedanke in der berühmten Formel von Ruppe – Dispositions­ befugnis als Zurechnungskriterium – transzendiert damit seine Herlei­ tung. 332

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E.  Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

4. Auch mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sind fremdbestimmte Steuerwirkungen grundsätzlich unvereinbar. Der Steuerpflichtige wird durch die Handlung eines Fremden für sich genom­ men nicht leistungsfähiger. Eine mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip konforme Verursachung von Steuerwirkungen kann allerdings dann vorliegen, wenn die Steuerbelas­ tung durch fremde Steuerrechtsubjekte ausgelöst wird, die mit dem Steu­ erpflichtigen in alternativen Zurechnungseinheiten steuerlicher Leis­ tungsfähigkeit verbunden sind. Die Steuerrechtssubjekte können sich in dieser alternativen Zurechnungseinheit in einem Übereinander, Mitei­ nander oder Nacheinander befinden; entscheidend ist, dass das Individu­ um ultimativer Bezugspunkt steuerlicher Leistungsfähigkeit ist und bei der Verursachung der Steuerwirkungen die Sachgesetzlichkeiten der je­ weiligen Zurechnungseinheit und des jeweiligen Regelungsgegenstands gewahrt werden. Jenseits der alternativen Zurechnungseinheiten kann zwar die fremdbe­ stimmte Steuerwirkung durch Überwälzung auf den Verursacher wirt­ schaftlich beseitigt und so ein Zustand erreicht werden, in dem das Sub­ jekt belastet wird, das leistungsfähiger geworden ist. Eine derartige Reparatur entlässt aber den Gesetzgeber nicht aus seiner Pflicht, durch Gesetz die Leistungsfähigkeit bei dem Subjekt zu erfassen, bei dem sie entstanden ist.

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F. Literatur

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Schulte, Wilfried/Petschulat, Katharina: Disquotale Einlagen und ver­ deckte Gewinnausschüttungen im Schenkungsteuerrecht [IFSt- Schrift Nr. 484] (2013). Schulze-Osterloh, Joachim: Das Grundlagengeschäft zwischen Ge­ schäftsführungsmaßnahme und Änderung des Gesellschaftsvertrages, in: FS Hadding (2004), S. 637–653. Schulze-Osterloh, Joachim: Unbestimmtes Steuerrecht und strafrechtli­ cher Bestimmtheitsgrundsatz, in G. Kohlmann (Hrsg.): Strafverfol­ gung und Strafverteidigung im Steuerstrafrecht (1983), S. 43–66. Schulze zur Wiesche, Dieter: Die Einmann-GmbH & Co. KG als über­ nehmender Rechtsträger im Fall einer Übertragung nach § 6 Abs. 5 Abs. 3 EStG und einer Einbringung nach § 24 UmwStG, in DStZ 2014, S. 108–115. Schulze zur Wiesche, Dieter: Die Überführung und Übertragung von ein­ zelnen Wirtschaftsgütern nach dem BMF-Schreiben vom 08.12.2011, in DStZ 2012, S. 12–19. Schürer, Sebastian: REITs und die Höchstbeteiligungsquote nach § 11 Abs. 4 Satz 1 REITG (2011). Schwarz, Kyrill-Alexander: Real Estate Investment Trusts – ausgewählte Rechtsfragen einer neuen Anlageform, in JZ 2008, S. 550–555. Schwarz, Kyrill-Alexander: Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip – Eine Analyse des nationalen Rechts, des Gemeinschaftsrechts und der Beziehungen zwischen beiden Rechtskreisen (2002). Schwetlik, Harald: Steuer- und zivilrechtliche Aspekte der Anteilsein­ bringung gem. § 21 UmwStG, in NZA 2008, S. 41–47. Seeliger, Gerhard: Der Begriff des wirtschaftlichen Eigentums im Steuer­ recht (1962). Seer, Roman: Die Besteuerung der GmbH im Spiegel der Zeit, in GmbHR 2009, S. 1036–1047. Seer, Roman: Die Entwicklung der GmbH-Besteuerung – Analysen und Perspektiven (2005). Seibold, Felix: Der Tatbestand der Einnahmenerzielung unter besonderer Berücksichtung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, in StuW 1990, S. 165–172. Seibold, Felix: Die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (1987). Seiler, Christian: Besteuerung von Einkommen – Aufgaben, Wirkungen und europäische Herausforderungen: Gutachten F für den 66. Deut­ schen Juristentag, in Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages, Band I Gutachten (2006). Seiler, Christian: Der einheitliche Parlamentsvorbehalt (2000). Seiler, Christian: Grundzüge eines öffentlichen Familienrechts (2008). Seiler, Christian: Verfassung in ausgewählten Teilrechtsordnungen: Kon­ stitutionalisierung und Gegenbewegungen im Steuerrecht, in VVD­ StRL 75 (2016), S. 333–372.

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F. Literatur

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Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen

Äquivalenztheorie 120, 248, 275 ff. Aufgedrängte Steuerlast 14 Axiologischer Ansatz 6 Auslegung, siehe Normhierarchie Behaltefrist, siehe Übertragungs­ vorgänge Disposition –– Dispositionsbefugnis nach ­Ruppe 20 ff., 29, 39 ff., 49, 170 ff., 281, 290, 317, 331 –– Ehe 243 ff. –– faktisch 95 –– Kapitalgesellschaft 110 ff., 139 ff. –– konsensual 244, 331 –– Personengesellschaft 170 ff. –– qualifizierte Minderheit 90, 102, 114, 145, 148 171, 319 –– Übertragungsvorgänge 216 ff. Dritte –– Drittaufwand 31 ff. –– Tatbestandsverwirklichung durch Dritte / Drittverhalten 1, 9 ff., 291, 298, 306, 311 Durchgriff 15 –– Durchgriffsformen 317 ff. –– Grundrechte 254 –– Haftungs- und Zurechnungs­ durchgriff 98 ff., 169 ff. Ehe –– Ehe für alle 224, 227 –– Ehegatten-Splitting 14, 19, 224 ff., 237 ff., 266, 279 –– Gemeinschaft der Versorgung 240

–– Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs 239 –– Zusammenveranlagung 19, 37, 224 ff., 289 Eigenverantwortlichkeit 217, 273, 312 Einbringungsgewinn I 196 ff., 313 Einbringungsgewinn II 92 ff., 198 ff., 216 Einkunftsquelle, siehe Disposi­tion, Dispositionsbefugnis nach ­Ruppe Erbschaftsteuer 88, 278 –– Dispositionsbefugnis 147 –– Disquotale Einlage 123 f. –– Lohnsumme 91 –– Nachversteuerung 89 ff., 136, 147, 320 –– Verwaltungsvermögen Wert­ grenze 91 Ergänzungsbilanzen 152 ff., 159 ff., 176 ff., 188, 202, 218, 266, 317 Finanzierungsfreiheit 75, 147 Folgerichtigkeit 7 ff., 59, 119, 128, 136, 143, 247 Freiheit, siehe Rechtsstaat, Selbst­ bestimmung und Tatbestands­ mäßigkeit Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs, siehe Ehe Gesamtschuldnerschaft 228 Gesellschafterfremdfinanzierung, siehe Zinsschranke Gesellschafterrechte –– Kapitalgesellschaft 100 ff. –– Personengesellschaft 165 ff. 379

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Stichwortverzeichnis

Gesetzmäßigkeit, siehe Tatbe­ standsmäßigkeit und Rechts­ staat Gewerbesteuer 9, 150 ff., 179 ff. –– Anteilsveräußerung (§ 7 Satz Nr. 2 GewStG) 9, 155 ff., 326 –– Ergänzungsbilanzen, siehe ­Ergänzungsbilanzen –– Reform 152 ff., 179 ff. –– Sonderbilanzen, siehe Sonder­ bilanzen –– Verlustuntergang 67 Haftung 41 ff., 325 f. –– Betriebsübernehmer 45, 145 –– Eigentümer 44 –– fiskalerfolgsgefährend (§§ 69, 71 AO; §§ 42d, 44 EStG) 43 –– Organschaft 45, 95 ff., 315 –– Vertretenen 44 –– Haftungsdurchgriff, siehe Durchgriff –– Haftungsvollstreckung 268 ff. Haushaltsbesteuerung 19, 37, 230 ff., 256, 267 Hinzurechnungsbesteuerung –– ATAD 81, 85, 87 –– Dispositionsbefugnis 141, 149 –– Gemeinschaft der Steuerinlän­ der 85, 142, 149, 285, 321 –– Subjektivität 137 –– Zwischengesellschaft mit ­Kapitalanlagecharakter 86, 149, 286, 321 –– Zwischengesellschaft 83 f., 141, 285, 321 Identität 34 ff., 41, 136 ff., 215, 247 –– siehe Subjektivität und Subjekte –– Markteinkommensprinzip 286 –– Rechtsträgeridentität 189 –– REIT-AG 288 –– wirtschaftlich 60 ff., 138, 288 380

Individualbesteuerung, siehe Lei­ stungsfähigkeit Kontextnorm 75, 151, 284 Lebenspartner, siehe Ehe Leistungsfähigkeit 129 ff., 139, 247 ff. –– Individualbesteuerung 37, 118 ff., 252 ff., 264 ff. –– Lenkungsnormen 250, 269, 274 –– Opfertheorien 257 –– Steuerbarkeit von stillen Reser­ ven 204 ff. –– Subjektneutralität 258 ff., 264 –– Subjektsteuerprinzip, siehe Sub­ jektsteuerprinzip und Subjekte –– Thesaurierung 130, 174 –– Unvereinbarkeit mit fremdbe­ stimmten Steuerwirkungen 132, 250 ff., 263 –– vorläufige / eigene Leistungsfä­ higkeit 129 ff., 174, 255 ff., 262 Markteinkommensprinzip 21, 89, 274 ff. Missbrauchsverhinderung 53 ff., 61, 72, 83, 99, 124, 146 f., 192 f., 219 ff., 269 ff., 286, 292 ff., 322 Näheverhältnisse, siehe Phänome­ nologie Neutralitätspflicht 106 Normhierarchie 35, 48, 193, 327 ff. Organschaft 14, 45 ff., 66, 94 ff., 123, 228, 265, 285, 315 –– Dispositionsbefugnis, 140 –– Haftung, siehe Haftung, Organ­ schaft Phänomenologie –– Dogmatik 4 ff. –– Durchführung 51-246

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Stichwortverzeichnis

Realisationsprinzip 182, 202 ff., 260, 270, 279 Realteilung 189 ff., 214 ff., 218 f., 316, 328 Rechtsnachfolge 29, 88, 175, 181 ff., 194 ff., 261, 278 –– Einzelrechtsnachfolge 181, 261 –– Gesamtrechtsnachfolge 175, 210, 215, 252, 261 –– Umwandlungssteuerrecht 196, 328 Rechtspersönlichkeit 97, 165, 255 ff. –– Kapitalgesellschaft 74, 97, 137, 139 –– Personengesellschaft 164 Rechtsstaat –– formeller Rechtsstaat 293, 299 ff. –– Gesetzesvorbehalt, siehe Rechtsstaat, Normenklarheit –– materieller Rechtsstaat 293, 299 ff. –– Normenklarheit 296, 302, 331 –– Rückwirkungsverbot 297, 301 –– Tatbestandsmäßigkeit, siehe Tatbestandsmäßigkeit –– Unsicherheit 304 –– Vorausberechenbarkeit 299 ff., 316 f., 321, 325, 328 Referenzfelder, siehe Phänome­ nologie REIT-AG 76 ff., 134, 137 ff., 262, 288, 313, 322 –– Höchstbeteiligungsquote 77 –– Streubesitz 77 –– Subjektivität 137 Ruppe, siehe Zurechnungsgrund, Dispositionsbefugnis Selbstbestimmung 75, 147, 223, 293 ff. –– Option (opt-in / opt-out) 92, 95, 199, 219, 226, 229, 246, 314 f.

–– Rechtskreiserweiterung 314, 316, 332 –– Wahlrecht 154, 183, 188, 193, 218, 314, 332 Sonderbilanzen 152, 176 Splitting, siehe Ehe Stiefmutterfall 194 Subjekt(e) –– Alternative Zurechnungs­ einheiten 264 ff., 333 –– Einheitssubjekt / Mehrheit von Subjekten 231, 241 f. –– Einkünfteermittlung und -­erzielung 82, 117, 173 –– Gewerbesteuer 156, 161 –– Haushalt als Steuersubjekt, ­siehe Haushaltsbesteuerung –– Identitätswechsel 62, 138, 267, 287 ff., 321 –– Kapitalgesellschaft 51 ff., 136 ff. –– Miteinander 263, 266 –– Nacheinander 215, 261 ff., 267 f., 333 –– Nebeneinander 216, 262, 264 –– Subjektivität 14, 28, 94, 96, 116, 136 ff., 215 ff., 242 –– Subjektneutralität 258 ff., 264 –– Übereinander 216, 262, 265, 273, 333 –– Zurechnungssubjekt (Ruppe) 21 ff., 59 Subjektsteuerprinzip 2, 96, 116, 186, 191, 202 ff., 223, 251, 259 ff., 279, 283, 331 –– siehe auch Leistungsfähigkeit Tatbestandsmäßigkeit 2, 34 ff., 290 ff. –– formeller Rechtsstaat 293 –– Zurechnungsmaßstab 34 ff. Tatbestandsverwirklichung –– gespalten 23, 29 ff. –– Kirchhof 27 381

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Stichwortverzeichnis

–– mittelbar 36, 319 ff. –– Tipke 25 Tausch 181 ff., 209 ff., 270, Transparenz –– Personengesellschaft 174 –– Teiltransparenz / Semitrans­ parenz 57, 80 –– Thesaurierung 175 Trennungsprinzip –– Gesellschaftsrecht 97 ff. –– Steuerecht 58, 63, 115 ff., 125 –– Aufweichung / Erosion 122 ff., 135 –– Herleitung aus Finanzverfassung 59 ff., 125 ff. –– Vermeidung der Doppelbesteue­ rung (§ 8b KStG) 77, 118 ff., 201, 266

–– BVerfG-Entscheidung 60 ff., 132, 139, 251 –– Fortführungsgebundener Ver­ lustvortrag (§ 8d KStG) 54, 57 –– Gewerbesteuerrecht (§ 10a GewStG) 67, 158 –– Grundaussagen (§ 10d EStG) 54, 175, 264, 267 –– Historie 52 ff., 65 –– mittelbar 55, 65, 319 –– Dispositionsbefugnis 142 ff., 144 ff. –– Subjektivität 138 –– Zinsschranke 69 Vinkulierung 57, 107, 111 Vorausberechenbarkeit, siehe Rechtsstaat Vorsichtsprinzip 205 f.

Übertragungsvorgänge 180 ff. –– Übertragung innerhalb von MU (§ 6 Abs. 5 EStG) 185, 213 –– Übertragung nach UmwStG 193 ff., 211 –– Übertragung von Sachgesamt­ heiten (§ 6 Abs. 3 EStG) 181 ff., 212 Überwälzung von Steuerfolgen 13, 36, 79, 221, 271, 326, 333 Unentgeltlichkeit 21, 91, 164, 181 ff., 210 ff., 262, 270

Widerlager 6 ff., 89, 150, 247

Veranlagung, siehe Ehe, Zusam­ menveranlagung Verlustuntergang (§ 8c KStG) 51 ff.

382

Zinsschranke 67 ff., 159 ff. –– Dispositionsbefugnis 140, 146 –– Eigenkapital-Klausel 72 –– Konzernklausel 70 –– Personengesellschaft 159 ff., 180 Zurechnung –– … von Einkünften 15, 18 ff., 25 ff., 81, 259 –– … von Sachverhalten 16 –– … von stillen Reserven 260 –– … von Wirtschaftsgütern 38 –– Zurechnungseinheiten, siehe Subjekte –– Zurechnungsgrund 17