Hof, Macht, Geschlecht: Handlungsspielräume adeliger Amtsträgerinnen am Hof Ludwigs XIV. [1 ed.] 9783737005296, 9783847105299, 9783847005292


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Hof, Macht, Geschlecht: Handlungsspielräume adeliger Amtsträgerinnen am Hof Ludwigs XIV. [1 ed.]
 9783737005296, 9783847105299, 9783847005292

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Freunde – Gönner – Getreue Studien zur Semantik und Praxis von Freundschaft und Patronage

Band 11

Herausgegeben von Ronald G. Asch, Sabine Dabringhaus, Hans-Helmuth Gander und Dietmar Neutatz

Regina Schleuning

Hof, Macht, Geschlecht Handlungsspielräume adeliger Amtsträgerinnen am Hof Ludwigs XIV.

V& R unipress

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MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-5464 ISBN 978-3-8471-0529-9 ISBN 978-3-8470-0529-2 (E-Book) ISBN 978-3-7370-0529-6 (V& R eLibrary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Ó 2016, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, 37079 Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Zum Alten Berg 24, 96158 Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Für Benjamin

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fragestellung, Untersuchungsgegenstand und Thesen 2. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorannahmen und Zugänge . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Soziale Nahbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Quellen und Quellenkritik . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

11 11 16 24 26 30 39 42

II.

Der französische Königshof – eine Annäherung . . . . . . . . . .

61

III. »Le lieu o¾ habite un Roy« – adelige Frauen in der Hofstruktur . .

75

IV.

. . . . . . . .

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. . . . . . . .

. . . . . . . .

»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern 1. Ämter am französischen Königshof . . . . . . . . . . . . . . 2. Hofämter für adelige Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zugangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Stand und Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Soziale Nahbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Familienstand und Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Persönliche Qualitäten und Meriten . . . . . . . . . . . 4. Eintritt in den Hofdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume . . . . . . . . . 5.1. Chef du conseil et surintendante de la maison de la reine 5.2. Dame d’honneur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Dame d’atour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . .

87 87 97 103 105 114 124 127 131 134 147 148 156 160 166

8

Inhalt

5.4. Dame . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5. Gouvernante und sous-gouvernante des filles d’honneur . 5.6. Fille d’honneur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7. Gouvernante und sous-gouvernante des enfants de France 6. Amtsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Karrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ausscheiden aus dem Hofdienst . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

168 170 171 173 178 185 192

»Manieres de vivre — la Cour« – Geschlecht und Hofleben . . . . 1. Leben am französischen Königshof . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der französische Königshof als soziales Gefüge . . . . . . . . . 3. Spezifika der Regierungszeit Ludwigs XIV. . . . . . . . . . . . 4. Der cour de France – ein cour des dames? . . . . . . . . . . . . 5. Adelige Amtsträgerinnen im Hofleben . . . . . . . . . . . . . . 6. Adelige Amtsträgerinnen als Akteurinnen im Kontext sozialer Nahbeziehungen und Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Amtsträgerinnen als parente . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Amtsträgerinnen als amie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3. Amtsträgerinnen als confidente und favorite . . . . . . . . 6.4. Amtsträgerinnen als ma„tresse du roi . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

199 199 211 225 242 254

. . . . .

261 274 300 317 333

VI. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

349

VII. Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Ungedruckte Quellen . . . 1.2. Gedruckte Quellen . . . . . 2. Literatur . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

355 355 355 357 358

VIII. Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

381

IX.

389

V.

. . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Danksagung

Die Idee zum Thema der vorliegenden Dissertation ist bereits während meines Studiums gereift. Dass sie tatsächlich als Forschungsvorhaben verwirklicht werden konnte, verdanke ich zu großen Teilen meinem Doktorvater, Prof. Dr. Ronald G. Asch, der mich als Doktorandin annahm und mein Projekt mit jeder nur wünschenswerten Unterstützung förderte. Einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung meines Promotionsvorhabens leistete auch das Graduiertenkolleg »Freund, Gönner, Getreue« durch die Bereitstellung ausgesprochen günstiger Rahmenbedingungen und die Gewährung eines Promotionsstipendiums durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Ebenso gebührt mein Dank der AlbertLudwigs-Universität Freiburg und dem Land Baden-Württemberg für die Unterstützung meiner Arbeit mit der Gewährung einer Abschlussfinanzierung nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz. Mein ausdrücklicher Dank gilt auch den Forschungseinrichtungen, Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die mir die Gelegenheit gaben, mein Projekt vorzustellen und zu diskutieren. Hervorheben möchte ich hierbei Prof. Dr. Christian Windler von der Universität Bern, der mich freundlicherweise in seine Doktorandenseminare aufnahm, und Prof. Dr. Claudia Opitz-Belakhal von der Universität Basel, die meine Arbeit als Zweitgutachterin bewertete. Während meiner Forschungsaufenthalte an unterschiedlichen Pariser Archiven hat mir vor allem Dr. Caroline zum Kolk vom Centre de Recherche du Ch–teau de Versailles unverzichtbare Hilfe geleistet, für die ich mich an dieser Stelle ebenfalls bedanke. Auch möchte ich den Mitstipendiaten und -stipendiatinnen des Graduiertenkollegs und den Doktoranden und Doktorandinnen des Historischen Instituts der Universität Bern meinen Dank für den regen Austausch und die vielen positiven Erfahrungen aussprechen. Insbesondere Jonathan Ahles und Julia Hübner haben mich durch ihre Freundschaft reich beschenkt und mir neue Horizonte eröffnet. Mein abschließender Dank gilt den Menschen, ohne die ich diesen Punkt meines Lebens nie erreicht hätte und die es auf sich genommen haben, mit mir

10

Danksagung

durch alle Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre zu gehen: meine Familie – Alexander, Maria, Artur, Rebecca, Valentina und Ruwen Schleuning – und meine Freundinnen – Ines Verena Arnold, Esmeray Ergel und Annette Hauck. Vor allem danke ich jedoch Benjamin Grünert, der mich zunächst als Kollege, dann als Freund und schließlich als Partner bei all meinen Vorhaben nach Kräften unterstützt hat und mit dem ich gemeinsam in dieser fordernden Zeit wachsen durfte. Ihm ist dieses Buch gewidmet.

I.

Einleitung

1.

Fragestellung, Untersuchungsgegenstand und Thesen

Adelige Frauen veränderten das Erscheinungsbild des frühneuzeitlichen Hofes nachhaltig. Durch die massive Integration in Hofämter wurden sie seit dem 16. Jahrhundert zu einem festen Bestandteil der Hofgesellschaft und einem bestimmenden Faktor des höfischen Lebens. Dennoch erfuhren sie als Akteurinnen des wichtigsten Macht- und Entscheidungszentrums des Ancien R¦gime von der geschichtswissenschaftlichen Forschung bisher wenig Beachtung. In Ermangelung grundlegender Studien existieren nur sehr heterogene Einschätzungen darüber, welche Bedeutung ihnen am frühneuzeitlichen Hof zukam und welche Macht- und Handlungsoptionen sich ihnen dort eröffneten. Entsprechend erscheint der Fürstenhof mal als ein zentraler Ort weiblicher Emanzipation, der Frauen »größere Macht als in irgendeiner anderen gesellschaftlichen Formation«1 bot und es ihnen ermöglichte, einen unentbehrlichen Beitrag zur Zivilisierung gesellschaftlicher Umgangsformen zu leisten2, mal als ein restriktives, patriarchalisches System, das ihnen – zu einer abhängigen und verhandelbaren Masse degradiert – weder sozialen, kulturellen noch machtpolitischen Einfluss gewährte3. 1 Elias, Nobert: Über den Prozeß der Zivilisation. 2 Bde. 17. Aufl. Frankfurt a. M. 1992, S. 410. Vgl. auch Davis, Natalie Zemon: Frauen, Politik und Macht, in: Geschichte der Frauen. Bd. 3: Frühe Neuzeit. Frankfurt a. M. 1994, S. 192, die die Ansicht vertritt, dass Monarchien und Fürstentümer Frauen mehr Handlungsmöglichkeiten boten als Städte und Republiken. 2 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Fr¦d¦rique: Le monde des courtisans. La haute noblesse et le c¦r¦monial royal aux XVIIe et XVIIIe siÀcles. 3 Bde. Diss. 2004 [Microfiche], S. 487; Solnon, JeanFranÅois: La Cour de France. Paris 1987, S. 23. Vgl. aber Opitz, Claudia: Zwischen Macht und Liebe. Frauen und Geschlechterbeziehungen in Norbert Elias’ Höfischer Gesellschaft, in: Zivilisierung des weiblichen Ich. Hrsg. v. Gabriele Klein und Katharina Liebsch. Frankfurt a. M. 1997, S. 77–99. 3 Vgl. Kroll, Renate: Zu Macht und Romantik der Frauen im Zeitalter Ludwigs XIV. Die Höfische Gesellschaft aus literatur- und genderwissenschaftlicher Perspektive, in: Höfische Gesellschaft und Zivilisationsprozess. Norbert Elias’ Werk in kulturwissenschaftlicher Perspektive. Hrsg. v. Claudia Opitz. Köln, Weimar, Wien 2005, S. 147, 158. Vgl. auch dies., Von der

12

Einleitung

Da beide Standpunkte eine unbefriedigend einseitige Haltung im Spannungsfeld zwischen standesabhängiger Erweiterung und geschlechtsbedingter Einschränkung weiblicher Handlungsspielräume einnehmen4, liegt der Fokus der vorliegenden Untersuchung darauf, die Positionen adeliger Frauen im höfischen Handlungsrahmen zu verorten, die sich ihnen dort bietenden Handlungsspielräume herauszuarbeiten und diese in Relation zu ihrer Geschlechtszugehörigkeit zu setzen. Dies kann nicht allgemeingültig für die Vielzahl der unterschiedlichen5 am Hof verkehrenden Frauen vorgenommen werden6. Daher beschränkt sich die vorliegende Studie auf höfische Amtsträgerinnen, die unter Ludwig XIV. (1661– 1715) am französischen Königshof ihren Dienst im Gefolge der weiblichen Angehörigen der Herrscherfamilie versahen7. Für diese Auswahl spricht, dass es sich hierbei um einen institutionell fest installierten und damit vergleichsweise eindeutig bestimmbaren weiblichen Personenkreis8 des ›engen‹ Hofes9 handelt, der mit der Auswahl der Hofstaaten der Königin, der Dauphine, Madames, der Duchesse de Bourgogne, der Duchesse de Berry und der Königskinder die ganze

4

5

6 7

8 9

Heerführerin zur Leidensheldin. Die Domestizierung der femme forte, in: Die Galerie der Starken Frauen. Regentinnen, Amazonen, Salondamen. Hrsg. v. Bettina Baumgärtel und Silvia Neysters. München 1995, S. 63, wonach im 17. Jahrhundert der absolutistische Hof, Klerus, Adel und Großbourgeoisie »im Geiste einer allgemeinen Disziplinierung« insbesondere der Frau zusammenwirkte. Vgl. auch Schraut, Sylvia: Frauen an den Höfen der Neuzeit. Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten, in: Frauen bei Hof. Hrsg. v. Otto Borst. Tübingen 1998 (Stuttgarter Symposion Schriftenreihe, 6), S. 17, wonach für die Untersuchung von adeligen Frauen am Hof berücksichtigt werden muss, dass eine »Diskrepanz zwischen beanspruchbaren Rechten und rechtlich ungesicherten Privilegien« bestand. Vgl. Norberg, Kathryn: Women of Versailles, 1682–1789, in: Servants of the Dynasty. Palace Women in World History. Hrsg. v. Anne Walthall. Berkeley, Los Angeles, London 2008, S. 192– 193. Vgl. auch Bojcov, Michail A.: »Das Frauenzimmer« oder »die Frau bei Hofe«?, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Stuttgart 2000 (Residenzenforschung, 11), S. 335, 337, für den es unzulänglich ist, von den »Frauen bei Hof« zu sprechen und sie darüber hinaus mit adeligen Frauen gleichzusetzen. Vielmehr seien an Fürstenhöfen, »eine bunte Palette ganz verschiedener sozialer Frauentypen« anzutreffen. Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 193, wonach Frauen wie Männer Zugang zum Hof hatten, sofern sie gut gekleidet waren. Adelige Frauen und Mädchen konnten folgende Hofämter bekleiden: chef du conseil et surintendante de la maison, dame d’honneur, dame d’atour, dame du palais/dame pour accompagner, gouvernante des filles d’honneur, sous-gouvernante des filles d’honneur, fille d’honneur, gouvernante des enfants de France und sous-gouvernante des enfants de France. Vgl. Chatenet, Monique: Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Stuttgart 2000 (Residenzenforschung, 11), S. 176. Vgl. Selzer, Stephan/Ewert, Ulf Christian: Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, in: Ordnungsformen des Hofes. Ergebnisse eines Forschungskolloquiums der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Hrsg. v. dens. Kiel 1997 (Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Sonderheft 2), S. 12.

Fragestellung, Untersuchungsgegenstand und Thesen

13

Regierungszeit Ludwigs XIV. abdeckt und es ermöglicht, längerfristige Entwicklungen zu berücksichtigen und Vergleiche anzustellen. Des Weiteren kann damit einer der wichtigsten Herrscherhöfe der Frühen Neuzeit untersucht werden, der eine bisher noch nicht vorliegende systematische Erforschung in besonderem Maße vielversprechend erscheinen lässt, da er in seinen strukturellen Gegebenheiten eine besondere Stellung innerhalb der europäischen Hoflandschaft der Zeit einnahm. Im Gegensatz zu Höfen des »habsburgischen Modells« unterlag er keiner strikten Trennung der weiblichen und männlichen Sphäre – was sich u. a. in der fehlenden Abgrenzung des Frauenzimmers manifestierte10 – und wies auch im Hinblick auf den Aufbau der Hofstaaten der famille royale sowie die Anzahl und den Familienstand adeliger Amtsträgerinnen eine andere Struktur auf, die sich auf die Wirkungsmöglichkeiten höfischer Frauen ausgewirkt haben könnte11. Anhand des genannten Samples wird in der vorliegenden Arbeit eine Argumentationslinie entwickelt, die auf der zentralen These basiert, dass der französische Königshof ein Ort war, der durch die Verbindung spezifischer »facteurs et acteurs«12 adeligen Amtsträgerinnen einen eigenen »Macht-, Handlungs- und Entscheidungs- sowie Kommunikationsraum«13 bot mit weitgehenden Möglichkeiten für eigenständiges Agieren14, und zwar sowohl wegen als auch ungeachtet und trotz ihrer Geschlechtszugehörigkeit. Dass ›Frau-Sein‹ am Hof ein Vorteil war, ergab sich in der Frühen Neuzeit aus zweierlei Gründen: Zum einen durch die adelige Prägung des höfischen Raumes, der anders als beispielsweise das akademische Umfeld der Universitäten Frauen

10 Vgl. Keller, Katrin: Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts. Wien, Köln und Weimar 2005, S. 28. 11 Vgl. ebd., S. 20. 12 Aymard, Maurice/Romani, Marzio A.: La cour comme institution ¦conomique, in: La cour comme institution ¦conomique. Hrsg. v. dens. Paris 1998, S. 8. 13 Haefs, Wilhelm/Zaunstöck, Holger : Hof, Geschlecht und Kultur – Luise von Anhalt-Dessau und die Fürstinnen ihrer Zeit. Ein Forschungsaufriß, in: Das achtzehnte Jahrhundert. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts 28/ 2 (2004): Hof – Geschlecht – Kultur. Luise von Anhalt-Dessau (1750–1811) und die Fürstinnen ihrer Zeit. Zusammengestellt von dens. Hrsg. v. Carsten Zelle, S. 161. Zur Debatte über Macht und Geschlechtszugehörigkeit in der Geschichtswissenschaft vgl. Paletschek, Sylvia: Einleitung, in: Geschlecht. Macht. Arbeit. Kategorien in der historischen Frauenforschung. Hrsg. v. »Frauen & Geschichte Baden-Württemberg«. Tübingen 1995 (Frauenstudien Baden-Württemberg, 8), S. 7–22, die insbesondere auf die Probleme der Begriffsdefinition von Macht hinsichtlich ihrer Geschlechtsdimension verweist (ebd., S. 19–22). 14 Dieses Verständnis von Handlungsoptionen lehnt sich an die Handlungsspielraumdefinition der internationalen Tagung »Handlungsspielräume von Frauen um 1800« an. Vgl. Frindte, Julia/Westphal, Siegfrid: Handlungsspielräume von Frauen um 1800, in: Handlungsspielräume von Frauen um 1800. Hrsg. v. dens. Heidelberg 2005 (Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800. Ästhetische Forschungen, 10), S. 8.

14

Einleitung

nicht gänzlich ausschloss15, sondern ihnen ganz im Gegenteil mit der Rolle der ›Hofdame‹ eine zentrale ›zivilisatorische‹ Rolle inmitten der höfischen Geselligkeit zuwies. Zum anderen durch die zahlreichen, eigens ihrem Geschlecht vorbehaltenen, hochrangigen und prestigeträchtigen Hofämter, die adelige Frauen mit einer institutionalisierten Position ausstatteten, die die dauerhafte Präsenz am Hof und damit »am Marktplatz aller Vorteile«16 gewährleistete. Da der französische Königshof darüber hinaus keine strikte Trennung des höfischen Raums in eine weibliche und eine männliche Sphäre kannte17, eröffnete er ihnen zudem eine privilegierte Möglichkeit, sich jenseits von Geschlechtergrenzen an der dortigen Interaktion zu beteiligen, sich über die Befolgung höfischer Handlungslogiken Zugang zu innerhöfischen Netzwerken zu verschaffen und an den sich dort abspielenden Aushandlungsprozessen teilzunehmen. Da am frühneuzeitlichen Herrscherhof weder politische noch personale Entscheidungen allein im Rahmen formaler Verfahren fielen18, sondern in starkem Maße von Zugangs- und damit Einflussmöglichkeiten auf den Fürsten bestimmt wurden19, brachte eine Hofcharge Amtsträgerinnen in unmittelbare Nähe zu der Quelle für die Vergabe von Macht- und Prestigechancen und erhob sie zu privilegierten Akteurinnen im höfischen Konkurrenzkampf um Chargen, Pensionen und andere Gunsterweise. Als solche standen sie ihren männlichen Standes- und Amtsgenossen in der Beteiligung an Aushandlungs- und Entscheidungsfindungsprozessen und dem darüber ausgeübten kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Einfluss in nichts nach. Was Frauen am Hof aber besonders begünstigte und ihn für sie zu einem Ort mit vielfältigen Handlungsmöglichkeiten machte, war nicht per se die Zuge15 Vgl. Mommertz, Monika: Geschlecht als »tracer«: Das Konzept der Funktionenteilung als Perspektive für die Arbeit mit Geschlecht als analytischer Kategorie in der frühneuzeitlichen Wissenschaftsgeschichte, in: Nonne, Königin und Kurtisane. Wissen, Bildung und Gelehrsamkeit von Frauen in der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Michaela Hohlkamp und Gabriele Jancke. Berlin 2004, S. 23, die darauf hinweist, dass »weibliche Geschlechtszugehörigkeit […] in der Frühen Neuzeit in den allermeisten institutionellen Zusammenhängen der Wissenschaften tatsächlich ein verhältnismäßig kohärentes Ausschlusskriterium darstellte, mithin Ausbildungs- und Forschungsmöglichkeiten vielfach vollständig verstellte.« Gleichzeitig zeigt sie auf, wie Geschlecht selbst in diesem Bereich als ›Spur‹ verwendet werden kann, um Wissenschaften in der Frühen Neuzeit zu untersuchen (ebd., S. 21). 16 Horowski, Leonhard: »Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?« Eine prosopographische Studie der Obersten Chargen am Hof von Versailles, in: Mitteilungen der Residenzenkommission 11/1 (2001), S. 52. 17 Primi Visconti sprach als ausländischer Beobachter von einer »vraie confusion d’hommes et de femmes« (Primi Visconti, Jean-Baptiste: M¦moires sur la cour de Louis XIV. 1673–1681. Introduction et notes de Jean-FranÅois Solnon. Paris 1988, S. 141). 18 Vgl. Duindam, Jeroen: Vienna and Versailles. The Courts of Europe’s Dynastic Rivals, 1550– 1780. Cambridge 2003, S. 313. 19 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 42, der auf die Bedeutung des regelmäßigen Kontakts hoher höfischer Amtsträger mit dem König verweist.

Fragestellung, Untersuchungsgegenstand und Thesen

15

hörigkeit zum weiblichen Geschlecht und eine daraus hervorgehende Bevorzugung. Vielmehr resultierte das breite Handlungsspektrum adeliger Amtsträgerinnen vor allem aus einer Nichtbenachteiligung aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit20. Gerade weil Geschlecht in der höfischen Interaktion eine vergleichsweise geringe Bedeutung zukam, eröffneten sich Frauen dort weitreichende Handlungsoptionen und damit größere Macht als in irgendeiner anderen gesellschaftlichen Formation. Um dies jedoch sichtbar zu machen, dürfen adelige Amtsträgerinnen nicht allein auf einer institutionellen Ebene verortet, sondern müssen vor allem in der sozialen Interaktion am Hof betrachtet werden. Erst die Betrachtung adeliger Amtsträgerinnen in ihren jeweiligen sozialen Nahbeziehungen und der darin wahrgenommenen Rollen legen die weitgehenden Handlungsspielräume offen, innerhalb derer sie sich am Hof bewegen konnten. Während das höfische Zeremoniell ein sehr starres Bild höfischer Geschlechtersphären zeichnet – weshalb es in der vorliegenden Untersuchung auch nicht eigens behandelt wird –, vermitteln soziale Nahbeziehungen eine weitaus flexiblere Vorstellung der Handlungsspielräume adeliger Frauen im höfischen Kontext und der Relevanz ihrer Geschlechtszugehörigkeit. Wie groß ihre jeweiligen Handlungsspielräume waren, wurde dabei in starkem Maße davon beeinflusst, welche Möglichkeiten ihnen ihr sozialer Stand, ihr jeweiliges Hofamt, die spezifischen strukturellen Gegebenheiten und Handlungslogiken des französischen Königshofes sowie ihre jeweilige Persönlichkeit und Ambition eröffneten. Gleichzeitig waren es aber gerade Stand, Amt und Gunst, die in der sozialen Interaktion häufig als handlungsbeeinflussende Kategorien das Geschlecht in den Hintergrund rückten und damit gewissermaßen ›relativierten‹. Bezeichnenderweise erwiesen sich selbst die ihrem Geschlecht geschuldeten Einschränkungen in mancher Hinsicht nur vordergründig als Nachteile. So blieben adelige Frauen im Gegensatz zu ihren männlichen Standesgenossen zwar von außerhöfischen Karrierewegen weitgehend ausgeschlossen, was aber in der Konsequenz bedeutete, dass sie sich nicht immer wieder für administrative, militärische und diplomatische Aktivitäten vom Hof entfernen mussten. Stattdessen konnten sie dort durchgehend verbleiben und dabei die familiären Verbindungen zum höfischen Machtzentrum weiter aufrechterhalten und die 20 Diese These wird unterstützt durch die Erkenntnisse der geschichtswissenschaftlichen Forschung, wonach sich im Geschlecht in vormodernen Gesellschaften Europas »nicht die umfassend gesellschaftsstrukturierende Wirkung entfaltete wie im bürgerlichen Zeitalter. Denn in partikularen Gesellschaften wie der Frühen Neuzeit bestimmten ständische Zuordnungen die Lebensperspektiven der Menschen ganz wesentlich« (Hohkamp, Michaela: Im Gestrüpp der Kategorien. Zum Gebrauch von »Geschlecht« in der Frühen Neuzeit, in: Die Macht der Kategorien. Perspektiven historischer Geschlechterforschung. Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 2/2 (2002), S. 6–7).

16

Einleitung

Teilnahme am innerhöfischen Konkurrenzkampf um Gunst, Ämter und Pensionen fortsetzen. Eingebettet in verschiedenste mehr oder weniger dauerhafte soziale Nahbeziehungen agierten sie dabei sowohl im eigenen Interesse als auch für Dritte. Somit profitierten von ihrem jeweiligen Hofamt letztlich nicht nur die Frauen selbst – beispielsweise durch die damit verbundene Vergütung und Prestige –, sondern auch ihr jeweiliges soziales Umfeld und insbesondere die adeligen Häuser, denen sie durch Geburt und/oder Eheschließung verbunden waren. Angesichts der Bedeutung, die der Königshof für den französischen Adel als zentrale Vergabestelle von Vorteilen erlangt hatte, war die dauerhafte Anbindung zum höfischen Machtzentrum, wie sie Amtsträgerinnen gewährleisteten, von großem Wert. Zwar konnten nur Männer als Stammhalter die Kontinuität eines adeligen Hauses aufrechterhalten, doch leisteten Frauen als Amtsträgerinnen zur Erlangung und Stabilisierung des Status und der Macht desselben und zu ihrer dauerhaften Verwurzelung am Hof ebenfalls einen erheblichen Beitrag, so beispielsweise durch Aufbau und Pflege von Freundschafts- und Patronagebeziehungen und die Etablierung einer regelrechten noblesse de service21. In Anbetracht der Tatsache, dass weibliche Posten am Hof eine exklusivere Domäne des Hochadels darstellten als männliche22, kann auch vermutet werden, dass sie von erheblicher Bedeutung für das Selbstverständnis der noblesse d’¦p¦e insbesondere im Verhältnis zur noblesse de robe waren23. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint es möglich, durch die skizzierte Untersuchung adeliger Amtsträgerinnen sowohl zu einem umfassenderen Verständnis des frühneuzeitlichen Hofs und Adels beizutragen als auch die epistemologische Relevanz der Analysekategorie ›Geschlecht‹ für die Vormoderne zu ermessen und somit einen erheblichen Beitrag zur Politik-, Sozial- und Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit zu leisten.

2.

Forschungsstand

Das vorliegende Projekt wird an der Schnittstelle zwischen geschichtswissenschaftlicher Hof-, Adels- und Geschlechterforschung verortet. Für den frühneuzeitlichen Hof greift es auf eine Forschungstradition zurück, die sich, angeregt durch die Veröffentlichungen des Soziologen Norbert Elias seit den 21 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 45. 22 Vgl. ebd., S. 47. 23 Der ›alte‹ und der ›neue‹ Adel müssen dabei jedoch nicht nur als höfische, sondern auch als städtische Eliten thematisiert werden, zu deren Annäherung und Verflechtung Frauen am Hof und in Paris einen wichtigen Beitrag leisteten. Vgl. zur Zusammenarbeit zwischen Schwert- und Amtsadel ebd., S. 43, und für den Adel als städtische Elite Marraud, Mathieu: La noblesse de Paris au XVIIIe siÀcle. Paris 2000.

Forschungsstand

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1970er Jahren, zunächst anthropologischen und sozialhistorischen Interpretationsansätzen sowie Typologisierungen widmete24, sich dann aber zunehmend kulturhistorischer Aspekte, insbesondere der höfischen Repräsentation in Fest25 und Zeremoniell26, annahm, um sich in jüngster Zeit empirischer Grundlagenforschung der sozialen Binnenstruktur des Hofes zuzuwenden27. Zum Verdienst der neueren Hofforschung gehört es, einen interdisziplinären und transnationalen Blick auf den frühneuzeitlichen Hof gerichtet und diesen, in Abgrenzung zu den monolithischen Konzepten der Anfangsjahre, als komplexes, vielseitiges und polyzentrisches Herrschafts- und Sozialgebilde sichtbar gemacht zu haben28. Ungeachtet des breiten Spektrums behandelter Themen wies die neuere Hofforschung dennoch aus gendergeschichtlicher Perspektive erhebliche Defizite und bisweilen auch ein mangelndes Problembewusstsein auf29. Erst der historischen Frauen- und Geschlechterforschung ist es zu verdanken30, dass seit den 1990er Jahren neben Biographien immer mehr Studien zu einzelnen exponierten Akteurinnen des frühneuzeitlichen Hofes wie Königinnen31, Regentin24 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 9. 25 Vgl. z. B. Braun, Rudolf/Gugerli, David: Macht des Tanzes – Tanz der Mächtigen. Hoffeste und Herrschaftszeremoniell 1550–1914. München 1993; Schnitzer, Claudia: Höfische Maskeraden. Funktion und Ausstattung von Verkleidungsdivertissements an deutschen Höfen der Frühen Neuzeit. Tübingen 1999. 26 Vgl. z. B. Berns, Jörg Jochen/Rahn, Thomas: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Tübingen 1995; Vec, Milos: Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat. Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation. Frankfurt a. M. 1998 (Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte, 106). 27 Vgl. z. B. Laverny, Sophie de: Les domestiques commensaux du roi de France au XVIIe siÀcle. Paris 2002; Malettke, Klaus/Grell, Chantal (Hg.): Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jahrhundert). Münster 2001 (Forschungen zur Geschichte der Neuzeit, 1). 28 Vgl. z. B. Adamson, John: The princely courts of Europe. Ritual, Politics and Culture under the Ancien R¦gime 1500–1750. London 1999; Asch, Ronald/Birke, Adolf M. (Hg.): Princes, patronage and the nobilities. The court at the beginning of the modern age 1450–1650. London 1991. Besonders hervorzuheben sind die Veröffentlichungen der Göttinger Residenzen-Kommission zu zahlreichen Aspekten des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hofes. 29 Vgl. Adamson, The princely courts; Müller, Rainer A.: Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit. München 2004 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 33). 30 Vgl. für einen Überblick über die historische Geschlechterforschung Opitz-Belakhal, Claudia: Geschlechtergeschichte. Frankfurt a. M. 2010 (Historische Einführungen, 8), und für eine Erörterung der Bedeutung der Kategorie Geschlecht für die Geschichtswissenschaft dies.: Gender – eine unverzichtbare Kategorie der historischen Analyse. Zur Rezeption von Joan W. Scotts Studien in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in: Gender, die Tücken einer Kategorie. Joan W. Scott, Geschichte und Politik. Zürich 2001, S. 95–115. 31 Vgl. Campbell Orr, Clarissa (Hg.): Queenship in Britain 1660–1837. Royal patronage, court culture and dynastic politics. Manchester, New York 2002; Cosandey, Fanny : La reine de France. Symbol et pouvoir. Paris 2000; Schulte, Regina (Hg.): Der Körper der Königin. Ge-

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nen32 und Mätressen33 entstanden, deren Untersuchungsschwerpunkt meist auf weiblicher Teilhabe an Macht und Herrschaft lag und sich erst in den letzten Jahren zunehmend hin zur Bedeutung von Kulturtransfer34 und sozialen Nahbeziehungen verlagerte35. Dennoch fehlt es auch weiterhin an einer systematischen Analyse des Hofes aus gendergeschichtlicher Perspektive, wenngleich die Notwendigkeit der Einbeziehung von Frauen für ein ganzheitliches Bild des frühneuzeitlichen Hofes erkannt wurde36 und bereits erste Studien37 und Tagungen38 angeregt hat. Besonders hervorzuheben sind dabei die Arbeiten von Katrin Keller

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schlecht und Herrschaft in der höfischen Welt. Frankfurt a. M., New York 2002; Henzler, Christine Juliane: Die Frauen Karls VII. und Ludwigs XI. Rolle und Position der Königinnen und Mätressen am französischen Hof (1422–1483). Köln, Weimar, Wien 2012 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, Heft 71). Vgl. Puppel, Pauline: Die Regentin. Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500–1700. Frankfurt a. M., New York 2004 (Geschichte und Geschlechter, 43). Vgl. Oßwald-Bargende, Sybille: Die Mätresse, der Fürst und die Macht. Christina Wilhelmina von Grävenitz und die höfische Gesellschaft. Frankfurt a. M., New York 2000; Dade, Eva Kathrin: Madame de Pompadour. Die Mätresse und die Diplomatie. Köln, Weimar, Wien 2010 (Externa, 2). Vgl. Stedman, Gesa (Hg.): Höfe – Salons – Akademien. Kulturtransfer und Gender im Europa der frühen Neuzeit. Hildesheim, Zürich [u. a.] 2007; Opitz, Claudia/Nolde, Dorothea (Hg.): Grenzüberschreitende Familienbeziehungen. Akteure und Medien des Kulturtransfers in der Frühen Neuzeit. Köln, Weimar, Wien 2008; Calvi, Guilia/Chabot, Isabelle (Hg.): Moving elites. Women and cultural transfer in the European court system. San Domeninco di Fiesole 2010. Vgl. Marshall, Rosalind K.: Queen Mary’s Women. Female relatives, servants, friends and enemies of Mary, Queen of Scots. Edinburgh 2006; Labouvie, Eva/Myrrhe, Ramona (Hg.): Familienbande – Familienschande. Geschlechterverhältnisse in Familie und Verwandtschaft. Köln [u. a.] 2007; Labouvie, Eva (Hg.): Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte weiblicher Kommunikation. Köln, Weimar, Wien 2009. Vgl. Campbell Orr, Clarissa: Introduction. Court studies, gender and women’s history, 1660– 1837, in: Queenship in Britain 1660–1837. Royal patronage, court culture and dynastic politics. Hrsg. v. ders. Manchester, New York 2002, S. 32; Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 235; Paravicini, Werner : Auf der Suche nach einem Hofmodell. Zusammenfassung, in: Ordnungsformen des Hofes. Hrsg. v. Ulf Christian Ewert und Stephan Selzer. Kiel 1997 (Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Sonderheft 2), S. 124–125. Vgl. auch Opitz, Zwischen Macht und Liebe; Hufton, Olwen: Reflections on the role of women in the early modern court, in: The court historian 5 (2000), S. 1–13. Vgl. z. B. Borst, Otto (Hg.): Frauen bei Hof. Tübingen 1998 (Stuttgarter Symposion Schriftenreihe, 6); Hirschbiegel, Jan/Paravicini, Werner (Hg.): Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Stuttgart 2000 (Residenzenforschung, 11); Walthall, Anne (Hg.): Servants oft he dynasty. Palace women in world history. Berkeley 2008; Akkerman, Nadine/Houben, Birgit (Hg.): The politics of female households. Ladies in waiting across early modern Europ. Leiden 2014. Vgl. z. B. den internationalen Kongress »Der Hof. Ort kulturellen Handelns von Frauen in der Frühen Neuzeit«, der vom Forschungszentrum »Musik und Gender« in Kooperation mit der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 31. Mai bis 2. Juni 2010 in Wolfenbüttel ausgerichtet worden ist.

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über Amtsträgerinnen am Wiener Hof des 17. Jahrhunderts39 und Britta Kägler über Hofdamen am Münchener Hof des 17. und 18. Jahrhunderts40, die erstmals fundierte Aussagen über höfische Frauen jenseits ihrer ›großen Schwestern‹ zulassen. Zwar markieren diese Studien den Beginn einer tiefer gehenden Auseinandersetzung mit Frauen am Hof, doch wird vor ihrem Hintergrund die Notwendigkeit einer systematischen gendergeschichtlichen Grundlagenforschung für frühneuzeitliche Höfe41 über das Einzelschicksal und die eingeschränkte Sichtweise der Mythen und Klischees der Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts hinaus umso deutlicher42. Dies gilt in besonderem Maße für den Hof der Bourbonen, der – trotz seiner zentralen Stellung im frühneuzeitlichen Frankreich und seiner nicht zuletzt durch Elias erlangten Prominenz – bis zum Ende des 20. Jahrhunderts noch weitgehend ›unbekanntes Land‹ war und die Rolle höfischer Frauen hinter einer Ansammlung oberflächlicher und irreführender Legenden sowie immer wieder reproduzierter Anekdoten verbarg43. Erst die Forschung der letzten Jahre44 greift über den biographischen Ansatz45 und die 39 Vgl. Keller, Hofdamen. Vgl. auch dies.: Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts: Amtsinhabe und Netzwerke am Wiener Hof, in: zeitenblicke 4/3 (2005), Absatz 1– 33. 40 Vgl. Kägler, Britta: Frauen am Münchener Hof (1651–1756). Kallmünz 2011 (Münchner Historische Studien, Abteilung Bayerische Geschichte, 18). Das Besondere an Käglers Arbeit ist, dass sie nicht nur Amtsträgerinnen in den Blick nimmt, sondern auch andere weibliche Gruppierungen am Hof, wie die Prinzessinnen, Kurfürstinnen und Mätressen. Damit versucht sie der Tatsache gerecht zu werden, dass ›Frauen am Hof‹ keine einheitliche soziale Gruppierung waren. Auch nimmt sie die Verbindungen zwischen diesen unterschiedlichen Gruppierungen in den Blick, was mir auch sehr fruchtbar erscheint. Vgl. auch dies.: Rückzugsort oder Anlaufstelle? Das ›Frauenzimmer‹ als Institution und Handlungsraum am Münchner Hof der Frühen Neuzeit, in: discussions 5 (2010), Absatz 1–26. 41 Diese Feststellung Becker-Cantarinos kann noch immer Gültigkeit beanspruchen. Vgl. dies.: Einleitung, in: Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert. Hrsg. v. August Buck [u. a.]. Bd. III: Referate der Sektion 6 bis 10. Hamburg 1981 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 10), S. 441–446. 42 Vgl. Farge, Arlette/Davis, Natalie Zemon: Einleitung, in: Geschichte der Frauen. Hrsg. v. Georges Duby und Michelle Perrot. Bd. 3: Frühe Neuzeit. Hrsg. v. dens. Frankfurt a. M. 1997, S. 15–16. 43 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 191; Weisbrod, Andrea: Von Macht und Mythos der Pompadour. Die Mätresse im politischen Gefüge des französischen Absolutismus. Königstein/Taunus 2000, S. 19. 44 Für einen Überblick der französischen Forschung vgl. Grell, Chantal: La monarchie franÅaise et l’histoire au XVIIe siÀcle. Etat des recherches en France, in: Les princes et l’histoire du XIVe au XVIIIe siÀcle. Hrsg. v. ders., Werner Paravicini und Jürgen Voss. Bonn 1998 (Pariser historische Studien, 47), S. 535–554; dies.: Les historiens franÅais, la noblesse et la cour de France (1650–1789) – bilan des recherches, in: Hofkultur und aufgeklärte Öffentlichkeit. Potsdam im 18. Jahrhundert im europäischen Kontext. Hrsg. v. Günther Lottes und Iwan D’Aprile. Berlin 2006, S. 103–119. 45 Vgl. Chaussinand-Nogaret, Guy : La vie quotidienne des femmes du roi. D’AgnÀs Sorel — Marie-Antoinette. Paris 1990; BertiÀre, Simone: Les reines de France au temps des bourbons.

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grundlegenden Überblickswerke Jean-FranÅois Solnons46 hinaus und bezieht – wenn auch nicht erschöpfend und systematisch – Frauen des Hofadels und der famille royale in ihre Untersuchungen mit ein47, was angesichts aktueller Forschungsprojekte und Promotionsvorhaben eine dauerhafte Trendwende einzuleiten verspricht48. Auch erschienen erste Beiträge zu Hofdamen am cour de France49, unter denen insbesondere die Aufsätze von Sharon Kettering50 und Kathryn Norberg51 hervorzuheben sind, wobei Letztere sich erstmals explizit »gender patterns«52 im Hofleben zuwendet. Da über diese ersten Ansätze hinaus noch immer wenig über Amtsträgerinnen bekannt ist, sind angesichts der spezifischen Fragestellung der vorliegenden Arbeit vor allem neuere Studien zu Haushalten und Amtsinhabern am französischen Königshof des 17. und 18. Jahrhunderts von besonderem Wert53. Dabei

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Bd. 2: Les femmes du roi-soleil. Paris 1998; dies.: Les reines de France au temps des bourbons. Bd. 3: La reine et la favorite. Paris 2000. Vgl. Solnon, La Cour de France; ders.: Histoire de Versailles. Paris 2003. Für einen kurzen Überblick vgl. auch Chaline, Olivier : The kingsdoms of France and Navarre. The Valois and Bourbon courts c. 1515–1750, in: The princely courts of Europe. Ritual, Politics and Culture under the Ancien R¦gime 1500–1750. Hrsg. v. John Adamson. London 1999, S. 67–93. Vgl. Le Roy Ladurie, Emanuel/Fitou, Jean-FranÅois: Saint-Simon, ou le systÀme de la Cour. Paris 1997; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans; Newton, William R.: La petite cour. Service et serviteurs — la Cour de Versailles au XVIIIe siÀcle. Paris 2006. In diesem Zusammenhang sei zum einen auf das Berner Projekt von PD Dr. Hillard von Thiessen und Prof. Dr. Christian Windler zu »Weibliche Diplomatie? Frauen als aussenpolitische Akteurinnen (18. Jahrhundert)« sowie die damit verbundenen Promotionsvorhaben verwiesen, zum anderen auf das von Dr. Caroline zum Kolk betreute Forschungsprojekt »Cour de France« am Centre de Recherche du ch–teau de Versailles. Vgl. dazu dies.: Cour-deFrance.fr. Ein Internetprojekt zum französischen Hof, in: Mitteilungen der ResidenzenKommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 18/2 (2008), S. 11–21. Vgl. Munster, Anna Manis: Functionen des dames et damoiselles d’honneur im Gefolge französischer Königinnen und Herzoginnen (14.–15. Jh.), in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Stuttgart 2000, S. 336–354; Norberg, Women of Versailles, S. 191–214. Vgl. Kettering, Sharon: The household service of early modern french noblewomen, in: French Historical Studies 20/1 (1997), S. 55–85. In diesem Aufsatz behandelt Kettering die höfischen Karrieren von 19 adeligen Frauen, die »ladies-in-waiting, governesses, and ladies’ maids in great court households« waren, wobei sie folgende Fragen erörtert: Wieso übernahmen sie diese Hofposten? Wie gelangten sie in den Dienst? Wieso wurden sie vorangebracht? Wie profitierten sie davon? Wieso quittierten sie den Dienst? Und wie unterschieden sich ihre Haushaltskarrieren von denen adeliger Männer und nichtadeligem Dienstpersonals? Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 191–214. Vgl. ebd., S. 192, wonach es ihr Ziel ist, für die Zeit zwischen 1682 und 1789 »to determine how a woman’s sex dictated her life chances within the great palace and how sex was in turn used by the monarch to extend his dominion over the court.« Vgl. Kleinman, Ruth: Social Dynamics and the French Court. The Household of Anne of Austria, in: French Historical Studies 16 (1990), S. 517–535; Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 32–53; ders., Die Belagerung des Thrones. Machtstrukturen und Karrieremechanismen am Hof von Frankreich 1661–1789. Ostfildern

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berücksichtigt vor allem Leonhard Horowski in seinen Untersuchungen adelige Frauen in Hofämtern, deren Einbeziehung seiner Ansicht nach für das Verständnis des französischen Königshofs und Hofadels unerlässlich ist54. Da ein Schwerpunkt seiner Studien auf höfischen Karrierestrategien adeliger Familien liegt, vermitteln seine Ausführungen auch einen tiefen Einblick in verwandtschaftliche Beziehungen innerhalb des französischen Adels. Gleichzeitig entsprechen sie einem Trend hin zu einer offenen und dezentrierenden Perspektive auf Familie und Verwandtschaft55, wie er in der geschichtswissenschaftlichen Forschung der letzten Jahre verzeichnet werden kann, deren anhaltendes Interesse an sozialen Nahbeziehungen im Allgemeinen sich nicht zuletzt in interdisziplinär angelegten Forschungsvorhaben und -publikationen dokumentiert56. Für den französischen Adel erwiesen sich des Weiteren die Arbeiten von Sharon Kettering als richtungsweisend57, die einen erheblichen Beitrag zur Pa-

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2012 (Beihefte der Francia, 74); Laverny, Les domestiques commensaux; Duindam, Vienna and Versailles; Kolk, Caroline zum: Catherine de M¦dicis et sa maison. La function politique de l’hútel de la reine au XVIe siÀcle [maschinenschriftliche Ausgabe]. Paris 2006; Newton, La petite cour. So verweist Horowski, Leonhard: ›Such a great advantage for my son‹: office-holding and career mechanisms at the court of France, 1661 to 1789, in: The Court Historian 8/2 (2003), S. 131, darauf, dass »far beyond the influence of mistresses, the role of women was essential in the court politics of Versailles«. Ein Hinweis darauf findet sich auch in aktuellen Tagungen, wie »Tanten, Nichten, Schwestern und Cousinen/Onkel, Neffen, Brüder und Cousins: Beiträge zu politischen, ökonomischen und kulturellen Dimensionen von Verwandtschaft im frühneuzeitlichen Europa betrachtet aus transkultureller Perspektive«, die vom 10. bis 11. November 2006 an der Freie Universität Berlin, stattgefunden hat. Vgl. aber auch Arbeiten, wie die von Ruppel, Sophie: Verbündete Rivalen. Geschwisterbeziehungen im Hochadel des 17. Jahrhunderts. Köln, Weimar, Wien 2006; Lett, Didier : Histoire de frÀres et sœurs. Paris 2004. Als Beispiel hierfür kann das DFG-geförderte Graduiertenkolleg 1288 »Freunde, Gönner, Getreue. Praxis und Semantik von Freundschaft und Patronage in historischer, anthropologischer und kulturvergleichender Perspektive« angeführt werden, das seit 2006 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg besteht und zur Zielsetzung hat, persönliche den Familien- und Verwandtschaftskontext überschreitende Nahbeziehungen in unterschiedlichen Zeiten und Kulturen disziplinübergreifend zu untersuchen. Für einen ersten Überblick über die in diesem Zusammenhang bearbeiteten Projekte und gewonnenen Erkenntnisse vgl. Descharmes, Bernadette/Heuser, Eric Anton/Krüger, Caroline/Loy, Thomas (Hg.): Varieties of friendship. Interdisciplinary perspectives on social relationships. Göttingen 2011. Vgl. aber auch Schmidt, Johannes F. K./Guichard, Martine/Schuster, Peter/Trillmich, Fritz (Hg.): Freundschaft und Verwandtschaft. Zur Theorie zweier Beziehungssysteme, in: Freundschaft und Verwandtschaft. Zur Unterscheidung und Verflechtung zweier Beziehungssysteme. Konstanz 2007. Vgl. Kettering, Sharon: Brokerage at the Court of Louis XIV., in: Historical Journal 36 (1993), S. 69–131; dies.: The household service of early modern french noblewomen, in: French Historical Studies 20 (1997), S. 55–85; dies.: Patronage in sixteenth- and seventeenth-century France. Aldershot 2002; dies.: Household appointments and dismissals at the court of Louis XIII, in: French History 21 (2007), S. 269–288. Vgl. auch dies.: Power and reputation at the court of Louis XIII. The career of Charles l’Albert, duc de Luynes (1578–1621). Manchester 2008 (Studies in early modern European history).

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tronageforschung der Frühen Neuzeit erbracht hat. Wie auch Roland Mousnier58 und Roger Mettam59 hat sie für Frankreich dazu beigetragen, aufzuzeigen, dass innerhalb der adeligen Gesellschaft Patron-Klient-Beziehungen eine der vorherrschenden persönlichen Nahbeziehungen60 und eine essentielle Basis zur Sicherung von Macht waren61. Damit reiht sich die historische Patronageforschung zu Frankreich62 in die gesamteuropäische ein63, deren besondere Leistung u. a. darin liegt, aufgezeigt zu haben, dass es sich bei Patronage und Klientel um zwei zentrale Phänomene des frühneuzeitlichen Europa handelt, die Basiselemente des sozialen, politischen, wirtschaftlichen sowie kulturellen Lebens darstellen64. Diese wiederum können nicht losgelöst von frühneuzeitlichen Institutionen betrachtet werden, da sie in »den großen Monarchien Westeuropas […] eine erhebliche Rolle als Mittel der Stabilisierung und des Ausbaus der monarchischen Herrschaft«65 bildeten, die auch im Staatsbildungsprozess nicht an Bedeutung verloren66. Auch zählt es zu den Verdiensten der historischen Patronageforschung, aufgezeigt zu haben, dass der Königshof als zentraler Umschlagplatz von »grants, privilegs, and offices«67 sukzessive an Bedeutung gewann und damit zum Knotenpunkt verschiedener Patronage- und Klientelnetze wurde und »bis ins 19. Jahrhundert der Patronagemarkt Alteuropas 58 Vgl. Mousnier, Roland: Les fid¦lit¦s et les clientÀles en France au XVIe, XVIIe, et XVIIIe siÀcles, in: Histoire sociale 15 (1982), S. 35–46. 59 Vgl. Mettam, Roger : Power and Faction in Louis XIV’s France. Oxford 1988. 60 Vgl. Kettering, Sharon: Patronage in early modern France, in: French Historical Studies 17/4 (1992), S. 841. 61 Vgl. Grell, Les historiens franÅais, la noblesse et la cour de France, S. 107. 62 Für einen aktuellen und ausführlichen Überblick der Position der Patronageforschung zu Frankreich vgl. Haddad, Elie: Noble Clienteles in France in the sixteenth and seventeenth centuries. A historiographical approach, in: French History 20 (2006), S. 75–109. 63 Für einen Überblick über die geschichtswissenschaftliche Patronageforschung mit besonderem Bezug auf den Staatsbildungsprozess vgl. Emich, Birgit/Reinhardt, Nicole, Thiessen, Hillard von, Wieland, Christian: Stand und Perspektiven der Patronageforschung. Zugleich eine Antwort auf Heiko Droste, in: Zeitschrift für historische Forschung 32 (2005), S. 233– 265, die sich gegenüber der Darstellung von Droste, Heiko: Patronage in der Frühen Neuzeit – Institution und Kulturform, in: Zeitschrift für historische Forschung 30/4 (2003), S. 555– 590, distanzieren. 64 Vgl. aus den neueren Publikationen Ma˛czak, Antoni: Ungleiche Freundschaft. Klientelbeziehungen von der Antike bis zur Gegenwart. Osnabrück 2005 (Klio in Polen, 7). 65 Asch, Ronald G.: Der Hof Karls I. von England. Politik, Provinz, Patronage 1625–1640. Köln, Weimar, Wien 1993 (Norm und Struktur, 3), S. 293. 66 Vgl. Morgan, Victor : Some types of patronage. Mainly in sixteenth- and seventeenth-century England, in: Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Antoni Ma˛czak. München 1988, S. 103. 67 Asch, Ronald G.: Introduction. Court and household from the fifteenth to the seventeenth centuries, in: Princes, patronage, and the nobility. The court at the beginning of the modern age 1450–1650. Hrsg. v. dems. und Adolf M. Birke. London 1991, S. 17. Vgl. auch Kettering, Sharon: Brokerage at the court of Louis XIV, in: The Historical Journal 36/1 (1993), S. 71.

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schlechthin«68 blieb. Dabei ist es ebenfalls Sharon Kettering, die erstmals auch die Rolle adeliger Frauen bei der Vergabe von Patronage und als Broker thematisiert69. Auch beschäftigt sich Sara Chapman mit der Rolle von adeligen Frauen in Patron-Klient-Beziehungen70, wobei sie sich gegen die meisten »traditional histories of the court« wendet, die es ihrer Ansicht nach versäumt haben, die politische Macht von Frauen in diesen informellen Netzwerken – und zwar jenseits der Königsmätressen und Mitglieder der Königsfamilie – zu behandeln71. Obwohl die historische Patronageforschung zentrale politik- und sozialgeschichtliche Erkenntnisse hervorgebracht hat, stand sie einer geschichtswissenschaftlichen Untersuchung von Freundschaft als eigenständiger sozialer Nahbeziehung lange im Weg. Zwar thematisierte sie sie, da sich Patron und Klient nicht selten einer ›Sprache der Freundschaft‹ bedienten72, begegnete ihr aber gleichzeitig als Begriff, hinter dem sich verschiedene soziale Bindungen verbergen konnten, kritisch73. In den letzten Jahren lässt sich auch hier eine merkliche Trendwende feststellen74. Aus den bisher veröffentlichten Arbeiten ist 68 Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 14. 69 Vgl. dies., The patronage power of early modern french noblewomen, in: Historical Journal 32 (1989), S. 817–841; dies., Brokerage at the court of Louis XIV, S. 80. 70 Chapman, Sara: Patronage as Family Economy : The Role of Women in the Patron-Client Network of the Ph¦lypeaux de Pontchartrain Family, 1670–1715, in: French Historical Studies 24/1 (2001), S. 11–35. Vgl. auch dies.: Private Ambition and political alliances. The Ph¦lypeaux de Pontchartrain familiy and Louis XIV’s Government, 1650–1715, Rochester 2004. 71 Dies., Patronage as Family Economy, S. 13. 72 Vgl. Kettering, Patronage in early modern France, S. 848–849. 73 Eine zusammenfassende Darstellung des unterschiedlichen Umgangs der älteren Forschung (Ronald Mousnier, Sharon Kettering, William Beik, James Scott und Kristen Neuschel) mit dieser ›Sprache der Freundschaft‹ findet sich bei Herman, Arthur L.: The Language of Fidelity in Early Modern France, in: The Journal of Modern History 67/1 (1995), S. 1–24. Des Weiteren kann Wolfgang Reinhard als wichtiger Vertreter der Patronage-Forschung angeführt werden, der ebenfalls davor warnt die »Sprache der Patronage […] wörtlich zu nehmen« (ders.: Freunde und Kreaturen. »Verflechtung« als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen, Römische Oligarchie um 1600. München 1979 [Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg, 14], S. 38–39). An der Glaubwürdigkeit der im schriftlichen Austausch zwischen Patron und Klient geäußerten Gefühle zweifelt auch Antoni Ma˛czak (vgl. ders., Patronage im Herzen des frühneuzeitlichen Europa, in: Klientelsysteme im Europa der frühen Neuzeit. Hrsg. v. dems. München 1988 [Schriften des Historischen Kollegs; Kolloquien, 9], S. 86). 74 Vgl. z. B. Oschema, Klaus: Freundschaft oder »amiti¦«? Ein politisch-soziales Konzept der Vormoderne im zwischensprachlichen Vergleich (15.–17. Jahrhundert). Berlin 2007. Darüber hinaus liegen auch einige Veröffentlichungen zu Freundschaft in Verbindung mit anderen sozialen Nahbeziehungen vor, wie beispielsweise Labouvie, Schwestern und Freundinnen; Krieger, Gerhard (Hg.): Verwandtschaft, Freundschaft, Bruderschaft. Soziale Lebens- und Kommunikationsformen im Mittelalter. Berlin 2009. Auch fand vom 3.–6. Juli 2011 am Deutschen Historischen Institut in Paris ein Sommerkurs zum Thema »Freund-

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vor allem die Dissertation von Christian Kühner zur Freundschaft im französischen Adel des 16. und 17. Jahrhunderts hervorzuheben, die sich diesem Phänomen auf semantischer, handlungspraktischer und symbolischer Ebene annähert und dabei eine emische Perspektive einnimmt75.

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Vorannahmen und Zugänge

Historikern stellen sich bei der Erforschung vergangener Lebenswelten zahlreiche erkenntnistheoretische Probleme. Diese ergeben sich aus ihnen selbst als subjektiven Forschern mit dem Streben nach möglichst objektiver Wissenschaft und dem daraus resultierenden Bemühen um den adäquaten Einsatz theoretischer Ansätze und Methoden, die dem Untersuchungsgegenstand und seiner Vermitteltheit durch Quellen entsprechen. Die Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnisgewinnung und damit Sinn und Zweck von Forschung erfordern demnach immer wieder aufs Neue eine Darlegung ihrer erkenntnistheoretischen Grundlagen. Für die Untersuchung der Handlungsmöglichkeiten adeliger Amtsträgerinnen am französischen Königshof erscheint dies vor allem für zwei zentrale Aspekte notwendig, nämlich für die Konzeption der Analysekategorie ›Geschlecht‹ und den Umgang mit sozialen Nahbeziehungen. Grundlage für beides ist ein Verständnis der text-sprachlich vermittelten ›Realität‹ der Quellen, das sich an den Ansätzen des »linguistic turn«76 orientiert. Demnach werden die schaft. Eine politisch-soziale Beziehung in Deutschland und Frankreich (12.–Mitte 19. Jahrhundert)« statt, dem 2013 eine Publikation in der Reihe »discussions« folgen wird. 75 Vgl. Kühner, Christian: L’amiti¦ nobiliaire en France au XVIIe siÀcle. Repr¦sentations et pratiques d’un lien social, Freiburg 2010, S. 26 (http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/8286) (29/11/2011). Vgl. auch ders.: »Quand je retournai, je trouvai toutes les cabales de la cour chang¦es«: Friendship under the conditions of seventeenth-century court society, in: Varieties of friendship. Interdisciplinary perspectives on social relationships. Hrsg. v. Bernadette Descharmes, Eric Anton Heuser, Caroline Krüger und Thomas Loy. Göttingen 2011, S. 59–76. Des Weiteren entsteht im Kontext des DFG-geförderten Graduiertenkollegs »Freunde, Gönner, Getreue« eine geschichtswissenschaftliche Dissertation zum Thema »Freundschaft und Liebe in der deutschsprachigen Popular- und Moralphilosophie des 18. Jahrhunderts« von Anna Haut. 76 Vgl. Landwehr, Achim: Historische Diskursanalyse. Frankfurt a. M. 2008 (Historische Einführungen, 4), S. 51, der den »Linguistic turn« definiert als einen »Sammelbegriff für unterschiedliche Entwicklungen im Denken des 20. Jahrhunderts, die sich durch eine grundlegende Skepsis gegenüber der Sprache als einem transparenten Medium zur Erfassung und Vermittlung von Wirklichkeit auszeichnen. Sprache wird vielmehr als unhintergehbare Bedingung des Denkens und als Strukturmerkmal menschlicher Erkenntnis aufgefasst.« Vgl. auch Jordan, Stefan: Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft. Paderborn [u. a.] 2009, S. 187, der anführt, dass dieser erkenntnistheoretische Perspektivwechsel von der »Geschichtswissenschaft eine Wendung von den historischen Fakten auf die Wahrnehmung und Deutung dieser Fakten« fordert. Zur Beziehung zwischen Sprach- und Geschichtswissenschaft vgl. auch Trabant, Jürgen/Müller-Luckner, Elisabeth (Hg.): Sprache

Vorannahmen und Zugänge

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über historische Dokumente zugänglichen Informationen nicht als getreue und faktische Widerspiegelung vergangener ›Lebenswirklichkeiten‹ verstanden, sondern als schrift-sprachlich vermittelte zeichenhafte Repräsentationen, Konstruktionen und Deutungen derselben77. In Anlehnung an die Prämissen der Diskurstheorie wird weiter davon ausgegangen, dass diese Konstruktionen und Deutungen dennoch einen Bezug zu ihrem jeweiligen historischen Kontext aufweisen78, da in ihnen Diskurse greifbar werden79, die über die »Regelmäßigkeit von Aussagefeldern«80 und die Definition von Grenzen für ›Richtiges‹ und ›Wahres‹81 das in einem spezifischen historischen Kontext zu einem bestimmten Thema Denk-, Sag- und Machbare aufzeigen82. Demnach gewähren sie über die schrift-sprachlich repräsentierte ›Wirklichkeit‹ einen Einblick in Denk- und Handlungshorizonte vergangener Lebenswelten. Bezogen auf den Untersuchungsgegenstand und die Fragestellung der vorliegenden Arbeit werden die in Quellen thematisierten Handlungsmöglichkeiten adeliger Amtsträgerinnen in Hofämtern, Hofleben und sozialen Nahbeziehungen sowie die darin zum Vorschein kommende Relevantmachung ihrer Geschlechtszugehörigkeit nicht als ›wahrheitsgetreue‹ Darstellung historischer Begebenheiten begriffen, sondern als Ausdruck zeitgenössischer Denk-, Sag- und Machbarkeitshorizonte. Damit wird nicht in Abrede gestellt, dass die dargestellten Begebenheiten sich so zugetragen haben könnten. Es wird vielmehr bezweifelt, dass es Historikern möglich ist, hinter die schrift-sprachlich vermittelte ›Realität‹ der Quellen zu blicken83.

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der Geschichte. München 2005 (Schriften des Historischen Kollegs, 62). Vgl. darin auch den Beitrag von Trabant, Jürgen: Zur Einführung. Vom linguistic turn der Geschichte zum historical turn der Linguistik, S. VII–XXII, der aufzeigt, welche Implikationen mit dem Begriff »linguistic turn« in der Geschichtswissenschaft verbunden sind. Zu den anfänglichen Missverständnissen und Widerständen gegenüber »Diskurs« und »linguistic turn« in der deutschen Geschichtswissenschaft vgl. Schöttler, Peter : Wer hat Angst vor dem ›linguistic turn‹?, in: Geschichte und Gesellschaft 23 (1997), S. 134–151. Vgl. Landwehr, Achim: Geschichte des Sagbaren. Einführung in die Historische Diskursanalyse. Tübingen 2001, S. 109. Ders., Historische Diskursanalyse, S. 98. Vgl. ebd., S. 15. Vgl. für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit Diskurs und Diskursanalyse in der Geschichtswissenschaft Maset, Michael: Diskurs, Macht und Geschichte. Foucaults Analysetechniken und die historische Forschung. Frankfurt a.M. 2002 (Campus Historische Studien, 32). Landwehr, Historische Diskursanalyse, S. 20. Vgl. ebd., S. 98. Ebd., S. 20. Der hier gewählte Ansatz findet sich auch vergleichbar bei Ronald G. Asch, der im Zusammenhang mit Hofmannstraktaten schreibt, dass er bei ihrer Untersuchung von der Annahme ausgeht, »dass diese Traktate zumindest partiell tatsächlich die höfische Realität widerspiegelten, andererseits aber diese Realität prägten oder doch zumindest Ausdruck kultureller und sozialer Kräfte waren, von denen eine solche prägende Kraft ausging« (ders., Der Höfling als Heuchler? Unaufrichtigkeit, Konversationsgemeinschaft und Freundschaft am

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Einleitung

3.1.

Geschlecht

Ausgehend von der Vorstellung der Konstruktivität sozialer Lebenswirklichkeiten wird in der vorliegenden Arbeit auch die Analysekategorie ›Geschlecht‹ nicht als ›natürlich‹ oder ›vorkulturell‹ gegebene, sondern als gesellschaftlich konstruierte begriffen. Dabei wird auf das Konzept des ›doing gender‹ Bezug genommen, das zwar auf einer Dichotomie zwischen ›sex‹ und ›gender‹ aufbaut, die dadurch postulierte vermeintliche Kluft zwischen ›Natur‹ und ›Kultur‹ jedoch durch den Hinweis auf die kulturelle Determiniertheit beider Kategorien relativiert84. Demnach werden Geschlechtszuschreibungen nicht als ›natürliche‹ und ›absolute‹ Eigenschaften einer Person begriffen, sondern als prozesshafte, kontextgebundene, interaktiv auf andere bezogene und damit letztlich aushandelbare soziale Konstrukte. Dass dieses ›doing gender‹ trotz seines Aushandlungscharakters nicht beliebig verläuft, steht in Zusammenhang mit bereits vorhandenen Typisierungen und Klassifikationen von Geschlechtsdifferenz und damit mit der Einbindung in überindividuelle Denk- und Handlungshorizonte, die sich in ihnen und durch sie manifestieren und fortschreiben; Erving Goffman bezeichnet dies als »institutional genderism« bzw. als institutionelle Reflexivität85. In der sozialen Interaktion tritt Geschlecht als eine omnirelevante Kategorie hervor, die als grundlegender Bezugspunkt für das Bestimmen und Interpretieren einer Person und ihres Handelns dient86. Dennoch wird die Beschränkung auf eine einzige kategoriale Dimension der Komplexität menschlicher Existenz nicht gerecht – eine Tatsache, der innerhalb der Geschlechterforschung das theoretische Modell des ›doing difference‹ Rechnung trägt, indem es vor allem auch Klasse und Ethnie als Teil von simultan verlaufenden Aushandlungsprozessen und Differenzherstellungen mit berücksichtigt87 und es darüber ermöglicht, Geschlecht als mehrfach relationale Identitäts- und Differenzkategorie zu begreifen88. Darauf aufbauend versucht das Konzept der Intersektionalität die

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frühneuzeitlichen Hof, in: Krumme Touren. Anthropologie kommunikativer Umwege. Hrsg. v. Wolfgang Reinhard. Köln, Weimar, Wien 2007, S. 185). Vgl. West, Candace/Zimmerman, Don H.: Doing Gender, in: Gender and Society 1/2 (1987), S. 127. Gildemeister, Regina: Doing gender. Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung, in: Handbuch der Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Hrsg. v. Ruth Becker und Beate Kortendiek. Wiesbaden 2008, S. 138. Vgl. ebd., S. 140. Vgl. Fenstermaker, Sarah/West, Candace: ›Doing difference‹ revisited. Probleme, Aussichten und der Dialog in der Geschlechterforschung, in: Geschlechtersoziologie. Hrsg. v. Bettina Heintz. Wiesbaden 2001, S. 236. Vgl. Walgenbach, Katharina/Dietze, Gabriele/Hornscheidt, Antje/Palm, Kerstin: Einleitung, in: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität. Hrsg. v. dens. Opladen, Farmington Hills 2007, S. 13. Griesebner,

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Verwobenheit dieser verschiedenen sozialen Ordnungsmuster und ihre Wechselwirkung zu berücksichtigen und gleichzeitig aufzuzeigen, dass sie in ihrer Bedeutung »je nach Interaktions-Kontext variieren« können89. Letzteres muss auch die Möglichkeit der Nichtrelevanz einschließen, wie dies in »undoing difference« und »undoing gender«90 thematisiert worden ist. Demnach können Kategorien »für Individuen in bestimmten Lebenssituationen auch keine oder eine nachgeordnete Rolle spielen«91, was aber nicht heißt, dass sie als »zentrales soziales Klassifikationssystem« gänzlich irrelevant sind. Vielmehr lässt sich eine Unterscheidung treffen zwischen der Allgegenwart einer Kategorie einerseits und ihrer »differenziellen Relevanz« andererseits92. Somit kann ›doing gender‹ nicht nur als performative Reproduktion und Aufrechterhaltung von zeit- und kontextabhängigen Geschlechtszuschreibungen interpretiert werden, sondern im Sinne eines ›undoing gender‹ auch als Möglichkeit des Widerstands und der Veränderung derselben durch einzelne Akteure93. Dadurch eröffnen sich Fragen danach, unter welchen Bedingungen dies in sozialen Interaktionen möglich ist, d. h. »unter welchen Bedingungen Prozesse der Geschlechterunterscheidung in Gang [gehalten] und wann und wie sie in den Hintergrund treten oder sogar ›vergessen‹ werden«94. Welche Bedeutung kam der ›agency‹ einzelner Akteure zu, d. h. welche Möglichkeiten für »individuelles Handeln« und die Gestaltung individueller Lebenswirklichkeit innerhalb der Kategorien und der ihr Leben bestimmenden »politischen, sozialen und kulturellen Wertstrukturen« waren vorhanden95 ? Und nicht zuletzt: Können Subjekte »die initiale Geschlechterunterscheidung im Verlauf von Interaktionen

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Andrea/Lutter, Christina: Mehrfach relational. Geschlecht als soziale und analytische Kategorie, in: Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 2/2 (2002), S. 3. Fenstermaker/West, ›Doing difference‹ revisited, S. 237. Vgl. auch Degele, Nina/Winker, Gabriele: Intersektionalität als Mehrebenenanalyse, Juli 2007 (http://doku.b.tu-harburg.de/ volltexte/2008/455), S. 1; Walgenbach, Katharina: Gender als interdependente Kategorie, in: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität. Hrsg. v. ders., Gabriele Dietze, Antje Hornscheidt und Kerstin Palm. Opladen, Farmington Hills 2007, S. 41. Für eine geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema vgl. Hohkamp, Im Gestrüpp der Kategorien; Knapp, GudrunAxeli: »Intersectionality« – ein neues Paradigma der Geschlechterforschung?, in: Was kommt nach der Genderforschung? Zur Zukunft der feministischen Theoriebildung. Hrsg. v. Rita Casale und Barbara Rendtorff. Bielefeld 2008, S. 33–54. Dieser Ansatz widerspricht der von West und Zimmerman formulierten Annahme, dass »doing gender« in einer Gesellschaft unvermeidbar ist (vgl. West/Zimmerman, Doing Gender, S. 137). Degele/Winker, Intersektionalität als Mehrebenenanalyse, S. 5. Gildemeister, Doing gender, S. 143. Vgl. Deutsch, Francine M.: Undoing Gender, in: Gender and Society 21/1 (2007), S. 110–114. Gildemeister, Doing gender, S. 143. Gildemeister bezieht sich dabei auf Hirschauer, Stefan: Das Vergessen des Geschlechts. Zur Praxeologie einer Kategorie sozialer Ordnung, in: Geschlechtersoziologie. Hrsg. v. Bettina Heintz. Wiesbaden 2001, S. 208–235. Griesebner/Lutter, Mehrfach relational, S. 4.

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Einleitung

oder Verfahren auch aktualisieren«, und, wenn ja, unter welchen Bedingungen knüpfen sie daran an96 ? Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird bei der Untersuchung adeliger Amtsträgerinnen am französischen Königshof davon ausgegangen, dass Geschlecht eine Kategorie ist, die sozial konstruiert wurde und die Möglichkeit der ›Nichtrelevant-Machung‹ beinhaltete. Des Weiteren wird vorausgesetzt, dass Geschlecht als multirelationales Ordnungsmuster im Kontext anderer Kategorien der Differenzherstellung betrachtet werden muss, um seiner differenziellen Relevanz gerecht zu werden und sie nicht a priori zu postulieren. Da die Festlegung von Analysekategorien die Gefahr birgt, sie vor dem Hintergrund der ›Lebenswirklichkeit‹ des Forschenden und nicht des Erforschten zu treffen97, erfordert sie eine begründete Auswahl und damit Relevantmachung98. In der vorliegenden Untersuchung erfolgt dies unter zweierlei Gesichtspunkten: Zum einen unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der geschichtswissenschaftlichen Genderforschung99, die für die Frühe Neuzeit aufgezeigt hat, dass Geschlecht zwar ein gesellschaftsstrukturierender Faktor war, der aber »nicht die umfassende […] Wirkung entfaltete wie im bürgerlichen Zeitalter«, sodass zum besseren Verständnis Kategorien wie ›politischer Stand‹100, ›Verwandtschaft‹101, ›Herrschaft‹102 und ›ziviler Stand‹ herangezogen werden müssen. Andererseits

96 Hirschauer, Das Vergessen des Geschlechts, S. 217. 97 Vgl. Griesebner/Lutter, Mehrfach relational, S. 3, die für die Geschichtswissenschaft den Umgang mit Analysekategorien problematisieren, da deren Auswahl immer in Verbindung steht zu dem, was in einer bestimmten Gesellschaft für relevant erachtet wird. 98 Vgl. Degele/Winker, Intersektionalität als Mehrebenenanalyse, S. 2. 99 Für einen Überblick der aktuellsten Entwicklungen und Diskussionen vgl. Casale, Rita/ Rendtorff, Barbara: Was kommt nach der Genderforschung? Zur Zukunft der feministischen Theoriebildung. Bielefeld 2008; Opitz-Belakhal, Geschlechtergeschichte. Vgl. auch Opitz, Gender – eine unverzichtbare Kategorie der historischen Analyse; dies.: Nach der Gender-Forschung ist vor der Gender-Forschung. Plädoyer für die historische Perspektive in der Geschlechterforschung, in: Was kommt nach der Genderforschung? Zur Zukunft der feministischen Theoriebildung. Hrsg. v. Rita Casale und Barbara Rendtorff. Bielefeld 2008, S. 13–28. 100 Vgl. Hohkamp, Im Gestrüpp der Kategorien, S. 13. Vgl. auch ebd., S. 6–7, wonach beispielsweise Geschlecht in vormodernen Gesellschaften Europas »nicht die umfassend gesellschaftsstrukturierende Wirkung entfaltete wie im bürgerlichen Zeitalter. Denn in partikularen Gesellschaften wie der Frühen Neuzeit bestimmten ständische Zuordnungen die Lebensperspektiven der Menschen ganz wesentlich«. Hohkamp selbst wählt für ihre Untersuchung von Interdependenzen in Triberg des 18. Jahrhundert »Verwandtschaft, Stand, Herrschaft und Geschlecht«, um darüber aufzuzeigen, »wie und weshalb sich die Bedeutung von Frau- und Mannsein im beweglichen frühneuzeitlichen Koordinationsnetz von kulturellen, sozialen und rechtlichen Elementen immer wieder neu und anders gewichtete und welcher Gebrauch davon gemacht worden ist« (ebd., S. 8). 101 Vgl. Griesebner/Lutter, Mehrfach relational, S. 3–4. 102 Vgl. Hohkamp, Im Gestrüpp der Kategorien, S. 8.

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wurden sie in Anlehnung an den methodischen Ansatz der ›Grounded Theory‹ induktiv aus dem Quellenmaterial selbst erarbeitet103. Aus beiden Herangehensweisen ergibt sich, dass es neben Geschlecht vor allem die Kategorien ›Stand‹ (soziale Einbindung), ›Rang‹ (Hofamt und damit verbundene Amtsbefugnisse) und ›Gunst‹ (Nutzung höfischer Handlungslogik) gewesen sind, die im höfischen Handlungskontext besonders zum Tragen kamen104 und in ihrem Zusammenspiel über die innerhöfische Hierarchie hinaus die zeitgenössischen denk-, sag- und machbaren Handlungsspielräume und -möglichkeiten adeliger Amtsträgerinnen als höfische Akteurinnen beeinflussten. Als Ensemble von Kategorien veränderten sie sich je nach Kontext kaleidoskopartig und figurierten sich immer wieder aufs Neue, sodass sie letztlich die gesellschaftliche Bedeutung105 und den »gesellschaftlichen Gebrauchswert« von Geschlecht modellierten106. Von besonderem Interesse für die vorliegende Arbeit ist, ob und, wenn ja, unter welchen Umständen dies hinsichtlich adeliger Amtsträgerinnen geschah oder auch nicht107 und welches Potenzial es für die ›agency‹ einzelner Akteurinnen bot, für die die genannten relevanten Kategorien keine »self fulfilling prophecy«108 darstellten. Letzteres erscheint vor allem wichtig, um höfische Amtsträgerinnen angesichts der behandelten institutionellen und sozialen Strukturen als eigenständige Akteurinnen sichtbar zu machen109. Anknüpfend an die Erkenntnisse der historischen Geschlechterforschung werden anachronistische Kategorien von ›Öffentlichkeit‹ und ›Privatheit‹ sowie eine damit verbundene Geschlechtszuordnung verworfen110. Sie stehen dem Erfassen von Handlungsoptionen adeliger Frauen in der Vormoderne im Wege, da sie weder in der Lebenswelt des zeitgenössischen Adels eine Rolle spielten111, 103 Vgl. Degele/Winker, Intersektionalität als Mehrebenenanalyse, S. 5. 104 Hierbei wird nicht der Anspruch erhoben, alle relevanten Kategorien ermitteln und berücksichtigen zu können, da dies angesichts der Komplexität menschlicher Existenz nicht allumfassend möglich ist. 105 Vgl. Hohkamp, Im Gestrüpp der Kategorien, S. 7, 11–12, 16. 106 Ebd., S. 13. 107 Vgl. Gildemeister, Doing gender, S. 143–144. Vgl. auch Hirschauer, Das Vergessen des Geschlechts, S. 214, der genau diesen Balanceakt theoretisch und methodisch fordert. 108 Landwehr, Geschichte des Sagbaren, S. 112. 109 Vgl. Jordan, Theorien und Methoden, S. 176, wonach es der Mentalitäts- und Alltagsgeschichte zu verdanken sei, »die Bedeutung individuellen Handelns gegenüber dem anonymen Funktionieren von Strukturen geltend gemacht« zu haben. 110 Vgl. Viennot, Elaine: Des »femmes d’Etat« au XVIe siÀcle. Les princesses de la Ligue et l’¦criture de l’histoire, in: Femmes et pouvoirs sous l’ancien r¦gime. Hrsg. v. ders. und Danielle Haase-Dubosc. Paris und Marseille 1991, S. 87–88. Die Verbindung zwischen Frau und ›Privatheit‹ bzw. Mann und ›Öffentlichkeit‹ wurde insbesondere nach der Französischen Revolution aufoktroyiert. 111 Damit schließe ich mich der neueren Forschung an, die herausstellt, dass ›Privatheit‹ und ›Öffentlichkeit‹ kontextabhängig waren und es keine zwangsläufige Korrelation zwischen

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Einleitung

der keine Trennung zwischen ›privatem‹ und ›öffentlich-politischem‹ Handeln kannte112, noch der Bedeutung und Tragweite der Aktivitäten adeliger Frauen gerecht werden113. Vielmehr liegt der folgenden Untersuchung die Annahme zugrunde, dass zwischen den Geschlechtern feststellbare Unterschiede zunächst eine wertfreie ›Alterität‹ darstellen, die erst in einem spezifischen historischen Kontext mit einem Mehr oder Weniger an Bedeutung aufgeladen werden.

3.2.

Soziale Nahbeziehungen

Wie in den obigen Darstellungen bereits anklingt, sind in historischen Quellen greifbare Individuen nie losgelöst von ihren jeweiligen sozialen Kontexten zu sehen. Der einzelne Mensch ist unweigerlich eingebunden in soziale Strukturen, die einen bestimmten internalisierten Denk- und Handlungsrahmen vorgeben, in dem sie sich bewegen und der ihr Handeln in sozialer Interaktion durch Normen und Vorgaben beeinflusst und einer Bewertung unterzieht114. Wenngleich somit auch für historische Akteure eine soziale Eingebundenheit vorausgesetzt werden kann, ist sie für die geschichtswissenschaftliche Forschung nicht unproblematisch. Dies zeigt sich insbesondere im Umgang mit sozialen Nahbeziehungsformen, die nicht immer eindeutig greif- und unterscheidbar sind. Bereits im Mittelalter bedienten sich Verwandte, Patrone, Klienten, Freunde und ›Liebende‹ weitgehend eines semantischen Feldes115 und pflegten auch vergleichbare Praktiken im Umgang miteinander116. Zur begrifflichen »Un-

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›Privatheit‹ und dem weiblichen Geschlecht gab. Vgl. Harris, Barbara J.: English aristocratic women, 1450–1550. Marriage and family, property and careers. New York 2002, S. 8; Tague, Ingrid H.: Women of quality. Accepting and contesting ideals of feminity in England, 1690– 1760. Woodbridge [u. a.] 2002 (Studies in Early Modern Cultural, Political and Social History, 1), S. 5–6. Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 77; Viennot, Des »femmes d’Etat« au XVIe siÀcle, S. 88. Vgl. Keller, Hofdamen, S. 10. Vgl. auch Tague, Women of quality, S. 166, die betont, dass Aktivitäten, wie »visiting, dining, and attending assemblies«, zwar ausdrücklicher sozial als politisch waren. Gleichwohl gibt sie zu bedenken, dass ihre Auswirkungen auf »the larger, public world« dennoch anerkannt waren. Vgl. Fenstermaker/West, ›Doing difference‹ revisited, S. 238. Vgl. Rexroth, Frank/Schmidt, Johannes F. K.: Freundschaft und Verwandtschaft. Zur Theorie zweier Beziehungssysteme, in: Freundschaft und Verwandtschaft. Zur Unterscheidung und Verflechtung zweier Beziehungssysteme. Hrsg. v. Johannes F. K. Schmidt, Martine Guichard, Peter Schuster und Fritz Trillmich. Konstanz 2007, S. 9, die von einer »unklaren Gemengelage in den Semantiken« von Freundschaft und Verwandtschaft sprechen, die sich erst langsam ausdifferenzierte. Vgl. Jancke, Gabriele: Patronage, Freundschaft, Verwandtschaft: Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit, in: Freundschaft und Verwandtschaft. Zur Unterscheidung und Verflechtung zweier Beziehungssysteme. Hrsg. v. Johannes F. K. Schmidt, Martine Guichard,

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schärfe«117 tragen auch fließende Übergänge und Überschneidungen verschiedener sozialer Rollen bei118, da ein Individuum nicht nur und ausschließlich eine einzige ausfüllte, sondern je nach Bezugsperson und Kontext verschiedene in sich vereinte bzw. ineinander überführte119. In der Forschung liegen entsprechend unterschiedliche Konzepte sozialer Nahbeziehungen vor, von denen hier Verwandtschaft und Freundschaft – als zwei universal bedeutsame Beziehungssysteme120 – sowie Patron-Klient-Beziehungen behandelt werden sollen. In der geschichtswissenschaftlichen Forschung wird Verwandtschaft sowohl als biologische Gegebenheit begriffen, die sich durch Geburt und Heirat konstituierte, als auch als »eine kulturspezifische Denkform, als ein Mittel zur gedanklichen und sprachlichen Strukturierung sozialer Beziehungen«, die dazu diente, auch nicht biologisch bedingte soziale Beziehungen »mit Verwandtschaftsterminologie« zu belegen und damit »über Akte der Zuschreibung« sozial und kulturell zu konstruieren121. Gegenüber anderen sozialen Nahbeziehungen habe Verwandtschaft dennoch eine »Sonderbeziehung« etabliert, da es ein »Individuum in einen Beziehungskontext« verortete, den es weder freiwillig aussuchen noch hinter sich lassen konnte, und über den »normativen Verpflichtungsgehalt des Verwandtseins«122 an Personen eines ähnlichen sozialen Status band123. Freundschaft erscheint hingegen weitaus schwieriger greifbar, da es je nach gesellschaftlichem und historischem Kontext zur Bezeichnung einer Vielzahl von Beziehungsformen Verwendung fand124. Häufig wird Freundschaft als eine

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Peter Schuster und Fritz Trillmich. Konstanz 2007, S. 195, wonach allen vormodernen Nahbeziehungen »die Einbindung in eine Gabenkultur« zu eigen war. Seidel, Kerstin/Schuster, Peter : Freundschaft und Verwandtschaft in historischer Perspektive, in: Freundschaft und Verwandtschaft. Zur Unterscheidung und Verflechtung zweier Beziehungssysteme. Hrsg. v. Johannes F. K. Schmidt, Martine Guichard, Peter Schuster und Fritz Trillmich. Konstanz 2007 (Theorie und Methode, 42), S. 151. Beide verweisen auf Untersuchungen von Gabriele Jancke, Gabriela Signori und Klaus van Eickels, wonach zumindest im Mittelalter eine Unschärfe der Begriffe scheinbar gewollt war, da sie den zeitgenössischen Akteuren größere Deutungs- und Handlungsspielräume eröffnete. Die mit einer bestimmten, gesellschaftlichen Position verbundenen Handlungsmöglichkeiten werden als soziale Rolle bezeichnet (vgl. Stegbauer, Christian: Weak and strong ties. Freundschaft aus netzwerktheoretischer Perspektive, in: Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in der Sozialwissenschaft. Hrsg. v. dems. Wiesbaden 2008, S. 114). Vgl. Jancke, Patronage, Freundschaft, Verwandtschaft, S. 190, 195. Vgl. Rexroth/Schmidt, Freundschaft und Verwandtschaft, S. 13. Ebd., S. 11–12. Demnach wird »heute die Konstituierung von Adelsgeschlechtern als ein mentaler Akt begriffen, der nicht unabhängig von seiner Konkretisierung in Texten, Stammbäumen, Wappen und sonstigen Repräsentationen gedacht werden kann.« Ebd., S. 9. Vgl. Kettering, Sharon: Patronage and kinship in early modern France, in: French Historical Studies 16/2 (1989), S. 432. Vgl. Rexroth/Schmidt, Freundschaft und Verwandtschaft, S. 9, die aber davor warnen, diese

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freie, unabhängige und horizontale Beziehung charakterisiert, die zwischen zwei Gleichen entstand, die sich aus Zuneigung freiwillig zusammenfanden und sich gegenseitig Vertrauen schenkten und Beistand gewährten, ohne ein quid pro quo einzufordern125. Des Weiteren wird zwischen verschiedenen Freundschaftstypen unterschieden, wonach eine ›persönliche‹ Freundschaft dann bestand, wenn eine seltene emotionale und spirituelle Intimität geteilt wurde, während von der weitaus häufiger anzutreffenden ›sozialen‹ Freundschaft die Rede sei, wenn es sich um eine weniger intensive Begegnung handelte, die sich vorrangig durch Nützlichkeit und Bequemlichkeit auszeichnete126. In Abgrenzung dazu werden Patron-Klient-Beziehungen als vertikale soziale Nahbeziehung begriffen127, die sich vor allem durch Asymmetrie und ein Machtgefälle zwischen den beteiligten Parteien auszeichnen würden128, die ein dyadisches129 und »relativ dauerhaftes, zunächst persönliches Verhältnis« miteinander eingingen, das auf dem gegenseitigen Austausch von »Schutz und Chancen« für »Dienste und Ergebenheit«130 basierte, das freiwillig eingegangen wurde131 und mit keinem rechtlichen Anspruch verbunden war132. Ein beson-

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»Pluralität der Beziehungsformen […] als Indikator für eine gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit der Freundschaft« zu werten, »die sich in einer vermeintlichen Beliebigkeit der Form widerspiegelt.« Der »amorphe Charakter der Freundschaft« weist ihrer Ansicht nach weitaus mehr darauf hin, »dass Freundschaftsbeziehungen häufig gesellschaftliche Strukturlasten tragen, die eine besondere Flexibilität der Beziehung erfordern.« Vgl. Aymard, Maurice: Freundschaft und Geselligkeit, in: Geschichte des privaten Lebens. Bd. III: Von der Renaissance zur Aufklärung. Hrsg. v. Philippe AriÀs und Georges Duby. Frankfurt a. M. 1991, S. 451–495. Vgl. auch Jouanna, Arlette: Le devoir de r¦volte: la noblesse franÅaise et la gestation de l’¦tat moderne, 1559–1661. Paris 1989, S. 65–90, die darstellt, wie die Art der gegenseitigen Gefälligkeiten im französischen Adel darüber bestimmte, ob es sich um Freundschaft oder Patron-Klient-Beziehungen handelte. Vgl. Kettering, Friendship and clientage, S. 150, die dabei auf die Ausführungen von Aymard, Freundschaft und Geselligkeit, verweist. Vgl. Kettering, Patronage and kinship, S. 432. Vgl. Moraw, Peter : Über Patronage und Klienten im Heiligen Römischen Reich des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Antoni Ma˛czak. München 1988 (Schriften des historischen Kollegs, 9), S. 6. Vgl. Morgan, Some types of patronage, S. 98. Vgl. aber Ma˛czak, Patronage im Herzen des frühneuzeitlichen Europa, S. 86, der betont, dass das Patron-Klient-Verhältnis nicht als bipolare Einbahnstraße gedacht werden können. Vielmehr handele es sich dabei um polypolare Beziehungen, da Klienten über verschiedene Patrone und Patrone über verschiedene Klienten verfügten. Vgl. auch Jancke, Patronage, Freundschaft, Verwandtschaft, S. 187. Moraw, Über Patrone und Klienten im Heiligen Römischen Reich, S. 6. Vgl. Kettering, Patronage and kinship, S. 432. Vgl. Asch, Der Hof Karls I. von England, S. 290. Vgl. auch Kettering, Sharon: Gift-giving and patronage in early modern France, in: French History 2/2 (1988), S. 142, die darauf hinweist, dass der Austausch zwischen Patron-Klient zwar nicht »formally«, aber dennoch »implicitly contractual in the sense of being mutually binding« war. Vgl. auch aus der neueren Forschung Jancke, Patronage, Freundschaft, Verwandtschaft, S. 185, die ebenfalls die genannten Charakteristika von Patron-Klient-Beziehungen anführt.

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derer Stellenwert wird in Patronagebeziehungen der Verpflichtung zu Reziprozität zwischen Patron und Klient zugewiesen, und zwar in Form eines obligatorischen Austauschs. Über ›Leistung‹ und ›Gegenleistung‹, die das »self-interest« der Beteiligten befriedigten, zwischen denen jedoch große Zeiträume liegen konnten, wurden Verbindungen hergestellt sowie Vertrauen und Loyalität evoziert133. »Clientage« drückte sich dabei in Loyalität und Dienst aus, den Klienten ihrem Patron schuldig waren; Patronage im Gegenzug in »protection and assistance including material benefits and opportunities for advancement.«134 Im obligatorischen Austausch zwischen Patron und Klient spielten Geschenke eine wichtige Rolle. Kettering geht sogar so weit, »Gift-giving« als »euphemism for patronage« zu bezeichnen135. Wie zentral die Gegenseitigkeit für das Patron-Klient-Verhältnis war, macht sie auch daran fest, dass es bei wiederholter Nichtbeachtung oder großem Ungleichgewicht zur Auflösung der Beziehung führte, sodass es sich meist um eine nicht dauerhafte Verbindung handelte. Sowohl der informellere und freiwilligere Charakter dieser Beziehungen als auch die Möglichkeit der Auflösung bei Nichtbeachtung der Reziprozität unterschied sie von Verwandtschaftsbeziehungen, die, wenn auch auf gegenseitigen Beistand basierend, nicht mit dem Ausbleiben entsprechender Handlungen endeten. Gleichzeitig bestanden Verbindungen zwischen Patron-Klient-Beziehungen und Verwandtschaft, denn Patronage war eine wichtige Familienressource und Verwandte potenzielle Klienten. Gemäß Kettering war ein untrügliches Zeichen dafür, dass eine Verwandtschaftsbeziehung sich zu einer PatronKlient-Beziehung gewandelt hatte, die regelmäßige Gewährung von Patronage und Förderung136. Das, was Patron-Klient-Beziehungen von Verwandtschaft trennte, verband sie wiederum mit Freundschaft, bei der es sich auch um eine informelle, auf gegenseitigem Austausch beruhende Verbindung handelte, die von den Beteiligten weitgehend freiwillig eingegangen wurde. Beide vergrößerten im Vergleich zu Verwandtschaft den Kreis sozialer Bekanntschaften und die Bandbreite der darüber zugänglichen Ressourcen und ermöglichten damit nicht zuletzt die Verbindung verschiedener Adelsschichten. Da Freunde zu Klienten und Klienten zu Freunden werden konnten, ließen sich Freundschaften und Patron-KlientBeziehungen dennoch nicht immer trennen137.

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Vgl. Kettering, Patronage in early modern France, S. 844; dies., Gift-giving, S. 143. Dies., Patronage and kinship, S. 432. Dies., Gift-giving, S. 132. Vgl. dies., Patronage and kinship, S. 409, 422, 432; dies., Patronage in early modern France, S. 845. 137 Vgl. dies., Friendship and clientage, S. 145, 149. Der Anstoß für die Veränderung einer

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Gleichwohl kennzeichneten Patron-Klient-Beziehungen und Freundschaften auch erhebliche Unterschiede. Demnach waren ›persönliche‹ Freundschaften seltene, emotional intensive und langanhaltende soziale Nahbeziehungen zwischen weitgehend Gleichen, Patron-Klient-Beziehungen hingegen vertikale Beziehungen zwischen einem Übergeordneten und einem Untergeordneten, die auf einer Verpflichtung zu gegenseitigem Austausch beruhten und in denen Nützlichkeit an erster Stelle stand. Entsprechend geben die Notwendigkeit zur Gegenseitigkeit, der Status der Beteiligten, das Ausmaß ihrer Abhängigkeit, die Dauerhaftigkeit und die emotionale Nähe der Verbindung Aufschluss darüber, ob es sich bei einer Beziehung um Freundschaft oder ein Klient-Patron-Verhältnis handelte138. Eine entsprechende Grenzziehung zwischen beiden Formen sozialer Nahbeziehungen ist vor dem Hintergrund einer grundsätzlichen Problemstellung der frühneuzeitlichen Patronageforschung zu sehen, die vor allem auf einer semantischen Ebene liegt. Da die Quellensprache meist vage und uneindeutig ist und frühneuzeitliche Patrone und Klienten sich häufig einer Sprache der Freundschaft bedienten139, verhalf die Etablierung spezifischer Kriterien dazu, Antwort auf die Frage zu erlangen: »When was an ami a friend, and when was he a patron or client?«140 Letztlich wurde dadurch eine Debatte um die ›Wahrhaftigkeit‹, Authentizität und Aussagekraft entsprechender Termini und der dahinterliegenden ›tatsächlichen‹ sozialen Realität angestoßen. In der Konsequenz wurde Freundschaftsterminologie mal wörtlich genommen141, mal als ›Fiktion‹

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sozialen Beziehung von Freundschaft zu Klientel konnte der Aufstieg einer der beteiligten Person sein und die damit verbundene Verfügungsgewalt über größere Machtmittel. Vgl. Kettering, Friendship and clientage, S. 140–152. Vgl. Moraw, Über Patrone und Klienten im Heiligen Römischen Reich, S. 6; Kettering, Patronage in early modern France, S. 848–849. Als Beispiel für den unterschiedlichen Umgang mit dem Sprachproblem in der Patronage-Forschung vgl. Ma˛czak, Patronage im Herzen des frühneuzeitlichen Europa, S. 85–86, der keinen Sinn darin sieht, das in den Quellen verwendete Vokabular zur Klassifizierung menschlicher Beziehungen heranzuziehen, da man darüber höchstens die zeitgenössische Phraseologie erforschen kann. Für ihn ist die Patronage-Sprache nur Konvention. Vgl. auch Asch, Freundschaft und Patronage, S. 273, der für West- und Mitteleuropa festhält, dass »die prinzipielle Gleichheit aller Adligen, mochte sie auch partiell fiktiv sein«, es notwendig machte, »auch Patronagebeziehungen unter Adligen vielfach, wenn auch sicherlich nicht ausschließlich, in die Sprache der Freundschaft zu kleiden.« Kettering, Patronage in early modern France, S. 849. Vgl. auch Jancke, Patronage, Freundschaft, Verwandtschaft, S. 185, die im Zusammenhang mit Patronage unter frühneuzeitlichen Gelehrten darauf hinweist, dass sich »kaum ein Zugang über explizite sprachliche Markierungen gewinnen« lässt, und es daher notwendig sei, »implizite Hinweise zu finden, an denen der Patronagecharakter von Beziehungen erkennbar wird«, was wiederum »ein umfangreiches Vorwissen darüber« voraussetzt »wie Patronagebeziehungen funktionierten.« Ein Vertreter dieser Richtung ist beispielsweise Roland Mousnier.

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abgetan, hinter der sich eine ›andere‹ Wirklichkeit verbarg142, was zu einer mehrdeutigen und damit oft verwirrenden Terminologie in der Patronageforschung beitrug. Dabei plädierte beispielsweise Sharon Kettering dafür, die blumigen Komplimente und Versprechungen auf sprachlicher Ebene mit der tatsächlichen Beschaffung von Vorteilen wie Ämtern, der Unterzeichnung eines Heiratsvertrages oder eines Geldgeschenks abzugleichen, um damit zur Verifizierung der Patronagesprache ›verlässliche‹ Beweise heranzuziehen, wenngleich sie einräumt, dass selbst dann weiterhin ein generelles Problem darin bestünde, hinreichende Beweise zu ermitteln143. Die dieser Debatte144 zugrunde liegenden Annahmen erscheinen gleich in zweifacher Hinsicht problematisch: zum einen, weil ihnen die Vorstellung einer hinter den Worten verborgenen ›Realität‹ immanent ist, die erst mittels eines geeigneten Instrumentariums freigelegt werden muss, was den Historiker zum Schiedsrichter über ›Wahrheit‹ und ›Lüge‹ macht und damit in eine Position bringt, die er aufgrund der bereits zuvor thematisierten Erkenntnismöglichkeiten historischer Quellen nicht einnehmen kann. Zum anderen, weil dadurch eine Applizierung moderner Freundschaftskonzeptionen auf frühneuzeitliche Nahbeziehungen vorgenommen wird, die entweder die Freundschaftsrhetorik der Frühen Neuzeit nicht als Ausdruck einer eigenständigen sozialen Nahbeziehung ernst nimmt, da sie sie als Euphemismus für andere soziale Beziehungen begreift, oder ihre Authentizität in Zweifel zieht, wenn sie sich nicht durch emotionale Nähe und »spiritual union of souls«145 auszeichnen. Angesichts des erheblichen Bedeutungswandels, den vor allem der Freundschaftsbegriff im 18.

142 Als Vertreter dieser Richtung können Sharon Kettering (dies., Patronage in early modern France, S. 839–862) und William Beik (ders.: Absolutism and society in seventeenth century France: State Power and provincial aristocracy in Languedoc. Cambridge 1985) angeführt werden. Vgl. auch James Scott (ders.: Domination and the arts of resistance: The hidden transcript. New Haven 1990) und Kristen Neuschel (dies.: Word of Honor. Interpreting noble culture in sixteenth century France. Ithaca 1989), die es für unmöglich erachtet, jemals zu wissen, ob der verwendeten Sprache Glauben zu schenken ist oder nicht. 143 Vgl. Kettering, Patronage in early modern France, S. 842, 858. Vgl. auch ebd., S. 851–852. Dabei verlässt sich Kettering auf drei Arten von Beweisen, die ergänzend zur Patronagesprache heranzogen werden sollten, nämlich: 1) Anfragen bezüglich Patronage, Versprechen von Belohnung und Dankesbekundungen für erhaltene »favors«, 2) persönliche, beschreibende Stellungnahmen und 3) Stellungnahmen von äußeren Beobachtern. Des Weiteren sind indirekte Beweise und vergleichende Fallstudien für Patronagebeziehungen »in actual operation over time« hinzuziehen. 144 Vgl. Herman, The language of fidelity in Early Modern France, der einen Überblick darüber gibt, welche Standpunkte bisher in der Forschung eingenommen worden sind und wie er sich selbst darin positioniert. Für eine aktuelle und ausführliche Darstellung der Patronageforschung über Frankreich vgl. Haddad, Noble Clienteles in France in the sixteenth and seventeenth centuries. 145 Kettering, Friendship and clientage, S. 152.

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Einleitung

und 19. Jahrhundert erfahren hat, birgt dies die Gefahr einer anachronistischen Herangehensweise146. Aus all dem wird für die vorliegende Untersuchung der Schluss gezogen, dass es der Erfassung sozialer Phänomene in der Frühen Neuzeit und den Erkenntnismöglichkeiten der Geschichtswissenschaft in größerem Maße entspricht, eine Herangehensweise zu wählen, die sich bemüht, das jeweilige zeitgenössische Verständnis herauszuarbeiten und daraus eine analytische Trennung abzuleiten. Auch vor dem Hintergrund der oben angeführten theoretischen Überlegungen, wonach historische ›Wirklichkeit‹ immer eine schrift-sprachlich vermittelte und damit subjektiv konstruierte ist, sodass es weder eine unmittelbar noch ›neutrale‹ Darstellung und Interpretation vergangener Lebenswelten geben kann, erscheint es angemessen, eine emische Herangehensweise zu wählen – wie dies Christian Kühner bereits für Freundschaften im französischen Adel des 17. Jahrhunderts getan hat147 –, und sich dabei der Sprache der Quellen zu bedienen, um nicht einer anachronistischen Interpretation zu erliegen bzw. Aussagen treffen zu müssen, die über die Möglichkeiten eines Historikers hinausgehen. Die über einen emischen148 Zugang gewonnenen Erkenntnisse werden dennoch soweit möglich in Beziehung zu den Ergebnissen der etisch149 ausgerichteten historischen Forschung gesetzt. Eine Untersuchung sozialer Nahbeziehungen allein entlang etischer Kategorien150 wird allerdings abgelehnt. Sie würde zwar zunächst den Vorteil eindeu146 Vgl. Seidel/Schuster, Freundschaft und Verwandtschaft, S. 151, die vor der Verwendung moderner Freundschaftsdefinitionen für das »Verständnis mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Semantiken« warnen. Vgl. zur Entwicklung der Freundschaft im 18. Jahrhundert Schmidt, Johannes F. K.: Das Verhältnis von Freundschaft und Liebe im 18. Jahrhundert, in: Freundschaft und Verwandtschaft. Zur Unterscheidung und Verflechtung zweier Beziehungssysteme. Hrsg. v. dems., Martine Guichard, Peter Schuster und Fritz Trillmich. Konstanz 2007, S. 115–143. 147 Ein Ansatz, der in der neueren historischen Freundschaftsforschung bereits verfolgt wurde. Vgl. Kühner, L’amiti¦ nobiliaire en France au XVIIe siÀcle, S. 26. 148 Vgl. Lett, James W.: Emic/etic distinctions, in: Encyclopedia of cultural anthropology. Hrsg. v. David Levinson und Melvin Ember. Bd. 2. New York 1996, S. 382, der einen emischen Zugang wie folgt definiert: »Emic constructs are accounts, descriptions, and analyses expressed in terms of the conceptual schemes and categories that are regarded as meaningful and appropriate by the members of the culture under study. An emic construct is correctly termed ›emic‹ if and only if it is in accord with the perceptions and understandings deemed appropriate by the insider’s culture.« 149 Vgl. ebd., S. 383, wonach ein etischer Zugang wie folgt verstanden wird: »Etic constructs are accounts, descriptions, and analyses expressed in terms of the conceptual schemes and categories that are regarded as meaningful and appropriate by the community of scientific observers. An etic construct is correctly termed ›etic‹ if and only if it is in accord with the epistemological principles deemed appropriate by science (i. e., etic constructs must be precise, logical, comprehensive, replicable, falsifiable, and observer independent).« 150 Vgl. Kettering, Patronage and kinship, S. 432, für eine entsprechende Klassifizierung sozialer Nahbeziehungen.

Vorannahmen und Zugänge

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tiger theoretischer Konstrukte bieten, die allerdings im Umgang mit Quellen bedingt durch die zahlreichen Überschneidungen auf semantischer und handlungspraktischer Ebene nur eine vermeintliche Klarheit vermitteln151. So erweisen sich die vor allem von der historischen Patronage-Forschung als Unterscheidungsmerkmale herangezogenen Kriterien152, wie Asymmetrie und Machtgefälle zwischen den beteiligten Personen oder das Gewähren von Schutz gegen den Erhalt von Loyalität153, in den ganz fundamental auf Ungleichheit und interpersonalem Austausch beruhenden Gesellschaften des Ancien R¦gime als Ausschlusskriterien für bestimmte Beziehungsformen nur begrenzt als sinnvoll; waren sie doch nicht Alleinstellungsmerkmale, sondern Eigenheiten aller Beziehungsformen der Frühen Neuzeit, wenn auch mit graduellen Unterschieden154. Da sich auf sprachlicher Ebene bei etischen Kategorien zudem das Problem der Unterscheidung zwischen »Explanans« und »Explanandum« stellt155, wird in 151 Vgl. Rexroth/Schmidt, Freundschaft und Verwandtschaft, S. 7–8, wonach für Freundschaft und Verwandtschaft als »zentrale Unterscheidungskriterien […] in der Regel Zuschreibung versus Freiwilligkeit und Permanenz versus Auflösbarkeit« herangezogen werden. Darüber, wie sich diese »Sozialbeziehungen genau konstituieren, wie sie sich tatsächlich voneinander unterscheiden und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen«, sei bisher aber nur unzureichend erforscht worden. Vgl. auch Jancke, Patronage, Freundschaft, Verwandtschaft, S. 190, die entsprechend keinen Sinn darin sieht, Patronage nur durch eine scharfe Abgrenzung gegenüber anderen sozialen Nahbeziehungen zu definieren, »so als könne eine bestimmte Beziehung nur entweder das eine oder das andere sein.« 152 Vgl. Kettering, Patronage in early modern France, S. 858, die die Bedeutung von bestimmten Worten und Taten als Erkennungsmerkmale bestimmter sozialer Nahbeziehungen betont. 153 Historiker, die diese Kriterien als Unterscheidungsmerkmale heranziehen, sind u. a. Peter Moraw, Victor Morgan und Sharon Kettering. 154 Vgl. Jancke, Patronage, Freundschaft, Verwandtschaft, S. 190, die auf die Schwierigkeit hinweist, Patronage von anderen Beziehungstypen scharf abzugrenzen. Stattdessen hebt sie als grundlegende Merkmale vormoderner Nahbeziehungen »die gegenseitigen Bindungen und Verpflichtungen der AkteurInnen untereinander und die Einbindung in eine Gabenkultur« hervor (ebd., S. 195). Vgl. auch Hengerer, Mark: Amtsträger als Klienten und Patrone? Anmerkungen zu einem Forschungskonzept, in: Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Hrsg. v. Stefan Brakensiek und Heide Wunder. Köln, Weimar, Wien 2005, S. 60, der am Beispiel des Kaiserhofes in Wien aufzeigt, dass in der dort verkehrenden Adelsgesellschaft »Ungleichheit zwischen den Personen stets gegeben ist, sodass das Merkmal der Asymmetrie keine Beziehung aus dem Modell von Patronage und Klientel ausschließt [Hervorhebung, R.S.]«. 155 Vgl. dazu Hengerer, Amtsträger als Klienten und Patrone?, S. 51–52, wonach ein Problem des deutschsprachigen Forschungsfeldes sei, dass die »zentralen Begriffe ›Patronage und Klientel‹ […] eine Doppelexistenz« führen, da sie sowohl in den Quellen, und damit »auf der Ebene der Selbstbeschreibung […] der frühneuzeitlichen Gesellschaft« vorkommen, als auch Forschungstermini verwendet werden, »wobei die Begriffsbildung teils auf einen mehr oder weniger komplexen analytischen Begriff, teils auf einen Idealtypus, teils auf komplexere Modellbildung abzielt.« In der französischsprachigen Forschung stellt sich dieses Problem in dieser Art nicht, da die Begriffe ›Patron‹ und ›Klient‹ zeitgenössisch kaum

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Einleitung

der vorliegenden Arbeit, der Differenzierung Hengerers folgend, eine strukturelle Analyse der unter zeitgenössischen Semantiken verhandelten sozialen Nahbeziehungen vorgenommen156. Dabei wird sowohl die Annahme abgelehnt, dass es sich bei diesen Semantiken um wirklichkeitsgetreue Darstellungen vergangener Lebenswelten handelt, als auch die Vermutung, es handele sich dabei um reine Floskeln und Fiktion. Ergänzend zum bereits dargestellten erkenntnistheoretischen Bezug zwischen Quellen und historischer ›Realität‹ wird in Anlehnung an Ronald G. Asch »das Eigengewicht kultureller Normen und Praktiken« betont, wonach das Einlassen auf eine spezifische Terminologie »letzten Endes auch das Verhalten der Beteiligten« prägte und demnach nicht als »bloße Rhetorik«157 abgetan werden sollte. Darauf verweist insbesondere Paul D. McLean, wonach bereits auf sprachlicher Ebene ein wichtiger Akt für die Konstitution einer Beziehung erfolgt – und zwar jenseits der Bestätigung durch ›reale‹ Handlungen –, wenn über Selbstpräsentation beispielsweise Vertrauen evoziert und ein soziales ›Selbst‹ geschaffen wird158. Wie bereits bei McLean anklingt, wird auch in der vorliegenden Arbeit der Tatsache Rechnung getragen, dass die in den untersuchten Quellen in Erscheinung tretenden Subjekte verschiedene soziale Rollen in sich vereinen konnten, die wiederum einem diachronen Wandel unterlagen159. Demnach werden adelige Amtsträgerinnen als höfische Akteurinnen begriffen, die eingebunden waren in verschiedene soziale Nahbeziehungen, die in starkem Maße ihre Motivation und

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verwendet wurden. Stattdessen wird die Forschung dadurch erschwert, dass in den Quellen »ami« und »amiti¦« als »multi-purpose words« in Erscheinung treten und als sehr häufige Bezeichnung für Klienten und Klientel sowie Unterstützer, Verbündeter und Patron (Kettering, Friendship and clientage, S. 142–143; vgl. zum konkreten Vokabular auch dies., Patronage in early modern France, S. 848). Vgl. Hengerer, Amtsträger als Klienten und Patrone?, S. 69. Asch, Freundschaft und Patronage, S. 274. Vgl. McLean, Paul D.: The Art of the Network. Strategic Interaction and Patronage in Renaissance Florence. Durham, London 2007, S. 196. Vgl. auch Herman, The language of fidelity in Early Modern France, S. 6–7, der ebenfalls den Vorschlag macht, den Gebrauch von Sprache als für sich selbst bedeutungsvolle Handlung zu betrachten, wonach die historischen Akteure sich gewissermaßen eines Sprachspiels bedienten, dessen Regeln es ihnen erlaubten, den Beteiligten ihre Absichten in jeder Situation klar, und damit verständlich, zu machen. Damit sei es nicht notwendig, dass die Akteure tatsächlich an das glaubten, was sie über Loyalität und Zuneigung sagten und dass eine Übereinstimmung zwischen ihren Absichten und Handlungen nachgewiesen werden kann, da sich aus dem Sprachspiel die Notwendigkeit einer Übereinstimmung ergab, die ihr Handlungsspektrum notwendigerweise, unabhängig davon, ob sie das Gesagt so meinten oder nicht, beschränkte. Damit verwirft er den Ansatz früherer Debatten, die die Glaubwürdigkeit der Quellensprache davon abhängig machten, ob die frühneuzeitlichen Patrone und Klienten tatsächlich daran glaubten, was sie sagten oder nicht. Vgl. für Kritik an diesem Ansatz Smith, Jay M.: No more language games: Words, beliefs, and the political culture of early modern France, in: The American Historical Review 102/5 (1997), S. 1413–1440. Vgl. Moraw, Über Patrone und Klienten im Heiligen Römischen Reich, S. 7.

Vorgehen

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Handlungsmöglichkeiten beeinflussten, gleichzeitig aber auch den Raum für ›agency‹ boten, mittels derer sie modelliert und verändert werden konnten. Auf die Rekonstruktion ihrer konkreten Vernetzung am Hof wird jedoch aufgrund der bereits dargelegten erkenntnistheoretischen Prämissen verzichtet, nicht zuletzt auch, weil die Aussagekraft der meist lückenhaften Überlieferung sowie deren Repräsentativität sehr fragwürdig erscheint160. Im Folgenden werden Amtsträgerinnen demnach in den sozialen Rollen behandelt, in denen sie auch auf sprachlicher Ebene in den Quellen thematisiert werden, d. h. als parente161, amie, favorite, confidente und ma„tresse. Es erscheint dabei nicht problematisch, dass mit der gewählten Vorgehensweise beispielsweise nur ein Teil der ›tatsächlich‹ existierenden Patronage-Beziehungen erfasst werden kann, da hier gar nicht der Anspruch erhoben wird, ›alle‹ ›tatsächlich‹ existierenden sozialen Nahbeziehungen zu ermitteln, sondern lediglich die sich in der Verwendung bestimmter Termini für soziale Nahbeziehungen offenbarenden zeitgenössischen Logiken162.

4.

Vorgehen

Das in der vorliegenden Untersuchung gewählte Vorgehen orientiert sich an zweierlei Ausgangspunkten: Zum einen geht es vom zeitgenössischen Verständnis des Herrscherhofs aus, wonach »la cour« gleichermaßen »le lieu o¾ 160 Vgl. allgemein zur Netzwerkanalyse sowie ihren Vor- und Nachteilen Jansen, Dorothea: Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele. 3. überarb. Aufl. Wiesbaden 2006; Stegbauer, Christian (Hg.): Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in der Sozialwissenschaft. Wiesbaden 2008. Zur Anwendung der Netzwerkanalyse in der Geschichtswissenschaft vgl. Neurath, Wolfgang/ Krempel, Lothar: Geschichtswissenschaft und Netzwerkanalyse: Potenziale und Beispiel, in: Transnationale Netzwerke im 20. Jahrhundert. Historische Erkundungen zu Ideen und Praktiken, Individuen und Organisationen. Hrsg. v. Jürgen Mittag, Berthold Unfried, Marcel van der Linden. Wien 2008, S. 59–79. Zu den Wegbereitern der Untersuchung sozialer Verflechtungen gehört Wolfgang Reinhard (vgl. ders., Freunde und Kreaturen). Zu den damit verbundenen methodischen Problemen vgl. ders.: Oligarchische Verflechtung und Konfession in oberdeutschen Städten, in: Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Antoni Ma˛czak. München 1988, S. 62, wonach zwar beschränkte Verflechtungsstrukturen rekonstruiert werden können, die aber aufgrund der Quellenlage selten etwas über Handlungsintentionen der Akteure aussagen. Entsprechend sei auch der »Zusammenhang von sozialer Verflechtung und menschlichem Handeln im konkreten Einzelfall« nicht immer zwingend nachweisbar. 161 Darunter fallen auch andere Begriffe, die eine verwandtschaftliche Beziehung anzeigen, wie beispielsweise mÀre, fille und sœur. 162 Vgl. Rexroth/Schmidt, Freundschaft und Verwandtschaft, S. 12, wonach die Verwendung spezifischer Termini »Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden […] Konzepte sozialer Bindungen« zulassen.

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Einleitung

habite un Roy«, die »Officiers et la suitte du Prince« und die »Manieres de vivre — la Cour« umfasste163. Zum anderen wurde es angeregt durch die Mehrebenenanalyse von Nina Degele und Gabriele Winker, die der Unzulänglichkeit eindimensionaler Zugänge, die sich entweder auf soziale Strukturen oder auf individuell-subjektive ›agency‹ richten, mit einer dreistufigen Herangehensweise begegnet, die 1) makroperspektivisch gesellschaftliche Strukturen (inklusive Institution) und Bedingtheiten erfasst, 2) über symbolische Repräsentationen Normen, Werte, Ideologien und Deutungsmuster ebenso wie (hegemoniale) Diskurse ermittelt und 3) mikroperspektivisch interaktive Identitätskonstruktionen betrachtet164, die Aufschluss über Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten einzelner Akteure geben. Dabei wird dem Intersektionalitätskonzept Rechnung getragen, indem auf und zwischen den einzelnen Ebenen das Zusammenspiel verschiedener Analysekategorien berücksichtigt wird, deren Bedeutung je nach Untersuchungsgegenstand und -ebene variiert. Sowohl die genannten Analysekategorien als auch die Wechselwirkungen werden dabei aus sozialen Praxen abgeleitet165. Übertragen auf die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass zur Erfassung der Handlungsmöglichkeiten adeliger Amtsträgerinnen am französischen Königshof vor allem zwei zentrale Untersuchungsbereiche unterschieden werden: In den ersten beiden thematischen Kapiteln, »Lieu o¾ habite un Roy« und »Officiers et la suitte du Prince«, wird zunächst auf der Strukturebene offengelegt, welche institutionellen Rahmenbedingungen für adelige Amtsträgerinnen durch die königlichen Hofstaaten und die in ihnen ausgeübten Ämter am cour de France vorherrschten. Da die Strukturen des französischen Königshofes untrennbar verbunden sind mit seiner Entwicklung, erscheint es zunächst notwendig, einleitend seine wichtigsten Merkmale überblicksartig zu skizzieren. Daran anschließend wird der unmittelbare institutionelle Rahmen adeliger Amtsträgerinnen, den die Hofstaaten der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie bildeten, am Beispiel der maison de la reine umrissen, und dabei Besonderheiten und Entwicklungslinien der ›Frauenhofstaaten‹ aufgezeigt. Erst in einem nächsten Schritt werden eigens die von Frauen bekleideten Hofämter in der maison de la reine, maison de la dauphine, maison de madame, maison de la duchesse de Bourgogne und maison de la duchesse de Berry sowie der maison des 163 Cour, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Vgl. auch Hof, in: Grosses vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste […]. Verlegt von Johann Heinrich Zedler. Bd. 13: Hi-Hz. Halle und Leipzig 1735, Sp. 405, wonach »Hof« den Ort bezeichnete, an dem sich ein Fürst mit seinem Gefolge aufhielt. 164 Vgl. Degele/Winker, Intersektionalität als Mehrebenenanalyse, S. 2–3, 9. 165 Vgl. ebd., S. 3–4, 6, 15.

Vorgehen

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enfants de France behandelt. Auch hier werden vor dem Hintergrund der allgemeinen Kennzeichen von Hofämtern am cour de France sowie ihrer qualitativen und quantitativen Entwicklungstendenzen die Besonderheiten von Frauenhofämtern herausgearbeitet. Die Zugangsbedingungen zu entsprechenden Chargen ermöglichen es bereits, Informationen zu Stand, Herkunft, sozialer Einbindung, Familienstand und Alter der betreffenden Frauen und Mädchen zu ermitteln. Im Zusammenhang mit dem Eintritt in den Hofdienst werden damit verbundene Vor- und Nachteile für die Amtsträgerinnen selbst, aber auch ihr soziales Umfeld erwogen. Aufbauend darauf erfolgt eine Darstellung der verschiedenen, Frauen zugänglichen Hofchargen in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen und institutionell vorgegebenen Handlungsspielräumen, bevor abschließend Aussagen zu Dienstdauer, Gründen und Anlässen für das Ausscheiden aus einem Hofamt sowie Karrieren erörtert werden. Vor dem Hintergrund der Informationen darüber, welche Handlungsrahmen ›Frauenhofstaaten‹ und welche Handlungsmöglichkeiten von Frauen bekleidete Hofämter boten, zielt das dritte Kapitel – wie es der Titel »ManiÀre du vivre — la Cour« bereits andeutet – darauf ab, adelige Amtsträgerinnen im Hofleben und der dortigen sozialen Interaktion zu verorten, um auf einer Repräsentationsund Identitätsebene aufzuzeigen, welche Handlungsspielräume innerhalb der zeitgenössischen Denk-, Sag- und Machbarkeitshorizonte lagen. Entsprechend wird zunächst das Hofleben und soziale Gefüge des französischen Königshofs mit seinen zentralen Aspekten charakterisiert und die Besonderheiten der Regierungszeit Ludwigs XIV. herausgestellt. Angesichts des starken Wandels der frühneuzeitlichen Höfe durch die verstärkte Präsenz von Frauen werden auch Überlegungen dazu angestellt, inwiefern der cour de France ein cour des dames war und damit ein Handlungsrahmen, der das Agieren von Frauen in besonderem Maße begünstigte. Anschließend erfolgt eine Verortung adeliger Amtsträgerinnen im Hofleben und es wird aufgezeigt, welche Handlungsoptionen sich ihnen dort in der zeitgenössischen Wahrnehmung boten. Ausgehend von der außerhöfischen Lebenswelt ihres Standes im Allgemeinen und ihrer Geschlechtsgenossinnen im Besonderen wird erst in einem zweiten Schritt der Fokus auf adelige Amtsträgerinnen im Kontext höfischer Nahbeziehungen und Netzwerke gerichtet. Auf Grundlage der Annahme, dass über interpersonale, symmetrische und asymmetrische Nahbeziehungen, wie sie Verwandtschaft, Freundschaft und Patron-Klient-Verbindungen darstellen, die Rollen und Handlungsoptionen adeliger Frauen am Hof besonders gut erfasst werden können, liegt das Augenmerk hier vor allem auf der sozialen Interaktion und der darin zum Vorschein kommenden Konstruktion von Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten. Adelige Amtsträgerinnen werden in den sozialen Rollen der Verwandten, Freundin, Vertrauten, Favoritin und Königsmätresse untersucht. Auch wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten eigenständigen Handelns für

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Einleitung

Frauen im höfischen Leben zeitgenössisch denk-, sag- und machbar waren, welche Faktoren die Größe der Handlungsspielräume beeinflussten und welche Bedeutung ihrer Geschlechtszugehörigkeit dabei zugeschrieben wurde.

5.

Quellen und Quellenkritik

Für die Untersuchung der denk-, sag- und machbaren Handlungsspielräume adeliger Amtsträgerinnen am französischen Königshof bieten sich theoretisch vielfältige Quellen an166, die sich praktisch aber nur bedingt als geeignet erweisen, da sie teilweise nur wenige oder sogar gar keine diesbezüglichen Informationen enthalten. So hat beispielsweise die Recherche nach normativen Handlungsvorgaben für adelige, höfische Frauen im deutschen und französischen Sprachraum ergeben, dass zwar für das 16. Jahrhundert mit Baldassare Castigliones »Cortegiano«167 und für das 18. Jahrhundert mit den Schriften der deutschen Zeremonialwissenschaft Werke vorliegen168, die Handlungsoptionen teilweise thematisieren, doch konnte kein entsprechender Befund für die Druckschriften des 17. Jahrhunderts ermittelt werden169. Zwar erlebte die Hofpräzeptistik in Frankreich mit den zentralen Schriften Farets170 und Du Refuges171 ab den 1630er Jahren einen Aufschwung, doch wandten sich diese in erster Linie an aufstrebende, bürgerliche Männer, denen sie Anweisungen zum erfolgreichen Auftreten am Herrscherhof erteilten, während sie höfische Frauen nur beiläufig und im Zusammenhang mit Konversation erwähnten172. Ähnliche Ergebnisse zeitigte auch die Lektüre moralischer Verhaltenstraktate173, die im 166 Vgl. z. B. Müller, Der Fürstenhof, S. 77–85, der als Quellen für den Hof u. a. Fürstenspiegel, Hausväterliteratur, Testamente, Regimentstraktate, Regierungslehren, Hofordnungen und Hofkalender sowie Hof- und Zeremonialliteratur anführt. 167 Vgl. Castiglione, Baldassare: Das Buch vom Hofmann. Übersetzt, eingeleitet und erläutert von Fritz Baumgart. Bremen 1960. 168 Vgl. den Beitrag von Koloch, Sabine: Zeremoniellbücher als Forschungsaufgabe kulturhistorischer Frauenforschung, in: kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften 24/4 (1996), S. 43–60. Darin untersucht sie die Zeremonialschriften Lünigs, Mosers und Rohrs auf die Thematisierung von Frauen, die jedoch nicht direkt »adressiert oder instruiert« werden (vgl. ebd., S. 43). 169 Die Forschung begnügt sich bisher damit, auf die Behandlung der Hofdame im Werk Castigliones und der Zeremonialschriften des 18. Jahrhunderts zu verweisen. Die zwischen diesen liegende, fast 200-jährige und daher erklärungsbedürftige Lücke wird jedoch unterschlagen. Vgl. dazu Bastl, Beatrix/Heiss, Gernot: Hofdamen und Höflinge zur Zeit Kaiser Leopolds I. Zur Geschichte eines vergessenen Berufsstandes, in: Zˇivot na dvorech barokn† ˇ esk¦ Bude˘jovice 1996 (Opera Historica, 5), S. 188–189. sˇlechty (1600–1750). C 170 Vgl. Faret, Nicolas: L’honnÞte homme ou l’art de plaire — la cour. Paris 1630. 171 Vgl. Du Refuge, Etienne: Trait¦ de la cour ou instruction des courtisans. Amsterdam 1656. 172 Vgl. Faret, L’honnÞte homme ou l’art de plaire — la cour, S. 220–225. 173 Vgl. Aubignac, FranÅois-Hedelin Abb¦ d’: Les Conseils d’Artiste a Celimene sur les moyens

Quellen und Quellenkritik

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französischen Raum vor allem im Kontext der Querelle des femmes entstanden und sich nicht am Hof, sondern am ›Aufstieg‹ bürgerlicher Frauen im Kontext der neu entstehenden Salons entzündeten, dem sie entweder befürwortend oder ablehnend gegenüberstanden. Adelige Frauen wurden zwar in den »galeries des femmes fortes«174 als Beispiele für besonders tugendhaftes Handeln thematisiert, doch findet der Hof als Handlungsrahmen dabei ebenso wenig Erwähnung. Diese negativen Befunde bzw. die Nichtthematisierung adeliger, höfischer Frauen in den normativen Schriften des 17. Jahrhunderts lassen darauf schließen, dass im Gegensatz zum vorhergehenden und nachfolgenden Jahrhundert für diesen Bereich scheinbar kein Regelungsbedarf bestand und dass sich über sie nur ein begrenzter Zugang zur eingangs entworfenen Fragestellung bietet. Anders stellt sich die Situation hingegen bei administrativen Schriftstücken und Ego-Dokumenten dar, die zwar wie alle überlieferten Quellen nur einen auf uns gekommenen Restbestand bilden, der es dennoch ermöglicht, einen weiten und differenzierten Blick auf das im Zusammenhang mit dieser höfischen Frauengruppierung zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbare einzunehmen. Auch beinhaltete er – wie für die Mehrebenenanalyse von Degele und Winker erforderlich – Informationen über die mit den Amtsträgerinnen verbundenen institutionellen Strukturen des Hofes, kulturelle Repräsentationen sowie soziale Interaktionen und Subjekte. Entsprechend basiert die vorliegende Untersuchung adeliger Amtsträgerinnen am französischen Königshof vorrangig auf diesen beiden Quellenarten, auch wenn sie meist nur eine Außenperspektive bieten. Die institutionellen Strukturen des Hofes, die Amtsträgerinnen betrafen, werden auf Grundlage von administrativen Schriftstücken zu den Hofstaaten der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie und den darin für Frauen vorgesehenen Hofposten erarbeitet. Dafür werden Hofstaatslisten sowie Verwaltungs- und Finanzdokumente herangezogen175, die vorwiegend in den Archives Nationales176 (Paris) und der BibliothÀque Nationale177 (Paris) liegen und mit Ausnahme de conserver sa Reputation […]. Paris 1666; Du Bosq: L’Honneste femme, divis¦e en trois parties […]. Paris 1665; Nolfi, Vincenzo: Unterweisung des Frauenzimmers Oder LehrSätze der Höflichkeit für eine Adeliche Dam. Nürnberg 1690. 174 Vgl. z. B. LeMoyne, Pierre: La gallerie des femmes fortes. Genf 1667. 175 Dabei handelt es sich vorwiegend um brevets, provisions d’office, d¦clarations, ordonnances und rÀglements. Vgl. Archives Nationales O1 1–128. Registres du secretariat de la maison du roi, 1610–1786. 176 Vor allem die Bestände AN O1 Maison du roi (O1 3713–3714 Maison de la reine MarieTh¦rÀse, 1676–1679; O1 3715 Maison du duc et de la duchesse de Bourgogne, 1690–1699; Maison de la duchesse de Berry : ordonnance de payement. 1711–1715; O1 3716 Maison de la duchesse de Bourgogne: provisions d’office, exp¦ditions, 1698–1701), KK Comptes des princes du sang (KK 231 Compte de la tr¦sorerie g¦n¦rale de la maison de la dauphine Marie-Anne Victoire Christine de BaviÀre, 1687; KK 260 Marie-Ad¦laide, duchesse de Bourgogne: compte de la maison, 1702) und Z1A Cour des aides (Z1A 511–513 Maison de la

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des Staatskalenders »Êtat de la France«178 weitgehend aus Manuskripten bestehen. Außerdem werden vereinzelt ›offizielle‹ Schriftstücke zu Festlichkeiten179 sowie Periodika180 hinzugezogen, die als Drucke und Handschriften zugänglich sind. Da im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Herrscherhöfen181 für die Aufgabenbereiche und Amtskompetenzen der einzelnen Hofämter – außer der gouvernante des enfants de France182 – keine spezifischen Instruktionen überliefert sind183, muss auf Hofstaatslisten184, Ernennungsurkunden185, Treueeide186 und rÀglements zur Beilegung von Streitigkeiten187 zurückgegriffen werden, die trotz ihrer meist formelhaften Sprache diesbezügliche Informationen vermit-

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reine, Êtat des officiers, 1647–1787; Z1A 514 Maison de la dauphine, 1680–1712; Maison de la duchesse de Bourgogne, 1698–1710; Z1A 519 Maison de la duchesse d’Orl¦ans, 1698–1713; Z1A 523 Maison de mademoiselle de Chartres, 1692–1695, Maison du duc et de la duchesse de Berry, 1710–1719). Vgl. BibliothÀque Nationale (BN): Êtats la maison de la reine, 1662–1680 (ms. fr. 22713, 22714); »Abr¦g¦ des estats de la Maison de la reine et des attributs — chacun des officiers en particulier«, 1676 (ms. fr. 2512). Êtat de la France […]. Hrsg. v. N. Besongne. Paris 1661–1749. Vgl. F¦libien, Andr¦: Relation de la fÞte de Versailles du dix-huit juillet mille six cent soixante-huit. Les Divertissements de Versailles. Donn¦s par le roi — toute sa cour au retour de la conquÞte de la Franche-Comt¦ en l’ann¦e mille six cent soixante-quatorze. Hrsg. v. Martin Meade. Paris 1994. Vgl. Mercure Galant. Paris 1672–1832. Vgl. Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, S. 12; Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 77; Kircher-Kannemann, Anja: Organisation des Frauenzimmers im Vergleich zu männlichen Höfen, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Stuttgart 2000 (Residenzenforschung, 11), S. 240. Kircher-Kannemann verweist auf Frauenhofordnungen, die darauf absahen, die Amtsträgerinnen »zu christlich tugendhaftem Verhalten zu verpflichten, ebenso wie zu getreuer Diensterfüllung und Respekt gegenüber den fürstlichen Personen.« Vgl. auch Koloch, Zeremoniellbücher als Forschungsaufgabe kulturhistorischer Frauenforschung, S. 50, die des Weiteren auf die ebenfalls darin enthaltenen »berufsethischen Postulate« hinweist, wonach die Kontrolle des »eigene[n] Gefühlsleben[s] und Gehorsamsbereitschaft an oberster Stelle« standen. Für die gouvernante des enfants de France hingegen ist ein handschriftliches Buch überliefert, das den Zeitraum zwischen 1704 und 1744 behandelt, und die wichtigsten Aufgaben und Funktionen dieses Hofamtes verzeichnet (vgl. AN 273 AP 389; KK 1452). Vgl. auch Kleinman, Social Dynamics and the French Court, S. 523, Fn. 14. Die unveröffentlichten, handschriftlichen Hofstaatslisten der weiblichen Angehörigen der maisons royales finden sich überwiegend in den AN: für die Königin vgl. O1 3713–3715, Z1A 511–513; für die Dauphine vgl. AN Z1A 514, KK 231; für Madame vgl. AN Z1A 519; für die Duchesse de Bourgogne vgl. AN Z1A 514, O1 3715, KK 260, und für die Duchesse de Berry O1 3715. Für die Ernennungsurkunden von Amtsträgerinnen in den maisons royales vgl. AN O1 10, 24, 48, 53, 66, 3714. Vgl. auch in der BN, Collection Clairambault 1079 (61). Für den genauen Wortlaut des Treueeides, den die gouvernante des enfants de France ablegen musste vgl. AN 273 AP 389, fol. 1–2; AN O1 48, fol. 82v–83v. Vgl. BN, Collection Clairambault 814, fol. 675–676 »Reglement entre la surintendante et la Dame d’honneur de la Royne« (5. Mai 1661); BN, Baluze 182, fol. 63r–63v »Fonctions de la Surintendante de la maison de la Reyne & de la Dame d’honneur« (14. Mai 1661).

Quellen und Quellenkritik

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teln. Als hilfreich erwies sich auch das von Guyot und Merlin Ende des 18. Jahrhunderts erstellte Kompendium, das schwerpunktmäßig die Zeit zwischen Ludwig XV. und Ludwig XVI. behandelt, aber auch den Hof ihres Vorgängers thematisiert188. Für die Ermittlung von Standeszugehörigkeit, Herkunft, verwandtschaftlichen Verbindungen, Familienstand und Lebensdaten werden des Weiteren genealogische Werke herangezogen189. Da die anhand dieses Quellenmaterials gemachten Aussagen den Eindruck erwecken könnten, dass damit historische Tatbestände rekonstruiert werden, sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein solcher Anspruch weder erhoben wird noch erhoben werden kann. Am Beispiel der Hofstaatslisten lässt sich aufzeigen, dass heutige Archivbestände aufgrund mehrfacher Brände und anderer Zerstörungen nur eine lückenhafte Überlieferung zur Verfügung stellen und es sich selbst bei den auf uns gekommenen Quellen nur teilweise um Originale und oft um unterschiedlich präzise Abschriften handelt190, die zudem eigenen Logiken folgen. So erschienen die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts als Druckschriften veröffentlichten Hofstaatslisten, die sowohl die Zusammensetzung der maisons royales als auch »quelques renseignements sur le gouvernement du royaume et son ¦lite sociale«191 enthalten, sehr unregelmäßig, d. h. mit Lücken von bis zu sechs Jahren. Ihr größtes Manko stellt die unvollständige Wiedergabe der sich im Hofdienst befindlichen Personen dar, denn bestimmte services wurden nur teilweise erfasst, so vor allem die ¦curies und die services de chasse. Auch wird nicht immer klar zwischen officiers domestiques royaux und denjenigen, die diese Qualität nicht besaßen, unterschieden. Da die entsprechenden Hofstaatslisten teils zu Beginn eines Jahres, teils nachträglich erstellt worden sind, kann auch nicht immer mit Gewissheit festgestellt werden, inwiefern die darin benannten Personen tatsächlich die ihnen zugeschriebenen Chargen bekleidet hatten. Erschwerend kommen außerdem bisweilen stark voneinander abweichende bzw.

188 Vgl. Guyot, Pierre-Jean-Jacques-Guillaume/Merlin, Philippe-Antoine: Trait¦ des droits, fonctions, franchises, exemptions, pr¦rogatives et privilÀges annex¦s en France — chaque Dignit¦, — chaque Office & — chaque Etat, soit Civil, soit Militaire, soit Eccl¦siastique. 4 Bde. Paris 1786–88. 189 Vgl. Anselme de la sainte Vierge [Pierre Guibours, dit le PÀre]: Histoire g¦n¦alogique et chronologique de la maison royale de France, des pairs, des grands officiers de la couronne, de la maison du Roy et des anciens Barons du Royaume. 9 Bde. 2. Aufl. Paris 1726–1733 (Neudruck New York 1967). 190 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 139; Boucher, Jacqueline: L’¦volution de la maison du roi des derniers Valois aux premiers Bourbons, in: XVIIe siÀcle 137/4 (1982), S. 360. 191 Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 360.

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widersprüchliche Überlieferungen hinzu, sodass bestenfalls von einer ungefähren, rechnerischen Realität der Quellen ausgegangen werden kann192. Vergleichbare Probleme ergeben sich aber auch im Hinblick auf personenbezogene Angaben zu adeligen Amtsträgerinnen. Bereits Kleinman weist im Zusammenhang mit ihrer Untersuchung der Hofstaatslisten von Anna von Österreich auf die Probleme hin, die sich durch veränderte Namen und nicht mehr identifizierbare Personen ergeben. Auch für die vorliegende Untersuchung bereiteten abweichende Schreibweisen von Eigennamen Schwierigkeiten und konnten insbesondere zu niedrigrangigen Amtsträgerinnen häufig keine weiteren personenbezogenen Informationen ermittelt werden. Grund hierfür ist u. a. die Schwerpunktlegung genealogischer Nachschlagewerke auf die männliche Linie und die unvollständige Erfassung der weiblichen Familienmitglieder193. Trotz dieser Einschränkungen steht die namentliche Ermittlung von Amtsträgerinnen am Hof Ludwigs XIV. anhand von Hofstaatslisten am Anfang der Quellenarbeit, bildet sie doch die unentbehrliche Grundlage für alle weiteren Recherche- und Analyseschritte194. Der zweite zentrale Untersuchungsbereich der vorliegenden Arbeit, der auf das zeitgenössisch denk-, sag- und machbare Handlungsspektrum adeliger Amtsträgerinnen in der sozialen Interaktion am französischen Königshof abzielt, wird vorrangig über Ego-Dokumente195 erarbeitet. Hierbei stellen zwar Briefe einen wünschenswerten196, aber häufig nicht vorhandenen Quellenbestand 192 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 140. 193 Vgl. Kleinman, Social Dynamics and the French Court, S. 523–525. 194 Für die Ermittlung der Amtsträgerinnen am französischen Königshof unter Ludwig XIV. wurden vor allem die handschriftlichen Hofstaatslisten der AN (O1 3713–3715; KK 231, 260; Z1A 511–514, 519) und die gedruckten und publizierten Êtats de la France ausgewertet. 195 Vgl. Schulze, Winfried: Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vorüberlegungen für die Tagung »EGO-DOKUMENTE«, in: Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte. Hrsg. v. ders. Berlin 1996 (Selbstzeugnisse der Neuzeit, 2), S. 21, wonach unter Ego-Dokumenten »alle jene Quellen verstanden werden, in denen ein Mensch Auskunft über sich selbst gibt, unabhängig davon, ob dies freiwillig – also etwa in einem persönlichen Brief, einem Tagebuch, einer Traumniederschrift oder einem autobiographischen Versuch – oder durch andere Umstände bedingt geschieht.« Zur Methodendiskussion vgl. auch Krusenstjern, Benigna von: Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie. Kultur, Gesellschaft, Alltag 2 (1994), S. 462–471; Brändle, Fabian/Greyerz, Kaspar von/Heiligensetzer, Lorenz/Leutert, Sebastian/Piller, Gudrun: Texte zwischen Erfahrung und Diskurs. Probleme der Selbstzeugnisforschung, in: Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen (1500–1850). Hrsg. v. Kaspar von Greyerz, Hans Medick und Patrice Veit. Köln, Weimar, Wien 2001 (Selbstzeugnisse der Neuzeit, 9), S. 3–31. 196 In der geschichtswissenschaftlichen Forschung wird ihr Quellenwert vor allem darin gesehen, dass sie, im Gegensatz zu normativen Quellen, Zugang zur Innensicht, Erfahrungsebene und Selbstdarstellung ermöglichen (vgl. Brändle/Greyerz/Heiligensetzer/Leutert/Piller, Texte zwischen Erfahrung und Diskurs, S. 12).

Quellen und Quellenkritik

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dar197. Für adelige Amtsträgerinnen am französischen Königshof konnten trotz eingehender Recherchen bis auf vereinzelte Briefe198 keine umfassenden Korrespondenzen ermittelt werden199. Die Erarbeitung tief gehender Fallstudien war damit nicht möglich und muss weiterhin ein Forschungsdesiderat bleiben. Hingegen existiert für das 17. und 18. Jahrhundert und insbesondere für den Hof Ludwigs XIV. eine umfangreiche Memoirenliteratur200, die vor dem Hintergrund der gewählten Fragestellung gleich in mehrfacher Hinsicht als geeignete Quellenbasis erscheint. Bei Memoiren handelt es sich aus heutiger Perspektive um eine literarische Gattung, die in Frankreich seit dem 16. Jahrhundert eine zunehmende Differenzierung und Verbreitung fand und dabei die höchsten Gesellschaftskreise eroberte201. Ihre Niederschrift unter unterschiedlichsten Titeln202 wurde zu einer

197 Ein Grund dafür kann die in Frankreich praktizierte Gepflogenheit gewesen sein, die Briefe, die eine Person zu ihren Lebzeiten erhalten hatte, nach ihrem Tod zu vernichten (vgl. dazu Madame Palatine. Lettres franÅaises. Hrsg. v. Dirk Van der Cruysse. Paris 1989, S. 14). 198 In den Fonds d’Archives Priv¦es der Archives Nationales (Paris) (so z. B. 101 AP Fonds Gramont, 111 AP Fonds Noailles, de Beaumont, de Grossolles-Flamarens, 273 AP Fonds Rohan-Bouillon, 274 AP Fonds Bouillon) und den Sammlungen der BN (z. B. Clairambault, Colbert, Dangeau und Dupuy) konnten vereinzelte, unveröffentlichte Dokumente ermittelt werden. 199 Für die Zeit Ludwigs XIV. sind hingegen von anderen adeligen Frauen Korrespondenzen überliefert, so beispielsweise von Madame de S¦vign¦. Lettres. 1684–1696. Hrsg. v. Êmile G¦rard-Gailly. 3 Bde. Paris 1953–1963 (BibliothÀque de la Pl¦iade, 97, 112, 124). Für den Hof selbst sei auf die Briefe von Elisabeth Charlotte von Orl¦ans hingewiesen, deren mehrere tausend Briefe umfassende Korrespondenz weitgehend am französischen Königshof entstanden ist. Für eine aktuelle Editionen vgl. Liselotte von der Pfalz in ihren Harling-Briefen. Hrsg. v. Hannelore Helfer. 2 Bde. Hannover 2007 (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 102). 200 Für die Zeit und den Hof Ludwigs XIV. wurden von verschiedenen Personen Memoiren verfasst und meist mit großem zeitlichen Abstand veröffentlicht. Einen Überblick über die Memoirenschreiber bietet Niderst, Alain: Les franÅais vus par eux-mÞmes. Le siÀcle de Louis XIV. Anthologie des m¦morialistes du siÀcle de Louis XIV. Paris 1997. Hier seien lediglich einige neuere Publikationen angeführt: Rochefoucauld, FranÅois, Duc de La: Maximes et reflections diverses. Hrsg. v. Jean Lafond. 2. Aufl. Paris 1976; Choisy, FranÅoisTimol¦on de: M¦moires. Hrsg. v. Georges Mongr¦dien. Paris 2000; Retz, Jean-FranÅois-Paul de Gondi: M¦moires. Hrsg. v. Marie-Th¦rÀse Hipp und Michel Pernot. Paris 2003; La Grande Mademoiselle. M¦moires. Hrsg. v. Bernard Quilliet. Paris 2005. 201 Vgl. Garapon, Jean: M¦moires, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime. Royaume de France XVIe-XVIIIe siÀcle. Hrsg. v. Lucien B¦ly. Paris 1996, S. 814. Vgl. auch die Zusammenfassung zu den Genre-Merkmalen von Memoiren: Mesnard, Jean: Conclusion. Les M¦moires comme genre, in: Le genre des m¦moires, essai de d¦finition. Hrsg. v. Madeleine Bertaud und FranÅois-Xavier Cuche. Paris 1995, S. 361–371. 202 Vgl. Ribard, Dinah: Les M¦moires sans le genre, in: Le sens du pass¦. Pour une nouvelle approche des M¦moires. Hrsg. v. Marc Hersant, Jean-Louis Jeanelle und Damien Zanone. Rennes 2013, S. 29–40, hier S. 31.

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Einleitung

regelrechten sozialen Praxis des Adels203, die auch Frauen Zugang zum literarischen Schaffen eröffnete, wenngleich nur wenige sich tatsächlich als Autorinnen zu erkennen gaben204. Handlungsrahmen ist häufig – wie für diesen Stand naheliegend – der Königshof205. Berichtet wird aus der Perspektive des Verfassers, der mehr oder weniger deutlich als ›Ich‹ in Erscheinung tritt und meist in chronologischer Reihenfolge und im Rahmen seiner eigenen Biographie das behandelt, was er gesehen oder getan hat206. Auch wenn Memoiren sich nicht zwingend an ein großes Publikum richteten207, wurden sie doch für andere geschrieben, um eine bestimmte Sichtweise auf Ereignisse wiederzugeben und die eigene Rolle darin möglichst vorteilhaft darzustellen. Ganz zentral ist die Motivation, (historische) Ereignisse zu dokumentieren und über die (eigene) Wahrheit aufzuklären. Es verwundert daher nicht, wenn eine gewisse »apologetische Tendenz«208 vorhanden ist. Ebenso kennzeichnet Memoiren nicht selten ein didaktischer und moralisierender Duktus, dem insbesondere in Werken von Frauen ein beachtlicher Stellenwert zukommt209. Als Motor für die Niederschrift 203 Vgl. Hipp, Marie-Th¦rÀse: Mythes et r¦alit¦s. EnquÞte sur le roman et les m¦moires (1660– 1700). Paris 1976, S. 28. 204 Vgl. Garapon, M¦moires, S. 813; Cu¦nin, Micheline: Les M¦moires f¦minins du XVIIe siÀcle, disparit¦s et convergences, in: Le genre des m¦moires, essai de d¦finition. Hrsg. v. Madeleine Bertaud und FranÅois-Xavier Cuche. Paris 1995, S. 103. Vgl. auch Goldsmith, Elizabeth C.: Publishing Women’s Life Stories in France, 1647–1720: From Voice to Print. Aldershot 2001. 205 Vgl. Hipp, Mythes et r¦alit¦s, S. 28. Vgl. auch Hepp, No¦mi (Hg.): La cour au miroir des m¦morialistes 1530–1682. Paris 1991 (Actes et colloques, 31), worin alle wichtigen Memoiren, die den Hof im genannten Zeitraum behandeln, unter verschiedenen Fragestellungen betrachtet werden. 206 Vgl. Engelbrecht, Jörg: Autobiographien, Memoiren, in: Einführung in die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Neuzeit. Hrsg. v. dems., Bernd-A. Rusinek, Volker Ackermann. Paderbon [u. a.] 1992, S. 65. Vgl. auch Carrier, Hubert: Pourquoi ¦crit-on des m¦moires au XVIIe siÀcle, in: Le genre des m¦moires, essai de d¦finition. Hrsg. v. Madeleine Bertaud und FranÅois-Xavier Cuche. Paris 1995, S. 137–151, hier S. 151, der darauf hinweist, dass das ›Ich‹ der Memoirenschreiber im Laufe des 17. Jahrhunderts immer deutlicher zum Vorschrein kommt. 207 Vgl. Hipp, Mythes et r¦alit¦s, S. 24–26; Niderst, Alain: Les M¦moires comme genre nostalgique?, in: Le genre des m¦moires, essai de d¦finition. Hrsg. v. Madeleine Bertaud und FranÅois-Xavier Cuche. Paris 1995, S. 111–118, hier S. 117. Vgl auch Briot, Fr¦d¦ric: Usage du monde, usage de soi. EnquÞte sur les m¦morialistes d’Ancien R¦gime. Paris 1994, S. 33, wonach es sich bei Memoiren meist um Texte »de nature priv¦e« handelt, die in einer kleinen Stückzahl in einem begrenzten sozialen und räumlichen Radius kursierten. Vgl. auch Lesne-Jaffro, EmmanuÀle: Les M¦moires et leurs destinataires dans la seconde moiti¦ du XVIIe siÀcle, in: Le genre des m¦moires, essai de d¦finition. Hrsg. v. Madeleine Bertaud und FranÅois-Xavier Cuche. Paris 1995, S. 27–44, hier S. 43, die darauf hinweist, dass M¦moires Werke sind, die zur Veröffentlichung bestimmt waren. 208 Engelbrecht, Autobiographien, Memoiren, S. 64. Vgl. auch Carrier, Pourquoi ¦crit-on des m¦moires, S. 141. 209 Vgl. Cu¦nin, Les M¦moires f¦minins, S. 106.

Quellen und Quellenkritik

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von Memoiren konnte auch Revanche eine Rolle spielen210 ; pure Sentimentalität hingegen lässt sich kaum ausmachen, auch wenn sich in vielen Werken die Vorstellung einer im Niedergang begriffenen idealen Welt findet211. Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive liegt der besondere Wert von Memoiren darin, dass es sich hierbei um »persönliche Quellen« handelt, die die Innensicht eines historischen Akteurs wiedergeben und damit über eine gewisse »Unmittelbarkeit«212 verfügen. Dennoch handelt es sich hierbei auch um historische Dokumente, die definitorisch nicht einfach zu greifen sind, was nicht zuletzt ihrer großen formalen Originalität und Vielfalt geschuldet ist213. Aus quellenkritischer Sicht handelt es sich um eine schwierige Textgattung214, die, Zeugnis eines Individuums und einer Epoche zugleich, weder historisch präzise noch gänzlich fiktiv ist. Als »enfants de la m¦moire et de l’imagination« gehören sie entsprechend mehreren Genres an215. Ein weiteres Charakteristikum ist der teilweise große Abstand zwischen der erzählten Zeit und dem Zeitpunkt der Niederschrift216. Beides macht den spezifischen Charakter von Memoiren aus, wirft aber auch erkenntnistheoretische Probleme auf. Die Beschreibung und Beurteilung vergangener Ereignisse beruht auf Erinnerung217 und ist damit per se selektiv und Veränderungen unterworfen. Da nicht mit Gewissheit ermittelt werden kann, was ein Autor erinnert und was er erfindet, bieten sie keine über die subjektive Wahrnehmung hinausgehende ›Realität‹ oder ›Wahrheit‹218, vorausgesetzt eine solche wird angesichts der Erkenntnismöglichkeiten der Geschichtswissenschaft überhaupt gesucht. Entsprechend geben diese Quellen – wie Fumaroli in Bezug auf Madame de Motteville schreibt – »beaucoup plus sur son auteur que sur les faits qui en sont le pr¦texte«219 preis und gewähren vor allem Zugang zum »univers mental des hommes et des femmes d’Ancien R¦gime«220. Daran anknüpfend werden Memoiren in der vorliegenden Arbeit als

210 Vgl. Hipp, Mythes et r¦alit¦s, S. 28. 211 Vgl. Engelbrecht, Autobiographien, Memoiren, S. 65; Niderst, Les M¦moires comme genre nostalgique, S. 117. 212 Engelbrecht, Autobiographien, Memoiren, S. 61. 213 Vgl. Hipp, Mythes et r¦alit¦s, S. 23. 214 Zu besonders ausführlichen Darstellungen französischsprachiger Memoiren und der Kriterien ihrer Bestimmung vgl. Briot, Usage du monde, usage de soi; Hipp, Mythes et r¦alit¦s. 215 Hipp, Mythes et r¦alit¦s, S. 29. 216 Vgl. ebd., S. 31; Briot, Fr¦d¦ric: Du dessein des m¦morialistes: la seconde vie, in: Le genre des m¦moires, essai de d¦finition. Hrsg. v. Madeleine Bertaud und FranÅois-Xavier Cuche. Paris 1995, S. 183–192, hier S. 184. 217 Vgl. Engelbrecht, Autobiographien, Memoiren, S. 62. 218 Vgl. Hipp, Mythes et r¦alit¦s, S. 29–31. 219 Fumaroli, Marc: La confidente et la reine: Mme de Motteville et Anne d’Autriche, in: Revue des Sciences humaines, fasc. 115, Juli/Sept (1964), S. 265. 220 Garapon, M¦moires, S. 813. Vgl. auch Engelbrecht, Autobiographien, Memoiren, S. 61.

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eine Quelle betrachtet, über die zeitgenössische Vorstellungen221 denk-, sag- und machbarer Handlungsmöglichkeiten adeliger Amtsträgerinnen ermittelt werden können. Dabei wird nicht der Anspruch einer Allgemeingültigkeit für die gesamte zeitgenössische Gesellschaft erhoben. Dennoch wird davon ausgegangen, dass es sich dabei um »Elemente des mentalen Gitterwerks«222 dieser Epoche handelt. Um eine gewisse Repräsentativität dieses »Gitterwerks« zu gewährleisten, wurden aus der Vielzahl der Werke, die im Kontext des französischen Königshofs entstanden sind, die Erinnerungen der Comtesse de Caylus223 sowie die Memoiren der Dame de Motteville224, des Duc de Saint-Simon225 und des Marquis de Sourches226 als Quellengrundlage ausgewählt und vereinzelt durch EgoDokumente zentraler Hofangehöriger227 und Memoiren ausländischer Beobachter228 ergänzt. Diese Auswahl erscheint sinnvoll, da sie in ihrer Gesamtheit 221 Da Memoiren per definitionem nachträglich niedergeschriebene Erinnerungen sind, weisen sie immer einen zeitlichen Abstand zu den beschriebenen Ereignissen auf, sodass sie im eigentlichen Sinne rückblickende Wahrnehmungen von Handlungsmöglichkeiten darstellen. 222 Engelbrecht, Autobiographien, Memoiren, S. 63. 223 Vgl. Souvenirs de Madame de Caylus. Hrsg. v. Bernard NoÚl. Paris 2003. 224 Vgl. M¦moires pour servir — l’histoire d’Anne d’Autriche, ¦pouse de Louis XIII, roi de France. Par madame de Motteville. Une de ses Favorites. Hrsg. v. FranÅois Changuion. 5 Bde. Amsterdam 1723. 225 Vgl. Saint-Simon, Louis de Rouvroy, duc de: M¦moires. Nouvelle ¦d. collationn¦e sur le ms. autographe. augm. des additions de Saint-Simon au Journal de Dangeau et de notes et appendices. Et suivie d’un lexique des mots et locutions remarquables. Hrsg. v. Arthur M. de Boislisle. 41 Bde. Paris 1879–1928. 226 Vgl. Sourches, Louis-FranÅois du Bouchet: M¦moires sur le rÀgne de Louis XIV. Hrsg. v. Gabriel-Jules de Cosnac und Arthur Bertrand. Paris 1882–1893. 227 Hierbei wurden Personen ausgewählt, deren schriftlicher Kontakt mit Amtsträgerinnen überliefert ist. Aus der umfangreichen Korrespondenz der Königsmätresse Madame de Maintenon vgl. L’estime et la tendresse. Mme de Maintenon, Mme de Caylus et Mme de Dangeau. Correspondances intimes. Hrsg. v. Pierre-E. Leroy und Marcel Loyau. Paris 1998. Aus der ebenfalls mehrere tausend Briefe umfassenden Korrespondenz von Elibabeth Charlotte von der Pfalz, Duchesse d’Orl¦ans, vgl. Voss, Jürgen: Die Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orl¦ans an die ehemalige Versailler Hofdame Madame de Ludres, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 129 (1981), S. 234–275, und Auszüge aus den Briefen Elisabeth Charlottes an ihre Tante Sophie (vgl. Niedersächsisches Landesarchiv Hannover (NLH), Hann. Des. 91 Kurfürstin Sophie, 1, Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orl¦ans an die Kurfürstin). Zuletzt werden auch die Erinnerungen über das Leben einer ehemaligen Amtsträgerin herangezogen, deren Verschriftlichung von einem ihrer Nachkommen in Auftrag gegeben worden war und die heute als Manuskript erhalten sind (vgl. M¦moire abreg¦ sur la vie de Magdeleine de Gaillard Lonjumeau, de Ventabren, de Venel, sous-gouvernante des Enfans de France et Dame de la reine [BibliothÀque Mejanes, Ville d’Aix, MS 1182, 377R-271]). 228 Hier werden vor allem zwei Berichte ausländischer Beobachter herangezogen. Zum einen der von Jean-Baptiste Primi F¦licien Visconti Fassola de Rasa, Comte de Saint-Mayol, genannt Primi Visconti (1648–1713), der aus der Lombardei stammend sich zwischen

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fast die komplette persönliche Regierungszeit Ludwigs XIV. abdeckt229 und die Perspektive weiblicher wie männlicher Autoren einschließt. Letzteres ist nicht selbstverständlich, denn im Vergleich zu Männern haben deutlich weniger Frauen ihre Erinnerungen der Nachwelt überlassen230. Die ausgewählten Autorinnen und Autoren verfügten zudem über eine Innensicht des Hofes, sodass ihre Darstellung den Anspruch erheben kann, weitgehend auf eigenem Erleben zu basieren231. Für eine eingehendere Quellenkritik ist es jedoch unumgänglich, vor der Auswertung auf die Umstände der Entstehung und Veröffentlichung einzugehen sowie über den jeweiligen Lebenskontext des Verfassers Aufschluss über dessen Motivation und Perspektive zu erhalten. Von besonderem Interesse ist auch die Thematisierung sozialer Nahbeziehungen im Allgemeinen und adeliger Frauen und Amtsträgerinnen im Speziellen. Quellengrundlage der Analyse sind vollständige und möglichst originalgetreue Editionen, die jedoch – wie die meisten derartigen Druckschriften des 18. und 19. Jahrhunderts – selten den gegenwärtigen kritischen Ansprüchen genügen232. Auch liegen wie für Memoiren dieser Zeit üblich teilweise große Zeiträume zwischen der Niederschrift – sofern diese ermittelbar ist – und der Publikation: Saint-Simon begann seine Notizen 1694, verfasste seine Memoiren aber hauptsächlich zwischen 1739 und 1749, bis sie schließlich im 19. Jahrhundert erstmals publiziert wurden233. Sourches schrieb im Gegensatz dazu seine Memoiren noch während der Regierungszeit Ludwig XIV. nieder234. Motteville fasste ebenfalls bereits zu Lebzeiten Annas von Österreich den Entschluss, ihre Erinnerungen festzuhalten, der Großteil, wenn nicht alles, entstand jedoch

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230 231 232

233 234

1673–1684 in Paris aufhielt und dort auch mit Angehörigen der Hofgesellschaft verkehrte (vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV.). Zum anderen von Ezechiel Spanheim (1629–1710), der 1680–1689 außerordentlicher Botschafter des Kurfürsten von Brandenburg am französischen Königshof war (Spanheim, Ez¦chiel: Relation de la cour de France en 1690. Hrsg. v. M. C. Schefer. Paris 1882). Motteville behandelt in ihren Memoiren zwar vorrangig die Regierungszeit Annas von Österreich, aber auch die ersten Jahre der persönlichen Regentschaft von Ludwig XIV., nämlich die Zeit zwischen 1661 und 1666. Caylus wiederum, die den Aufstieg Madame de Maintenons nachzeichnet, deckt den Zeitraum zwischen 1680 und 1710 ab. Sourches setzt seine Memoiren 1681 ein und lässt sie 1712 enden. Saint-Simon hingegen beginnt mit 1680 und schließt mit 1723. Vgl. Cu¦nin, Les M¦moires f¦minins, S. 99–110. Vgl. Engelbrecht, Autobiographien, Memoiren, S. 62. Da für einen Großteil der für die vorliegende Untersuchung in Frage kommenden Werke – bis auf Nachdrucke – keine neuen Veröffentlichungen existieren, muss auf ältere zurückgegriffen werden. Bei der Auswahl wurde aber darauf geachtet, dass es sich um Publikationen handelt, die in der geschichtswissenschaftlichen Forschung üblicherweise herangezogen werden. Vgl. Garapon, M¦moires, S. 815; Briot, Usage du monde, usage de soi, S. 296. Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. XXVI.

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Einleitung

erst nach dem Tod ihrer Herrin 1666, wobei die erste Edition 1723 erschien235. Über Entstehungszeit und -kontext der Erinnerungen der Comtesse de Caylus ist nichts bekannt. Auch ist kein Manuskript erhalten, sondern lediglich die erste Veröffentlichung aus dem Jahr 1770236. Für das Verfassen ihrer Erinnerungen führen die Autoren unterschiedliche Gründe an. Saint-Simon gibt an die Ereignisse, deren Zeuge er gewesen war, »dans le d¦sir et dans l’esp¦rance d’Þtre de quelque chose«237 niedergeschrieben zu haben, und auch Sourches richtete sich dezidiert an die Nachwelt238. Motteville hingegen greift zur Feder in dem Bestreben, Anna von Österreich zu rechtfertigen und zu glorifizieren239, und Caylus, um ihren Freundinnen Vergnügen zu bereiten240. Hierbei lässt sich anknüpfend an Cu¦nins Beobachtung feststellen, dass sich Frauen und Männer unterschiedlicher Strategien bedienten, um ihre Autorschaft zu legitimieren. Demnach hätten Männer durch die Bekleidung militärischer oder ziviler Posten Anlass dazu gehabt, Rechenschaft abzulegen, für ihre Sache einzutreten oder eine Ungnade zu beklagen. Frauen hingegen blieb in Ermangelung solcher Stellen häufig nur das Vorbringen eines »motif d’ordre personnel«, das je nach Verfasserin variierte241. Alle Autorinnen und Autoren treten als ›Ich‹ unterschiedlich deutlich in ihren Texten in Erscheinung. Die Skala reicht von Saint-Simon, der die Geschicke seines Lebens detailliert thematisiert, bis hin zu Sourches, der als Erzähler fast gänzlich hinter seinen Darstellungen zurücktritt242. Entsprechend ihrer jeweiligen Ausrichtung unterscheidet sich auch – wie für Memoiren üblich – der meist chronologische Bezugsrahmen: Saint-Simon orientiert sich an seinem Leben, 235 Vgl. Briot, Usage du monde, usage de soi, S. 294. Vgl. aber Hipp, Marie-Th¦rÀse: La pens¦e politique de Madame de Motteville, in: Le sens du pass¦. Pour une nouvelle approche des M¦moires. Hrsg. v. Marc Hersant, Jean-Louis Jeanelle und Damien Zanone. Rennes 2013, S. 81–97, hier S. 95–96, wonach nichts darüber bekannt sei wann Motteville mit der Niederschrift ihrer Memoiren begonnen hat. 236 Vgl. Briot, Usage du monde, usage de soi, S. 283–284. 237 Niderst, Les franÅais vus par eux-mÞmes, S. IV. 238 Vgl. Duchene, Roger : Lettres et m¦moires. La marquise de S¦vign¦ et le grand pr¦vot de Sourches, in: XVIIe siÀcle 94–95 (1972), S. 81. 239 Dies deutet sich bereits in dem Titel ihrer Memoiren an, der lautet: »pour servir — l’histoire d’Anne d’Autriche«. Vgl. auch Laverny, Sophie de: La valeur du t¦moignage chez les commensaux m¦morialistes au XVIIe siÀcle, in: M¦moire et ¦criture. Hrsg. v. Monique L¦onard. Paris 2003, S. 252–253, wonach Motteville sie einzig für sich selbst verfasst habe. Vgl. aber Aron, M¦lanie: Les m¦moires de madame de Motteville: du d¦vouement — la d¦votion. Nancy 2003 (Collection publications du Centre d’Êtudes des Milieux Litt¦raires, 3), S. 7, die es für weitaus wahrscheinlicher hält, dass Motteville sie niederschrieb, um gelesen zu werden, da sie sich darin immer wieder an die Nachwelt richtet. 240 Vgl. Sauv¦, Rachel: Les Souvenirs de madame de Caylus. Causerie ¦crite ou projet scripturaire?, in: Dalhousie French Studies 47 (1999), S. 51–60, hier S. 53. 241 Vgl. Cu¦nin, Les M¦moires f¦minins, S. 99–110. 242 Vgl. DuchÞne, Lettres et m¦moires, S. 78–79.

Quellen und Quellenkritik

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Sourches an seiner Dienstzeit, Motteville am Leben Annas von Österreich und Caylus am Aufstieg Madame de Maintenons. Innerhalb des jeweiligen Kontextes wird eine große Bandbreite politischer, sozialer, alltagsgeschichtlicher und personenbezogener Aspekte behandelt243. Bei allen Autoren finden Hof und Hofgesellschaft besonders häufig Erwähnung, die Art der Darstellung variiert jedoch und ist daher vor dem Hintergrund der Spezifika des jeweiligen Werks und der persönlichen Lebenssituation des Verfassers bzw. der Verfasserin zu betrachten. Marthe-Marguerite Le Valois de Villette de MurÅay, Comtesse de Caylus (1671–1729), war Tochter eines protestantischen Cousins der Königsmätresse Madame de Maintenon, bei der sie aufwuchs und durch die sie bereits als Kind an den Hof Ludwigs XIV. gelangte. Zum katholischen Glauben konvertiert und von ihren heimatlichen Wurzeln abgeschnitten wurde der cour de France zu ihrem neuen Lebensmittelpunkt und sie selbst zum Höfling, der an allen Aktivitäten des Hoflebens teilnahm. Durch ihre Tante bewegte sie sich im unmittelbaren Umfeld des Königs und damit in einer sehr privilegierten Position. Entsprechend schwer wog die Ungnade, die sie durch ihr Benehmen auf sich zog und die Ludwig XIV. dazu veranlasste, sie von 1694 bis 1707 vom Hof zu verweisen244. Erst in seinen letzten Herrschaftsjahren durfte sie wieder zurückkehren245. Wann und wo es zur Niederschrift ihrer Erinnerungen kam, ist nicht bekannt, ebenso wenig, warum sie unvollendet blieben und auch kein Manuskript erhalten ist. Unzweifelhaft ist jedoch, dass sie mit ihren Erinnerungen im Memoirengenre zu verorten ist246, wenngleich sie selbst eine solche Einordnung mit der Begründung zurückweist, es sei ihr aufgrund ihres Geschlechts und Alters nur möglich, über »bagatelles« zu schreiben247. Dass es aber gerade die »petites aventures de cour« sind, die es erlauben, die »grands ¦v¦nements« in einem anderen Licht zu sehen, darauf verweist bereits Voltaire als Herausgeber der ersten Edition248. Und auch Caylus selbst relativiert ihre Einschränkung, indem sie die schwerwiegenden Folgen vermeintlicher »bagatelles« benennt, die als solche vielleicht »entre des particuliers« galten, im Umfeld des Königs jedoch über Wohl und Wehe eines Menschen entscheiden konnten249. Auch ist sich Caylus der Tragweite ihrer Worte sehr bewusst. Sie wiederholt mehrfach ihre 243 Vgl. Laverny, La valeur du t¦moignage, S. 250. Vgl. auch Aron, Les m¦moires de madame de Motteville, S. 8, wonach Motteville sich Notizen darüber machte, was sie täglich am Hof hörte und sah, um diese, als Grundlage für ihre Memoiren, zu verwenden. 244 Vgl. Sauv¦, Les Souvenirs, S. 55–57 245 Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 14–16; Niderst, Les franÅais vus par eux-mÞmes, S. 806. 246 Vgl. Sauv¦, Les Souvenirs, S. 52–54. 247 Caylus, Souvenirs, S. 107. 248 Ebd., S. 17. 249 Ebd., S. 61.

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selbstauferlegte Verpflichtung zur Wahrheit und schränkt den Anspruch ihrer Erzählung auch nur auf Ereignisse ein, die ihr besonders in Erinnerung geblieben sind, sei es, weil sie sie selbst erlebt oder weil sie von ihnen über Madame de Maintenon erfahren hatte250. Vor diesem Hintergrund ist auch die beständige Nennung von Quellen wie beispielsweise Briefe oder Gespräche zu verstehen, ebenso wie Hinweise auf Unsicherheiten in ihrer Erinnerung. Wie bereits erwähnt stellt Caylus weder ihr eigenes Leben in den Vordergrund noch herausragende Ereignisse der Zeitgeschichte. Ebenso wenig thematisiert sie Details des höfischen Alltagslebens. Im Fokus ihrer Souvenirs steht der Aufstieg ihrer Tante Madame de Maintenon, der allerdings nicht streng chronologisch nachgezeichnet wird. Vielmehr folgt Caylus einer zirkularen Erzählstruktur, die den Rahmen bietet für zeitlich meist nicht weiter präzisierte Episoden. Das Kernstück der Souvenirs bilden neben Anekdoten zahlreiche – meist unschmeichelhafte – Einzelportraits. Diese gelten – bis auf wenige Ausnahmen – höfischen Damen251, die ihre prominente Stellung in den Souvenirs der Nähe zu Madame de Maintenon zu verdanken haben. Dabei werden sowohl einzelne Frauen im Gefolge ihrer Tante behandelt als auch Amtsträgerinnen als Gruppierung252. Neben der Beschreibung der Handlungen und Ambitionen dieser Frauen erwähnt Caylus in einigen Fällen explizit die Relevanz weiblicher Geschlechtszugehörigkeit als Differenzkategorie, so beispielsweise, wenn es um die Erklärung regelkonformen und -abweichenden Verhaltens253 oder die Wahrnehmung von Handlungsspielräumen geht254. In den Souvernirs wird dabei über die Einzeldarstellung hinaus das Bild eines Hofes entworfen, der nicht nur erstrebenswerter Aufenthaltsort war, sondern vor allem auch Einflusssphäre und Machtraum für Frauen. FranÅoise Bertaut de Langelois, Dame de Motteville (1615–1689), war Tochter eines gentilhomme ordinaire de la Chambre du roi und genoss ebenso wie ihre Mutter das Vertrauen der Königin Anna von Österreich. 1628 wurde sie gemeinsam mit ihrer Mutter von Kardinal Richelieu vom Hof entfernt und konnte erst nach dem Tod Ludwigs XIII. von ihrer nun zur Regentin aufgestiegenen Herrin wieder zurückgeholt werden. Da ihr Ehemann Nicolas Langlois de Motteville, pr¦sident de la chambre des comptes von Rouen, bereits wenige Jahre nach der Eheschließung verstorben war, lebte sie von 1643 bis 1666 gänzlich als

250 251 252 253 254

Vgl. ebd., S. 23, 37. Vgl. Sauv¦, Les Souvenirs, S. 55, 57–58. Vgl. z. B. Caylus, Souvenirs, S. 73. Vgl. ebd., S. 28, 122, so z. B. in Verbindung mit Alkoholkonsum und als kokettem Verhalten. Vgl. ebd., S. 107, wonach die Damen des Hofes in »grande libert¦« gelebt haben, wenn die Männer aufgrund einer Militärkampagne – hier der Belagerung von Mons 1691 – nicht in Versailles weilten.

Quellen und Quellenkritik

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femme de chambre am Königshof255. Bereits in dieser Zeit begann sie mit der Niederschrift von Notizen, die sie nach dem Tod ihrer Herrin zu einem Gesamtwerk zusammenfügte. Ihre Absicht war es, ein umfassendes Zeugnis davon abzulegen, was sie am Hof erlebt, beobachtet und erfahren hatte. Entsprechend bezieht sie sich auf ihre persönlichen Erinnerungen und gibt nur Ereignisse wider, die sie aus der Innensicht kennt und die es ihrer Ansicht nach wert sind erzählt zu werden. Auch sie will – ebenso wie Caylus – ›Grandes affaires‹ nur beiläufig erwähnen und rechtfertigt dies mit ihrer Geschlechtszugehörigkeit, denn als Frau könne sie keine grundlegenden Kenntnisse darüber haben, sodass es ihr auch nicht gebühren würde, davon zu berichten256. Von zentraler Bedeutung ist es für sie jedoch, die historische Wahrheit über die Protagonistin ihrer Memoiren, Anna von Österreich, aufzudecken und sich dabei immer wieder direkt auf Aussagen und Schriftstücke als Quellen zu beziehen. Entsprechend ist Mottevilles Werk auch mit Blick auf die Nachwelt und eine mögliche Veröffentlichung geschrieben und folgt aus der Ich-Perspektive257 ihrem persönlichen Erleben. Neben dem Bild Annas von Österreich werden zahlreiche weitere Portraits höfischer Akteure skizziert, die entsprechend dem zeitgenössischen Code sowohl das äußere Erscheinungsbild – insbesondere wenn es sich um eine Frau handelte – als auch »qualit¦s d’esprit«258 umfassen. Mottevilles Darstellungen fallen durch zweierlei auf: Zum einen sind sie gefärbt durch die Loyalität zu ihrer ehemaligen Herrin259, die sie gegen das Unrecht ihrer Widersacher verteidigen möchte260 und für die sie aus Dankbarkeit eine Art literarisches Denkmal errichtet. Zum anderen charakterisiert sie ein belehrendmoralisierender Ton, denn jedes Ereignis des höfischen Lebens und der dort zur Schau gestellten Leidenschaften dient ihr als Offenbarung und Lehrstoff261. Motteville nimmt gegenüber der Hofgesellschaft eine negative Haltung ein. Jeder Höfling erscheint ihr allein durch persönliche Interessen motiviert und rücksichtlos gegenüber der Stabilität sozialer Beziehungen262. Auch Frauen nimmt sie von dieser Einschätzung nicht aus, erkennt sie doch in ihnen nicht weniger Ambitionen als bei den Männern, samt den daraus erwachsenden Folgen. Angesichts der Gesamtentwicklung des cour de France beurteilt Motteville die Situation ihrer Geschlechtsgenossinnen pessimistisch263. Ausgehend vom ver255 Vgl. Aron, Les m¦moires de madame de Motteville, S. 7. 256 Vgl. dies.: L’¦criture de la v¦rit¦ dans les M¦moires de Madame de Motteville, in: Cahiers d’histoire culturelle 14 (2004), S. 13–20, hier S. 13. 257 Vgl. ebd., S. 15–16; Lesne-Jaffro, Les M¦moires et leurs, S. 33. 258 Cu¦nin, Les M¦moires f¦minins, S. 104. 259 Vgl. Aron, L’¦criture de la v¦rit¦, S. 17. 260 Vgl. Carrier, Pourquoi ¦crit-on des m¦moires, S. 141. 261 Vgl. Cu¦nin, Les M¦moires f¦minins, S. 101, 108. 262 Vgl. Aron, Les m¦moires de madame de Motteville, S. 65–66. 263 Vgl. ebd., S. 72–74.

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bindenden »malheur commun« ihrer Geschlechtszugehörigkeit, erscheint ihr die Gegenwart des Hofes und Hoflebens vor dem Hintergrund einer idealisierten Vergangenheit, in der politesse den zwischenmenschlichen Umgang bestimmte, im Niedergang begriffen264. Gleichwohl sind Frauen für sie Teil der Hofgesellschaft, in der sie eine Rolle spielen und nach ihrem jeweiligen Rang über unterschiedlich große Gestaltungsmöglichkeiten verfügen. Motteville entwirft aber auch klare Geschlechterrollen, indem sie Frauen verurteilt, die sich »vertus masculines« aneignen sowie ambitioniert und manipulativ handeln. Ihrer Ansicht nach würde es der weiblichen Natur vielmehr entsprechen, »sensible et fragile« zu sein265 und – wenn überhaupt – sich der eigenen Schönheit zu bedienen, wenngleich sie den »qualit¦s morales« einen höheren Stellenwert einräumt266. Louis-FranÅois du Bouchet, Marquis de Sourches (1645–1716), diente zunächst mehrere Jahre als colonel d’infanterie, bevor er von 1664 bis 1714 die Nachfolge seines Vaters als pr¦vot de l’hútel du roi und grand pr¦vút de France am Hof Ludwigs XIV. antrat267. Diese Posten waren nicht nur verbunden mit einer Unterbringung am Hof, sondern sorgten auch dafür, dass Sourches in seiner Funktion als Polizeichef der maisons royales über zahlreiche Vorgänge informiert war, die er regelmäßig notierte. Seine posthum erschienenen Memoiren decken den Zeitraum zwischen 1681 und 1712 in chronologischer Reihenfolge ab268 : Unter einem übergeordneten Datum werden die Neuigkeiten mehrerer Tage scheinbar wahllos zusammengefasst. Sourches tritt dabei als ›Ich‹ nicht direkt in Erscheinung. Eine persönliche Note lässt sich aber in den Anmerkungen erkennen, mit denen der Haupttext teils mit einem spöttischen Unterton erläutert oder korrigiert wird. Obwohl der Verfasser dieser Kommentare nicht bekannt ist, erscheint es naheliegend, dass sie von Sourches selbst angebracht wurden; vermutlich in dem Versuch, eine Abgrenzung zwischen seiner ›offiziellen‹ Funktion als Amtsträger und seiner ›privaten‹ Person herzustellen. Sourches beabsichtigte mit seinen Memoiren, die Ereignisse am Hof für die Nachwelt zu dokumentieren269. Dass er sich dabei an ein mit dem Hof vertrautes Publikum richtete, zeigt sich darin, dass er bestimmte Informationen als all264 Vgl. Niderst, Les M¦moires comme genre nostalgique, S. 117. Vgl. auch Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 227: »le malheur de notre Sexe est tel, que les Hommes, qui ont fait les Loix, en ont út¦ toute la rigueur — leur ¦gard; & ce n’est que dans le Ciel, o¾ l’¦galit¦ du Commandement fera que chacun recevra selon ses œuvres.« 265 Aron, Les m¦moires de madame de Motteville, S. 72–74. 266 Ebd., S. 70. 267 Vgl. Niderst, Les franÅais vus par eux-mÞmes, S. 823. 268 Der zweite Band seines Manuskripts, das die Jahre 1683/84 umfasst, ist verloren gegangen. 269 Vgl. Himelfarb, H¦lÀne: Versailles, source ou miroir des modes Louis-quatorziennes? Sourches et Dangeau, 1684–1685, in: Cahiers de l’Association internationale des ¦tudes franÅaises 38 (1986), S. 121–143, hier S. 124.

Quellen und Quellenkritik

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gemein bekannt voraussetzt und nicht näher ausführt270. Wie auch bei Motteville und Caylus werden Frauen wie Männer von Sourches durchgehend thematisiert, aber eher als Teil des höfischen Hintergrundbildes, vor dem sich lediglich einzelne Akteurinnen und Akteure abzeichnen. Bei den Frauen handelt es sich um die weiblichen Angehörigen der Königsfamilie, die Königsmätresse und hohe Amtsträgerinnen als ständige Entourage ihrer jeweiligen Herrin. Der Großteil der höfischen Damen findet in einer sehr überschaubaren Anzahl von Kontexten Erwähnung, so beispielsweise anlässlich von Geburten, im Zusammenhang mit Erkrankungen und Todesfällen sowie bei bestimmten Hofaktivitäten wie Reisen, Mahlzeiten, Jagden und Festlichkeiten. Diese ›Kulissenbeschreibung‹ entspricht der von Sourches für seine Memoiren gewählten Darstellungsweise, die sich um möglichst große Objektivität bemüht, um der Nachwelt historisches Material bereitzustellen271. Entsprechend finden sich auch Bewertungen nicht explizit, sondern in Gestalt von allgemeingültigen »maximes« oder über eine angeführte »collectivit¦« wie die Hofgesellschaft272. Louis de Rouvroy, Duc de Saint-Simon (1675–1755), war Sohn eines unter Ludwig XIII. zum Duc et Pair aufgestiegenen page de l’¦curie, der einen Großteil seines Lebens am französischen Königshof verbrachte, an dem seine Ehefrau Marie-Gabrielle de Durfort den Posten der dame d’honneur der Duchesse de Berry bekleidete. Die Förderung seiner eigenen Karriere gelang Saint-Simon nach dem Abbruch einer militärischen Laufbahn hingegen nicht, was u. a. auf seine latente Opposition gegenüber Ludwig XIV. und seine Nähe zum Duc de Bourgogne sowie zu F¦nelon und Vauban zurückzuführen ist, die eine Reform der Monarchie herbeisehnten. Erst während der Regentschaft von Philipp d’Orl¦ans konnte er eine politische Rolle spielen273, musste sich aber nach wenigen Jahren wieder zurückziehen. Die Niederschrift seiner Memoiren fand hauptsächlich zwischen 1739 und 1749 auf Grundlage von Notizen statt, die er seit 1694 angefertigt hatte, wobei der behandelte Zeitraum von 1680 bis 1723 reicht274. Wie andere Memoirialisten auch fühlt Saint-Simon sich in seinem Werk der Wahrheit verpflichtet. Ihm ist daran gelegen, seine Informationen aus erster Hand zu beziehen und zu beschreiben, was er wusste, sah und tat. Mit dem Verfassen seiner Erinnerungen in Ich-Form275 und der Inszenierung als »nar270 271 272 273 274

Vgl. ebd., S. 133. Vgl. DuchÞne, Lettres et m¦moires, S. 80–81. Ebd., S. 79. Vgl. Niderst, Les franÅais vus par eux-mÞmes, S. 823. Vgl. Garapon, M¦moires, S. 815; Briot, Usage du monde, usage de soi, S. 296; Garidel, D¦lphine de: Po¦tique de Saint-Simon. Cours et d¦tours du r¦cit historique dans les M¦moires. Paris 2005, S. 154. 275 Vgl. Garidel, Po¦tique de Saint-Simon, S. 31, 36. Vgl. auch ebd., S. 143, wonach dies nicht

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Einleitung

rateur honnÞte« zielt er darauf ab, seinen Memoiren Authentizität zu verleihen und sie vor Angriffen zu schützen. Er selbst wird dabei zum Prüfstein der Wahrheit, indem er seine Informanten benennt und das Ausmaß seiner (Un-) Gewissheiten markiert276. Dabei ist Saint-Simons Vorstellung von ›Wahrheit‹ mit seinen Vorstellungen von Legitimität, Ehre und Glaube verbunden277. Entsprechend gilt ihm beispielsweise all das als ›wahr‹, was seiner Auffassung nach der sozialen oder religiösen Ordnung entspricht, wohingegen all das, was sie durcheinanderbringt, von ihm als ›falsch‹ bewertet wird278. In seinem Werk richtet sich Saint-Simon zwar an keinen konkreten Adressaten, dennoch wendet er sich an eine Leserschaft, der er vermitteln möchte, mit welchem Verhalten man zu Erfolg gelangen und sich in der Gesellschaft und auf der politischen Bühne bewegen kann; dabei begreift er aber weder sein eigenes Leben noch seine Erfahrungen als ein nachahmenswertes Modell279. SaintSimon kreiert in seinem Werk – wie viele andere adelige Memoirialisten auch – eine Art Anekdotensammlung, die sich von den Regeln der Rhetorik und Stilistik historischer Abhandlungen abgrenzt280 und in großer formaler Vielfalt und Originalität ›kleine‹ und ›große‹ Geschichte miteinander verbindet281. Dabei bleibt er einer linearen Erzählstruktur, die sich an seiner Biographie orientiert282, weitgehend treu283 und tritt als allwissender Erzähler in Erscheinung, der unterschiedliche Perspektiven auf das Geschehen einnimmt. Der Hof ist eines seiner wichtigen Studienobjekte, für das er versucht die Verbindung zwischen wichtigen ›historischen‹ Ereignissen einerseits und Belanglosigkeiten andererseits aufzuzeigen. Dabei entwirft er das Bild einer umgekehrten Welt, in der Kaballen, Bettgeflüster und vor allem »bagatelles« Einfluss auf den Herrscher und damit auf politische Entscheidungen ausüben und geradezu die höchste

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282 283

ausschloss, von Dingen zu berichten, deren Augenzeuge er nicht war, sondern von denen er selbst nur aus Erzählungen wusste. Trotz der Verwendung der Ich-Form vermittelt SaintSimon den Eindruck als erzähle sich die Geschichte von selbst. Vgl. ebd., S. 34, 51, 256. Vgl. Hersant, Marc: Le discours de v¦rit¦ dans les memoires du duc de Saint-Simon. Paris 2009, S. 169. Vgl. ebd., S. 182. Vgl. dazu auch Ladurie, Emmanuel Le Roy : Saint-Simon ou le systÀme de la cour. Avec la collaboration de Jean-FranÅois Fitou. Paris 1997. Vgl. Garidel, Po¦tique de Saint-Simon, S. 32, 71. Vgl. ebd., S. 202–203. Vgl. auch ebd. S. 29, wonach Saint-Simon zahlreiche Memoiren gelesen hat und mit den Regeln des Genres vertraut war. Vgl. Quaglia, Claire: Diversit¦ formelle et ¦criture de soi chez Saint-Simon, l’abb¦ de Choisy, Brienne le Jeune et Primi Visconti, in: Le sens du pass¦. Pour une nouvelle approche des M¦moires. Hrsg. v. Marc Hersant, Jean-Louis Jeanelle und Damien Zanone. Rennes 2013, S. 41–53, hier S. 42–43, die anführt, dass sich in Memoiren kopierte Passagen aus anderen Memoiren, Genealogien, Beschreibungen des Protokolls, Nachrufe, Portraits, Anekdoten, politische Überlegungen und vieles mehr befindet. Vgl. Garidel, Po¦tique de Saint-Simon, S. 202–203. Vgl. Quaglia, Diversit¦ formelle, S. 44.

Quellen und Quellenkritik

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Vollendung der Politik darstellen284. Ähnlich kritisch verfährt Saint-Simon mit der Charakterisierung der Akteure innerhalb dieses höfischen Handlungsrahmens, bei denen er sich insbesondere der ›anecdote‹ bedient285. Insgesamt erwähnt Saint-Simon vielfältige soziale Nahbeziehungen286 und weibliche wie männliche Einzelakteure, die er gleichermaßen kommentiert und bewertet287. Bei seinen zahllosen Portraits spart er nicht mit schonungslosen Details und Negativbeschreibungen, hinter denen sich nicht selten die Kritik an einer »interaction sociale d¦r¦gl¦e«288 und ungebührendem Verhalten versteckt. Entsprechend kann bei Saint-Simon die physische Abwertung einer Person auch auf ihre soziale Erniedrigung abzielen289 und das Moralische über das Körperliche sichtbar gemacht werden290. Die größte Wirksamkeit erreichen solche Portraits, wenn sie ein alle Normen sprengendes Monster abbilden, wobei Saint-Simon je nachdem, ob es sich um Mann oder Frau handelt, unterschiedliche Begriffe verwendet. Männer werden mit Bastarden, Dämonen, Schlangen, Zyklopen oder Hunden verglichen, Frauen mit Harpyien und vor allem bösartigen Feen und Zauberinnen291. Außerdem finden sich bei Saint-Simon »portraits r¦ducteures de vieilles femmes«, mit denen er sich in eine barocke Satiretradition einschreibt292. Frauen werden von ihm aber auch in einem positiven Kontext ver284 Vgl. Garidel, Po¦tique de Saint-Simon, S. 110–111, 114–115, 141. 285 Das Wort ›anecdote‹ wurde zu Zeiten Saint-Simons dazu verwendet bisher nicht bekannte oder geheime Dinge, sozusagen »affaires secrÀtes«, zu beschreiben. Bei Saint-Simon werden sie insbesondere dazu genutzt, sonst Unaussprechliches zum Ausdruck zu bringen (vgl. dazu ebd., S. 259–263). 286 Vgl. auch Aymard, Maurice: Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels — la cour de Versailles, in: La cour comme institution ¦conomique. Hrsg. v. dems. und Marzio A. Romani. Paris 1998, S. 161–166, der eben diese häufige Thematisierung von Nahbeziehungen zur Grundlage einer Untersuchung der interpersonalen Beziehungen am französischen Königshof und der darüber stattfindenden Informationsvermittlung machte. 287 Vgl. Ladurie, Saint-Simon ou le systÀme de la cour, S. 241, wonach Saint-Simon trotz der hundertfachen Erwähnung von Frauen Männern gegenüber ein größeres Interesse gezeigt habe. Für eine detaillierte Untersuchung und Aufschlüsselung der dort genannten französischen Adeligen beiderlei Geschlechts vgl. ebd., S. 237–294. 288 Bertrand, Dominique: Inscriptions burlesques dans les M¦moires de Saint-Simon: du triomphe de la bourle aux jeux de masques m¦lancoliques, in: Le genre des m¦moires, essai de d¦finition. Hrsg. v. Madeleine Bertaud und FranÅois-Xavier Cuche. Paris 1995, S. 315– 329, hier S. 316. 289 Saint-Simon bringt seine Kritik an Personen über unterschiedliche Stilmittel zum Ausdruck, so z. B. Groteske, Burleske, »stye h¦ro-comique« und Ironie (vgl. ebd., S. 317–318). 290 Vgl. Charbonneau, Fr¦d¦ric: L’¦criture du singulier. Saint-Simon et quelques m¦morialistes, in: Revue d’histoire litt¦raire de la France 102/2 (2002), S. 191–209, hier S. 204, wonach ein deformierter Körper für ein deformiertes Inneres stehen konnte. 291 Vgl. ebd., S. 202, 207. Vgl. für eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Thema Raviez, FranÅois: Le Duc de Saint-Simon et l’¦criture du mal. Une lecture d¦monologique des M¦moires. Paris 2000. 292 Bertrand, Inscriptions, S. 318. Das weibliche Verblühen ist ein Topos, der auf das 16. Jh. zurückgeht und eine Art Parodie der poetischen Bilder der Schönheit darstellt.

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ortet, nämlich dann, wenn sie als Teil seines in Versailles errichteten »r¦seaux d’espions« in ihrer »rúle de voyeuse-¦couteuse-cancaniÀre« nützlich sind und ihm als »dames-amies« eine wichtige und sichere Informationsquelle bieten293. Bei Saint-Simon färbt aber nicht nur wie bei Motteville294 eine kritische und moralisierende Haltung seine Darstellungen des Hofes und seiner Bewohner295, sondern auch ein ausgesprochener Standesdünkel und Parteilichkeit296, die sich u. a. gegen Madame de Maintenon und die sie umgebenden Damen richten297. Ungeachtet der persönlichen Bewertung vermitteln seine Beschreibungen eine Vorstellung von sozialen Rollen und den damit verbundenen Handlungsvorgaben und -spielräumen298.

293 Ebd., S. 344. 294 Vgl. Aron, Les m¦moires de madame de Motteville, S. 67, 70. 295 Saint-Simon übt seine Sozialkritik u. a. mit dem Stilmittel der Burleske (vgl. Bertrand, Inscriptions, S. 323). 296 Vgl. Niderst, Les franÅais vus par eux-mÞmes, S. 823. Vgl. auch für die Wertvorstellungen Saint-Simons Ladurie, Emmanuel Le Roy : Saint-Simon ou le systÀme de la cour. 297 Dies macht sich u. a. darin bemerkbar, dass für die Vertrauten der Königsmätresse Madame de Maintenon häufig Begriffe, wie Fee und Zauberin, verwendet werden. Vgl. z. B. die Beschreibung von Mademoiselle Balbien bei Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 169–170. 298 Zur generellen Darstellung von Personen in den Memoiren von Saint-Simon vgl. Cruysse, Dirk Van der: Le portrait dans les »M¦moires« du duc de Saint-Simon. Fonctions, techniques et anthropologie. Êtude statistique et analytique. Paris 1971. Zu Freundschaft und Hass bei Saint-Simon vgl. ebd., S. 345–373, wobei es problematisch erscheint, dass Cruysse zu der Feststellung gelangt, dass Saint-Simon seine Freunde ›realistischer‹ beschrieb als seine Feinde.

II.

Der französische Königshof – eine Annäherung

Die Struktur des französischen Königshofes ist untrennbar verbunden mit seiner Entwicklung, die wiederum nicht losgelöst von den gesamteuropäischen Veränderungen des frühneuzeitlichen Herrscherhofes gesehen werden kann. Daher sollen hier, bevor in den folgenden Kapiteln auf die konkreten Handlungskontexte und -möglichkeiten von Amtsträgerinnen eingegangen wird, zunächst überblicksartig die wichtigsten Entwicklungen des französischen Königshofes skizziert werden299, der unter der persönlichen Regierung Ludwigs XIV. – dem hier gewählten Untersuchungszeitraum – einen Höhepunkt erlebte. Als einziger Herrscherhof300 nahm dieser eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Monopolstellung innerhalb Frankreichs ein301 und genoss auch als einer der größten katholischen Höfe der Zeit herausragende Bedeutung im europäischen Ausland302. Gemäß dem zeitgenössischen Verständnis werden im

299 In den folgenden Kapiteln werden die hier angeschnittenen Aspekte erneut aufgegriffen und eingehender behandelt. 300 Unter »Herrscherhof« wird der Hof eines Landesfürsten verstanden, der im Verlauf der Frühen Neuzeit von der Zentralisierung der souveränen Macht profitierte und gegenüber anderen »Adelshöfen« an Größe und Bedeutung gewann sowie eine weitgehend konkurrenzlose Monopolposition erlangte. Vgl. Asch, Introduction, S. 6, 10–11; Burke, Peter : Der Höfling, in: Der Mensch der Renaissance. Hrsg. v. Eugenio Garin. Essen 2004, S. 155. Vgl. auch Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 10–11, wonach im Deutschen Reich im Vergleich eine unübersichtliche Zahl an Hofhaltungen bestand, sodass auch das Hofleben vielfältigere Formen annahm als in Frankreich. 301 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 85; Grell, Les historiens franÅais, la noblesse et la cour de France, S. 103. 302 Vgl. Adamson, John: The making of the Ancien-R¦gime Court 1500–1700, in: The princely courts of Europe. Ritual, Politics and Culture under the Ancien R¦gime 1500–1750. London 1999, S. 25; Kircher-Kannemann, Anja: Organisation der Frauenzimmer im Vergleich zu männlichen Höfen, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Stuttgart 2000 (Residenzenforschung, 11), S. 239–240. Vgl. auch Duindam, Jeroen: The Bourbon and Austrian Habsburg Courts. Numbers, Ordinances, Ceremony – and Nobles, in: Der europäische Adel im Ancien Regime. Hrsg. v. Ronald G. Asch. Köln u. a. 2001, S. 199, der die Bedeutung des französi-

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Der französische Königshof – eine Annäherung

Folgenden die verschiedenen Bedeutungsebenen des Herrscherhofs berücksichtigt, wonach »la cour« für »le lieu o¾ habite un Roy«303, die »Officiers et la suitte du Prince« und eine »Manieres de vivre — la Cour« stand304. Der französische Königshof erlebte wie zahlreiche andere Fürstenhöfe im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert grundlegende Veränderungen mit weitreichenden Folgen für sein Erscheinungsbild und seine Bedeutung. Während die französischen Könige im Mittelalter noch ein bescheidenes Gefolge um sich und ihre Familien scharrten, mit dem sie ihr Territorium bereisten, aber weder Hof hielten noch einen aufwändigen Lebensstil pflegten305, bewohnten ihre frühneuzeitlichen Nachfolger mit ihrem stark ausdifferenzierten und umfangreichen Hofstaat einige wenige feste Residenzen und entfalteten ein ausgeprägtes Hofleben. Auslöser dafür war das Erstarken der monarchischen Macht gegenüber anderen politischen Kräften des Landes, das dazu führte, dass der Königshof als zentrale Entscheidungsinstitution und Ort der Aushandlung und Verteilung von Machtchancen an Bedeutung gewann und ein – auch im europäischen Vergleich – außerordentliches Wachstum erlebte306. Letzteres war einer Zunahme des Dienst- und Verwaltungspersonals geschuldet307, das sich im Zuge der »Ausdifferenzierung des Regierungsapparates«308 und der Vergrößerung des fürstlichen Haushaltes erweiterte309. Da sich sowohl die höheren Regierungs- und Verwaltungsorgane310 als auch die Hofstaaten der Königsfamilie311 entsprechend der Doppelfunktion des frühneuzeitlichen Herrscherhofes, der fürstlicher Wohn- und Regierungssitz zugleich war312, am französischen Hof vereinten, hatte dies unmittelbare Auswirkungen auf dessen Größe.

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schen Hofes in politischer Hinsicht auf seine Schlüsselposition im nachwestfälischen Staatensystem zurückführt. Eine begriffliche Übertragung auf das ihn beherbergende Schlossgebäude fand erst mit der Niederlassung des Hofes in feste Residenzen statt. Vgl. Burke, Der Höfling, S. 143, 145; Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 11. Cour, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Vgl. auch Hof, in: Grosses vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste […]. Verlegt von Johann Heinrich Zedler. Bd. 13: Hi-Hz. Halle und Leipzig 1735, Sp. 405, wonach »Hof« den Ort bezeichnete, an dem sich ein Fürst mit seinem Gefolge aufhielt. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 13. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 67, 70; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 321, 325. Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 12. Müller, Der Fürstenhof, S. 4, 30. Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 11. Vgl. ebd., S. 7–8. Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 18. Vgl. Roolfs, Cornelia: Der hannoversche Hof von 1814 bis 1866. Hofstaat und Hofgesellschaft. Hannover 2005 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, 124), S. 31. Zu der frühneuzeitlichen Entwicklung des Hofes vom Haushalt zur Behörde vgl.

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Über die Gesamtzahl derer, die im 16. und 17. Jahrhundert in den »Hofstaaten«313 der Fürstenfamilie Dienst leisteten oder Regierungs- und Verwaltungsfunktionen ausübten314, liegen lediglich schwankende Angaben vor315. Einen anschaulichen Beleg für die quantitative Zunahme bietet jedoch ein Vergleich des Hofs Franz’ I. und Ludwigs XIV., denn während den Valois noch schätzungsweise 1000 Personen umgaben, erlangte die Zahl der Hofangehörigen unter dem sogenannten Sonnenkönig mit 8000 bis 10 000 seinen Zenit316. Nicht zuletzt auch aufgrund der immensen Größe des königlichen Gefolges verringerte sich die Mobilität des Hofes317, die sich unter den Bourbonen nur noch auf die Residenzen der £le-de-France beschränkte, die je nach Saison und Anlass in einem alternierenden Rhythmus aufgesucht wurden318. Der Hof Ludwigs XIV. weilte dabei in den 1660er und 1670er Jahren vorwiegend in Paris319, verließ jedoch 1667 endgültig den Louvre und residierte in Saint-Germain-en-

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Johanek, Peter : Schlußbetrachtungen: Auf der Suche nach dem Alltag bei Hofe, in: Alltag bei Hofe. Hrsg. v. Werner Paravicini. Ostfilden 1995 (Residenzenforschung, 5), S. 270. Hier wird der Definition Roolfs gefolgt, wonach der Hofstaat »alle männlichen und weiblichen adligen und bürgerlichen Bediensteten« umfasste, die »eine besoldete oder titulare Beschäftigung am Hofe« ausübten (vgl. Roolfs, Der hannoversche Hof, S. 16). Vgl. auch Paravicini, Werner : Alltag bei Hofe, in: Alltag bei Hofe. Hrsg. v. dems. Ostfilden 1995 (Residenzenforschung, 5), S. 26, der darauf verweist, dass der Fürstenhof sich vom mittelalterlichen familiären Gesamthof zum einem polynuklearen Hof mit mehreren Einzelhaushalten entwickelte, und Diemel, Christa: Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert. Hofdamen, Stiftsdamen, Salondamen 1800–1870. Frankfurt a. M. 1998, S. 111, wonach die Mitglieder der Herrscherfamilie jeweils über einen eigenen Haushalt verfügten. Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 18. Vgl. Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 184; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 321. Leferme-FalguiÀres verweist darauf, dass für den französischen Hof keine »rúles de cour« erstellt wurden aus denen die Anzahl, qualit¦ und Funktion der am Hof lebenden Personen rekonstruiert werden könnten. Es existieren lediglich unregelmäßig erscheindende und unvollständige ¦tats d’officiers, die beispielsweise Höflinge, die kein Amt bekleideten, nicht erfassen. Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 12. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 84, der anführt, dass der französische Königshof weniger mobil sein musste, da seit den 1670er Jahren die königliche Bürokratie weit genug ausgebaut und die monarchische Autorität ausreichend stark war, um Frankreich auch ohne das Umherreisen des Königs zu kontrollieren und Regierungsangelegenheiten zu verrichten. Vgl. ebd., S. 83–84; Müller, Der Fürstenhof, S. 16; Mousnier, Roland: Histoire des institutions. Les Institutions de la France sous la monarchie absolue 1598–1789. Bd. II: Les organes de l’Etat et la soci¦t¦. Paris 1980, S. 129. Der Hof verbrachte zwischen 1594 und 1666 die Wintersaison meist in den Pariser Schlössern Louvre, Palais Royal sowie Tuilerien und die Sommersaison in weiteren Residenzen der £le-de-France, wie Chantilly, Fontainebleau, Saint-Germain-en-Laye und Versailles. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 288–290, wonach Gründe für den Ortswechsel Bauarbeiten und die Jagd, aber auch Inspektionen und militärischen Unternehmungen sein konnten. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 280. Das Loire-Tal wird von Ludwigs XIV. nach und nach zugunsten des Pariser Raums aufgegeben.

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Laye. Ab den 1670er Jahren erhielt zunehmend das Schloss von Versailles den Vorzug, das aber erst 1682 zum Hauptwohnsitz der französischen Monarchen wurde320. Als Residenz erlangte sie bereits zeitgenössisch Vorbildcharakter321 und wurde auch in späteren Jahrhunderten zu einem regelrechten Idealtypus hochstilisiert und letztlich mystifiziert322. Letzteres trug bis in die Gegenwart dazu bei, dass Versailles stellvertretend für den französischen Königshof als Ganzes stand und mit der europäischen Hofkultur gleichgesetzt wurde323, was in den Hintergrund rückt, dass sie in ihrer spezifischen Erscheinungsform eine Ausnahme darstellte324. Als eine der weitläufigsten Anlagen ihrer Art bot aber auch Versailles nicht im ausreichenden Maße Platz, um alle zum Hof gehörenden Personen unterzubringen. Somit war – auch wenn der Dienst in einer der maisons royales eine Unterbringung im Schlossgebäude voraussetzte – die tatsächliche Zuweisung von Räumlichkeiten in starkem Maße von der Gunst des Herrschers abhängig und ein begehrtes Privileg325, das zumindest in dieser Residenz von den genannten 8000 bis 10 000 Personen nur 5000 zuteilwurde326. Bei der Zuweisung der Appartements wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass der Raum um den Herrscher hierarchisch modelliert und konstruiert war, 320 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 293, 392. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 336. Saint-Germain-en-Laye war zwischen 1666 und 1682 Hauptresidenz Ludwigs XIV. 1674, 1675 und 1677 hielt sich der Hof jedoch bereits in Versailles auf. 321 Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 15, 16; Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 10. In »Architektur und Gartengestaltung, Festkultur und Zeremoniell« hatte der französische Hof unter Ludwig XIV. Vorbildcharakter. Vgl. aber Meyer, Jean: Introduction, in: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.). Hrsg. v. Klaus Malettke und Chantal Grell. Münster 2001 (Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Marburger Beiträge, 1), S. 8, der den kaiserlichen Hof in Wien als wichtiges Gegenmodell zu Versailles hervorhebt. 322 Vgl. FranÅois, Etienne: Der Hof Ludwigs XIV., in: Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert. Hrsg. v. August Buck [u. a.]. Bd. III: Referate der Sektion 6 bis 10. Hamburg 1981 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 10), S. 725. 323 Vgl. Revel, Jacques: La cour, in: Les lieux de m¦moire. Bd. 3. Hrsg. v. Pierre Nora. Paris 1997, S. 3146–3147. Revel verweist darauf, dass im Gedächtnis und der Wahrnehmung vieler der Hof unter Ludwig XIV. zum Idealtypus des französischen Hofes schlechthin wurde, was er mit den in den schriftlichen Zeugnissen der Zeit evozierten Bildern und deren Tradierung in der Literatur der letzten 300 Jahre in Zusammenhang bringt. Vgl. auch Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 67–68, der ebenfalls davor warnt, das scheinbar zeitund wandellose Bild des Versailler Hofs unter Ludwig XIV. zu generalisieren. 324 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 11. Versailles war eine selbstversorgende, freistehende und architektonisch harmonische Stadt in Kleinformat, die außerhalb der Hauptstadt lag und sowohl den königlichen Haushalt als auch die Verwaltung des Landes beherbergte. 325 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 291, 295, 323. Der begrenzte Platz hatte zur Folge, dass viele Hofangehörige und Minister mehrfach in der Woche zwischen Paris und dem Hof hinund herfuhren oder sich große Palais in Hofnähe errichteten. 326 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 302; Grell, Les historiens franÅais, S. 103; Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 85.

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sodass das Ausmaß und die Lage der jeweiligen Zimmer sich nach dem Titel, dem höfischen Amt und der königlichen Gunst der betreffenden Person richteten und letztlich deren jeweilige höfische Position widerspiegelten327. Besonders begünstigt wurden hierbei die Angehörigen der famille royale328, die ebenso wie die haute noblesse titr¦e329 über eine dauerhafte Unterbringung330 am Hof verfügten. Die Verteilung ihrer Appartements orientierte sich am familiären Rang, der einem »arbre g¦n¦alogique dans l’espace«331 gleich die verwandtschaftlichen Verzweigungen abbildete. Dabei drückte die räumliche Nähe zum Monarchen die verwandtschaftliche aus332. Entsprechend waren die enge Familie im für sie vorgesehenen Hauptgebäude und die entfernteren Angehörigen in den angrenzenden Flügeln untergebracht333. Im Gegensatz zur Unterbringung im Schlossgebäude stellte sich der Zugang zu demselben, zumindest auf den ersten Blick, weitaus einfacher dar. Als ›öffentlicher‹ Raum334 standen die Gärten, antichambres und Galerien Versailles’ prinzipiell für jedermann offen, der elegant gekleidet war und ein Schwert trug335. Auch war es traditionell Höflingen und Besuchern erlaubt, sich dem König beim Aufstehen, Essen oder vor dem Zubettgehen zu nähern336. Der direkte Zugang zum Monarchen und damit zum ›inner sanctum‹ des Hofes jedoch erforderte die Überwindung mehrerer, ihn von der Außenwelt trennender Schwellen337, die ein ausgefeiltes Zeremoniell regelte, das wiederum auf der 327 Der höfische Raum wurde in der bisherigen Forschung zum frühneuzeitlichen Fürstenhof vor allem im Zusammenhang mit Zeremoniell und weiblichem Geschlecht thematisiert, wofür die folgenden Sammelbände einen guten Eindruck vermitteln: Hahn, Peter-Michael/ Schütte, Ulrich (Hg.): Zeichen und Raum. Ausstattung und höfisches Zeremoniell in den deutschen Schlössern der Frühen Neuzeit. München 2006; Hirschbiegel/Paravicini, Das Frauenzimmer ; Paravicini, Werner (Hg.): Zeremoniell und Raum. Sigmaringen 1997 (Residenzenforschung, 6). 328 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 333. D.h. der König, seine Frau und Kinder, die Nebenlinien Orl¦ans, Conde, Conti und Soisson sowie die princes l¦gitim¦s. 329 Vgl. ebd. D.h. die ducs et pairs, die ducs — brevet und der princes ¦trangers. 330 Vgl. ebd., S. 333–334. Diese beiden Gruppen verfügten über die schönsten Appartements im »corps central du ch–teau [de Versailles] et des ailes du Nord et du Midi«. 331 Ebd., S. 355. Vgl. auch Newton, William Ritchey : L’espace du roi. La cour de France au ch–teau de Versailles 1682–1789. Paris 2000, S. 29, die eine minutiöse Rekonstruktion der Raumverteilung im Schloss von Versailles enthält. 332 Vgl. ebd., S. 351. 333 Vgl. ebd., S. 355. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 323–324, der darauf hinweist, dass der erste Stock und das Erdgeschoss der Residenzen Herrscher und einem Teil seiner Familie sowie seinem »service« vorbehalten waren. 334 Vgl. Revel, La cour, S. 3167. 335 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 87; Solnon, La Cour de France, S. 316–317. Es wird jedoch keine Auskunft darüber gegeben, unter welchen Bedingungen Frauen, die in der Regel kein Schwert trugen, Zugang zum Hof hatten. 336 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 309. 337 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 13. Vgl. auch Leferme-Fal-

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hierarchischen Ordnung der Hofgesellschaft beruhte – beides grundlegende Strukturmerkmale des frühneuzeitlichen Hofes338. Der französische Königshof umfasste in seiner sozialen Zusammensetzung die ganze Bandbreite der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft339. Die niedrigsten Positionen in der innerhöfischen Hierarchie kamen dem Gros des nichtadeligen Dienstpersonals zu, das in erster Linie für die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse verantwortlich war, die beim Zusammenleben einer großen Menschenmenge entstanden und organisiert werden mussten. So waren sie in erster Linie zuständig für die tägliche Versorgung mit Speisen und Getränken sowie mit Brennmitteln, die für Beleuchtung und Beheizung der Räume benötigt wurden340. Im Gegensatz dazu oblag den adeligen Angehörigen des Hofes341 vorwiegend die Erfüllung von Ehrendiensten342 und zeremoniellen Funktionen343 im Rahmen ihrer jeweiligen Hofämter. Entsprechend ihrer Geburt, ihres Amtes und der herrschaftlichen Gunst, kam ihnen eine spezifische Position innerhalb der höfischen Rang- und Ämterhierarchie zu344, die in ihrer Struktur jedoch nur eine Elite und nicht die Gesamtheit des Adels berücksichtigte345. An der Spitze der innerhöfischen Pyramide standen die Königsfamilie (famille royale)346, die sich aus dem Herrscherpaar, den Kindern (enfants de France) und Enkelkindern (petits-enfants de France)347 sowie den unehelichen Kindern des regierenden Königs und seiner Vorgänger (princes l¦gitim¦s)348

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guiÀres, Le monde des courtisans, S. 257, der darauf hinweist, dass sich der Zugang zum König ab 1685 zunehmend beschränkte und das Recht, den König zu begleiten, zu einem regelrechten Privileg wurde. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 87. Vgl. ebd., S. 67, 70; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 321, 325. Vgl. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 13. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 335. Laut Leferme-FalguiÀres machten 100 bis 200 adelige Familien den Kern des französischen Königshofes im 17. und 18. Jahrhundert aus. Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 38. Vgl. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 11. Vgl. Selzer, Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 12–13. Selzer und Ewert gehen von drei Hierarchien, nämlich einer Sozial-, Funktions- und Gunsthierarchie, aus, die in Wechselwirkung zueinander standen und letztlich die faktische höfische Hierarchie bildeten. Vgl. auch Müller, Der Fürstenhof, S. 3, 5. Die allgemeine französische Adelshierarchie begann auf unterster Stufe mit dem Baron, setzte sich über den Vicomte, Comte und Marquis fort und schloss mit dem Duc ab. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 534–535. Vgl. Revel, La cour, S. 3155. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 534; Revel, La cour ; S. 3155; Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 68; Solnon, La Cour de France, S. 398. Die princes l¦gitim¦s rangierten in der höfischen Hierarchie unter den princes du sang. Auch stand ihnen, im Gegensatz zu den legitimen Königskindern, kein eigener Haushalt zu. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 535; Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 69.

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zusammensetzte. Ihnen nachgeordnet war die noblesse titr¦e349, die die princes du sang, die in männlicher Linie ebenfalls vom königlichen Geschlecht abstammten und deshalb in entferntem Sinne zur famille royale gehörten350, die princes ¦trangers, die über Territorien außerhalb des französischen Königreiches verfügten351, und die Herzöge und Pairs (ducs et pairs) sowie die Herzöge (ducs) umfasste. Abschließend folgten nacheinander die grands officiers de la couronne, grands dignitaires de la maison du roi352, mar¦chaux de France sowie die personnes de qualit¦353. Innerhalb der höfischen Hierarchie nahmen adelige Frauen den Rang ein, der ihnen entsprechend ihrer Geburt bzw. der Stellung ihres Ehemannes entsprach, wobei unter Gleichrangigen der Verheirateten der Vortritt vor der Ledigen zustand354. Ihnen kam am französischen Königshof aber nicht nur als Ehefrauen und Töchter von Hofangehörigen eine bestimmte Position zu. Als Amtsträgerinnen in den Hofstaaten der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie verfügten sie dort auch über eine eigenständige Stellung. Zwar waren weiterhin die meisten Hofämter Männern vorbehalten, doch wurden adelige Frauen unter den letzten Valois und insbesondere unter Franz I. durch die massive Integration in hochrangige Hofämter zu einem festen Bestandteil der Hofgesellschaft355. Die verstärkte Präsenz von Frauen war ein charakteristisches Merkmal des frühneuzeitlichen Herrscherhofes, das bereits von Zeitgenossen als ›Feminisierung‹ des Hofes interpretiert und maßgeblich für die ›Zivilisierung‹ der höfischen Umgangsformen verantwortlich gemacht wurde356. Im Gegensatz zu den Höfen des habsburgischen Modells kannte der französische Königshof keine eindeutige Trennung einer weiblichen und männlichen Sphäre, vielmehr war er Schauplatz einer – wie der ausländische Beobachter Primi Visconti erstaunt 349 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 534. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 398, der von personnes titr¦es spricht. 350 Zu der princes du sang gehörten die Häuser Bourbons, Orl¦ans, Anjou und AlenÅon. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 535; Mousnier, Histoire des institutions, S. 95; Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 69. 351 Zu den princes ¦trangers zählten die Guise, Gonzaga-Nevers, Rohan und Bouillon. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 72; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 535. 352 Die Hauptvorsteher der maison du roi werden im Allgemeinen als grands officiers de la couronne bezeichnet. Zu ihnen zählen der grand aumúnier de France, der grand ma„tre, der grand chambellan sowie der grand ¦cuyer. Vgl. Mousnier, Histoire des institutions, S. 115. 353 Der in der Adelshierarchie dem duc nachgeordnete Adel am Hof wurde nicht unterschieden, sondern bildete eine homogene Gruppe der personnes de qualit¦, die sich jedoch von den bourgeois abgrenzte. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 534–535; Solnon, La Cour de France, S. 398. 354 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 537. 355 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 120. 356 Vgl. Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 29–40; Laverny, Les domestiques commensaux, S. 156; Solnon, La Cour de France, S. 21–23, 27.

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feststellte – »vraie confusion d’hommes et de femmes«357, die Kontakt und Austausch zwischen den Geschlechtern in starkem Maße begünstigte. Neben der gemischtgeschlechtlichen Geselligkeit kennzeichnete das Leben am französischen Königshof insbesondere zur Zeit Ludwigs XIV. die Ausrichtung auf den Monarchen358. Die »heures r¦gl¦es du roi«359 erlegten der Hofgesellschaft einen genauen und fast unwandelbaren Zeitplan auf360, der ihre ständige Präsenz und Teilnahme erforderte361. Vom morgendlichen lever des Königs über die Messe, das d„ner362, den nachmittäglichen Spaziergang oder die Jagd bis hin zum abendlichen souper363 und coucher orientierten sich die Hofangehörigen als Mitwirkende oder Betrachter eines königlichen »systÀme de repr¦sentation permanente«364 am Tagesablauf ihres Monarchen. Dabei wurden spätestens mit dem Bezug der Residenz in Versailles divertissements365 zur »obligation quotidien«366 des höfischen Zeitplans, ebenso wie die sogenannten soir¦es d’appartements367, in deren Verlauf die Hofgesellschaft mit hohen Einsätzen dem Kartenspiel nachging, Theateraufführungen besuchte368 oder am bal de la cour teilnahm369. Erweitert wurden diese Veranstaltungen durch Festlichkeiten anlässlich herausragender Ereignisse innerhalb der famille royale370, religiöser Festtage und Botschafterempfänge371. 357 Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 141. 358 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 290; Müller, Der Fürstenhof, S. 38. 359 Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 240. Vgl. auch Duindam, Vienna and Versailles, S. 308. 360 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 315. 361 Vgl. ebd., S. 261. 362 Vgl. ebd., S. 252. Das d„ner war ein zwischen 13 und 14 Uhr eingenommenes Mittagessen. 363 Vgl. ebd., S. 257. Das souper des Königs fand immer »au grand couvert« in Gegenwart der ganzen famille royale statt, deren Sitzordnung der »ordre dynastique« folgte und dem König – laut Leferme-FalguiÀres – die Gelegenheit bot, sich als »bon chef de famille« zu zeigen. 364 Ebd., S. 243. 365 Vgl. ebd., S. 315. 366 Ebd., S. 262. 367 Vgl. ebd., S. 271, 315. 368 Vgl. ebd., S. 272, 274–276. In der Regel fanden bis 1680 zwei bis dreimal pro Woche Aufführungen der italienischen und französischen »com¦dies-ballets« statt, die jedoch ab 1670 zunehmend von der reinen Komödie und der Tragödie verdrängt wurden. 369 Vgl. ebd., S. 278. Sowohl die Ordnung der Tänze als auch die Zahl der Teilnehmer und ihre Position im Saal waren geregelt und folgten einer strikten Hierarchie, die im Hinblick auf den Rang zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Tänzern und Nichttänzern differenzierte. 370 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 68; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 103. Die Höflinge waren nicht nur bei den alltäglichen Verrichtungen des Königs zugegen, sondern auch bei allen wichtigen Ereignisse im Leben des Fürsten und der famille royale, wie Hochzeiten, Geburten, Taufen und Todesfällen. 371 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 239.

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All diese Aktivitäten dienten der Unterhaltung der Hofgesellschaft sowohl durch die Vorgabe eines bestimmten höfischen Alltagsrhythmus als auch durch Abwechslung und Unterbrechung dieser Routine372. Das Hofleben war daher weniger ein ständiges Fest373 als vielmehr eine Abfolge sich täglich wiederholender Handlungen, die immer wieder von herausragenden Ereignissen374 und der wöchentlichen »Wiederkehr des Außergewöhnlichen« in Form der genannten Theateraufführungen, Opern, Konzerten, Jagdpartien und einmaligen Festlichkeiten unterbrochen wurden375. Eine herausragende Bedeutung kam sowohl im höfischen Alltag als auch beim Fest dem Zeremoniell zu376, das zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert eine ausgesprochene Blüte erlebte377. Dabei handelte es sich um einen kollektiven Akt378, der den Verlauf alltäglicher und herausgehobener Ereignisse379 regulierte und jeder Person entsprechend ihres höfischen Ranges eine bestimmte räumliche Position, Präzedenz, Kleidung und auszuführende Handlung zuwies und damit für alle Anwesenden sichtbar machte380. Bereits unter Heinrich II. regelte es in zunehmendem Maße höfische Aktivitäten und Belange381 und drückte 372 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 308; Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 88. 373 Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 55, der damit eine Aussage von Richard Alewyn relativiert, der davon ausgeht, dass in »der höfischen Welt […] jeder Raum Festraum und alle Zeit Festzeit [ist]. Das höfische Leben ist totales Fest.« (Alewyn, Richard: Das große Welttheater. Die Epoche der höfischen Feste. 2. erw. Aufl. München 1985, S. 14) 374 Vgl. Revel, La cour, S. 3149. 375 Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 23–24. Vgl. auch Müller, Der Fürstenhof, S. 55. 376 Vgl. Roolfs, Der hannoversche Hof, S. 179. 377 Nicht zuletzt deshalb beschäftigte sich die frühneuzeitliche Hofforschung sehr intensiv mit dem höfischen Zeremoniell. Anknüpfend an den Forschungsstand in der Einleitung, sei hier lediglich nochmals auf zwei Überblicksdarstellung verwiesen, die die Bedeutung höfischen Zeremoniells und seine verschiedenen Aspekte zusammenfassen: Hengerer, Mark: Hofzeremoniell, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Hof und Schrift. Hrsg. v. Werner Paravicini. Ostfildern 2007 (Residenzenforschung, 15/3), S. 433–455; Stollberg-Rilinger, Barbara: Hofzeremoniell als Zeichensystem. Zum Stand der Forschung, in: Musik der Macht – Macht der Musik. Die Musik an den sächsisch-albertinischen Herzogshöfen Weißenfels, Zeitz und Merseburg. Hrsg. v. Juliane Riepe. Schneverdingen 2004 (Schriften zur Mitteldeutschen Musikgeschichte, 8), S. 11–22. 378 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 27. 379 Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 91. Das Zeremoniell »regulierte den Verlauf von offiziellen Akten des Hofes wie Empfängen, Audienzen, Festtafeln, Staatsbesuchen, Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen und Hoftrauer.« 380 Vgl. Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 12–13; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 91. 381 Vgl. Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 41. Das Zeremoniell regelte u. a. die »Kleidung, die Teilnahme an Veranstaltungen jeglicher Art, das Verhalten auf Reisen, die königlichen Mahlzeiten, der Zugang zum König und das Verhalten dem König sowie den übrigen ranghöheren oder rangniedrigeren Höflingen gegenüber«. Vgl. auch LefermeFalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 30, 240, wonach das Zeremoniell am französischen

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ihnen den Stempel herrschaftlicher Autorität auf382. Prinzipiell ließe sich dabei Staatszeremoniell von Hofzeremoniell unterscheiden, die für die Zeitgenossen jedoch ein gleich wichtiges Ganzes darstellten383, das sich erst seit dem 17. Jahrhundert in unterschiedliche Richtungen entwickelte. Während die großen Staatszeremonien an Bedeutung einbüßten384, erlebte das Zeremoniell um die königliche Familie385, das sich zunehmend in das alltägliche Leben des Hofes einschrieb, vor allem unter Ludwig XIV. eine Reaktivierung386. Ihm war es im Gegensatz zu Heinrich IV. und Ludwig XIII. gelungen, die von der Vorgängerdynastie geerbten höfischen Funktionsmechanismen aufzugreifen und zu einem ausgefeilten Hauszeremoniell zu perfektionieren, das die soziale Interaktion am Hof regelte und letztlich einen einzigartigen Hof schuf387. Das Hofzeremoniell erfüllte zahlreiche Funktionen. Es diente der Sicherheit des Monarchen, indem es den Zugang zu ihm durch mehrere Schwellen beschränkte und kanalisierte388 und damit einer Kontrolle unterzog389. Des Weiteren fungierte es als Ordnungsstruktur390, die jedem Hofangehörigen durch verschiedene äußere Zeichen391 je nach Rang, Dienstalter392 und Geschlecht393

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Hof aber kein »ensemble d¦fini de rÀgles et de normes fixes« war, sondern vielmehr einer »s¦dimentation de traditions et d’usages, connus par la pratique« darstellten, die keiner vollständigen schriftlichen Kodifizierung bedurften. Eine schriftliche Fixierung des höfischen Zeremoniells, das Grundlage für die Entwicklung in den folgenden Jahrhunderten wurde, erfolgte erst unter Heinrich III. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 88. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 102. Vgl. ebd., S. 43–44. Das Staatszeremoniell umfasste mit der königlichen Salbung und dem königlichen Begräbnis zwei religiöse sowie mit den königlichen Einzügen und den lits de justice zwei weltliche Rituale. Vgl. ebd., S. 102. Als Beispiele für die famille royale betreffende Zeremonien führt LefermeFalguiÀres Geburten, Taufen und Hochzeiten an. Vgl. ebd., S. 44, 237; Revel, La cour, S. 3160; Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 88; Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 199. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 349–350. Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 13; Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 269. Die Distanzierung des Herrschers führte zu einer Normierung des höfischen Raums. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 87. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 243, der als Prinzipien des französischen Zeremoniells die regelmäßige Zeiteinteilung, den ›öffentlichen‹ Charakter und den Einsatz von Distanz ausmacht. Vgl. aber Duindam, Vienna and Versailles, S. 309, der anführt, dass das französische Zeremoniell im Gegensatz zum an deutschen Höfen praktizierten eher auf die Betonung der Zugänglichkeit zum Herrscher als auf Distanz ausgelegt war. Vgl. ebd., S. 311. Ein höherer oder niedrigerer Rang in der höfischen Hierarchie drückte sich im höfischen Leben und im Zeremoniell beispielsweise dadurch aus, dass die betreffende Person gegenüber anderen stand oder saß, eine linke oder rechte Position einnahm, den Hut aufließ oder abnahm. Vgl. Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 203. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 38. Leferme-FalguiÀres stellte eine

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einen spezifischen Platz in der höfischen Hierarchie zuwies, um darüber die »internen Beziehungen zwischen den Hofmitgliedern«394 zu regulieren und ein reibungsloseres Zusammenleben herbeizuführen395. Es war ein Medium der »Sakralisierung des Fürsten und seiner Herrschaft« sowie der Inszenierung seiner Überlegenheit396, bot gleichzeitig aber auch die Möglichkeit, durch Partizipation hohes Prestige397 und privilegierte Chancen auf herrschaftliche Gunst zu erlangen. Da der Herrscher als »ultimate source of authority«398 wichtigster Verteiler von Ämtern, Würden und Gratifikationen war399, stellten bereits die Nähe, der Kontakt und der Zugang zu ihm ein immenses Kapital dar. Zu den in dieser Hinsicht besonders Privilegierten gehörte der Personenkreis des ›engeren‹ Hofes, d. h. diejenigen, die im Gegensatz zum täglich wechselnden und nicht ständig präsenten ›weiteren‹ Hof das feste und ständige personale Umfeld des Fürsten bildeten400. Sie nutzten sowohl für sich selbst als auch als Mittelsmänner und Angehörige höfischer Cliquen, Verwandtschafts-, Freundschafts-, Patronage- und Klientelnetzwerke401 die sich dadurch bietenden Vorteile402. Insbesondere für den Adel war unter Ludwig XIV. der Königshof zum privilegierten und prestigeträchtigen Aufenthaltsort geworden403, da sich ihnen

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Spaltung zwischen Frauen und Männern im höfischen Zeremoniell fest, auf die an späterer Stelle noch näher eingegangen wird. Bauer, Volker : Hofökonomie. Der Diskurs über den Fürstenhof in Zeremonialwissenschaft, Hausväterliteratur und Kameralismus. Wien, Köln und Weimar 1997 (Frühneuzeitstudien, N.F., 1), S. 15. Vgl. Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 40–41. Bauer, Hofökonomie, S. 16. Bauer verweist darauf, dass der Hof dadurch zu einem »sakralen Raum« überhöht wurde, dessen »innere Ordnung« ein verkleinertes »Abbild der Weltordnung« darstellte. Vgl. auch zu den Schwierigkeiten der Rekonstruktion und Tradierung des Zeremoniells sowie die Wechselwirkung zwischen der Sakralisierung und der Zunahme politischer Autorität Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 28, 31. Vgl. Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 269. Johanek weist auf das gefährliche Potenzial einer solchen Entrückung des Herrschers hin, die zur »Entstehung von Krisen beitragen« konnte. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 15. Der Umfang und die Wirksamkeit der persönlichen Autorität eines Herrschers hingen in starkem Maße von seiner Persönlichkeit ab. Vgl. ebd., S. 7. Vgl. auch Revel, La cour, S. 3158, wonach die Gunst des Herrschers auch zu günstigen Eheschließungen und zu einer guten Unterbringung im Schloss führen konnte. Vgl. Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 12. Vgl. Asch, Introduction, S. 17; Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 161–166; Müller, Der Fürstenhof, S. 32; Revel, La cour, S. 3162. Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 14; Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 15. Paravicini betont, dass die Kontrolle des Zugangs zum Herrscher ihrem Inhaber eine Stellung verlieh, »die ihn weit über seinen sozialen Rang erheben« konnte. Vgl. Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 186; Revel, La cour, S. 3150. Der französische Hochadel empfand das Leben am Hof als die einzige ihrem Stand entsprechende Daseinsweise. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 377, wonach der Hof

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dort die Möglichkeit zu regelmäßigem Kontakt mit dem Fürsten404 und zur aktiven Teilnahme am Aushandlungsprozess um Ämter, Würden und Gratifikationen bot405, die wiederum Voraussetzung für die Erlangung von Einfluss, Prestige und Reichtum waren406. Entgegen der These von Nobert Elias und den Annahmen der klassischen Absolutismustheorie, wonach der noch während der Fronde sich gegen die monarchische Gewalt auflehnende französische Adel letztlich zum Verlierer eines vom Monarchen gesteuerten Zentralisations- und Domestikationsprozesses wurde, der seiner Selbstständigkeit beraubt ein Leben in passiver Abhängigkeit im goldenen Käfig des Königshofs verbrachte407, hebt die neuere Forschung hervor, dass von »einer Entmachtung des Adels durch den Hof und seiner Domestizierung […] bestenfalls mit erheblichen Einschränkungen gesprochen werden«408 kann. Vielmehr sei der Hof als ein Ort zu sehen,

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Ludwigs XIV. zwar nicht »l’arche de No¦ du second ordre«, aber eben doch »le havre oblig¦ des ›premiers personnages du royaume‹« war. Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 21. Adamson sieht das Verschwinden von Adelsrevolten um die 1660er Jahre herum als Folge der ›Wirksamkeit‹ des Hofes, der zur Lösung von Problemen und zur Deeskalation beitrug. Vgl. auch Müller, Der Fürstenhof, S. 18. der davon spricht, dass Fürst und Adel am Hof eine »neue Verbindung eingingen«. Vgl. Asch, Ronald G.: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung. Köln, Weimar, Wien 2008, S. 219–220. Vgl. Asch, Introduction, S. 24; Burke, Der Höfling, S. 149. Vgl. hierzu Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, S. 132–319, in dem er die »Soziogenese des Staates« behandelt. Vgl. auch Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 50, der für den französischen Königshof Stellung zur Absolutismustheorie bezieht. Für die umfangreiche allgemeinere Absolutismusdebatte in der Geschichtswissenschaft, die hier nicht im Detail widergegeben werden kann, sei hier lediglich auf zentrale Monographien und zusammenfassende Überblicksdarstellungen verwiesen: Asch, Ronald G./Duchhardt, Heinz (Hg.): Der Absolutismus – ein Mythos? Strukturwandel monarchischer Herrschaft in West- und Mitteleuropa (ca. 1550–1700). Köln, Weimar, Wien 1996; Henshall, Nicholas: The Myth of Absolutism. Change and Community in Early Modern European Monarchy. London 1992; Hinrichs, Ernst: Fürsten und Mächte. Zum Problem des europäischen Absolutismus. Göttingen 2000; Duchhardt, Heinz: Die Absolutismusdebatte – eine Antipolemik, in: Historische Zeitschrift 275 (2002), S. 323–332; Schilling, Lothar (Hg.): Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept? Eine deutsch-französische Bilanz. München 2008 (Pariser Historische Studien, 79). Asch, Ronald G.: Hof, Adel und Monarchie. Norbert Elias’ Höfische Gesellschaft im Lichte der neueren Forschung, in: Höfische Gesellschaft und Zivilisationsprozess. Norbert Elias’ Werk in kulturwissenschaftlicher Perspektive. Hrsg. v. Claudia Opitz. Köln, Weimar, Wien 2005, S. 134. Vgl. auch Duindam, Jeroen: Myths of power. Norbert Elias and the early modern european court. Amsterdam 1994, der Elias’ Thesen im Hinblick auf Monarchie, Adel, Staat, Hof, Zeremoniell und ›Zivilisierung‹ aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive hinterfragt, und konkret zum französischen Königshof Horowski, Leonhard: Hof und Absolutismus. Was bleibt von Norbert Elias’ Theorie?, in: Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept? Eine deutsch-französische Bilanz. Hrsg. v. Lothar Schilling. München 2008, S. 143–171.

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der durch die sich dort konzentrierenden Macht- und Aufstiegsmöglichkeiten409 für den Adel politisch, wirtschaftlich und sozial so attraktiv geworden war410, dass das Fernbleiben geradezu einem Verzicht auf diese gleichkam, da es negative Auswirkungen auf die wandelbare Gunst des Königs und die davon abhängigen Zuwendungen haben konnte411. Ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich der Adel zwar der am Hof vorherrschenden Disziplin des monarchischen Staates unterordnete412 und daraus gleichzeitig Vorteile bezog, bietet auch hier das Zeremoniell. Duindam zeigt deutlich auf, dass es nicht als reines Disziplinierungsmittel des Adels interpretiert werden kann. Stattdessen legt er nahe es als ein Medium zu betrachten, über das Zugangsmöglichkeiten zum König sowohl begrenzt als auch gesichert wurden, sodass hochrangige Adelige darüber von der Nähe zum Monarchen und damit zum Machtzentrum profitieren konnten413. Die zeremoniellen Regelungen und ihre Auswirkungen waren dabei keinesfalls statisch. Auch beherrschten sie das Hofleben nie vollständig414. Vielmehr stellten sie eine »höfische Kommunikationsform« dar, die Raum bot für aktive Aushandlungsprozesse zwischen König und Höflingen415. Erfolg am Hof setzte aber nicht nur die Nähe zu wichtigen Entscheidungsträgern voraus, auch erforderte er die Vertrautheit mit einem spezifischen Zeichensystem, dessen symbolische Bedeutung entschlüsselt416 und im eigenen Verhalten zum Ausdruck gebracht werden musste417. Den ›Höfling‹ zeichnete ein spezifischer Habitus aus, der ihn in jeder Situation als Kenner der »arts de cour«418 und als Angehöriger einer sozial distinkten Gruppe auswies419. Große 409 Vgl. Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 204; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 8. 410 Vgl. Mettam, Roger : The French Nobility, 1610–1715, in: The European Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth Centuries. Bd. 1: Western Europe. Hrsg. v. Hamish M. Scott. London und New York 1995, S. 134, 137; Müller, Der Fürstenhof, S. 17. 411 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 377–379, 403. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 243, der darauf hinweist, dass bereits die Abwesenheit von den »¦tapes quotidiennes« beim Herrscher Missfallen hervorrufen und damit negative Folgen für die betreffende Person haben konnte. 412 Vgl. Asch, Introduction, S. 24. 413 Vgl. Duindam, Ceremony at court, S. 138–139; Solnon, La Cour de France, S. 362, 371. 414 Vgl. Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 200–201. 415 Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 42. Demnach wurden die zeremoniellen Abläufe von allen Beteiligten aktiv gestaltet, wobei jedoch dem König die größten Handlungsspielräume und Eingriffsmöglichkeiten zustanden. 416 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 27. 417 Vgl. Revel, La Cour, S. 3160. 418 Ebd., S. 3177. 419 Vgl. Revel, Jacques: Vom Nutzen der Höflichkeit, in: Geschichte des privaten Lebens. Bd. 3: Von der Renaissance zur Aufklärung. Hrsg. v. Philippe AriÀs und Roger Chartier. Frankfurt a. M. 1991, S. 196. Laut Revel war der höfische Adel eine geschlossene Gruppe, »die sich zum

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Der französische Königshof – eine Annäherung

Bedeutung kam dabei dem äußerlichen Erscheinungsbild420 und den gesellschaftlichen Umgangsformen sowie Sprach- und Körpertechniken zu421, aber auch dem demonstrativen Konsum von Luxusgütern zur standesgemäßen Selbstdarstellung und zum Prestigegewinn422. Die Standards dieses Verhaltens und des Hoflebens entstanden dabei durch den wechselseitigen Kontakt und Austausch zwischen verschiedenen europäischen Höfen. Aber auch Hofmannstraktate wie Baldassare Castigliones »Il Libro del Cortegiano« trugen seit dem 15. und 16. Jahrhundert zur Verbreitung eines neuen höfischen Lebensideals bei, das sich vom traditionell ritterlich-militärischen abwandte423 und auch der Hofdame einen neuen Platz einräumte.

420 421

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alleinigen Richter über die Kriterien der Vollkommenheit erklärte.« – Dass es sich beim höfischen Verhalten um kein Spezifikum des frühneuzeitlichen Hofes handelt, zeigt Burke durch den Verweis auf das Mittelalter, vgl. dazu Burke, Der Höfling, S. 157. Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 104–105, wonach die Kleidung der neuesten Mode entsprechen musste und bei bestimmten Veranstaltungen nicht mehrmals getragen werden konnte. Vgl. Revel, Vom Nutzen der Höflichkeit, S. 196. Vgl. auch Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 92, die anführt, dass die Etikette dem Adel eine spezifische Körperdressur auferlegte, deren Beherrschung durch Hofknickse, Verbeugungen, Umzüge, Tänze etc. demonstriert wurde. Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 99, 103; Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 16. Vgl. Asch, Introduction, S. 6; Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 14; Burke, Der Höfling, S. 153, 157. Burke führt die Entstehung einer »internationalen höfischen Kultur« bereits auf das 14. Jahrhundert zurück. Vgl. auch konkret zum Einfluss des »Cortegiano« Loos, Erich: Literatur und Formung eines Menschenideals. Das »Libro del Cortegiano« von Baldassare Castiglione. Wiesbaden 1980.

III.

»Le lieu où habite un Roy«424 – adelige Frauen in der Hofstruktur

Der französische Königshof war wie andere frühneuzeitliche Herrscherhöfe auch ein polymorphes und polyzentrisches Herrschafts- und Sozialgebilde425, dessen strukturellen Kern die maisons royales bildeten426. Bei diesen handelte es sich im Grunde um erweiterte Versionen adeliger Haushalte427, deren Hauptaufgabe in der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse der Fürstenfamilie bestand. Aus dem Verlangen nach Nahrung, Schlaf, Kleidung, Fortbewegung, Schutz, geistlichem Beistand, Kommunikation und Vergnügen428 entwickelten sich bereits seit dem Spätmittelalter Dienste, die in Form von d¦partements in fast jeder maison vorhanden waren. Sie gehörten entweder der maison civile/ domestique, die sich nochmals in maison ¦troite/traditionelle und services an424 Cour, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. 425 Dabei handelt es sich um eine zentrale Erkenntnis der neueren Hofforschung. Bereits für den französischen Königshof des 16. Jahrhunderts stellt Chatenet, Monique: La cour de France au XVIe siÀcle. Vie sociale et architecture. Paris 2002, S. 21, fest: »Loin d’Þtre monolitique, la cour est plutút un agr¦gat de plusieurs cours: celle du roi, celle de la reine, celles de la mÀre du roi, du dauphin, de la dauphine, des ¦ventuels frÀres, sœurs, enfants, etc.« Vgl. auch Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 67; Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 11–12. Vgl. auch Harris, English aristocratic women, S. 21; Roolfs, Der hannoversche Hof, S. 27. Entsprechend kann der Hof nach Roolfs u. a. aus soziologischer, ökonomischer, politischer, zeremonieller, kultureller, religiöser oder organisatorisch-verwaltungstechnischer Perspektive betrachtet werden. 426 Vgl. Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 359; Chatenet, La cour de France, S. 21. 427 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 70; Grell, Les historiens franÅais, S. 103. Vgl. auch Maison, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microfiche]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]; Kleinman, Ruth: Social dynamics at the french court: The household of Anne of Austria, in: French Historical Studies 16/3 (1990), S. 518; Labourdette, Jean-FranÅois: Maison du Roi, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime. Royaume de France XVIe-XVIIIe siÀcle. Hrsg. v. Lucien B¦ly. Paris 1996, S. 777. 428 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 26; Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 518.

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»Le lieu où habite un Roy« – adelige Frauen in der Hofstruktur

nexes unterteilte, oder der maison militaire an429. Die maison ¦troite setzte sich zusammen aus la chapelle der Hofkleriker, die für geistlichen Beistand sorgten, den sept offices430, die die Versorgung mit Speisen, Getränken und Brennmitteln sicherstellten, la chambre für den Dienst am Körper (dazu gehörte la garde-robe für die Kleidung und la facult¦ für die medizinische Versorgung) und la chancellerie für Sekretariats- und Verwaltungsaufgaben431. Die services annexes umfassten les ¦curies, les services de chasse und le pr¦vút¦ de l’hútel, die jeweils für Transport, Jagd und Sicherheit zuständig waren432. Die maison militaire hingegen bestand aus der Leibgarde des Königs und den Regimentern der französischen Armee, denen eine Schutzfunktion sowohl gegenüber der Person des Monarchen als auch gegenüber dem Königreich zukam. Trotz der Konstanz der zu befriedigenden Grundbedürfnisse waren die d¦partements keinesfalls statische und unwandelbare Einrichtungen. Ganz im Gegenteil erwiesen sie sich als dynamische Institutionen, die flexibel an veränderte Bedingungen angepasst werden konnten. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet die maison du roi, die vom 13. bis zum 18. Jahrhundert gravierende Veränderungen hin zu einer sukzessiven Ausdifferenzierung der Dienste – Erweiterung der Ehren- und Verwaltungsaufgaben – und quantitativen Zunahme des Personals durchlief433. Im Verlauf der Frühen Neuzeit erfuhr die Differenzierung der d¦partements und Dienste sowie die Gesamtheit der Chargen in den maisons royales zwar keine größeren Veränderungen, die Anzahl des Dienstpersonals hingegen schwankte erheblich. So wuchs und schrumpfte die maison du roi noch bis ins 16. und 17. Jahrhundert434, auch wenn meist nur die »officiers inutiles« und nicht alle services gleichermaßen betroffen waren435. Die Größe der inneren maison du roi oszillierte zwischen 1560 und 1713 von einem Höchststand mit 1995 officiers im Jahr 1650 bis zu einem Tiefstwert von 853 im Jahr 1705. Durchschnittlich lag ihre Anzahl vor 1650 bei über 1000 und fiel nach dem fast doppelt so hohen Stand von 1650 in den folgenden Jahren wieder darunter zurück436. Dass beide Extremwerte in die Herrschaft Ludwigs XIV. fielen, ist 429 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 69–70. 430 Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 778. Dazu gehörten le gobelet (=panneterie-bouche et ¦chansonnerie-bouche), la cuisine-bouche, la cuisine-commun, la panneterie-commun, l’¦chansonnerie-commun, la fruiterie und la fourriÀre. 431 Die Hofstaaten werden hier nicht weiter in ihre kleinsten Bestandteile differenziert. 432 Vgl. Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 370. 433 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 27. 434 Vgl. ebd., S. 302. 435 Vgl. Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 368. 436 Vgl. ebd., S. 366: »en 1650, cette inflation s’¦tait amplifi¦e — la faveur d’une nouvelle minorit¦ royale: 321 ma„tres d’hútel et 309 gens de m¦tier, au lieu des quelques dizaines habituelles! La Couronne ralliait des fidÀles par ces proc¦d¦s et l’abus fut plus grand au milieu du XVIIe siÀcle que sous Henri III: en 1657, certaines publications signalaient encore la pr¦sence de 170 ma„tres d’hútel ›tirans tous gages‹.«

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dabei keinem Zufall zu verdanken. Die Entwicklung der maison du roi verlief keinesfalls geradlinig, sondern unterlag ausgelöst durch ›individuelle‹ Faktoren sowie politische und ökonomische Konjunkturen437 mitunter starken Schwankungen, die dem Bemühen der französischen Könige nach Aufrechterhalten einer gewissen numerischen Stabilität ihrer inneren maison zuwiderliefen438. So nahm in Zeiten politischer Krisen und monarchischer Schwäche (wie z. B. einer minorit¦ royale) die Anzahl des königlichen Personals zu bzw. wurden die ›officiers inutiles‹ nicht reduziert, da sie die Möglichkeit boten, Anhänger zu binden439. Dies konnte Boucher anhand der Hofstaatslisten von 1638, 1645 und 1650 feststellen440, in denen das starke Anwachsen der maison du roi in direktem Zusammenhang mit politischen Ereignissen der Zeit, nämlich der Minderjährigkeit Ludwigs XIV. und dem Adelsaufstand der Fronde, standen. Entsprechend fiel auch der oben bereits angeführte Höchstwert von 1995 officiers ins Jahr 1650, was u. a. der starken Zunahme der ma„tres d’hútel von regulären 12 auf 321 geschuldet war441. Der quantitativen Erweiterung der maison du roi folgte eine starke Abnahme infolge der Stabilisierung der monarchischen Macht seit Übernahme der persönlichen Regierung durch den König 1661442. Zwar bemühte sich bereits Ludwig XIII. seit dem Eintritt des Kardinal Richelieu in den conseil, drastische Kürzungen vorzunehmen – er verringerte die Zahl der aumúniers von 252 auf 10 und die der secr¦taires de sa chambre von 316 auf 11443 –, doch sollte es erst seinem Sohn und Nachfolger gelingen, als Teil einer breit angelegten Sparpolitik444 eine dauerhafte Reduzierung des Hofstaats – die administrativen Chargen waren wieder die am stärksten betroffenen – durchzusetzen445. Eine Zäsur scheint das Jahr 1664 dargestellt zu haben, als die commensaux royaux auf die Anzahl der tatsächlich dienenden Personen gesenkt wurden446, sodass es auch nicht verwundert, dass trotz moderater Schwankun-

437 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 145. 438 Vgl. Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 366. 439 Vgl. ebd.; Labourdette, Maison du Roi, S. 779; Le Roux, Nicolas: La maison du roi sous les premiers Bourbons. Institution sociale et outil politique, in: Les cours d’Espagne et de France au XVIIe siÀcle. Hrsg. v. Chantal Grell und Beno„t Pellistrandi. Madrid 2007, S. 16. 440 Vgl. Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 367. 441 Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 779. 442 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 144; Le Roux, La maison du roi sous les premiers Bourbons, S. 16. 443 Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 779. 444 Vgl. Da Vinha, Mathieu: La maison d’Anne d’Autriche, in: Anne d’Autriche, infante d’Espagne et reine de France. Hrsg. v. Chantal Grell. Madrid 2009, S. 173. 445 Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 779; Laverny, Les domestiques commensaux, S. 143– 144. 446 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 144; Le Roux, La maison du roi sous les premiers Bourbons, S. 35.

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gen447 das Hofstaatspersonal zum Ende seiner Herrschaft geringer ausfiel als noch zu Zeiten der letzten Valois448. Der Hof beschränkte sich aber nie nur auf die maison du roi, sondern umfasste auch immer weitere, wenn auch kleinere und in ihrer Anzahl variierende Hofstaaten der männlichen und weiblichen Angehörigen der Königsfamilie449. So verfügten neben dem König und der Königin auch deren gemeinsame Kinder450 ebenso wie die Geschwister des Herrschers und die princes du sang über eine eigene maison451, deren Überwachung dem König oblag452 und deren Aufbau analog zu seiner eigenen gestaltet war453. Die der maison du roi hierarchisch nachgeordneten maisons secondaires wurden angeführt von der maison de la reine, die nicht nur die zweitgrößte maison am französischen Hof war454, sondern auch gleichzeitig die ranghöchste und größte maison, die einer Frau unterstand455. Dieser nachgeordnet waren die Hofstaaten der unmittelbaren Kinder des Königspaares, die filles und fils de France, die zunächst gemeinsam in der maison des enfants de France versorgt wurden, jedoch mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters einen eigenen Hofstaat erhielten. Die einzige Ausnahme stellte der Thronfolger (dauphin) dar, für den seit Heinrich IV. kein eigenständiger Hofstaat mehr eingerichtet wurde – eine im europäischen Vergleich außergewöhnliche Regelung456. Bezeichnenderweise wurde dessen Ehefrau (dauphine) jedoch mit einem Hofstaat ausgestattet, der entsprechend ihrer Position 447 Vgl. Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 368; Laverny, Les domestiques commensaux, S. 144. 448 Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 779; Laverny, Les domestiques commensaux, S. 143– 144. 449 Vgl. Mousnier, Histoire des institutions, S. 94; Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 69. Die konkrete Anzahl der Haushalte ergab sich aus der jeweiligen Größe der königlichen Familie. Vgl. auch Duindam, Vienna and Versailles, S. 302. 450 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 69. Die einzige Ausnahme stellte der Dauphin dar, der über keinen eigenen Haushalt verfügte, sondern von der maison seines Vaters bedient wurde. 451 Vgl. ebd.; Duindam, Vienna and Versailles, S. 302; Mousnier, Histoire des institutions, S. 128. 452 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 354–355. Alle Ernennungen und der Handel mit den großen Ämtern waren von der Zustimmung des Königs abhängig. 453 Vgl. Mousnier, Histoire des institutions, S. 128. Vgl. aber auch AN O1 3715, wonach sich der Aufbau der maisons secondaires auch aneinander orientieren konnten. So seien die maisons des Duc und der Duchesse de Berry »sur le pied« derer des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans errichtet worden. Vgl. auch Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 241, der darauf hinweist, dass, wie im Fall der maison einer Königin, »ordinairement les principes & les usages« derselben auf die ihrer Nachfolgerin übertragen worden seien. 454 Vgl. Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 176; Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 202; Solnon, La Cour de France, S. 22. 455 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 157. 456 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 69; Horowski, Such a great advantage for my son, S. 132, Fn. 14.

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als zweithöchster Dame des Reichs dem der Königin nachgeordnet war. Des Weiteren existierten die Hofstaaten der königlichen Enkelkinder, der petitesfilles und petits-fils, der Geschwister des Königs sowie die ihrer jeweiligen Ehepartner und nicht zuletzt die Hofhaltungen der princes und princesses du sang457. In der persönlichen Regierungszeit Ludwigs XIV. zwischen 1661 und 1715 waren die wichtigsten maisons secondaires die der Königin Maria Theresia von Spanien (1638–1683), der Dauphine Maria Anna Christina Viktoria von Bayern (1660–1690), der drei Söhne des Thronfolgerpaares (petits-fils de France) Ludwig, Duc de Bourgogne (1682–1712), Philipp, Duc d’Anjou (1683–1746), und Karl, Duc de Berry (1686–1714), sowie ihrer Ehefrauen Maria Adelheid von Savoyen, Duchesse de Bourgogne (1685–1712), und Marie-Louise Elisabeth d’Orl¦ans, Duchesse de Berry (1695–1719). Über eine eigene maison verfügten auch der einzige Bruder des Königs, Philipp, Duc d’Orl¦ans (1640–1701), und nacheinander seine beiden Ehefrauen Henriette Anna von England (1644–1670) und Elisabeth Charlotte von der Pfalz (1652–1722). Auch unterhielt die Königinmutter Anna von Österreich (*1601) bis zu ihrem Tod am 20. Januar 1666 einen eigenen Hofstaat. Ebenso gab es eine maison des enfants de France, jedoch keine eigenständige maison für eine fille oder einen fils de France, da von sechs gemeinsamen Kindern des Königspaares, die zwischen 1661 und 1672 zur Welt kamen, nur der Dauphin Ludwig das Erwachsenenalter erreichte, selbst aber traditionsgemäß nicht mit einer maison ausgestattet wurde458. Während für den größten Hofstaat, die maison du roi, bereits quantitative Erhebungen vorliegen, gibt es bislang – mit Ausnahme der maison de la reine – keine Angaben zu den anderen maisons secondaires. Als Richtwert kann höchstens die exemplarische Erhebung herangezogen werden, die Jeroen Duindam für das Jahr 1699 vorgenommen hat, wonach die maison du roi, ohne die services annexes, ungefähr 900 Personen umfasste, die anderen maisons royales hingegen insgesamt 1000 bis 2000459. Auch wenn für das angegebene Jahr 457 Die princes du sang waren Personen, die in männlicher Linie vom königlichen Geschlecht abstammten, d. h. Angehörige der Häuser Bourbons, Orl¦ans, Anjou und AlenÅon. Im weitesten Sinne gehörten dazu einerseits monseigneur le dauphin (ältester Sohn des Königs) und seine Geschwister (fils et filles de France bzw. enfants de France) sowie deren Kinder (petits-fils, petits-enfants de France) und andererseits die Geschwister, Neffen und Nichten des regierenden Königs (bilden auch enfants et petits-enfants du Roi). Im engsten Sinne zählten aber nur diejenigen dazu, die nach den enfants und petits-enfants de France die nächsten Abkömmlinge der königlichen Linie waren. Vgl. Jouanna, Arlette: Princes du sang, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime. Royaume de France XVIe-XVIIIe siÀcle. Hrsg. v. Lucien B¦ly. Paris 1996, S. 1018–1019. 458 Hier werden bewusst die maisons der princes und princesses du sang ausgespart. 459 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 302. Vgl. auch BN, collection Clairambault 814, fol. 398–399, wo folgende quantitativen Angaben gemacht werden: »Maison de Madame la Duch. de Bourgogne 443, Maison de Madame 242, Maison de Madame de Chartres 74«.

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berücksichtigt werden muss, dass der zweitgrößte Hofstaat des französischen Hofes, nämlich der der Königin, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte, so vermitteln diese Zahlen doch zumindest einen Eindruck von der Größendifferenz zwischen der maison du roi und den restlichen maisons der famille royale, die der jeweiligen Position in der innerdynastischen Hierarchie, aber auch der Geschlechtszugehörigkeit des jeweiligen Mitglieds Rechnung trug. Entsprechend verfügte der König als Oberhaupt der Herrscherdynastie über den größten und ausdifferenziertesten Hofstaat. Seine Sonderstellung wurde zudem durch die Dauerhaftigkeit seines Bestehens verstärkt, denn im Gegensatz zu den anderen Hofstaaten existierte er nicht nur zu seinen Lebzeiten, sondern bestand auch darüber hinaus460. Dies war – wie später noch gezeigt werden wird – von großer Bedeutung für Hofamtsträger, die in der maison du roi beim Tod des Herrschers automatisch in den Hofstaat seines Nachfolgers übergingen, in den anderen maisons royales, die beim Tod des jeweiligen Herren/der jeweiligen Herrin gänzlich aufgelöst wurden, ihren Posten hingegen verloren461. Ein letzter entscheidender Faktor, der die Gestalt der einzelnen maisons royales beeinflusste und der durch einen bloßen Blick auf die hierarchische Ordnung nicht offenbar wird, war der der Geschlechtszugehörigkeit des jeweiligen Herren bzw. der jeweiligen Herrin, die sich konkret auf die Ausdifferenzierung der maison und das Vorhandensein bzw. Fehlen bestimmter Chargen auswirkte. Wie bereits angemerkt war der Maßstab für alle maisons secondaires der Hofstaat des Königs, der unterschiedlich vollständig gespiegelt wurde, was sich u. a. darin zeigt, dass ihnen allen der service annexe der pr¦vút¦ fehlte. Doch während die Hofstaaten der männlichen Angehörigen der Königsfamilie zumindest in ihrer Struktur Miniaturausgaben der maison du roi waren, wiesen die Hofstaaten der weiblichen Familienmitglieder Defizite auf462, denn sie waren weder mit einer maison militaire noch einem eigenen conseil463 oder Personal für 460 Vgl. Mousnier, Histoire des institutions, S. 93; Horowski, Such a great advantage for my son, S. 131. Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦ des droits, Bd. 2, S. 241: »Il est naturel que la compagne, l’¦pouse & la mÀre de nos Rois soit servie avec dignit¦. C’est ce qui a fait, dans tous les temps, ¦tablir prÀs des Reines un certain nombre d’officiers. […] Cette maison diffÀre de celle du Roi dans un point important. La maison du Roi une fois ¦tablie sur un pied, s’y perp¦tue, mÞme aprÀs la mort du souverain qui l’a form¦e, tant qu’une loi nouvelle ne vient pas en changer la constitution. […] La maison de la Reine, au contraire, comme celles de tous les princes & de toutes les princesses qui ont ¦galement le droit d’en avoir une, cesse d’exister par la mort de son chef.« 461 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 131; Laverny, Les domestiques commensaux, S. 101. 462 Die filles de France verfügten laut Guyot in ihren maisons normalerweise über diegleichen officiers, wie die »princesses ¦pouses des princes fils de France«. Vgl. dazu Guyot, Trait¦, Bd. 2, S. 349. 463 Guyot bezieht sich dabei zwar auf die maison der Comtesse de Provence von 1772, doch scheint es wichtig, was er zu ihrer Zusammensetzung schreibt, nämlich, dass die »prin-

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die Jagd ausgestattet. Das Fehlen gerade dieser d¦partements vermittelt bereits einen ersten Eindruck zeitgenössischer Vorstellungen von männlicher und weiblicher Sphäre, wonach in letzterer die im weitesten Sinne mit Gewalt bzw. kriegerischen Aktivitäten sowie mit Regierungstätigkeiten verbundenen Bereiche nicht vorgesehen waren. Dass dieser ›Mangel‹ allerdings nicht zu voreiligen Schlüssen über die strukturell angelegte Einschränkung von Frauen am französischen Königshof verleiten sollte, sondern eher zu tiefer gehender Hinterfragung, wird bereits bei näherer Betrachtung der maison de la reine deutlich, die nämlich – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – über eine maison civile/domestique und maison militaire (gendarmes de la reine464, die zwar unter ihrem Namen dienten, tatsächlich jedoch der maison militaire des Königs angehörten465) verfügte und somit ›von Haus aus‹ in der strukturellen Differenzierung ihres Hofstaates den männlichen Angehörigen der famille royale gleichgestellt war. Auch zeigt das Beispiel der Duchesse de Berry, dass ›militärische Einheiten‹ beim Tod des Ehepartners und der Auflösung seiner Gardekompanien durchaus auch nachträglich in einem ›Frauenhofstaat‹ geschaffen werden konnten. So heißt es in einer d¦claration des Königs für die officiers der Duchesse466, dass es für die Unterstützung ihres Rangs und ihrer Würde notwendig sei, »une garde aupr¦s de sa personne«467 einzurichten. Weitere Zweifel an einschränkenden Geschlechtergrenzen wirft auch die Tatsache auf, dass die Dauphine einer eigenen maison vorstand, ihr Ehemann und Thronfolger jedoch nicht. Die Besonderheit der von Frauen angeführten Haushalte am französischen Königshof wird aber vor allem im Vergleich zu anderen Höfen der Zeit offenbar, wofür Katrin Keller mit einem Hofstaatsmodell wichtige Anhaltspunkte liefert468. Laut Keller lassen sich die europäischen Hofstaaten der Frühen Neuzeit trotz ihrer Vielgestaltigkeit größtenteils zwei Modellen zuordnen: entweder dem »französisch-englischen« oder dem »habsburgischen«. Das »französisch-englische« zeichne sich gegenüber dem »habsburgischen« durch die starke Stellung der von Frauen angeführten Hofstaaten aus, die ihren Niederschlag in Struktur,

464 465 466 467 468

cesses ¦pouses des princes Fils de France« über keinen »conseil particulier« verfügen und entsprechend keine chancelier, conseillers, ma„tres des requÞtes etc. haben. Die Finanzen ihrer maisons werden von den officiers der »Princes leurs ¦poux« geregelt (vgl. ebd., S. 347). Vgl. z. B. AN Z1A 511, fol. 155ff.,125ff.; AN Z1A 513, fol. 1ff., 37ff. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 138, Fn. 3, wonach die »Reine avait, comme les princes, une compagnie de gendarmes et une de chevau-l¦gers, command¦es chacune par un capitaine-lieutenant.« Für nähere Informationen zur maison militaire du roi siehe Chagniot, Jean: Maison militaire du roi, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime. Royaume de France XVIe-XVIIIe siÀcle. Hrsg. v. Lucien B¦ly. Paris 1996, S. 783–784. Vgl. AN O1 59, fol. 22v–23r. Ebd., fol. 23r. Vgl. Keller, Hofdamen, S. 29–30.

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Größe und dem Grad ihrer Unabhängigkeit fände. Im Gegensatz zu den entsprechenden Hofstaaten an habsburgischen Höfen, die nur über eine reduzierte Ämterstruktur verfügten und insgesamt einem Annex der Männerhofstaaten glichen469, seien die am französischen Königshof vergleichsweise vollständig und weitgehend unabhängig, da mit allen für das tägliche Leben notwendigen Diensten ausgestattet. Dass diese Spezifika französischer ›Frauenhofstaaten‹ nicht immer vorhanden, sondern selbst das Ergebnis historischer Prozesse waren, zeigt bereits der Blick auf die maison de la reine. Gemäß ihres adeligen Status hatte eine französische Königin Anspruch auf Personal in ihren Diensten470. Dennoch bestand im 13. und 14. Jahrhundert noch keine klare Unterscheidung zwischen der maison des Königs und der Königin, sodass die maison de la reine eher einem Anhängsel der maison du roi glich als einem eigenständigen Hofstaat, was sich u. a. auch darin zeigte, dass sie meist im Rahmen von Verordnungen für den Hofstaat des Königs behandelt wurde471. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts gewann die maison de la reine jedoch zunehmend an Autonomie, wurde mit dem Großteil der services ausgestattet, die auch in der maison des Königs vorhanden waren472, und wuchs damit sukzessive zu einem vollständigen Hofstaat heran, der sich wie der des Königs im Kern aus la chapelle, la chambre, les sept offices und la chancellerie zusammensetzte, zu dem hohe männliche und weibliche Amtsträger sowie verschiedene weitere Chargen hinzukamen. Tiefgreifende Veränderungen erlebte die maison de la reine aber erst in der Renaissance – ein Zeitraum, in dem auch der Hof als Ganzes sich stark wandelte473 – unter dem Einfluss von Anna von Bretagne, Franz I. und Katharina von Medici, sodass auch erst seit dieser Zeit von einer eigenständigen maison de la reine die Rede sein kann474. Die Veränderungen schlugen sich seit Ende des

469 Gleiches lässt sich für den spanischen Hof feststellen, an dem, »mit dem Sesshaftwerden des Hofes in einer Hauptresidenz«, männliche Amtsträger und ihre Ehrenämter abnahmen. Vgl. ebd., S. 28. 470 Vgl. Guyot, Trait¦, Bd. 2, S. 24; Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 54. 471 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 49. Vgl. aber Münster, Anna-Manis: Funktionen der dames et damoiselles d’honneur im Gefolge französischer Königinnen und Herzoginnen (14.–15. Jahrhundert), in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Stuttgart 2000 (Residenzenforschung, 11), S. 341, die auf eine Hofordnung für Marguerite von Provence aus dem Jahr 1261 hinweist, die belegt, dass das hútel de la reine bereits seit der Regierung Ludwigs des Heiligen bestanden hat. 472 Vgl. ebd., S. 50, 57. 473 Vgl. ebd., S. 58. 474 Vgl. Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 176–177; Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 202; Solnon, La Cour de France, S. 22.

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15. Jahrhunderts vor allem in Größe und Struktur nieder, und zwar in Form quantitativer Zunahme und qualitativer Differenzierung475. Die Gesamtgröße der maison – für die allerdings nur eine rechnerische Realität ermittelt werden kann – erfuhr erstmals unter der Königin Anna von Bretagne ein enormes Anwachsen, das sich – folgt man den Angaben für die maison ¦troite der folgenden Königinnen –, wenn auch in gemäßigter Form, im 16. und 17. Jahrhundert fortsetzte. Die von Caroline zum Kolk für das 16. Jahrhundert ermittelten Durchschnittswerte der Hofstaaten der einzelnen französischen Königinnen stellen sich wie folgt dar : Eleonore von Österreich 290, Katharina von Medici 333, Maria Stuart 289, Elisabeth von Österreich 370 und Luise von Lothringen 342476. Für das 17. Jahrhundert liegen sie für den Hofstaat von Maria von Medici bei 480477 und für Anna von Österreich bei 431 Chargen478. Anhand dieser Zahlen wird die quantitative Erweiterung der maison de la reine sichtbar, die allerdings nicht geradlinig verlief479. Zum Kolk stellte fest, dass ihre Größe sowohl in der longue dur¦e als auch bei jeder einzelnen Königin Schwankungen unterlag, wofür unterschiedliche Faktoren ausschlaggebend sein konnten. Der auf der Makroebene zu verzeichnende Trend hin zur Vergrößerung der maison de la reine steht im Zusammenhang mit dem bereits geschilderten Anwachsen des französischen Königshofes im Ganzen. Ihre Zuund Abnahme unterlag dabei denselben Faktoren wie die maison du roi, d. h. sie konnte ökonomischen, politischen und/oder ›individuellen‹ Erfordernissen geschuldet sein. Mathieu Da Vinha zeigt dies sehr deutlich am Hofstaat der Königin und späteren Regentin Anna von Österreich, der von ihrem Ehemann Ludwig XIII. immer wieder ›Reinigungen‹ unterzogen wurde, was zu starken Größenschwankungen im Verlauf des Bestehens ihrer maison von bis zu 350 Chargen führte. Auf der Mikroebene der einzelnen Königinnenhofstaaten stellte zum Kolk außerdem fest, dass sich sowohl der Zeitpunkt des Bestehens der jeweiligen maison auf ihre Größe auswirken konnte als auch Veränderungen des Status der Königin selbst. So war die maison de la reine zu Beginn ihrer Einrichtung meist am kleinsten, nach drei bis vier Jahren am größten, um sich dann zum Ende der Regierungszeit des Königs erneut zu verkleinern480. Ein erhebli475 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 58, 98; Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 176. 476 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 104–105. 477 Vgl. Dubost, Jean-FranÅois: Marie de M¦dicis: la reine d¦voil¦e. Paris 2009, S. 153. 1601: 420 officiers, 1606: 461, 1611: 480, 1621: 502 und 1626: 537. 478 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 157. 479 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 57. Vgl. ebd., S. 54, wonach die Verringerungen des Personals teilweise mit der Notwendigkeit der Reduzierung der Ausgaben der Krone erklärt werden können oder mit einem noch nicht weit entwickelten Hofleben. 480 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 157. 1616: 422, 1625: 517, 1631: 354, 1643: 560, 1646: 701, 1665: 362.

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ches Anwachsen des Hofstaats lässt sich auch bei Königinnen verzeichnen, die aufgrund der Minderjährigkeit ihres Sohnes zeitweilig zu Regentinnen wurden, was sich deutlich am Hofstaat von Maria von Medici und Anna von Österreich nachvollziehen lässt481. Was die längerfristige Entwicklung der Binnenstruktur und damit der einzelnen d¦partements der maison de la reine angeht, so lassen sich anhand der bisherigen Forschung wenige differenzierte Aussagen treffen. Daher sei hier auch nur zur groben Orientierung auf den Hofstaat von Katharina von Medici verwiesen, für den zum Kolk in der Zeit zwischen 1530 und 1589 eine Zunahme der prestigeträchtigen Posten sowie ein Anwachsen der chapelle, der chancellerie, der fourriÀre/m¦tiers und insbesondere der services de la chambre konstatiert, wohingegen die sept offices an Bedeutung eingebüßt hätten482. Für die Hofstaaten der französischen Königinnen des 17. Jahrhunderts liegt eine Untersuchung von Sophie de Laverny vor. Ihr Befund ist zusammengefasst der, dass der Hofstaat der ›devoten‹ Maria von Medici über eine vergleichsweise stark ausgeprägte maison eccl¦siastique verfügte, während der Hofstaat der r¦gente Anna von Österreich hingegen entsprechend ihrer Regierungstätigkeit eine größere maison administrative aufwies und die maison der ›passiven‹ und ›unbedeutenden‹ Maria Theresia nur wenige »conseillers revendicateurs« umfasste483. Diese Angaben sind jedoch mit großer Vorsicht zu behandeln, da sie sowohl in ihrer Erhebung als auch in den aus ihnen gezogenen Schlüssen sehr summarisch, vereinfachend und unpräzise sind, wie es sich bereits für den Hofstaat von Maria von Medici erwiesen hat484. Auch werden sie dem Hofstaat der Königin Maria Theresia von Spanien nicht gerecht, der in den 23 Jahren (1. Juli 1660485 bis 30. Juli 1683) seines Bestehens die zweitgrößte maison roya481 482 483 484

Vgl. Dubost, Marie de M¦dicis, S. 153; Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 157. Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 112, 115, 120. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 157. Laverny unterscheidet in ihrer Untersuchung drei Bereiche der Königinnenhofstaaten (maison eccl¦siastique, maison domestique und maison administrative) und gibt deren Größenverhältnisse lediglich in Prozent wieder, ohne die entsprechende genaue Quellengrundlage, d. h. die genaue Gesamtgröße der ¦tats und die Größe der einzelnen d¦partements offenzulegen. Auch bleibt unverständlich warum die Tatsache, dass Anna von Österreich Regentin war, ausdrücklich berücksichtigt wird, bei Maria von Medici, die ebenfalls die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn ausgeübt hatte, hingegen nicht. Vgl. auch Dubost, Marie de M¦dicis, S. 892, Fn. 2, die eine ähnliche Feststellung in Bezug auf die Angaben Lavernys zu Maria von Medici macht. 485 Es gibt verschiedene Hinweise für den Beginn der Existenz der maison de la reine von Maria Theresia. Da die Eheschließung zwischen Ludwig XIV. und der spanischen Infantin erst am 9. Juni 1660 erfolgte und der erste für die maison de la reine überlieferte – im Übrigen nachträglich erstellte – ¦tat davon spricht, dass die im Folgenden aufgeführten officiers domestiques damit beauftragt waren ihren Dienst ab dem 1. Juli 1660 zu beginnen, so lässt sich davon ausgehen, dass spätestens im Juni die Zusammensetzung der maison von Maria

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le486 und damit eine wichtige maison domestique487 am französischen Königshof darstellte. Dass dieser Tatsache in der bisherigen Forschung noch kaum Rechnung getragen wurde, steht nicht zuletzt in Zusammenhang damit, dass Maria Theresia geschichtswissenschaftlich betrachtet in den Schatten ihres Ehemannes, des alles überstrahlenden Sonnenkönigs, geraten und entsprechend als schwache Königin in die Annalen eingegangen ist, die zwar ihrer primären Funktion, der Geburt eines Thronfolgers, nachgekommen sei, darüber hinaus aber keinen gesellschaftlichen, kulturellen oder gar politischen Einfluss ausgeübt habe488. Diesen Vorbehalt scheint auch Laverny zu untermauern, die in ihrer maison keine Besonderheiten ausmachen konnte und diesen Befund auf die Bedeutungslosigkeit von Maria Theresia zurückführt, die sich in ihrem Hofstaat widerspiegeln würde489. Betrachtet man den Hofstaat von Maria Theresia jedoch im Kontext der bisherigen Forschungserkenntnisse zu denen anderer französischer Königinnen, so ergibt sich ein differenzierteres Bild, das weitaus mehr ihrer Stellung als Vorstand eines eigen- und vollständigen Hofstaats mit durchschnittlich 432 Chargen entspricht490. Denn zum einen stand ihre maison trotz auftretender Schwankungen (349491–534492) der ihrer Vorgängerinnen in ihrer quantitativen Größe in nichts nach493, sodass sich der seit Beginn der

486 487 488

489 490

491 492 493

Theresia festgelegt wurde, sodass die entsprechenden officiers Anfang Juli ihren Dienst antreten konnten. Vgl. Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 176. Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 157. Vgl. Chev¦, JoÚle: Histoire des Reines de France. Marie-Th¦rÀse d’Autriche. Êpouse de Louis XIV. Paris 2008, S. 11–29, der in dem einleitenden Kapitel seiner Maria TheresiaBiographie diese Wahrnehmung der Forschungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts rekapituliert. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 153. Als Grundlage für diesen Durchschnittswert wurden die 14 überlieferten Hofstaatslisten ausgewertet, die sich teils in den AN (O1 3713–3715 Maisons des reines et des Enfants de France, Z1A 511–513 Cour des aides) befinden, teils in gedruckter und publizierter Form (vgl. Êtat de la France) vorliegen. Vgl. EDF (1663). Vgl. AN Z1A 511(1661). Vorausgesetzt es werden die Jahre berücksichtigt, in denen diese noch Königinnen und nicht bereits Regentinnen waren. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 148–158, die diesen unzulässigen Vergleich vornimmt, da sie nicht zwischen dem Hofstaat einer Regentin und einer Königin unterscheidet. Eine Unterscheidung ist meiner Ansicht nach aber zwingend notwendig, da die Regentschaft mit der Wahrnehmung von Herrschaftskompetenzen verbunden war und den Hofstaat der Regentin zeitweilig zum wichtigsten Hofstaat am französischen Königshof aufsteigen ließ, was quantitative und qualitative Auswirkungen auf ihn hatte. Somit liegt dem Hofstaat einer Regentin ein anderer Status zugrunde als dem einer Königin. Da wir nicht wissen können, welche Veränderungen der Hofstaat von Maria Theresia von Spanien im Fall einer Regentschaft durchlaufen hätte, kann ihr Hofstaat als Königin auch nur mit dem Hofstaat anderer Königinnen verglichen werden, um ermessen zu können, wie sie in Relation zu diesen quantitativ und qualitativ

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Frühen Neuzeit feststellbare Trend einer stetigen Vergrößerung des Hofstaats der Königin auch unter Maria Theresia fortsetzte. Zum anderen war auch das relative Größenverhältnis zur maison du roi in der Zeit zwischen 1660 und 1683494 mit 42 % vergleichsweise hoch, denn trotz der eindeutig feststellbaren quantitativen Zunahme der maison de la reine fiel diese im Vergleich zur Entwicklung der maison du roi proportional immer weiter zurück, sodass es sich von 88 % unter Anna von Bretagne im Vergleich zu ihrem Ehemann Karl VIII. im Jahr 1496 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts hin auf 34 % verschlechterte und damit auf den niedrigsten Stand seit dem 12. Jahrhundert sank495.

ausgestattet war. Die Angaben zum Hofstaat einer Regentin und einer Königin dürfen nicht absolut, sondern müssen relativ behandelt werden. 494 Vgl. Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 367, und die dort für 1664, 1672 und 1677 ermittelten Zahlen für die innere maison du roi. 495 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 119. Zum Kolk hat für die Zeit zwischen 1523 und 1589 einen Durchschnittswert von 321 serviteurs im hútel de la reine ermittelt.

IV.

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1.

Ämter am französischen Königshof

Eine der grundlegenden Veränderungen, die der französische Königshof wie zahlreiche andere Fürstenhöfe im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert erlebte, war die Ausdifferenzierung und Erweiterung des Dienst- und Verwaltungspersonals im Zuge des Erstarkens der monarchischen Macht497. Der französische Königshof wurde dadurch immer mehr zu einem Ort, an dem zahlreiche Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft verkehrten498. Dem zeitgenössischen Verständnis nach gehörten dem Hof aber nur die »officiers et la suitte du Prince«499 an und damit die grands officiers de la couronne, officiers de la maison civile et militaire und die bas-officiers — la suite du roi et de la cour500. Ihre Anzahl variierte entsprechend der Größe der Königsfamilie und umfasste unter Ludwig 496 Cour, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. 497 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 12. 498 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 67, 70; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 321, 325. Der französische Königshof spiegelte in seiner sozialen Zusammensetzung das ganze Spektrum der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft wieder. 499 Cour, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Vgl. auch Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 34–35, der betont, dass von »den denkbaren Kriterien der wirklichen Hofzugehörigkeit […] der Besitz einer Hofcharge«, und deren tatsächliche Ausübung, das einzige »sichere und förmliche Anzeichen für die Hofzugehörigkeit einer Person bzw. Familie« darstellt, das »sowohl rekonstruierbar als auch eindeutig ist«. Weder die räumliche Präsenz noch die »Orientierung an den legalen Definitionen der Hofzugehörigkeit« erfüllen diese Kriterien hinreichend. 500 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 23. Vgl. auch Horowski, Such a great advantage for my son, S. 127, Fn. 5, zur Unterscheidung zwischen charge und office, die nicht immer deutlich aus den Quellen hervorgeht. Der französische Begriff »charge« bezeichnete Hofämter, während »office« käufliche, frei übertragbare und lebenslange Posten meinte, die sich weitgehend der königlichen Kontrolle entzogen.

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XIV. mehrere Tausend Personen. In ihrer Gesamtheit bildeten sie das personale Grundgerüst des Hofes und stellten sein materielles Funktionieren sicher. Vom Küchenjungen bis hin zum grand ma„tre waren sie für den reibungslosen Ablauf alltäglicher und außerordentlicher Ereignisse im Umfeld der Herrscherfamilie zuständig und nahmen in diesem Zusammenhang vielfältige Aufgaben war, die sie je nach Hofamt in ganz-, halb- oder vierteljährlichem Turnus und in mehr oder weniger großer Distanz zu den Mitgliedern der Königsfamilie ausübten. Darüber, welche höfischen Positionen überhaupt bekleidet werden konnten, entschied die soziale Herkunft501. Die grands officiers502 mussten eine »noblesse parfaite« vorweisen, die officiers de la maison civile et militaire du roi503 zumindest dem Adel angehören, wohingegen die bas offices von roturiers aller Art besetzt wurden504. Ganz konkret bedeutete dies, dass in den maisons royales subalterne Posten aller d¦partements von Nichtadeligen bekleidet wurden, die auch den Großteil des Hofpersonals bildeten505. Höhere Hofpositionen hingegen wie Ehrenämter und hohe Würden setzten mit steigendem Rang in der Ämterhierarchie auch eine exklusivere Qualität des Adels voraus. So wurden mittlere Chargen meist von einfachen Edelleuten und frisch Anoblierten bekleidet, die nächsthöheren offices sup¦rieurs de la maison du roi (wie der premier ma„tre d’hútel oder der premier gentilhomme de la chambre) von der »grande noblesse de dignit¦«506 und die grands offices von den princes du sang und den pairs de France und damit dem höchsten Adel Frankreichs. Ab 1663 verschärften sich die Anforderungen an die soziale Herkunft noch zusätzlich. Für ein Amt in der 501 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 147. 502 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 26, wonach die grands officiers folgende waren: »Le chancelier et garde des sceaux, le conn¦table de France et les mar¦chaux de France, l’amiral de France ou le grand ma„tre de France de la navigation et du commerce, le colonel g¦n¦ral de l’infanterie, le grand ma„tre de l’artillerie, le grand chambellan, le grand ¦cuyer de France, le grand ma„tre de la maison du roi«. Des Weiteren der »grand aumúnier de France, le grand ma„tre de la garde-robe, le grand pr¦vút de France, le grand mar¦chal des logis, le grand ma„tre des c¦r¦monies, le grand veneur de France, le grand fauconnier de France, le grand louvetier de France.« 503 Vgl. ebd., S. 26–27, wonach sich die officiers de la maison civile et militaire du roi zusammensetzten aus: »Les militaires: Les officiers de la maison militaire proprement dite, les officiers des unit¦s attach¦es — la maison militaire et constitu¦es des compagnies agissant en dehors du palais. Les ecc¦siastiques: L’aumúnerie, la chapelle-oratoire, la chapelle-musique, l’aumúnerie de Saint-Roch. Les civils: La maison Þtroite (la bouche, la chambre, la garde-robe, le garde-meuble, le cabinet, la Facult¦, les c¦r¦monies, les logements de la cour et suite), les services annexes (les officiers de la pr¦vút¦ de l’hútel, la grande ¦curie, la petite ¦curie, la v¦nerie, la grande fauconnerie, la louveterie, le vautrait cassette).« 504 Vgl. ebd., S. 27, wonach es sich bei ihnen vornehmlich um »marchands et artisans fournisseurs de la cour et du roi« handelt. 505 Vgl. Mousnier, Histoire des institutions, S. 125; Duindam, Vienna and Versailles, S. 305. Vgl. auch Burke, Der Höfling, S. 148, der zu diesem Dienstpersonal u. a. Köche, Servierer, Wachen und Pförtner zählte. 506 Mousnier, Histoire des institutions, S. 124, 125.

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maison du roi, und selbst wenn es sich nur um den Posten eines »page de la Chambre ou de la Grande Ecurie« handelte, musste ein Adel nachgewiesen werden, der mindestens bis 1400 zurückreichte507. Erst dann konnten die honneurs de la cour erlangt und damit die Berechtigung zur Teilnahme am Hofleben und zur Bekleidung von Hofchargen erworben werden508. Die zunehmende Exklusivität von Hofchargen durch die verstärkte Besetzung mit der (alten) noblesse d’¦p¦e und die gleichzeitige Reduzierung des Gesamtpersonals509 nahm als Trend seinen Anfang bereits im 16. Jahrhundert und setzte sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts fort. Er führte dazu, dass der Schwertadel nie weniger als zwei Drittel und in der Regel mehr als vier Fünftel der höchsten Hofposten besetzte510. Die Verteilung lag für die Zeit zwischen 1661 und 1789 bei 80,4 % noblesse d’¦p¦e, während die restlichen fast 20 % sich aus der ministerialen noblesse de robe (7,4 %), der übrigen noblesse de robe (4,0 %) und den Nachkommen sonstiger anoblis (d. h. direkt und ohne Justizämter geadelte Aufsteiger aus dem Bürgertum mit 8,1 %) zusammensetzte511. Der plötzliche Aufstieg von Ministerialfamilien zu Hofämtern – sie waren fast allein für den Anstieg des Nicht-¦p¦e-Anteils unter den Amtsträgern verantwortlich – war dabei eine Besonderheit der Regierungszeit Ludwigs XIV., die sich unter seinen Nachfolgern nicht fortsetzte. Zwar blieben die bis dahin installierten »ex-ministerial families« in ihren Hofposten. Es kamen aber so gut wie keine Neulinge aus der »ministerial robe« hinzu, sodass 1787 überhaupt keine mehr in den Reihen der Amtsträger vertreten waren512. Den Zugang zu Hofämtern gewährleistete aber nicht allein die Erfüllung sozialer Kriterien. Sie war in starkem Maße von den höfischen Akteuren abhängig, denen die Vergabe entsprechender Positionen oblag. Über die Nominierung und Einsetzung von personnel mineur verfügten die Mitglieder der

507 Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 327, der die zunehmende Abschließung der maison du roi als Folge der allgemeinen Entwicklung des Adels begreift, die die »critÀres de diff¦renciation« betont. 508 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 35, der darstellt, dass sich Adelige über die Erlangung der honneurs de la cour als ›hoffähig‹ erweisen mussten. Sie stellten einen quasi legalen Beleg für die Hofzugehörigkeit dar, der nur an Familien erteilt werden sollte, deren Adel seit 1400 bestand. Gleichzeitig wurden die honneurs »erst seit 1732 bzw. 1759 eindeutig gleichbleibenden Regeln unterworfen, sind also erst von da an zufriedenstellend rekonstruierbar.« Vgl. für die Gesamtdarstellung der honneurs de la cour Bluche, FranÅois: Les honneurs de la cour. Paris 1957. 509 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 8. Vgl. auch Duindam, Vienna and Versailles, S. 308, wonach es vor allem die Ehrenämter waren, die stark reduziert wurden. 510 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 147, 150; Duindam, Vienna and Versailles, S. 308. 511 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 46–47. 512 Ders., Such a great advantage for my son, S. 147–148.

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Königsfamilie und die chefs de service in ihrem jeweiligen d¦partement513. In letzter Instanz lag die Entscheidung jedoch beim König, der Hofamtsträger für seinen eigenen Hofstaat und die der famille royale aussuchte oder zumindest seine Zustimmung für die Auswahl anderer gab514. Entscheidend für die Erlangung eines Hofpostens war somit die Nähe zum König, zu Angehörigen der Königsfamilie und zu hohen Amtsträgern, die meist nur mittels sozialer Beziehungen herbeigeführt werden konnte. Entsprechende Verbindungen über Verwandtschaft, Ehe, Freundschaft, Patronage, gemeinsamen Dienst, Herkunft und Bekanntschaften wurden einerseits dazu genutzt, von Vakanzen zu erfahren, andererseits Einfluss auf Vergabeprozesse auszuüben. Die Fürsprache und Empfehlung möglichst einflussreicher Hofleute515 verschaffte dabei häufig Zugang zu Entscheidungsträgern, beeinflussten deren Meinungsbildung und leisteten damit einen unentbehrlichen Beitrag zur Erlangung einer Charge516. Ausschlaggebend für die Besetzung eines Postens waren aber auch die Qualitäten, Meriten und die »r¦putation de comp¦tence«517 einer Einzelperson – auch wenn sie eine nur vergleichsweise untergeordnete Rolle spielten518. Große Bedeutung kam hingegen dem cr¦dit519 von Familienangehörigen oder des jeweiligen Adelsgeschlechts zu. Sowohl einzelne Personen als auch ihr familiäres Netzwerk waren nicht unabhängig voneinander denkbar, bedingte doch das Ansehen des einen das der anderen. Eine Wechselwirkung, die nicht zuletzt in Erlangung und Verlust von Hofämtern zum Ausdruck kam. Der Anwärter auf ein Hofamt musste auch über erhebliche Kaufkraft verfügen, um seinem Amtsvorgänger bzw. dessen Familie den Gegenwert der Charge in Form des sogenannten brevet de retenue520 und damit meist einer sehr hohen 513 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 24; Labourdette, Maison du Roi, S. 778. Vgl. auch Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 364, der darauf hinweist, dass dieses Vorrecht vom König auch entzogen werden konnte. Ein Beispiel dafür ist der Grand Cond¦, der nachdem er seine Position als grand ma„tre de France nach der Fronde wiedererlangt hatte, auf einen Großteil seiner Nominationsrechte verzichten musste. 514 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 24. Vgl. auch AN O1 38, fol. 5v–6v ; 55, fol. 119r; 59, fol. 83v. 515 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 50, der Hofchargeninhaber, Minister und die Mätressen des Königs als solch besonders einflussreiche höfische Akteure hervorhebt. 516 Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 57. 517 Laverny, Les domestiques commensaux, S. 84. 518 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 171, der die Ansicht vertritt, dass es nur wenige Amtsträger gibt, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihr Hofamt gänzlich diesen Qualitäten zu verdanken hatten. 519 Unter cr¦dit wird zeitgenössisch ein Machtpotenzial verstanden, dass sich nicht »auf präzise einzugegrenzende institutionalisierte Macht [beschränkte], sondern allein auf glaubwürdig unterstellbaren Einfluß« (ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 44). 520 Vgl. ebd., S. 48–49. Ein brevet de retenue hatte der Verstorbene seinerzeit selber für die

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Summe auszuzahlen. Zwar standen prinzipiell die Posten in den königlichen Haushalten weder zum Verkauf noch waren sie erblich521. Dennoch bestand seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Gepflogenheit, höfische Chargen zu wechseln und zu verkaufen522, und charakterisierte Erblichkeit ihre Weitergabe. Während Ludwig XIII. noch an dem Versuch, diese Gepflogenheiten gänzlich abzuschaffen, scheiterte, gelang es seinem Sohn, Ludwig XIV., zumindest den Handel mit den Ämtern neu zu organisieren und die »survivances et […] brevets de retenue sur le prix de vente ¦ventuel des offices domestiques«523 an sich zu ziehen. Die Bestimmung der Nachfolge durfte somit nicht eigenmächtig durch Verkauf oder Übertragung vom Amtsinhaber selbst vorgenommen werden, sondern lag gänzlich beim König. Die große Bedeutung, die die Nähe zu Entscheidungsträgern, die Kaufkraft von Amtsanwärtern und die königliche Kontrolle über Hofämter hatten, trug dazu bei, dass am Hof Ludwigs XIV. und seiner Nachfolger die Weitergabe von Hofchargen en survivance und damit die direkte und indirekte Familiensukzession eine wichtige Rolle spielte. In diesem Fall war der neue Amtsträger entweder der engste natürliche Erbe des Vorgängers524 oder ein naher Verwandter, wobei die häufigste und von der Krone anerkannteste Form der survivance die vom Vater zum Sohn war525. Stimmte der König einer solchen Übergabe zu, konnte sich ein Amtsträger bereits zu Lebzeiten einen Nachfolger bestätigen lassen, ohne seine Hofcharge sofort abtreten zu müssen. Vielmehr wurde der survivancier dazu ermächtigt, die Amtsfunktionen mit dem ›alten‹ Inhaber zu teilen, und dessen Nachfolge erst vollständig anzutreten, wenn dieser verstarb oder zurücktrat. Diese Praxis hatte Konsequenzen für die Besetzung von Hofchargen, denn sie stattete die Erben von Amtsträgern mit einem erheblichen Vorteil gegenüber ›Außenseitern‹ aus, die nur in seltenen Fällen eine solche Position erlangten, nämlich dann, wenn ein Erbe fehlte, der die Nachfolge hätte antreten können, oder wenn es um die Besetzung neu geschaffener Posi-

521 522 523 524 525

Hofcharge bezahlt. Der neue Amtsinhaber »erhielt dafür ein eigenes brevet de retenue, das ihm als Hypothekensicherheit für die als Kredit aufgenommene Kaufsumme diente.« Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 522; Laverny, Les domestiques commensaux, S. 25. Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 781; Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 56. Labourdette, Maison du Roi, S. 781. Vgl. auch Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 363–365. Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 163. Vgl. auch ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 49, wonach diese Form mit 54,4 % die Regel darstellte. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 95–96. Vgl. auch Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 49, der festgestellt hat, dass wenn »der verstorbene oder ausscheidende Amtsträger einen Sohn oder agnatischen Enkel hatte, […] dieser in 77,4 % aller Fälle zum Nachfolger ernannt« wurde.

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tionen ging. Doch selbst dann kamen meist Personen zum Zug, die bereits zum »inner circle«526 des Hofes bzw. zu den bereits etablierten Hoffamilien gehörten. Denn sie hielten sich ohnehin in unmittelbarer Nähe zum Monarchen auf und waren am Hof gut vernetzt527, sodass es ihnen auch leichter gelang, den Schutz einer »grand personnage de la cour« oder gar die Gunst des Königs selbst zu erlangen, um sich darüber Zugang zu einem Hofamt zu verschaffen528. Entsprechend verblieben vor allem die prestigeträchtigsten Hofämter über Generationen innerhalb der größten und ältesten Familien des Königreichs529, die nach und nach begannen sie als Erbgut zu betrachten530. Diese kontinuitätsfördernde »Monopolisierung der obersten Hofchargen durch einige wenige Familien« begünstigte die Herausbildung regelrechter Ämterdynastien531, was zu einer zunehmenden Verfestigung der Zusammensetzung des königlichen Haushaltes zwischen 1661 und 1789 führte. Während 1661 noch die Hälfte aller hohen Hofamtsträger ihre Position in der 1. Generation bekleidete, sank ihre Quote 1715 bereits auf 33,3 %. Proportional dazu stieg im selben Zeitraum die Anzahl derjenigen, die ihre Charge in 2., 3. oder 4. Generation besaßen, auf 63,3 % und die der Amtsträger in 5. oder höherer Generation stieg von 3,3 % im Jahr 1715 auf 25 % im Jahr 1787532. Die Ursachen für die Neuetablierung zahlreicher Familien, die sich über Chargen dauerhaft am Hof verankerten – ein besonderes Kennzeichen der persönlichen Regierungszeit Ludwigs XIV. –, waren vielfältig. Zum einen entsprachen vor allem en survivance weitergegebene Hofämter dem »Prinzip der familiären Kontinuität«533 und damit einem zentralen Movens des französischen Adels534. Hofchargen kamen dem adeligen Bedürfnis nach Erhaltung und Erweiterung seines Geschlechts entgegen535, war es doch leichter, sie innerhalb einer Familie zu bewahren als »ministerial, military or gubernatorial post, let alone ecclesiastical and diplomatic functions«536. ›Erfolg‹ am Hof drückte sich 526 527 528 529 530

531 532 533 534 535 536

Horowski, Such a great advantage for my son, S. 170. Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 50. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 84. Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 781. So war der grand ma„tre de la maison du roi immer ein Cond¦, der grand chambellan ein Angehöriger des Hauses Bouillon und der grand ¦cuyer de France ein Lorraine. Vgl. auch Labourdette, Maison du Roi, S. 781, der eine entsprechende Tendenz auch bei niedrigeren Chargen feststellt. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 96. Vgl. auch Le Roux, La maison du roi sous les premiers Bourbons, S. 29, der darauf hinweist, dass diese Entwicklung »— tous les niveaus de la Maison« stattfand. Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 48. Ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 52. Vgl. ders., Such a great advantage for my son, S. 150. Vgl. ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 52. Ders., Such a great advantage for my son, S. 142.

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daher auch eher dynastisch aus als individuell und zeigte sich entsprechend vor allem in der Anzahl der Hofchargen, die eine Familie dauerhaft auf sich vereinte537. Das höchste Ziel adeliger Strategien am Hof war somit »family continuity«538. Dies muss auch vor dem Hintergrund der spezifischen Situation des französischen Adels gesehen werden, bei dem »nur noch Titel eindeutig vererblich waren und alle anderen Requisiten adeliger Größe, seien es militärische, diplomatische, geistliche oder eben höfische Ämter, Provinzgouvernements, Pensionen oder Orden, nur mehr auf Lebenszeit sicher erworben werden konnten«, sodass eine Adelsfamilie prinzipiell in jeder Generation vom Abstieg bedroht war539. Dass es dem höfischen Adel gelang, mit dieser Strategie Hofämter über Generationen in der eigenen Familie zu halten, zeigt letztlich die Tatsache, dass 71 % der ältesten Söhne von Hofamtsträgern und 90,6 % von denjenigen, deren Eltern in dauerhaften Haushalten Posten innehatten, schließlich selbst Hofämter bekleideten540. Des Weiteren erhöhte die zunehmende Verdichtung von Macht- und Karrierechancen am Königshof den Druck auf den französischen Adel, sich zu ihrer Sicherung persönlich dorthin zu begeben und sich über Hofämter möglichst dauerhaft »am Marktplatz aller Vorteile«541 zu verankern, um auch zukünftig den Zugang zu Vorteilen für sich selbst und Dritte zu gewährleisten. Dabei erschien fast kein Opfer zu groß, um einen Familienerben in ein Hofamt zu bringen542. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die Attraktivität von Hofchargen für den Adel daraus ergab, dass sie neben dem kirchlichen, militärischen und diplomatischen Dienst eine weitere sozial akzeptable Möglichkeit boten, Ansehen zu erwerben und Karriere zu machen. Zwar gab es im Gegensatz zu anderen europäischen Höfen der Zeit am französischen so gut wie keinen for537 538 539 540 541

Vgl. ebd., S. 144. Ebd., S. 141. Ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 45. Vgl. ders., Such a great advantage for my son, S. 166. Ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 52. Vgl. auch ders., Such a great advantage for my son, S. 137, der den Hof als »giant market-place« beschreibt »not just for court office but equally for all the other commodities it took to satisfy noble family ambitions – high military grades and offices, provincial governorships or lieutenances g¦n¦rales, dukedoms, the Order of the Holy Ghost and other ceremonial honours, pensions, financial privileges or cash gifts, appartments in the palace, ambassadorships, abbeys, bishoprics and perhaps even the royal nomination for a cardinal’s red hat. All these nominations, just because of their weight, remained outside the reach of bureaucratic institutions and continued to be handed out by the king himself, whose choice was as much influenced by courtiers’ informal, as by ministers’ formal, recommendations.« Vgl. auch Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 83–84, die feststellt, dass im Gegenzug seit dem 16. Jahrhundert der Dienst in großen Adelshaushalten für Frauen und Männer des Adels an Attraktivität verlor, u. a. weil er weniger Karrieremöglichkeiten bot als der Fürstendienst. 542 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 142, 143.

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malen ›cursus honorum‹, der im Hofdienst hätte absolviert werden können543. Gleichwohl bestand die Möglichkeit, mehrere charges commensales in den maisons royales anzuhäufen, was bereits Heinrich III. mit einem Verbot belegte, das im 17. Jahrhundert und vor allem unter Ludwig XIV. wenig Beachtung fand und in der Praxis nicht verhinderte, dass eine Person mehrere Chargen auf sich vereinte oder eine solche von mehreren Amtsträgern geteilt wurde544. Bei höheren Hofpositionen hingegen kam es selten vor, dass eine Einzelperson nacheinander verschiedene Chargen besaß, und fast nie, dass sie sie kumulierte545. Mit der Übernahme eines Postens in einer maison royale und der Erlangung des Status eines commensal du roi546 verbanden sich erhebliche Vorteile, denn sie wiesen die betreffende Person als Vollmitglied des Hofes aus547 und ermöglichten ihr die Inanspruchnahme zahlreicher Privilegien. Wie keine andere sozial und wirtschaftlich derart heterogene Gruppierung verfügten die commensaux damit über zahlreiche juristische und steuerliche Immunitäten sowie wirtschaftliche und soziale Privilegien. Voraussetzung für ihre Inanspruchnahme war die tatsächliche und aktuelle Dienstausübung, der Bezug eines Mindesteinkommens und das Einhalten des rechtlichen Rahmens der jeweiligen Charge. Juristisch waren die commensaux durch das droit de commitimus lokaler Rechtsprechung entzogen. Auch waren sie von der tutelle und curatelle befreit und ihre Chargen (prix, gages und autres r¦compenses) konnten weder gepfändet noch geteilt oder mit einer Hypothek belegt werden, da sie der Verfügung des Königs unterstanden548. In steuerlicher Hinsicht war mit der commensalit¦ für die meisten officiers die Befreiung von lokalen und einem Großteil der könig-

543 Vgl. ebd., S. 169, 171. Vgl. aber Grell, Les historiens franÅais, la noblesse et la cour de France, S. 107, 109, die dennoch eine Art ›klassische Karriere‹ für Männer im Hofdienst skizziert, wonach diese in der königlichen Pagenschule begann, sich über den Waffendienst im königlichen Regiment fortsetzte und letztlich in die Besetzung eines Hofamtes in einer der maisons royales mündete. Über die maisons war es dem Adel möglich alle Sprossen der innerhöfischen Ämterhierarchie, von den Posten in den maisons des princes und der Königin bis hin zu den prestigeträchtigsten, aber auch am schwierigsten zugänglichen und teuersten Chargen in der maison des Königs, emporzusteigen. Für eine Auflistung der Ämterhierarchie vgl. Chaline, The kingdoms of France and Navarre, S. 72. 544 Vgl. Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 365; Laverny, Les domestiques commensaux, S. 100. 545 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 46, Fn. 49. 546 Die ursprüngliche des Begriffs brachte zum Ausdruck, dass Dienst gegen Verpflegung erbracht wurde. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 19, die sich auf den Dictionnaire-Eintrag bei FuretiÀre bezieht. 547 Vgl. ebd., S. 20–23, wonach es neben den ›commensaux originels‹, noch die ›commensaux pour l’honneur‹ und ›r¦put¦s commensaux‹, gab, die aber durch das starke Anwachsen des Hofes im 17. Jahrhundert nicht mehr direkt an die Würde und die physische Person des Königs, und damit an die maison du roi und den Hof, gebunden waren. 548 Vgl. ebd., S. 106, 110, 124–128, 133.

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lichen Steuern verbunden549. Außerdem profitierten sie von einem sonst nur dem Adel vorbehaltenen Privileg, nämlich der Erlassung des droit de franc-fief, sodass sie für ›Lehen‹ keine Steuern entrichten mussten. Mit der Befreiung vom ban und arriÀre-ban überstiegen ihre Vorrechte sogar die des Adels550. Zu den wirtschaftlichen Vorteilen, die sich daraus ergaben, kamen weitere, die direkt mit dem jeweiligen Hofamt verbunden waren. So hatte jede charge durch ein brevet de retenue einen unmittelbaren finanziellen Wert551, die die zuvor aufgebrachte hohe Kaufsumme zu einer beträchtlichen Investition machte. Hinzu kamen gages für geleistete Dienste, die jedoch nur selten an die Inflation angepasst wurden, sodass sie seit dem 16. Jahrhundert unverändert niedrig blieben und die mit dem Hofleben verbundenen Kosten keinesfalls deckten552. Ein Hofamt konnte sich dennoch als lukrativ erweisen, da zu den offiziellen Einnahmen auch lebenslang gewährte Pensionen, Aufwandsentschädigungen (bouche et livr¦e), Abfindungen, Sonderzulagen, Gratifikationen und Geschenke hinzukamen. Teilweise wurden auch Verkaufserlöse für subalterne Chargen (le casuel) und Provisionszahlungen von Lieferanten (pot de vin) eingenommen553. Darüber hinaus gab es auch variierende inoffizielle Einkünfte554, wie sie durch Maklertätigkeiten für Besucher und Bittsteller anfielen, die für die Ausübung von Einfluss und die Vermittlung von Zugang meist eine Gebühr entrichten mussten, oder durch Geldleihe, »speculating in real estate«, Investitionen in »tax treaties, annuities, monopolies«, Verkauf von Ämtern, »rentes« und »acting as a prÞte-nom for a fee«555. Nicht zuletzt ergaben sich aus Hofämtern als »non plus ultra of rank and power«556 hohes Sozialprestige557 und weitgehende Einflussmöglichkeiten. Beides stand im Zusammenhang mit den Handlungsoptionen, die sich zum einen auf institutionellem Wege über die mit einer Charge verbundenen Kompetenzen ergaben (z. B. Verfügungsgewalt über finanzielle Mittel und untergeordnete Hofposten), zum anderen über die Nähe zum Monarchen und anderen wichtigen höfischen Entscheidungsträgern. Das »domestic environment« war zwar von 549 Vgl. ebd., S. 111, 113, 123. Darunter fielen Abgaben, wie die tailles, droits des aides und die »impúts militaires«, d. h. Unterbringung und Verpflegung von Soldaten. 550 Vgl. ebd., S. 129–133. 551 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 522. 552 Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 780; Duindam, Vienna and Versailles, S. 306. 553 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 40; Duindam, Vienna and Versailles, S. 306. 554 Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 780. 555 Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 76–77. Vgl. auch Duindam, Vienna and Versailles, S. 306. 556 Duindam, Vienna and Versailles, S. 317. 557 Ein Beispiel dafür ist gemäß Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 40, die enorme »Begehrtheit der vollkommen immateriellen herzoglichen honneurs du Louvre«.

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den formalen Wegen der (politischen) Entscheidungsfindung ausgeschlossen, dennoch stellte es einen erheblichen Einflussfaktor dar, da Macht im höfischen Kontext in starkem Maße von Personen und Zugangsmöglichkeiten abhing558. Als reguläre Begleiter hoher Standespersonen verfügten Amtsträger über eine privilegierte Stellung im unmittelbaren Umfeld zentraler Entscheidungsträger und einen exklusiven Zugang zu ihnen, was Gelegenheit bot, an Insiderinformationen zu gelangen559, Gunst zu gewinnen und Einfluss zu nehmen560. Somit eröffnete ihnen die Dienstausübung weitgehende »Möglichkeiten konkreter Machtausübung«561 und das jenseits institutioneller und sozialer Einschränkungen. Zwar war ein Hofamt weder gleichbedeutend damit, dass alle Amtsträger königliche Vertraute waren, noch dass sie den Zugang zum König und der Königsfamilie gänzlich monopolisierten562 – gab es doch verschiedene Wege der Beeinflussung563 –, dennoch bildete allein die von außen zugeschriebene Möglichkeit der Einflussnahme bereits ein Machtpotenzial564. Da Hofämter prinzipiell auf Lebenszeit vergeben wurden565 und die Amtsträger außer im Fall von Unredlichkeit, forfaiture und d¦rogeance566 oder der Wiedererstattung durch den König weder widerrufen noch abgesetzt werden konnten, gewährleisteten sie eine dauerhafte und starke strukturelle Position am Hof. Auch boten sie einen gewissen Schutz, da Amtsträger parteiliche Umstürze am Hof besser als beispielsweise Minister oder Hofleute ohne Charge überstanden, denn die »Notwendigkeit der Dienstausübung hielt sie unangreifbar auch über längere Durststrecken hinweg am Hof und gab ihnen Gelegenheit, sich schrittweise die Gunst neuer Machthaber zu erarbeiten.« Hinzu kam, dass sie »auch im Falle akuter Ungnade fast nie entlassen oder auf Dauer exiliert wurden«567 und auch der individuelle Verlust eines Hofamtes nur in Ausnahmefällen 558 Duindam, Vienna and Versailles, S. 313. – Eine Diskreditierung entsprechender Kanäle als illegitim erfolgte erst in späteren Jahrhunderten. 559 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 519, 520. 560 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime court, S. 14; Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 15. Paravicini verweist darauf, dass die Kontrolle des Zugangs zum Herrscher ihrem Inhaber eine Stellung verlieh, »die ihn weit über seinen sozialen Rang erheben« konnte. 561 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 52. 562 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 519. 563 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 313. 564 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 42–44. 565 Vgl. ebd., S. 48. 566 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 8, 92. Die d¦rogeance war der Verlust des Adelsprädikats. Ein Hofamt konnte aber auch verloren gehen durch die Ausübung eines mit dem eigenen Stand unvereinbaren Berufs oder office. 567 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 43–44. Vgl. auch ders., Such a great advantage for my son, S. 132, der darauf hinweist, dass diese Regelung sogar soweit beachtet wurde, dass »at a new ruler’s accession, its members were safe not only from the dissolution, but even from being individually dismissed: whilst almost all ministers were more or less immediately sacked in 1715 and again in 1774, on neither

Hofämter für adelige Frauen

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vorkam. In der maison du roi konnten Positionen selbst über den Tod des Königs hinaus erhalten bleiben568, da diese »nie aufgelöst oder neugebildet wurde«569. Die Gesamtheit der Vorteile, die einem Amtsträger aus einer Charge erwachsen konnten, gereichte nicht nur ihm selbst zum Vorteil, sondern auch seinem sozialen Umfeld. So konnte sowohl der jeweilige officier commensal über seinen ursprünglichen Status hinaus einen gesellschaftlichen Aufstieg erleben570 als auch seine ganze Familie. Somit boten insbesondere für den Adel Hofämter die Möglichkeit, Macht und Status zu gewinnen. Entsprechend ist auch der verstärkte Aufenthalt des Adels am französischen Hof nicht als Preis für seinen Machtverlust infolge des Erstarkens der monarchischen Autorität zu verstehen, sondern als Medium adeliger Machterhaltung und -erneuerung571. Da am Hof Zugang zu verschiedensten Ressourcen erlangt werden konnte und eine dauerhafte Etablierung über Hofämter immer attraktiver erschien572, muss vielmehr von einer Integration des Adels als von seiner Domestizierung die Rede sein573.

2.

Hofämter für adelige Frauen

Bereits seit der Merowingerzeit gehörte weibliches Dienstpersonal zum französischen Königshof. Es beschränkte sich aber nur auf das Gefolge der Königin und stellte eine ausgesprochen kleine Gruppierung dar574. Erst im 16. Jahrhundert, unter dem Einfluss der letzten Valois, wurden Amtsträgerinnen zu einem »¦l¦ment incontournable de la cour«575. Franz I. führte die bereits unter Anna von Bretagne begonnene Erweiterung des »cour des dames«576 fort, indem er auch die königlichen Prinzessinnen mit einer eigenen maison und »dames et demoiselles nobles«577 ausstattete. Adelige Frauen und Mädchen wurden dabei

568 569

570 571 572 573 574 575 576 577

occasion did even a single high-ranking court official lose his position in the royal household.« Vgl. ders., Such a great advantage for my son, S. 166. Ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 48. Vgl. auch Duindam, Vienna and Versailles, S. 306, der auf den Unterschied zwischen dem französischen und dem habsburgischen Hof in Wien hinweist, wonach in Frankreich die Höflinge bei Antritt eines neuen Herrschers in der Regel ihr Amt behielten und die Minister entlassen wurden, während in Wien genau das Gegenteil der Fall war. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 7, 133. Vgl. Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 203–204. Vgl. auch Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 50–51. Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 174. Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 319. Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 57. Dies., Catherine de M¦dicis et l’espace, S. 51. Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 177. Solnon, La Cour de France, S. 22.

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massiv in Hofämter eingesetzt und so zahlreich wie nie zuvor578. Auch differenzierte sich die »Binnenstruktur des Frauenpersonals«579 und es entstanden neue prestigeträchtige Chargen wie die dame d’honneur, dame d’atour und gouvernante des filles d’honneur580, die im 17. Jahrhundert um die surintendante et chef du conseil581 und die dames du palais erweitert wurden582. Die Zunahme und Ausdifferenzierung der weiblichen Chargen stand in engem Zusammenhang mit der Erweiterung des Dienst- und Verwaltungspersonals am französischen Königshof im Allgemeinen und der maison de la reine im Speziellen583. Dabei stieg im Zuge der quantitativen Entwicklung der Hofstaaten der »reines femmes« des 16. Jahrhunderts der Anteil des weiblichen Dienstpersonals auf 20 bis 25 %584. Ein Rekordhoch erreichte er mit durchschnittlich 70 Frauen unter Katharina von Medici585, bildete jedoch nie mehr als ein Viertel ihres Gefolges586. Im 17. Jahrhundert fiel der Frauenanteil im Verhältnis zur Gesamtgröße der maison de la reine sogar wieder zurück auf 7 % im

578 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 120. Vgl. auch Münster, Funktionen der dames et damoiselles d’honneur, S. 354, die diese Entwicklung bereits auf das 14. und 15. Jahrhundert zurückführt, wonach der weibliche Anteil am Gefolge zwar zugenommen habe, da die Hofstaaten aber insgesamt im Wachstum begriffen waren, weiterhin nur einen Bruchteil darstellte. 579 Münster, Funktionen der dames et damoiselles d’honneur, S. 354. 580 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 141. Diese weiblichen Hofchargen existierten teilweise bereits am burgundischen Hof, aber noch nicht am französischen. Zu den neuen männlichen Hofposten, die in dieser Zeit entstanden, gehörten der chevalier d’honneur und der grand ¦cuyer. Diese Chargen, ebenso wie die weiblichen, betrafen den repräsentativen Teil der maison. Darüber hinaus erweiterte sich aber auch der Verwaltungsund Finanzbereich der maison de la reine durch Chargen, wie contrúleur g¦n¦ral, secr¦taire des finances, procureur g¦n¦ral und pr¦sident du conseil. Vgl. auch Münster, Funktionen der dames et damoiselles d’honneur, S. 354, wonach bereits im 14. und 15. Jahrhundert die filles d’honneur in Abgrenzung zu den damoiselles d’honneur eingeführt wurden. Vgl. auch Paviot, Jacques (Hg.): Êl¦onore de Poitiers. Les ¦tats de France (Les honneurs de la cour). Paris 1998 (Annuaire-Bulletin de la soci¦t¦ de l’histoire de France Ann¦e 1996), S. 116, wonach es bereits im 15. Jahrhundert in den königlichen Hofstaaten Damen gab, die als dames d’honneur bezeichnet wurden. 581 Vgl. Newton, La petite cour, S. 255. Vgl. auch Laverny, Les domestiques commensaux du roi de France au XVIIe siÀcle, S. 156, wonach das weibliche Dienstpersonal im Hofstaat der Königin 1665 um eine coiffeuse perruquiÀre und 1674 um eine dame du lit erweitert wurde. 582 Vgl. Primi, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 33–34, wonach die Auflösung der filles d’honneur de la reine zur Aufstockung der dames du palais geführt haben soll. Vgl. auch Horowski, Such a great advantage for my son, S. 127. 583 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 98. 584 Auf diesen Befund verweist Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 178, für den Hofstaat von Maria Stuart, Elisabeth von Österreich und Luise von Lothringen. 585 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 111, 120. 586 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 155; Labourdette, Maison du Roi, S. 779. Vgl. aber Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 111, wonach es 22 % gewesen seien.

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Hofstaat von Maria von Medici, um unter Anna von Österreich auf 9 %587 und Maria Theresia von Spanien auf 11 % wieder leicht anzusteigen, auch wenn er weiterhin vergleichsweise niedrig blieb588. Sowohl auf dem Höhe- als auch auf dem Tiefpunkt dieser Entwicklung übertraf der Anteil der Amtsträgerinnen nie den der männlichen officiers589. Im Vergleich zur Gesamtheit des höfischen Personals blieben sie stets eine Minderheit590. Eine Minderheit jedoch, die angesichts der bekleideten Chargen ausgesprochen exklusiv war, hatten Amtsträgerinnen doch mit ungefähr 28 % fast ein Drittel der hochrangigsten Hofämter inne, die überhaupt zwischen 1661 und 1789 am französischen Königshof existierten591. Auch variierte ihre tatsächliche Größe stark, da sie zum einen abhängig war von der Anzahl der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie, die mit einem Gefolge ausgestattet werden mussten592, zum anderen von den dort Frauen zur Verfügung stehenden Positionen. In den fünf in der persönlichen Regierungszeit Ludwigs XIV. berücksichtigten Frauenhofstaaten und der maison des enfants de France konnten 138 adelige Mädchen und Frauen ermittelt werden, die sich auf insgesamt zehn unterschiedliche Hofämter verteilten593. In hierarchischer Reihenfolge handelt es sich dabei um die Charge der chef du conseil et surintendante de la maison, dame d’honneur, dame d’atour, dame du 587 Hierbei kann nur auf die Angaben von Laverny zurückgegriffen werden (vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 155). 588 Grundlage für die Berechnung des Frauenanteils am Gefolge der Königin Maria Theresia von Spanien sind die für ihre maison überlieferten Hofstaatlisten (vgl. AN Z1A511–513; AN O1 3715; EDF 1663, 1665, 1669, 1676–1678, 1680, 1682, 1683). 589 Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 55. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 58, die zu einem ähnlichen Befund für den Münchener Hof gelangt. Dort sei »der prozentuale Anteil des weiblichen Personals am Gesamthofstaat mit circa 10 Prozent zwischen der Mitte des 17. und dem Ende des 18. Jahrhunderts nahezu konstant« geblieben, wenngleich »die Entwicklung der absoluten Zahlen starke Schwankungen« aufgewiesen habe. »Eine starke Zunahme oder ein abrupter Einbruch des Hofstaates führten allerdings auch zu – kurzfristigen – Verschiebungen im Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Bediensteten.« 590 Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 55; Labourdette, Maison du Roi, S. 779. Einen vergleichsweise großen Anteil stellten sie mit 25 % im Hofstaat von Katharina von Medici und mit 20 % im Hofstaat von Luise von Lothringen. 591 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 145, dessen Erhebungen aufzeigen, dass von den 790 Positionen, die zwischen 1661 und 1789 am französischen Königshof besetzt werden konnten, 568 an Männer und 222 an Frauen ergingen. Vgl. auch LefermeFalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. 592 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 193. So nahm die Anzahl der Amtsträgerinnen unter Ludwig XV. allein schon aufgrund seiner zahlreichen Töchter zu. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 71, die für den Münchener Hof ebenfalls feststellt, dass die Anzahl der Amtsträgerinnen durch die »Anzahl weiblicher Hofstaaten« modifiziert wurde. 593 Diese Zusammenstellung ergibt sich vorrangig aus der Auswertung von Hofstaatslisten. Dabei wurden lediglich die adeligen Frauen vorbehaltenen Ämter berücksichtigt. Daneben gab es aber auch zahlreiche Positionen, die von nichtadeligen Frauen bekleidet wurden, wie z. B. der Posten der Kammerfrau (vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 195).

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palais bzw. dame pour accompagner, gouvernante und sous-gouvernante des filles d’honneur und der fille d’honneur. Hinzu kamen die gouvernante und sousgouvernante der Königskinder und der Nachkommen des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans, die entweder dem Hofstaat der enfants de France zugeordnet waren oder dem der Madame594. Obwohl die Anzahl der für Frauen zugänglichen Hofämter am französischen Königshof weitaus geringer war als die für Männer, wies sie eine größere Bandbreite auf als andere europäische Höfe der Zeit. Am Münchner oder Wiener Hof existierten weitaus weniger Chargen, die adeligen Frauen zugänglich waren595, was auf das größere Spektrum der ›weiblichen‹ Ämterstruktur am cour de France zurückgeführt werden kann. Wie beispielsweise am Münchener Hof lassen sich auch dort grundsätzlich fünf unterschiedliche Hofämter unterscheiden, nämlich das der Obersthofmeisterin, Fräuleinhofmeisterin, Hofdame, Kammerfräulein und Hofmeisterin der Fürstenkinder, doch waren sie erheblich ausdifferenzierter. So wurde allein bei den Hofmeisterinnen zwischen einer obersten Hofmeisterin (surintendante de la maison), Oberhofmeisterin (dame d’honneur) und Vize-Oberhofmeisterin (dame d’atour) unterschieden. Bei den Hofdamen wurden die der Königin und ersten Dame (dames du palais) begrifflich von denen der Prinzessinnen (dames pour accompagner) getrennt. Auch bei den Fräuleinhofmeisterinnen gab es in Gestalt der gouvernante und sous-gouvernante des filles eine Unterteilung, ebenso wie bei den (Ober-)Hofmeisterinnen unmündiger Prinzen und Prinzessinnen, die sogenannte gouvernante und sous-gouvernante des enfants de France596. Dass Frauen am französischen Königshof mehrere Chargen offenstanden, war aber nicht gleichbedeutend damit, dass auch jeder Frauenhofstaat tatsächlich mit ihrer Gesamtheit ausgestattet war. Die Anzahl der Hofpositionen 594 Die Bedeutung eines Hofamtes ergab sich aber nicht nur aus der jeweiligen Position in der Ämterhierarchie, sondern auch aus dem Hofstaat, in dem es bekleidet wurde. An der Spitze rangierten die chef du conseil et surintendante de la maison, dame d’honneur und dame d’atour im Hofstaat der Königin und die gouvernante des enfants de France. Ihnen nachgeordnet waren die dames du palais der Königin sowie die dame d’honneur und dame d’atour der Dauphine. Und in einer weiteren Gruppe die dames pour accompagner der Duchesse d’Orl¦ans, die gouvernante des enfants des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans, des Duc und der Duchesse de Berry, außerdem die dame d’honneur und dame d’atour Madames und der Duchesse de Berry (vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 134–135). 595 Am Münchener Hof »standen adeligen Frauen lediglich vier Hofämter offen«, nämlich die der Obersthofmeisterin, Fräuleinhofmeisterin, Hofdame oder Kammerfräulein. Das Hofamt der Aja wird von Kägler nicht eigens dazugezählt, da es sich um die Position einer Hofmeisterin handelt, die im Hofstaat der fürstlichen Kleinkinder bekleidet worden ist (dies., Frauen am Münchener Hof, S. 55). Vgl. auch ebd., S. 66, wonach die Anzahl der Hofdamen sich in der Regel auf sechs und die der Kammerfräulein auf zwei belief. 596 Bei den hier verwendeten deutschen Amtsbezeichnungen wird auf die Übersetzung von Horowski, Die Belagerung des Thrones, zurückgegriffen.

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entsprach dem Rang der jeweiligen Herrin, sodass im Hofstaat der Königin sieben Positionen unterschieden werden können597, in dem der (ersten) Dauphine fünf598, in dem der beiden Madames sechs599 und dem der Duchesse de Bourgogne und der Duchesse de Berry als petites-filles jeweils drei600. Den unveränderlichen Kern einer jeden maison bildeten die dame d’honneur und dame d’atour601, die je nach Status der jeweiligen Herrin um weitere Chargen ergänzt wurden. Die drei höchsten Frauenhofstaaten der Königin, Dauphine und Madame unterschieden sich von den anderen durch die Anwesenheit von filles d’honneur602 und der sie beaufsichtigenden gouvernante und sous-gouvernante603. Die maison de la reine zeichnete außerdem eine chef du conseil et surintendante de la maison604 aus. Die maisons der Duchesse de Bourgogne und der Duchesse de Berry waren hingegen nur mit einem Minimum an weiblichen Hofposten versehen, d. h. außer der obligatorischen dame d’honneur und dame d’atour gehörten zu ihrem weiblichen Gefolge nur noch dames pour accompagner605. Wie zahlreich die genannten Hofpositionen besetzt wurden, orientierte sich sowohl an der Bedeutung einer Charge als auch an dem Rang des jeweiligen Haushaltsvorstands. Die Posten der surintendante, dame d’honneur, dame 597 Dabei handelt es sich um folgende Chargen: chef du conseil et surintendante de la maison de la reine, dame d’honneur, dame d’atour, dames du palais, gouvernante des filles d’honneur, sous-gouvernante des filles d’honneur und die filles d’honneur selbst. 598 Dame d’honneur, dame d’atour, (seconde dame d’atour), gouvernante des filles d’honneur, sous-gouvernante des filles d’honneur und filles d’honneur. 599 PremiÀre dame/surintendante de la maison, dame d’honneur, dame d’atour, (seconde dame d’atour), gouvernante des filles d’honneur, sous-gouvernante des filles d’honneur und filles d’honneur. 600 Dame d’honneur, dame d’atour und dames pour accompagner. Dies änderte sich auch nicht als die Duchesse de Bourgogne 1711 zur Dauphine aufstieg, also eine Statuserhöhung erfuhr. 601 Die Hofstaaten der Dauphine und Madames verfügten sogar über eine seconde dame d’atour. Im Fall Madames aber nur zeitweise von 1689 bis mindestens 1695. Bei der Dauphine hingegen durchgehend von 1680 bis 1690. 602 Die filles d’honneur wurden in allen drei Hofstaaten nach und nach abgeschafft. Im Hofstaat der Königin 1674, im Hofstaat der ersten Dauphine 1687 und in der maison der zweiten Madame 1702. 603 Die gouvernante und sous-gouvernante des filles d’honneur wurden selbst nach Abschaffung ihrer Schützlinge bis zur Auflösung der maison 1683 in den Hofstaatslisten der Königin geführt. 604 Die einzige Ausnahme stellt der Hofstaat der zweiten Madame dar, der ab 1673 den Posten einer premiÀre dame vorsieht, der aber nur bis 1678 von Catherine-Charlotte de Gramont, princesse de Monaco, besetzt wird, anschließend jedoch vakant bleibt. 605 Eine Ausnahme stellen hier die Duchesse de Berry und die Duchesse de Bourgogne dar. Im Hofstaat der Duchesse de Bourgogne stiegen die dames pour accompagner durch den Statuswechsel ihrer Herrin von einer petite-fille de France zur Dauphine zu dames du palais auf. Im Hofstaat der Duchesse de Berry wurden 1715 sowohl dames pour accompagner als auch dames du palais eingeführt.

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d’atour606 und der gouvernante des enfants de France wurden als höchste Hofämter in der Regel einfach besetzt. Ebenso die Posten der gouvernante und sousgouvernante des filles d’honneur. Niedrigere Chargen hingegen, wie die der dames du palais, dames pour accompagner und der filles d’honneur, wurden mehrfach vergeben, ihre konkrete Anzahl unterlag jedoch Schwankungen607. So verfügte die Königin zeitgleich über 13 bis 24 dames du palais608, die Duchesse de Bourgogne zählte 6 bis 9 und die Duchesse de Berry sogar nur 2 bis 6 dames pour accompagner, während die Anzahl der filles d’honneur zwischen 2 und 8 Personen schwankte. Dass es sich bei den quantitativen Angaben in erster Linie um eine rechnerische Realität und keinen exakten Wert handelt, zeigen die immer wieder vorkommenden Ausnahmen und Anpassungen an veränderte Umstände. Ein Beispiel dafür ist der Posten der dame d’atour, der regulär nur eine einfache Besetzung vorsah, tatsächlich jedoch im Hofstaat der Dauphine und der Madame doppelt vergeben worden war. Im Untersuchungszeitraum kam dies im Hofstaat der Dauphine und der Madame vor. Im Ersteren erging der Posten der seconde dame d’atour an die Königsmätresse, Madame de Maintenon, die ihn nicht aktiv ausüben, sondern nur pro forma bekleiden sollte609. Die tatsächliche Ausübung wurde der ersten dame d’atour, der Mar¦chale de Rochefort, überlassen. Somit bot diese Charge die Möglichkeit, einer Dame eine Ehre zu erweisen, faveur auszudrücken und einen dauerhaften Aufenthalt am Hof zu sichern, ohne sie zwangsläufig zur Ausübung der damit verbundenen Funktionen anzuhalten. Laut Boisisle handelt es sich in diesem Fall um »le premier exemple

606 Ausnahmen finden sich im Hofstaat der Dauphine und der zweiten Madame. In beiden Fällen betrifft die Ausnahme den Posten der dame d’atour, die im Gefolge der Dauphine durchgehend doppelt belegt war und in dem Madames lediglich zwischen 1689 und mindestens 1695. 607 Dies stellt auch Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 531, für den Hofstaat von Anna von Österreich fest, in dem es von 1631 bis 1640 keine »companion ladies« und ab 1662 bis zu ihrem Tod keine Ehrenfräulein gab. 608 In der bisherigen Forschungsliteratur finden sich sehr unterschiedliche Angaben zur Anzahl der betreffenden Chargen bei der Königin: vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486, der von sechs dames du palais spricht, die der Königin zugestanden hätten. Vgl. Newton, La petite cour, S. 261, der von 12 ausgeht. Vgl. auch Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 249, der ihre Anzahl unter Maria Theresia von Spanien auf 24 festlegt. Unter Maria Leszczyn´ska sei die Zahl auf 12 reduziert worden, was auch noch bei Marie-Antoinette gültig gewesen sei, wenngleich diese tatsächlich über 14 verfügt habe. Vgl. aber Laverny, Les domestiques commensaux, S. 156, die darauf hinweist, dass die Anzahl der dames im Gefolge der Königin mit der Abschaffung der filles d’honneur de la reine im Jahr 1674 aufgestockt worden sei. 609 Im Hofstaat der Dauphine wurde diese Charge explizit für die Königsmätresse, Madame de Maintenon, geschaffen (vgl. AN O1 24, fol. Bv ; Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 20; Caylus, Souvenirs, S. 65).

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de deux dames d’atour attach¦es — la mÞme princesse«610. Doch auch im Hofstaat der Madame lässt sich eine Doppelbesetzung dieser Charge feststellen, wobei in diesem konkreten Fall Madame de Ch–teautiers und die Marquise de Ch–tillon sich diesen teilten, also jeweils eine Hälfte ausfüllten611. Ein gegenteiliges Beispiel bietet die Charge der premiÀre dame im Hofstaat der Madame, der in die Hofstaatslisten einging, jedoch lange unbesetzt blieb612. Im Gegenzug konnten auch Fälle ermittelt werden, in denen eine adelige Frau gleichzeitig mehrere Hofposten besetzte613, worauf eigens im Zusammenhang mit Hofkarrieren eingegangen werden wird.

3.

Zugangsbedingungen

Die Vergabe von Hofchargen erfolgte unter verschiedenen Umständen. So konnte sie durch den Tod und die (un-)freiwillige Abdankung einer amtierenden Amtsträgerin ausgelöst werden614, aber auch durch eine Erhöhung, Neuschaffung oder ›Aktivierung‹ von Chargen. Den umfassendsten Anlass stellte die Einrichtung einer neuen maison dar615, die bei allen untersuchten Frauenhofstaaten notwendig wurde, da sie im Gegensatz zur maison du roi nicht durchgehend existierten, sondern nur bei Bedarf ins Leben gerufen wurden. Eine solche Notwendigkeit entstand vor allem, wenn männliche Angehörige der Königsfamilie heirateten und ihre meist aus dem Ausland stammenden Gattinnen mit einer eigenen Haushaltung versehen werden mussten, worauf auch in 610 Saint-Simon, M¦moires, Bd. I, S. 86–87, Fn. 5. 611 Im Hofstaat Madames kam es zur Doppelbesetzung der Charge laut Saint-Simon, M¦moires, Bd. I, S. 72–73, da diese sich gegen den Willen ihres Ehemannes dafür einsetzte, dass Mademoiselle de Ch–teautiers im Mai 1689 die Hälfte der Charge der dame d’atour erhielt, die durch den Tod von Madame de Durasfort vakant geworden war. Die andere Hälfte wurde bis 1706 von der Marquise de Ch–tillon bekleidet. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. III, S. 90, wonach Mademoiselle de Ch–teautiers diese Charge nur unter der Bedingung erhalten haben soll, dass sie die damit verbundenen Aufgaben einzig bei Abwesenheit von Madame de Ch–tillon, der ersten dame d’atour Madames, ausübte. 612 Catherine-Charlotte de Gramont, princesse de Monaco, bekleidete diesen Posten zwischen 1673 und 1678. Danach blieb er unbesetzt, auch wenn er weiterhin in den Hofstaatslisten geführt wurde. 613 Eine Amtsträgerin, auf die dies zutraf, war Madame de Venel, 1661–1683 dame de la reine und 1669–1687 sous-gouvernante des enfants de France. Vgl. BM, Venel, S. 28–29, wonach nach dem Tod der Königin Madame de Venel sich gänzlich der Erziehung der ducs de Bourgogne, d’Anjou und de Berry widmen konnte. 614 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 45, Fn. 46, wonach wichtige Hofposten zwar nicht erblich waren, aber auf Lebenszeit vergeben wurden, sodass in der Regel erst durch Todesfälle frei und dann auch sehr schnell wieder besetzt wurden. 615 Vgl. Newton, La petite cour, S. 328.

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den Bestallungsurkunden des neu eingesetzten Personals explizit hingewiesen wird616. So wurden beispielsweise im Fall der Dauphine Maria Anna von Bayern bereits im Jahr vor ihrer Ankunft am französischen Königshof und der offiziellen Existenz ihres Hofstaats 1680 die wichtigsten und höchsten Chargen vom König festgelegt und vergeben617. Dies hatte u. a. den Hintergrund, dass ein Teil der maison gleich zur Verfügung stehen sollte, um die neue Herrin bereits an der Grenze in Empfang zu nehmen und mit einer ihrem Stand entsprechenden Eskorte zu versehen. Ähnlich verhielt es sich mit der Charge der gouvernante und sous-gouvernante des enfants de France, die bereits vor der Geburt eines Königskindes vergeben wurde618, damit es direkt im Anschluss an die Niederkunft entgegengenommen werden konnte. Die Neueinrichtung einer maison royale war auch Auslöser für große Konkurrenz um die wenigen für Frauen zugänglichen Positionen619. Da die tatsächliche Erlangung einer Hofcharge jedoch durch einen ›Faktorenmix‹ beeinflusst wurde, waren letztlich nur die Bemühungen eines begrenzten weiblichen Personenkreises von Erfolg gekrönt. Obgleich sich der Weg in ein Hofamt vielfältig gestaltete, erforderte er doch zunächst die Erfüllung formaler Kriterien – wie die ständische Zugehörigkeit und die daran geknüpfte Erlangung der honneurs de la cour –, die jedoch meist nur eine Vorbedingung darstellten. Hinzu kamen weitere ›weichere‹ Faktoren, die zwar ebenfalls von großer, wenn nicht sogar größerer Relevanz waren, jedoch mit gewissen Spielräumen ein-

616 Vgl. z. B. AN O1 24, fol. Ar-Dr. In diesem Bestand befinden sich Abschriften der Bestallungsurkunden für die Amtsträger der maison der Dauphine Maria Anna von Bayern. 617 Vgl. BN, ms.fr. 22713, fol. 37r. 618 Ein Beispiel dafür bietet die Marquise de Montausier, die aus Anlass der bevorstehenden Niederkunft der Königin für den »service« des Kindes zur gouvernante ernannt worden war (vgl. AN O1 10, fol. 225r–226r). Auch war es möglich – wie der Fall der Mar¦chale de La Motte-Houdancourt zeigt –, die Zuständigkeit einer bereits berufenen gouvernante des enfants de France zu erweitern. So war diese bereits mit der Aufsicht der enfants und die petites-filles und petits-fils de France betraut gewesen und sollte diese Aufgabe auch für den voraussichtlich entstehenden Nachwuchs des frisch vermählten Duc und Duchesse de Bourgogne ausüben (vgl. AN O1 48, fol. 81v). Gleiches lässt sich für die sous-gouvernante des enfants de France feststellen, die Dame de la Lande (vgl. AN O1 48, fol. 112v), die eine provisions erhielt für das Kind, das dem Duc und der Duchesse de Bourgogne geboren wird, ebenso wie Suzanne de Valicourt, Witwe des Baron de Villefort (AN O1 53, fol. 174v–175v). 619 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 198, die darstellt, wie anlässlich der Bildung des Hofstaats der Duchesse de Bourgogne »the ladies of the court went into a frenzy, politicking, buying favors, and trying to influence the one person who would make the appointments, the king.« Vgl. auch im Zusammenhang mit der Besetzung der maison de la duchesse de Bourgogne Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 157. Vgl. auch Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 56, die die große Konkurrenz um entsprechende Hofämter u. a. auf die eingeschränkten »employment and advancement opportunities« für Frauen zurückführt.

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hergingen wie beispielsweise soziale Nahbeziehungen, Familienstand, Alter und ›individuelle‹ Eigenheiten.

3.1.

Stand und Herkunft

Eines der formalen Kriterien für die Zulassung zum Hof war für adelige Frauen ebenso wie für ihre männlichen Standesgenossen die Erlangung der sogenannten honneurs de la cour, über die sie sich als ›hoffähig‹ erwiesen620, d. h. einen quasi legalen Beleg für ihre Hofzugehörigkeit erwarben, der nur an Familien erteilt werden sollte, deren Adel seit 1400 bestand621. Im Gegensatz zu adeligen Männern mussten Frauen aber nicht durch ihre eigene Herkunft eine entsprechend lange Ahnenreihe nachweisen. Die Erlangung der honneurs stand grundsätzlich allen Frauen offen, unabhängig von ihrer ursprünglichen sozialen Herkunft, da allein der Status und Rang ihrer Ehemänner von Bedeutung war622. Über den Beleg einer langen Ahnenreihe hinaus musste auch ein Akt der pr¦sentation erfolgen, der sich ebenfalls gemäß ihrer Geschlechtszugehörigkeit unterschied. Während Männer dem König bei der Jagd vorgestellt wurden, verneigten sich Frauen vor der Königin in deren Appartement. Außerdem benötigten Frauen weibliche »sponsors«, von denen eine vorzugsweise eine Verwandte sein sollte623. Die honneurs de la cour waren aber »höchstens eine notwendige und nie eine hinreichende Vorbedingung höfischer Karriereerfolge«624, 620 Gleichzeitig kann von der Zulassung zu den honneurs weder auf die tatsächliche Anzahl der Adeligen am französischen Hof noch auf den Grad ihrer Eingebundenheit in das Hofleben geschlossen werden. Entsprechend könne nach Bluche, Les honneurs de la cour, auch die Auflistung der Familien, die dazu zugelassen waren, auch höchstens eine Aufzählung der »noblesse — la Cour« sein und nicht als ein Jahrbuch der »noblesse de Cour« gewertet werden. Ebenso wenig dürfe eine solche Auflistung dazu verführen, bedeutende Familien mit weniger bedeutenden gleichgestellt zu betrachten. Vgl. auch Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 35, der darauf hinweist, dass die honneurs zudem das Problem aufweisen, dass sie erst »seit 1732 bzw. 1759 eindeutig gleichbleibenden Regeln unterworfen« waren. Vgl. auch Keller, Hofdamen, S. 65, die auch für den Wiener Hof feststellt, dass es die »hoffähige Aristokratie« gewesen sei, »aus der sich Hoffräulein wie Hofmeisterinnen primär rekrutierten.« 621 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 197. Vgl. aber Horowski, Such a great advantage for my son, S. 138, wonach diese Regelung nicht gänzlich eingehalten werden konnte. 622 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 35. Vgl. auch Bluche, Les honneurs de la cour, der betont, dass sich unter Ludwig XV. Nachlässigkeiten bei der Vorstellung von Frauen eingeschlichen hätten, die den König dazu veranlassten, diese strikter zu regeln als die Zulassung von Männern. So erließ er 1759 ein rÀglement – das bis 1790 Gültigkeit behalten sollte –, wonach von den Frauen, die die »honneurs de la Cour« und die »pr¦sentation« anstrebten, von da an »preuves de la Cour« verlangt wurden. 623 Norberg, Women of Versailles, S. 197. 624 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 35.

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was sich nicht zuletzt darin zeigte, dass von denjenigen Frauen, die diese erlangten, tatsächlich nur die wenigsten es auch bis zu einem hohen Hofamt brachten. Wie auch bei den Hofposten für Männer war es auch bei denen für Frauen die soziale Herkunft, die darüber entschied, welche Positionen überhaupt angestrebt werden konnten. Niedere Posten wie Näherin und Wäscherin wurden von Nichtadeligen mit geringer sozialer Herkunft ausgeübt und fanden sich in jeder maison royale. Höhere Positionen wie beispielsweise die dames, filles d’honneur und gouvernante des enfants de France setzten die Zugehörigkeit zum Adel voraus625 und existierten nur in den Hofstaaten der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie bzw. der maison des enfants de France. Je nach Position in der höfischen Ämterhierarchie gab es unterschiedliche Ansprüche an die Exklusivität des Adels, denn mit der zuvor geschilderten quantitativen Entwicklung der weiblichen Hofchargen ging auch eine qualitative einher626. Diese nahm ihren Anfang ebenfalls bereits unter der Königin Anna von Bretagne: »[Elle] est apparemment la premiÀre – en tout cas depuis la fin de la guerre de Cent Ans – — concevoir la cour des femmes comme une composante essentielle de sa dignit¦ de reine.«627 Zu Beginn des 17. Jahrhunderts scheint diese Entwicklung hin zu einer größeren sozialen Exklusivität rückläufig gewesen zu sein, denn Kleinman stellt für den Hofstaat von Anna von Österreich fest (1616–1665), dass von den 129 identifizierten Frauen und Mädchen nur wenige dem höchsten Adel angehörten. Vielmehr entstammten die meisten dem mittleren und niederen Adel628. Im Gegensatz dazu ermittelte Horowski für den Hof ihres Sohnes und seiner Nachfolger eine Fortsetzung des ursprünglichen Trends, denn für die zwischen 1661 und 1789 ermittelten Amtsträgerinnen konstatiert er ein starkes Übergewicht des Schwertadels629. So entstammten 90,3 % (91,2 % in höheren bzw. 87,4 % in niedrigeren Hofstaaten) der mit einem Hofamt versehenen adeligen Frauen der noblesse d’¦p¦e und waren darüber hinaus zu 99,0 % mit Männern derselben verheiratet630, während nur ein verschwindend kleiner An625 Vgl. Chatenet, Le logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 175. 626 Vgl. auch Keller, Hofdamen, S. 60, die einen vergleichbaren Befund für den Wiener Hof gemacht hat, an dem vom 16. bis in die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts eine stetige Zunahme von Hofdamen aus dem höheren Adel feststellbar ist. So entstamme die Hälfte der von ihr identifizierten Hoffräulein »aus der kleinen Elite höchster adliger Amtsträger« (ebd., S. 61). 627 Chatenet, La cour de France, S. 27. 628 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 526. 629 Vgl. die von Horowski, Die Belagerung des Thrones, S. 507, gemachte Definition, wonach die ¦p¦e »alle französischen, lothringischen und wallonischen Familien, die nachweisbar schon im Jahr 1400 dem Schwertadel angehörten […] und damit die 1732/59 kodifizierten formalen Kriterien der Hofzulassung erfüllten«, umfasste. 630 Vgl. ders., Such a great advantage for my son, S. 148–150, wonach die einzigen Ausnahmen die beiden Königsmätressen Madame de Maintenon und Madame de Pompadour gewesen sind.

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teil aus den robe-Ministerfamilien kam631. Horowski zieht daraus den Schluss, dass sich zwar das Rekrutierungsmuster von weiblichen Amtsträgerinnen nicht von dem männlicher unterschied, dass es aber noch exklusiver adelig war632. Somit lässt sich der Befund von Leferme-FalguiÀres, wonach die »position des femmes — la cour« auch die »fusion des ¦lites dans ce milieu« zeigt, zumindest im Hinblick auf hochrangige Hofämter nicht bestätigen.«633 Gleichzeitig führt Horowski für das Jahr 1680 einen besonderen Befund an, wonach zu diesem Zeitpunkt 54,2 % der Frauen mit einem Herzog oder Prinzen verheiratet waren, während nur 16,7 % von ihnen bereits gebürtig einer Herzogs- oder Fürstenfamilie entstammten, was er auf die Massenernennung von Herzogtümern in den Jahren 1663 und 1665 zurückführt, die viele Ehemänner oder Schwiegerväter in Herzöge verwandelt habe, für die Väter der betreffenden Frauen aber zu spät gekommen sei634. Betrachtet man nun vor diesem Hintergrund allein die Titel, die die jeweiligen Damen zum Zeitpunkt ihres Amtsantritts führten, so spiegeln sie weitgehend die Hierarchie des französischen Adels wider635 und machen deutlich, welcher Rang mit welcher Hofcharge vereinbar schien und welcher nicht636. Demnach war die chef du conseil et surintendante im Hofstaat der Königin ebenso wie im Hofstaat 631 Vgl. ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 47. – Zu diesem kleinen Anteil gehörten die Ehefrau und die beiden Töchter des Ministers Colbert, die alle mit dem Posten einer dame du palais im Hofstaat der Königin Maria Theresia ausgestattet waren: Madame de Colbert 1660–1683, die Duchesse de Beauvillier 1680–1683 und die Duchesse de Chevreuse 1674–1683. 632 Vgl. ders., Such a great advantage for my son, S. 150. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 94–95, die einen ähnlichen Befund für den Münchener Hof ermittelt hat. So konnte sie aufzeigen, »dass die adeligen Frauen im Hofstaat der bayerischen Kurfürstin und in den Hofstaaten der Prinzessinnen größtenteils aus hohen altbayerischen Adelsfamilien stammten.« Gleichzeitig verwirft sie für das Frauenzimmer die Vorstellung eines homogenen, bayerischen Hofadels. Zwar zeige die »Auswertung der Besoldungsbücher […] deutlich, dass es keiner Familie des neuen Adels gelang, Kontinuitätslinien bei der Ämtervergabe im Frauenzimmer aufzubauen, aber die Anzahl der adeligen Familien, die hinter den Amtsträgerinnen standen, lässt sich nicht auf wenige Adelsgeschlechter beschränken, die als ›Hofadel‹ bezeichnet werden könnten.« 633 Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 488. 634 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 150, Fn. 64. 635 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 534, wonach an der Spitze der französischen Adelshierarchie – nach der Königsfamilie – die Ducs standen, denen die Marquis, Comtes, Vicomtes und Barons nachgeordnet waren. 636 Dass manche Chargen nur mit einem bestimmten Adelstitel vereinbar waren, zeigt sich auch am Beispiel von Louise Boyer, dame d’atour de la reine-mÀre, die durch die Erhebung ihres Ehemannes zum duc et pair selbst zur duchesse aufstieg, sich aber nicht wagte ihre Charge aufzugeben, wodurch sie »la premiÀre et l’unique dame d’atour duchesse« geworden sei (Saint-Simon, M¦moires, Bd. IV, S. 109). – Der Annahme von Norberg, dass bis auf die höchsten Chargen der surintendante, dame d’honneur und dame d’atour, die allesamt mit Herzoginnen besetzt wurden, die übrigen Amtsträgerinnen Adelige jeden Ranges sein konnten, kann somit nicht zugestimmt werden (vgl. dies., Women of Versailles, S. 199).

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der Madame meist eine princesse ¦trangÀre und damit nach der Königsfamilie eine Angehörige des ranghöchsten Adels637. Die dame d’honneur wurde von Duchesses und damit von Frauen des zweithöchsten Ranges besetzt638. Die dames d’atour waren mehrheitlich Marquises639, unter ihnen befanden sich aber auch eine Mar¦chale (zuvor Marquise) sowie zwei Comtesses640. Amtsträgerinnen beider Chargen entstammten vorwiegend dem Schwertadel641. Lediglich der Hofstaat der Madame wich hinsichtlich der dame d’honneur642 als auch der dame d’atour von den anderen Hofstaaten ab643, denn unter den betreffenden Amtsträgerinnen finden sich nicht nur Vertreterinnen des Schwertadels, sondern auch der »¦p¦e ›semi-ducal‹«644, herzoglicher Familien645 und des ausländischen

637 Hierbei handelt es sich um die Princesse Palatine, die Comtesse de Soissons (die allerdings als Ehefrau eines prince ¦tranger dessen Rang genoss) und die Princesse de Monaco. Einzige Ausnahme war die Duchesse de Montespan als Königsgeliebte, aufgrund der Gunst Ludwigs XIV. in diese Position gelangte. Vgl. auch Primi, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 135, der auf diese Regelung hinweist. 638 Hierbei handelt es sich um die Duchesse de Navailles, die Duchesse de Montausier, die Duchesse de Richelieu, die Duchesse de Cr¦quy, die Duchesse d’Arpajon, die Duchesse du Lude und die Duchesse de Saint-Simon. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XI, S. 288– 289: »La place de dame d’honneur a presque toujours ¦t¦ remplie, dans tous les temps, par de grandes dames, quelquefois par des Femmes de princes du sang, comme on le voit dans Brantúme. […] Depuis Mme de Senecey et la comtesse de Fleix, sa fille, en survivance, qui furent dames d’honneur de la derniÀre reine mÀre, qu’elles surv¦curent toutes deux, on n’a plus vu de dames d’honneur de Reine que duchesses.« 639 Dabei handelt es sich um die Marquise de B¦thune, die Marquise de Maintenon, die Marquise de Ch–tillon, die Marquise de Castries, die Marquise de Vieuville und die Marquise de Pons. 640 Hierbei handelt es sich um die Mar¦chale de Rochefort, die Comtesse de B¦thune und die Comtesse de Mailly. Somit kann die Annahme von Newton, La petite cour, S. 362 und Norberg, Women of Versailles, S. 199, wonach der Großteil der dame d’honneur- und dame d’atour-Posten mit Duchesses und Mar¦chales besetzt worden sind, für den Hof Ludwigs XIV. nur in Bezug auf die dame d’honneur bestätigt werden. 641 Die einzige Ausnahme im Hofstaat der Dauphine Maria Anna von Bayern stellte Madame de Maintenon dar, die dem assimilierten Schwertadel angehörte. Und bei der Duchesse de Bourgogne findet sich in Gestalt der Duchesse du Lude eine Vertreterin einer herzoglichen Familie. 642 Hier können aufgeführt werden die Duchesse de Ventadour, die Duchesse de Brancas, die Mar¦chale du Plessis-Praslin und die Comtesse du Plessis-Praslin. Somit waren unter den Amtsträgerinnen zwei Duchesses vertreten, aber auch eine Mar¦chale, die zuvor Comtesse war, dann aber in ihrer Amtszeit zur Mar¦chale Duchesse aufstieg, und eine Comtesse, die dieses Hofamt en survivance von ihrer Schwiegermutter erhielt und ebenfalls in ihrer Amtszeit zur Marquise aufstieg. 643 Dort bekleideten drei unverheiratete, aber hochrangige Frauen diesen Posten, der ihnen das Recht verlieh, den Titel »Madame« zu führen. Dies betraf Madame de Gordon-Huntly, Madame de Durasfort und Madame de Ch–teautiers (vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 148, Fn. 58). 644 Ders., Die Belagerung des Thrones, S. 507, der in dieser Kategorie Personen zusammenfasst, »die als Angehörige einer bisher zur einfachen noblesse d’¦p¦e […] zählenden Familie

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Schwertadels646. Der gleiche Hintergrund lässt sich auch für die dames du palais und dames pour accompagner ermitteln, unter denen sich aber auch Angehörige der robe und des assimilierten Schwertadels647 und sogar princesses ¦trangÀres ausmachen lassen. Entsprechend finden sich unter ihnen Marquises und Comtesses648 sowie im Hofstaat der Königin Princesses und Duchesses649. Für die gouvernantes und sous-gouvernantes des filles ließen sich insgesamt die wenigsten Informationen ermitteln650. Sie werden häufig als Mademoiselle geführt,

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die niedrigste und normalerweise noch nicht vererbliche Form herzoglicher Ehren erhielten«. Vgl. ebd., S. 506, wonach die »Famille ducale« alle Personen umfasste, »die in direkter männlicher Linie vom Empfänger eines substantiellen erblichen Herzogsranges abstammten und die also, wenn sie Männer waren, diesen Rang auch mindestens theoretisch erben konnten.« Vgl. ebd., S. 507–508. Die »Êp¦e ¦trangÀre […] umfasst alle ausländischen Adelsfamilien, die erstens weder in die ranghöheren Kategorien« der herzoglichen Familien, princes ¦trangers oder souverains fallen »und deren […] Vertreter zweitens zum interessierenden Zeitpunkt noch eindeutig als Ausländer erkennbar waren, also nach Frankreich verheiratete Frauen aus weiterhin im Ausland verbliebenen Familien, Personen«, die nie »dauerhaft französische Untertanen geworden« waren »sowie im Ausland geborene Männer, die erst im Lauf ihrer Karriere in Frankreich naturalisiert wurden.« Vgl. ebd., S. 507, wonach die »Êp¦e d’assimilation«, diejenigen umfasst, die aus Familien stammen, »die schon mindestens eine Generation vor dem Betreffenden endgültig in die noblesse d’¦p¦e gewechselt waren […], die jedoch keine bis zum Jahr 1400 zurückreichende schwertadelige Abstammung nachweisen konnten und damit gemäß den 1732/59 kodifizierten Regeln grundsätzlich von der förmlichen Hofzulassung ausgeschlossen gewesen wären.« Zu den betreffenden Hofdamen gehörten: Marquise d’HumiÀres, Marquise de Montespan, Marquise de Rochefort, Marquise de ValliÀre, Marquise de PopeliniÀre, Marquise de Ch–telet, Marquise de Nogaret, Marquise d’O, Marquise de Dangeau, Marquise de Courcillon, Marquise de Montgon, Marquise de L¦vis, Marquise de Gondrin, Marquise d’ArmantiÀres, Marquise de Beauveau, Marquise de Brancas, Marquise de CoÚtanfao, Marquise de Pons, Marquise de Laval, Comtesse d’Armagnac, Comtesse de Gramont, Comtesse de Guiche, Comtesse de Crussol, Marquise d’Albret, Comtesse d’Ayen, Comtesse de Hombourg, Comtesse de Roucy, Comtesse de Noailles, Comtesse d’Estr¦es, Comtesse de Clermont und Comtesse d’Aydie. Des Weiteren Madame Brisacier-Montriche, Madame Colbert, Madame Saumery, Madame Vatteville, Madame Morainville, Madame Venel und Madame Raincy. Hierzu gehören die Princesse de Bade, die Princesse d’Elbeuf, die Princesse d’Harcourt, die Princesse de Soubise und die Princesse de Tingry. Des Weiteren die Duchesse de Cr¦quy, Duchesse de Chevreuse, Duchesse de Beauvillier und die Comtesse de Saint-G¦ran. Dieser Befund deckt sich mit einer Bemerkung in Saint-Simon, M¦moires, Bd. VI, S. 72, wonach die Königin »dames du palais duchesses et princesses« hatte. Vgl. aber auch Newton, La petite cour, S. 261, wonach am französischen Königshof ein Interesse daran bestand, die dames du palais gleichmäßig aus der noblesse titr¦e (Ehefrauen von Ducs, Mar¦chaux de France oder Grands d’Espagne) und der »noblesse la plus distingu¦e« (Damen des alten Adels, die aber den Titel Marquise oder Comtesse führten) zu wählen. Wie auch hinsichtlich anderer Informationen, ist es auch hier kaum möglich etwas über den sozialen Hintergrund der Frauen, die diese Hofposten bekleideten, zu erfahren. Aber bereits diese Überlieferungslage lässt vermuten, dass es sich um keine hochrangigen Adeligen handelte.

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was aber keine Rückschlüsse auf ihren Familienstand zulässt, da sie teilweise verheiratet oder verwitwet waren. Anders hingegen die gouvernante des enfants de France ebenso wie die gouvernante der Kinder des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans, des Duc und der Duchesse de Bourgogne und des Duc und der Duchesse de Berry, die vor allem Mar¦chales und Marquises waren651 und vorwiegend dem Schwertadel angehörten. Für die sous-gouvernante des enfants de France und die sous-gouvernante der Orl¦ans-Kinder finden sich lediglich in einigen Fällen der Titel »Madame« oder Hinweise darauf, dass es sich dabei um Ehefrauen von Baronen handelte652. Betrachtet man zuletzt die Herkunft der Amtsträgerinnen, so zeigt sich, dass sie weitgehend französischen Territorien entstammten653. Lediglich ein kleiner Teil kam aus dem Ausland, wobei es sich weitgehend um princesses ¦trangÀres654 und Frauen des ausländischen Schwertadels handelte, der sich schon längere Zeit in Frankreich aufhielt655. Die übrigen ausländischen adeligen Frauen, die sich im Gefolge der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie befanden, waren Mädchen, die als filles d’honneur aufgenommen wurden656. Dieser Befund ist insofern interessant, da die ›Frauenhofstaaten‹ traditionsgemäß ein zentraler Kanal für den Zustrom von Ausländern und Ausländerinnen in den Hofdienst gewesen waren, was nicht zuletzt darin begründet lag, dass die Brautwahl der 651 Hierzu gehören die Mar¦chale Duchesse de la Motte-Houdancourt, die Mar¦chale de Cl¦rambault, Mar¦chale de Grancey, die Duchesse de Ventadour, die Marquise de Saint-Chamond, die Marquise de Montausier, die Marquise d’Effiat und die Comtesse de Marey. 652 Hierbei handelt es sich um die Madame Venel, Dame de la Lande, Madame Bordes, Madame Forcadel sowie Baronne PaliÀres und Baronne Valicourt. 653 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, konnten u. a. folgende Gebiete ermittelt werden: Poitou, Lyonnais, Dauphin¦, Bretagne, Picardie, Artois, Vivarais, Lorraine, Languedoc, Limousin, Normandie, Auvergne, Guyenne, P¦rigord, £le-de-France, Touraine, Anjou und Gascogne. Ähnliches lässt sich auch für den Wiener Hof feststellen. Laut Keller wurden »Hoffräulein in ihrer Mehrzahl auch regional aus dem direkten Umfeld des Hofes« rekrutiert, »während weiter entfernte Länder der Habsburger und das Reich deutlich in den Hintergrund traten« (dies., Hofdamen, S. 65). 654 Anne de Gonzague, genannt die Princesse Palatine; Louise-Christine de Savoie-Carignan, genannt die Princesse de Bade und Marie-Marguerite-Ignace de Lorraine, genannt Mademoiselle d’Elbeuf. 655 Elizabeth Hamilton, Comtesse de Gramont; Henriette de Gordon-Huntley ; Sophia Maria Wilhelmina, Gräfin von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, Marquise de Dangeau sowie Mademoiselle de Gramont und Mademoiselle de Sem¦ac. 656 Lediglich in der maison der Dauphine findet sich in Gestalt von Sophia Maria Wilhelmina, Gräfin von Löwenstein-Wertheim-Rochefort (in den Hofstaatslisten meist als Mademoiselle de Levestein geführt), eine deutsche Adelige in den Reihen der Amtsträgerinnen, die zudem nach ihrer Eheschließung mit dem Marquis de Dangeau, zur dame pour accompagner der Duchesse de Bourgogne aufstieg. In der maison der beiden Madames finden sich ebenfalls unter den filles d’honneur eine Engländerin, nämlich Louise-Ren¦e de Penancoet, Mademoiselle de K¦rouaille, und eine Deutsche, nämlich Anne-Sybille Freiin von Hinderson (in den Hofstaatslisten meist als Mademoiselle d’Indreson aufgeführt).

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französischen Könige und ihrer männlichen Nachkommen meist dazu führte, dass eine ausländische Fürstentochter an den cour de France kam657, die sich wiederum auf der Reise in ihre neue Heimat von Gefolge aus ihrem Herkunftsland begleiten ließ. Die Zusammensetzung desselben war bereits Gegenstand der Heiratsverhandlungen, was allerdings keine Gewähr für das Verbleiben am französischen Hof bot658. Die Möglichkeit, die eigene Gefolgschaft zu behalten, war abhängig von der Bedeutung der jeweiligen Herkunftsdynastie und Ausdruck ihres Prestiges. Während die Spanier noch im 16. Jahrhundert bei ihren nach Frankreich verheirateten Töchtern die Beibehaltung ihrer spanischen Gefolgschaft durchsetzen konnten, war dies bei Anna von Österreich und spätestens bei Maria Theresia von Spanien nicht mehr möglich659, sodass beide drastische Reduktionen ihres heimatlichen Gefolges hinnehmen mussten660. Die 18 Spanierinnen, die Anna von Österreich nach Frankreich begleiteten661, wurden zwischen 1615 und 1618 nach und nach durch französische Damen ausgetauscht662. Auch Maria Theresia von Spanien brach mit einem 40-köpfigen spanischen Gefolge in ihre neue Heimat auf, das jedoch größtenteils sofort zurückgeschickt wurde. Damit schuf Ludwig XIV. einen Präzedenzfall, der einer neuen souveraine oder fille de France auferlegte, sich von ihrer maison d’origine zu trennen, sobald sie das Königreich betrat663. Entsprechend behielt Maria 657 Vgl. Cosandey, Fanny : Reines de France, h¦ritiÀres espagnoles, in: Les cours d’Espagne et de France au XVIIe siÀcle. Hrsg. v. Chantal Grell und Beno„t Pellistrandi. Madrid 2007, S. 64, wonach die Brautwahl der französischen Könige drei Erfordernissen genügen musste, nämlich, dass die potenzielle Gattin aus dem Ausland kam, einer »maison souveraine« entstammte und möglichst die Älteste war. 658 Vgl. Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 45. 659 Vgl. Olivan Sataliestra, Laura: Retour souhait¦ ou expulsion r¦fl¦chie?, in: Moving elites: Women and cultural transfers in the European court system. Hrsg. v. ders. und Isabelle Chabot. San Domeninco di Fiesole 2010, S. 22, 31. 660 Vgl. Dubost, Jean-FranÅois: La cour de France face aux ¦trangers. La pr¦sence espagnole — la cour des Bourbons au XVIIe siÀcle, in: Les cours d’Espagne et de France au XVIIe siÀcle. Hrsg. v. Chantal Grell und Beno„t Pellistrandi. Madrid 2007, S. 152. 661 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 159. Die genannten 18 Frauen setzen sich aus zwei dames d’honneur, jeweils einer dame d’atour, dame und gouvernante des filles espagnoles sowie zwei demoiselles espagnoles und 12 femmes de chambre espagnoles zusammen. Zu ihren männlichen Begleitern gehörten u. a. ein premier aumúnier, ein confesseur ordinaire, ein huissier de cabinet und ein premier m¦decin. 662 Vgl. ebd., S. 156. Vgl. auch Olivan, Retour souhait¦ ou expulsion r¦fl¦chie?, S. 23, wonach zuerst die niedrigrangigen Frauen, dann die höheren Ranges und schließlich die wichtigsten Hofamtsträgerinnen zurückgeschickt wurden, wofür er verschiedene Auslöser anführt, sodass dieser Vorgang nicht allein auf die generelle Entwicklung am französischen Königshof zurückgeführt werden kann. 663 Vgl. z. B. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 116–119, in deren Darstellung der Verabschiedung der Comtesse de Priego aus dem Gefolge der neuen Königin Maria Theresia sich diese Handlungslogik wiederfindet, wenn sie schreibt, dass der König angeführt habe, dass es gegen die französischen Sitten sei, dieses hohe Hofamt mit einer Ausländerin zu besetzen.

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Theresia lediglich einige niedere Bedienstete, die sich in der Hofstaatsliste des Jahres 1662 als fünf femmes de chambre, ein confesseur, zwei compagnons du confesseur und jeweils ein ¦cuyer servant, apothicaire du corps, chirurgien du corps und porte-chaise d’affaires identifizieren lassen664. Der spanische Anteil an ihrem weiblichen Gefolge reduzierte sich in den folgenden Jahren sukzessive gegenüber dem französischen, bis lediglich eine femme de chambre espagnole zurückblieb, für die 1678 und 1679 noch ordonnances mit Zahlungsanweisungen erlassen wurden665. An der Entwicklung, die sich von Anna von Österreich bis Maria Theresia von Spanien abzeichnete, lässt sich auch erkennen, dass es zwischen 1615 und 1660 nicht nur zu einer quantitativen Abnahme des spanischen Gefolges kam, sondern auch zu einer qualitativen, da sich das soziale Niveau der verbleibenden Bediensteten verringerte. Während Maria von Medici und Anna von Österreich die letzten französischen Königinnen waren, denen es gelang, »quelques-unes de plus hautes charges de leurs Maisons — des officiers issus d’aristocraties ¦trangÀres« zu übertragen, finden sich im Hofstaat von Maria Theresia keine spanischen Adeligen mehr. Ausländer wurden nur noch in die »fonctions de service li¦es aux soins quotidiens — apporter — la souveraine« zugelassen und nicht mehr in die »charges nobles destin¦es — mettre en valeur l’¦clat de la majest¦ royale«666. Der geringe Ausländeranteil im Gefolge der weiblichen Angehörigen der famille royale steht in Verbindung zum generellen Trend am französischen Hof, der sich seit Heinrich III. zunehmend nationalisierte. Zwar stand der cour de France Ausländern weiterhin offen – unterstrichen doch die Reisenden und Diplomaten seinen internationalen Charakter –, aber nicht mehr im gleichen Maße wie noch im 16. Jahrhundert der Dienst im königlichen Gefolge. Zwar finden sich Ausländer auch noch im 17. Jahrhundert in Hofstaatsposten, jedoch seit 1580 mit abnehmender Tendenz667. Für Versailles kann sogar von einem fast gänzlichen Fehlen von Ausländern im Hofdienst die Rede sein,

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Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 269–276, der den Empfang der Duchesse de Bourgogne behandelt und in diesem Zusammenhang schildert, wie diese bei der ›Übergabe‹ nach Frankreich ihren gesamten italienischen Hofstaat zurückgelassen habe und von ihrem neuen französischen Hofstaat empfangen worden sei. Vgl. Dubost, La cour de France face aux ¦trangers, S. 158–162. Vgl. AN O1 3714, fol. 33r, 80r. Dubost, La cour de France face aux ¦trangers, S. 159. Um nach 1660 einen Hofposten zu erhalten, durften die Spanier sich nicht über eine »honnÞte m¦diocrit¦ sociale« erheben. Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass die ›kleinen‹ und ›mittleren‹ Leute sich schneller einfügten als die ›großen‹ und dass bei ihnen auch eine geringere Wahrscheinlichkeit für Spionage bestünde. Von derselben Logik scheint die folgende Erwähnung bei Caylus inspiriert, wonach der König, »par une condescendance dont il se repentit«, der »Dauphine une femme de chambre allemande« belassen hatte (dies., Souvenirs, S. 76). Vgl. Dubost, La cour de France face aux ¦trangers, S. 149–152. Vgl. auch Horowski, Such a great advantage for my son, S. 150.

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womit sich der Hof der letzten Bourbonen von dem ihrer Vorfahren und von den meisten anderen zeitgenössischen Höfen unterschied668. Die zunehmende Nationalisierung des Hofdienstes hatte damit zu tun, dass das Bemühen der französischen Krone abnahm, Patronagepolitik über die Integration ausländischen Adels in den service domestique zu betreiben, wie dies im 16. Jahrhundert noch der Fall war. Im 17. Jahrhundert erfolgte dies über die Gewährung von Pensionen, b¦n¦fices, militärischen Posten sowie Eheschließungen zwischen familles princiÀres ¦trangÀres und der famille royale bzw. dem Hochadel669. Die Abnahme des spanischen Gefolges in den Hofstaaten der Königinnen ist aber auch vor dem Hintergrund eines Politikwechsels gegenüber dem Haus Habsburg zu verorten670. Während unter Anna von Österreich ausländische Männer und vor allem Frauen einen wesentlichen Faktor darstellten, der auf das Hofleben einwirkte, waren sie unter Maria Theresia von Spanien und den anderen Frauenhofstaaten am Hof Ludwigs XIV. nur noch selten Bestandteil der maisons royales und wenn doch, dann gelangten sie nur in vereinzelten Fällen über das heimatliche Gefolge ihrer Herrinnen in den Hofdienst. Wenn ausländische Frauen dennoch eine Hofcharge erlangten, so wenn sie einem adeligen Haus angehörten, das bereits längere Zeit in Frankreich lebte und über Gunst und Verdienst sich Zugang dazu erworben hatte671. Ein Faktor unter anderen, der dazu führte, dass sich ausländische Adelsfamilien in Frankreich aufhielten, war religiöser Natur672, womit auch bereits das letzte zentrale Kritierium für die Besetzung einer Charge angesprochen ist, nämlich das Bekenntnis zum katholischen Glauben als Voraussetzung für den Dienst am Hof des allerchristlichsten Königs. Entsprechend wird in Ego-Dokumenten explizit hervorgehoben, wenn es sich bei einer Amtsträgerin um eine Konvertitin handelte, wie im Fall von Mademoiselle de la Force, die »dans la dispersion de sa famille pour la religion« zur fille d’honneur de la

668 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 148. 669 Vgl. Dubost, La cour de France face aux ¦trangers, S. 151. 670 Vgl. Olivan, Retour souhait¦ ou expulsion r¦fl¦chie?, S. 28. Vgl. auch Dubost, La cour de France face aux ¦trangers, S. 156, der den Wendepunkt in der Nationalisierung des französischen Hofes im 17. Jahrhundert sieht, und zwar im Jahr 1617 mit dem Fall Concinis und 1618 mit dem Zurückschicken der Spanier. 671 Dies bestätigt sich auch mit Blick auf die Häuser der ›ausländischen‹ Amtsträgerinnen, wie dem der Gramont, die gleich mehrere weibliche Familienmitglieder in Hofdiensten hatten. So waren beispielsweise Elizabeth Hamilton, Comtesse de Gramont 1667–1683 dame du palais de la reine und ihre beiden Töchter, Mademoiselle de Gramont und Mademoiselle de Sem¦ac, filles d’honneur de la dauphine. Vgl. zu dem Haus Gramont Lewis, Warren H.: Assault on Olympus. The rise of the house of Gramont between 1604 and 1678. New York 1958; Ribeton, Olivier : Les Gramont, portraits de famille, XVIe-XVIIIe siÀcle. Biarritz 1992. 672 Vgl. Dubost, La cour de France face aux ¦trangers, S. 150.

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dauphine gemacht worden sei673, aus »consid¦ration de sa qualit¦ et de sa conversion«, die den König dazu verpflichtet habe, sie aufzunehmen674. Abschließend kann somit festgehalten werden, dass Amtsträgerinnen hoher Hofchargen nicht nur hochrangige Adelige katholischen Glaubens sein mussten, sondern möglichst auch Französinnen, womit sie in beiden Bereichen der Entwicklung des Königshofs unter Ludwig XIV. entsprachen, den eine zunehmende soziale Exklusivität, eine verschärfte Religionspolitik und das fast gänzliche Fehlen von Ausländern kennzeichnete675.

3.2.

Soziale Nahbeziehungen

Die Nähe zu zentralen Entscheidungsträgern am Hof – allen voran dem König – war nicht nur eine unumgängliche Bedingung für die Erlangung von Gunst, sondern war auch von immenser Bedeutung für den Zugang zu Hofämtern. Sie konnte vor allem über soziale Nahbeziehungen hergestellt werden, die wiederum die Möglichkeit boten, von frei werdenden Chargen zu erfahren oder Vergabeprozesse zu beeinflussen. Zwar können – so Kleinman – für die meisten Ernennungen der weiblichen Angehörigen eines Hofstaates keine spezifischen Gründe ermittelt werden676. Dennoch erscheint es angesichts der Bedeutung sozialer Nahbeziehungen im höfischen Kontext naheliegend, dass sie auch bei der Ernennung von Amtsträgerinnen eine Rolle gespielt haben. Eine Vermutung, die sich mit Blick auf administrative Dokumente – wie Bestallungsurkunden – und die Existenz regelrechter Ämterdynastien zumindest für verwandtschaftliche Beziehungen bestätigt677. Demnach hatte insbesondere der cr¦dit678 von Familienangehörigen und des Adelsgeschlechts sowie die aktive Unterstützung und Förderung durch Verwandte, die ein gemeinsames dynastisches Interesse verband, große Bedeutung bei der Erlangung von Hofchargen gehabt, was nicht zuletzt auch adeligen Frauen zugutekam679. Dieser Handlungslogik folgend habe 673 674 675 676 677

Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. II, S. 136. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 427. Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 148, 150. Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 534. Vgl. z. B. die umfangreichen prosopographischen Anhänge in Horowski, Die Belagerung des Thrones, Kapitel VIII, S. 459–670. 678 Unter cr¦dit wird zeitgenössisch ein Machtpotenzial verstanden, dass sich nicht »auf präzise einzugrenzende institutionalisierte Macht [beschränkte], sondern allein auf glaubwürdig unterstellbaren Einfluß« (ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 44). 679 Vgl. Newton, La petite cour, S. 354–355, der auf die entscheidende Rolle von Frauen bei der Erlangung von Chargen für weibliche und männliche Verwandte hinweist. Newtons Annahme, dass es zu Beginn der Niederlassung des Hofes in Versailles vorrangig Männer

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der König dazu geneigt, weibliche Verwandte seiner meistgeschätzten Diener in Hofämter zu berufen, sodass es beispielsweise die Ehefrauen und Töchter der hochrangigsten »army officers« gewesen seien, die als Hofdamen bei der Königin dienten, ebenso wie die weiblichen Angehörigen der höchsten Minister680 und anderer loyaler Anhänger681. Dem entspricht ein bereits von Kleinman hinsichtlich der Amtsträgerinnen im Gefolge von Anna von Österreich gemachter Befund, wonach deren Ehemänner, Väter und Brüder zu 76 % im militärischen Dienst standen und zu 14,7 % administrativen, richterlichen oder finanziellen service erfüllten682, was wiederum aufzeigt, welche Dienste seitens der Krone eines »honorific reward« wert erschienen683. Laut Norberg hat die Vergabe von Hofämtern an adelige Frauen es dem König ermöglicht, seinen »store of favor« zu erweitern, da er durch die Gewährung von Hofposten Distinktionsmerkmale an zwei Familien zugleich, nämlich die des Vaters und des Ehemannes, vergeben konnte684. Entsprechend hätten sie als Ehefrauen und Töchter dazu beigetragen, königliche Gnaden zu vervielfachen

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gewesen seien, die Posten für ihre Ehefrauen und Töchter erlangten, erscheint allerdings nicht nachvollziehbar. Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 199, die auf die Unterbringung weiblicher Mitglieder der Colbert-Familie in den Frauenhofstaaten am Hof Ludwigs XIV. hinweist. Vgl. auch Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 147, wonach Kardinal Mazarin seinen Nichten, der Princesse de Conti und der Comtesse de Soissons, Posten als surintendante verschafft habe. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVII, S. 15–16, wonach die Mar¦chale de la MotteHoudancourt ihr Hofamt letztlich der verwandtschaftlichen Verbindungen zum Minister Louvois zu verdanken habe, der frühzeitig von der bevorstehenden Vakanz erfahren und seinen cr¦dit dazu eingesetzt habe, sie auf einen der »principales places« am Hof zu hieven, mit der Absicht, dort eine Person zu positionieren, auf die er zählen konnte. Hierauf haben sich lediglich in Ego-Dokumenten Hinweise finden lassen. Vgl. z. B. Caylus, Souvenirs, S. 75, die die Übertragung eines Postens einer fille de la dauphine auf Mademoiselle de Löwenstein, spätere Marquise de Dangeau, auf den Einsatz ihres Onkels, der Kardinals von Fürstenberg, zurückführt, der für sein »attachement — la France« eine »longue et dure prison« erduldet habe. Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 527. Vgl. auch ebd., S. 528, wo Kleinman den militärischen Dienst weiter aufdröselt. So waren von den 98 Frauen/Mädchen 10 weibliche Verwandte höchster »officers«, 31 Ehefrauen/Töchter von Personen aus der militärischen Administration (»governors or king’s lieutenants of provinces, districts, cities, or citadels«) und 33 Ehefrauen/Töchter/Schwestern von Männern, die verschiedene Positionen in der Armee einnahmen und an verschiedenen militärischen Aktionen der Zeit teilgenommen hatten. Ebd., S. 530. Norberg, Women of Versailles, S. 209. Auch wenn Norberg prinzipiell zugestimmt werden kann, so erscheint ihre Annahme, dass der König durch das Einrichten von Positionen für Frauen in den königlichen Haushalten ein ganz neues »set of signs of distinction« geschaffen habe unzutreffend, da die unter seiner Herrschaft bestehenden Hofämter für Frauen auch bereits bei seinen Vorgängern existierten. Auch die Schaffung der dames du palais de la reine unterstützt ihre These nicht, da sie auf Kosten der filles d’honneur, für die sie einen Ersatz darstellten, erfolgte.

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und sie am Hof und im Königreich zu verteilen685. Der oben genannte Befund lässt aber auch noch eine weitere Schlussfolgerung hinsichtlich der Bedeutung adeliger Amtsträgerinnen innerhalb ihres familiären Umfeldes zu. Da sie im Gegensatz zu ihren männlichen Verwandten im Militärdienst durch ihr Hofamt fest und dauerhaft am Hof und damit am Umschlagplatz aller Vorteile verankert waren, erscheint es naheliegend, dass ihnen eine besondere Bedeutung bei der Vertretung und Durchsetzung familiärer Interessen beigemessen wurde, worauf an späterer Stelle nochmals näher eingegangen werden wird. Daher greift es zu kurz, adelige Amtsträgerinnen lediglich als Nutznießerinnen des cr¦dits ihrer männlichen Verwandten zu sehen. Ihnen selbst war es auch über survivance möglich, ein Hofamt in weiblicher Linie von einer Generation auf die nächste zu übertragen, wobei die Übergabe prinzipiell denselben Regeln folgte wie die der Chargen von Männern und eine ebensolche geschlechtsspezifische Dimension aufwies686. Auch adelige Amtsträgerinnen erwarteten, ihre einmal erworbenen Positionen an weibliche Verwandte weitergeben zu können und der König kam dem ungeschriebenen Gesetz der Erbschaft immer wieder nach687. Dennoch kam es bei ›Frauenchargen‹ gemessen an der Gesamtzahl der besetzten Hofämter in nur wenigen Fällen zur Amtsübertragung en survivance. Für die Frauenhofstaaten der Zeit Ludwigs XIV. konnte sie lediglich in vier Fällen ermittelt werden, und zwar für eine dame d’honneur688, dame d’atour689 und gouvernante des enfants des France690 sowie gouvernante

685 Vgl. ebd. Vgl. auch Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 48, Fn. 5, wonach der Haushalt der Königin oder ersten Dame, der meist schlagartig neu gegründet wurde, in seiner Zusammensetzung »die zum Zeitpunkt der Neugründung bei Hof herrschende Kräfteverteilung oft deutlicher [widerspiegelt] als die maison du roi, die von der jeweils dominanten Faktion nur viel langsamer infiltriert werden konnte.« 686 Vor diesem Hintergrund kann auch die für den Duc de Beauvillier überlieferte negative Reaktion auf die Geburt einer achten Tochter verstanden werden, da er eines Sohnes als Nachfolger seiner »grands emplois« bedurfte (Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 88). Vgl. aber Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 90, wonach sich am Münchener Hof nur in wenigen Fällen eine »direkte Verbindung zwischen der Amtsinhabe von Mutter und Tochter oder doch zumindest naher weiblicher Verwandter […] nachweisen« lässt. 687 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 198. 688 Dabei handelt es dich um eine Amtsübertragung von Colombe Le Charon de Plaisance, Mar¦chale Duchesse du Plessis-Praslin, an ihre Schwiegertochter Marie-Louise Le Loup de Bellenave, Comtesse du Plessis-Praslin und ab 1673 Marquise de Cl¦rambault im Hofstaat Madames. Diese findet auch in Ego-Dokumenten Erwähnung. Vgl. dazu Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 10–13. 689 Diese survivance betraf Anne-Marie de Beauvillier de Saint-Aignan, Comtesse de B¦thune, und ihre Schwiegertochter Marie-Louise de la Grange d’Arquien, Marquise de B¦thune, im Hofstaat der Königin. Vgl. auch hier Saint-Simon, M¦moires, Bd. XV, S. 150. 690 Hierbei handelt es sich um eine Amtsübertragung von Louise de Prie, Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt an ihre Tochter Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de la MotteHoudancourt, Duchesse de Ventadour, als gouvernante des enfants de France.

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der Kinder des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans691. Bei der chef du conseil et surintendante, den dames du palais und dames sowie den filles d’honneur hingegen kam es zu keiner survivance. Dieser Befund lässt sich sowohl auf Besonderheiten der Frauenhofstaaten als auch der dort von Mädchen und Frauen des Adels bekleideten Chargen zurückführen. Wie bereits an früherer Stelle dargestellt existierten die Hofstaaten der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie nur zu deren Lebzeiten. Folglich zog der Tod einer Herrin die Auflösung ihrer ganzen maison nach sich, sodass zwischen dem Bestehen zweier Königinnenhaushalte Jahrzehnte liegen konnten wie im Fall der Königin Maria Theresia, die 1683 verstarb, und der erneuten Einrichtung einer maison de la reine für ihre Nachfolgerin Maria Leszczyn´ska, Ehefrau Ludwigs XV., im Jahr 1725. Die zeitlich begrenzte Existenz von Frauenhofstaaten und die mitunter großen Lücken standen zwar Karrieren im Hofdienst nicht prinzipiell im Wege, begünstigten aber auch keine direkte Sukzession in einem Amt. Entsprechend wurde auch bei der Bildung einer maison ein Großteil der Amtsinhaberinnen neu ernannt692, sodass der Anteil der Mädchen und Frauen, die zuvor noch kein Hofamt innegehabt hatten, überwog693, wenngleich dies nicht bedeutete, dass die betreffenden Amtsträgerinnen gänzlich Neulinge am Hof waren. Ein Beispiel, an dem dies sehr deutlich wird, betrifft die Einrichtung der maison der Duchesse de Bourgogne, bei der »presque toutes les dames du personnel de la Chambre […] ¦taient issues de familles ¦tablies de longue date — Versailles et exerÅant des fonctions diverses — la Cour.«694 So ergibt auch der Blick auf die von Horowski ermittelten »erfolgreichsten Inhaberfamilien« von Hofchargen zwischen 1661 und 1789, dass die

691 Diese survivance betraf Charlotte de Mornay, Mar¦chale de Grancey, und ihre Tochter Marie-Louise Rouxel de M¦davy de Grancey, Comtesse de Marey, in der Charge der gouvernante der Kinder des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVIII, S. 414. 692 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 49, Fn. 57. Vgl. auch Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 523, die ausgehend davon, dass die entsprechenden Chargen nicht käuflich waren, Frauen und Mädchen des Königinnenhofstaats für besonders geeignet hält, die Verteilung königlicher Gunst zu untersuchen. 693 Da der überwiegende Anteil der Amtsträgerinnen zum ersten Mal in eine Hofcharge berufen wurde, sei hier stellvertretend darauf verwiesen, dass dies in der maison de la reine alle dames du palais, filles d’honneur sowie gouvernante und sous-gouvernante des filles d’honneur betraf, ebenso wie die höchsten Amtsträgerinnen, welche sind: Anne de Gonzague, genannt die Princesse Palatine, und Olympe Mancini, Comtesse de Soissons, als chef du conseil et surintendante de la maison; Suzanne de Baud¦an de Neuillan de ParabÀre, Duchesse de Navailles, als dame d’honneur, sowie Anne-Marie de Beauvillier de SaintAignan, Comtesse de B¦thune, als dame d’atour. 694 Newton, La petite cour, S. 355.

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unter Ludwig XIV. in Hofämtern anzutreffenden Mädchen und Frauen diesen zu großen Teilen angehörten695. Dass die im Untersuchungszeitraum festgestellten Sukzessionen nur bestimmte Posten betrafen, lässt sich darauf zurückführen, dass es sich hierbei sowohl um die höchsten und wichtigsten Chargen am französischen Hof handelte, als auch um die stabilsten Hofämter für Frauen. Bei der chef du conseil et surintendante und den dames du palais sowie den filles d’honneur kam es hingegen zu keiner survivance, wozu verschiedene Erklärungen herangezogen werden können. Bei den dames du palais696 und filles d’honneur standen sie vermutlich im Zusammenhang mit der Art der Amtsverleihung, die über ein ›einfaches‹ brevet erfolgte, das eine persönliche königliche Gnade darstellte, die zwar dazu führte, dass die Amtsträgerinnen im Hinblick auf Vergütung und Privilegien den anderen officiers gleichgestellt waren, ihr office aber nicht übertragen konnten697. Bei der surintendante sowie den gouvernantes und sousgouvernantes des filles d’honneur stand der survivance vermutlich entgegen, dass diese Chargen nicht fester Bestandteil der Hofstaaten waren, sondern nach Bedarf eingerichtet worden sind. Auch handelt es sich bei der Verleihung der surintendance um eine sehr personenbezogene Gnade698. Im Fall der gouvernante und sous-gouvernante des filles d’honneur musste zudem eine Vorbedingung erfüllt sein, nämlich die Existenz von filles d’honneur im betreffenden Hofstaat. Bei Letzteren wird hingegen von Bedeutung gewesen sein, dass ihre Charge die Ehelosigkeit voraussetzte, sodass sie zum Zeitpunkt ihres Amtsaustritts häufig erst heirateten und somit während ihrer Amtsausübung noch 695 Dabei finden sich in den von Frauen bekleideten Hofchargen in den hier untersuchten ›Frauenhofstaaten‹ Vertreterinnen fasst aller Adelsfamilie, die Horowski für die Zeit zwischen 1661 und 1789 als die erfolgreichsten identifiziert hat, wie z. B. der Familien Montmorency, Durfort, Noailles, Gramont, B¦thune, Rohan, Mailly, Rochechouart, Colbert und Beauvillier. Vgl. Horowski, Die Belagerung des Thrones, S. 228–229. Vgl. auch Keller, Hofdamen, S. 65, wonach auch am Wiener Hof »die Bedeutung des dem Hof nahe stehenden Adels als Herkunftsgruppe der Hofdamen wie der Hofmeisterinnen im 17. Jahrhundert bereits klar erkennbar war und tendenziell weiter anstieg.« Vgl. aber Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 95, die für den Münchener Hof die Vorstellung eines homogenen, bayerischen Hofadels verwirft, da »die Anzahl der adeligen Familien, die hinter den Amtsträgerinnen standen, […] sich nicht auf wenige Adelsgeschlechter beschränken [lässt], die als ›Hofadel‹ bezeichnet werden könnten.« 696 Vgl. aber Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 457, App. XVI; Bd. XVI, S. 88; Sourches, M¦moires, Bd. XI, S. 94, wonach Sophia Maria Wilhelmina Gräfin von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, Marquise de Dangeau, ihren Posten als dame du palais der Duchesse de Bourgogne mit Zustimmung des Königs und Monseigneurs an ihre Schwiegertochter FranÅoise de Pompadour de LauriÀre, Marquise de Courcillon, abgetreten haben soll. Als Grund dafür werden ihre Gesundheit und die Gunst bei der Königsmätresse Maintenon angeführt, die es ihr nicht mehr erlaubt hätten, diesen Dienst zu versehen. 697 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 86. 698 Vgl. für die Besetzungen dieser Charge im 18. Jahrhundert Newton, La petite cour, S. 255.

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über keine eigene Tochter oder Schwiegertochter – die einzigen für eine survivance infrage kommenden Personen – verfügten, die das Amt hätte übernehmen können699. Bei den ermittelten survivance-Fällen können zwei verwandtschaftliche Konstellationen unterschieden werden: zum einen gab es Amtsübertragungen von Mutter auf Tochter700, zum anderen von Schwiegermutter auf Schwiegertochter701. Während der Vorgang der gleiche war, zeitigte er doch denkbar unterschiedliche Folgen, denn während die erste Variante dazu führte, dass ein Amt – sofern die Tochter verheiratet war – aus der Ursprungsfamilie herausgetragen wurde702, gewährleistete »nur die Bestimmung der nicht immer vorhandenen Schwiegertochter zur Nachfolgerin«, dass eine »Charge langfristig der Familie erhalten« blieb703. Letztere stellt aber insofern eine Besonderheit dar, als dass Männerchargen nur an die engsten natürlichen Erben des Vorgängers704, d. h. an den Sohn – häufigste und von der Krone anerkannteste Form der survivance705 – oder Enkel706 oder an einen nahen Verwandten en survivance ergingen, jedoch nicht an Schwiegersöhne707. Dass dennoch Töchter Hofämter erhielten, obwohl sie sie aus ihren Geburtsfamilien heraustrugen, führt Horowski auf das Interesse und den Einsatz 699 Interessanterweise scheint es auch nicht üblich gewesen zu sein, dass eine andere weibliche Verwandte, wie z. B. eine Schwester, diesen Posten erhielt, wobei die gleichzeitige Ausübung dieser Charge durch Geschwister vorkam. 700 Diese betraf Charlotte de Mornay, Mar¦chale de Grancey, und ihre Tochter Marie-Louise Rouxel de M¦davy de Grancey, Comtesse de Marey, in der Charge der gouvernante der Kinder des Duc d’Orl¦ans. Ebenso Louise de Prie, Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt, und ihre Tochter Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de la Motte-Houdancourt, Duchesse de Ventadour, als gouvernante des enfants de France. 701 Hierbei handelt es sich um Colombe Le Charon de Plaisance, Mar¦chale Duchesse du Plessis-Praslin, und ihre Schwiegertochter Marie-Louise Le Loup de Bellenave, Marquise de Cl¦rambault, als dame d’honneur im Hofstaat Madames. Des Weiteren um Anne-Marie de Beauvillier de Saint-Aignan, Comtesse de B¦thune, und ihre Schwiegertochter MarieLouise de la Grange d’Arquien, Marquise de B¦thune, in der Charge der dame d’atour de la reine. 702 Aus diesem Grund ordnet Horowski die Amtsnachfolge einer Tochter der ›äußeren‹ Sukzession zu (vgl. ders., Such a great advantage for my son, S. 164). 703 Ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 49, Fn. 57. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 488, der daraus folgert, dass es am Hof Ludwigs XIV. sehr selten zu einer Amtsübertragung von Mutter an Tochter kam, während es ein Übergewicht an Amtsweitergaben von Schwiegermutter an Schwiegertochter gegeben habe, was mit der vorliegenden Untersuchung nicht bestätigt werden kann. 704 Vgl. ders., Such a great advantage for my son, S. 163. 705 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 95–96. 706 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 49. 707 Ein Beispiel dafür kann aus der Zeit Annas von Österreich angeführt werden, die einem valet de chambre du roi die survivance seines Postens an seinen Schwiegersohn verweigerte, mit der Begründung eine solche werde nur Kindern von Amtsträgern gewährt (vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 96).

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ihrer Ehemänner und deren Familien zurück, die die Weitergabe des Amtes der Schwiegermutter als Teil der Mitgift bereits in den Eheverträgen einbrachten708. Auch trug die Weitergabe von Hofämtern von Amtsträgerinnen an ihre Töchter oder auch Enkelinnen dazu bei, dass regelrechte weibliche Ämterdynastien entstanden, für die die gouvernantes des enfants de France ein eindrückliches Beispiel abgeben, denn sie rekrutierten sich von Ludwig XIII. bis Ludwig XVI. aus dem Hause Rohan709, in dem diese Charge über mehrere Generationen hinweg fast durchgehend von einer weiblichen Verwandten an die nächste en survivance weitergegeben wurde710. In den Bestallungsurkunden werden dabei zweierlei Faktoren hervorgehoben, die Aufschluss darüber geben, was zur Gewährung der survivance geführt hatte, und auch eine Erklärung dafür liefern, warum die im Untersuchungszeitraum erfolgten Ämterübertragungen von Mutter auf Tochter sich nur auf die Charge einer gouvernante des enfants de France oder enfants des Duc d’Orl¦ans beschränkten, während die survivance von Schwiegermutter an Schwiegertochter in den Posten der dame honneur und dame d’atour stattfand. Neben den Qualitäten, die für die Erfüllung der Charge der gouvernante als wichtig erachtet wurden, nämlich Geburt, »sentimens«, »talens« und Erfahrung, werden insbesondere die »grandes qualit¦s« hervorgehoben, die zur Bekleidung dieser Charge erforderlich seien und als »vertu hereditaire« einer maison unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit des jeweiligen Familienmitglieds von Generation zu Generation weitergegeben wurden711. Somit ebneten einer survivanciÀre nicht nur »soins« und »vertu« 708 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 164, Fn. 103. 709 Der Vorteil entsprechender Dynastien bestand laut Norberg darin, dass nur Frauen des höchsten Ranges die besten Positionen in den königlichen Haushalten besetzten (vgl. dies., Women of Versailles, S. 198–199). 710 Vgl. zu einer detaillierten Darstellung der Amtsübertragung über fünf Generationen Newton, La petite cour, S. 305–308. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVII, S. 10–12. Vgl. aber auch ebd., S. 15–17, der Hinweise darauf liefert, dass allein die Zugehörigkeit zu einer solchen Ämterdynastie im zeitgenössischen Verständnis nicht ausreichte, um eine Charge zu erlangen. Dies beschreibt er am Beispiel der Mar¦chale de la Motte-Houdancourt, deren verwandtschaftliche Verbindung zum Minister Louvois letztlich den Ausschlag für die Erlangung der Charge der gouvernante des enfants de France gegeben habe. 711 AN O1 66, fol. 109. So konnte der gouverneur Ludwigs XIII. ohne Probleme diese Charge an seine Tochter und diese wiederum an ihre Tochter übertragen. Gleichzeitig setzte die erbliche Weitergabe bestimmter Tugenden keine Blutsverwandtschaft voraus. So bestand vom Mar¦chal de Souvr¦, dem gouverneur Ludwigs XIII., bis zur Duchesse de Ventadour, gouvernante des enfants de France unter Ludwig XIV. und XV., zwar eine direkte Abkommenschaft. Die erste survivanciÀre der Duchesse de Ventadour, die Princesse de Soubise (die zwar ernannt, von der Ventadour letztlich jedoch überlebt werden sollte), war die Ehefrau ihres Enkels. Die zweite survivanciÀre war wiederum ihre direkte Enkelin, die Duchesse de Tallard. Danach wurde die Comtesse de Marsan (Marie-Louise de RohanSoubise, Comtesse de Marsan, 1720–1803; scheinbar Urgroßenkelin der Ventadour und Nichte der Duchesse de Tallard) gouvernante. Da diese keine überlebenden Kinder hatte, folgte ihr ihre Nichte, die Princesse de Gu¦m¦n¦ nach. Zuletzt bekleideten diese Charge die

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ihrer direkten Vorgängerin, sondern vor allem ihre Ahnenreihe den Weg in das Amt712. Die erblichen Qualitäten eines Hauses befreiten allerdings nicht davon, die mit einer Charge verbundenen Aufgaben zu erlernen. Kam es schließlich zu einer survivance, so trat die Nachfolgerin in drei der vier ermittelten Fälle713 schon zu Lebzeiten ihrer Vorgängerin in den Dienst ein, um bereits vor dem vollen Antritt der Stelle eingewiesen zu werden. So wurde die gemeinsame Amtsausübung714, die sich über mehrere Jahre erstrecken konnte715, sowohl als Lehrzeit verstanden716 als auch als Entlastung der amtierenden Amtsträgerin717. Ein Beispiel für Letzteres bietet die gouvernante des enfants de France, die Duchesse de La Motte-Houdancourt, der ihre Tochter, die Duchesse de Ventadour, zur Seite gestellt wurde, um ihre Mutter zu unterstützen, da ihr Alter und ihre Kräfte es ihr nicht mehr erlaubt hätten, ihre Funktion entsprechend ihres »desir« und ihrer »affection« auszuüben. Die survivanciÀre standen dabei dieselben »honneurs, pouuoirs, authoritez, pre¦minences, et droits qui y appartiennent, et aux gages, Estats et appointemens« wie der regulären Amtsinhaberin zu. Auch wurde sie nach Ablegen ihres Eides von den anderen officiers als solche anerkannt und sie durfte, bei Abwesenheit der bisherigen Amtsträgerin, die Charge in vollem Umfang ausüben718. Bei anderen Anlässen, bei denen beide zugegen waren, wurde ihren unterschiedlichen Positionen jedoch Ausdruck

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Duchesse de Polignac, die Marquise de Tourzel und die Comtesse de Genlis (vgl. Newton, La petite cour, S. 305–308). AN O1 66, fol. 109. Lediglich im Fall der Mar¦chale de Grancey trat die Comtesse de Marey erst nach dem Tod ihrer Mutter 1694 deren Nachfolge an. Die lettres patentes, die die Duchesse de Ventadour am 23. Mai 1704, als survivanciÀre ihrer Mutter erhielt, beinhaltet bei sonst identischem Wortlaut des serment den Zusatz, dass diese Funktion gemeinsam mit und »en Survivance« der Mar¦chale Duchesse de La MotteHoudancourt ausgeübt werden sollte (AN 273 AP 389 [ohne Paginierung]). Die Comtesse de B¦thune wurde in den Hofstaatslisten der maison de la reine 15 Jahre gemeinsam mit ihrer surivanciÀre, der Marquise de B¦thune, geführt. Die Mar¦chale de Plessis-Praslin und ihre Nachfolgerin, die Comtesse du Plessis-Praslin, zehn Jahre, und die Mar¦chale de la Motte-Houdancourt und ihre Tochter, die Duchesse de Ventadour, sechs. Vgl. Newton, La petite cour, S. 305, wonach die Duchesse de Tallard ihre »Lehre« bei ihrer Großmutter, der gouvernante des enfants de France, ablegte und als würdig erachtet wurde, dieser nachzufolgen. Vgl. AN O1 48, fol. 81v. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XII, S. 43, der darstellt, dass eine solche gemeinsame Amtsausübung nicht immer auf die Zustimmung der amtierenden Amtsträgerin stoßen musste. So sei der Mar¦chale de la Motte-Houdancourt zur Schonung ihrer Gesundheit ihre Tochter als survivanciÀre zur Seite gestellt worden, um ihr die »soins p¦nibles de cette charge« zu erleichtern. Dennoch habe die Mar¦chale, die ihre Tochter zwar liebte, aber nicht genug, um mit ihr ihr Hofamt zu teilen, diese Maßnahme abgelehnt. Als Grund wird angeführt, dass sie um ihre Stellung als »ma„tresse« der maison der Königskinder gebangt und die Berufung daher u. a. mit der Argumentation abgelehnt habe, dass es lächerlich sei, den enfants de France eine kinderlose Frau zur Seite zu stellen. Vgl. AN O1 48, fol. 81v–82r.

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verliehen, so beispielsweise in der räumlichen Position, die ihnen bei zeremoniellen Anlässen zustand719. Während die Bedeutung persönlicher Qualitäten und der Meriten der jeweiligen Familie und Familienangehöriger in den administrativen Dokumenten Erwähnung findet, wird auf den Einfluss anderer sozialer Nahbeziehungen kaum eingegangen. Lediglich einige wenige Formulierungen weisen darauf hin, dass die Wertschätzung Dritter720 die Besetzung von Hofämtern begünstigte. Erst durch die Hinzuziehung von Ego-Dokumenten wird sicht- und greifbar, welch großer Stellenwert Freundschaften721 und Beziehungen zu hochrangigen Entscheidungsträgern in diesem Kontext zeitgenössisch beigemessen wurde. Da die Entscheidung über die Vergabe der hohen Hofposten für Frauen und Männer in letzter Instanz beim König lag722, war es auch im zeitgenössischen Verständnis die Beeinflussung seiner Entscheidungsfindung, die letztlich zum Erfolg führte723. Dies konnte auf direktem Wege erfolgen oder auch vermittelt über eine dritte Person, so beispielsweise über seine jeweilige Mätresse724, die ihren cr¦dit dazu einsetzte aus Gunst oder Freundschaft auf die Erlangung von Hofchargen hinzuwirken, wofür sie im Gegenzug »attachement«725, Dankbarkeit726 und Loyalität727 erwartete. Zwar nahmen die Angehörigen der famille

719 Dies zeigt eine Audienz, die einem außerordentlichen Nuntius des Papstes beim Duc de Bretagne gewährt wurde, bei der die amtierende gouvernante, die Mar¦chale de la MotteHoudancourt, zur Rechten des Kindes stand, und ihre survivanciÀre, die Duchesse de Ventadour, zu seiner Linken (vgl. AN 273 AP 389, fol. 197–198). 720 Vgl. MG 1704, Mars, S. 346–349; MG, 1684, Juin, S. 247–252. 721 Zwar konnte ein Hofamt nicht en survivance zwischen Freunden weitergereicht werden, dennoch konnten sie sich gegenseitig Unterstützung gewähren, indem sie beispielsweise bei zentralen Entscheidungsträgern am Hof ein gutes Wort einlegten. Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XI, S. 99–100, der über die Duchesse de Ventadour berichtet: »voyant la mar¦chale de la Motte, sa mÀre, vieillir, et Mme la duchesse de Bourgogne donner des esp¦rances d’avoir bientút des enfants, jugea qu’il ¦toit temps de quitter Madame pour s’úter le pr¦texte de la consid¦ration de cette princesse et s’aplanir la voie — la survivance de gouvernante des enfants de France. Son ancien ami le mar¦chal de Villeroy ¦toit parvenu — la mettre bien dans l’esprit de Mme de Maintenon, auprÀs de laquelle elle avoit les gr–ces de la ressemblance qui la touchoient le plus, c’est-—-dire celles des aventures galantes pl–tr¦es aprÀs de d¦votion.« 722 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 339, wonach »c’¦toit le Roi tout seul«, der die Marquise de la Vieuville zur dame d’atour der Duchesse de Berry ernennen wollte. 723 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 198. 724 Auf den Einfluss der Königsmätresse wird in Ego-Dokumenten vielfach hingewiesen. Vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. XII, S. 80, Fn. 9; Saint-Simon, M¦moires, Bd. I, S. 85–86; Bd. III, S. 157–160, 161–172, 176–180, 213; Bd. XV, S. 87; Bd. XXVIII, S. 194. 725 Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 179. 726 Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 190. 727 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVII, S. 15.

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royale auch Einfluss auf die Chargenbesetzung in ihren eigenen Haushalten728 und, wenn es sich um männliche Familienmitglieder handelte, auch in der ihrer Ehefrauen729, dennoch waren sie »selbst hier grundsätzlich dem Willen des Königs unterworfen«730 (direktes Verfügungsrecht hatten sie nur über niedere Posten731). Dennoch lag es im Rahmen des zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbaren, dass sie starken Einfluss auf die Besetzung von Hofchargen nahmen und dabei ihre »confidentes et amies« begünstigten732, auch wenn dies nicht immer Anerkennung und Wertschätzung der so geförderten Personen nach sich zog733. Für besonders hochrangige und prestigeträchtige Chargen schien es geradezu notwendig, sie über entsprechende Vermittler zu erbitten734. Angesichts des personalen Charakters höfischer Entscheidungsfindung erscheint es auch nachvollziehbar, warum es zu sozialen Formationen wie cabales kam, die die Besetzung einer Charge zu beeinflussen suchten, da ein Amtsträger durch die

728 Vgl. AN O1 19, fol. 56v–57r. Vgl. auch Sourches, M¦mories, Bd. IX, S. 11; Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 314. 729 Vgl. z. B. Sourches, M¦mories, Bd. III, S. 90, wonach Monsieur die Marquise de Ch–tillon zur dame d’atour seiner Ehefrau gemacht habe, auf deren »pressantes instances« hin er auch Mademoiselle de Ch–teautiers auf diese Position berief, unter der Bedingung, dass sie »les fonctions de la charge« nur in Abwesenheit von Madame de Ch–tillon ausübte. Vgl. auch Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 361, wo darüber berichtet wird, dass es ebenfalls Monsieur gewesen sei, der die Marquise de Saint-Chamond zur gouvernante seiner Kinder ernannt habe. 730 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 50, Fn. 59. Vgl. auch Laverny, Les domestiques commensaux, S. 24. 731 Vgl. AN O1 3713, die alle im Namen der Königin erlassenen provisions, lettres und brevets de retenue enthalten. Für eine in ihrem Namen ergangene survivance an den Sohn ihres chevalier d’honneur vgl. ebd. 3714, fol. 4. Für die survivance des Postens ihres intendant de maison et g¦n¦ral de finances vgl. BN ms.fr. 22713, fol. 31r. Für die Erteilung von niederen Chargen (wie beispielsweise bouche, marechaux de logis, fourriers ordinaires und portiers) und survivance im Namen weiblicher Angehöriger der Königsfamilie vgl. AN O1 3715, 3716. 732 Newton, La petite cour, S. 366. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 237–248, der im Zusammenhang mit der Übertragung der Charge der dame d’honneur der Duchesse de Berry an seine Ehefrau sehr ausführliche schildert, welchen Einfluss insbesondere die Duchesse de Bourgogne darauf ausgeübt haben soll. 733 Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 429, die ebenfalls betont, welch große Rolle ihrer Ansicht nach Dienste, dignit¦ und der Einsatz von hochrangigen Freunden dabei spielten, sich Vorteile am Hof zu sichern. Gleichzeitig weist sie aber auch darauf hin, dass es typisch sei für diejenigen, die am Hof Gnaden erhielten, dass ihr menschlicher Hochmut sie dazu verleitete, »les soins & les applications« ihrer Freunde nicht mit der ihnen zustehenden Verpflichtung zu vergelten, sondern die erhaltenen Vorteile allein ihren eigenen (Ver) Diensten und Würden zuzuschreiben. 734 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 325–332. Hierbei handelt es sich um Marie-Êlisabeth de Rochechouart-Mortemart, Marquise de Castries, die den Posten einer dame d’atour der Duchesse de Chartres durch die Fürsprache des Duc de Maine bei Ludwig XIV. und Madame de Maintenon erhalten haben soll.

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Nähe zur Königsfamilie den eigenen Interessen sowohl förderlich als auch hinderlich sein konnte735.

3.3.

Familienstand und Alter736

Neben der sozialen Zugehörigkeit waren auch Familienstand und Alter für die Besetzung von Hofämtern von Bedeutung. Zwar existieren für den französischen Königshof keine formalen Festschreibungen, dennoch lassen sich anhand der untersuchten Amtsträgerinnen Strukturen und Tendenzen erkennen. Die höchsten Hofposten der surintendante, dame d’honneur und dame d’atour wurden meist mit verheirateten Frauen besetzt. In geringerem Umfang auch mit verwitweten, geschiedenen und ledigen Amtsträgerinnen737. Ihr Alter lag dabei durchschnittlich zwischen Mitte 30 und Mitte 40. Bei den dames d’honneur war aber auch der Anteil der über 50-Jährigen stark vertreten738. Ein ähnlicher Befund lässt sich bei den ebenfalls hohen Ämtern der gouvernante und sousgouvernante des enfants de France und der Kinder des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans machen, die ebenfalls verheiratet, verwitwet oder geschieden waren und deren Altersdurchschnitt zwischen 40 und 54 Jahren lag739. Die dames du 735 Vgl. dazu ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 316–320, der die cabale im Zusammenhang mit der Besetzung der Charge der dame d’honneur der Duchesse de Berry mit seiner Ehefrau beschreibt. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. XVII, S. 15–16, wo es heißt: »M. le Tellier et M. de Louvois, son fils, ¦toient lors en grand cr¦dit, et fort attentifs — procurer, tant qu’ils pouvoient, les principals places — des personnes sur qui ils pussent compter, au moins — en ¦carter celles qu’ils craignoient.« Ihr Einsatz habe dazu beigetragen, die Mar¦chale de la Motte-Houdancourt in die Charge der gouvernante des enfants de France zu befördern. 736 Die Angaben über die Lebensdaten und den Familienstand der einzelnen Amtsträgerinnen wurden weitestgehend aus PÀre AnsÀlme de Sainte-Marie: Histoire g¦n¦alogique et chronologique de la maison royale de France […]. 9 Bde. Paris 2. Aufl. 1726–1733 (ND New York 1967) ermittelt, ergänzt durch die biographischen Anmerkungen in den für diese Untersuchung herangezogenen Ego-Dokumenten sowie den ausführlichen prosopographischen Anhang von Horowski, Die Belagerung des Thrones, Kapitel VIII, S. 459–670. Auf die namentliche Nennung der betreffenden Amtsträgerinnen wird im Folgenden weitestgehend verzichtet, um Übersichtlichkeit zu gewährleisten. 737 Alle im Untersuchungszeitraum ermittelten surintendantes waren verheiratet, die dames d’atour entweder verheiratet, verwitwet oder ledig und die dames d’honneur, wie die gouvernantes des enfants, verheiratet, verwitwet oder geschieden. 738 Bei allen folgenden Angaben wird das Alter bei Amtsantritt zugrunde gelegt. Demnach war die surintendante 21–44 Jahre (21, 34, 38, 44), dame d’honneur 32–43 (32, 32, 35, 36, 42, 43) bzw. 50–58 Jahre (50, 53, 54, 57, 58, 58) und die dame d’atour 24–50 Jahre (24, 24, 33, 34, 34, 34, 35, 40, 41, 44, 50). 739 Das Alter der gouvernantes und sous-gouvernantes des enfants de France und der Kinder des Duc und des Duchesse d’Orl¦ans lag zwischen 40 und 54 Jahre (40, 40, 42, 46, 49, 52, 54). Es gab zwei größere Abweichungen: Louise-FranÅoise Bouthillier de Chavigny, Mar¦chale de Cl¦rambault, mit 30 und Charlotte de Mornay, Mar¦chale de Grancey, mit 61 Jahren.

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palais der Königin, ebenso wie die dames pour accompagner der Duchesse de Bourgogne und der Duchesse de Berry, waren fast ausnahmslos verheiratete Frauen740 unter 30 Jahren741. Die filles d’honneur hingegen setzten sich durchweg aus ledigen Mädchen und Frauen im Alter zwischen 16 und 26 zusammen742. Aussagen zu Lebensalter und Familienstand der gouvernante und sous-gouvernante des filles d’honneur sind kaum möglich, da nur in den seltensten Fällen über den Namen der jeweiligen Amtsträgerin hinaus biographische Informationen ermittelt werden konnten. Zusammenfassend zeigt sich, dass bei der Bekleidung einer Charge am französischen Königshof sowohl Familienstand als auch Alter eine Rolle spielten. Ein Großteil der Amtsträgerinnen am Hof Ludwigs XIV. war über 30 Jahre alt und verheiratet, wohingegen ledige Mädchen und Frauen selten anzutreffen waren. Ihre Anzahl nahm mit der Auflösung der filles d’honneur sogar drastisch ab743, sodass sich Amtsträgerinnen spätestens seit Ende der 1680er Jahre fast nur noch aus verheirateten und verwitweten Frauen zusammensetzten744. Lediglich die dames d’honneur und die gouvernantes des enfants de France, und damit die zwei höchsten weiblichen Hofämter, ergingen verstärkt an ältere Frauen zwischen Mitte 40 und Mitte 50. Dass es sich hierbei um keinen Zufall handelt, darauf verweisen auch Erwähnungen in Ego-Dokumenten, wonach bei einer 740 Es gab lediglich zwei Ausnahmen, in denen ledige Frauen dames du palais de la reine wurden: Marie-Marguerite-Ignace de Lorraine, genannt Mademoiselle d’Elbeuf, und Marie-Louise-Charlotte-Claire d’Albert de Luxembourg, Princesse de Tingry. 741 Alter der dames du palais und dames pour accompagner bei Amtsantritt mit quantitativer Verteilung (hierbei muss berücksichtigt werden, dass für die entsprechenden Chargen im Hofstaat der Duchesse de Berry nur in drei Fällen das Alter der Amtsträgerinnen ermittelt werden konnte): 18, 3x23, 24, 5x25, 2x26, 2x27, 28, 29, 34, 35, 37. Hierbei fallen MarieFranÅoise de Bournonville, Comtesse d’Ayen und spätere Mar¦chale Duchesse de Noailles, mit 18 Jahren und Marie-Louise-Charlotte-Claire d’Albert de Luxembourg, Princesse de Tingry, mit 56 Jahren aus dem Rahmen. Die dames pour accompagner der Duchesse de Bourgogne waren überwiegend unter 30 Jahre alt (13, 14, 18, 19, 22, 28, 29). Es gab aber auch Amtsträgerinnen im Alter von 32, 35, 39 und 42 Jahren. Somit stimmt dieser Befund mit dem Leferme-FalguiÀres überein, der anmerkt, dass die »dames du palais sont souvent plus jeunes« (ders., Le monde des courtisans, S. 487). 742 Das Alter eines Großteils der filles d’honneur war nicht zu bestimmen, da nur in vergleichsweise wenigen Fällen die Lebensdaten ermittelt werden konnten. Mit dieser Einschränkung ergibt sich folgendes Altersspektrum bei Amtsantritt: 3x16, 17, 18, 3x19, 22, 24, 2x25, 26. Auch hier gab es zwei Ausnahmen mit 31 und 36 Jahren. Im Vergleich zum Münchener Hof war das Alter der filles d’honneur am französischen Hof tendenziell höher, denn das Einstiegsalter der ledigen Münchener Hofdamen lag bei 18 Jahren bzw. spätestens Anfang 20 (vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 98). 743 So wurde die chambre des filles der Königin 1674 aufgelöst, die der Dauphine 1687 und die Madames 1702. Im Hofstaat der Duchesse de Bourgogne und der Duchesse de Berry kamen sie überhaupt nicht mehr vor. 744 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 529, wonach der Dienst bei der Königin gelegentlich einen sicheren Hafen für Witwen und Waisenkinder bot.

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betagteren Kandidatin angenommen wurde, dass es sich günstig auf ihre Amtsausübung auswirken werde745, dass sie bereits dem Alter der »galanterie« entwachsen sei746. Entsprechend wurde es auch als »une marque singuliÀre de l’estime« erachtet, wenn der König einer adeligen Dame trotz ihres niedrigen Alters eine hohe Hofcharge übertrug747. Sowohl in Familienstand als auch Altersstruktur unterschied sich der französische Königshof gravierend von anderen zeitgenössischen Höfen. Wie die Untersuchung von Katrin Keller für den Wiener Hof des 17. Jahrhunderts zeigt, setzten sich die Amtsträgerinnen an Höfen des habsburgischen Modells entweder aus älteren, verwitweten Hofmeisterinnen oder jungen, ledigen Hofdamen zusammen748. Verheiratete adelige Damen im Hofdienst »treten nur selten […] und auch erst spät in Erscheinung, wobei es sich hier bei den sog. Palastdamen um einen Ehrentitel für die Ehefrauen hoher Amtsträger des Kaiserhofes handelte.«749 Ähnliches stellt Britta Kägler für Amtsträgerinnen am Münchner Hof fest und verweist auf die Einschränkungen, die sich aus der Bindung von Hofämtern an einen bestimmten Lebensabschnitt ergaben, wonach die verfügbaren Positionen »faktisch nie gleichzeitig in Frage« kamen750. Die Tatsache, dass Chargen am französischen Königshof nicht nur an ledige oder verwitwete Frauen ergingen, sondern ganz im Gegenteil vorwiegend von verheirateten Damen bekleidet wurden751, hatte erhebliche Folgen. Sie vergrößerte den Kreis potenzieller Kandidatinnen für ein Hofamt, die – wenn verheiratet – sowohl als Angehörige ihrer Geburts- als auch ihrer Heiratsfamilie an innerhöfischen Aushandlungsprozessen teilnehmen konnten, und zwar in einer Lebensphase, in der ihnen größere Handlungsmöglichkeiten zukamen als ledigen Geschlechtsgenossinnen. Da die Dienstzeit nicht mit einer Eheschließung ein jähes Ende 745 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XII, S. 43. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 238, wonach das zu geringe Alter einer potenziellen Amtsträgerin entsprechend auch als Argument gegen ihren Amtsantritt angeführt werden konnte, da es dafür spräche, dass sie zur Ausübung der damit verbundenen Aufgaben noch nicht fähig sei. 746 Ders., M¦moires, Bd. XII, S. 42. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. XI, S. 99–100, wo im Zusammenhang mit der Besetzung der Charge der dame d’honneur von Madame darauf verwiesen wird, dass Letztere ganz bewusst eine »duchesse sans pain, et brouill¦e avec son mari« gesucht habe, wie es ihre Vorhergehende Amtsträgerin, die Duchesse de Ventadour, gewesen sei. 747 Ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 328. Demnach habe die Tugendhaftigkeit einer Frau den Mangel an Alter ausgleichen können. 748 Vgl. Keller, Hofdamen, S. 26; Kircher-Kannemann, Organisation der Frauenzimmer, S. 240. Vgl. auch Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 112, die diese Zusammensetzung auch noch für das 19. Jahrhundert bestätigt. 749 Keller, Hofdamen, S. 27–28. 750 Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 56. 751 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 145, der zu der Feststellung gelangt, dass von 195 Frauen seines Untersuchungszeitraums 76 mit männlichen Amtsträgern verheiratet waren.

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fand, sondern mit dieser meist erst begann, begünstigte sie einen dauerhaften Aufenthalt am Hof und ebnete den Weg zu regelrechten Amtskarrieren, worauf im Folgenden noch eingegangen werden wird. Gleichwohl konnte sich der Familienstand aber auch zuungunsten einer survivance in weiblicher Linie auswirken, denn während Männer nicht verheiratet sein mussten, um eine Amtsnachfolge anzutreten, war dies bei Frauen meist der Fall752, wodurch sich der Kreis derjenigen, die einen Posten von einer weiblichen Verwandten übernehmen konnten, in Kombination mit den bereits zuvor dargestellten Faktoren entsprechend verringerte.

3.4.

Persönliche Qualitäten und Meriten

Ein letzter Faktor, der zur Erlangung einer Charge am französischen Königshof auf formaler Ebene greifbar ist, sind normative Vorgaben und Erwartungen, die ihren Niederschlag sowohl in Ernennungsurkunden als auch in der höfischen Außendarstellung fanden753. Dabei handelt es sich um Qualitäten, die zum einen Amtsträgerinnen ›persönlich‹ und zum anderen ihren ›familiären‹ Hintergrund auszeichnen sollten. Letztere kam in der bereits behandelten großen Bedeutung der »qualit¦«754 und »naissance«755 der betreffenden Dame und damit dem Alter, Status und Ansehen ihrer Herkunftsfamilie zum Ausdruck. Dabei wurden in besonderem Maße die »m¦rites«756 und damit die sowohl von Amtsträgerinnen selbst als auch ihrer jeweiligen Herkunftsfamilie und deren Vorfahren erbrachten Dienste und Leistungen757, aber auch ›persönliche‹ Merkmale, die in den wenigen überlieferten Quellen unabhängig von ihrer Gattung und vom jeweiligen Hofamt immer wieder Erwähnung finden, gewichtet. An oberster 752 Vgl. ebd., S. 164. 753 Die folgende Darstellung wurde vorrangig auf Grundlage von Bestallungsdokumenten aus dem Bestand O1 der AN und des Mercure galant (MG) als Medium höfischer Außendarstellung erarbeitet. 754 Vgl. AN O1 10, fol. 225r ; 24, fol. Ar, Bv, 334r; 48, fol. 81v ; 3714, fol. 16v. MG, 1678/10, S. 337– 338. 755 Vgl. AN 66, fol. 109; 3714, fol. 21. MG, 1680/1, S. 223–239, 242–245; 1704/3, S. 346–349. 756 Vgl. AN O1 24, fol. Ar, Bv ; 48, fol. 81v, 112v ; 53, fol. 112v–113r. MG, 1678/10, S. 337–338; 1680/1, S. 223–239; 1684/3, S. 116; 1684/6, S. 247–252; 1697/4, S. 239–240; 1704/3, S. 346– 349. BN, Collection Clairambault 1079 (61), fol. 73v. 757 Vgl. aber BN, Bib. Arsenal, ms. 5418, fol. 741 (20. September 1661), wonach die Duchesse de Montausier anlässlich ihrer Ernennung zur gouvernante des enfants de France in einem Brief an die Comtesse de Maure darauf hinweist, dass dieses »bonne fortune« ihr eigenem Verdienst zuzuschreiben sei. Darauf gibt ihr ihre Briefpartnerin in einem Antwortschreiben zu bedenken, dass man es wenig gewöhnt sei zu sehen, dass Chargen »selon la m¦rite« vergeben werden.

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Stelle rangierten dabei »vertu«758 und »conduite«759. Hinzu kamen – wenn auch seltener – »affection«760, »sagesse«761, »fid¦lit¦«762, »soins«763, »vigilance«, »desapendence«764, »prudence«, »zÀle«765, »sentimens«, »talens«766 und Welterfahrenheit sowie Kennerschaft des Hofes767. Auch werden Erfahrungen im persönlich geleisteten Dienst768 als Kriterium angeführt, ebenso wie die Anerkennung und Wertschätzung, die der jeweiligen Frau von anderen zuteil wurde769. Auch hier vertiefen Ego-Dokumente den Blick auf die genannten Merkmale, indem sie aufzeigen, wie sehr ihnen das Potenzial zugeschrieben wurde, sich positiv auf die Erlangung einer Hofcharge oder gar einer höfischen Karriere auszuwirken. Ein Beispiel hierfür bietet Madame de Venel, der »les agr¦mens de sa figure, la vivacit¦ de son esprit et les qualit¦s de son cœur« die Türen zu den »maisons les plus distingu¦es« und letztlich auch zum Hof geöffnet haben sollen. Dort sei sie sowohl aufgrund der Dienste, die ihre Vorfahren für die Krone geleistet hatten, als auch aufgrund ihrer eigenen Dienste in den Genuss von Zuwendung und Schutz gekommen, was letztlich in ihrer Ernennung zur dame de la reine gipfelte. Dabei wird vor allem ihrer Tugendhaftigkeit ein besonderer Stellenwert als Grundlage für die Wertschätzung durch hohe Entscheidungsträger und auch letztlich der Übertragung von Hofämtern zugeschrieben. So sei ihr zunächst aufgrund ihrer Verdienste für die Krone, aber auch ihrer Tugendhaftigkeit die Erziehung einer Nichte des Kardinals Mazarin übertragen worden770. Ihrem Schützling sei sie – eine »aimable et vertueuse Dame« – als Ratgeberin und »modÀle« empfohlen worden und auch im Laufe ihrer Dienstausübung habe sie sich außer durch ihre Tugend auch durch ihren Geist, ihre Seele, Redegewandtheit sowie ihr Pflichtbewusstsein und ihren Eifer be-

758 Vgl. AN O1 10, fol. 225r ; 24, fol. Ar, 334r ; 53, fol. 112v–113r, 174v, 175r ; 48, fol. 81v, 113r ; 3714, fol. 21. MG, 1678/10, S. 337–338; 1680/1, S. 223–239, 242–245; 1684/3, S. 116; 1684/6, S. 247–252; 1697/4, S. 239–240; 1704/3, S. 346–349. BN, Collection Clairambault 1079 (61), fol. 73v. 759 Vgl. AN O1 10, fol. 225r ; 24, fol. Ar, Bv ; 48, fol. 113r ; 53, fol. 112v–113r, 174v, 175r ; 3714, fol. 21. MG, 1684/3, S. 116; 1684/6, S. 247–252; 1704/3, S. 346–349. 760 Vgl. AN O1 10, fol. 225r ; 24, fol. Bv ; 3714, fol. 21. 761 Vgl. AN O1 10, fol. 225r. MG, 1680/1, S. 242–245. 762 Vgl. AN O1 10, fol. 225r ; BN, Collection Clairambault 1079 (61), fol. 74r. 763 Vgl. AN O1 10, fol. 225r ; 66, fol. 109. 764 Vgl. AN O1 10, fol. 225r. 765 Vgl. AN O1 24, fol. Ar, Bv. 766 Vgl. AN O1 66. fol. 109. 767 Vgl. BN, Collection Clairambault 1079 (61), fol. 75v. 768 Vgl. AN O1 3714, fol. 16v ; 24, fol. Ar ; 66. fol. 109. MG 1704/3, S. 346–349. 769 Vgl. MG, 1684/6, S. 247–252; 1704/3, S. 346–349. 770 Vgl. BM, Venel, S. 3–6, 21.

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sonders hervorgetan, die ihr Handeln selbst gegen den König legitimierten771. Dabei habe sie Standhaftigkeit, eine »grandeur d[’]ame« und »presence d’esprit« bewiesen, woraufhin sie selbst vom König, zu dessen Nachteil es gereichte, bewundert und geschätzt worden sei772. Die Tugend der Venel habe selbst »violens assauts […] de la part de l’ambassadeur d’Espagne, charg¦ de procurer le Mariage du Roi avec l’jnfante« standgehalten, der ihr »vif int¦rÞt« für die franco-iberische Allianz dazu nutzen wollte, sie in die Dienste des spanischen Königs zu nehmen. Auch hier soll ihr ihre Tugend und ihre Geschicklichkeit im Umgang mit dem Botschafter zum Vorteil gereicht haben. Damit stellte sie unter Beweis, dass sie in der Lage war, ihre persönlichen Fähigkeiten innerhalb der sozialen Interaktion am Hof einzusetzen, und den damit verbundenen Fallstricken angemessen zu begegnen, und zeigte, dass sie die höfischen Handlungslogiken und den damit verbundenen Erfordernissen gewachsen war. In diesem Zusammenhang wird auch die Funktion der Religion angeführt, die im Grunde ihrer Seele verankert war und die Aufrechterhaltung ihrer vertu am Hof unterstützte773. Darüber hinaus wird die Tragweite dieser ›persönlichen‹ Merkmale aufgezeigt, denn vor dem Hintergrund der Heiratsverhandlungen mit der spanischen Krone gewann ihre Intervention und ihre Einflussnahme, ebenso ihr Verhalten gegenüber dem spanischen Botschafter eine die französischen Landesgrenzen überschreitende politische Dimension. Obgleich soziale Nahbeziehungen in der zeitgenössischen Bewertung in ihrer Bedeutung zur Erlangung einer Hofcharge höher bewertet wurden als andere Kriterien für die Auswahl einer Amtsträgerin774, werden sie dennoch verschiedentlich in Ego-Dokumenten erwähnt, so wenn die Rede davon ist, dass eine geeignete adelige Dame für einen solchen Posten gesucht wurde775 oder wenn Missfallen darüber geäußert wird, wenn eine Amtsträgerin diesen nicht genügte776. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die von einer

771 Ebd., S. 7. Vgl. auch ebd., S. 10–12. Dort wird ein Fall herausgegriffen, bei dem Madame de Venel beim jungen König und seiner Geliebten als Tugendwächterin eingegriffen haben soll. Sie habe sich weder durch die Freundlichkeiten und Versprechungen noch die ›Racheakte‹ des Königs beirren lassen, sondern sei standhaft und damit ihrer Aufgabe treu geblieben. 772 Ebd., S. 12. 773 Ebd., S. 30. 774 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVII, S. 15–17, der an der Mar¦chale de la MotteHoudancourt beschreibt, wie deren verwandtschaftliche Verbindung zum Minister Louvois letztlich den Ausschlag für die Erlangung der Charge der gouvernante des enfants de France gegeben habe. Vgl. auch für ähnliche Erwähnungen Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 321– 322; Caylus, Souvenirs, S. 71–72. 775 Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 71, die auf die Schwierigkeiten hinweist, in einer einzigen Person »titres, vertu, esprit, repr¦sentation« vereint zu finden. 776 Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 252–253. Dort findet sich in Bezug auf die Duchesse de Montausier ein Beispiel dafür, wie eine Amtsträgerin die Ablehnung von Angehörigen der

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Amtsträgerin gewünschten Qualitäten nicht immer vereinbar schienen mit denen des Hofdamenideals, das sich am französischen Königshof unter dem Einfluss der italienischen Renaissancehöfe bemerkbar machte und Frauen verstärkt die Rolle zuwies, Zierde des Hoflebens zu sein. So hätten insbesondere Charme, gutes Aussehen und Intelligenz hohe Wertschätzung erfahren und das Fehlen persönlicher Beziehungen kompensiert777. Gleichzeitig erwiesen sich Merkmale wie beispielsweise Schönheit als zweischneidiges Schwert, denn obwohl wünschenswert778, in der Nähe des Königs auch mit einem gewissen Gefahrenpotenzial verbunden779. Dies zeigt sich auch im Zusammenhang mit anderen ›Qualitäten‹. So habe die Königinmutter auf die Besetzung des Postens der gouvernante des enfants de France mit der Duchesse de Montausier mit Vorbehalt reagiert, da sie diese für geeigneter hielt ein »Assembl¦e de Plaisir« anzuleiten als einer genauen »garde d’un Berceau« nachzukommen. Sie befürchtete, dass die neue Amtsträgerin dazu nicht fähig sei, sich einzig der Aufgabe zu verschreiben, einem Kind zu folgen und dabei nur an dessen »Conservation«780 zu denken. Hingegen erschien die verstärkte Frömmigkeit einer älteren, adeligen Frau diese für eine entsprechende Charge zu qualifizieren, da sie bereits das Alter der »galanterie« überschritten habe und u. a. durch ihre »d¦votion« von allen »taches« reingewaschen sei781. Tugendhaftes Verhalten und eine gute Reputation konnten aber selbst die Jugend einer potenziellen Amtsträgerin wettmachen782, wie es am Beispiel der Duchesse de Saint-Simon dargestellt wird, an der sich die ganze Bandbreite relevanter Faktoren rekapitulieren lässt783.

777 778

779

780 781 782 783

Königsfamilie auf sich ziehen konnte, da sie vermeintlich nicht über die dafür notwendigen Kompetenzen verfügte. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 58, 61, 62. Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 327, der am Beispiel einer potenziellen dame d’atour der Duchesse de Berry darauf aufmerksam macht, welche Bedeutung dem äußeren Erscheinungsbild einer Person als Besetzungskriterium beigemessen werden konnte. So habe der König sich trotz des Einsatzes der Duchesse de Bourgogne und Madame de Maintenons gegen Madame de Cheverny ausgesprochen, mit der Begründung, dass er es nicht ertrug, ihr Gesicht immer »— sa suite, et souvent — sa table et dans ses cabinets« zu sehen. Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 157, die darstellt, dass die Königinmutter Anna von Österreich der Entlassung der Princesse Palatine und der Einsetzung der Comtesse de Soissons als surintendante mit Widerwillen begegnete, nicht zuletzt weil sie befürchtete, dass ein »reste d’Attachement« des Königs dazu führen könnte, dass sie den Platz ihrer Schwester Maria Mancini, der vormaligen Königsgeliebten, einnehmen würde. Ebd., S. 252. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XII, S. 42–43. Vgl. ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 238–239. Die Duchesse de Saint-Simon hätten Qualitäten ausgezeichnet, denen auch ein hoher Stellenwert bei der Besetzung des Postens der dame d’honneur beigemessen wurde, so »vertu«, einen »bon esprit«, »sens« und »inclinations«. Auch habe sie über allgemein anerkannte »m¦rite«, »pr¦putation«, »douceur« sowie »modestie« verfügt und auch ihre

Eintritt in den Hofdienst

4.

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Eintritt in den Hofdienst

Die Einsetzung in ein Hofamt erfolgte über mehrere Etappen und in der Regel auf Lebenszeit784. Zunächst kam es zur Ernennung einer Person für ein Hofamt und zur Ausstellung der sogenannten »lettres«, die den neuen Status als commensaux belegten. Die grands officiers und einige officiers r¦guliers, die wichtige Chargen besaßen, erhielten lettres de provision785. Den officiers r¦guliers von mittlerer Bedeutung (»la plupart des commensaux originels de deuxiÀme classe«), einigen »bas-officiers de la maison du roi« und den »officiers suppl¦ants et honoraires« wurden lettres de retenue ausgestellt786. Brevets ergingen an Personen, denen eine königliche Gnade zuteilwurde, d. h. die vom König selbst kostenlos eine charge commensale erhielten, was relativ selten, nämlich nur dann geschah, wenn treue Dienste belohnt werden sollten. Außerdem konnten auch lettres de privilÀges vergeben werden, die in der Regel aber nur die »bas-offices suivant la cour« betrafen, die sie nach Bezahlung der Charge als »marchands et artisans privil¦gi¦s suivant la cour« auswiesen787. Zusätzlich zum Erhalt der lettres musste vor Amtsantritt auch ein öffentlicher Eid geleistet werden, in dem der neue officier vor Gott beschwor, seinem Herren bzw. seiner Herrin gute Dienste zu leisten. Der Eid wurde dabei im Fall der »grands officiers et les r¦guliers importants« in die Hände des Königs oder des jeweiligen Mitglieds der Königsfamilie, das dem Hofstaat vorstand, geleistet. Bei den restlichen officiers genügte das Ablegen des Eides vor dem jeweils zuständigen chef de service788. Die auf diesem Wege erfolgte Einsetzung in ein Hofamt beschränkte sich nicht auf die maison du roi und auch nicht allein auf männliche Amtsträger (officiers du roi), auch wenn sie den größten Anteil an dieser sozial sehr heterogenen Gruppierung stellten. Sie galt ebenso für die Bediensteten der Königin sowie der Schwestern und Cousinen des Königs. Die officiers der anderen Mitglieder der famille royale erlangten diesen Status erst nach und nach, abhängig vom Willen des Monarchen, der ihn verleihen, aber auch wieder entziehen konnte789. Im gewählten Untersuchungszeitraum erhielten die hohen Amtsträgerinnen mit der Ausfertigung einer Bestallungsurkunde die formelle Zugehörigkeit, den Status der commensaux790. Die entsprechende Urkunde wurde dabei entweder im

784 785 786 787 788 789 790

Geburt, ihre Verbindungen, »les entours, les noms, la dignit¦«, hätten nichts zu wünschen übrig gelassen (ebd., S. 315). Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 45, Fn. 46. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 84–86. Vgl. auch Le Roux, La maison du roi sous les premiers Bourbons, S. 29. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 85. Ebd., S. 86. Ebd., S. 89–90. Vgl. ebd., S. 22–23. Da Bestallungsurkunden für Frauenchargen nur für den Hofstaat der Königin (AN O1 3714–

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Namen des Königs erlassen, dann nämlich, wenn die Amtsträgerin ihm direkt unterstand791, der Hofstaat noch bei Abwesenheit der Herrin neu eingerichtet werden musste792 oder wenn weitere Positionen in einer bereits bestehenden maison geschaffen werden sollten793. Wenn die jeweilige Herrin bereits am Hof weilte, ergingen sie auch in ihrem Namen794. An die Amtsträgerinnen wurden dabei je nach Status der jeweiligen Charge unterschiedliche lettres ausgestellt. ›Einfache‹ brevets ergingen an die niedrigsten Chargen der dames du palais795 und filles d’honneur der Königin796 und Dauphine797 sowie an die dames pour accompagner der Duchesse de Bourgogne798. Den betreffenden Frauen wurde durch die Verleihung eines solchen brevet eine besondere Gnade zuteil, die der König relativ selten, dann aber kostenlos und zur Belohnung treuer Dienste für offices r¦guliers und extraordinaires vergab799. Es hatte zur Folge, dass Amtsträgerinnen in die ¦tats de France aufgenommen und im Hinblick auf Vergütung und Privilegien den anderen officiers gleichgestellt wurden. Im Gegensatz zu diesen mussten sie aber keinen Eid ablegen und ihr brevet800 wurde auch nicht im cour des aides, der »gardienne des privilÀges des commensaux du roi«, registriert, was zur Folge hatte, dass ihre Charge auch nicht übertragbar war801. Anders stellt sich die Situation bei den lettres de retenue dar, wie sie der dame d’atour der Dauphine802 erteilt wurden, denn hier mussten die lettres beim cour des aides de Paris registriert werden, um von den Vorteilen der jeweiligen Charge zu profitieren803. Ähnliches galt für die höchsten weiblichen Amtsträgerinnen, nämlich die surintendante804 und die dame d’honneur de la reine805, die dame d’honneur de la dauphine806 sowie die gouvernante des enfants de France807, die

791 792 793 794 795 796 797 798 799 800 801 802 803 804 805 806 807

3715), der Dauphine Maria Anna von Bayern (AN O1 24), der Duchesse de Bourgogne (AN O1 3715) und der gouvernante des enfants de France (AN O1 48) überliefert sind, beziehen sich die folgenden Ausführungen nur auf diese. Dies war der Fall bei der gouvernante des enfants de France. Vgl. z. B. AN O1 48, fol. 81r. Vgl. für die Erlassung von Bestallungsurkunden im Namen des Königs z. B. AN O1 24, fol. Ar-Bv ; 48, fol. 82v–83v. Vgl. AN O1 19, fol. 56v–57r, wo sich ein Beispiel aus der maison der Duchesse de Bourgogne dazu findet. Vgl. für zahlreiche Belege AN O1 3713–3716. Vgl. AN O1 3714, fol. 21. Vgl. auch Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 249. Vgl. AN O1 3715. Vgl. AN O1 24, fol. 334r-v. Vgl. AN O1 3715. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 86. Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 249. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 85. Vgl. auch ebd., S. 86. Vgl. AN O1 24, fol. Bv. Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 85. Vgl. AN O1 3714, fol. 16v ; O1 3715. Vgl. AN O1 3715. Vgl. auch O1 24, fol. Ar. Vgl. AN O1 24, fol. Ar. Vgl. AN O1 48, fol. 81v ; O1 273 AP 389. Die Formel wich bei der gouvernante de enfants de

Eintritt in den Hofdienst

133

als officiÀres in die ¦tats de France aufgenommen wurden und ihre lettres ebenfalls beim cour des aides registrieren lassen mussten. Im Unterschied zu den anderen weiblichen Amtsträgerinnen wurden sie jedoch mit lettres de provision ausgestattet, bei denen es sich um vom chancelier de France gesiegelte lettres patentes handelte, die nur an grands officiers und einige wichtige officiers r¦guliers vergeben wurden, was die entsprechenden Damen als wichtige höfische Amtsträger auswies808. Sowohl die Inhaberinnen von lettres de retenue als auch von lettres de provision – und damit die höchsten Amtsträgerinnen – mussten zusätzlich einen Eid in die Hände ihrer jeweiligen Herrin ablegen. Entsprechend leistete die surintendante809, dame d’honneur810 und dame d’atour de la reine811 bei der Königin Maria Theresia ihren Eid, die dame d’honneur und dame d’atour de la dauphine812 bei der Ehefrau des Thronfolgers und die dame d’honneur und dame d’atour der duchesse de Bourgogne bei eben dieser813. Gleiches galt auch für hohe männliche Hofposten wie z. B. den chevalier d’honneur und den premier aumúnier814. Damit leistete kein Amtsträger einer maison der weiblichen Angehörigen der famille royale – egal ob männlich oder weiblich – seinen Eid direkt beim König, auch wenn er letztlich die Auswahl traf oder absegnete und die Bestallung im Fall einer Neueinrichtung einer maison in seinem Namen erfolgte815. Die einzige Ausnahme stellt die gouvernante des enfants de France dar, die ihren Eid in die Hände des Königs ablegte816, da sie ihm als Vorstand der maison des enfants de France direkt unterstand. Nach der Ableistung ihres eigenen Eides empfingen einige hohe Amtsträgerinnen entsprechend der hierarchischen Struktur der maisons royales wiederum den Treueeid des ihnen untergebenen Dienstpersonals. Entsprechend verrichtete im Rahmen einer

808 809 810 811 812 813

814 815

816

France von den anderen Chargen ab, sodass es heißt »fait, constitu¦, ordonn¦ et estably, faisons, constituons, ordonnons et establissons« (O1 48, fol. 81v). Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 85–86. Vgl. AN O1 3714, fol. 17r ; O1 3715. Vgl. AN O1 3715. Vgl. ebd. Vgl. auch Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 104–105, die diesen Vorgang für die Königin Maria Theresia beschreibt. Vgl. AN O1 24, fol. Ar-Dr. Vgl. AN O1 3715. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. XII, S. 261, wo sich eine Beschreibung des Treueeids der dame d’honneur und dame d’atour in die Hände ihrer Herrin, der Duchesse de Berry, findet. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass beide anschließend jeweils den »femmes et officiers de sa chambre« einen bestimmten Geldbetrag überreicht hätten. Vgl. AN O1 24, fol. Dr ; O1 3715. Eine Ausnahme stellt jedoch der Posten des »secretaire des Commandemens« im Hofstaat der Duchesse de Bourgogne dar, von dem es in einer Randbemerkung heißt: »Il est le seul pourveu par le Roy« (AN O1 3715). – Im ¦tat der Königin findet sich dieser Vermerk hingegen nicht. Vgl. AN O1 48, fol. 82v–83v. Für den genauen Wortlaut des Eides vgl. AN 273 AP 389, fol. 1– 2.

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»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern

öffentlichen Zeremonie zunächst die sous-gouvernante ihren Eid bei der gouvernante des enfants de France, dann alle anderen Frauen des Hofstaats gemeinsam und schließlich alle »officiers en corps, et on lit«817. Der Wortlaut und Kontext der Eide ist in mehreren Fällen überliefert818. Er beinhaltete den Schwur, der jeweiligen Herrin gut und treu zu dienen, sie vor allen Gefahren zu warnen und den mit dem jeweiligen Amt verbundenen Pflichten nachzukommen. Bei den höchsten Chargen819 umfasste er außerdem den Passus, dass sie ohne Erlaubnis ihrer Herrin bzw. des Königs keine Geschenke und Pensionen anderer Fürsten und Fürstinnen annehmen durften820. Dass adelige Amtsträgerinnen überhaupt im Rahmen ihrer Einsetzung in ein Hofamt einen Eid ablegten, stellt zwar im Vergleich zu ihren männlichen Amtskollegen am französischen Königshof keine Besonderheit dar, unterscheidet sich aber deutlich von den Gepflogenheiten an den Höfen in Wien und München. Dort leisteten die Hofdamen keinen Eid. Stattdessen erfolgte lediglich eine förmliche Vorstellung vor dem ganzen Frauenzimmer821. Da männliche Amtsträger an den betreffenden Höfen jedoch einen Eid ablegten, führt Kägler die Regelung bei Amtsträgerinnen auf einen Ausschluss zurück, der damit in Verbindung gestanden haben könnte, dass Frauen in Bayern des 17. und 18. Jahrhunderts nicht eidesfähig waren822. Trifft diese Erklärung zu, so lässt sich daraus schlussfolgern, dass Amtsträgerinnen am französischen Hof in dieser Hinsicht keine Einschränkung aus ihrer Geschlechtszugehörigkeit erwuchs. Ähnliches lässt sich auch hinsichtlich weiterer Privilegien feststellen, die adelige Amtsträgerinnen am cour de France als officiers in den Hofstaaten der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie erlangten.

4.1.

Vorteile

Adelige Amtsträgerinnen profitierten als officiers in den Hofstaaten der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie von denselben juristischen und steuerlichen Privilegien wie die commensaux der maison du roi823, sodass keine Benachteiligung ausgemacht werden kann, die auf ihre Geschlechtszugehörigkeit zurückzuführen wäre. In den d¦clarations und lettres patentes, die für die officiers des Hofstaats der Königin, der Dauphine und der Madame im Namen des 817 818 819 820 821 822 823

AN 273 AP 389, fol. 3. Vgl. z. B. AN O1 24, fol. Ar-Dr. Vgl. AN O1 3715. Vgl. z. B. AN O1 3714, fol. 17v. Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 311; Keller, Hofdamen, S. 38. Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 419. Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 241, 306. Vgl. auch Norberg, Women of Versailles, S. 201.

Eintritt in den Hofdienst

135

Königs erlassen worden sind824, heißt es auch entsprechend, dass die officiers der jeweiligen maison von den mit dem Status der officiers commensaux verbundenen honneurs825, privilÀges826, franchises827, exemptions828, pr¦rogatives829, libert¦s830, exemptions831 und »autres advantages«832 profitieren durften. Dieselben Begriffe werden auch in den Bestallungsurkunden der einzelnen Amtsträgerinnen verwendet, die für einige Frauenchargen der maison de la reine833, de la dauphine834 und für die Posten der gouvernante und sous-gouvernantes des enfants de France835 überliefert sind. Aus ihnen gehen darüber hinaus Unterscheidungen je nach bekleidetem Hofamt hervor. Ein Begriff, der dabei immer und an erster Stelle auftaucht, ist der der »honneurs«, womit auf den Charakter dieses Ehrenamtes verwiesen wurde. Von »authoritez« ist nur bei den höchsten Hofämtern die Rede836 und von »pouvoirs« nur bei der gouvernante des enfants de France, was ihren Status als Haushaltsvorstand der maison des enfants de France unterstreicht837. Hinzu kamen finanzielle Vorteile. Zu den ›direkten‹ Einkünften aus einem Hofamt gehörten gages, ¦tats, appointements, droits, livr¦es, pensions, plat und ¦moluments, die dazu beitragen sollten, die mit dem Hofleben verbundenen Ausgaben zu bestreiten, vor allem jedoch dem gesellschaftlichen Prestige der jeweiligen Stellung Rechnung trugen838. Sie waren in fast allen Hofstaaten identisch, wurden jedoch je nach Charge in unterschiedlichem Umfang gewährt.

824 Vgl. z. B. AN O1 22, fol. 220v–221v ; 27, fol. 323r, für die maison de la reine; AN O1 24, fol. 199r–199v, für die maison de la dauphine und BN, Cinq Cent Colbert 251, fol. 121r–122v, für die maison de madame. 825 Vgl. AN O1 3714, fol. 16v–17r. BN, Cinq Cent Colbert 251, fol. 122r. 826 Vgl. AN O1 22, fol. 221r ; 24, fol. 199v ; 3714, fol. 16v–17r. BN, Cinq Cent Colbert 251, fol. 122r. 827 Vgl. AN O1 24, fol. 199v ; 3714, fol. 16v–17r. BN, Cinq Cent Colbert 251, fol. 122r. 828 Vgl. AN O1 24, fol. 199v. BN, Cinq Cent Colbert 251, fol. 122r. 829 Vgl. AN O1 22, fol. 221v ; 3714, fol. 16v–17r. 830 Vgl. AN O1 24, fol. 199v ; 3714, fol. 16v–17r. 831 Vgl. BN, Cinq Cent Colbert 251, fol. 122r. 832 AN O1 24, fol. 199v. 833 Vgl. AN O1 3714, fol. 16v–17r. 834 Vgl. AN O1 24, fol. Ar-Dr. 835 Vgl. AN O1 48, AN O1 10, fol. 225v ; AN O1 53, fol. 174v–175v. 836 Vgl. z. B. AN O1 24, fol. Ar ; 48, fol. 82r. 837 Vgl. z. B. AN O1 48, fol. 82r. 838 Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 342. Kägler betont damit den »Charakter des Ehrenamtes«, wonach die finanziellen Zuwendungen, die »Hofdamen und Kammerfräulein« gewährt wurden, vor allem einen Ausdruck ihres gesellschaftlichen Ansehens« dargestellten. Auch würde die Diskrepanz »zwischen geringer Besoldung und hohen Ausgaben« nahelegen, »dass das Amt einer Hofdame nicht als Beruf bezeichent werden sollte, denn der Lebensunterhalt sollte mit einem Hofamt keineswegs gedeckt werden« (ebd., Fn. 1560).

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»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern

Die surintendante erhielt mit 6000 livres die höchsten gages839, gefolgt von der gouvernante des enfants de France mit 3600 livres840. Die dame d’honneur bezog841 ebenso wie die sous-gouvernante des enfants de France 1200 livres842 und die dame d’atour wie die gouvernante des filles 600 livres843. Die sous-gouvernante des filles erhielt hingegen nur 400 livres844 und die filles selbst 200 livres845. Diese Beträge waren zwar gemessen an den Kosten des Hoflebens niedrig846, lagen jedoch deutlich höher als die übliche Vergütung adeliger Frauen im Haushaltsdienst mit 200 bis 400 livres847. Der Vergleich mit Hofämtern, die von Männern bekleidet wurden, relativiert das Bild noch weiter. Die surintendante erhielt mit 6000 livres im Vergleich höhere gages als die höchsten männlichen Hofämter848, denn seit Heinrich IV., der die Stufenleiter der charges auch deutlicher in einer Finanzhierarchie widergespiegelt sehen wollte, erhielten die chefs de services mindestens 3000 livres, wobei die tr¦soriers de la chambre mit 4000 livres die höchsten gages bezogen. Der gouvernante des enfants de France standen mit 3600 livres ebenso hohe gages wie dem grand ma„tre und dem grand chambellan zu, mehr jedoch als den premiers gentilshommes mit 3500 livres, dem ma„tre de la garde-robe mit 3400 livres und dem premier ma„tre d’hútel, grand ma„tre des c¦r¦monies, grand mar¦chal des logis, premier m¦decin, capitaine de la porte und dem premier ¦cuyer commandant en la petite Êcurie, die jeweils 3000 livres erhielten849. Die gages der dame d’honneur hingegen lag mit 1200 livres nicht mehr im ersten Vergütungsbereich der chefs de services, sondern gehörte einer zweiten Kategorie an, die um die 30 Personen umfasste, die dieselbe Summe erhielten: »On y rencontre les officiers dits ordinaires (chambellan, ma„tre d’hútel, ¦cuyer), le conducteur des ambassadeurs, les m¦decins, les secr¦taires de la chambre, les officiers 839 840 841 842 843 844 845

846 847 848 849

Vgl. AN O1 3715. Vgl. EDF 1678, S. 432. Vgl. z. B. AN O1 3715; EDF 1665, S. 361. Vgl. z. B. EDF 1665, S. 402. Vgl. z. B. EDF 1665, S. 361–362. Vgl. z. B. EDF 1665, S. 362. Damit lagen die gages der sous-gouvernantes des filles auf dem Stand derer am Hof von Katherina von Medici mit durchschnittlich 500 livres bzw. 300 livres (vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 124). Vgl. z. B. EDF 1665, S. 361. Da für die filles d’honneur in den Hofstaatslisten gages ermittelt werden konnten, kann die Feststellung von Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 523, wonach diese ohne offizielle Bezahlung gedient haben, zumindest für den Hof Ludwigs XIV. nicht bestätigt werden. Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 780; Le Roux, La maison du roi sous les premiers Bourbons, S. 32. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 75. Die mit dieser Charge verbundenen hohen Ausgaben für die Krone könnten auch dafür verantwortlich gewesen sein, dass sie nicht immer vorgesehen bzw. besetzt war. Vgl. Le Roux, La maison du roi sous les premiers Bourbons, S. 32–33.

Eintritt in den Hofdienst

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de la chapelle (grand et premier aumúnier, ma„tre de l’oratoire, confesseur du roi et aumúniers servant par quartier), ainsi que le grand ¦cuyer, le grand veneur et le capitaine des toiles de chasse.«850

Die dame d’atour und gouvernante des filles rangierten mit ihren 600 livres sowohl unter den ma„tres d’hútel (900 livres) als auch den gentilshommes servants (700 livres), und selbst unter den valets de chambre, des portemanteaux, des valets de garde-robe oder den huissiers de la chambre (660 livres)851. Somit waren die dame d’honneur und dame d’atour zwar in ihren Aufgabenbereichen und der höfischen Position mit dem premier gentilhomme de la chambre du roi und dem grand ma„tre de la garde-robe du roi852 vergleichbar, wurden aber weitaus niedriger vergütet. Der chevalier d’honneur im jeweiligen Frauenhofstaat hingegen, der dort die höchste männliche Charge bekleidete, erhielt mit 1200 livres gages weniger als die surintendante, jedoch ebenso viel wie die dame d’honneur853. Da die gages meist über Jahrhunderte unverändert niedrig blieben854, reichten sie allein nicht aus, um die im Hofleben anfallenden Kosten gänzlich zu decken855. Entsprechend kamen weitere, je nach Charge variierende Zahlungen hinzu, sodass der Gesamtbetrag der Zuwendungen, die Amtsträgerinnen regulär zur Verfügung gestellt wurden, ihre gages um ein Mehrfaches überstieg856. Die surintendante de la reine erhielt 6000 livres gages, zu denen 6000 livres pensions und 3000 livres für entretenements kamen, sodass ihr eine »bourse de jettons d’argent 15000lt« zustand857. Die gouvernante des enfants de France bezog nicht

850 851 852 853 854 855 856

857

Ebd., S. 33. Vgl. ebd. Vgl. Newton, La petite cour, S. 256. Vgl. EDF 1665, S. 363; EDF 1676, S. 353; EDF 1680, S. 391; EDF 1684, S. 468; EDF 1689, S. 637; EDF 1702, S. 73. Vgl. Le Roux, La maison du roi sous les premiers Bourbons, S. 32. Vgl. Newton, La petite cour, S. 260. Im Hofleben fielen beispielsweise große Summen für die eigene Kleidung und die Bewirtung hochrangiger Gäste an. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 341–342. Ein Beispiel dafür, wie groß die Differenz zwischen reinen gages und weiteren Zuwendungen war, bieten die Posten der dame d’honneur und dame d’atour im Hofstaat der Duchesse de Bourgogne. So erhielt erstere zwar nur 1200 livres gages, insgesamt jedoch eine Summe von 21 058 livres, und letztere 600 livres als gages und 9086 livres als Geamtbetrag (vgl. AN O1 3715). In beiden Fällen erhielten die Amtsträgerinnen demnach mehr als das 15fache ihrer jeweiligen gages. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 339–342, wonach die Amtsträgerinnen am Münchener Hof auch zahlreiche Zusatzleistungen (so z. B. für Trauerkleider) und Gratifikationen erhielten. AN O1 3715: »Abreg¦ des estat de la maison de la Reyne et des attributs aux officiers chacun en particulier. 1676«. Vgl. auch Newton, La petite cour, S. 253, wonach die surintendante der Ehefrau Ludwigs XV. neben einem appartement im Schloss als Princesse du sang eine pension personnelle erhielt. Hinzu kam »le casuel de la vente de certains offices dans

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nur 3600 livres als gages, sondern auch 24 000 livres »pour sa table«858. Ebenso konnten sich ihre gages verdoppeln, wenn sich ihre Oberaufsicht von den Königskindern auf die Enkel des Königs ausweitete, was im Vergleich zu anderen Hofchargen eine Besonderheit darstellte. Die dame d’honneur de la reine erhielt zusätzlich zu ihren 1200 livres gages »pour son plat 600lt par mois 7200lt, pour droit dhabillement 930lt, pour droit de jettons et tapis 148lt, pour le charroy 1080lt, pensions 6000lt, 24lt de bougie blanche 16 558 vne bourse de jettons d’argent«859. Die dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne erhielt jedoch mindestens einen Betrag von 5700 livres, der sich aus 1200 livres gages und 4500 livres pension zusammensetzte860. Ihr schien jedoch eine Gesamtsumme von 21 058 livres zuzustehen, die sogar die der dame d’honneur der Königin überstieg861. Die dame d’honneur der Dauphine862, der Madame863, der Duchesse de Berry864 und der Duchesse de Chartres865 erhielten »pour gages, plat & pension, 8000. l.«866 Die dame d’atour der Königin erhielt außer ihrer 600 livres gages »pour le plat 300lt par mois 3600lt, pour le charroy et pour la haquen¦e 886.lt 13. 4, pensions 4000lt, 24lt de bougie blanche 9086lt 13 4 vne bourse de jettons d’argent, 3200lt pour les habillemens de sa Ma.t¦ et mains de la Dame datour«. Die dame d’atour der Duchesse de Bourgogne erhielt ebenfalls die Gesamtsumme von 9086 livres867. Die Amtskollegin im Hofstaat der Dauphine erhielt insgesamt eine Summe von 6000 livres »pour gages, plat, & pour autre entretÞnement«868. Gleiches gilt für die maison de madame869, de duchesse de Berry870 und de duchesse de Chartres871.

858 859 860 861

862 863 864 865 866 867 868 869 870

l’administration et la Chambre, estim¦ en avril 1725 comme rapportant 1317200 livres, ¦tait pr¦lev¦e une somme annuelle de 30000 livres destin¦e — couvrir les d¦penses de sa table.« EDF 1686, S. 568. AN O1 3715. Vgl. EDF 1702, S. 52; EDF 1712, S. 29. Vgl. AN O1 3715. Diese hohe Summe könnte damit in Verbindung stehen, dass die maison de la duchesse de Bourgogne zu diesem Zeitpunkt der höchste Frauenhofstaat war, da es weder eine Königin noch eine Dauphine gab, vielmehr die Duchesse de Bourgogne 1711 selbst zur Dauphine aufstieg. Vgl. EDF 1686, S. 632. Vgl. AN Z1A 519. Vgl. BN, Collection Clairambault 816. Vgl. aber AN O1 3715, wonach der dame d’honneur der Duchesse de Berry ebensoviel wie die dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne erhalten sollte, und damit anstelle von 8000 livres 21 058 livres. Vgl. EDF 1698. EDF 1686, S. 632. AN O1 3715. EDF 1686, S. 632. Vgl. AN Z1A 519; AN O1 3715. Vgl. BN, collection Clairambault 816. Vgl. aber AN O1 3715, wonach die Vergütung der dame d’honneur und dame d’atour der Duchesse de Berry aufgebessert und »sur le pied«

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Die Bezüge der gouvernante des filles de la reine beliefen sich auf insgesamt 6295 livres, die sich aus »600 lt gages, 1400 lt entretenement, 1200 lt recompense par ordonnance, 1095 lt pour l’entretenement d’un homme et d’une femme« und nicht zuletzt einer Entschädigung »a cause du retranchement de la chambre des filles« in Höhe von 2000 livres zusammensetzten872. Die sous-gouvernante des filles de la reine erhielt insgesamt 2400 livres, bestehend aus 400 livres gages, 1000 livres pour entretenement und 1000 livres ebenfalls als »recompense a cause du retranchem[en]t de la chambre des filles«873. Der Vergleich mit den Gesamtsummen hoher männlicher Amtsinhaber zeigt jedoch, dass diese über höhere Beträge verfügten, was angesichts des Dienstes in der größten und wichtigsten maison, nämlich der des Königs, nicht verwundert. So erhielt ein premier ma„tre d’hútel du Roi unter Ludwig XIV. 24 000 livres »gages, livr¦es ou jetons« und ein grand ma„tre de la garde-robe jährlich 19 600 livres874. Besonders wichtige finanzielle Zuwendungen stellten Pensionen dar875, die u. a. gewährt wurden, um Amtsträgerinnen Mittel an die Hand zu geben, die durch die Ausübung des Hofamts anfallenden Kosten besser zu begleichen. Desgleichen wurden sie gewährt, um bereits geleistete Dienste zu honorieren oder Gunst auszudrücken. So heißt es in einem brevet, das am 1. Mai 1679 an Madame de Montespan in Höhe einer jährlichen Pension von 15 000 livres erging, dass der König ihr damit ein »moyen de subvenir aux depenses qu’elle est oblig¦e de faire en la charge de chef du con.el et surjntendante de la maison de la Reyne« geben wollte876. Dass es sich dabei nicht nur um einen ›außerordentlichen‹ Gunstbeweis Ludwig XIV. an seine Mätresse handelt, belegen lettres de pension, die am 15. Dezember 1662 für die Duchesse de Navailles in ihrer Funktion als dame d’honneur de la reine ausgestellt worden sind. Darin heißt es

871 872 873 874 875

876

der maison de madame eingerichtet werden sollte. Da die dame d’honneur und dame d’atour Madames aber weniger Geld bekommen als in den höherrangigen Hofstaaten, wird ihre Vergütung entsprechend der im Hofstaat der Duchesse de Bourgogne aufgebessert. D.h. die dame d’honneur der Duchesse de Berry sollte anstelle von 8000 livres 21 058 livres erhalten und die dame d’atour nicht 6000 livres, sondern 9086 livres. Vgl. EDF 1698. Vgl. AN O1 3715. AN O1 3715. Labourdette, Maison du Roi, S. 780. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 76. Vgl. auch Pension, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung], wonach dieser Begriff verwendet wurde, um »appointemens« zu bezeichnen, die »le Roy, ou les Princes« an diejenigen vergaben, die sie entschädigen oder beehren wollten. AN O1 23, fol. 134v. Diese Pensionsgewährung erfolgte im selben Jahr, in dem Madame de Montespan dieses Hofamt antrat.

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ebenfalls, dass sie eine Summe von jährlich 4000 livres erhielt, um damit »la d¦pense a laquelle cette charge l’oblige«877 bestreiten zu können. Da Pensionen im Gegensatz zu gages878 meist auf Lebenszeit gewährt, also nach Beendigung der Amtszeit in der Regel weiter ausbezahlt wurden, stellten sie auch nach der Ausübung des Hofdienstes eine wichtige Einnahmequelle dar, überstiegen sie doch nicht selten um ein Vielfaches die für eine Charge ausbezahlten gages879. Dass adelige Frauen überhaupt eigenständig Anspruch auf königliche Pensionen erwarben, war nur im Dienst großer Hofhaushalte möglich und stellte somit eine Besonderheit dar880. Pensionen spielten aber vor allem für adelige Amtsträgerinnen eine große Rolle, für die keine offizielle Vergütung vorgesehen war. Der Posten der dames, dames du palais und dames pour accompagner waren die einzigen Frauenchargen, die nicht mit gages einhergingen881. Stattdessen erhielten die meisten von ihnen eine pension in Höhe von 6000 livres882 pro Jahr – und damit ebenso 877 AN O1 10, fol. 250v. Zum Zeitpunkt der Gewährung dieser Pension befand sich die Duchesse de Navailles bereits mehr als zwei Jahre im Amt. 878 Die lebenslange Fortzahlung von gages und die Nutzung anderer mit einem Hofamt verbundener Privilegien konnte dennoch gewährt werden. Vgl. z. B. AN O1 33, fol. 82r–82v, wonach am 28. März 1689 eine d¦claration erlassen wurde, die Bediensteten der aufgelösten chambre des filles de la dauphine die mit ihrem Hofamt verbundenen Privilegien und die lebenslängliche Fortzahlung ihrer gages zusicherte. Bedingung dafür ist jedoch, dass ihre Chargen nach ihrem Tod ausgelöscht bleiben und nicht unter irgendeinem Vorwand wieder besetzt werden. 879 Für dames d’atour konnten pensions in Höhe von 9000 livres ermittelt werden, für dames d’honneur bis zu 12 000 livres und für surintendante bis hin zu 25 000 livres. Die pension einer gouvernante des filles d’honneur de la reine hingegen orientierten sich stärker an der Höhe der gages. So erhielt die mademoiselle de Rouvroy zunächst nach der Auflösung der filles 1674, 1676, 1678 jeweils einen don in Höhe von 1200 livres, was dem doppelten ihrer ursprünglichen jährlichen gages entsprach (deshalb wohl auch die Auszahlung alle zwei Jahre), bis sie dann 1685 eine jährliche pension in Höhe von 1500 livres erhielt. 880 Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 76, die sich auf Le Goff bezieht, der adeliger Empfänger von königlichen Pensionen im ausgehenden 18. Jahrhundert untersucht hat, dessen Erkenntnisse ihrer Ansicht nach aber auch für das späte 17. Jahrhundert zutreffen könnten. Demnach unterteilten sich die Empfängerinnen von Pensionen in drei Kategorien: 1) 4125 Frauen, von denen 79,1 % Frauen in den späten 30ern und Witwen von Militärs waren. Ihre Pensionen beliefen sich im Durchschnitt auf weniger als 1000 livres. 2) 2149 Frauen, von denen 95,3 % Frauen um die 70 und Witwen von Männern waren, die im »civil service« standen. Ihre Pensionen beliefen sich im Durchschnitt auf weniger als 500 livres. 3) 1000 Frauen, darunter 36 % Witwen, waren selbst am Hof gewesen oder waren Verwandte von Hofangehörigen. Ihre Pensionen betrugen im Schnitt 3000 bis 4000 livres. 881 Vgl. auch Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 523. Vgl. auch Horowski, Die Belagerung des Thrones, S. 191, Fn. 86, wonach es sich bei den genannten Hofämtern formal nicht um Chargen, sondern um place handelte. Dies hatte zur Folge, dass ihre Ernennung mit einem einfachen brevet erfolgte, anstelle von lettres de provision, und sie auch keinen Anspruch auf gages hatten, dafür aber Pensionen empfingen. 882 Vgl. AN O1 3715.

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viel wie die der surintendante und der dame d’honneur de la reine –, die direkt vom König bezahlt wurde und ihre einzige kontinuierliche Einnahmequelle darstellte. Zu den anderen regulären und unmittelbaren Zahlungen gehörten auch einmalige Zuwendungen in Form von dons. Diese konnten der Höhe einer pension entsprechen – wie bei der angeführten gouvernante des filles d’honneur de la reine –, lagen aber meist weit darüber. Auch hier lässt sich prinzipiell eine Staffelung nach Amtsrang feststellen, wonach eine gouvernante des filles d’honneur de la reine oder de la dauphine dons in Höhe von 1200 livres und 8000 livres erhalten hatten, die dame d’atour de la reine 24 000 livres und die dame d’honneur de la reine und de la dauphine 80 000 livres und 90 000 livres. Eine sehr hohe Summe wurde der fille d’honneur de la reine Mademoiselle de La Motte gewährt, die anlässlich ihrer Eheschließung 200 000 livres erhielt883. Auch eine fille d’honneur de la dauphine empfing aus demselben Grund ein acquit patent in Höhe von 12 000 livres884. Eine Eheschließung war vor allem bei den filles d’honneur traditionsgemäß ein Anlass für finanzielle Zuwendungen in Form von dons oder acquits patents885. Dons wurden aber ebenso wie pensions auch während der Dienstzeit vergeben, um die mit dem Hofamt verbundenen Ausgaben zu tilgen886. Außerdem »en consideration de ses services«887, als Entschädigung beim Ausscheiden aus dem Amt888 oder auch als Ausdruck von »estime« und »bienveillance«889. Vgl. AN O1 20, fol. 10r. Vgl. AN O1 27, fol. 177r. Vgl. AN O1 5, fol. 6v–7v. Vgl. auch AN O1 20, fol. 10r. Vgl. z. B. Madame de Montespan, die ein brevet de pension in Höhe einer jährlichen Summe von 15 000 livres erhielt, damit sie ausreichend »moyen« für die »depenses« hatte, zu denen sie »en la charge de chef du con.el et surjntendante de la maison de la Reyne« verpflichtet war (AN O1 23, fol. 134r–134v). Gleiches gilt für die Duchesse de Navailles, dame d’honneur de la reine, die lettres de pension von jährlich 4000 livres erhielt, um damit die mit ihrer Charge verbundenen Ausgaben zu begleichen (AN O1 10, fol. 250v–251v). Ebenso heißt es in Bezug auf die Princesse de Soubise, dass ihr eine lebenslange Pension in Höhe von 14 000 livres gewährt wurde, um ihr »moyen de soustenir la depense quelle est oblig¦ de faire a la suitte de la Reyne, ayant est¦ retenuÚ pour l’accompagner«, zu geben (AN O1 23, fol. 429v– 430r). 887 AN O1 28, fol. 461r. Hierbei handelt es sich um die Comtesse de B¦thune, die am 20. Dezember 1684, d. h. nach dem Tod ihrer Herrin, ein brevet für eine lebenslange pension in Höhe von 9000 livres erhielt (ebd., fol. 460v–461r). Vgl. auch AN O1 29, fol. 104v, wonach die Duchesse de Cr¦quy am 3. Februar 1685 aus denselben Gründen ebenfalls eine jährliche, lebenslange Pension in Höhe von 12 000 livres gewährt bekam. Vgl. auch AN O1 16, fol. 309r–309v ; 3713, fol. 40v–41r; 3714, fol. 38r. 888 Ein Beispiel dafür bietet Madame Pradon, sous-gouvernante des filles d’honneur de la dauphine, die am 28. April 1685 einmalig 8000 livres als Anerkennung für ihren ihren mehrjährigen Dienst zugewiesen bekam (AN O1 29, fol. 204–204bis). Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 200, wonach keine andere »position in the Old Regime provided such retirement benefoits, however small.«

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Finanzielle Vorteile bezogen sich aber nicht nur auf die Amtsträgerin selbst. Sie konnten auch Angehörigen und selbst generationenübergreifend gewährt werden. So liegt für den Untersuchungszeitraum ein Beispiel vor, in dem die Tochter einer Amtsträgerin anlässlich ihrer Eheschließung explizit aufgrund der Dienste ihrer Eltern eine pension erhielt890. Ein anderes Beispiel zeigt, dass zwar gewährte, aber nicht vollständig ausgezahlte finanzielle Vergünstigungen auch von nachfolgenden Generationen eingefordert werden konnten. So erhielt die Tochter einer ehemaligen fille d’honneur der Dauphine von Ludwig XV. ein brevet für eine jährliche Pension in Höhe von 900 livres, da ihrer Mutter zwar von Ludwig XIV. anlässlich ihrer Eheschließung 100 000 livres gewährt wurden, von denen sie tatsächlich aber nur 30 000 livres erhalten hatte. Den ausstehenden Betrag von 70 000 livres machte daraufhin ihre Tochter geltend und erhielt in auch in Form der genannten Pension891. Ein weiterer direkter finanzieller Vorteil, der sich aber nur aus einem hohen Hofamt ergab, war die sogenannte casuel, die einen Amtsträger bzw. eine Amtsträgerin dazu berechtigte, vom Verkauf subalterner Chargen zu profitieren892. Newton schreibt, dass man für das Jahr 1725 schätzt, dass der Verkauf von Chargen im conseil de la reine der surintendante 732 800 livres casuel eingebracht habe893. Auch verfügten die surintendante und die gouvernante des enfants de France das zusätzliche Vorrecht, Händlern und Handwerkern den Titel eines Lieferanten der Königin oder Dauphine zu verkaufen894. Im Fall der Duchesse de Ventadour zeigte sich jedoch, welche Folgen dies haben konnte. In einer Randnotiz zu diesem Vorrecht der gouvernante heißt es: »feüe Made La D.esse de Ventadour avoit accord¦ beaucoup de ces privileges a la recommendation de plussieurs personnes de distinction la multiplicit¦ — accasionn¦ beaucoup de plaintes de la des Communaut¦s et des proc¦s qui ont ruin¦s plusieurs des privilegies ce — ¦t¦ la cause pour la quelle Mad.e La Duchesse n’en na pas donner depuis«895.

889 AN O1 23, fol. 149v. Demnach erhielt am 26. April 1679 die Comtesse de Soissons vom König als »nouuelles marques de son estime et de sa bienueillance« eine Erhöhung ihrer lebenslangen pension von 20 000 auf 25 000 livres. 890 Hierbei handelt es sich um Mademoiselle de Mailly, die am 9. Juli 1709 ein brevet de pension in Höhe von 6000 livres erhielt. In der Begründung dafür werden ihre Geburt und die Dienste ihres verstorbenen Vaters, Comte de Mailly, und ihrer Mutter, der Comtesse de Mailly, die sie als dame d’atour der Duchesse de Bourgogne erbracht hatte, berücksichtigt. Diese lebenslange und jährlich auszuzahlende Summe wird ihr angesicht ihrer bevorstehenden Heirat verliehen (vgl. AN O1 53, fol. 95). 891 Vgl. AN O1 92, fol. 256–257. 892 Vgl. AN 273 AP 389 [ohne Paginierung]. 893 Vgl. Newton, La petite cour, S. 248. 894 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 201. 895 AN 273 AP 389, fol. 13.

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Ein weiteres Beispiel für Bezüge, die direkt mit einem Hofamt verbunden waren, bietet der Posten der dame d’atour, der enorme ¦moluments casuels bei der regelmäßigen Erneuerung der Stoffe und Wäsche ihrer Herrin zustanden896. Auch die gouvernante des enfants de France durfte, wenn die Königskinder das siebte Lebensalter erreichten und ihr Hofstaat aufgelöst wurde, alle Dinge an sich nehmen, die in Benutzung der Kinder waren897, bzw. hatte sie beim Tod eines Kindes freie Verfügung über die benutzte layette, die sie mit Zustimmung des Königs beispielsweise den Frauen der maison und den nourrices weitergab898. Hohe Amtsträgerinnen profitierten in materieller Hinsicht auch vom Tod ihrer Herrin, deren Güter sie zum Teil behalten durften. Hierbei handelt es sich um ein Vorrecht, das an ihre Chargen gebunden war, und demnach um kein individuelles Privileg899. Und nicht zuletzt waren auch testamentarische Anweisungen eine Quelle für finanzielle Zuwendungen900. Welche Relevanz die verschiedenen Bezüge für die Amtsträgerinnen hatten und inwiefern sie allein ausschlaggebend dafür waren, ein Hofamt zu bekleiden, lässt sich nur bedingt ermitteln. Norberg vertritt die Ansicht, dass obgleich nur wenige Versailler Hofdamen reich waren, ein Amt in den königlichen Hofstaaten ihnen ökonomische Vorteile verschaffte, über die sie sonst nicht verfügten901. Unabhängig von der individuellen Vermögenslage steht fest, dass Hofämter vielfältige Möglichkeiten der persönlichen Bereicherung bereithielten, sodass es auch nicht verwundert, wenn Kettering anführt, dass »Mesdames de Venel, Thignonville, Panjas, La Barre, and Montglat made fortunes […] in royal households«, auch wenn sie zu bedenken gibt, dass dies für die meisten adeligen Frauen in Haushaltsdiensten nicht möglich gewesen sei902. Hierbei spielten die

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Vgl. Newton, La petite cour, S. 260, 274, 331. Vgl. ebd., S. 305. Vgl. AN 273 AP 389, fol. 193–194. Ein Beispiel dafür findet sich in AN O1 3715 für die Duchesse de Lorges, die dame d’honneur unter Ludwig XV. war. 900 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 174, wonach Anna von Österreich der Gesamtheit ihrer domestiques »un don de 900 000 Lt« vermachte, von dem der größte Anteil an ihre dame d’honneur und dame d’atour ging sowie an die »hommes en charge des deniers de sa Maison (surintendant des finances, tr¦sorier g¦n¦ral, contrúleur g¦n¦ral)«. 901 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 202. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XI, S. 100; XII, S. 42; VII, S. 144, der angibt, dass die Duchesse de Ventadour von ihrem Ehemann, der ihren Reichtum verschleudert hatte, getrennt lebte und die Comtesse de Mailly eine Witwe mit zahlreichen Kindern war. 902 Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 72. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVII, S. 16–17, der über die Mar¦chale de la Motte-Houdancourt berichtet: Sie »passa sa vie — la cour dans la plus grande consideration, et dans une place o¾, malgr¦ une vie splendide et beaucoup de noblesse d’ailleurs, elle s’enrichit extrÞmement, et laissa encore de grands biens aprÀs avoir mari¦ grandement ses trois filles. Sa sant¦ dura autant que sa vie. Elle coucha encore dans la chamber de Mgr le duc de Bretagne

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zahlreichen ›indirekten‹ Vorteile, die sich mittelbar aus der Bekleidung eines Hofamtes ergaben, eine mindestens ebenso große, wenn nicht größere Rolle als die ›direkten‹ Einkünfte. Zu ihnen gehörten Geschenke, Vermächtnisse und Erbschaften, Mitgiften bei Eheschließungen903 sowie weitere »patronage benefits, and financial opportunities«904. Durch den Haushaltsdienst gelangten adelige Amtsträgerinnen an Juwelen, Bargeld, wertvolle (Gebrauchs-)Gegenstände, Kleidung und sogar Landbesitz905, und auch das sonst kostspielige Hofleben bot Möglichkeiten der Bereicherung, so beispielsweise am Spieltisch der Königin906. Indirekte Bezüge waren in der Regel nicht an eine bestimmte Charge gebunden, sondern wurden individuell vergeben907. Wie im Fall der filles d’honneur konnte es sich aber auch um Zuwendungen handeln, die traditionsgemäß gewährt wurden. So genossen die filles gegenüber den anderen Amtsträgerinnen bei ihrer Verheiratung eine bevorzugte Behandlung, denn Angehörige der famille royale richteten Teile der Feierlichkeiten in ihren Räumen aus908 und gewährten auch Geldgeschenke909. Die Position einer fille d’honneur bot somit sowohl eine standesgemäße Versorgung und Erziehung jenseits eines Konvents als auch die Aussicht auf eine vorteilhafte Eheschließung910, denn die Verbindung zur Königsfamilie erhöhte die Attraktivität des betreffenden ledigen Mädchens auf dem höfischen Heiratsmarkt. Entsprechend ehelichten nicht nur am Münchener Hof »viele Kavaliere […] ganz bewusst ein Fräulein, das in

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la nuit du vendredi au samedi; elle s’affoiblit tellement le samedi, qu’elle recut les sacrements, et mourut le dimanche, — quatre-vingt-cinq ans.« Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 200. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 78. Vgl. ebd., S. 72–73. Vgl. Primi, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 34–35, der den Eindruck vermittelt, dass es im Rahmen des zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbaren lag, sich als Hofdame am Spieltisch der Königin zu bereichern, da diese immer verlor. Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 337, die betont, welche Bedeutung dem persönlichen »Vertrauensverhältnis zwischen Hofmeisterin und Fürstin« zukam, wenn es um »Besoldungserhöhungen« oder andere »Sonderzahlungen« ging. Als Beispiel kann die »c¦r¦monie du mariage« der Mademoiselle de Laval, fille d’honneur de la dauphine, vom 18. Mai 1683 angeführt werden, für die eine m¦moire überliefert ist (vgl. AN O1 27, fol. 149r). Aus dieser geht hervor, dass der König den Ehevertrag in der »chambre de la Reyne« unterzeichnet und sich danach »pour les fiancailles« in das »apartement de Madame la Dauphine« begeben habe. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 103– 104, wonach auch am Münchener Hof die Fürstenfamilie in das Hochzeitszeremoniell eingebunden war. Vgl. AN O1 20, fol. 10r, das auf ein brevet de don vom 11. Januar 1676 in Höhe von 200 000 livres für Mademoiselle de la Motte-Houdancourt anlässlich ihrer Heirat hinweist, das ihr als Zeichen des königlichen Wohlwollens erteilt wurde. Vgl. auch Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 63, wonach unverheiratete adelige Haushaltsangehörige in der Regel eine Aussteuer oder Geldgeschenke erhielten, wenn sie heirateten. Auch habe das Oberhaupt des Haushaltes zudem oft als Pate für das erste Kind fungiert. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 23. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 101.

Eintritt in den Hofdienst

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Diensten der Kurfürstin stand«911, sodass es auch nicht verwundert, dass die Mädchen, »who served in the households of the royal women usually found husbands at court«912. »Auf beiden Seiten – sowohl bei Braut als auch bei Bräutigam – bestimmten hierbei vor allem der mögliche materielle Gewinn und das soziale Prestige die Anbahnung von Heiratsallianzen.«913 Das Hofamt der Braut sicherte dieser in der Regel eine Aussteuer914 und verschaffte ihr ein Sprungbrett für weitere »offices and advantages in the palace.«915 Prinzipiell bedeutete für Amtsträgerinnen aber bereits der Besitz eines vergüteten Hofamtes916 eine eigene und unabhängige Einnahmequelle, auch wenn die »Besoldung nur höchst selten Quelle erheblicher Einkünfte«917 war und nur wenige adelige Frauen im Hofdienst ein großes Vermögen anhäuften918. Davon konnten nicht nur im besonderen Maße filles d’honneur profitieren, sondern auch verarmte adelige Frauen, die im Haushaltsdienst einer königlichen maison Zuflucht fanden. Aussteuerlosen adeligen Fräulein bot es die Aussicht auf Heirat919, denn bereits der Besitz einer Hofcharge stellte einen Wert dar, der »bei der Aushandlung von Heiratsverträgen oft gegen die Mitgift aufgerechnet«920 wurde. Mittellosen Witwen bot es eine Möglichkeit, zu überleben921 bzw. ein von ihrer Familie unabhängiges Leben zu führen, ohne ihre »position dans le monde«922 aufgeben bzw. erneut heiraten oder in den Kirchendienst treten zu müssen923. Aber auch für verheiratete Frauen konnte der Hofdienst ein Ausweg aus einer unglücklichen Ehe sein924, die nicht rechtskräftig getrennt werden konnte oder sollte925, oder eine »porte honorable« aus einem anderen Abhängigkeitsverhältnis926. Die finanziellen Vorteile einer Hofcharge erleichterten es ihnen, das

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Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 99. Norberg, Women of Versailles, S. 202. Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 99. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 56. Norberg, Women of Versailles, S. 202. Vgl. Campbell Orr, Introduction, S. 35, die den Hof als »the one place« bezeichnet, »where women of the right social status could have salaried public positions«. Keller, Hofdamen, S. 48. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 72. Vgl. ebd., S. 63. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 41, Fn. 32. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 63. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 487. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 65. Vgl. ebd., S. 56. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. VIII, S. 38–39, wonach sich »la belle Mme de Monaco«, um sich ihrem Ehemann zu entziehen, zur surintendante de la maison de madame gemacht worden sei. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 64. Caylus, Souvenirs, S. 55. So habe sich Madame de Maintenon durch die maison de la dauphine, eine »porte honorable« aufgetan, durch die sich sich der »tyrannie de madame de

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für eine dauerhafte separate Haushaltung notwendige eigene Einkommen zu ›erwirtschaften‹927, nicht zuletzt, da zu den mit einem Hofamt verbundenen Vorrechten auch das auf medizinische Versorgung, Verpflegung an der königlichen Tafel und Unterbringung im Schlossgebäude928 gehörten929. Über den Dienst am Fürstenhof bot sich adeligen Frauen eine der wenigen Möglichkeiten einer Erweiterung ihrer Familienrolle930. Bereits die Erlangung eines Hofpostens war ein Zeichen für Erfolg und stellte eine Quelle für Ansehen und Prestige sowohl für die jeweilige Amtsträgerin als auch ihre Familie dar931, denn sie war ein Indikator für »eine privilegierte und langfristige Verankerung am Umschlagplatz aller Gnaden«932. Durch eheliche Verbindungen trugen Amtsträgerinnen zudem zur Herausbildung einer regelrechten »noblesse de service«933 bei und aus ihrer ständigen Nähe934 zur Herrscherfamilie und den entr¦es zu den königlichen Gemächern935 bezogen sie symbolisches Kapital wie auch ganz konkrete Vorteile936.

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Montespan« entziehen konnte, ihrer vorhergehenden Beschützerin und gegenwärtigen Rivalin. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 64. Vgl. z. B. Newton, La petite cour, S. 309: »les sous-gouvernantes [des enfants de France, R.S.] b¦n¦ficiaient d’appartements commodes, sinon prestigieux, dans le ch–teau.« Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 338, der einen Vorteil des Hofamtes seiner Ehefrau als dame d’honneur der Duchesse de Berry darin sieht, dass sie dadurch über »le plus agr¦able appartement de Versailles« mit Küche verfügte, in dem sie zum d„ner und souper empfingen, seit sie am Hof weilten. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch nachvollziehbar, dass Madame de Motteville der Erlangung einer Hofcharge für sich selbst das Potenzial beimaß, »le repos« ihres Lebens zu sein, aber auch ihrer »amour-propre« zu schmeicheln (Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 257– 258). Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 56. Vgl. Keller, Hofdamen, S. 155. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 37. Laut Horowksi hatte bereits derjenige, der eine »solche Charge erlangen konnte, […] Erfolg bewiesen, er war auch von da an aufgrund seiner Nähe zu den wichtigsten Entscheidungsträgern besonders prädestiniert, erfolgreich weitere Vorteile zu erwerben«. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 488. Hohe Hofämter wurden häufig von Ehepaaren ausgeübt, wobei der Ehemann eine Funktion im Haushalt des Königs und die Ehefrau im Haushalt der Königin oder Dauphine wahrnahm. Beispiele für solche Familien sind die Noailles und die Beauvillier. Vgl. Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, Absatz 12, wonach der Vorteil der weiblichen Amtsinhaber gegenüber ihren männlichen Kollegen darin bestand, dass sie sich ständiger direkter Nähe zur Herrscherfamilie aufhielten. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 139. Vgl. Keller, Hofdamen, S. 155.

Eintritt in den Hofdienst

4.2.

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Nachteile

Für adelige Amtsträgerinnen ging die Bekleidung von Hofchargen aber auch mit Einschränkungen und Nachteilen einher. Auf den ersten Blick legte ihnen die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht Grenzen im Hinblick auf mögliche Karrierewege und Hofämter auf. So blieb ihnen der Zugang zu militärischen Posten und Regierungsräten verwehrt und auch im Hofdienst standen nur adeligen Männern Positionen bei allen Angehörigen der Königsfamilie offen, wo sie den überwiegenden Anteil der Amtsträger stellten, während ihre weiblichen Geschlechts- und Amtsgenossinnen nur wenige Chargen im unmittelbaren Umfeld der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie und im Hofstaat der Königskinder bekleiden konnten. Ein weiterer Nachteil könnte auch darin gesehen werden, dass die Frauenhofstaaten, in denen sie ihren Dienst verrichteten, nur zu Lebzeiten der jeweiligen Herrin existierten, sodass auch die Amtsbekleidung im Gegensatz zu Posten in der maison du roi nur zeitlich begrenzt möglich war, woraus Horowski den Schluss zieht, dass sie »weniger kontinuitätssichernd« waren937. Auch war die Ausübung von Hofchargen mit immensen finanziellen Belastungen verbunden, die Anlass für entsprechende Unterstützung seitens der Krone gaben und auch in Ego-Dokumenten immer wieder Erwähnung finden938. Die hohen Ausgaben standen dabei nicht nur im Zusammenhang mit dem kostspieligen Hofleben, sondern waren teilweise direkt an die Aufgaben einer Charge geknüpft939. Dies zeigt sich besonders deutlich bei der dame d’atour, die beispielsweise für den Kauf von Stoffen in Vorkasse gehen musste940. In EgoDokumenten wird auch thematisiert, dass es üblich gewesen sei, dass sowohl die dame d’honneur als auch die dame d’atour nach Ablegen ihres Treueeides bei ihrer jeweiligen Herrin den »femmes et officiers de sa chambre« einen gewissen Geldbetrag überreichten941. Auch wurde die fast durchgehende und mühsame Ausübung von Chargen als starke Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit wahrgenommen942 und auch die Unterordnung in eine unliebsame Ämterhier937 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 48. Dass es sich hierbei aber nur um eine vermeintliche Benachteiligung handelt, wird im Kapitel »Karrieren« aufgezeigt. 938 Vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 313, der sich auf die große Kosten bezieht, die mit der Annahme einer Charge verbunden waren, wenn er schreibt, dass Mademoiselle de Gramont, die fille d’honneur der Dauphine wird, vom König dafür 2000 ¦cus erhalten haben soll, »pour lui aider — faire les premiÀres d¦penses, qui sont toujours grandes en entrant dans ces sortes d’emplois«. Vgl. auch ebd., S. 376–377. 939 Vgl. Münster, Funktionen der dames et damoiselles d’honneur, S. 353. 940 Vgl. z. B. AN O1 3714, fol. 73v. 941 Sourches, M¦moires, Bd. XII, S. 261. 942 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XX, S. 190, der darauf hinweist, dass es einer Erlaubnis des Königs bedurfte, wenn eine Amtsträgerin beispielsweise nicht auf eine Reise des Hofes mitkam.

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archie943 und die Ausübung von Dienst im Allgemeinen mitunter negativ bewertet944 – nicht zuletzt, wenn in Aussicht gestellte Hofämter nicht als dem eigenen Rang angemessen bewertet wurden945 oder Konfliktpotenzial enthielten946. Inwiefern die genannten Einschränkungen und Nachteile auch vor dem Hintergrund des höfischen Lebens und der sich dort abspielenden sozialen Interaktion als solche zu sehen sind, wird an späterer Stelle näher behandelt.

5.

Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume

Die officiers f¦minins – allen voran die surintendante, dame d’honneur und dame d’atour – hatten innerhalb der Frauenhofstaaten »positions of authority«947 inne, die es ihnen erlaubten, dort größere Macht auszuüben als die höchsten männlichen Amtsinhaber desselben Hofstaats, wie der chevalier d’honneur, der premier ¦cuyer und der premier ma„tre d’hútel948. Diese Vorrangstellung der »dames« fand ihren Ausdruck bereits in den Hofstaatslisten, die die hierarchische Struktur einer maison und ihrer service widerspiegelte und für die einzelnen d¦partements die höchsten und nachgeordnet die niedrigsten Chargen aufführten. In den ¦tats des cour des aides949 rangierte das weibliche Personal an 943 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 160. 944 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 170, der sein Unverständnis darüber äußert, warum die Duchesse du Lude und damit »une femme riche, duchesse, de grande naissance par soi et par ses maris, sans enfants, sans liens, sans affaires, libre, ind¦pendante […] la folie« besaß, »sa servitude« durch die angestrebte Charge der dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne so teuer zu erkaufen. 945 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXI, S. 100, der seine Ehefrau, die Duchesse de SaintSimon, wie folgt beschreibt: »une dame d’honneur trÀs afflig¦e de l’Þtre, qui, par avoir ¦t¦ forc¦e d’en accepter l’emploi, n’en faisoit que ce qu’elle en vouloit bien faire, au c¦r¦monial prÀs.« Als Grund für die ablehnende Haltung gegenüber diesem Posten führt er ihrer beider Widerwillen gegen »une place si au-dessous« ihrer Geburt und Würde an (ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 240). 946 Vgl. ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 245–246, wonach Madame de Saint-Simon befürchtete, dass sie als dame d’honneur mit ihrer jungen Herrin, der Duchesse de Berry, über ihre »ordres sur la conduite de la princesse« in Konflikt geraten könnte, was ihr letztlich zum Nachteil gereichen würde. 947 Norberg, Women of Versailles, S. 202. 948 Vgl. ebd., S. 203. Vgl. auch Newton, La petite cour, S. 259, wonach selbst der chevalier d’honneur gegenüber den weiblichen Chargen der surintendante und dame d’honneur nachgeordnet war, denn diese wachten über alle Aspekte des Zeremoniells im Grand Appartement de la reine und dirigierten die verschiedenen officiers ihrer Kammer. Vgl. aber Chatenet, La cour de France, S. 25, die für das 16. Jahrhundert festhält, dass dem chevalier d’honneur die Leitung des Hofstaats der Königin unterstand. Seine Position sei das Äquivalent des grand ma„tre in der maison du roi. 949 Beim cour des aides handelt es sich um die »gardienne des privilÀges des commensaux du roi« (Laverny, Les domestiques commensaux, S. 85), die jährlich die »¦tats de la Maison«

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erster Stelle, direkt gefolgt von der chapelle und den prestigeträchtigen männlichen Hofchargen950. In dieser prominenten Stellung zeigte sich zum einen der hohe Stellenwert der Positionen in der chambre, der sich aus der unmittelbaren physischen Nähe zur Herrin ergab951, zum anderen die Bedeutung der geschlechtlichen Konnotation dieser Gruppierung, die getrennt von den männlichen Bediensteten der chambre als »dames« erfasst wurde952. Des Weiteren machte sich in dieser Anordnung auch die Einschränkung des zeitgenössisch denkbaren Tätigkeitsbereichs für Frauen bemerkbar. Während adelige Männer in den hohen Posten aller d¦partements einer maison anzutreffen waren, wo sie für Verwaltungsaufgaben, juristische Angelegenheiten, Seelsorge, Transport und Schutz eingesetzt wurden953, war der institutionalisierte Wirkungsradius ihrer weiblichen Standesgenossinnen im Vergleich dazu deutlich kleiner. Gleichwohl galt diese Einschränkung auch gewissermaßen in umgekehrter Hinsicht, denn ebenso wie die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht den Zugang zu verschiedenen Bereichen im Haushaltsdienst eröffnete, versperrte es denselben, wenn es sich um service im unmittelbaren Umfeld einer weiblichen Angehörigen der Königsfamilie handelte. Dort waren nämlich nur Mädchen und Frauen zugelassen954, da die Geschlechtszugehörigkeit des jeweiligen Mitglieds der famille royale auch die geschlechtliche Dimension von Hofämtern bestimmte und damit, ob eine Charge mit einem Mann oder einer Frau besetzt wurde. Somit drückte sich die geschlechtsspezifische Dimension von Hofämtern, die von Frauen bekleidet wurden, vor allem im konkreten Ort ihrer Tätigkeit – chambre – und dem Geschlecht ihrer jeweiligen Herrschaft – weiblichen Angehörigen der Königsfamilie – aus, und weniger in der Art der verrichteten

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registrierte, während die »chambre des comptes« die Ausgaben für die Hofstaaten und die Auszahlung der gages kontrollierte (Le Roux, La maison du roi sous les premiers Bourbons, S. 29). In den publizierten Êtats de la France hingegen werden die Geistlichen zuerst aufgeführt, direkt gefolgt von den dames. Die Vorrangstellung der chapelle könnte damit in Verbindung stehen, dass der langjährige Herausgeber der Êtats, Nicolas Besongne, aumúnier du roi und clerc de sa chapelle war. Vgl. Newton, La petite cour, S. 365. Die officiers der chambre rangierten auch bei den männlichen Angehörigen der Königsfamilie an erster Stelle der Hofstaatslisten. In den Êtats de la France war ihnen aber auch die chapelle vorangestellt. Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 121. Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 195. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 269–276, der am Beispiel der Duchesse de Bourgogne eine Vorstellung davon vermittelt, welche exklusiven Zugangsrechte daraus erwachsen konnten, denn diese durfte zu Beginn ihres Lebens am cour de France lediglich den weiblichen Teil ihres Gefolges oder andere ausgewählte Damen, und damit – mit Ausnahme einiger Männer der Königsfamilie – nur Angehörige ihres Geschlechts, bei sich empfangen. Geschlecht tritt dabei als eine Kategorie hervor, die durch das geringe Alter der Duchesse de Bourgogne zusätzlich an Gewicht gewann und sich in bestimmten Situationen besonders manifestierte.

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Aufgaben, sodass es auch wenig sinnvoll erscheint, von ›weiblichen‹ Hofämtern zu sprechen. Allein die gouvernante des enfants de France stellte eine Ausnahme dar, da sie der maison der Königskinder vorstand. Dabei betreute sie die Mädchen bis zu ihrer Verheiratung bzw. der Einrichtung eines eigenen Hofstaats, die Jungen hingegen bis zum Erreichen des 7. Lebensjahrs und damit dem Zeitpunkt, an dem ihre Erziehung durch Männer übernommen wurde955. Die Aufgaben, die Amtsträgerinnen innerhalb der Frauenhofstaaten ausübten, waren sowohl repräsentativer als auch praktischer Natur956. Als »suite honorable« sollten die dames, filles d’honneur, aber auch der chevalier d’honneur957 insbesondere bei offiziellen Anlässen958 Rang und Würde der Herrin zum Ausdruck bringen959 und »zugleich eine Art Öffentlichkeit«960 bilden. Bereits seit Anna von Bretagne, die ihr Gefolge als »composante essentielle de sa dignit¦«961 verstand, wurden Amtsträgerinnen für die Zurschaustellung der Würde ihrer Herrin als unentbehrlich erachtet. Darauf könnte auch der Zusatz »honneur« hinweisen, mit dem mehr Ämter in Frauenhofstaaten und vor allem weibliche Chargen versehen wurden, sodass bereits auf der Ebene der Amtsbezeichnungen eine geschlechtsspezifische Zuschreibung auszumachen ist, die darauf hinweist, welche Erwartungen an Frauen in entsprechenden Positionen gestellt wurden. Durch ihre starke quantitative Erhöhung sowie qualitative Aufwertung ihrer sozialen Herkunft962 unterstützten sie das Bestreben der Königin, ihre maison »sur pied d’¦galit¦ avec celle du roi« zu erheben, um darüber ihrer Gleichrangigkeit mit dem König Ausdruck zu verleihen. Da weder Glanz noch Pracht eines Hofes im zeitgenössischen Verständnis ohne die Anwesenheit hochrangiger 955 Vgl. Horowski, Die Belagerung des Thrones, S. 193–194. 956 Da für den französischen Königshof – mit Ausnahme der gouvernante des enfants de France – kein »comprehensive handbook on the rights and functions« (Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 523, Fn. 14) der verschiedenen, von Frauen bekleideten Chargen vorliegt, wird im Folgenden vorrangig auf administrative Schriftstücke, wie beispielsweise Bestallungsurkunden, Treueeide und rÀglements, für Streitfälle zurückgegriffen. 957 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 124. Vgl. auch Honneur, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung], wonach dieser Begriff »la charge« und »la dignit¦« anzeigt, die den Respekt und die Unterordnung anderer auf sich zieht. 958 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 118. Solche Anlässe konnten Empfänge, Bälle, Hochzeiten und Staatsbesuche sein. 959 Ein Beispiel hierfür ist eine d¦claration vom 25. Mai 1715 (vgl. AN O1 59, fol. 83v–84r), die für die maison der Duchesse de Berry erlassen wurde und deutlich macht, dass die grundlegende Funktion, die ihre dames erfüllen sollten, darin bestand Rang und Würde ihrer Herrin zu unterstützen. Vgl. auch Chatenet, Le logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 176; Keller, Hofdamen, S. 105. 960 Keller, Hofdamen, S. 142. 961 Chatenet, La cour de France, S. 27. 962 Vgl. Münster, Funktionen der dames et damoiselles d’honneur, S. 354.

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Damen ausgedrückt werden konnte, leisteten Amtsträgerinnen damit gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Inszenierung und Repräsentation des Königs und der herrschenden Dynastie963. Darüber hinaus erbrachten sie aber auch einen ganz praktischen Beitrag für das Funktionieren des höfischen Alltags. Dabei handelte es sich meist um sehr ritualisierte Tätigkeiten, die vor allem dem Körper der Herrin galten964 und sich im Laufe der Zeit kaum wandelten965. Praktische Verrichtungen bestanden je nach Hofamt darin, den Alltag ihrer jeweiligen Herrin zu teilen, ihr Gesellschaft zu leisten, sie zu begleiten sowie sie in ihrer Kammer und an ihrer Tafel zu bedienen966. Dazu gehörten sowohl routinierte Abläufe als auch außerordentliche Situationen wie beispielsweise Krankenpflege und der Dienst am Sterbebett der Herrin967. Als surintendante, dame d’honneur und gouvernante des enfants de France waren sie darüber hinaus auch für die Verwaltung und Organisation des Alltags ihrer jeweiligen Herrschaft zuständig. Als gouvernante oblag einigen von ihnen auch die Aufgabe, heranwachsende Geschlechtsgenossinnen, nämlich die filles d’honneur, zu beaufsichtigen oder im Fall der enfants de France für die kindliche Früherziehung Sorge zu tragen. Die Art der praktischen Tätigkeiten war dabei nicht per se geschlechtsspezifisch968, da auch Männer Kammerdienste und Erziehungsarbeit leisteten, auch wenn sie im Hofstaat der männlichen Königskinder erst für die Erziehung ab dem 7. Lebensjahr verantwortlich waren. Ein Aufgabenbereich von Amtsträgerinnen, dem noch am ehesten eine weibliche Konnotation zugeschrieben werden kann, da er per se nur in Frauenhofstaaten relevant wurde und dem zeitgenössischen Hofdamenideal entsprach, war der der kulturellen Anpassung969. Da am Hof Ludwigs XIV. fast ausnahmslos alle angeheirateten weiblichen Mitglieder der Königsfamilie aus963 Vgl. Schlumbohm, Christa: Les plus belles femmes de la Cour. Reale und fiktive Schönheitengalerien in der Ära Ludwigs XIV., in: Gestaltung – Umgestaltung. Beiträge zur Geschichte der romanischen Literatur. Hrsg. v. Bernhard König und Jutta Lietz. Tübingen 1990, S. 352. 964 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 195. 965 Vgl. Münster, Funktionen der dames et damoiselles d’honneur, S. 353. 966 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486; Norberg, Women of Versailles, S. 195–196. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 53: »Il [der König, R.S.] d„noit et soupoit tous les jours en public avec la Reine: au d„ner, la duchesse de Richelieu et les filles de la Reine servoient.« 967 Vgl. für entsprechende Beschreibungen z. B. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 451; Sourches, M¦moires, Bd. VII, S. 102. 968 Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 55, die auch für den Münchner Hof feststellt, dass »Gemeinsamkeiten im Profil weiblicher und männlicher Hofchargen« bestanden. 969 Hier wird nur auf die eine Seite des Kulturtransfers eingegangen, der jedoch prinzipiell beidseitig erfolgte. Entsprechend fand auch die Anpassung sowohl bei der ausländischen Fürstin und ihrem heimatlichen Gefolge statt als auch ein Einstellen des empfangenden Hofes auf die ›Neuankömmlinge‹. Vgl. hierzu ebd., S. 401–402.

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ländische Fürstentöchter waren970, denen eine »double nature« als Französin und Ausländerin zueigen war971, kam ihrer französischen Entourage eine entscheidende Rolle beim ›Assimilierungsprozess‹ ihrer Herrin zu972, wurde doch von den ausländischen Bräuten erwartet, ihre ursprüngliche Herkunft zu vergessen und gänzlich Französinnen zu werden973. Dieser Prämisse folgend wurden beispielsweise zwei Amtsträgerinnen Annas von Österreich, Marie de Rohan als surintendante und Antoinette d’Albert de Luynes als dame d’atour, ausdrücklich die Aufgabe übertragen, zu versuchen, die Königin, die noch sehr an ihre »racines espagnoles« gebunden war, zu ›französisieren‹974. Um die Anpassung an den französischen Hof, seine Sitten und Gewohnheiten, zu ›erleichtern‹, wurden die ausländischen Fürstentöchter bereits an der Landesgrenze von den Damen ihrer neuen maison in Empfang genommen975. Diese veränderten zunächst durch Umziehen und Frisieren nach französischer Mode das Erscheinungsbild ihrer Herrin, um darüber die äußerlichen Merkmale ihrer Herkunft und Fremdheit zu eliminieren. Wie bereits zuvor dargestellt, begleiteten die äußerlichen Veränderungen auch Wechsel im Gefolge976. Meist wurde der Großteil des heimischen Personals wieder zurückgeschickt, sodass die Fürstin nur noch von französischen officiers umgeben war. Letzteren oblag neben der genannten Einführung ihrer Herrin in die Gepflogenheiten am französischen Hof977 auch deren ›Überwachung‹ und Beeinflussung978. Ein an970 Bis auf die Duchesse de Berry waren alle Herrinnen der untersuchten Frauenhofstaaten ausländische Fürstentöchter. 971 Cosandey, Reines de France, h¦ritiÀres espagnoles, S. 64. 972 Eine vollständige Integration erlangte eine ausländische Fürstin jedoch erst mit ihrer Mutterschaft. Vgl. ebd., S. 72. 973 Vgl. ebd., S. 74. Demnach musste eine reine de France ihrem Heimatland abschwören und einzig die Krone hatte das Recht, an ihre Herkunft zu erinnern, nämlich dann, wenn es beispielsweise um die Legitimation von Besitzansprüchen ging. 974 Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 160. 975 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 137. Vgl. auch Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 103; Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 269–276. 976 Vgl. Cosandey, Reines de France, h¦ritiÀres espagnoles, S. 70. 977 Vgl. Calvi, Giulia: Introduction, in: Moving elites: Women and cultural transfers in the European court system. Hrsg. v. ders. und Isabelle Chabot. San Domeninco di Fiesole 2010, S. 2. 978 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 156. So setzte beispielsweise Ludwig XIII. immer wieder ihm loyale Amtsträger in den Hofstaat seiner Ehefrau ein, um Einfluss auf sie zu nehmen. Tatsächlich liefen diese aber im Dienst immer wieder zur Königin über. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XV, S. 10, der einen Eindruck davon vermittelt, dass dies auch noch am Hof Ludwigs XIV. im Rahmen der denkbaren Handlungsmöglichkeiten lag, wenn er berichtet, wie die Duchesse de Bourgogne davon erfuhr, dass sie von einer ihrer Hofdamen im Auftrag der Königsmätresse, Madame de Maintenon, bespitzelt worden sei. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 324, der im Zusammenhang mit der Besetzung des Postens der dame d’honneur und dame d’atour der Duchesse de Berry aufzeigt, welche Überlegungen dahinter stehen konnten, nämlich dort Frauen zu platzieren, die ihre Her-

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schauliches Beispiel bietet hierfür der Umgang mit Maria Adelheid von Savoyen, die als Braut des Duc de Bourgogne an den französischen Königshof kam. In zeitgenössischen Ego-Dokumenten wird davon berichtet, dass sie aufgrund ihres Alters zunächst von der Hofgesellschaft separiert worden sei979. Zugang zu ihr hätten nur die Damen ihres Gefolges gehabt, die sich aus »personnes de m¦rite« zusammensetzten980. Da sie ihre junge Herrin ständig umgaben, sind sie quasi Teil des für die Duchesse vorgesehenen Erziehungsplans geworden. In diesem tauchen Aufgabenbereiche auf, die mit dem Hofdamenideal korrespondieren, nämlich Erziehung und Unterhaltung. So sollten die Damen, die die Duchesse de Bourgogne umgaben, diese vorrangig in der Konversation, im Umgang und Geschmack schulen. Dabei sei eine Aufgabenteilung je nach Lebensalter derselben erfolgt. Entsprechend hätten die durch ihr Alter respektablen und gewichtigen »duÀgnes« die genannten Funktionen erfüllt und zur »distinction« ihrer Herrin beigetragen, während den jüngeren Damen vorrangig die Aufgabe zuteilgeworden sei, ihre Herrin als Begleitung und Unterhaltung zu dienen981. Unabhängig vom jeweiligen Aufgabenbereich boten sowohl die praktischen als auch die repräsentativen Tätigkeiten (Ver-)Handlungsspielräume und Widerstandspotenzial, bildeten also keine statische Größe, die unverändert Jahrhunderte überdauerte. Ganz im Gegenteil handelt es sich beim Hofdienst und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten des Handelns um das Ergebnis dynamischer und flexibler Aushandlungsprozesse, die sich einerseits aus Traditionen und Erfahrungen speisten, andererseits durch Faktoren wie soziale Nahbeziehungen, Gunst und Verdienst beeinflusst wurden. Dies tritt sehr deutlich bei Konflikten zwischen Amtsträgerinnen zutage, die immer wieder um pr¦s¦ance und Aufgabenbereiche entbrannten982. Ein Beispiel dafür ist ein Streit um Amtsbefugnisse, der im Untersuchungszeitraum zwischen der chef de conseil et surintendante de la maison de la reine und der dame d’honneur de la reine aufkam. In dem rÀglement983, das zur Beilegung des Konflikts erlassen wurde, fanden die Faktoren, die für eine Entscheidungsfindung relevant waren, ausdrücklich Erwähnung. So wird darauf hingewiesen, dass der König die Argu-

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rinnen in bestimmte Richtungen lenken und damit den Zielen bestimmter sozialer Gruppierungen am Hof dienen sollten. So hätten der Duc und die Duchesse de Beauvillier das Vorhaben verfolgt, die künftige Duchesse de Berry an den Duc und die Duchesse de Bourgogne anzunähern, weshalb es ihnen notwendig erschien, deren neuen Hofstaat mit Personen zu besetzen, die dieselbe Absicht hegten. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. IV, S. 301, der beschreibt, dass der Hof die Duchesse de Bourgogne nur zweimal wöchentlich bei ihrer toilette sah. Caylus, Souvenirs, S. 117. Saint-Simon, M¦moires, Bd. IV, S. 302–303. Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 778. Vgl. BN, collection Clairambault 814, fol. 675–676.

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mente der beiden Streitparteien abgewogen, sich aber auch über die chambre de comptes darüber informiert habe, welche Funktionen mit den beiden Chargen bisher verbunden gewesen seien und auch welche Entscheidungen in vergleichbaren Fällen im Hofstaat der Königinmutter getroffen worden waren. Darüber hinaus seien auch die verwandtschaftlichen Verbindungen und der Verdienst einzelner Personen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden. So war der Ehemann einer der beteiligten Amtsträgerinnen enger Verwandter der Königinmutter und der Königin und ihr Onkel langgedienter erster Minister des amtierenden Königs und dessen Vorgänger, wodurch er die Wertschätzung und die »amiti¦ plus estroite«984 des Monarchen genossen haben soll. Das Ergebnis des Zusammenspiels all dieser Faktoren sei ein Kompromiss zugunsten der surintendante gewesen, der Kompetenzen gewährt worden seien, die über das traditionelle Maß hinausgingen, sich jedoch nur auf ihre konkrete Person und Dienstzeit beschränkt hätten. Während die rÀglements Ludwigs XIV. die Lösung des Konflikts zwischen der surintendante und der dame d’honneur der Königin dokumentieren sowie die Faktoren benennen, die dabei berücksichtigt wurden, betonen Ego-Dokumente die Einwirkungsmöglichkeiten der beteiligten Amtsträgerinnen und damit ihre Handlungsspielräume in den jeweiligen Positionen985. Dabei tritt besonders hervor, dass es im Rahmen des Denk-, Sag- und Machbaren lag, für die mit einer Charge verbundenen Rechte einzutreten und zu kämpfen, so beispielsweise durch das Vorbringen von Argumenten986 und die Nutzung höfischer Handlungslogiken wie beispielsweise die Beeinflussung der Meinung von hohen Entscheidungsträgern. Als Motivation für entsprechendes Handeln einer Amtsträgerin – in diesem Fall der dame d’honneur – wurde sowohl ein Pflichtgefühl gegenüber den Rechten ihrer Charge, die sie mit allen Mitteln zu verteidigen suchte, als auch das Streben nach einem persönlichen Sieg über ihre Widersacherin genannt. Auch wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass selbst eine bereits aus dem Amt geschiedene Amtsträgerin – hier die Princesse de Palatine – noch die Möglichkeit gehabt habe, in Kompetenzstreitigkeiten einzugreifen, die ihr vormaliges Amt betrafen987. Ego-Dokumente vermitteln auch in anderen Fällen eine Vorstellung davon, welche Möglichkeiten adeliger Amtsträgerinnen im Rahmen des zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbaren lagen, wenn es um die Durchsetzung ihrer Inter984 Ebd., fol. 675. 985 Dieser Konflikt wird besonders ausführlich in Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 189–212, behandelt. 986 Im Konflikt mit der Nachfolgerin wurden beide Seiten vom König ermächtigt, »preuves« sowohl in der »Chambre des Comptes« als auch in ihren lettres zu suchen und vorzubringen (ebd., S. 191). 987 Vgl. ebd., S. 192–194, 196.

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essen ging. Ein Beispiel, bei dem die Verweigerung von Dienstverpflichtungen instrumentalisiert worden sei, bietet Mademoiselle de CoÚtlogon, die fille d’honneur de la reine war und sich für einen Mann beim König eingesetzt haben soll988. Als dieser Einsatz nicht den gewünschten Effekt zeitigte, habe sie aufgehört sich herauszuputzen und sich stattdessen so schlecht wie möglich gekleidet, um den König zum Einlenken zu zwingen. Dabei habe sie nicht nur die Pflicht einer Hofdame zur Schönheit und damit auch ihren Beitrag zum Glanz und zur Pracht des Königshofs verweigert, sondern darüber hinaus auch den König beschimpft und ihren Forderungen – da er sie nicht ernst nahm – sogar durch Androhung körperlicher Gewalt Nachdruck verliehen. Darüber hinaus sei sie Dienstverpflichtungen gegenüber dem König nicht nachgekommen, der mittags und abends mit der Königin speiste und beim d„ner von der Duchesse de Richelieu und den filles de la reine bedient wurde, und das mit der Begründung, »qu’il ne m¦ritoit pas qu’elle le serv„t«989. Ein weiteres Beispiel bietet der Widerstand einer anderen Amtsträgerin, der aber gerade auf dem Beharren auf ihre Amtsbefugnisse beruhte. So habe – wie in mehreren Ego-Dokumenten berichtet wird990 – die Duchesse de Navailles, dame d’honneur de la reine, dem König den Zutritt zum Zimmer der filles d’honneur versperrt, den dieser sich heimlich verschafft haben soll, um damit »certaines visites nocturnes« zu vereiteln, die ihre »austÀre vertu« nicht tolerieren konnte. Als Begründung soll sie angeführt haben, »qu’elle feroit sa charge, et qu’elle ne souffriroit pas que la chambre des filles f˜t d¦shonor¦e«991. An anderer Stelle heißt es, dass sie sich durch die »devoir de sa Charge, — qui le soin des Filles d’Honneur est commis,« verpflichtet fühlte, sich den »sentimens du Roi« entgegenzustellen. In dieser Angelegenheit habe sie aber nicht nur gemäß ihrer Amtskompetenzen gehandelt. Das große Potenzial für ihren Widerstand wurde darin gesehen, dass sie dem König als Christin und »honnÞte Femme« begegnete, die es ihr erlaubt hätten, als Tugendwächterin der ihr unterstellten jungen Frauen in Erscheinung zu treten. So sei sie weder auf die Einigungsvorschläge des Ministers Tellier eingegangen noch habe sie sich von den Drohungen, ihr Ungehorsam werde Folgen für ihr »propre interÞt« zeitigen, abschrecken lassen992. Stattdessen habe sie »ses droits avec […] fermet¦«993 verteidigt und sei 988 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 51–55. 989 Ebd., S. 53. Da ein solches Verhalten gegenüber dem König eine Anmaßung darstellte, verwundert es, dass bei Saint-Simon keine Konsequenzen erwähnt werden. Somit kann nur vermutet werden, dass vor allem die Jugend und womöglich auch die Geschlechtszugehörigkeit der betreffenden Frau eine gewisse ›Narrenfreiheit‹ lag. 990 Vgl. z. B. Caylus, Souvenirs, S. 73; Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 270–272; Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 30–38. 991 Caylus, Souvenirs, S. 73. 992 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 270–271. 993 Caylus, Souvenirs, S. 73.

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»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern

ihrem Gewissen gefolgt, auch wenn sie nur die Gesetze der Ehre und Tugend auf ihrer Seite gehabt habe, um sich dem König zu widersetzen994. Die Entscheidung sei ihr zwar nicht leicht gefallen, da sie gegenüber den Vorteilen, die sie und ihr Mann am Hof genossen, nicht »insensible« war. Letztlich sei sie aber ihrer Pflicht gefolgt und habe ihre »fortune« gänzlich ihrer »conscience« geopfert, anstatt sie zu verraten, um all die »biens« und »dignitez« zu behalten, die sie und ihr Ehemann besaßen995. Nach Motteville hatte damit die Furcht vor Gott über das Vergnügen, dem König gefällig zu sein, gesiegt996. Zwar sei die Duchesse dadurch in Ungnade gefallen und ihr restliches Leben nur sehr selten am Hof erschienen997, sei dann jedoch aufgrund ihrer zuvor bewiesenen Tugendhaftigkeit immer mit einer »consid¦ration marqu¦e de toute la cour« empfangen worden998.

5.1.

Chef du conseil et surintendante de la maison de la reine

Die Position der chef du conseil et surintendante de la maison war neben der gouvernante des enfant de France die höchste weibliche Charge, die eine Frau am französischen Königshof bekleiden konnte, und mit entsprechend großem Ansehen verbunden. Die »surintendance de la maison de la Reine« erscheint in allen behandelten Quellengattungen als »la premiÀre charge de la Cour«999. Gleichzeitig war es aber eine Position, die im Gegensatz zur dame d’honneur und dame d’atour nicht zwingend vorhanden sein musste und auch meist nur im Hofstaat der Königin existierte1000. Zwischen Anna von Österreich und Maria Antonia von Österreich wurde sie je nach Bedarf eingerichtet und wieder abgeschafft1001, was fast in jedem Fall Kompetenzstreitigkeiten mit der dame d’honneur nach sich zog, deren schriftliche Beilegung wichtige Aufschlüsse über Handlungsspielräume und -möglichkeiten gibt1002. Eine Besonderheit der per-

994 995 996 997 998 999 1000 1001

Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 271, 274–275. Ebd., S. 275. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 31. Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 277. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 32, 34. Ebd., S. 36. Primi, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 67. Vgl. Labourdette, Maison du Roi, S. 779. Vgl. für das Bestehen dieser Charge im 18. Jahrhundert Newton, La petite cour, S. 255. Vgl. auch Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 244–245. 1002 Vgl. für die Regierungszeit Ludwigs XIV. BN, Collection Clairambault 814, fol. 675–676 »Reglement entre la surintendante et la Dame d’honneur de la Royne« (5. Mai 1661); BN, Baluze 182, fol. 63r–63v »Fonctions de la Surintendante de la maison de la Reyne & de la Dame d’honneur« (14. Mai 1661). Für seine Nachfolger vgl. auch AN O1 3742 »RÀglement qui fixe les fonctions de la surintendante de la Maison de la reine« (24. April 1725); AN O1

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sönlichen Regierungszeit Ludwigs XIV. war die Einrichtung dieses Hofpostens in drei Hofstaaten gleichzeitig: den der Königinmutter, der Königin und der Madame. Grund dafür war laut Saint-Simon die Absicht Mazarins, seine Nichten anlässlich der Bildung der maison de la reine Maria Theresia mit diesem Hofamt auszustatten. Da aber gleichzeitig keine Schlechterstellung der Königinmutter und der Madame bewirkt werden sollte, wurden auch ihre Hofstaaten mit einer ebensolchen Charge versehen1003. Dass dieser Posten, der sonst nur im Hofstaat von Königinnen eingerichtet wurde, nun auch im Hofstaat einer Madame existierte, war eine Ausnahme, die in keinem der späteren fille-de-FranceHaushaltungen mehr vorkommen sollte. Entsprechend bestand auch diese Charge im Hofstaat der Königin Maria Theresia durchgehend, während er im Hofstaat der Madame nur von 1673 bis 1678 besetzt war1004, in der folgenden Zeit zwar in den Hofstaatslisten geführt wurde, aber vakant blieb1005. Als chef du conseil et surintendante de la maison bekleidete die jeweilige Amtsträgerin als »premiÀre OfficiÀre de la Maison de la Reyne1006 die ranghöchste Charge im Hofstaat ihrer Herrin, der auch hohe Männerchargen derselben maison wie der chevalier d’honneur nachgeordnet waren1007. Mit dieser Charge verbanden sich – wie es die Amtsbezeichnung schon erahnen lässt – zwei grundlegende Aufgabenbereiche: conseil und chambre. Bei dem conseil handelte es sich um eine Institution, die bei den Frauenhofstaaten nur bei der Königin existierte1008 und im ursprünglichen Sinne mit der finanziellen Oberaufsicht der maison de la reine betraut war, d. h. Hofstaatslisten ausstellte, Rechnungsergebnisse prüfte, die Wirtschaftlichkeit aufrechterhielt, Missbrauch eindämmte und Gnaden auszahlte und die zur Mitgift der Königin gehörenden Güter verwaltete. Tatsächlich kam er diesem Zweck in der Praxis nicht immer nach, da die französischen Königinnen ihren conseil häufig auch ohne Funktion beließen1009. Berief die Königin ihn jedoch ein, so oblagen ihrer chef du conseil nur Ehrenaufgaben, wie ihre Herrin dorthin zu begleiten und neben ihr Platz zu nehmen. Der weitaus größere Aufgabenbereich verband sich mit dem Titel der surintendante de la maison, der eine »pouvoir general pour l’administration«1010

1003 1004 1005 1006 1007 1008 1009 1010

3743 »Projet de rÀglement entre la surintendante de la Maison de la reine, la dame d’honneur et la dame d’atour de Sa Majest¦« (7. September 1775). Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVI, S. 426–427. Vgl. EDF 1674, S. 465; 1676, S. 460; 1677, S. 452; 1678, S. 483. Vgl. z. B. EDF 1680, S. 505; 1686, S. 632; 1698, S. 117. Surintendante, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Vgl. Newton, La petite cour, S. 259. Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 306. Vgl. ebd., S. 266–267. Surintendante, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois

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derselben verlieh. Der jeweiligen Amtsträgerin oblag die Leitung der chambre, in der das tägliche Leben der Herrin organisiert und die Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse sichergestellt wurde. Diese unterteilte sich in verschiedene Unterdepartements wie la garde-robe für die Kleidung, la facult¦ für die medizinische Versorgung und den bereits erwähnten conseil für Verwaltungsund Finanzangelegenheiten. Der surintendante oblag für die Gesamheit der chambre die Einhaltung der »etats et reglemens«, die Sicherstellung von allem, was für den Dienst ihrer Herrin notwendig war und die Vermeidung und Behebung von Missbrauch1011. Ihrer Autorität unterstand das umfangreiche Personal der chambre1012, was zur Folge hatte, dass die officiers und officiÀres derselben1013 – also niedrigrangigere Männer wie Frauen1014 – den Treueeid bei ihr ablegen, sich für ihr Verhalten bei ihr verantworten und ihre Konflikte durch sie beilegen lassen mussten1015. Die surintendante war es auch, die der Königin geeignete neue Amtsträger, die diese dann letztlich ernannte, vorstellte und ihr in bestimmten Zeitabständen ¦tats der in Dienst getretenen Personen vorlegte. Für bereits erbrachten Dienst von officiers und officiÀres stellte sie wiederum Zertifikate aus, durch die der Schatzmeister zur Auszahlung der gages und ¦moluments veranlasst wurde. Neben dieser eher ›praktischen‹ Bedeutung der surintendante gab es aber auch eine betont ›repräsentative‹, die in Ehrendiensten zu verschiedenen (zeremoniellen) Anlässen zum Tragen kam. So musste sie beispielsweise, wenn die Königin entbunden hatte, drei Nächte in deren Zimmer schlafen und im darauffolgenden Kindbett die honneurs de la chambre im cabinet des nobles empfangen1016. Zu ihren Aufgaben gehörte es aber auch, die Königin bei bestimmten »c¦r¦monies funÀbres« zu repräsentieren und sie in ihrer Kutsche zu begleiten1017. Bei diesen Gelegenheiten stand der jeweiligen Amtsträgerin eine privilegierte Stellung zu, die ihren Status sichtbar machte. Primi Visconti zufolge waren diese Vorrechte allerdings nicht immer direkt mit der Charge verbunden. So habe zwar die surintendante bis zu Madame de Montespan ein Anrecht auf ein tabouret gehabt, was aber nicht mit dem Amt in Verbindung gestanden habe, sondern mit der Tatsache, dass die Amtsträgerinnen bis dahin allesamt Princesses gewesen seien. Dass die Duchesse de Richelieu, dame d’honneur de la reine, den Vortritt vor der Marquise de Montespan, surintendante derselben,

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tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. AN O1 3714, fol. 17v. Vgl. Newton, La petite cour, S. 256. Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 245. Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 203. Vgl. AN O1 3713, fol. 1r–1v. Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 245. Vgl. Newton, La petite cour, S. 254.

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beanspruchte, und zwar »en sa qualit¦ de duchesse«, habe zur Verbindung der »honneurs du Louvre« mit der »surintendance«1018 geführt. Wie der letzte Punkt bereits andeutet, waren die dem Amt der surintendante verbundenen Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten nicht statisch. Ganz im Gegenteil erforderte gerade diese Hofcharge immer wieder aufs Neue die Festlegung derselben und es gab verschiedene Faktoren, die darauf Einfluss nahmen. Dies zeigt sich wie bereits eingangs erwähnt vor allem in den Konfliktfällen, die ausnahmslos von Ludwig XIII. bis Ludwig XVI. im Zusammenhang mit der Errichtung dieser Charge aufkamen. Das große Konfliktpotenzial dieses Postens lag vor allem darin, dass es zwangsläufig Einschnitte in die Kompetenzen der dame d’honneur mit sich brachte, für die die Einführung einer übergeordneten Amtsträgerin geradezu einem Affront gleichkam1019. Bereits im Hofstaat Annas von Österreich hatte die Einsetzung einer surintendante de la maison et finances de la reine et chef de son conseil zur Folge, dass die amtierende dame d’honneur, Laurence de Clermont, Witwe des Conn¦table de Montmorency, ihren Dienst quittierte, da sie es nicht hinnehmen wollte, sich der 18-jährigen Duchesse de Luynes unterzuordnen1020. Auch die Einsetzung einer Favoritin der Königin Maria Antonia, Princesse de Lamballe, in diese wiedereingerichtete Charge im Jahr 1775 führte erneut zu einem »grand schisme et de grandes r¦clamations — la Cour«, da daraus starke Einschnitte in die Würde der dame d’honneur und d’atour folgten, die durch die Existenz einer surintendante ihren ersten Platz am Hof einbüßten1021. Auch unter Ludwig XIV. entzündete sich der Konflikt um die surintendante an den mit dem Dienst bei der Königin verbundenen Ehren und Aufgaben, und das bereits kurz nach Einrichtung der maison de la reine. So scheint es schon für die erste surintendante, die Princesse Palatine, eine entsprechende Regelung gegeben zu haben, die nicht überliefert ist, auf die jedoch im darauffolgenden Streitfall verwiesen wird. Denn erst bei deren Nachfolgerin, der Comtesse de Soissons, erließ der König genau zwei Monate nach ihrer Nominierung am 5. März 1661 ein »Reglement entre la Surintendante et la Dame d’honneur de la Royne«1022, das sich der »differends« zwischen ihr und der Duchesse de Navailles annahm. Dieses rÀglement bot aber noch zu große Unklarheiten und damit Interpretationsspielräume, die bereits

1018 Primi, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 135. 1019 Dies wird auch im Zusammenhang mit der Besetzung der maison de la dauphine berichtet. So habe der König eine »si grande consid¦ration« für die Duchesse de Richelieu empfunden, dass er ihr als dame d’honneur de la dauphine »le d¦go˜t« einer »surintendante au-dessus d’elle« ersparen wollte (Caylus, Souvenirs, S. 65–66). 1020 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 160. 1021 Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 245. 1022 BN, collection Clairambault 814, fol. 675–676.

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wenige Tage später, nämlich am 14. Mai, in einem zweiten rÀglement1023 vor allem durch eine Präzisierung der Aufgaben der dame d’honneur behoben wurden1024. Beide Schriftstücke sind in vielerlei Hinsicht aufschlussreich, denn sie legen sowohl die bereits zuvor erläuterten Faktoren offen, die Entscheidungen beeinflussten, als auch die mit den beiden Chargen verbundenen Aufgaben. Die beiden rÀglements zusammengefasst bestand die Aufgabenverteilung im Großen und Ganzen darin, dass der dame d’honneur prinzipiell alle mit ihrem Hofamt verbundenen Aufgaben oblagen, mit Ausnahme derjenigen, die ausdrücklich der surintendante zugesprochen wurden. Diese Aufgaben lassen sich grob in zwei Bereiche unterscheiden: Funktionen, die direkt die Organisation und die untergeordneten Chargen der chambre betrafen, und Vorrechte, die sich in Ehrendiensten und Raumzuordnung ausdrückten. Gemäß dieser Bestimmungen befahl die surintendante über die chambre, wenn sie sich dort aufhielt, empfing die Eide der officiers und officiÀres derselben und sie beschloss und unterzeichnete gemeinsam mit der dame d’honneur die »rolles de l’argenterie et despence de la Chambre«. Zu ihren Ehrendiensten gehörte es, der Königin u. a. chemise und serviette zu reichen, und sie durfte sich, wenn in der maison de la reine zwei logements zur Auswahl standen, eines aussuchen. Gleichzeitig wiesen die Regelungen auch den Handlungsmöglichkeiten beider Chargen Grenzen auf, indem sie zwar sowohl der surintendante als auch im Falle ihrer Abwesenheit der dame d’honneur gewährten, einen officier wegen Dienstvernachlässigung zu verbieten, doch durfte keine von beiden ihn wieder reetablieren, was allein in der Kompetenz der Königin lag.

5.2.

Dame d’honneur

Nach der surintendante war die dame d’honneur in allen Hofstaaten der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie die höchste Charge1025 und »de toute anciennet¦ la plus belle qu’une Femme de Qualit¦«1026 am Hof bekleiden konnte. Sie entwickelte sich aus der »premiÀre Dame«, wie sie noch in den Hofstaatslisten von Anna von Bretagne Ende des 15. Jahrhunderts vorkam – eine Amtsbe1023 Vgl. BN, Baluze 182, fol. 63r–63v. 1024 Vgl. auch Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 194. 1025 Vgl. Dame, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. 1026 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 192. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 314, der über die Charge der dame d’honneur schreibt, dass sie eine »envie g¦n¦rale« auslöste. Vgl. auch Olivan, Retour souhait¦ ou expulsion r¦fl¦chie?, S. 24.

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zeichnung, die unter Franz I. jedoch zugunsten der »dame d’honneur«1027 zurücktrat. Mit der dame d’atour bildete sie den konstantesten Bestandteil des weiblichen Gefolges. Gab es keine surintendante, so unterstand ihr in der Regel alleine die chambre1028 – vergleichbar mit dem premier gentilhomme de la Chambre du roi –, in der ihr umfangreiche und weitgehende Amtsbefugnisse zukamen, sodass es auch nicht verwundert, dass Frauen, die diesen Hofposten bekleideten, ein gewisses Alter und Erfahrung auszeichnete1029. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, ihrer Herrin bei allen Gelegenheiten zu dienen und zu helfen. Konkret bedeutete dies, dass sie dafür Sorge trug, dass der Dienst in der chambre sichergestellt war, dass also das ihr untergebene Personal der Herrin eifrig diente1030. Während dem theoretischen »chef masculin de la Maison de la reine«1031, dem chevalier d’honneur, die »autorit¦« und das »commandement« über bestimmte Posten der maison-bouche sowie die logis und die garde1032 oblagen, unterstanden der dame d’honneur sowohl die Oberaufsicht über die »suite f¦minine« ihrer Herrin (»commander et gouverner«) als auch das niedere männliche und weibliche Dienstpersonal der chambre1033. Ausdruck ihrer übergeordneten Position war, dass die ihr unterstellten officiers und officiÀres ihren Dienstantrittseid bei ihr ablegten und angehalten waren, ihren Anweisungen Folge zu leisten. Bei Fehlverhalten mussten sie sich vor ihr verantworten bzw. unterlagen ihrer Strafgewalt. Bei Amtsaustritt war sie es auch, die ein »certificat« als Beglaubigung für die jeweilige Dienstzeit ausstellte1034. Auch verfügte die dame d’honneur über das Recht, bestimmte Chargen der chambre zu benennen1035. Neben diesem direkt mit untergebenem Personal verbundenen Bereich war die dame d’honneur für die Einhaltung der »Reglemens et Estats« der maison ihrer Herrin zuständig1036. Vor allem kümmerte sie sich um finanzielle Aspekte und war wie der chevalier d’honneur in die »gestion du budget de la maison« eingebunden1037. Zu ihren Aufgaben gehörte die Verfügungsgewalt über die 1027 Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 123. Vgl. auch Paviot, Êl¦onore de Poitiers, S. 116, wonach es bereits im 15. Jahrhundert in den königlichen Hofstaaten Damen gab, die die Bezeichnung dames d’honneur erhielten. 1028 Vgl. z. B. AN O1 24, fol. Ar-Av. 1029 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486–487. – Siehe auch in der vorliegenden Arbeit das Kapitel »Familienstand und Alter« auf S. 98–100. 1030 Vgl. AN O1 3715. 1031 Newton, La petite cour, S. 256. 1032 Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 251, 254. 1033 Vgl. Newton, La petite cour, S. 261. 1034 Vgl. AN O1 24, fol. Ar-Av ; O1 3715. 1035 Vgl. Newton, La petite cour, S. 254, 255, 260. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXI, S. 23. 1036 AN O1 3715. 1037 Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 123.

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Ausgaben der argenterie der maison, die die chambre betrafen1038. Außerdem autorisierte sie außerordentliche Ausgaben und kümmerte sich um Materialbestellungen und Preisabstimmungen mit den Händlern1039. Dabei stand ihr für die chambre ebenso wie dem premier ¦cuyer und der dame d’atour für ihre jeweiligen Haushaltsbereiche ein Budget zur Verfügung. Gleichwohl war sie dazu angehalten, für »les comptes des d¦penses extraordinaires r¦gl¦es par ordonnance« Belege vorzuweisen1040. Ein Hinweis darauf, welche Handlungsmöglichkeiten in diesem Bereich denkbar waren, liefert Motteville, die schildert, wie die dame d’honneur der Königin sich für die Verbesserung der finanziellen Situation ihrer Herrin eingesetzt haben soll1041. Letztere habe sich über die unzureichenden Mittel beklagt, die ihr zur Verfügung gestellt wurden, um die Ausgaben für aumúnes und plaisirs zu bestreiten. Dies soll ihre dame d’honneur, die Duchesse de Navailles, dem Kardinal Mazarin zugetragen haben, mit dem Rat, die Königin besser zu behandeln. Im höfischen Leben ihrer Herrin nahm die dame d’honneur gleich in mehrfacher Hinsicht eine zentrale Stellung ein. Dies äußerte sich bereits räumlich in dem »magnifique appartement double comme logement de fonction au premier ¦tage de l’aile des Princes, — quelques pas seulement de l’appartement de la reine«1042, das ihr traditionsgemäß zustand. Darüber hinaus war sie am Hof Ludwigs XV. und Ludwigs XVI. die einzige Amtsträgerin, die das Recht hatte, in der »chambre de la Reine« zu schlafen und, mit Anbruch des Tages, die Vorhänge ihres Bettes zurückzuziehen1043. Des Weiteren stand ihr im Hofstaat der Königin eine eigene Tafel zu, die in der höfischen Rangfolge direkt der ihrer Herrin nachgeordnet war1044. Wie die anderen »principaux officiers« war sie dazu angehalten, an dieser das »personnel« der maison mit den in der cuisine bouche und commun zubereiteten Speisen zu verpflegen1045. Dennoch scheint es nur die »¦lite des courtisans« gewesen zu sein, die an dieser Tafel Platz fand und sich je nach Geschlechtszugehörigkeit auf die Tafel der dame d’honneur de la reine und des grand ma„tre du roi verteilte1046. Prinzipiell war die dame d’honneur für die Organisation alltäglicher und außerordentlicher Aktivitäten ihrer Herrin verantwortlich, wobei sich in ihren Tätigkeiten ›praktische‹ und repräsentative Funktionen miteinander verbanden. 1038 Vgl. AN O1 24, fol. Ar-Av. Als Beispiel für entsprechende Dokumente der Duchesse d’Arpajon vgl. AN KK 231, fol. 60r. 1039 Vgl. AN O1 24, fol. Ar-Av. Vgl. auch Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 518. 1040 Newton, La petite cour, S. 329. 1041 Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 138–139. 1042 Newton, La petite cour, S. 261. 1043 Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 247. 1044 Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 85; Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 123. 1045 Chatenet, La cour de France, S. 81. 1046 Ebd., S. 84.

Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume

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Dabei regelte sie das lever und coucher ihrer Herrin, gab Anweisungen für deren Mahlzeiten1047, bediente sie, begleitete sie in die Messe und fuhr bei Reisen in derselben Kutsche1048. Auch trat sie als Repräsentantin der Königin in allen »manifestations officielles« in Erscheinung1049 und erfüllte beispielsweise eine wichtige Funktion beim pompes funÀbres ihrer Herrin1050. Auch kam ihr entsprechend ihres hohen Ranges bei Audienzen und Empfängen eine Vorrangstellung zu, die u. a. darin zum Ausdruck kam, dass sie einen Platz neben der Königin einnahm, wenn Botschafter, deren Ehefrauen und andere Besucher »de marque« dieser vorgestellt wurden1051. Bei diesen Gelegenheiten, aber auch sonst oblag es ihr, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Herrin eine Behandlung entsprechend ihres Standes erfuhr, was in der zeitgenössischen Wahrnehmung auch umfasste, darüber zu wachen, wer diese küssen, in ihrer Gegenwart sitzen oder in ihrer Kutsche fahren durfte1052. Vor allem jedoch kontrollierte und reglementierte sie den Zugang zu ihrer Herrin1053 ; eine Aufgabe die besonders an Bedeutung gewann, wenn diese – wie im Fall der Duchesse de Bourgogne – noch sehr jung war1054. Wollte eine Person eine offizielle Zulassung erlangen, musste sie zunächst dafür angegangen werden1055. Dabei oblag es ihr, »en qualit¦ de dame d’honneur de la Reine«, Besucher in die chambre einzulassen, sie ihrer Herrin namentlich vorzustellen1056, ihnen einen Platz im Saal oder am Tisch zuzuweisen1057 und sie mit Beendigung der Audienz wieder bis an die Tür der chambre zu geleiten1058. Dieser Funktion kam sie nicht zuletzt bei Präsentationen im Rahmen der Erlangung der honneurs de la cour oder bei Botschafterempfängen nach. Wurde Zugang zu einem weiblichen Mitglied der Königsfamilie gesucht, war der Gang zur dame d’honneur somit unausweichlich und entschied

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Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. Vgl. Newton, La petite cour, S. 259; Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 123. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 487. Vgl. BN, ms.fr. 15509, der eine Beschreibung des »Pompe du convoy de la Reyne en l’Eglise de Saint Denys« enthält, aus dem die Rollen und Aufgaben der einzelnen Amtsträgerinnen hervorgehen. Vgl. auch BN, Collection Clairambault 636, fol. 7r–10v. Dort findet sich eine Beschreibung der Ereignisse rund um den Tod der Dauphine Maria Anna von Bayern von der Hand ihrer dame d’honneur, der Duchesse d’Arpajon. Newton, La petite cour, S. 259. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 269–276. Vgl. Newton, La petite cour, S. 259. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. IX, S. 62. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. IX, S. 62. Ein Beispiel dafür bietet die Duchesse du Lude, dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne, bei der mehrere Frauen für die Duchesse de Saint-Simon vorsprachen, damit sie sie bei ihrer Herrin vorließ (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. IV, S. 299–308). Bluche, Les honneurs de la cour. Vgl. z. B. auch Sourches, M¦moires, Bd. XII, S. 259. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486; Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 123. Vgl. Newton, La petite cour, S. 259.

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aufgrund ihrer Einflussnahme nicht selten darüber, unter welchem Vorzeichen die Begegnung stattfand1059. Wurde eine Audienz gewährt, so war auch die dame d’honneur ein wichtiger Bezugspunkt, wenn es um Fragen des Hofzeremoniells ging. Saint-Simon berichtet von einem Vorfall, der sich während der Audienz eines savoyischen Botschafters bei der Duchesse de Bourgogne zugetragen haben soll1060. Anlässlich dieses Ereignisses habe Sainctot, introducteur des ambassadeurs, der Duchesse du Lude, dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne, Anweisung gegeben, dass sie den ambassadeur gemeinsam mit allen dames du palais im antichambre ihrer Herrin empfangen müsse. Daraufhin habe die Duchesse zu bedenken gegeben, dass sie sich nicht daran erinnern könne, dergleichen jemals zuvor bei der Königin oder der Dauphine gesehen zu haben. Letztlich soll sich Sainctot durchgesetzt haben, allerdings zum Missfallen des Königs, da er damit einen Präzedenzfall schuf, auf den sich alle anderen Botschafter beriefen1061, jedoch ohne Erfolg, denn in den danach gewährten Audienzen rückte die Duchesse du Lude nicht von »sa place auprÀs et en arriÀre de Mme la duchesse de Bourgogne.« Ein weiterer Zwischenfall anlässlich einer öffentlichen Audienz für die Ehefrau und Tochter des »ambassadeur d’Hollande« bei der Duchesse de Bourgogne zeigt noch deutlicher auf, welche Rolle der dame d’honneur bei solchen Gelegenheiten zugeschrieben wurde. Hierbei habe die Duchesse de Bourgogne inmitten ihres »cercle«, zur Rechten ihre dame d’honneur, die ambassadrice empfangen, die den Saum ihres Kleides geküsst habe und von der sie wiederum geküsst worden sei, »comme cela est de droit pour toutes les femmes titr¦es«. Als es ihr ihre Tochter gleichtun wollte, indem sie sich nach dem Küssen des Kleidersaums für einen Kuss zuwandte, sei der jungen und am französischen Königshof noch unerfahrenen Duchesse de Bourgogne von der Duchesse de Lude durch ein Kopfzeichen signalisiert worden, der Aufforderung nicht nachzukommen. Damit genügte sie ihrer Aufgabe als dame d’honneur, die mit den höfischen Gepflogenheiten vertraut war und somit in zeremoniellen Belangen ihrer Herrin als Ansprechpartnerin diente, was allerdings nicht verhinderte – so zumindest die Darstellung –, dass Sainctot sich darüber hinwegsetzte, indem er die Duchesse de Bourgogne mit den Worten: »Baisez, Madame; cela est d˜« doch dazu nötigte, was ein großes Getuschel bei den Umstehenden ausgelöst haben soll1062. Zuletzt sei eine weitere Begebenheit angeführt, die in den Quellen im Zusammenhang mit der Duchesse du Lude als dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne beschrieben wird. Dabei geht es um die Marquise de B¦thune, die 1059 1060 1061 1062

Vgl. Bluche, Les honneurs de la cour. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 5–7. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. VI, S. 78–79. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 6–7. Ebd., S. 6–10.

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aufgrund ihrer ehemaligen Position als dame d’atour der bereits verstorbenen Königin, versucht haben soll, eine Veränderung des Zeremoniells zu ihren Gunsten herbeizuführen, indem sie die filles de France küsste. Ihr Vorhaben sei fast von Erfolg gekrönt gewesen, hätte nicht die Duchesse du Lude auf Grundlage ihrer langjährigen Erfahrung am Hof und in ihrer Funktion als dame d’honneur eingegriffen und durch Benachrichtigung des Königs die Marquise zur Aufgabe ihrer »pr¦tention« bewegt1063. Aus all den genannten Beispielen geht hervor, dass in der zeitgenössischen Wahrnehmung der dame d’honneur sowohl aus ihrem Amt als auch aus ihren höfischen Erfahrungen eine Handlungskompetenz erwuchs, die sie nutzte, selbst auf die Gefahr hin, sich bei Fehlentscheidungen vor dem König verantworten zu müssen1064. Dabei tritt sie sowohl als höfische Akteurin auf, die kompetenter war als die weiblichen Angehörigen der Königsfamilie, als auch als wichtige Ordnungsinstanz der höfischen Interaktion1065. Als solche wird sie auch im cercle ihrer Herrin wahrgenommen, in der ihr als dame d’honneur beispielsweise die Beilegung von Konflikten um pr¦s¦ance zugeschrieben wurde1066. All die genannten Fälle verbindet auch die Vorstellung, dass sie im Interesse ihrer Herrin aktiv wurde und – so beispielsweise, wenn sie dem König dringende Informationen überbrachte, die ihre Herrin betrafen1067 – auch ihre privilegierten Zugangsrechte zu »the king’s most private chambers«1068 nutzte, um zu deren unmittelbaren Sprachrohr zu werden. Als solches fungierte sie nicht zuletzt auch in Hinblick auf die Damen des Hofes, denen er über sie seine Entscheidung bezüglich der Teilnahme an der königlichen Tafel mitteilen ließ1069. Ihre Handlungsmöglichkeiten erfuhren lediglich Einschnitte, wenn – wie bereits zuvor angesprochen – eine surintendance geschaffen wurde. Dann oblag ihr – wie ebenfalls aus den oben genannten rÀglements hervorgeht – konkret die Sorge um die filles d’honneur de la reine und, wenn der chevelier d’honneur nicht da war, die Bestimmungsgewalt über die gardes de la porte und die mar¦chaux des logis. Außerdem war sie neben dem bereits genannten Beschließen und Unterzeichnen von »rolles de l’argenterie et Despence de la Chambre«, für die Beschaffung von meubles zuständig, die, wenn die Königin aufhörte sich ihrer zu bedienen, in ihren Besitz übergingen. Als Ehrendienste durfte sie der Königin bei allen Mahlzeiten die serviette reichen und sie musste auch einen bereits 1063 1064 1065 1066 1067

Ders., M¦moires, Bd. III, S. 310–311. Vgl. ders., M¦moires, Bd. XV, S. 51–52. Vgl. ders., M¦moires, Bd. III, S. 308–311. Vgl. ders., M¦moires, Bd. VI, S. 76. Vgl. z. B. ders., M¦moires, Bd. XV, S. 471–472, wonach die Duchesse du Lude den König darüber informierte, dass die Duchesse de Bourgogne eine Fehlgeburt erlitten hatte. 1068 Norberg, Women of Versailles, S. 203. 1069 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 62–64.

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begonnenen Dienst nicht an die surintendante übergeben. Außerdem hatte sie den Vorrang, wenn es nur ein logement in der maison de la reine gab und wenn nur eine Person die Königin begleiten konnte1070.

5.3.

Dame d’atour

Der dame d’honneur untergeordnet war die dame d’atour1071 als zweithöchste weibliche Charge1072. Auch wenn ihr genauer Entstehungszeitpunkt nicht bekannt ist1073, gehört sie spätestens seit dem 17. Jahrhundert zu den konstantesten weiblichen Hofämtern am französischen Königshof, die durchgehend mit mindestens einer Person besetzt waren1074. Bei diesem Hofamt handelt es sich scheinbar um eine Besonderheit des cour de France, da es weder am Münchener noch am Wiener Hof existierte. Am französischen Hof selbst kann sie als Vorsteherin der garde-robe1075 ihrer Herrin am ehesten mit dem grand ma„tre de la garde-robe du roi verglichen werden1076. Wie es der Zusatz »d’atour« bereits verrät, war sie diejenige, die sie schmückte1077. Entsprechend kümmerte sich die dame d’atour um die toilette ihrer Herrin, d. h. sie war zuständig für deren Kleidung, Wäsche und Juwelen1078, wenngleich ihr nicht deren Instandsetzung oblag, sondern wie im Fall des Schmucks ihre Verwahrung1079. Darüber hinaus kam sie vorrangig administrativen und zeremoniellen Aufgaben nach1080, die sich ineinander verschränkten. Als dame d’atour war die jeweilige Amtsträgerin nicht nur bei Audienzen ihrer Herrin anwesend, zu deren Linken sie stand. Sie nahm auch eine Vorrangstellung bei der morgendlichen toilette derselben ein, bei der sie ihr ihre Kleidung reichte. Auch durfte die dame d’atour bei Abwesenheit der dame d’honneur beim Erwachen der Herrin die Vorhänge an deren Bett aufziehen und beim petit couvert und »dans son lit« tätig werden, indem sie 1070 1071 1072 1073 1074 1075 1076 1077 1078 1079 1080

Vgl. ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 337, Fn. 3. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 487. Vgl. Newton, La petite cour, S. 331. Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 248, der davon ausgeht, dass dieses Hofamt bereits sehr lange besteht. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 487. Vgl. Newton, La petite cour, S. 273. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. Vgl. Dame, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 518; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 487. Darauf wird beispielsweise auch bei Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 275, Bezug genommen. Vgl. Newton, La petite cour, S. 273.

Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume

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die Speisen aufdeckte sowie die Teller und die Untertasse darreichte. Im Gegensatz zur surintendante und dame d’honneur besaß sie aber keine direkte Befehlsgewalt über die officiers de la chambre. Entsprechend empfing sie auch keine Eide und präsentierte ihrer Herrin auch kein zukünftiges Personal. Allerdings durfte sie die garÅons und ouvriers bzw. ouvriÀres de garde-robe ernennen, die über ein einfaches brevet verfügten, für das sie keinen Eid leisten mussten1081. Da aber zu ihrem Entscheidungsbereich all das gehört, was die »habits & les ajustemens de la reine« betraf, bedeutete dies konkret auch, dass sie Sorge dafür trug, dass das Dienstpersonal desselben seinen Aufgaben gewissenhaft und mit angemessener Würde nachkam. Auch ordnete sie den femmes de chambre, »charg¦es de l’habillement et de la coiffure«1082, an, was sie für das Ankleiden der Königin für passend hielt, und präsentierte selbst ihrer Herrin den Rock und den Schmuck, den sie ihr auch anlegte. Wenn Schneider und die femmes de chambre sich um den Rest kümmerten, musste dies in ihrer Anwesenheit geschehen1083. Darüber hinaus fungierte sie als »contractor, selecting styles, employing artisans, and paying them for their work.« Auch war sie für die Anschaffung sämtlicher »table and bed linens for the bedchamber and all the royal woman’s clothes« zuständig. Für diese Anschaffung und die Instandhaltung von Stoffen und Wäsche erhielt sie »a substantial allocation taken directly from her mistress’s civil list«1084. Wenn das veranschlagte Budget für ihr d¦partement1085, das sie vom tr¦sorier g¦n¦ral für »estoffes linges et autres hardes«1086 erhielt, nicht ausreichte, wurde von ihr erwartet für notwendige Anschaffungen in Vorkasse zu gehen und sich die dafür aufgewendeten Beträge nachträglich erstatten zu lassen1087. Da allein die Erneuerung der linge alle drei Jahre vorgenommen wurde1088, fielen entsprechende Ausgaben regelmäßig an, was diese Charge sehr kostenintensiv machte. Andererseits konnte die dame d’atour Überschüsse im Budget behalten, sodass es im Gegenzug auch Möglichkeiten der Bereicherung bot, die dieses Hofamt auch außerordentlich lukrativ erscheinen lassen konnten, nicht zuletzt weil es in ihrem Ermessen lag, die Garderobe ihrer Herrin zu erneuern. In der zeitgenössischen Wahrnehmung verfügte sie somit über einen großen finanziellen Handlungsbereich, in dem sie relativ unkontrolliert agieren konnte, was im Fall der Marquise de Mailly, die 1081 1082 1083 1084 1085 1086 1087 1088

Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 248–249. Vgl. auch Newton, La petite cour, S. 273–274. Saint-Simon, M¦moires, Bd. I, S. 86–87, Fn. 5. Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 248. Norberg, Women of Versailles, S. 201. Im Bestand AN O1 3716 sind entsprechende acquits de comptant für ausgezahlte Summen im Hofstaat der Duchesse de Bourgogne überliefert. Vgl. Newton, La petite cour, S. 274, 329. AN KK 231, fol. 59r. Es sind zahlreiche Schriftstücke überliefert, die diese Auszahlungen an die dame d’atour belegen: AN O1 3714, fol. 73v, 80r, 80v. Vgl. z. B. AN O1 56, fol. 122r, 154r, 160r ; 3714, fol. 73v.

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»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern

dame d’atour bei der Duchesse de Bourgogne und danach auch in anderen Hofstaaten war, Kritik hervorgerufen habe. Der Marquise wurde vorgeworfen, ihren Handlungsspielraum sehr stark für sich persönlich und zum Nachteil ihrer Herrin ausgenutzt zu haben, indem sie die Budgetüberschüsse einbehielt. Auch bei ihren Amtsnachfolgerinnen wurde dieses Verhalten moniert1089.

5.4.

Dame

Unter Franz I. wurden die adeligen Frauen im Gefolge der Königin, die der dame d’honneur untergeordnet waren, mit der einfachen Bezeichnung »dames« belegt1090. Diese finden sich auch noch im Hofstaat der Königin Maria Theresia, jedoch erweitert um die sogenannten »dames du palais«1091, die 1664 erstmals erwähnt werden1092 und in die Zuständigkeit der surintendante bzw. der dame d’honneur fielen1093, auch wenn diese kein Anrecht auf ihre Nominierung hatten1094. Dames du palais standen nur der Königin oder – wenn es keine gab – der ersten Dame der Königsfamilie zu, denn sie kennzeichneten den höchsten Frauenhofstaat am cour de France1095. Entsprechend finden sie sich im Untersuchungszeitraum im Gefolge der Königin, der Duchesse de Bourgogne und der Duchesse de Berry. Bei der Dauphine tauchen sie nicht auf, da sie zum Zeitpunkt der Einrichtung ihrer maison 1680 nur die zweithöchste Frau am Hof war. Aber auch der Tod der Königin 1683 führte nicht zur nachträglichen Einführung von dames du palais. Ebenso wenig verzeichnete die maison de madame eine Veränderung, beispielsweise in der Zeit, als Elisabeth Charlotte von der Pfalz zwischen dem Tod der ersten Dauphine (1690) und der Einrichtung der maison der Duchesse de Bourgogne (1696) zur ersten Dame des Hofes aufrückte, denn auch 1089 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXI, S. 235–237. Vgl. auch Newton, La petite cour, S. 275. 1090 Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 123. 1091 Auch am Kaiserhof gab es die sogenannten Palastdamen, die jedoch erst spät in Erscheinung traten. Sie wurden als Ehrentitel an die Ehefrauen hoher Amtsträger verliehen, stellten also eine Ehre für verheiratete, adelige Damen dar (vgl. Keller, Hofdamen, S. 28). 1092 Vgl. Horowski, Die Belagerung des Thrones, S. 25. Vgl. auch EDF 1665, S. 361, wo es heißt: »Il y a encore six autres Dames d’honeur de la Reine«. 1093 Vgl. Newton, La petite cour, S. 261. 1094 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 523, Fn. 14. 1095 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 133–134. Vgl. auch Paviot, Êl¦onore de Poitiers, S. 116. Dort findet sich ein Hinweis darauf, wonach im 15. Jahrhundert hinsichtlich der Bezeichnungen von Hofdamen entschieden wurde. Demnach durfte eine in »maisons de plus bas degr¦, si comme des comtesses, vicecomtesses, baronnesses« dienende Frau nicht als »dame d’honneur«, sondern nur als »dame de compagnie« bezeichnet werden. Ähnliches gilt für Mädchen, die sich ebenfalls nicht »filles d’honneur«, sondern nur »damoiselles ou gentifemmes« nennen dürfen. Und auch die sie beaufsichtigende Frau darf nur bei ihrem Vornamen genannt werden und nicht »mere des filles«.

Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume

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ihr Hofstaat war bereits zu Lebzeiten der Königin eingerichtet worden. Der Hofstaat der Duchesse de Bourgogne, der zu einem Zeitpunkt ins Leben gerufen wurde, als die Königin bereits lange verstorben war, erhielt denselben Status wie eine maison de la reine. Ihre dames pour accompagner wurden aber erst mit ihrem Aufstieg zur Dauphine 1711 in den Hofstaatslisten als dames du palais geführt1096. Die Duchesse de Berry, deren Hofstaat bereits seit 1710 bestand, verfügte zunächst auch nur über die Posten der dame d’honneur und dame d’atour, woran sich auch nach dem Tod der Duchesse de Bourgogne nichts änderte. Erst 1715 wurden in ihren Hofstaat dames pour accompagner aufgenommen1097. In zeitgenössischen Ego-Dokumenten finden sich Hinweise darauf, dass sie im Hofstaat der Königin Maria Theresia ihren Dienst ab 1681 alle gemeinsam ausübten1098, bei ihren Nachfolgerinnen mit Ausnahme großer Ereignisse, an denen alle dames du palais teilnahmen, jedoch nur noch in Vierergruppen, den sogenannten semaines. Diese hätten sich mit Zustimmung der Königin aus Freundinnen oder Verwandten zusammengesetzt, die eine »affinit¦s mutuelles« oder ein »centres d’int¦rÞt en commun« verband. »Ces liens ¦taient si importants qu’une ¦quipe remarqu¦e pour sa d¦votion devint connue comme la ›semaine sainte‹. Une autre fut baptis¦e la ›belle semaine‹.« Dennoch seien die semaines der ungeschriebenen Regel gefolgt, dass die Hälfte der Damen »titr¦es« sein mussten1099. Diese erfüllten zwar unterschiedslos denselben Dienst, genossen jedoch das Vorrecht des tabouret, wodurch sie mit den »dames d’honneur & d’atours«1100 gleichgestellt waren. Unabhängig von der konkreten Bezeichnung bildeten die dames den engen und unmittelbaren Personenkreis um ihre jeweilige Herrin1101, der sie als »suite permanente« sowohl bei ihrer Ankunft in Frankreich empfing1102 als auch im Folgenden als »escorte d’honneur« zur Kirche, zum König, auf Spaziergänge, zu 1096 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 133–134. 1097 Vgl. AN O1 59, fol. 83v–84r, die eine d¦claration vom 25. Mai 1715 enthält, wonach der Hofstaat der Duchesse de Berry um vier dames pour accompagner erweitert wurde. Vgl. aber BN, ms. fr. 22713, fol. 256r, wonach es sich bei den 1715 aufgenommenen adeligen Frauen um dames du palais gehandelt haben soll. 1098 Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 61, wonach 12 dames du palais dafür geschaffen wurden, die Königin überallhin zu begleiten. Sie hätten ihren Dienst wochenweise in Vierergruppen verrichtet. Da dieser Wochendienst von den Damen jedoch nicht reibungslos ausgeführt worden sei, habe der König bestimmt, dass sie sich von der Königin nur mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis entfernen durften. 1099 Newton, La petite cour, S. 261–262. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIV, S. 251. 1100 Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 250. 1101 Vgl. Newton, La petite cour, S. 261. Der Einschätzung Newtons, die dames haben keine konkrete Funktion erfüllt, kann allerdings angesicht der oben genannten Aufgaben nicht zugestimmt werden. 1102 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 269–276.

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»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern

spectacles, Spielen oder zum Essen begleiteten und sich zu bestimmten Zeiten bei ihr einfanden, um ihr Gesellschaft zu leisten1103. Auch bedienten sie sie als »domesticit¦ personnelle«1104 in ihrem Appartement und an der Tafel1105.

5.5.

Gouvernante und sous-gouvernante des filles d’honneur

Über die gouvernantes und sous-gouvernantes des filles d’honneur ist nur wenig bekannt1106. Es scheint, als seien diese Chargen erst im 15. Jahrhundert entstanden. Einer der ersten Belege findet sich am burgundischen Hof, wo sie als mÀre des filles bezeichnet werden. Am französischen Hof tritt diese Charge erstmals bei Eleonore von Österreich in Erscheinung (1531) und ab da in allen »hútels ›f¦minins‹ de la cour«. Mit dem Anwachsen des Personals am Hof kam es auch zu einer Vervielfachung dieser Charge. So unterhielt Katharina von Medici 1547 nicht nur zwei gouvernantes, sondern ebenso viele sous-gouvernantes1107. In der Regel wurde dieser Posten aber nur mit einer Person besetzt, die der dame d’honneur unterstand, in deren Hände sie auch den Diensteid ablegte1108. Unter »gouvernante« wurde eine Frau verstanden, der »la conduitte des enfans, ou des filles de bonne maison« oblag1109. Entsprechend war auch am Hof die gouvernante des filles d’honneur für das Verhalten und die Erziehung der filles der jeweiligen Herrin zuständig1110, d. h. ihre Charge setzte die Existenz von filles d’honneur voraus, was nur in den drei höchsten Hofstaaten der Königin, Dauphine und Madame der Fall war. Da im Untersuchungszeitraum in all diesen maisons royales die filles d’honneur nach und nach aufgelöst wurden, entzog dies auch ihren gouvernantes die Existenzgrundlage, wenngleich sie zumindest in den Hofstaatslisten der maison de la reine weiter aufgeführt werden und auch Belege dafür vorliegen, dass sie auch weiterhin vergütet wurden.

1103 Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486–487. Vgl. auch Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 249. 1104 Newton, La petite cour, S. 261. 1105 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. 1106 Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass es sich bei ihnen um keine hochrangigen Adeligen handelte. 1107 Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 124. Vgl. auch Kircher-Kannemann, Organisation der Frauenzimmer, S. 240, wonach an deutschen Höfen mit der Hofmeisterin für die Fräulein des Hofes eine vergleichbare Position existierte. 1108 Vgl. AN O1 3715. 1109 Gouvernante, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. 1110 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 124.

Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume

5.6.

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Fille d’honneur

Bereits im 14. und 15. Jahrhundert wurde am französischen Hof die Bezeichnung filles d’honneur in Abgrenzung zu den damoiselles d’honneur eingeführt, um ledige Mädchen im Hofdienst von verheirateten Frauen im selben zu unterscheiden1111. In den Hofstaatslisten der Zeit Ludwigs XIV. finden sich hingegen nur filles d’honneur und filles demoiselles1112 für Mädchen und Frauen, die diese Position nur bekleiden konnten, wenn sie unverheiratet waren. Sie kamen nur in den drei höchsten Hofstaaten der Königin, Dauphine und Madame vor und unterstanden der dame d’honneur, auch wenn sie von einer gouvernante bzw. sous-gouvernante des filles beaufsichtigt wurden. Sie leisteten jedoch weder ihren Vorgesetzten noch ihrer Herrin einen Eid und erhielten auch nur ein brevet1113. Bei der Dauphine gab es zeitweise auch eine premiÀre fille d’honneur, die eine Sonderstellung genoss. Im Êtat de la France von 1687 heißt es dazu, dass es der dame d’honneur der Dauphine zustünde, eine ihrer Töchter zur ersten fille d’honneur ihrer Herrin zu machen, ohne dass diese der »inspection de la Gouvernante, ny de la So˜-Gouvernante des autres« unterstand1114. Dieser premiÀre fille d’honneur stand bei c¦r¦monies der Vortritt vor den anderen filles d’honneur zu; auch kam ihr der erste Platz in der Kutsche zu. Ähnliches galt auch für die Tochter des chevalier d’honneur – des männlichen Gegenstücks zur dame d’honneur –, die sich bei bestimmten zeremoniellen Anlässen auch bei den filles d’honneur aufhalten durfte. So habe die Princesse d’Harcourt, Tochter des Comte de Brancas, chevalier d’honneur de la reine-mÀre, mehrfach mit den anderen filles d’honneur beim Abendmahl gedient, die die Königinmutter abhalten ließ. Damit ist auch bereits ein Handlungsbereich angesprochen, der auch 1111 Vgl. Münster, Funktionen der dames et damoiselles d’honneur, S. 342, 354. 1112 Obwohl zwei unterschiedliche Bezeichnungen vorliegen, lässt sich aus ihrer Verwendung keine Regel ableiten. In den Hofstaatslisten, die für den cour des aides erstellt worden sind, ist fast immer von filles damoiselles bzw. demoiselles die Rede (vgl. z. B. für die maison de la reine der Jahre 1660, 1661, 1672, 1677 AN Z1A 511, 512; für die maison de la dauphine der Jahre 1680, 1681, 1687, 1690 AN Z1A 514, KK 231) und für de maison de madame der Jahre 1692, 1694, 1695, 1701 AN Z1A 519). In den publizierten Êtats de la France wird hingegen systematisch zwischen dem Hofstaat der Königin und der Dauphine einerseits und dem Madames andererseits begrifflich unterschieden. In den beiden erstgenannten maisons lautet die Bezeichnung »filles d’honneur« (vgl. z. B. für die Königin EDF 1665, EDF 1674, EDF 1678, EDF 1683 und für die Dauphine EDF 1683, EDF 1687), in dem letztgenannten »filles demoiselles« (Madame EDFs der Jahre 1665, 1674, 1678, 1683, 1687, 1697, 1702). Dies entspricht der bei Paviot, Êl¦onore de Poitiers, S. 116, vorgenommenen Unterscheidung für das 15. Jahrhundert, wonach eine niedrigere maison sich auch bei der Bezeichnung der filles von einem höherrangigen unterscheiden sollte. 1113 Vgl. z. B. AN O1 24, 334r–334v ; 3715. 1114 EDF 1687, S. 623–624.

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in Ego-Dokumenten in Zusammenhang mit filles d’honneur thematisiert wurde, nämlich im Rahmen religiöser Praktiken aktiv zu werden. So gehörte es zu den zeitgenössisch denk-, sag- und machbaren Aufgaben der filles d’honneur de la reine und de la dauphine, anlässlich großer Messen unter den Anwesenden für die Armen zu sammeln1115. Innerhalb der maison ihrer jeweiligen Herrin gehörte es zu ihren Tätigkeiten, diese an ihrer Tafel zu bedienen, aber nur, wenn sie angekleidet war. Andernfalls wurde dies von den femmes de chambre übernommen1116. Zudem bestand laut Laverny eine wichtige Funktion der filles darin, dem »palais un air de fÞte perp¦tuelle« zu verleihen und vor allem darin »les mœurs de la cour« zu verfeinern, womit sie sich im Handlungsrahmen des Hofdamenideals bewegten1117. Ein wichtiger Sinn und Zweck dieser Chargen lag darin, unverheirateten adeligen Mädchen und Frauen die Möglichkeit zu bieten, eine höfische Erziehung zu erfahren. So heißt es bei FuretiÀre: »Filles de la Reyne & des Princesses, sont des filles d’honneur qu’on met aupr¦s d’elles pour estre eslev¦es — la Cour.«1118 Somit stellte der Hof nicht nur für junge Männer einen wichtigen Ort der Sozialisation dar, sondern auch für junge Frauen, was von der Forschung bisher noch nicht ausreichend berücksichtigt worden ist1119. So betont auch Calvi mit Bezug auf Guido Guerzoni für Frauen und Männer des Adels die Bedeutung von »displacement as a key element in acquiring manners and languages, in the fashioning of identities, as well as in the active integration to foreign court rituals and spaces«1120. In den Augen ihrer Herkunftsfamilie lag ein weiterer wichtiger Grund für die Bekleidung des Postens einer fille d’honneur durch ihre Töchter darin, sie ihrem Stand entsprechend zu versorgen1121 und eine möglichst günstige Eheschließung herbeizuführen. Entsprechend wird die Suche nach einem Ehemann im zeitgenössischen Verständnis als eine zentrale Handlungsmöglichkeit der ledigen filles beschrieben. So habe Mademoiselle de Poitiers, fille d’honneur im Hofstaat der Madame, Primi Visconti »corps et –me« dafür geboten, wenn er ihr »le 1115 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XI, S. 354–355, der beschreibt, welche Komplikationen sich daraus ergaben, als nach der Auflösung der »chambres des filles« jeweils eine »dame de la cour« zu dieser Aufgabe herangezogen werden sollte. Vgl. zu demselben Konflikt auch Sourches, M¦moires, Bd. VIII, S. 254. 1116 Vgl. z. B. EDF 1665, S. 362. 1117 Laverny, Les domestiques commensaux, S. 156. 1118 Fille, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. 1119 Vgl. Guerzoni, Guido: Strangers at home. The Courts of Este Princesses between XVth and XVIIth Centuries, in: Moving elites: Women and Cultural Transfers in the European Court System, S. 141–156. 1120 Calvi, Introduction, S. 2. 1121 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 23.

Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume

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tabouret, c’est-—-dire un mari duc ou prince«1122, verschaffen würde. Im Rahmen der Handlungsmöglichkeiten einer fille lag aber auch, sich einer eben solchen Eheschließung zu erwehren. Ein Beispiel dafür bietet Mademoiselle de Rambures, fille d’honneur de la dauphine, die die Aufmerksamkeit Monseigneurs auf sich gezogen haben soll, was den König wiederum dazu veranlasst habe – um »d¦sordres« in der chambre des filles zu verhindern –, sie zu verheiraten. Mademoiselle de Rambures soll sich der königlichen Wahl eines potenziellen Ehegatten jedoch widersetzt und eine eigene, dem König missfallende getroffen haben. Dies sei ihr von Ludwig XIV. zwar zugebilligt worden, aber unter dem Vorbehalt, dass sie unter diesen Umständen nicht mehr damit rechnen dürfe, am Hof zu leben, woraufhin sie sich dennoch ihren Auserwählten geheiratet und fortan in Paris gelebt haben soll. In diesem Zusammenhang wird hervorgehoben, dass sie ihrer Freiheit, nämlich einen Mann zu heiraten, der diese nicht einschränkte, gegenüber dem Aufenthalt am Hof den Vorzug gegeben habe. Ein gegenteiliges Beispiel bietet sich in Gestalt einer anderen fille d’honneur, deren Handlungsmöglichkeiten weitaus passiver beschrieben werden, denn sie sei aufgrund des Liebeswerbens eines Mannes von der ihr übergeordneten dame d’honneur vom Hof entfernt worden1123. Somit schien eine Grenze ihrer Handlungsspielräume in der Gefährdung ihrer Tugendhaftigkeit zu liegen, wobei interessanterweise nicht der diese durch sein verhalten bedrohende Mann den Hof verlassen musste, sondern die dadurch kompromittierte ledige Amtsträgerin.

5.7.

Gouvernante und sous-gouvernante des enfants de France

Außer der chef du conseil et surintendante de la maison de la reine war die hochrangigste Position, die eine Frau am Hof einnehmen konnte, die der gouvernante des enfants de France1124. Als solche stand sie an der Spitze des Personals, das für die »premiÀre ¦ducation« der Königskinder in deren ersten sieben Lebensjahren zuständig war1125. Sie wurde persönlich vom König ernannt, legte ihren Eid direkt bei ihm ab1126 und konnte auch nur mit Zustimmung des cour des pairs entlassen werden. Ihre große Bedeutung ergab sich daraus, dass 1122 Primi, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 120. 1123 Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 74, 79. 1124 Hier wird die gouvernante des enfants de France stellvertretend für die anderen gouvernantes behandelt. 1125 Newton, La petite cour, S. 304. Die männlichen Kinder wurden im Alter von sieben Jahren in die Hände männlichen Dienstpersonals übergeben, das der Autorität eines gouverneur unterstand. 1126 Vgl. AN O1 48, fol. 82v.

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ihr mit der Erziehung der Königskinder, inklusive des Thronfolgers, gewissermaßen die Zukunft des Königreichs in die Hände gelegt war1127. Welch eine vertrauensvolle Aufgabe sich damit verband, zeigt sich in verschiedenen Formulierungen der Bestallungsurkunden und des Treueeids, den sie ablegen musste1128. In ihnen wird darauf verwiesen, dass der König sich im Hinblick auf den Dienst bei den Königskindern völlig auf sie verließ1129 und sie ihn über alles in Kenntnis setzen sollte, das wichtig für das Wohlergehen der Kinder war1130. So bestand ein Teil ihrer Aufgaben darin, dem König häufig und regelmäßig in Audienzen oder im Fall seiner Abwesenheit schriftlich über die Entwicklung und Gesundheit der Königskinder sowie ihren Aufenthaltsort und den Wechsel von Personal in ihrer maison zu unterrichten1131. Auch wurde sie dazu verpflichtet keine Geschenke, Pensionen oder Gratifikationen anderer Fürsten anzunehmen1132 und auch sonst all das zu tun, was der Pflicht einer guten und weisen gouvernante entsprach1133. Wie wichtig ihre Aufgabe genommen wurde, zeigt sich auch in den umfangreichen und detaillierten Instruktionen, die für diese Charge im Gegensatz zu anderen erlassen worden sind1134. Da die gouvernante des enfants de France sowohl Erzieherin der Königskinder als auch surintendante de leurs maisons und damit Vorstand ihres Hofstaats war1135, spiegelten die thematisierten Aufgabenbereiche diese Doppelfunktion, die in ihrem Umfang die aller anderen weiblichen Amtsträgerinnen übertrafen1136. Als gouvernante des enfants de France begannen ihre Verpflichtungen bereits bei der Niederkunft der Königin, Dauphine und Duchesse de Bourgogne, deren Kinder als fils und filles bzw. petits-fils und petites-filles de France in ihre Obhut übergingen1137. Sie sollte bereits bei den Geburten anwesend sein und das ihr 1127 Vgl. Newton, La petite cour, S. 304. 1128 Die Aufgaben und Zuständigkeiten der gouvernante spiegeln sich beispielsweise auch in einem Briefwechsel wider, den Ludwig XIV. mit der gouvernante des enfants de France, der Mar¦chale de la Motte-Houdancourt, mindestens zwischen dem 21. Mai 1667 und dem 11. Juni 1692 unterhielt (vgl. BN, ms. fr. 10261). 1129 Vgl. AN O1 10, fol. 225v ; 48, fol. 82r ; 66, fol. 110. 1130 Vgl. AN O1 48, fol. 83r; AN 273 AP 389, fol. 2. 1131 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 203. Vgl. auch BN, ms. fr. 10261. 1132 Vgl. AN O1 48, fol. 83r; AN 273 AP 389, fol. 2. 1133 AN 273 AP 389, fol. 2. 1134 Dies zeigt sich besonders deutlich im »Receuil g¦n¦ral de tout ce qui peut interesser la charge de gouvernante des enfans de France et surintendante de leurs maisons«, der im 18. Jahrhundert angefertigt worden ist (vgl. AN 273 AP 389). Auch für den Münchener Hof stellte Kägler fest, dass »Instruktionen für die Amtsträgerinnen der kurfürstlichen Kinder wesentlich umfassender [waren] als Instruktionen, die für Amtsträgerinnen im Hofstaat der Kurfürstin erstellt wurden« (dies., Frauen am Münchner Hof, S. 78). 1135 Vgl. AN O1 48, fol. 81v ; AN K 1723, 204. 1136 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 196. 1137 Zu den Aufgaben der gouvernante des enfants de France bei Geburt und Tod eines Kindes vgl. AN 273 AP 389, fol. 175–191.

Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume

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untergebene Dienstpersonal dazu anweisen, Vorkehrungen zu treffen, um das Neugeborene direkt nach der Entbindung zu versorgen1138. Entsprechend wurde es sofort gebadet, einer Nottaufe unterzogen und ihr übergeben1139. Im Folgenden war sie bis zum 7. Lebensjahr des Kindes für seine Ernährung1140, Gesundheit1141 und erste Erziehung zuständig1142. Letztere umfasste die »mœurs et actions« der Kinder mit »prudence« zu regeln1143, ihre Seelen zur Tugend zu erheben, ihren Geist vor Laster und schlechten Gewohnheiten zu schützen und ihre Fehler zu korrigieren1144. Um diesen Aufgaben nachzukommen, sollte sie sich ständig bei ihren Schützlingen aufhalten1145, d. h. im Zimmer neben dem Prinz oder der Prinzessin schlafen und sich nur mit Erlaubnis des Königs entfernen. Auch sollte sie möglichst bei allen Aktivitäten des Kindes anwesend sein – so wenn es gewogen, gesäugt, gefüttert und schlafen gelegt wurde –, um sicherzustellen, dass die für seine Gesundheit notwendigen Vorkehrungen getroffen wurden1146. Da der Thronfolger selbst im Kindesalter »was due the same respect as the king«1147, war sie auch dafür verantwortlich, dass der Dienst an ihm mit eben diesem Respekt verrichtet wurde1148. Da ihr mit Amtsantritt »le plain et entier pouuoir« über die maison des enfants verliehen wurde1149, war sie in allen Belangen des Hofstaats die letzte Instanz. Ihr unterstand das Dienstpersonal der maison, das seinen Eid bei ihr ablegen musste1150 und ihr zu Gehorsam verpflichtet war1151. Darüber hinaus stand es der gouvernante zu, einige places der maison selbst zu ernennen, »par une attribution particuliere a sa charge la quelle a toujours ¦t¦ confirm¦e par l’usage.«1152 Entsprechend setzte sie auch den König, wenn dieser nicht am Hof weilte, über

1138 1139 1140 1141 1142 1143 1144 1145 1146 1147 1148

1149 1150 1151 1152

Vgl. AN 273 AP 389, fol. 4. Vgl. Newton, La petite cour, S. 303. Vgl. AN O1 10, fol. 225r–225v ; 48, fol. 82r, 82v ; 66, fol. 110; AN 273 AP 389, fol. 1. In dem bereits erwähnten Briefwechsel zwischen Ludwig XIV. und der Mar¦chale de la Motte-Houdancourt wird in fast jedem Schreiben die Gesundheit der Königskinder thematisiert (vgl. BN, ms. fr. 10261). Vgl. AN O1 10, fol. 225r–225v ; 48, fol. 82r, 82v ; 66, fol. 110; AN 273 AP 389, fol. 1. AN O1 48, fol. 83r. Vgl. auch AN 273 AP 389, fol. 2. Vgl. AN O1 48, fol. 83r; AN 273 AP 389, fol. 2. Vgl. AN O1 10, fol. 225v ; 48, fol. 82r ; 66, fol. 110. Vgl. AN 273 AP 389, fol. 6. Norberg, Women of Versailles, S. 197. Vgl. AN 273 AP 389, fol. 6. Vgl. auch Norberg, Women of Versailles, S. 197, die darauf hinweist, dass solches Protokoll scheinbar nur für den Dauphin als »male heir to the throne« beachtet wurde, während der Umgang mit den filles de France, die ebenfalls im selben Hofstaat untergebracht waren, nicht vergleichbar ritualisiert war. AN O1 48, fol. 82r. Vgl. auch ebd. 10, fol. 225v. Vgl. AN 273 AP 389, fol 3. Vgl. AN O1 66, fol. 111. AN 273 AP 389, fol. 67.

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»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern

Wechsel von Amtsträgern im Gefolge der enfants de France in Kenntnis1153. Des Weiteren erteilte sie »un Privilege de gantier et un de cordonnier, pour chacun de Messeigneurs les enfans de France qui lui sont confi¦s«1154. Der gouvernante oblag es, dafür Sorge zu tragen, dass der Dienst an den enfants de France durch das Personal sichergestellt wurde1155 und es seinen Pflichten nachkam1156. Entsprechend war sie dazu angehalten, Befehle und Anweisungen zu erlassen, die ihr für den Dienst an den Kindern nützlich und notwendig erschienen1157. Dass das Dienstpersonal der maison ihrer Befehlsgewalt unterstand, zeigte sich auch darin, dass sie am Ende eines jeden Quartals jedem »officiers d¦tach¦s de la maison« ein »certificat de service« als Beleg ihres Dienstes und Legitimation für die ihnen zustehenden Bezüge ausstellen sollte. Zu ihren Verpflichtungen als Vorstand der maison des enfants de France gehörte es auch, falls ein Kind verstarb, »en faveur de toute la Chambre« beim König vorzusprechen. So richtete sich beispielsweise die Mar¦chale de la Motte-Houdancourt beim Tod des Duc de Bretagne mit einem »Demende« an den König, indem sie sich sowohl für die ganze chambre als auch für einzelne Dienerinnen einsetzte, wobei es in erster Linie um finanzielle Belange ging1158. Die Aufgaben der gouvernante umfassten auch ganz konkrete finanzielle und materielle Bereiche der chambre. Demgemäß wies sie Ausgaben für die Kinder und ihre maison an1159. Erwartete eine weibliche Angehörige der Königsfamilie ein Kind, veranlasste sie die Anschaffung der für seine Versorgung notwendigen layette. Ging es in die Obhut der Männern über oder verstarb es, so bescheinigte sie die Rückgabe der »meubles de la Chambre celles des retenües, la vaisselle d’argent, la toilette et toutes choses« ließ die linge zusammenbinden, und zwar all das, was nicht benutzt wurde, am schönsten war und beim nächsten Kind wieder verwendet werden konnte. Über die gebrauchte Kleinkindwäsche durfte sie frei verfügen, sodass sie sie mit Zustimmung des Königs an Frauen der maison und die nourrices der Kinder verteilte. Als surintendante de la maison kontrollierte sie in Absprache mit den huissiers auch den Zugang zu den Königskindern und bestimmte bei Audienzen »l’ordre et l’heure« derselben. Im Verlauf der Letzteren nahm sie den Platz rechts von der Wiege des Königskindes ein, während die sous-gouvernante zur Linken positioniert war, vorausgesetzt es gab noch keine survivanciÀre der gouvernante, 1153 1154 1155 1156 1157 1158 1159

Vgl. BN, ms. fr. 10261. AN 273 AP 389, fol. 13. Vgl. AN O1 48, fol. 82r; 66, fol. 110. Vgl. AN O1 10, fol. 225v ; 48, fol. 83r ; AN 273 AP 389, fol. 2. Vgl. AN O1 10, fol. 225r–225v ; 48, fol. 82r–83r ; 66, fol. 110. AN 273 AP 389 [ohne Paginierung]. Vgl. AN O1 10, fol. 225v ; 48, fol. 82r; 66, fol. 110. Vgl. auch für quittances, die die gouvernante und sous-gouvernante für verteilte Gelder ausgestellt habe z. B. AN K 1723, 204.

Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume

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die diesen für sich beanspruchen konnte. Auch war es die gouvernante des enfants de France, die im Namen ihres Schützlings reverences erbrachte und auf discours antwortete. Ebenso regelte sie bei diesen Anlässen die Ehren, die den beteiligten Personen zustanden. Nicht zuletzt oblag ihr der Schutz der Königskinder, was sich zum einen darin äußerte, dass sie »un ordre tres expr¦s a toutes les personnes qui sont attach¦es aux enfans de France« erteilen konnte1160, zum anderen darin, dass sie bei Abwesenheit des Königs der Garde Befehl geben durfte, wobei sie allerdings nur als »organe« ihres minderjährigen Schützlings auftrat1161. Die gouvernante des enfants de France fand bei ihren vielfältigen Aufgaben Unterstützung durch teilweise mehrere sous-gouvernantes des enfants de France1162, die ihren Eid bei ihr ablegten1163 und ihren Anweisungen unterstanden1164. In den »Êtats de la France« heißt es, dass sie in Abwesenheit der gouvernante deren Funktionen ausübte1165, wobei sie – laut der ihnen erteilten provisions – mit denselben »pouuoirs et authoritez« ausgestattet waren. Gleichwohl unterstand sie auch dann den ordres der gouvernante und legte dieser Rechenschaft ab1166. War die gouvernante hingegen anwesend, so bestanden die Aufgaben der sous-gouvernante darin, sie zu einer bestimmten Tageszeit beim Kind abzulösen. Sie selbst durfte sich nur zum Essen oder mit Genehmigung der gouvernante vom Kind entfernen, was dazu beitrug, dass die »fonction de sous-gouvernante […] trÀs exigeante« war, denn sie musste, selbst wenn es mehrere Amtsträgerinnen gab, alle zwei Tage von 9 bis 20 Uhr ihren Dienst verrichten, bevor sie sich in die »chambre des petits princes«1167 zurückzog, um zu schlafen. Auch musste sie immer in robe de cour gekleidet sein, es sei denn, sie wurde von der gouvernante davon befreit, wenn beispielsweise der Hof abwesend war und an einigen anderen Tagen, an denen das Kind nicht zum König gebracht wurde1168 – Gelegenheiten, bei denen sie ihm das Kind präsentierte1169. Bei Audienzen stand sie zur Linken des Kindes, »presque en face de Madame la Gouvernante«. Sie folgt dem Kind bei Spaziergängen, Bällen und bei allen anderen

1160 1161 1162 1163 1164 1165 1166 1167 1168 1169

Vgl. AN 273 AP 389, fol. 40. Ebd., fol. 9. Vgl. Newton, La petite cour, S. 308. Vgl. AN 273 AP 389, fol. 3. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Dokumente im AN 273 AP 389 und den Provisionen für die Dame de la Lande vom 23. Mai 1704 (vgl. AN O1 48, fol. 112v–113v) und Suzanne de Valicourt, Dame de Villefort (vgl. AN O1 53, fol. 174v–175v). Vgl. EDF 1697, S. 24. Vgl. AN 273 AP 389, fol. 3. Newton, La petite cour, S. 309. Vgl. AN 273 AP 389, fol. 15. Vgl. auch Norberg, Women of Versailles, S. 197. Vgl. BM, Venel, S. 29.

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Ausgängen, wenn es die gouvernante für angemessen erachtete, wobei ihr die Ehre zukam, in der Kutsche des Kindes Platz nehmen zu dürfen1170. Das große Potenzial, das bereits zeitgenössisch in den Chargen der gouvernante und sous-gouvernante des enfants de France wahrgenommen wurde, lag in dem täglichen und engen Kontakt mit den Königskindern und darüber mit dem König selbst begründet. So boten sich sowohl Gelegenheiten im regelmäßigen Umgang mit dem Monarchen, bei ihm einen positiven Eindruck zu hinterlassen1171, als auch durch das Aufbauen einer vertrauensvollen Bindung zu den enfants de France, und damit auch dem Thronfolger, eine Investition für die Zukunft zu tätigen1172. Nicht zuletzt der Fall der Duchesse de Ventadour und ihres Schützlings, des späteren Königs Ludwig XV., zeigt, dass es sich bei der gouvernante unter Umständen um »the most prominent mother figure in the future king’s life«1173 handeln konnte.

6.

Amtsdauer1174

Adelige Amtsträgerinnen versahen ihren Dienst im Gegensatz zu ihren männlichen Amtskollegen, die im ganz-, halb- oder vierteljährlichen Turnus wechselten1175 und dadurch immer wieder Gelegenheit hatten, sich vom Hof zu ent1170 Vgl. AN 273 AP 389, fol. 14–15. 1171 Vgl. BM, Venel, S. 29–30. Gemäß der über ihr Leben verfassten Memoire hat Madame de Venel bei einer solchen Gelegenheit ihre Schlagfertigkeit gegenüber einem Mann unter Beweis gestellt und damit das Gefallen des Königs erregt, der sie »publiquement« unter Hervorhebung ihrer Herkunft dafür lobte, denn nichts gefiele ihm so wie »l’esprit, et le Naturel des ProvenÅaux.« 1172 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 357, der im Zusammenhang mit Madame de Marey, die zunächst en survivance ihrer Mutter, der Mar¦chale de Grancey, den Posten einer gouvernante des enfants des Duc d’Orl¦ans bekleidet hatte, berichtet, dass der König und Madame de Maintenon damit rechneten, dass sie dame d’atour der Duchesse de Berry werden würde, da sie sie erzogen hatte und ihr verbunden schien. 1173 Norberg, Women of Versailles, S. 203. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXII, S. 351, wonach die Duchesse de Ventadour dem zukünftigen Ludwig XV. das Leben rettete, indem sie ihn unterstützt durch die femmes de la chambre nicht zur Ader ließ und auch kein Heilmittel verabreichte. 1174 Wie auch im Zusammenhang mit anderen quantitativen Erhebungen bereits angeführt, handelt es sich auch hier um eine rechnerische Realität, die zudem durch eine lückenhafte Überlieferungslage erschwert wird. 1175 Vgl. Laverny, Les domestiques commensaux, S. 7. Vgl. auch Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 136, die darauf aufmerksam macht, dass anhand der Quellen nicht immer eindeutig rekonstruierbar ist, welche Chargen in welchen Intervallen ausgeübt worden sind. In der Regel versahen die chef de service, die officiers ordinaires waren, ihr Hofamt durchgehend, während die ihnen untergeordneten serviteurs par quartier dienten. Vgl. auch Primi, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 143–145.

Amtsdauer

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fernen1176, entweder durchgehend oder im Wochenrhythmus1177. Da ihre Aufgaben die unmittelbare Nähe zur Herrin erforderten, waren auch ihr ständiger Aufenthalt und damit eine dauerhafte Unterbringung am Hof, wo sie das ganze Jahr über lebten, notwendig1178. Selbst Schwangerschaften und Eheschließungen stellten für eine dauerhafte Präsenz kein Hindernis dar. Letztere vor allem auch, weil es immer wieder zu Heiraten zwischen Amtsträgern kam. Wenn sich Amtsträgerinnen vom Hof entfernten, dann nur für kurze Zeiträume und meist aufgrund einer Erkrankung oder der Pflegebedürftigkeit bzw. des Todes eines Familienmitglieds1179. Da ihre männlichen Amtskollegen den Hof jedoch immer wieder aufgrund militärischer, administrativer und diplomatischer Aktivitäten verließen1180 und im Grunde nur Amtsträgerinnen durchgehend am französischen Hof verweilten, geht Leferme-FalguiÀres sogar soweit, diesen als »avant tout f¦minine«1181 zu bezeichnen. Ungeachtet der dauerhaften Präsenz am Hof und der Tatsache, dass wichtige Hofposten zwar nicht erblich, jedoch prinzipiell auf Lebenszeit vergeben wurden1182, variierte die konkrete Amtsdauer stark1183. Einige Amtsträgerinnen besetzten ihr Hofamt nur wenige Monate, andere hingegen über Jahrzehnte. Beeinflussende Faktoren waren dabei das plötzliche Ausscheiden aus einem 1176 Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 80. 1177 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. Vgl. aber Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 136, die für den Königinnenhofstaat im 16. Jahrhundert feststellt, dass manche Hofdamen in mehreren Frauenhofstaaten gleichzeitig ihren Dienst versahen, sodass die Vermutung naheliegt, dass sie ihren Dienst par quartier in mehreren Haushalten verrichteten. Dies war unter Ludwig XIV. nicht mehr der Fall. 1178 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486, 536. Vgl. aber Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 350–351, wonach in München das die »Momentaufnahmen des höfischen Alltags« im Gegensatz zu den Dienstinstruktionen den Schluss nahelegen, dass nie das »gesamte Gefolge der Fürstin« durchgehend am Hof anwesend war. Dafür sorgten bereits »die spezifischen Präsenzzeiten der Hofämter« und die wechselnden »Dienstwochen«. 1179 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 223–224. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. VI, S. 165, der im Zusammenhang mit dem Tod des Ehemannes der Comtesse de Mailly, dame d’atour der Duchesse de Bourgogne, anführt, dass sie daraufhin ihren Dienst sechs Wochen unterbrach und damit dem Beispiel der dame d’atour de la reine folgte. 1180 Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 137, wonach selbst die chevaliers d’honneur der Königin Katharina von Medici sich immer wieder für militärische und diplomatische Angelegenheiten vom Hof entfernten, da sie zudem Gouverneure oder Botschafter waren. 1181 Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 536. 1182 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, 45, Fn. 46. 1183 Vgl. Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 57–58, Fn. 238, die darauf hinweist, dass Beginn und Ende einer Dienstzeit selten präzise festgestellt werden können, da sie nur unregelmäßig vermerkt wurden. Auch für den französischen Königshof kann somit nur die Ermittlung von Richtwerten und nicht von exakten Dienstzeiten vorgenommen werden.

180

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Hofamt durch den Tod der jeweiligen Inhaberin, deren Wechsel in ein anderes Hofamt oder der Verlust einer Charge durch Ungnade. Eine zentrale Rahmenbedingung war die Dauer des Bestehens der jeweiligen Frauenhofstaaten, die mit der Eheschließung der Herrin zusammengestellt und mit ihrem Tod wieder aufgelöst wurden und somit im Gegensatz zur maison du roi nur zeitlich begrenzt die Möglichkeit boten, ein Hofamt zu bekleiden. Die unterschiedliche Dauer des Bestehens der einzelnen Hofstaaten führte dazu, dass Hofämter in der maison der Madame beispielsweise über 60 Jahre ausgeübt, während entsprechende Posten bei der Duchesse de Berry höchsten 10 Jahre bekleidet werden konnten1184. Ein weiterer wichtiger Faktor war die Tatsache, dass bereits existierende Hofämter unter bestimmten Umständen auch abgeschafft wurden. Einen besonderen Fall stellen im Untersuchungszeitraum die filles d’honneurs dar. Ihre Amtszeit war im Gegensatz zu der anderer Amtsträgerinnen per se eingeschränkt, da sie mit ihrer Verheiratung ihr Hofamt aufgeben mussten. Darüber hinaus wurden sie 1674 im Hofstaat der Königin und 1687 in dem der Dauphine gänzlich abgeschafft, ebenso wie die damit verbundenen Posten der gouvernante und sous-gouvernante, sodass sich die Höchstdauer ihrer Amtszeit im Fall der maison de la reine auf 14 Jahre und der maison de la dauphine auf 8 Jahre reduzierte. Im Hinblick auf die personale Entwicklung der unterschiedlichen Hofstaaten ergibt sich zunächst ein Befund, der nicht weiter verwundert: Je kürzer eine maison bestand, desto geringer waren die Veränderungen, die sie durchlief. Je länger sie existierte, desto häufiger lassen sich Fluktuationen beobachten. Die ›stabilsten‹ Hofstaaten waren entsprechend auch diejenigen, die am kürzesten bestanden, wie die maison der Duchesse de Berry, die maison der Dauphine Maria Anna von Bayern und der Duchesse de Bourgogne. Der Hofstaat der Duchesse de Berry, der zwischen 1710 und 1719 existierte, erfuhr die wenigsten Veränderungen. Es kam nur einmal zum Wechsel der dame d’atour1185 und nach dem Tod Ludwigs XIV. zu dem zweier dames pour accompagner1186. Im Hofstaat der ersten Dauphine Maria Anna von Bayern blieben die Posten der dame d’atour und seconde dame d’atour von 1680 bis 1690 durchgehend von jeweils einer Amtsträgerin besetzt1187. Auch die dame d’honneur wechselte nur einmal 1184 Die einzelnen Hofstaaten bestanden wie folgt: Madame 61 Jahre, Königin 23 Jahre, Duchesse de Bourgogne 17 Jahre, Dauphine 11 Jahre und Duchesse de Berry 10 Jahre. 1185 Hierbei handelt es sich um Marie-Louise de la Chauss¦e-d’Eu d’Arrest, Marquise de la Vieuville, die durch Marie-Guyonne de Rochefort-Th¦obon, Marquise de Pons-SaintMaurice, abgelöst wurde. 1186 Bei den beiden Frauen handelt es sich um Marie-FranÅoise-Ang¦lique d’Aydie de Rions, Comtesse d’Aydie, und Marie-Therese de Hautefort, Marquise de Laval. 1187 Die erste dame d’atour war Madeleine de Montmorency-Laval, Mar¦chale de Rochefort. Die zweite FranÅoise d’Aubign¦, Marquise de Maintenon, Mätresse und spätere morganatische Ehefrau Ludwigs XIV.

Amtsdauer

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16841188. Etwas mehr Bewegung wiesen hingegen die filles d’honneur auf, die ihre Posten zwischen 2 und 9 Jahre ausübten1189. Auch die sie betreuende sous-gouvernante wurde ausgetauscht und gleich durch zwei neue Amtsträgerinnen ersetzt1190, während die gouvernante des filles d’honneur ihren Posten bis zur Auflösung ihrer Schützlinge behielt1191. Ebenso stabil zeigten sich die vierzehn Amtsträgerinnen der Duchesse de Bourgogne, von denen sechs ihre Position über das gesamte Bestehen des Hofstaats zwischen 1696 und 1712 bekleideten1192 und in dem selbst die anderen Damen ihre Posten 151193, 131194, 121195, 101196, 61197 und 51198 Jahre ausübten. Der Hofstaat der Königin und vor allem der der Madame existierte länger und zeigte auch mehr Veränderungen. In der maison de la reine, die von 1660 bis 1683 bestand, hatten allein den Posten der surintendante nacheinander drei Frauen inne1199, wobei eine Amtsinhaberin ihn 19 Jahre ausübte1200. Die Charge der dame d’honneur bekleideten vier Frauen für jeweils 4 bis 8 Jahre1201. Weitaus stabiler war der Posten der dame d’atour, der durchgehend von einer Frau und 1188 Anne Poussart de Fors du Vigean, Duchesse de Richelieu, verstirbt 1684. Ihre Nachfolge wird von Catherine Henriette de Harcourt de Beuvron, Duchesse d’Arpajon, angetreten. 1189 Die Verteilung stellt sich wie folgt dar : Marie-Madeleine-AgnÀs de Gontaut-Biron und Marie-Louise de Laval-Montmorency 9 Jahre; Marie-Armande de Rambures 8 Jahre; Louise-Madeleine de Clermont-Tonnerre, Mademoiselle Navailles und Louise de GontautBiron 5 Jahre; Mademoiselle Jarnac 6 Jahre; Claude-Charlotte de Gramont de Toulongeon, Mademoiselle de Gramont 4 Jahre; Sophie-Marie de BaviÀre, Comtesse de Levenstein 3 Jahre; Th¦rÀse-Marie Gigault, demoiselle de Bellefonds, und Marie-Êlisabeth de Gramont de Toulongeon, Mademoiselle de Sem¦ac 2 Jahre. 1190 Mademoiselle de Pradon wurde durch Marie de Fleury und Angelique des Essars ersetzt. 1191 Marguerite Boucher d’Orsay, Marquise de Montchevreuil. 1192 Dabei handelte es sich um die dame d’honneur Marguerite-Louise de B¦thune, Duchesse du Lude, die dame d’atour Marie-Anne-FranÅoise de Sainte-Hermine, Comtesse de Mailly, und folgende dames pour accompagner : Catherine-FranÅoise d’Arpajon, Comtesse de Roucy ; Th¦rÀse-Marie Gigault de Bellefonds, Marquise du Ch–telet; Marie-MadeleineAgnÀs de Gontaut-Biron, Marquise de Nogaret; Marie-Anne de la Vergne de Guilleragues, Marquise d’O; Lucie-F¦licit¦ de Noailles, Comtesse d’Estr¦es; Marie-FranÅoise d’Albert de Chevreuse, Marquise de L¦vis. 1193 Lucie-F¦licit¦ de Noailles, Comtesse d’Estr¦es, und Marie-FranÅoise d’Albert de Chevreuse, Marquise de L¦vis. 1194 Sophie-Marie de BaviÀre, Marquise de Dangeau. 1195 Louise Sublet, Marquise de Montgon. 1196 FranÅoise-Charlotte-Amable d’Aubign¦, Comtesse d’Ayen, ab 1704 Duchesse de Noailles. 1197 Marie-Victoire-Sophie de Noailles, Marquise de Gondrin, und Marie-Th¦rÀse de Noailles, Marquise de la ValliÀre. 1198 FranÅoise de Pompadour de LauriÀre, Marquise de Courcillon. 1199 Anne de Gonzague de ClÀves, Princesse Palatine; Olympe Mancini, Comtesse de Soissons; FranÅoise-Athenas de Rochechouart, Marquise de Montespan. 1200 Olympe Mancini, Comtesse de Soissons, bekleidete den Posten von 1661 bis 1679. 1201 Suzanne de Baud¦an, Mar¦chale Navailles; Julie d’Angennes, Duchesse de Montausier ; Anne Poussart de Fors du Vigean, Duchesse de Richelieu; Anne-Armande de Lusignan de Saint-Gelais de Lansac, Duchesse de Cr¦quy.

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ihrer Schwiegertochter en survivance gehalten wurde1202. Ähnliches lässt sich auch für die dames feststellen, die bis auf drei Ausnahmen in sechs Fällen durchgehend von einer Person besetzt waren1203, ebenso wie die gouvernante und die sous-gouvernante des filles1204. Die meisten Veränderungen ereigneten sich bei den 1674 abgeschafften filles d’honneur1205. Der Hofstaat der Madame bestand am Längsten und wies die stärkste Fluktuation auf, was nicht unwesentlich in Verbindung steht mit dem Tod der ersten Ehefrau des Monsieur und seiner Neuverheiratung. Da zwischen beiden Ereignissen nur etwas mehr als ein Jahr verging, lassen sich zwischen den Hofstaaten der ersten und zweiten Madame Kontinuitäten ausmachen: Die dame d’honneur1206, dame d’atour1207, gouvernante des filles d’honneur1208 und zwei filles d’honneur1209 gelangten von der maison Henriette Annas von England in den von Elisabeth Charlotte von der Pfalz. Dennoch weist die maison de madame in allen weiblichen Hofämtern zahlreiche Neubesetzungen auf, so wurden beispielsweise die dame d’honneur1210 und dame d’atour1211 vier Mal neu vergeben, wobei die einzelnen Amtsträgerinnen ihr Hofamt mindestens 8 und im Einzelfall auch über 20 Jahre ausübten. Große Kontinuität zeichnete den Posten der gouvernante des enfants de France aus. Dieser wurde zwar in der persönlichen Regierungszeit Ludwigs XIV.

1202 Anne-Marie de Beauvillier de Saint-Aignan, Comtesse de B¦thune, und Marie-Louise de la Grange d’Arquien, Marquise de B¦thune. 1203 Madame de Brisacier, Comtesse de Hombourg; Madame de Brisacier-Montriche; Madame Colbert; Madame de Saumery ; Madame de Vatteville; Madame de Morainville; Madame la Marquise de PopeliniÀre. 1204 Gouvernante des filles war durchgehend Madame de Rouvroy. Sous-gouvernante war zunächst für vier Jahre Mademoiselle de MeziÀres und für die folgende gesamte Bestehenszeit der maison Mademoiselle de Chassigny, die selbst nach Auslösung der filles d’honneur in den Hofstaatslisten weitergeführt wurde. 1205 Marie-Louise de la Grange d’Arquien, Louise-Philippe de CoÚtlogon, Mademoiselle de Motte-Houdancourt, Mademoiselle Usa de Salusse, Mademoiselle de Lauzun, Mademoiselle des Autelz, Mademoiselle de Brisacier, Marie-Louise Rouxel de M¦davy de Grancey, Anne de Longueval, Mademoiselle de la Marck, Lydie de Rochefort de Th¦obon, AdriennePhilippine-Th¦rÀse de Lannoy, Mademoiselle de Rouvroy, Helene Fourr¦ de Dampierre und Marie-Êlisabeth de Ludres. 1206 Colombe de Charron, Mar¦chale du Plessis-Praslin. 1207 Henriette de Gordon-Huntley. 1208 Anne de Bourgogne. 1209 Helene Fourr¦ de Dampierre und Marie-Êlisabeth de Ludres. 1210 Colombe de Charron, Mar¦chale du Plessis-Praslin; Marie-Louise le Loup de Bellenave, Marquise de Cl¦rambault; Charlotte-Êl¦onore-Madeleine de la Motte-Houdancourt, Duchesse de Ventadour ; Marie de Brancas-Villars, Duchesse de Brancas. 1211 Henriette de Gordon-Huntley ; Marie de Durfort-Duras, dite Madame de Durasfort; Marie-Rosalie de Brouilly de Piennes, Marquise de Ch–tillon; Anne de Foudras de Ch–teautiers.

Amtsdauer

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nacheinander von drei Amtsträgerinnen ausgeübt1212, doch hielten diese ihn in zwei Fällen über Jahrzehnte. Zunächst bekleidete Louise de Prie, Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt, die Charge zwischen 1664 und 1709. Dann Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de La Motte-Houdancourt, Duchesse de Ventadour, als ihre Nachfolgerin, die das Amt ab 1704 als survivanciÀre zuerst parallel und von 1709 bis 1744 alleine versah. Weitaus mehr Veränderungen unterlag hingegen die Charge der gouvernante der Kinder des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans, in der sich fünf Amtsträgerinnen abwechselten, die die Position zwischen 3 und 23 Jahre innehatten1213. Zusammengefasst ergibt die Dienstdauer der Amtsträgerinnen in den berücksichtigten Frauenhofstaaten folgendes Bild: Die Hälfte der Damen (52,88 %) verbrachte bis zu 10 Jahre im Hofdienst, die andere Hälfte mindestens 10 Jahre und länger, wobei ein Drittel (28,85 %) 10 bis 20 Jahre blieb und 18,27 % sogar 20 Jahre und länger. Bei den filles d’honneur hingegen gab es durch die bereits erwähnten Einschränkungen mit 84,31 % ein starkes Übergewicht der kurzen Dienstzeiten. Weniger als 5 Jahre bekleideten 45,1 % der ledigen Mädchen und Frauen diese Position. Weitere 39,21 % verblieben 5 bis 10 Jahre im Dienst. Lediglich eine Minderheit von 15,68 % diente 10 bis 20 Jahre. Der Vergleich mit den Dienstzeiten von Amtsträgerinnen im Hofstaat Annas von Österreich zeigt, dass dieser Befund einem generellen Trend in der Entwicklung dieses Bereichs entsprach, nämlich den hin zu einer dauerhaften Bekleidung von Hofposten1214. Während von den 129 identifizierten Amtsträgerinnen1215 im Gefolge Annas ein Drittel der Damen ein Hofamt 5 bis 10 Jahre ausübte, 22 % 10 bis 20 Jahre, jedoch nur 6 % mehr als 20 Jahre, sind es im Hofstaat ihrer Nachfolgerin Maria Theresia von Spanien zwar gleichbleibend 27,5 % aller Hofdamen, die 5 bis 10 Jahre im Dienst blieben, und 7,5 %, die nur 10 bis 15 Jahre dienten, doch überstieg die Anzahl der Amtsträgerinnen, die 15 bis 20 und länger bei ihrer Herrin Dienst versahen mit insgesamt 45 % bei weitem den ihrer Vorgängerin. Ein Befund, der sich auch durch die Amtszeiten in den anderen Frauenhofstaaten des Untersuchungszeitraums bestätigt1216. 1212 Julie d’Angennes, Duchesse de Montausier ; Louise de Prie, Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt; Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de La Motte-Houdancourt, Duchesse de Ventadour. 1213 Suzanne-Charlotte de Gramont, Marquise de Saint-Chamond; Louise-FranÅoise Bouthillier de Chavigny, Mar¦chale de Cl¦rambault; Marie-Anne Olivier de Leuville, Marquise d’Effiat; Charlotte de Mornay, Mar¦chale de Grancey ; Marie-Louise Rouxel de M¦davy de Grancey, Comtesse de Marey. 1214 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 531; Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 82. 1215 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 527. 1216 So fiel der Anteil der Frauen, die weniger als 5 Jahre dienten, mit 25 % geringer aus als im Hofstaat Annas von Österreich, ebenso der Anteil des weiblichen Gefolges das 5–10 Jahre

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Die einzige Abweichung lässt sich mit Blick auf die filles d’honneur feststellen, die im Hofstaat Annas von Österreich zu 52 % weniger als 5 Jahre, zu 25 % 5 bis 10 Jahre und zu 21 % 10 bis 15 Jahre verweilten. Lediglich ein Mädchen blieb über 20 Jahre in ihrem Amt1217. Bei der Königin Maria Theresia von Spanien waren die filles d’honneur, die weniger als 5 Jahre dienten, mit 66,6 % noch zahlreicher. Dafür jedoch der Anteil derjenigen, die 10 bis 15 Jahre blieben, fast identisch (20 %) und die filles, die 5 bis 10 Jahre blieben, deutlich geringer (13,3 %). Unter Hinzuziehung der Dienstzeiten der filles d’honneur in den drei höchsten Hofstaaten relativiert sich dieser Befund jedoch wieder. Der Anteil der Mädchen und Frauen, die weniger als 5 Jahre blieben, lag bei 45,1 %, und der, die 5 bis 10 Jahre blieben, bei 39,21 %. Das heißt, fast 85 % der filles blieben kürzer als 10 Jahre und lediglich 15 % länger. Diese Ergebnisse lassen sich zum einen darauf zurückführen, dass filles d’honneur ihr Hofamt aufgeben mussten, sobald sie heirateten, was ihre Amtszeit per se gegenüber der anderer Amtsträgerinnen verkürzte. Zum anderen schränkte sie sich im Untersuchungszeitraum in zwei Hofstaaten zusätzlich dadurch ein, dass die chambres des filles in der maison de la reine 1674 und in der maison de la dauphine 1687 aufgelöst worden waren, sodass eine fille der Königin letztlich nicht mehr als 14 Jahre und eine der Dauphine nicht mehr als 8 Jahre dienen konnte. Umso bezeichnender erscheint es, dass sich selbst bei den so eingeschränkten Posten der filles d’honneur die Tendenz zu längeren Dienstzeiten wiederfindet, die sie auch von Hoffräulein an anderen zeitgenössischen Höfen unterschied1218. Dass sich die Entwicklung hin zu langen Amtszeiten unter Ludwig XIV. fortsetzte und sogar verstärkte, könnte damit in Zusammenhang stehen, dass sich im Gegensatz zum Hof Ludwigs XIII. die Rahmenbedingungen verbessert hatten, sodass sie weitaus mehr dazu angetan waren, eine dauerhafte Amtsausübung zu gewährleisten. Im Gegensatz zum Hofstaat Annas von Österreich, der im Laufe seines 50-jährigen Bestehens (1616–1665) mehrfach auf Veranlassung ihres Ehemannes ›Säuberungen‹ unterzogen worden war und auch die Auflösungen von Hofposten1219 und den Statuswechsel von dem einer Königin zu der einer Regentin und schließlich Königinmutter erlebte, war die maison von Maria Theresia von Spanien, die nur für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum ihr Hofamt versah und bei 27,88 % lag. Diejenigen, die 10–15 Jahre blieben, sind mit 11,54 % identisch. Die, die 15–20 Jahre ihr Amt ausübten, lagen jedoch mit 17,31 % höher. Die größte Abweichung zeigt sich jedoch bei den Amtsträgerinnen, die mehr als 20 Jahre Dienst taten (18,27 %). 1217 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 531. 1218 Am Münchener Hof lag die Dienstzeit von Hoffräulein bei durchschnittlich fünf bis acht Jahren. Die Mehrheit übte ihre Posten jedoch weniger als fünf Jahre und teilweise nur wenige Monate aus, bis sie durch eine Heirat wieder ausschieden (vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 95). 1219 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 531.

Karrieren

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von fast 24 Jahren (1660–1683) existierte und entsprechende Eingriffe – bis auf die Auflösung der filles d’honneur – nicht verkraften musste, weitaus stabiler, was sich nicht zuletzt auch in der Anzahl der Inhaberinnen von Frauenhofämtern widerspiegelt, die mit 52 weit unter den 129 ihrer Vorgängerin lag.

7.

Karrieren

Die Übernahme eines Hofamts in der Königsfamilie stellte für adelige Frauen neben dem Eintritt in ein Konvent1220 bzw. Damenstift1221 eine der wenigen Möglichkeiten dar, auf institutioneller Ebene eine Position zu bekleiden und eine Karriere einzuleiten1222. Aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit und der daraus resultierenden begrenzten rechtlichen Stellung war es ihnen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, andere Karrierewege zu beschreiten1223. Aber auch am Hof waren ihnen nicht alle Bereiche zugänglich. Während adelige Männer im Fürstendienst hohe kirchliche Würden, Hofämter und Verwaltungspositionen anstrebten, eine militärische Laufbahn einschlugen1224 oder als Gesandte mit diplomatischen Angelegenheiten betraut wurden, waren diese ihren weiblichen Standesgenossinnen weitgehend unzugänglich. Zwar konnten sie sich bei der Erlangung der höchsten Positionen in Staat und Kirche für ihre männlichen Angehörigen einsetzen, ihnen selbst blieben aber religiös, militärisch und administrativ konnotierte Hofämter verwehrt, sodass sich ihre Karrieremöglichkeiten auf den persönlichen Dienst in der chambre der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie und den Hofstaat der Königskinder beschränkte1225. 1220 Vgl. Harris, English aristocratic women, S. 48; Kettering, The patronage power of early modern french noblewomen, S. 822. 1221 Vgl. Asch, Europäischer Adel, S. 111. 1222 Kettering betont auch, dass die Karrieremöglichkeiten von adeligen Frauen noch eingeschränkter waren als die nichtadeliger, da Letzteren Betätigungsfelder in Handel und Industrie offenstanden, die für erstere nicht standesgemäß waren (vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 66–67). 1223 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 195; Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft, Absatz 1. 1224 Vgl. Asch, Europäischer Adel, S. 217; Motley, Mark: Becoming a french aristocrat. The education of the court nobility 1580–1715. Princeton 1990, S. 9; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 101, 104; Scott, Hamish M./Storrs, Christopher: Introduction: The consolidation on noble power in Europe, c.1600–1800, in: The European Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth Centuries. Bd.1: Western Europe. Hrsg. v. Hamish M. Scott. London und New York 1995, S. 45. 1225 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 207. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 55, die für den Münchner Hof ebenfalls feststellt, dass »die Strukturen des Hofes Männern weitaus mehr Möglichkeiten als Frauen« eröffneten.

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Dennoch stellte die Berufung in einen der königlichen Hofstaaten den Höhepunkt einer weiblichen Laufbahn dar, denn diese Positionen waren sehr begehrt und entsprechend stark umkämpft1226. Auch erwiesen sich die damit verbundenen Beschränkungen und mangelnden Alternativen außerhalb des Hofdienstes geradezu als Vorteil, da sie lange Dienstzeiten begünstigten, die wiederum mit dauerhaftem Aufenthalt am Hof verbunden waren, was Amtsträgerinnen erst recht zu wichtigen höfischen Akteuren machte. Auch begünstigte diese Einschränkung die Ausbildung regelrechter Hofkarrieren. Von den 138 ermittelten Amtsträgerinnen am Hof Ludwigs XIV. wechselten 24 von einem Hofamt in ein anderes, wobei sie – bis auf wenige Ausnahmen1227 – einen hierarchischen ›Aufstieg‹ vollführten, sei es in Hinblick auf den Hofstaat oder das konkrete Hofamt1228. Dass adelige Amtsträgerinnen am französischen Königshof überhaupt Karrieren in diesem Sinne absolvieren konnten, ist im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Höfen eine Besonderheit, die sonst nur »Männern im Hof- und Staatsdienst«1229 zukam. Am bereits erwähnten Wiener Hof war es Frauen beispielsweise nicht möglich Karriere zu machen, geschweige denn einen »cursus honorum« zu durchlaufen, da »die fast ausnahmslos praktizierte Bindung der Amstinhabe an die Ehelosigkeit eine Kontinuität von Ämterlaufbahnen behinderte.«1230 Auch am Hof in München, mit ähnlichen Ausgangsbedingungen, existierte für weibliche Bedienstete keine »klassische Hofkarriere, in der es gelang, nahtlos immer höhere Ämter aneinanderzureihen«1231. Die begrenzte 1226 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 198. 1227 Die Ausnahmen betrafen zwei Amtsträgerinnen (Colombe de Charron, Mar¦chale du Plessis-Praslin; Anne de Bourgogne), die sowohl im Hofstaat der ersten Madame als auch der zweiten dieselbe Charge bekleideten, und drei ›Abstiegsfälle‹ (Anne Poussart de Fors du Vigean, Duchesse de Richelieu; Lydie de Rochefort de Th¦obon; Mademoiselle de Rouvroy), in denen die Amtsträgerinnen zwar denselben Posten ausübten wie zuvor, jedoch in einem niedrigrangigeren Hofstaat. 1228 Karriere wird hier als die Ausübung von mehr als einem Hofamt verstanden, das sowohl den Aufstieg in der Amtshierarchie als auch die wiederholte Ausübung einer bestimmten Charge in unterschiedlichen Hofstaaten umfasste. Der damit verbundene hierarchische Aufstieg innerhalb der Hofgesellschaft entspricht dem Karriereverständnis im deutschsprachigen Raum (vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 403). 1229 Ebd., S. 404. 1230 Keller, Hofdamen, S. 185–186. Daher plädiert Keller auch im Zusammenhang mit adeligen Frauen für ein erweitertes Verständnis von »Karriere«, das losgelöst ist von Amtsinhabe als alleiniges Kriterium. Dabei stellt sie heraus, dass ein »Hofamt zwar ein Aspekt von Karrieren adliger Frauen war […] in seiner sozialen Relevanz in ein größeres Spektrum« eingeordnet werden muss. So versteht sie gelungene Ehen und die Mehrung familiärer Ressourcen durch erfolgreiches Agieren in sozialen Netzwerken oder durch Verwaltung von Familienbesitz als Teil weiblicher Karrieren. 1231 Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 56–57. Eine ›Karriere‹ war höchstens mit Unterbrechung möglich. – Auch Kägler spricht sich für einen erweiterten Karrierebegriff bei

Karrieren

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Anzahl der Frauen überhaupt offenstehenden Hofämter schränkte die Aufstiegschancen noch weiter ein1232. Für adelige Frauen am französischen Hof hingegen, die – wie bereits dargestellt – größtenteils nicht ihr Amt mit einer Eheschließung ablegen mussten, sondern ganz im Gegenteil der Status als Verheiratete geradezu die Ausübung eines Hofpostens bedingte, stand prinzipiell einer Karriere im Hofdienst nichts im Wege1233. Auch wurde die Entfaltung von Hofkarrieren dadurch begünstigt, dass vergleichweise viele Hofämter zugänglich und die maisons royales keine »systÀmes ferm¦s«1234 waren. Fluktuationen zwischen ihnen waren möglich und fanden auch statt. Eingeschränkt wurden sie jedoch durch die begrenzten »employment and advancement opportunities« für adelige Frauen1235 und durch die unterschiedlichen Zeiträume, in denen die Hofstaaten der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie existierten, die nur bestimmte Bewegungen zuließen, während sie andere ausschlossen. So waren Wechsel möglich zwischen der maison de la reine, de madame und de la dauphine, da sie fast durchgehend oder zumindest zeitweise parallel zueinander existierten. Zwischen diesen Hofstaaten kam es im Untersuchungszeitraum auch zu den meisten Bewegungen1236. Fluktuationen zwischen dem Hofstaat der Madame, der Duchesse de Bourgogne und der Duchesse de Berry, die ebenfalls zeitliche Überschneidungen aufwiesen, waren ebenfalls möglich, kamen aber nicht vor. Hingegen gab es Bewegungen zwischen Hofstaaten, deren Existenz zeitlich weit auseinanderlag. So zwischen dem der Königin und dem der Dauphine hin zur maison der Duchesse de Bourgogne und der Duchesse de Berry, während dies umgekehrt ausgeschlossen war. Ein Wechsel in die und aus der maison des enfants de France

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höfischen Amtsträgerinnen aus. Auch sie versteht in »Anlehnung an den offeneren englischen Begriff ›career‹« darunter den »chronologische[n] Ablauf von Positionen am Hof, der jeweils einschließt, dass sich die Ausrichtung der Amtsträgerinnen nicht allein auf besoldete Ämter beschränkte, sondern dass sie nach ihrer Anstellung als Hofdame oder Kammerfräulein auch als Gattin eines – höherrangigen – Amtsträgers innerhalb der Hofgesellschaft weiterhin eine Position mit Zutritt zum Hof oder auch zum Frauenzimmer innehaben konnte.« (ebd., S. 404) Vgl. ebd., S. 57. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 487. Newton, La petite cour, S. 365. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 56. Kettering schließt aus den begrenzten »employment and advancement opportunities« auf eine geringere Fluktuation bei Hofämtern, die von Frauen bekleidet wurden. Aus dem Hofstaat der Königin kam es zu den meisten Wechseln, auch in andere Hofstaaten. Zwei Amtsträgerinnen wechselten in den Hofstaat der Dauphine, eine in den der Duchesse de Bourgogne, in zwei Fällen kam es zum Wechsel in Hofstaat Madames und weiteren zwei Fällen in den Hofstaat der Königskinder. Von der maison der Dauphine gab es lediglich vier Wechsel und auch nur in den Hofstaat der Duchesse de Bourgogne. Vom Hofstaat Madames gab es Wechsel in den Hofstaat der Königin und den Hofstaat der Königskinder.

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war fast im gesamten Untersuchungszeitraum möglich1237, da sie von 1661 bis 1715 durchgehend bestand. Der Austausch zwischen den einzelnen Hofstaaten erfolgte sowohl ein- als auch beidseitig1238, wobei manche Hofstaaten sowohl Ausgangs- als auch Endpunkt von Karrieren waren, andere hingegen nur das eine oder das andere. Karrieren verliefen zwar in den meisten Fällen über Hofstaatsgrenzen hinaus1239, konnten sich aber auch innerhalb einer maison entwickeln1240. Erfolgte der Aufstieg über den letztgenannten Weg, vollzog er sich hin zu den höchsten Posten der surintendante, dame d’honneur oder dame d’atour. Gelang der Karriereschritt jedoch über Hofstaatsgrenzen hinaus, so war er entweder ebenfalls verbunden mit einem Aufstieg in ein höheres Amt1241 – wobei die in der Ämterhierachie überwundenen Stufen meist kleiner ausfielen (wie z. B. von einer fille zu einer dame) – oder die bisherige Position wurde auch im neuen Hofstaat beibehalten1242, was je nach Rang der neuen maison einem Auf- oder Abstieg gleichkam. 1237 Tatsächlich kam es im Untersuchungszeitraum nur zu einem Austausch zwischen der maison des enfants de France und dem Hofstaat der Königin und dem Madames. 1238 Einseitiger Austausch fand von der Königin zur Dauphine und Duchesse de Bourgogne sowie von der Dauphine zur Duchesse de Bourgogne statt. Beidseitiger Austausch fand zwischen dem Hofstaat der Königin einerseits und dem Madames und der enfants de France andererseits statt. 1239 Beispiele dafür sind: Julie d’Angennes, Duchesse de Montausier ; Marguerite-Louise de B¦thune, Comtesse de Guiche, dann Duchesse du Lude; Madeleine de MontmorencyLaval, Mar¦chale de Rochefort; Magdeleine de Gaillard de Longjumeau de Ventabren de Venel; Marie-Madeleine-AgnÀs de Gontaut-Biron; Sophie-Marie de BaviÀre, Comtesse de Levenstein; Th¦rÀse-Marie Gigault de Bellefonds; Louise-FranÅoise Bouthillier de Chavigny, Mar¦chale de Cl¦rambault; Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de La Motte-Houdancourt, Duchesse de Ventadour. 1240 Karrieren, die sich innerhalb einer maison entwickelten, existierten nur bei der Königin, Madame und der Duchesse de Berry. Im Hofstaat der Dauphine und der Duchesse de Bourgogne hingegen nicht. z. B. FranÅoise-Athenas de Rochechouart, Marquise de Montespan; Anne-Armande de Lusignan de Saint-Gelais de Lansac, Duchesse de Cr¦quy ; Marie-Louise de la Grange d’Arquien, Marquise de B¦thune; Anne de Foudras de Ch–teautiers. 1241 Beispiele dafür sind: Marguerite-Louise de B¦thune, Comtesse de Guiche, dann Duchesse du Lude; Madeleine de Montmorency-Laval, Mar¦chale de Rochefort; Catherine-FranÅoise d’Arpajon, Comtesse de Roucy ; Marie-Madeleine-AgnÀs de Gontaut-Biron, Marquise de Nogaret; Sophie-Marie de BaviÀre, Comtesse de Levenstein; Th¦rÀse-Marie Gigault de Bellefonds, Marquise du Ch–telet; Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de La MotteHoudancourt, Duchesse de Ventadour ; Marie-Anne-FranÅoise de Sainte-Hermine, Comtesse de Mailly ; Marie-Guyonne de Rochefort-Th¦obon, Marquise de Pons-SaintMaurice. 1242 Dies trifft beispielsweise zu auf: Mademoiselle de Chassigny, Marie-Anne-FranÅoise de Sainte-Hermine, Comtesse de Mailly ; Mademoiselle de Rouvroy ; Helene Fourr¦ de Dampierre; Marie-Êlisabeth de Ludres; Anne de Bourgogne; Louise de Prie, Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt.

Karrieren

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Der Anlass und damit Zeitpunkt für einen Karriereschritt war dabei meist die Neubildung eines Hofstaats1243, die Vakanz einer Charge oder der Tod der bisherigen Herrin, der gleichbedeutend mit dem Verlust des Postens in ihrer maison war, wobei die Übernahme in einen anderen Hofstaat nicht selbstverständlich und zwingend erfolgte1244. Ebenso wenig stellte es eine Selbstverständlichkeit dar, überhaupt in ein neues Hofamt zu gelangen, da einzelne Personen »nur sehr selten nacheinander verschiedene Chargen« besaßen, die sie auch so gut wie nie anhäuften1245. Entsprechend kann der Fall von Madame de Venel, die zwischen 1669 und 1683 in den Hofstaatslisten gleichzeitig als dame der Königin und sous-gouvernante des enfants de France geführt wurde, als Ausnahme betrachtet werden. Doch obwohl es am französischen Königshof auch keinen formalen »cursus honorum« gab – Karriereschritte somit keinen strikten Regeln folgten – lassen die von adeligen Amtsträgerinnen eingeschlagenen Laufbahnen Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten erkennen. Ein Großteil der Karrieren begann mit dem Posten einer fille d’honneur1246 oder dame1247, umfasste selten mehr als einen Karriereschritt1248, konnte dabei aber gleich mehrere Stufen in der Ämterhier1243 Es gibt dabei zwei Zeitpunkte, zu denen Bewegungen zwischen diesen verzeichnet werden können. Zum einen als die erste Madame 1670 verstarb in Richtung Hofstaat der Königin und dann mit Einrichtung der maison der zweiten Madame wieder zurück. In beiden Fällen betraf es die filles d’honneur. Zum anderen zum Zeitpunkt der Einrichtung der maison der ersten Dauphine 1680. 1244 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 46, Fn. 49. 1245 Ebd. Vgl. auch Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 136, wonach für den Hofstaat der Königin im 16. Jahrhundert nachweisbar ist, dass manche Hofdamen in mehreren Frauenhofstaaten gleichzeitig ihren Dienst versahen. Vgl. auch Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 67, die davon ausgeht, dass aufeinanderfolgende Haushaltsposten als Lohn für guten und loyalen Dienst vergeben wurden. 1246 So beispielsweise die Karrieren von: Marie-Louise de la Grange d’Arquien, Marquise de B¦thune; Henriette de Gordon-Huntley ; Anne de Foudras de Ch–teautiers; Marie-Louise Rouxel de M¦davy de Grancey, Comtesse de Marey ; Catherine-FranÅoise d’Arpajon, Comtesse de Roucy ; Marie-Madeleine-AgnÀs de Gontaut-Biron, Marquise de Nogaret; Sophie-Marie de BaviÀre, Marquise de Dangeau; Th¦rÀse-Marie Gigault de Bellefonds, Marquise du Ch–telet. 1247 Als dame begannen u. a. folgende Frauen ihre Laufbahn: Anne-Armande de Lusignan de Saint-Gelais de Lansac, Duchesse de Cr¦quy ; Marguerite-Louise de B¦thune, Comtesse de Guiche, dann Duchesse du Lude; Madeleine de Montmorency-Laval, Mar¦chale de Rochefort; Magdeleine de Gaillard de Longjumeau de Ventabren de Venel; Marie-Guyonne de Rochefort-Th¦obon, Marquise de Pons-Saint-Maurice. 1248 Hier seien nur einige Beispiele erwähnt: Anne-Armande de Lusignan de Saint-Gelais de Lansac, Duchesse de Cr¦quy ; Marie-Louise de la Grange d’Arquien, Marquise de B¦thune; Marguerite-Louise de B¦thune, Comtesse de Guiche, dann Duchesse du Lude; Madeleine de Montmorency-Laval, Mar¦chale de Rochefort; Magdeleine de Gaillard de Longjumeau de Ventabren de Venel; Mademoiselle de Chassigny ; Catherine-FranÅoise d’Arpajon, Comtesse de Roucy ; Marie-Madeleine-AgnÀs de Gontaut-Biron, Marquise de Nogaret; Sophie-Marie de BaviÀre, Marquise de Dangeau; Th¦rÀse-Marie Gigault de Bellefonds,

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archie überwinden. Die Karrieren waren in den meisten Fällen kontinuierlich, wurden aber auch unterbrochen, wobei zwischen den beiden ausgeübten Hofposten teilweise mehrere Jahre lagen. Solche ›Pausen‹ wurden meist durch den Tod der jeweiligen Herrin oder Auflösung von Hofposten eingeleitet. Der Wiedereinstieg erfolgte entweder in das ursprüngliche Amt1249 oder war mit einem Aufstieg verbunden1250. An den nicht kontinuierlichen Laufbahnen zeigt sich etwas, was in allen Karrieren adeliger Amtsträgerinnen zum Tragen kam, nämlich, dass die Ausübung eines Hofpostens sich als dauerhafte Investition erweisen konnte, die den Zugang zu weiteren Hofämtern begünstigte. Bemerkenswert erscheint hierbei – vor allem vor dem Hintergrund des Wiener Hofes –, dass die Posten einer fille d’honneur nicht zwangsläufig mit der Verheiratung der betreffenden Frauen zu einem Ende der Karriere führen mussten, sondern ganz im Gegenteil in zahlreichen Fällen Beginn bzw. Sprungbrett derselben waren1251. Die Karrieren dauerten zu 67,86 % länger als 15 Jahre und verankerten die entsprechenden Amtsträgerinnen über Jahrzehnte am Hof. Damit betonen sie den generellen Trend zur langen Dienstzeit weiblicher Amtsträger, wie er im vorhergehenden Kapitel bereits festgestellt worden ist. Ausgesprochen lange Karrieren absolvierten die beiden gouvernante des enfants de France, nämlich Louise de Prie, Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt1252, die ihre Hofämter 46 Jahre bekleidete, und ihre Tochter, die Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de La Motte-Houdancourt, Duchesse de Ventadour1253, deren Laufbahn sogar 60 Jahre umfasste und bis in die Regierungszeit Ludwigs XV. ragte.

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Marquise du Ch–telet; Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de La Motte-Houdancourt, Duchesse de Ventadour ; Anne de Foudras de Ch–teautiers. Ein Beispiel hierfür bieten die filles d’honneur der ersten Madame, Helene Fourr¦ de Dampierre und Marie-Êlisabeth de Ludres, die nach deren Tod kurzzeitig in den Hofstaat der Königin aufgenommen worden sind, um dann mit Auflösung der filles d’honneur de la reine wieder in die maison der neuen, zweiten Madame zurückzukehren. Ein Beispiel dafür waren Catherine-FranÅoise d’Arpajon, Comtesse de Roucy und MarieMadeleine-AgnÀs de Gontaut-Biron, Marquise de Nogaret. Beide Frauen begannen ihre Karriere als filles d’honneur im Hofstaat der Dauphine Maria Anna von Bayern, verloren ihre Posten mit der Auflösung der filles 1687 und setzten sie nach mehrjähriger Unterbrechung 1696 als verheiratete bzw. verwitwete dames pour accompagner der Duchesse de Bourgogne, der späteren zweiten Dauphine, fort. Eine Fortsetzung der Hofkarriere nach dem Posten einer fille findet sich bei: Marie-Louise de la Grange d’Arquien, Marquise de B¦thune; Marie-Louise Rouxel de M¦davy de Grancey, Comtesse de Marey ; Catherine-FranÅoise d’Arpajon, Comtesse de Roucy ; MarieMadeleine-AgnÀs de Gontaut-Biron, Marquise de Nogaret; Sophie-Marie de BaviÀre, Marquise de Dangeau; Th¦rÀse-Marie Gigault de Bellefonds, Marquise du Ch–telet; Henriette de Gordon-Huntley ; Anne de Foudras de Ch–teautiers. Louise de Prie, Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt bekleidete ihr Amt als gouvernante des enfants de France von 1664 bis zu ihrem Tod am 6. Januar 1709. Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de La Motte-Houdancourt, Duchesse de Ventadour, war von 1684 bis 1703 dame d’honneur de madame und von 1704 bis 1732 gouvernante des enfants de France en survivance ihrer Mutter.

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Ebenfalls ausgesprochen lange Karrieren absolvierten Madame de Venel, die – zuvor Hofdame der ältesten Nichte Mazarins und gouvernante seiner drei jüngsten Nichten – ihre 42-jährige Hofkarriere als dame der Königin begann und als sous-gouvernante des enfants de France fortsetzte und letztlich abschloss1254, und Anne de Foudras de Ch–teautiers, die im Hofstaat der zweiten Madame, deren enge Vertraute sie war, diese zunächst als fille, dann als dame d’atour 44 Jahre begleitete1255. Eine ebenfalls herausragende, da seltene Karriere, durchlief Marie-Anne-FranÅoise de Sainte-Hermine, Comtesse de Mailly, die mit Unterbrechung 29 Jahre den Posten einer dame d’atour in vier Frauenhofstaaten am Hof Ludwigs XIV. und Ludwigs XV. nacheinander ausgeübt hatte, also mehr als einen Amtswechsel vollzog1256. Des Weiteren gab es einen Fall, in dem der Wechsel in ein anderes Hofamt einem Abstieg gleichkam. Er betraf Anne Poussart de Fors du Vigean, Duchesse de Richelieu, die mit der Einrichtung der maison de la dauphine 1680 ihr Amt als dame d’honneur de la reine aufgeben und dasselbe in dem neugegründeten übernehmen musste1257. Dass es nicht mehr ›Abstiegsfälle‹ gibt, könnte damit in Verbindung stehen, dass ein solcher meist gleichbedeutend mit dem gänzlichen Austritt aus dem Hofdienst war. Somit kann abschließend festgestellt werden, dass adeligen Frauen sich am französischen Königshof ebenso Karrieremöglichkeiten boten wie ihren männlichen Standesgenossen1258. Doch während Letztere ihre ›klassische‹ Laufbahn in der königlichen Pagenschule begannen, sie über den Waffendienst im königlichen Regiment fortsetzten und letztlich in die Besetzung eines Hofamtes in einer der maisons royales einmünden ließen1259, wo sie alle Sprossen der

1254 Magdeleine de Gaillard de Longjumeau de Ventabren de Venel war zunächst gouvernante der Nichten von Mazarin, dann 1661–1683 dame der Königin, dann schließlich 1663–1687 sous-gouvernante der enfants de France. Vgl. auch Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 58, die die Karriere von Madame de Venel als typisch bezeichnet. Dem kann zwar zugestimmt werden, weil sie ihre Laufbahn als dame begann. Die ausgesprochen lange Dienstzeit ist jedoch außergewöhnlich. Vgl. auch BM, Venel, in der ihre gesamte Laufbahn am Hof dargestellt wird. 1255 Anne de Foudras de Ch–teautiers war zwischen 1678 und 1689 zunächst fille d’honneur der zweiten Madame Elisabeth Charlotte von der Pfalz. 1689 stieg sie zu deren seconde dame d’atour und zwischen 1706 und 1722 sogar zur alleinigen dame d’atour auf. 1256 Die Comtesse de Mailly begann ihre lange Hofkarriere mit dem Posten der dame d’atour de la duchesse de Chartres (1692–1696), setzte sie dann als dame d’atour de la duchesse de Bourgogne fort (1696–1712), nahm sie 1724 als dame d’atour de l’infante d’Espagne wieder auf und beendete sie als dame d’atour de la reine (1725–1731). 1257 Die Duchesse de Richelieu bekleidete das Amt der dame d’honneur der Königin 1672–1679 und war dann von 1680 bis zu ihrem Tod am 28. Mai 1684 dame d’honneur der ersten Dauphine. 1258 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 487. 1259 Vgl. Grell, Les historiens franÅais, la noblesse et la cour de France, S. 107.

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innerhöfischen Ämterhierarchie1260 bis hin zu den prestigeträchtigsten Chargen in der maison des Königs emporstiegen1261, waren die Möglichkeiten der Ersteren begrenzter. Gleichwohl trugen die eingeschränkteren Alternativen für Frauen dazu bei, dass ihre Laufbahnen im Gegensatz zu Männerkarrieren beständiger waren, da sie seltenere Wechsel erlebten1262 und dauerhafter am Hof verankert waren.

8.

Ausscheiden aus dem Hofdienst

Obwohl Hofchargen in der Regel auf Lebenszeit vergeben wurden1263, war dies nicht gleichbedeutend damit, dass Amtsträgerinnen nicht auch vorzeitig aus dem Dienst scheiden konnten. Denkbare Anlässe dafür waren sehr unterschiedlich und reichten von der freiwilligen Niederlegung bis hin zur Ungnade. Da nicht zuletzt aufgrund der Quellenlage nicht in jedem Fall die konkreten Ursachen ermittelt werden können, sei auch hier lediglich ein Panorama der auf Grundlage von administrativen Schriftstücken und Ego-Dokumenten rekonstruierbaren denk-, sag- und machbaren Gründe der Zeit entworfen, samt der damit verbundenen Konsequenzen. Laut Kettering waren adelige Frauen im Allgemeinen »slow to relinquish household places«, sodass sie einmal bekleidete Positionen nur aufgaben, wenn ihre Herrin erwachsen wurde, heiratete oder verstarb oder wenn sie selbst eine Ehe eingingen1264. Aus den oben genannten Quellen lassen sich für adelige Amtsträgerinnen im weitesten Sinne drei Arten von Amtsaustritten unterscheiden: 1) der Tod der Herrin oder der Amtsträgerin selbst, 2) individuelle oder kollektive Ungnade und 3) freiwillige Niederlegung1265.

1260 Für eine Auflistung der Ämterhierarchie vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 72. 1261 Vgl. Grell, Les historiens franÅais, la noblesse et la cour de France, S. 109. Innerhalb der höfischen Ämterhierarchie rangierten die Chargen in der maison des Königs am höchsten, waren aber auch am schwersten zugänglich. Daher wurde häufig der Weg über die Posten in den maisons des princes und der Königin genommen, die letztlich als Sprungbrett für den Dienst beim König dienen sollten. 1262 Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 56, wonach die Fluktuation junger adeliger Männer im Dienst sehr hoch war. 1263 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 45, Fn. 46. 1264 Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 82, die darauf hinweist, dass die niedrige Wechselrate adeliger Frauen im Haushaltsdienst mit der hohen nichtadeliger Bediensteter kontrastiert, die »changed households to secure a better place, left service to marry, or were dismissed for theft, pregnancy, immorality, violence, or prostitution« (ebd., S. 83). Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 97. 1265 Das Zurückschicken des heimatlichen Gefolges wird hier nicht eigens berücksichtigt, da es

Ausscheiden aus dem Hofdienst

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Wie bereits mehrfach thematisiert war die Amtszeit von höfischen Amtsträgerinnen an die Lebenszeit ihrer Herrinnen gebunden, sodass sie mit deren Tod ihre Chargen im Gegensatz zu Amtskollegen in der maison du roi schlagartig verloren1266. In diesem Fall war es dem König möglich, den entsprechenden officiers »— titre exceptionnel« eine Verlängerung ihrer privilÀges commensaux für eine bestimmte Zeit zu bewilligen1267. Es war sogar üblich, dass für die mit einem Hofamt verbundenen Privilegien und exemptions selbst nach dem Tod der Herrin1268 ein lebenslanges Nutzrecht erteilt wurde, wobei in fast allen entsprechenden Deklarationen von einer »grace speciale« die Rede ist1269. Entsprechend erließ Ludwig XIV. nach dem Tod der Königin eine d¦claration, in der er verfügte, dass die »Officiers domestiques & commenÅaux de la Maison de la feüe Reyne, & leurs veuves« ihr restliches Leben lang »de tels & semblables privileges, franchises & exemptions« profitieren durften, wie sie es zu Lebzeiten ihrer Herrin getan hatten1270. Neben den officiers der Königin1271, sind auch für diejenigen der Hofstaaten der Dauphine1272, der Madame1273 und der Duchesse de Berry1274 entsprechende Regelungen überliefert, mit denen ihre Dienste anerkannt wurden. Dass der Verlust einer Charge aber nicht zwangsläufig dazu führen musste, dass eine adelige Frau den Hofdienst endgültig quittierte, konnte bereits an den zuvor behandelten Karrierewegen aufgezeigt werden. Anders stellte sich das hingegen beim Tod der Amtsträgerin selbst dar1275, der vergleichsweise häufig und in allen Hofstaaten antrat. Von den im Untersuchungszeitraum ermittelten 15 Fällen liegen für neun Belege für eine Neubesetzung direkt im Anschluss vor1276, in zwei Fällen blieb das Hofamt vakant1277

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bei den betreffenden Personen in der Regel nicht einmal bis zu einer Aufnahme in die Êtat de la France kam. Gleiches gilt auch für den Münchener Hof. Auch dort markierte der Tod einer »Kurfürstin oder Kurfürstinwitwe, […] stets das Ende eines gesamten Hofstabes.« (Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 65) Laverny, Les domestiques commensaux, S. 101. Vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 2, S. 242. BN, collection Clairambault 814, fol. 288. Ebd., fol. 287. Vgl. BN, collection Clairambault 814, fol. 287–289; AN O1 27, fol. 323r. Vgl. AN O1 34, fol. 195v–196v. Vgl. AN O1 14, fol. 524–526; 67, fol. 48v. Vgl. AN O1 55, fol. 119r ; 63, fol. 245r–246r. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 96. Julie d’Angennes, Duchesse de Montausier ; Anne Poussart de Fors du Vigean, Duchesse de Richelieu; Colombe de Charron, Mar¦chale du Plessis-Praslin; Marie de Durfort-Duras, dite Madame de Durasfort; Olympe des Adrets; Marie-Louise de la Chauss¦e-d’Eu d’Arrest, Marquise de la Vieuville; Louise de Prie, Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt; Marie-Anne Olivier de Leuville, Marquise d’Effiat; Charlotte de Mornay, Mar¦chale de Grancey. Catherine-Charlotte de Gramont, Princesse de Monaco; Magdeleine de Gaillard de Longjumeau de Ventabren de Venel.

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»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern

und in vier Fällen konnten keine Informationen ermittelt werden1278. Bei lediglich drei Amtsträgerinnen im Hofstaat der Königin, der Madame und der maison des enfants de France wurde das Amt von einer bereits zuvor benannten survivanciÀre übernommen1279. Ein weiterer Anlass für den Verlust einer Charge stellte die Abschaffung bzw. Auflösung bestehender Hofämter dar, wobei eine maison sowohl einer allgemeinen als auch einer spezifischen Reduktion unterzogen werden konnte. Im Untersuchungszeitraum erlebte die chambre des filles d’honneur die größten Einschnitte, nämlich ihre sukzessive Abschaffung in allen Frauenhofstaaten, in denen sie bestanden. Zunächst wurden sie 1674 im Hofstaat der Königin aufgelöst1280, dann 1687 im Hofstaat der Dauphine1281 und schließlich 1702 in der maison de madame1282. Diese Auflösung hatte zur Folge, dass auch alle dazugehörigen Chargen nicht mehr benötigt und die entsprechenden Amtsträger und Amtsträgerinnen entlassen wurden1283. Dennoch wurden den »Gouuern.te sousgouuernantes et autres officiers establis pour leur seruice« – wie in der maison de la dauphine – über eine d¦claration die Nutzung der mit ihrem Hofamt verbundenen Privilegien und die lebenslängliche Fortzahlung ihrer gages zugesichert1284 sowie in einigen Fällen auch eine Abfindung gewährt1285. 1278 Jeanne-FranÅoise de Biaudos de Casteja, Dame de la Lande; Marie-Ang¦lique de Scorailles de Roussille, demoiselle de Fontanges; Louise Sublet, Marquise de Montgon; MarieMarguerite-Ignace de Lorraine, genannt Mademoiselle d’Elbeuf. 1279 Anne-Marie de Beauvillier de Saint-Aignan, Comtesse de B¦thune, und ihre Schwiegertochter Marie-Louise de la Grange d’Arquien, Marquise de B¦thune; Colombe Le Charon de Plaisance, Mar¦chale Duchesse du Plessis-Praslin, und ihre Schwiegertochter MarieLouise Le Loup de Bellenave, Marquise de Cl¦rambault; Louise de Prie, Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt an ihre Tochter Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de la Motte-Houdancourt, Duchesse de Ventadour. 1280 Vgl. z. B. EDF 1674, S. 355–356. 1281 In den für 1689 und 1690 überlieferten Hofstaatslisten werden sie nicht mehr aufgeführt (vgl. EDF 1689; AN Z1A 514). 1282 Auch hier finden sich in der darauffolgenden Zeit nicht mehr in den Hofstaatslisten (vgl. EDF 1712). 1283 Vgl. z. B. AN O1 32, fol. 35r ; 33, fol. 82r–82v ; 34, fol. 302v–303r. 1284 Die gouvernante erhielt trotz der Auflösung der filles im Hofstaat der Königin eine Pension »en consideration de ses services« (AN O1 3714, fol. 38r). Ebenso die beiden sous-gouvernantes des filles d’honneur de la dauphine (AN O1 32, fol. 35r). Am 28. März 1689 wurde zudem eine d¦claration erlassen (AN O1 33, fol. 82r–82v), die den officiers der aufgelösten filles d’honneur de la dauphine die mit ihrem Hofamt verbundenen Privilegien und die lebenslängliche Fortzahlung ihrer gages zusicherte. Bedingung dafür ist jedoch, dass ihre Chargen nach ihrem Tod ausgelöscht bleiben und nicht unter irgendeinem Vorwand wieder besetzt werden. Vgl. auch AN O1 34, fol. 302v–303r, wonach es nach dem Tod der Dauphine notwendig erschien, mit lettres patentes zu ihren Gunsten, nochmals auf diese Regelung zu verweisen bzw. auf das Recht zur Nutzung der Privilegien, da diese Amtsträger nicht mehr auf dem aktuellen ¦tat vorkamen, was zu Schwierigkeiten bei der Anerkennung ihrer Ansprüche beim cour des aides führen konnte. 1285 Vgl. z. B. für den Hofstaat der Königin AN O1 3715 »Abreg¦ des estat de la maison de la

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Auch die filles selbst erhielten eine finanzielle Entschädigung für den Verlust ihrer Charge1286. Für die Abschaffung der chambre des filles werden in Ego-Dokumenten der Zeit unterschiedliche Gründe angeführt. Für die Auflösung der filles de la reine wird überliefert, dass es auf die Eifersucht der Königsmätresse, Madame de Montespan, auf eine fille d’honneur, die sogenannte »belle Ludres«, zurückzuführen sei1287. Im Fall der filles d’honneur de la dauphine habe deren Verwicklung in höfische Intrigen und der Skandal um »a licentious book found behind one of the girls’ beds«1288 den Ausschlag für ihre Abschaffung gegeben, die vom König mit Zustimmung der Dauphine veranlasst worden sei1289, nicht zuletzt, um deren Reputation zu schützen1290. Im Zusammenhang mit der Auflösung der filles d’honneur der Madame1291 wird in den Quellen lediglich darauf hingewiesen, dass gegen einige von ihnen aufgrund »quelques galanteries un peu fortes« »f–cheux bruits« umgingen, die letztlich zu ihrer Entlassung geführt hätten1292. Bereits an diesen wenigen Beispielen zeigt sich, dass insbesondere bei den filles d’honneur ›unehrenhaftes‹ Verhalten im Zusammenhang mit Männern als legitimer Entlassungsgrund bewertet wurde. Dies unterstreicht auch die Erwähnung eines Amtsaustritts einer fille d’honneur, der durch deren uneheliche Schwangerschaft ausgelöst worden sei1293. Als Konsequenzen aus der Entlassung wird Unterschiedliches benannt. Mademoiselle de Th¦obon sei nach dem Verlust ihrer Charge bei der Königin in den Hofstaat der Madame gewechselt, wo sie die gleiche Position einnahm1294, wohingegen die filles der maison de la dauphine vom König »chez leurs parents«1295 geschickt worden seien.

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Reyne et des attributs aux officiers chacun en particulier. 1676«, wonach zu den Bezügen der gouvernante des filles de la reine 2000 livres Entschädigung »a cause du retranchement de la chambre des filles« gezahlt wurden. Gleiches gilt auch für die sous-gouvernante des filles de la reine, die jedoch 1000 livres »recompense a cause du retranchem[en]t de la chambre des filles« erhielten. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 105, wonach dies auch für die Amtsträgerinnen am Münchener Hof zutrifft. Vgl. AN O1 18, fol. 28. Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 30, Fn. 3. Norberg, Women of Versailles, S. 204. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 97–98. Vgl. Spanheim, Relation de la cour de France, S. 45. Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 218, die darauf hinweist, dass sich das Verhalten von Amtsträgerinnen auf die Reputation ihrer jeweiligen Herrin auswirken konnte. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 99–100. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 354. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIII 455–456, wonach Mademoiselle de S¦ry, die fille d’honneur bei Madame war, wärhend der Ausübung dieser Charge von Monsieur geschwängert worden sei, woraufhin sie diese verlor. Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 136. Spanheim, Relation de la cour de France, S. 45. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. II,

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»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern

Ein weiterer Grund, der zur Entlassung aus einem Hofamt führen konnte, war Ungnade, in die eine Amtsträgerin sowohl beim König als auch bei anderen wichtigen Entscheidungsträgern fallen konnte, wenn sie sich beispielsweise »disloyality, incompetence, immorality, and dishonesty« zu Schulden hatte kommen lassen, und damit ihre eigenen Interessen vor die ihres Herren bzw. Herrin stellten1296. Eine solche disgr–ce wurde in den hier herangezogenen administrativen Schriftstücken nicht explizit thematisiert. Die Darstellungen in Ego-Dokumenten hingegen liefern vielfache Hinweise dafür, welche Handlungen im zeitgenössischen Verständnis das Potenzial besaßen, eine Ungnade und letztlich die Entlassung aus dem Hofdienst zu bewirken. Ein besonders ausgiebig behandelter Fall ist der der Duchesse de Navailles, deren Widerstand gegen die amourösen Neigungen Ludwigs XIV. sie letztlich ihre Charge als dame d’honneur de la reine gekostet haben soll1297. Als weitere Gründe waren die Vernachlässigung von Dienstverpflichtungen1298, die Abneigung von Angehörigen der Königsfamilie1299 und die Beteiligung an Intrigen denkbar1300. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass auch die Ausweitung der Ungnade auf Dritte, zu denen die betroffene Person (enge) soziale Nahbeziehungen unterhielt, thematisiert wird1301, ebenso wie die Möglichkeit, dass der Verlust einer Charge mit einer Exilierung vom Hof einhergehen konnte1302. Zuletzt sei noch auf den ›freiwilligen‹ Austritt aus einem Hofamt eingegangen, für den zeitgenössisch verschiedene Gründe denkbar waren. So konnte er beispielsweise aus Protest gegen Veränderungen in der Ämterstruktur erfolgen1303 oder aus Altersgründen1304 – ein Faktor, der auch dazu führen konnte, ein angebotenes Hofamt erst gar nicht anzutreten1305. Er wird in Ego-Dokumenten vergleichsweise selten thematisiert1306 und wenn, dann im Zusammenhang mit

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S. 137; Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 127–128. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass der König bemüht war, Rücksicht auf die Befindlichkeiten der adeligen Mädchen und ihrer Familien zu nehmen, indem er ihre Verheiratung abwarten wollte, um nicht auf einmal mehrere filles de qualit¦ wegjagen zu müssen. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 69. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 32–34. Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 61. Vgl. ebd., S. 137, 293. Vgl. auch Newton, La petite cour, S. 365. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIV, S. 51). Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. III, S. 115–116. Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 66. Vgl. Primi, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 16. Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 160. Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 95. Vgl. Anselme, Histoire g¦n¦alogique et chronologique de la maison royale de France, Bd. VII, S. 336, wonach Marie de Hautefort, zunächst fille d’honneur der Königin Anna von Österreich und ihre spätere dame d’atour, die Charge der dame d’honneur de la dauphine, die Ludwig XIV. ihr anbot, mit Hinweis auf ihr hohes Alter ablehnte. Vgl. AN O1 3714, fol. 16v. Dort wird in der Ernennungsurkunde der Duchesse de Mon-

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der Abtretung einer Charge an nahe Angehörige1307. Ein Beispiel findet sich im Hofstaat der Duchesse de Berry, wonach zwei ihrer dames du palais, nämlich die Marquise de Beauveau und die Marquise de Brancas, ihr Hofamt aus freien Stücken niederlegt haben sollen. Ein anderes betrifft die sous-gouvernante des filles d’honneur de la dauphine, Madame de Pradon, die ihre Charge bereits vor der Auflösung der filles aufgab und dafür von Monseigneur ein certificat erhalten hatte1308. Ein Beispiel dafür, welche Gründe zeitgenössisch als legitim erachtet wurden, um sich einem angebotenen Hofamt zu entziehen, bietet Madame de Marey, die zunächst en survivance ihrer Mutter, der Mar¦chale de Grancey, den Posten einer gouvernante des enfants des Duc d’Orl¦ans bekleidete. Laut Saint-Simon hatten der König und Madame de Maintenon damit gerechnet, dass sie dame d’atour ihres ehemaligen Zöglings, der Duchesse de Berry, werden würde, und auch der Duc und die Duchesse d’Orl¦ans bedrängten sie dahingehend. Diese habe jedoch »son –ge, sa sant¦, son repos, sa libert¦« als Gründe dafür vorgegeben, sich mit dem Bedauern »de tout le monde«1309 zurückzuziehen. Als ›freiwillige‹ Niederlegung einer Charge könnte im weitesten Sinne auch die zeitliche Begrenzung von Posten wie dem der fille d’honneur bewertet werden, für den es Voraussetzung war ledig zu sein. Eine Eheschließung führte demnach zum Ausscheiden aus dem Amt1310 oder machte es vielmehr notwendig1311. Auch der Posten der gouvernante des enfants de France kann entspre-

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tespan darauf hingewiesen, sie habe die Charge der chef du conseil et surintendante de la maison de la reine »volontairement« von ihrer Vorgängerin, der Comtesse de Soissons erhalten. Im Gegensatz dazu zeichnen Ego-Dokumente ein gänzlich anderes Bild (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVI, S. 426–429. Vgl. auch Primi, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 135). Vgl. aber auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 10–13, wonach das Ehepaar seine Chargen freiwillig niedergelegte, um »dans une grande avarice et fort dans le n¦ant« zu leben (ebd., S. 13), woraus gleichzeitig die negative Bewertung entsprechenden Verhaltens hervorgeht. Ein Hinweis darauf findet sich auch hier nur in Ego-Dokumenten. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 457, App. XVI; Bd. XVI, S. 88; Sourches, M¦moires, Bd. XI, S. 94, wonach Sophia Maria Wilhelmina Gräfin von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, Marquise de Dangeau, ihren Posten als dame du palais der Duchesse de Bourgogne an ihre Schwiegertochter, FranÅoise de Pompadour de LauriÀre, Marquise de Courcillon, abtrat. Als Grund dafür werden ihre Gesundheit und die Gunst bei der Königsmätresse Maintenon angeführt, die es ihr nicht mehr erlaubten diesen Dienst zu versehen. Vgl. AN O1 29, fol. 204–204bis. In diesem Dokument vom 28. April 1685 wurde festgehalten, dass ihr eine finanzielle Entschädigung in Höhe von 8000 livres für diese Charge zukam, und zwar »en consideration de la demission«, die sie »avec l’agrement du Roy« nach mehreren Dienstjahren vornahm. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 357–358. Entsprechend stellte die Verheitung einer fille d’honneur im zeitgenössischen Verständnis eine ehrenhafte Möglichkeit dar, eine solche aus dem Dienst zu entlassen. Vgl. SaintSimon, M¦moires, Bd. II, S. 136–137. Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 313, wonach eine Mutter den König darum bat, ihre

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»Officiers et la suitte du Prince« – adelige Frauen in Hofämtern

chend interpretiert werden, da auch hier die Amtsausübung zumindest bei den männlichen Königskindern sich lediglich auf die Zeit zwischen Geburt und Vollendung des siebten Lebensjahrs beschränkte1312. Eine freiwillige Niederlegung ist in der zeitgenössischen Wahrnehmung aber auch denkbar, wenn Hoffnung auf die Übernahme einer anderen Charge bestand. So heißt es über die Duchesse de Ventadour: »voyant la Mar¦chale de la Motte, sa mÀre, vieillir, et Mme la duchesse de Bourgogne donner des esp¦rances d’avoir bientút des enfants, jugea qu’il ¦toit temps de quitter Madame pour s’úter le pr¦texte de la consid¦ration de cette princesse et s’aplanir la voie — la survivance de gouvernante des enfants de France.«1313

Die Spekulation auf Karrierevorteile wurde auch Madame de Montchevreuil unterstellt, die die Niederlegung ihrer Charge als gouvernante des filles d’honneur der Dauphine vom König im Zusammenhang mit der Affäre um ihre Schützlinge erbeten haben soll1314. Ihre Abdankung habe auch Madame de Ch–tillon von ihrer Charge als dame d’atour de madame gefordert, die laut SaintSimon jedoch weiterhin »ses logements du Palais-Royal et de Versailles, et une place de dame de Madame comme la Mar¦chale de Cl¦rambault et la comtesse de Beuvron en avoient eu depuis la mort de Monsieur« behalten durfte1315.

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Tochter vom Posten einer fille d’honneur zu entlassen, damit sie diese an einen schottischen Adeligen verheiraten konnte. Im Fall der Duchesse de Ventadour lief die ›Abdankung‹ so, dass sie Ludwig XV. mit Vollendung des siebten Lebensjahrs in Gegenwart des Hofes anzog und dem Regenten übergab, der sich wiederum für ihre Pflege bedankte (vgl. Guyot/Merlin, Trait¦, Bd. 1, S. 72). Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchner Hof, S. 97. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XI, S. 99–100. Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 97. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIV, S. 118.

V.

»Manieres de vivre à la Cour«1316 – Geschlecht und Hofleben

1.

Leben am französischen Königshof

Das Leben am französischen Königshof wurde bestimmt durch seine Doppelfunktion als Haushalt und Wohnsitz der Fürstenfamilie einerseits und Verwaltungs- und Regierungszentrum des französischen Königreichs andererseits1317. Aus beidem erwuchsen dem Hof politische1318, wirtschaftliche1319, religiöse1320 1316 Cour, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Bd. 1: A-E. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. 1317 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 392. Vgl. auch Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 270, und Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 27, die darauf verweisen, dass Fürstenhaushalt und Landesverwaltung lange Zeit eine Einheit darstellten. Eine bereits in der Frühen Neuzeit einsetzende Entwicklung führte aber weg vom Haushalt und hin zur Behörde bis schließlich eine »deutliche Trennung von Hof und Verwaltung, verbunden mit einer starken Dezentralisierung der Amtsfunktionen«, eintrat. 1318 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 68, 70, wonach der Königshof im Verlauf des 16. Jahrhunderts zu einer zentralen und wichtigen politischen Institution Frankreichs und zum Herzstück des aufkeimenden monarchischen Staates wurde. Es war vor allem Norbert Elias (ders.: Über den Prozeß der Zivilisation), der den nationalen Staatsbildungsprozess mit dem frühneuzeitlichen Fürstenhof in Verbindung brachte. Er entwickelte am Beispiel der französischen Monarchie die These, dass dem Königshof eine zentrale Rolle als Domestikationsinstrument des Adels zugekommen sei, womit er eine wichtige politische Funktion gehabt habe. Dieser Ansatz wurde von der neueren historischen Forschung stark relativiert; vgl. hierzu Asch, Hof, Adel und Monarchie, S. 119– 142, und inbesondere die Publikationen von Duindam, Jeroen: Norbert Elias und der frühneuzeitliche Hof. Versuch einer Kritik und Weiterführung, in: Historische Anthropologie. Kultur, Gesellschaft, Alltag 6 (1998), S. 370–387, sowie ders., Norbert Elias and the history of the court: old questions, new perspectives, in: Hof und Theorie. Annäherungen an ein historisches Phänomen. Hrsg. v. Reinhard Butz, Jan Hirschbiegel und Dietmar Willoweit. Köln u. a. 2004, S. 91–104, und ders., The keen observer versus the grandtheorist: Elias, Anthropology and the early modern court, in: Höfische Gesellschaft und Zivilisationsprozess. Norbert Elias’ Werk in kulturwissenschaftlicher Perspektive. Hrsg. v. Claudia Opitz. Köln, Weimar, Wien 2005, S. 87–101. Vgl. auch Asch, Introduction, S. 38, wonach der Hof seine herausragende Position als politisches Zentrum Ende des 18. Jahrhunderts einbüste.

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»Manieres de vivre à la Cour« – Geschlecht und Hofleben

und kulturelle1321 Aufgaben, die auf vielfältige Art und Weise ihren Niederschlag im höfischen Leben fanden und zur Herausbildung spezifischer Strukturmerkmale führten. Diese waren keinesfalls statisch, sondern wandelten sich mit der wachsenden Bedeutung des Fürstenhofes1322. Durch das Erstarken der Kö1319 Zur ökonomischen Bedeutung des frühneuzeitlichen Hofes vgl. Bauer, Hofökonomie; Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique; Paravicini, Werner/Hirschbiegel, Jan/Fouquet, Gerhard (Hg.): Hofwirtschaft. Ein ökonomischer Blick auf Hof und Residenz in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Ostfildern 2008 (Residenzenforschung, 21). Vgl. auch Paravicini, Werner (Hg.): Luxus und Integration. Materielle Hofkultur Westeuropas vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. München 2010, und den darin enthaltenen Beitrag zum französischen Königshof von Le Roux, Nicolas: Luxus, Freigebigkeit und Macht in Krisenzeiten: Die Politik der Prachtentfaltung am Hof der letzten Valois, S. 235– 250. 1320 Laut Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 25, war der französische Königshof einer der größten und bedeutendsten katholischen Höfe des 17. Jahrhunderts. Während der religiösen Dimension des Hoflebens von der geschichtswissenschaftlichen Forschung lange unzureichend Rechnung getragen wurde, wie dies Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 89, noch 1999 feststellte, sind im vergangenen Jahrzehnt mehrere Publikationen erschienen. Vgl. dazu mit Fokus auf Europa Kl¦ber Monod, Paul: The power of kings. Monarchy and religion in Europe, 1589–1715. New Haven 1999; Maral, Alexandre: La chapelle royale de Versailles sous Louis XIV: c¦remonial, liturgie et musique. Lüttich 2002 (Êtudes du Centre de Musique baroque de Versailles), und ders.: La chapelle royale de Versailles. Le dernier grand chantier de Louis XIV. Paris 2011; Schaich, Michael (Hg.): Monarchy and Religion. The Transformation of Royal Culture in Eighteenth-Century Europe. Oxford 2007. Vgl. auch Bouineau, Jacques: Absolutisme et religion dans l’Europe moderne, in: M¦langes en l’honneur d’Anne Lefebvre-Teillard. Hrsg. v. Bernard d’Alteroche, Florence de-Moulin-Auzary, Olivier Descamps und Franck Roumy. Paris 2009, S. 149–171. Und Maral, Alexandre: Le roi-soleil et dieu: essai sur la religion de Louis XIV. Paris 2012. 1321 Die kulturelle Funktion des Hofes zeigte sich in verschiedenen Facetten. Ganz besonders deutlich wird sie im fürstlichen Mäzenatentum. Vgl. dazu beispielsweise Oevermann, Ulrich/Süssmann, Johannes/Tauber, Christine (Hg.): Die Kunst der Mächtigen und die Macht der Kunst. Untersuchungen zu Mäzenatentum und Kulturpatronage. Berlin 2007 (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, 20). Vgl. auch zum Zusammenspiel von bildenden Künsten, Hof und Herrschaft Unbehaun, Lutz/Beyer, Andreas/Schütte, Ulrich (Hg.): Die Künste und das Schloß in der frühen Neuzeit. München 1998 (Rudolstädter Forschungen zur Residenzkultur, 1); Bushby, Keith/Kleinhenz, Christopher (Hg.): Courtly Arts and the Art of Courtliness. Madison 2006; LanoÚ, Catherine/Laurioux, Bruno (Hg.): Cultures de cour, cultures du corps. Paris 2007. Zum französischen Hof im Speziellen vgl. Michel, Christian: Les usages de la peinture — la cour de Louis XIV, in: Les cours d’Espagne et de France au XVIIe siÀcle. Hrsg. v. Chantal Grell und Beno„t Pellistrandi. Madrid 2007, S. 191–204, und im selben Sammelband Michel, Patrick: Les collections royales francaises. Instrument de propagande au service de la monarchie ou ornement n¦cessaire — l’affirmation de la grandeur souveraine?, S. 205–235. 1322 Vgl. Asch, Introduction, S. 6, 10, wonach ein verbindendes Kennzeichen (west)europäischer Königshöfe der fundamentale Wandel ihrer Bedeutung und Funktion im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert gewesen sei. Während den mittelalterlichen Herrscherhof kennzeichnete, dass er nur eine größere Version des Haushaltes und des Gefolges eines Vassalen war, entwickelte er sich in der Frühen Neuzeit in eine andere Richtung als die übrigen Adelshöfe. So wurde der adelige Haushalt zunehmend auf die unmittelbare Fa-

Leben am französischen Königshof

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nigsmacht und ihrer Zentralisierung1323 entwickelte sich der Wohnsitz des Monarchen zum einzigen und wichtigsten Herrschaftssitz Frankreichs1324, der eine Monopolstellung1325 gegenüber allen anderen adeligen ›Höfen‹1326 des Landes einnahm. Dort fielen die zentralen politischen Entscheidungen für das

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milie und die Hausbediensteten reduziert, »while the king’s household and court actually increased in size and importance, although even here certain functions, especially administrative ones, were handed over to separate institutions.« (ebd., S. 11). Vgl. auch Cremer, Albert: Der Strukturwandel des Hofes in der Frühen Neuzeit, in: Frühe Neuzeit – frühe Moderne? Forschungen zur Vielschichtigkeit von Übergangsprozessen. Hrsg. v. Rudolf Vierhaus. Göttingen 1992 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 104), S. 75–89, der einen groben Überblick über die Entwicklung des französischen Königshofs zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert bietet. Die geschichtswissenschaftliche Forschung – vor allem die französische – verwies auf die wichtige Rolle des Königshofs bei der Entstehung des »Êtat absolutiste« in Frankreich, wobei sie lange die Merkmale der administrativen und politischen Zentralisation überbetonte (vgl. Grell, Les historiens franÅais, S. 103–104). Ein entsprechendes Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum bietet Kruedener, Jürgen Freiherr von: Die Rolle des Hofes im Absolutismus. Stuttgart 1973 (Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 19), der sich in der Tradition von Norbert Elias bewegt. Die neuere geschichtswissenschaftliche Forschung zeigte hingegen die Grenzen dieses Prozesses auf. Einen wichtigen Anstoß für das Umdenken der Forschung leistete Nicholas Henshall (vgl. ders., The Myth of Absolutism), der die bis dahin vertretene Absolutismus-These erstmals gänzlich in Frage stellte und damit in der deutschen Forschung eine umfangreiche Debatte auslöste. Nicht zuletzt anknüpfend an diese Debatte bemüht sich die neuere geschichtswissenschaftliche Hofforschung darum, die Hofpolitik und ihre Institutionen jenseits des Absolutismus-Begriffs zu betrachten und die Hofkultur auch über ihre Funktionen und ihren Propagandacharakter hinaus zu untersuchen. Zu den neueren Arbeiten zum Absolutismus in Frankreich vgl. Descimon, Robert/Cosandey, Fanny : L’absolutisme en France. Histoire et historiographie. Paris 2002; Chaline, Olivier : Ludwig XIV. und Kaiser Leopold I. als Herrscher. Mythos oder Wirklichkeit des absoluten Fürstentums?, in: Die Frühe Neuzeit als Epoche. Hrsg. v. Helmut Neuhaus. München 2009 (Historische Zeitschrift. Beihefte, 49), S. 35–50; Cuttica, Cesare/Burgess, Glenn (Hg.): Monarchism and absolutism in early modern Europe. London 2012. Vgl. Grell, Les historiens franÅais, S. 103. Vgl. auch Berc¦, Yves-Marie/Durand, Yves/Le Flem, Jean P.: Les monarchies espagnole et franÅaise du milieu du XVIe siÀcle — 1714. Paris 2000. Vgl. auch Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 10–11, wonach im Deutschen Reich im Vergleich eine unübersichtliche Zahl an Hofhaltungen bestand, sodass auch das Hofleben vielfältigere Formen annahm als in Frankreich. Die Monopolstellung des Königshofs drückte sich laut Asch, Introduction, S. 6, nicht zuletzt darin aus, dass »no other court or household was able to compete with that of the king henceforth.« Gleichwohl weist er darauf hin, dass neben und in Konkurrenz zum französischen Königshof auch andere politische und soziale Zentren, wie die Hauptstadt und die Parlamente, existierten (ders., Introduction, S. 26). Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 68, der die Existenz weiterer Höfe in Frankreich erwähnt, die von Mitgliedern der königlichen Familie unterhalten wurden. Vgl. aber Grell, Les historiens franÅais, S. 103–104, die bestätigt, dass Mitglieder der famille royale und auch Minister über Schlösser verfügten. Dennoch ist sie der Ansicht, dass es sich hierbei im zeitgenössischen Verständnis um keine Höfe, sondern nur um maisons handelte, da sie keine Regierungsorgane umfassten und auch keinem Zeremoniell unterlagen.

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Königreich, und dort lag die Quelle für die Vergabe von Ressourcen. Im Zentrum des frühneuzeitlichen Hofes stand als Familien- und Landesoberhaupt der Herrscher. Für ihn war der Hof ein wichtiges »Repräsentationsinstrument«1327, Schauplatz seiner Sakralisierung1328 und Bühne für ein »Machttheater«1329, das einerseits durch prachtvolle Inszenierung Prestige und Ruhm der eigenen Dynastie mehren und andererseits dazu dienen sollte, eine politische Botschaft zu vermitteln und die ›Öffentlichkeit‹ zu beeinflussen1330. Dazu leisteten Künstler einen zentralen Beitrag, wobei sie vom Mäzenatentum des Königs profitierten, der sich als ihr Beschützer in Szene setzte1331. Der Hof erlangte dadurch eine über das Königreich hinausreichende »Olympian pre-eminence« im Bereich Musik, Oper, Architektur, Bildhauerei und Malerei1332 und wurde zum »seul centre in1327 Müller, Der Fürstenhof, S. 9. Vgl. auch Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 34; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 263. 1328 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 28. Vgl. auch Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 25, wonach die Entwicklung vom »Profanen zum Sakralen« ein charakteristisches Merkmal europäischer Fürstenhöfe ist. Dabei haben sie sich vom »Mittelalter zur Neuzeit […] zur Plattform des Kultes von Souveränität und Majestät« entwickelt. Dass auch der französische Königshof nicht von dieser Entwicklung unberührt blieb und demnach auch dem Wohnsitz des allerchristlichsten Königs eine wichtige Rolle bei seiner Sakralisierung zukam, darauf verweist Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 89. Zur Sakralisierung des Monarchen im Allgemeinen vgl. Bertelli, Sergio: The king’s body. Sacred rituals of power in medieval and early modern Europe. University Park, Pa. 2001; Maurer, Michael (Hg.): Festkulturen im Vergleich. Inszenierungen des Religiösen und Politischen. Köln, Weimar, Wien 2010. Speziell zu Frankreich vgl. Bloch, Marc: Les rois thaumaturges. Etude sur le caractÀre surnaturel attribu¦ — la puissance royale particuliÀrement en France et en Angleterre. Paris 1924 [siehe auch den ins Deutsche übersetzten Neudruck: Die wundertätigen Könige. München 1998], der am Beispiel der Berührung der Skrofeln für das französische und englische Königreich die Bedeutung der königlichen Heilkraft von ihren Anfängen bis zu ihrem Ende nachzeichnet und hinterfragt. Vgl. auch Boureau, Alain: Le simple corps du roi: l’impossible sacralit¦ des souverains franÅais, XVe-XVIIIe siÀcle. Paris 2000; Engels, Jens Ivo: Beyond sacral monarchy. A new look at the image of the early modern French monarchy, in: French History 15/2 (2001), S. 139–158. 1329 Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 7, wonach das Hofleben zahlreiche Möglichkeiten der Machtdemonstration bot. Vgl. auch Barker, Rodney : Legitimating identities. The self-presentations of rulers and subjects. Cambridge 2001. Vgl. auch zur Seite der Rezipienten Völkel, Michaela: Schloßbesichtigungen in der Frühen Neuzeit. Ein Beitrag zur Frage nach der Öffentlichkeit höfischer Repräsentation. München, Berlin 2007. 1330 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 34. 1331 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 98–99, wonach König und Künstler gegenseitig voneinander profitierten, indem der König Schutz und Unterstützung gewährte und im Gegenzug einen Beitrag zur Lobpreisung seiner Dynastie und Herrschaft sowie Beiträg zum höfischen Leben erhielt. Zum Verhältnis zwischen Fürst und Kunst vgl. Unbehaun/Beyer/ Schütte, Die Künste und das Schloß in der frühen Neuzeit; Oevermann/Süssmann/Tauber, Die Kunst der Mächtigen und die Macht der Kunst. 1332 Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 85.

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tellectuel important dans la France du temps«1333, wenngleich »la Cour et la Ville […] souvent en commun«1334 wirkten. Ebenso wurde der Hof zum zentralen Ort für die Zivilisierung der Umgangsformen und der Herausbildung von »politesse«1335. Auch erlangte er – wie andere führende Fürstenhöfe der Zeit – Vorbildcharakter als regelrechte »¦cole de la soci¦t¦ polie«1336, was seinen Ausdruck nicht zuletzt darin fand, dass adelige Jungen und Mädchen zur Vervollkommnung ihrer Erziehung in den Fürstendienst gegeben1337 und Herrscherhöfe zur zentralen Anlaufstelle junger Aristokraten auf ihrer Grand Tour wurden1338. Während am mittelalterlichen Hof Frankreichs keine »vie mondaine« vorherrschte und die Gefährten des Königs auch noch keine »courtisans« waren1339, entwickelte er sich in der Frühen Neuzeit zum »foyer de sociabilit¦«1340, an dem ein neues höfisches Lebensideal zur Entfaltung kam, dessen Standards durch 1333 Solnon, La Cour de France, S. 98. Der französische Königshof war im 16. Jahrhundert »le premier foyer litt¦raire du temps« (ebd., S. 97), verlor diese Rolle aber zeitweise im 17. und dann dauerhaft im 18. Jahrhundert an die städtischen Salons und Akademien. Vgl. zu den Salons und der herausgehobenen Rolle von Frauen darin Lougee, Carolyn C.: Le paradis des femmes. Women, salons, and social stratification in seventeenth-century France. Princeton 1976; Heyden-Rynsch, Verena von der : Salons europ¦ens. Les plus beaux moments d’une culture f¦minine disparue. Paris 1993; Baader, Renate: Heroinen der Literatur. Die französische Salonkultur im 17. Jahrhundert, in: Die Galerie der Starken Frauen. Regentinnen, Amazonen, Salondamen. Hrsg. v. Bettina Baumgärtel und Silvia Neysters. München 1995, S. 34–50; Craveri, Benedetta: L’–ge de la conversation. Paris 2002; Lilti, Antoine: Le Monde des salons: Sociabilit¦ et mondanit¦ — Paris au XVIIIe siÀcle. Paris 2005. 1334 Solnon, La Cour de France, S. 417. Vgl. auch für eine eingehendere Darstellung ders.: Paris et Versailles, la Cour et la Ville au XVIIIe siÀcle, in: Strasbourg, Schoepflin et l’Europe au XVIIIe siÀcle. Hrsg. v. Bernard Vogler und Jürgen Voss. Bonn 1996 (Pariser historische Studien, 42), S. 120–127. Vgl. auch für eine europäische Perspektive Paravicini, Werner/ Wettlaufer, Jörg (Hg.): Der Hof und die Stadt. Konfrontation, Koexistenz und Integration in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Ostfildern 2006 (Residenzenforschung, 20). 1335 Solnon, La Cour de France, S. 167. 1336 Ders.: Cour, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime. Royaume de France XVIe-XVIIIe siÀcle. Hrsg. v. Lucien B¦ly. Paris 1996, S. 355. 1337 Vgl. dazu Paravicini, Werner/Wettlaufer, Jörg (Hg.): Erziehung und Bildung bei Hofe. Stuttgart 2002 (Residenzenforschung, 13). Speziell zu Frankreich vgl. Motley, Becoming a french aristocrat. 1338 Vgl. zur Grand Tour Stannek, Antje: Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts. Frankfurt a. M., New York 2001 (Geschichte und Geschlechter, 33); Leibetseder, Mathis: Die Kavalierstour. Adlige Erziehungsreisen im 17. und 18. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien 2004 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 56). Vgl. aber Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 96, die Begriffe, wie »Kavalierreise« und »Bildungsreise«, als irreführend ablehnt, da sie den Eindruck eines einmaligen »Lernfeld[es] und Initiationsritus« adeliger Männer vortäuschen. Bezugnehmend auf ihre eigenen Erkenntnisse bewegten sich junge Adelige aber bereits in jungen Jahren »weitgehend an fremden Höfen, um Kontakte zu knüpfen und Heirats-, Militärdienst- oder andere Lebenschancen auszuloten.« 1339 Solnon, La Cour de France, S. 13. 1340 Ders., Cour, S. 355.

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den wechselseitigen Kontakt und Austausch zwischen den europäischen Höfen entstand1341 und durch Hofmannstraktakte wie Baldassare Castigliones »Cortegiano« seit dem 15. und 16. Jahrhundert Verbreitung fand1342. Verkörperung dieses Ideals war der »Höfling«1343 als Kenner der »arts de cour«1344 und Angehöriger einer sozial distinkten Gruppe1345. Große Bedeutung wurde seinem äußerlichen Erscheinungsbild – dem para„tre – zugeschrieben1346, ebenso wie der Beherrschung gesellschaftlicher Umgangsformen, Sprache und Körpertechniken1347, der sogenannten biens¦ance. Aber auch der demonstrative Konsum von 1341 Vgl. Asch, Introduction, S. 6; Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 14; Paravicini, Werner/Wettlaufer, Jörg (Hg.): Vorbild, Austausch, Konkurrenz: Höfe und Residenzen in der gegenseitigen Wahrnehmung. Ostfildern 2010 (Residenzenforschung, 23). Vgl. auch Burke, Der Höfling, S. 153, 157, der darauf verweist, dass die Entstehung einer »internationalen höfischen Kultur« bereits auf das 14. Jahrhundert zurückgeht. 1342 Vgl. dazu Loos, Literatur und Formung eines Menschenideals; Burke, Peter : Die Geschichte des Hofmann. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten. Berlin 1996; Brinkmann, Brigitte: Varietas und Veritas. Normen und Normativität in der Zeit der Renaissance. Castigliones Libro del Cortegiano. München 2001 (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste, 103). 1343 Im Französischen war der Begriff »courtisan« mehrdeutig. Laut Leferme-FalguiÀres bezeichnete er sowohl einen hochrangigen Menschen, der dem Gefolge eines Fürsten angehörte, als auch eine Person, die an dessen »service« angebunden war, und nicht zuletzt jemanden, der zu gefallen versuchte, um die Gunst des Fürsten zu erlangen. »Status social, fonction et comportement sont ainsi confondus sous le mÞme vocable.« (ders., Le monde des courtisans, S. 7). Vgl. auch zum Bild des Höflings im »Grand siÀcle« Bury, Emmanuel: La rh¦torique du courtisan: Un art d’Þtre soi sans blesser les autres, in: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.). Hrsg. v. Klaus Malettke und Chantal Grell. Münster 2002 (Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Marburger Beiträge, 1), S. 325–335. 1344 Revel, La cour, S. 3177. 1345 Vgl. ders., Vom Nutzen der Höflichkeit, S. 196. Laut Revel war der höfische Adel eine geschlossene Gruppe, »die sich zum alleinigen Richter über die Kriterien der Vollkommenheit erklärte.« Dafür dass es sich beim höfischen Verhalten um kein Spezifikum des frühneu-zeitlichen Hofes handelt zeigt Burke durch den Verweis auf das Mittelalter, vgl. dazu Burke, Der Höfling, S. 157. 1346 Vgl. Laverny, Sophie de: La representation commensale du courtisan au XVIIe siecle: reflets et conscience de soi, in: Cahiers de la M¦diterran¦e 66 (2003), Absatz 24. 1347 Vgl. Revel, Vom Nutzen der Höflichkeit, S. 196. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 423–424, der betont, dass das Hofleben »un effort permanent de ma„trise de soi« erforderte, ebenso wie die Verwendung einer spezifischen Sprache, wobei eine wechselseitige Beeinflussung der ›hohen‹ höfischen und ›niederen‹ städtischen Sprache stattfand. »Ainsi beau tour de langue, politesse, biens¦ance, honnÞtet¦ sont de Cour et de Ville. Par son prestige et son rayonnement la premiÀre domine encore la seconde, mais sans jamais l’¦craser.« Auch Laverny, La representation commensale, Absatz 25, weist darauf hin, dass »l’apparence physique ne suffit pas. En fait, il faut Þtre un ›homme au comble de sa perfection‹, physique mais aussi morale. Les rÀgles du ›para„tre‹ — cette ¦poque o¾ ›l’habit fait le moine‹ doivent Þtre compl¦t¦es par celles de la biens¦ance ou ›art de plaire — la cour‹«. Weiter schreibt sie, dass der Geist ebenso »poli et travaill¦ que le corps« sein musste. »L’honnÞte courtisan n’est pas p¦dant, mais sait contribuer — l’agr¦ment de la vie

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Luxusgütern zur standesgemäßen Selbstdarstellung und zum Prestigegewinn sowie die Zurschaustellung einer spezifischen Haltung waren wichtig1348. All dies steigerte die Attraktivität des Königshofes, der sukzessive zum zentralen Integrationspunkt der »Machteliten«1349 wurde. Gleichzeitig hatte es ein enormes personales Anwachsen des Hofes zur Folge, das reguliert und organisiert werden musste. Da sich das Hofleben zunehmend auf den Monarchen ausrichtete, um den als obersten Verteiler von Vorteilen und Ressourcen starker Andrang herrschte, setzten vor allem die Valois das Zeremoniell ein, um Zugangsrechte einzuschränken1350. Der direkte Umgang mit dem Monarchen wurde zu einem regelrechten Vorrecht, das nur wenigen zukam1351. Dennoch zeichnete sich das Leben am französischen Königshof auch weiterhin durch vergleichsweise große Zugänglichkeit aus1352 sowie das Fehlen einer Grenze zwischen ›Öffentlichkeit‹ und ›Privatheit‹1353, da die Angehörigen der königlichen Familie in ständiger Repräsentation lebten1354.

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en soci¦t¦ en ayant une tournure d’esprit agr¦able.« (ebd., Absatz 26) So musste eine Höflinge verschiedene Feinheiten erlernen, wie »l’art de plaire«, »un go˜t raffin¦, le discernement et la solidit¦ du jugement« (ebd., Absatz 69) sowie »l’art de la conversation« (ebd., Absatz 70). Vgl. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 16–17, wonach beispielsweise Langeweile bzw. deren Zurschaustellung »eine überaus vornehme Krankheit« war, die »nur bei Hofe ein Problem« sein konnte. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 19. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 297, wonach unter Ludwig XIV. immer mehr hohe Adelige ihr »hútel« in der Nähe der königlichen Residenz errichten ließen, sodass sich Versailles zu einer Stadt entwickelte, in der der hohe Adel und damit die »princes«, »ducs«, »grands officiers de la Couronne« und die »principeaux commensaux« residierten. Vgl. auch Spagnolo-Stiff, Anne: Die »Entr¦e solennelle«. Festarchitektur im französischen Königtum (1700–1750). Weimar 1996, S. 39, die die andersartige Begegnung zwischen »König und Öffentlichkeit« auf die Niederlassung des bis dahin »mobilen« Hofes »an einem konstanten Ort« zurückführt. – Zum höfischen Zeremoniell sind zahlreiche Arbeiten erschienen. Hier sei nur auf eine weiterführende Auswahl verwiesen: Hahn/Schütte, Zeichen und Raum. Vgl. auch Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 269, der auf die Vor- und Nachteile der Beschränkung und Kanalisierung des Zugangs zum Herrscher hinweist. Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 309–310. Während der deutsche Zeremonialstil eher darauf angelegt war, Distanz zwischen Herrscher und Untertanen herzustellen, betonte das französische Zugänglichkeit. Dies hatte zur Folge, dass die französischen Könige nur über wenige Rückzugsmöglichkeiten verfügten. Auch barg die relative Offenheit des französischen Zeremoniells das Gefahrenpotenzial, durch Verwehrung von Zugang hohe Adelige zu vergrämen. Auf die große Zugänglichkeit der französischen Monarchen weist auch Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 34, hin, wonach sich in Spanien nur Hofnarren dem König nähern durften, während dies in Frankreich für jedermann möglich war. »Öffentlichkeit« und »Privatheit« im modernen Verständnis sind anachronistische Kategorien, die dem personalen Charakter frühneuzeitlicher Herrschaft nicht entsprechen und daher dem Verständnis des frühneuzeitlichen Hoflebens im Wege stehen. Vgl. dazu Moos, Peter von: Die Begriffe »öffentlich« und »privat« in der Geschichte und bei den

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Obgleich die konkrete Ausgestaltung des Hoflebens in starkem Maße je nach Monarch und historischem Kontext variierte, strukturierte das höfische Leben ein Zusammenspiel von ›Alltag‹1355 und ›Fest‹1356. Wenngleich sich »l’ordinaire et l’extraordinaire – la vie de tous les jours et les fÞtes« nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen, so waren doch beide eingebunden in das »quotidien de la cour«1357. Der höfische ›Alltag‹ umfasste das »Repetitive, Strukturelle, Grundlegende«1358 und alle Aktivitäten, die sich täglich wiederholten. Je nach »agierenden Personen, Personengruppen und Personenkonfigurationen« und damit je nach eingenommener Perspektive unterschieden sich diese jedoch erheblich, auch wenn die höfischen Gruppierungen einen ›anderen‹ Alltag erlebten als die gleichen sozialen Gruppen außerhalb desselben1359. Für den König und seine Familie war der Hof in erster Linie ein Ort, an dem sich ein Großteil ihres Lebens abspielte und an dem umfangreiches Personal dazu eingesetzt wurde, ihre grundlegendsten Bedürfnisse nach »Essen und Trinken, Unterkunft, Kleidung«, Gesundheit, Sicherheit und Erholung zu befriedigen1360. Das nichtadelige Dienstpersonal, das das Gros der Hofbewohner ausmachte, war in erster Linie mit der Erfüllung eben dieser Bedürfnisse beschäftigt und mit der Organisation all dessen, was das Zusammenleben einer großen Menschenmenge erforderte, wie die tägliche Versorgung mit Speisen, Getränken und Brennmitteln1361. Für die adelige Hofgesellschaft hingegen drehte sich der Alltag um die mit ihren jeweiligen Hofämtern verbundenen Ehren-

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Historikern, in: Saeculum 49 (1998), S. 161–192; Melville, Gert/Moos, Peter von (Hg.): Das Öffentliche und das Private in der Vormoderne. Köln, Weimar, Wien 1998 (Norm und Struktur, 10). Vgl. auch Körber, Esther-Beate: Vormoderne Öffentlichkeiten. Versuch einer Begriffs- und Strukturgeschichte, in: Jahrbuch für Komunikationsgeschichte 10 (2008), S. 3–25. Zur Bedeutung von Geschlecht in diesem Zusammenhang vgl. Goodman, Dena: Public sphere and private life: toward a synthesis of current historiographical approaches to the Old Regime, in: History and Theory 31 (1992), S. 1–20; Hausen, Öffentlichkeit und Privatheit. Gesellschaftspolitische Konstruktionen und die Geschichte der der Geschlechterbeziehungen, S. 81–88. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 382. Vgl. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 9, der darauf hinweist, dass die Untersuchung des höfischen Alltags angesichts der Tatsache, dass »der Hof die wichtigste Institution politischer und kultureller Organisation Alteuropas schlechthin« war, von »beträchtliche[r] Relevanz« sei. Das Hofleben als »totales Fest« zu betrachten – wie es Richard Alewyn getan hat (vgl. ders., Das große Welttheater, S. 14) –, würde die historische Realität jedoch auf einen Teilbereich reduzieren. Vgl. auch Müller, Der Fürstenhof, S. 55. Chatenet, La cour de France, S. 215. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 9. Vgl. Johanek, Schlußbetrachungen, S. 268. Vgl. auch Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 11. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 11, 15. Vgl. ebd., S. 13. Vgl. auch Burke, Der Höfling, S. 148. Zu diesem Dienstpersonal gehörten u. a. Köche, Servierer, Wachen und Pförtner.

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dienste1362 und um die Wahrnehmung zeremonieller Funktionen1363. »Dosierte Routine« bestimmte ihren Tagesablauf, wenn sie ihrer jeweiligen Herrschaft beim Ankleiden und bei Mahlzeiten aufwarteten, sie zum Gottesdienst begleiteten oder bei Audienzen umgaben. Sowohl das höfische Alltagsleben als auch »politische Aktivitäten« und »administrative Abläufe in der Kanzlei oder in den Regierungsgremien«1364 bedurften dabei der Organisation und Reglementierung, wie sie sie auf normativer Ebene durch Hofordnungen erhielten. Die zentralen Taktgeber des Hoflebens waren die Angehörigen der Königsfamilie, um deren Tagesablauf sich die Aktivitäten eines Großteils des Hofpersonals entfalteten1365. Da der französische Königshof wie andere Höfe der Zeit eine Entwicklung weg vom monolithischen Familienhaushalt hin zum polynuklearen Hof der Einzelhaushalte vollzog1366, waren diese Tagesabläufe nicht gänzlich synchron. Es existierten jedoch Schnittpunkte, an denen sie zusammenliefen. Obwohl für die Angehörigen der Königsfamilie keine Regelungen zum Tagesablauf überliefert sind, die denen des Königs vergleichbar sind1367, gehörten zu ihrem primären Alltag Aufstehen (lever) und Zubettgehen (coucher), religiöse Praktiken wie der Gang zur Messe und (öffentliche) Mahlzeiten1368. Zu diesen Kernaktivitäten kamen Zeiten für den Empfang von Besuchern und Höflingen1369 sowie Zeitvertreib in Form von Spielen, cercles, Spaziergängen und -fahrten, Jagdpartien, Tanz-, Theater- oder Opernaufführungen sowie Reisen1370, die als wöchentliche »Wiederkehr des Außergewöhnlichen«1371 den sekundären Alltag bildeten. Dem gegenüber stand das »Fest«1372, das als außerordentliches Ereignis im Jahresverlauf nur selten oder sogar einmalig stattfand und das die Abfolge der 1362 Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 38. Vgl. Burke, Der Höfling, S. 148. 1363 Vgl. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 11. 1364 Müller, Der Fürstenhof, S. 38. Sie spiegelten die höfische Struktur und das »Verwaltungssystem sach- und personenbezogen wider[…]«. 1365 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 290. Vgl. auch Müller, Der Fürstenhof, S. 38, wonach neben dem Fürst auch der kirchliche Festkalender einen zentralen Orientierungspunkt höfischen Lebens abgab. 1366 Vgl. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 26. 1367 Dies stellt Chatenet bereits fürs 16. Jahrhundert fest (vgl. dies., La cour de France, S. 187). 1368 Diese Elemente des Hoflebens finden sich außer beim König auch bei der Königin und der Dauphine. Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 188; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 250. 1369 Laut Chatenet war insbesondere der späte Vormittag »en g¦n¦ral r¦serv¦e aux visiteurs et aux courtisans de marque.« (dies., La cour de France, S. 188) 1370 Vgl. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 23–24. Vgl. auch Müller, Der Fürstenhof, S. 55. 1371 Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 23. 1372 Ebd., S. 22–24. Paravicini sieht die Entwicklungslinie der europäischen Höfe in einer vom Alltag zum ständigen Fest. Zu den typischen Elementen königlicher Feste gehörten collation, com¦die, souper, ballet, Feuerwerk, Spaziergänge, Musik und Tanz (vgl. Solnon, La Cour de France, S. 130).

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sich täglich oder wöchentlich wiederholenden Handlungen unterbrach1373. Es stand meist in Verbindung mit dem kirchlichen Festkalender1374, herausragenden Ereignissen innerhalb der Fürstenfamilie1375 und politischen Anlässen1376. Des Weiteren wurden Feierlichkeiten veranstaltet, die direkt mit dem »image monarchique« verbunden waren, ebenso wie ›reine‹ Hoffeste1377. Die am Hof zelebrierten Feierlichkeiten waren meist nur für das höfische Publikum bestimmt1378 und erfüllten ebenso wie der höfische Alltag mehrere Funktionen gleichzeitig1379. Weit davon entfernt, reiner Selbstzweck oder Verschwendung zu

1373 Vgl. Revel, La cour, S. 3149. 1374 Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 215. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 294, wonach insbesondere Ostern zur Unterbrechung des höfischen Lebens führte: »Les bals cessent au d¦but du CarÞme, les com¦dies s’interrompent progressivement et les soir¦es d’appartement sont arrÞt¦es.« Jeder hält sich in seinen Räumlichkeiten auf und verlässt sie nur für den Gottesdienst. »La famille royale et l’ensemble de la cour se consacrent aux d¦votions pascales.« 1375 Dazu gehörten Geburten, Taufen, Eheschließungen und Begräbnisse. Vgl. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 23–24; Müller, Der Fürstenhof, S. 55. 1376 So wurden Friedensschlüsse, militärische Erfolge sowie hochrangige Besuche und Botschafterempfänge in der Regel mit Festlichkeiten begangen. Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 215; Solnon, La Cour de France, S. 117. 1377 Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 215. 1378 Vgl. Watanabe O’kelly, Helen: Das Schloß als Festort in der frühen Neuzeit, in: Die Künste und das Schloß in der frühen Neuzeit. Hrsg. v. Lutz Unbehaun, Andreas Beyer, Ulrich Schütte. München 1998 (Rudolstädter Forschungen zur Residenzkultur, 1), S. 53, 58, die zwischen Festen unterscheidet, die im Schlossgebäude selbst für ein höfisches Publikum inszeniert wurden – wie rein höfische Feste – oder, weil sie einer größeren ›Öffentlichkeit‹ bedurften, andernorts, wie beispielsweise in der Stadt, veranstaltet wurden. Chatenet bestätigt dies für den französischen Königshof des 16. Jahrhunderts. Das Schlossgebäude bot nur für bestimmte ›familiär-dynastische‹ Ereignisse, wie Taufe der Königskinder, Eheschließungen der Fürsten und der filles de la reine, Botschafterempfänge und ›reine‹ Hoffeste die Bühne. Ein Großteil der Feste spielte sich an anderen Orten ab: »Les sacres ont lieu — Reims pour le Roi et — Saint-Denis pour la reine, les entr¦es se tiennent dans les bonnes villes, les fun¦railles sont c¦l¦br¦es — Saint-Denis, les enfants de France se marient — Notre-Dame de Paris. De mÞme, les grandes fÞtes religieuses, telles l’Assomption ou la FÞte-Dieu, se passent volontiers dans des ¦glises de pÀlerinage comme Chartres ou NotreDame de Cl¦ry.« (dies., La cour de France, S. 217) Vgl. auch Knecht, Robert J.: Court festivals as political spectacle. The example of sixteenth-century France, in: Europa triumphans. Court and civic festivals in early modern Europe. Hrsg. v. James R. Mulryne, Helene Watanabe-O’Kelly und Margaret Shewring. Ashgate 2004, S. 24, die dies für entr¦es der französischen Könige bestätigt, die als öffentliche Zeremonien jedermann offenstanden. 1379 Für eine Auseinandersetzung zum Fest an frühneuzeitlichen Höfen vgl. Daniel, Ute: Überlegungen zum höfischen Fest im Barock, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 72 (2000), S. 45–66. Für die Funktion des Festes am französischen Königshof im 17. Jahrhundert vgl. McGowan, Margaret: La fonction des fÞtes dans la vie du cour au XVIIe siÀcle, in: La cour au miroir des m¦moralistes. Hrsg. v. N. Hepp. Paris 1991, S. 27–41.

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sein1380, waren sie »Ausdrucksformen adliger Ideale, absolutistischer Herrschaftsprinzipien und Sinnstrukturen«, die sowohl Abwechslung, »Amüsement und Kulturgenuß«1381 versprachen als auch als »Prestigegenerator par excellence«1382 Gelegenheit boten, den Glanz und die Pracht der regierenden Dynastie zu inszenieren sowie deren Herrschaftsanspruch zu manifestieren1383. Die ›Größe‹ eines Monarchen wurde entsprechend nicht allein an seinen militärischen Erfolgen und der Qualität seiner Verwaltung bemessen, sondern auch an den Festen, die er für sein Gefolge und sein Volk ausrichtete1384. Das Fest war somit ein wichtiges Medium der Selbstdarstellung für In- und Ausland, eine Möglichkeit der Machtdemonstration und nicht zuletzt ein »Instrument de gouvernement«, das politischen Zielen diente1385. Hierbei kam dem Verhältnis zum Landesadel eine besondere Bedeutung zu, denn divertissements und Feste unterstützten das Bestreben des Monarchen, ihn zu unterhalten und zu befrieden1386. Nicht zuletzt deshalb wurden zeitgenössisch Hoffesten als »attraction exceptionnelle« eine starke Wirkung zugeschrieben1387 und prachtvolle Hoffeste als königliche Pflicht begriffen1388. Obwohl eine gewisse Luxus- und Prachtentfaltung als Mittel der Distinktion notwendig war1389, evozierte gerade die mit dem höfischen Leben und Fest verbundenen großen Ausgaben scharfe Kritik1390, 1380 1381 1382 1383 1384 1385 1386

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Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 139, 142. Müller, Der Fürstenhof, S. 54–55. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 17. Vgl. Revel, La cour, S. 3153–3155; Roolfs, Der hannoversche Hof, S. 286. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 116. Ebd., S. 142. Solnon bezeichnet »les fÞtes« als »le moyen privil¦gi¦« für die Durchsetzung politischer Ziele. Vgl. ebd., S. 139–140. Vgl. auch Knecht, Court festivals as political spectacle, S. 21, der den primären Zweck von Hofvergnügungen darin sieht, die Höflinge zu unterhalten und, »in times of domestic strife, to unite them around the king and his family«. Ein weiterer Zweck konnte aber auch darin liegen, andere Fürsten zu beeindrucken. Solnon, La Cour de France, S. 117. Vgl. auch ebd., S. 140, wonach die Menschen der Renaissance an die »fonction sociale et presque magique des arts« glaubten. Weiter heißt es: »peinture, danse, musique, po¦sie (les ingr¦dients du spectacle de cour le plus achev¦) avaient vocation — r¦tablir l’unit¦ et l’harmonie compromises par les querelles et les luttes.« Vgl. ebd., S. 116. Vgl. Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 16. Vgl. auch Schütte, Ulrich: Das Fürstenschloß als »Pracht-Gebäude«, in: Die Künste und das Schloß in der frühen Neuzeit. Hrsg. v. Lutz Unbehaun, Andreas Beyer, Ulrich Schütte. München 1998 (Rudolstädter Forschungen zur Residenzkultur, 1), S. 15, der herausstellt, dass »›Pracht‹ […] fürstlicher Herrschaft […] zuzurechnen« ist, ihr Einsatz aber auch »von zentraler Bedeutung für die sozialen Eliten der feudal geprägten Gesellschaften des Mittelalters und der frühen Neuzeit« war und sich »immer in sozialen Kontexten« entfaltete und ein »Mittel der Kommunikation« war. In Frankreich wurde, wie im deutschen Reich, eine Debatte über die Hofökonomie geführt. Sie stellte sogar den »Kern der allgemeinen Unzufriedenheit der sich zunehmend politisierenden öffentlichen Meinung mit dem monarchischen Regime« dar (vgl. Bauer, Hofökonomie, S. 20). Vgl. auch Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 272, wonach das Hofleben

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die im Frankreich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts – bedingt durch die Schwäche der Monarchie – zunahm1391 und bis ins 19. Jahrhundert anhielt1392. Zwar sparte die Hofkritik meist »den Fürsten selbst und die Institution der Monarchie« aus, fällte jedoch ein harsches Urteil über das Leben am Hof1393 und die Höflinge, die im Ruf standen, Eigenheiten zu pflegen1394, die unvereinbar waren mit christlichen Moralvorstellungen1395. Der Hof erschien dabei als ein Ort der Illusion, der einerseits durch Prachtentfaltung und Schönheit glänzte1396, an dem andererseits allein das Wahren des Scheins genügte, um zu reüssieren1397. Auch erschien er als Ort des Lasters, an dem Intrigen und Skandale vorherrschten1398, alle Arten von Exzessen und schlechte Umgangsformen ausgelebt wurden1399 und Höflinge verschiedenste negative Eigenschaften kennzeichneten1400. Dabei bestand eine ständige Spannung zwischen dem Ideal des Höflings und der höfischen Realität1401.

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sich durch das ständige Balancieren zwischen Prestige durch ›Splendor‹ und Zwang zur Sparsamkeit auszeichnete. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 169. Moralische und philosophische Kritik am Hof war bereits im 17. Jahrhundert ein »lieu commun« (Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 9). Doch erst im 19. Jahrhundert wurde der Hof – untrennbar mit dem hohen Adel verbunden – politisch und sozial geradezu verdammt. Vgl. Luttenberger, Zur Funktion hofkritischer Reflexion im Reich, in: Hofgesellschaft, S. 460. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 167. Entsprechend findet sich Kritik an Höflingen beispielsweise in den Predigten, die zu bestimmten Anlässen am Hof gehalten wurden. Vgl. dazu den Aufsatz von Grell, Chantal: La critique de la cour. La source des sermons, in: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.). Hrsg. v. Klaus Malettke und Chantal Grell. Münster 2002 (Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Marburger Beiträge, 1), S. 443, wonach die am häufigsten behandelten Themen Schulden und Spiel waren. Vgl. Laverny, La representation commensale, Absatz 68. Vgl. ebd., Absatz 52. Laverny stellt dies auch im Hofbild der »¦crivains commensaux« der Zeit fest (vgl. ebd., Absatz 36). Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 165, der ebd., S. 164, schreibt: »Duels, batailles rang¦es, r¦conciliations ¦ph¦m¦res, bagarres entre domestiques imitant leurs ma„tre font de la cour de Henri III une sanglante p¦taudiÀre.« Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 170, 415; Laverny, La representation commensale, Absatz 47–59. Vgl. auch Asch, Der Höfling als Heuchler?, S. 183–203. Demnach wurden Höflinge u. a. die folgenden negativen Eigenschaften zugeschrieben: Häresie, Aberglauben, Eitelkeit, Heuchelei, Schmeichelei, Bigotterie, Gier, Genusssucht, Habsucht, Neid, Missgunst, Ausschweifungen, Unzucht, Frivolität, Untreue, Wankelmütigkeit, Ambitioniertheit, Feigheit, Erbarmungslosigkeit. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 9. Vgl. auch Laverny, La representation commensale, Absatz 105: »Dans les m¦moires des commensaux, le courtisan se trouve donc — la rencontre entre le mythe et la r¦alit¦, entre l’excellence et la bassesse. Le commensal tente de se rapprocher le plus possible de l’image du courtisan parfait afin de donner — son groupe, invisible socialement, une identit¦ propre.«

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2.

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Der französische Königshof war ein interpersonales Gefüge, das auf engstem Raum Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft vereinte und dabei die ganze Bandbreite der französischen Ständegesellschaft widerspiegelte1402. Den Kern dieses Mikrokosmos bildete die Königsfamilie und der ›engere‹ Hof, d. h. all diejenigen, die entsprechend der Doppelfunktion des Fürstensitzes entweder in den herrschaftlichen Haushalten1403 oder der Landesverwaltung bzw. -regierung ihren Dienst versahen1404. Im Gegensatz zum ›weiteren‹ Hof1405 der sich täglich wandelnden und nicht ständig präsenten »gens de passage« in Gestalt von Botschaftern, Besuchern, Bittstellern, Händlern, Handwerkern, Künstlern und »nombreux parasites«1406 bildeten sie die »feststehende und ständige personale Umgebung«1407 der Fürstenfamilie. Zur sogenannten ›Hofgesellschaft‹ gehörten aber nur Frauen und Männer der noblesse de cour1408, die eine ihrem Stand vorbehaltene »besoldete oder titulare Stellung« am Hof einnahmen1409. Sie alle unterlagen am Hof spezifischen Ordnungsprinzipien und Handlungslogiken, die die Dynamik der sozialen Interaktion beeinflussten. Ein grundlegendes 1402 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 67, 70; Laverny, La representation commensale, Absatz 1; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 321, 325. Vgl. auch Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 21: »Die Mischung der Geschlechter, der Lebensalter, von geistlich und weltlich, adlig und nicht adlig, von sozialer und von sachlicher Kompetenz, arma et litterae, von Weisheit und Torheit […] – all dies macht den umfassenden, alles integrierenden, universellen Hof aus.« 1403 Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 18; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 111, wonach die Mitglieder der Herrscherfamilie jeweils über einen eigenen Haushalt verfügten, in denen den Angehörigen des Hofstaates die Verwaltung des herrschaftlichen Haushaltes, »die Überwachung des Zeremoniells und die persönliche Bedienung des Herrschers und seiner Gäste« oblag. Vgl. auch Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 26, der darauf verweist, dass der Fürstenhof sich vom mittelalterlichen familiären Gesamthof zum einem polynuklearen Hof mit mehreren Einzelhaushalten entwickelte. 1404 Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 8, wonach eine personelle und funktionale Trennung zwischen beiden Bereichen nur schwer möglich ist, da »Hof- und Verwaltungsfunktionen« bis ins 17. und 18. Jahrhundert meist in Personalunion ausgeübt wurden. Vgl. ebd., S. 19, wonach eine »stärkere Trennung der Aufgabenbereiche« im Hochabsolutismus die bis dahin übliche Personalunion von »Hofchargen« und »Staatsbeamten« auflöst. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 321, der sich auf Angaben Solnons bezieht, wonach es in Versailles ungefähr 5000 ›Höflinge‹ gab, die sich um ungefähr 10 000 gelegentliche Besucher erweiterten. 1405 Vgl. Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 12. 1406 Boucher, L’¦volution de la maison du roi, S. 359. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 322; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 321. 1407 Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 12. 1408 Die noblesse de cour war nicht gleichbedeutend mit der »noblesse — la cour«. Solnon, JeanFranÅois: Cour, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime. Royaume de France XVIe-XVIIIe siÀcle. Hrsg. v. Lucien B¦ly. Paris 1996, S. 353. 1409 Hier wird der Definition Roolfs, Der hannoversche Hof, S. 17, gefolgt.

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Ordnungsprinzip des höfischen Schmelztiegels stellte die soziale Zugehörigkeit und die am Hof bekleidete Funktion dar1410, die ihren Ausdruck in einer hierarchischen Struktur fand. An der Spitze der innerhöfischen Pyramide stand die famille royale bestehend aus Herrscherpaar, enfants de France und petits-enfants de France1411. Ihr stufenweise nachgeordnet waren die Angehörigen des Hochadels1412, die sogenannte noblesse titr¦e1413, ein »microcosme particulier«1414 bestehend aus princes du sang1415, princes l¦gitim¦s1416, princes ¦trangers1417, ducs et pairs und ducs1418, nach der die grands officiers de la Couronne, die grands dignitaires de la maison du roi1419, die mar¦chaux de France1420 sowie die personnes de qualit¦ rangierten1421. Innerhalb dieser höfischen Hierarchie nahmen adelige Frauen den Rang ein, der in erster Linie ihrer Geburt1422 bzw. der Stellung ihrer Ehemänner1423 und in 1410 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 399. 1411 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 535; Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 68; Solnon, La Cour de France, S. 398. 1412 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 7. 1413 Vgl. ebd., S. 534. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 398, der von personnes titr¦es spricht, darunter aber nur princes ¦trangers, ducs et pairs und ducs fasst. 1414 Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 8. 1415 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 69; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 535; Mousnier, Histoire des institutions, S. 95. Zu der princes du sang gehörten die Häuser Bourbons, Orl¦ans, Anjou und AlenÅon, die in männlicher Linie ebenfalls vom königlichen Geschlecht abstammten und deshalb in entferntem Sinne zur famille royale gehörten. 1416 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 535. Die princes l¦gitim¦s rangierten in der höfischen Hierarchie unter den princes du sang. Vgl. auch Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 69, wonach den illegitimen Kindern im Gegensatz zu den legitimen, d. h. den unehelichen Kindern des regierenden Königs und seiner Vorgänger, kein eigener Haushalt zustand. 1417 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 72; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 535. Zu den princes ¦trangers gehörten die Guise, Gonzaga-Nevers, Rohan und Bouillon, die über ein Territorien außerhalb des französischen Königsreich verfügten. 1418 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 535. 1419 Vgl. Mousnier, Histoire des institutions, S. 115. Die Hauptvorsteher der maison du roi werden im Allgemeinen als grands officiers de la couronne bezeichnet. Zu ihnen zählen der grand aumúnier de France, der grand ma„tre, der grand chambellan sowie der grand ¦cuyer. 1420 Vgl. ebd., S. 106. 1421 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 534–535, wonach der in der Adelshierarchie dem Duc nachgeordnete Adel am Hof nicht unterschieden wurde, sondern eine homogene Gruppe der personnes de qualit¦ bildete, die sich jedoch von der bourgeoisie abgrenzte. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 398. 1422 Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 30–31; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 69. Diemel stellt für das Deutsche Reich des 19. Jahrhunderts fest, dass sich der höfische Rang einer adeligen Frau in der Regel nach dem ihres Vaters oder Ehemannes

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zweiter Linie ihrer Geschlechtszugehörigkeit und ihrem Familienstand entsprach1424. Dass Frauen gegenüber gleichrangigen Männern gemäß der Geschlechterhierarchie1425 zurückgestellt waren, am Hof demnach eine »Geschlechterasymmetrie«1426 herrschte, spiegelt sich auch im Zeremoniell wider. Dennoch war die Position, die einer Person am Hof zukam, nicht so statisch wie es die relativ starre Geburts- und Ämterhierarchie vermuten lassen würde. Sie stand in Wechselwirkung zur dynamischen Gunsthierarchie1427, die der König durch das Gewähren und Entziehen von Gnaden immer wieder aufs Neue modellierte1428. Eine hohe Stellung innerhalb der Hofgesellschaft war ein Zeichen von Macht1429, das im höfischen Zeremoniell1430 für alle Anwesenden sichtbar wurde, wies es doch jeder Person entsprechend ihres höfischen Ranges eine

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richtete und dass sie einen eigenen Hofrang lediglich erlangten, wenn sei »ein Hofamt oder ein Ehrenamt bekleideten oder bestimmten adeligen Stiften angehörten.« Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 537, wonach die adeligen Frauen in Frankreich mit der Heirat die soziale Position und den Rang ihres Ehemannes übernahmen. Unter gleichrangigen Geschlechtsgenossinnen kam der verheirateten Adeligen der Vortritt vor der Ledigen zu. Vgl. dazu Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 537: »Si le degr¦ d’a„nesse joue aussi en faveur des filles leur apportant un titre diff¦rent, il ne pr¦sume pas totalement du rang. En effet, le critÀre pr¦dominant pour les femmes est celui du mariage; la rÀgle g¦n¦rale est que le rang d’une femme mari¦e est toujours sup¦rieur — celui d’une fille c¦libataire.« Außerdem: »Les rangs des femmes s’¦tablissent en fonction des ambiguit¦s des rÀgles juridiques concernant la noblesse. Si celles-ci peuvent h¦riter des terres et des biens selon la coutume de Paris — laquelle la noblesse est astreinte, elles ne peuvent cependant succ¦der au titre et aux pr¦rogatives qui leur sont attach¦es. Le rang des femmes doit donc s’appr¦cier en fonction de cette double logique.« Vgl. auch Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 175–176, die vier weibliche Gruppierungen am französischen Königshof unterscheidet, die jedoch wenig überzeugen, da sie nicht nach sozialer Herkunft und Familienstand differenzieren. Vgl. Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 15. Oßwald-Bargende, Der Raum an seiner Seite. Ein Beitrag zur Geschlechtertopographie der barocken Höfe am Beispiel von Schloß Ludwigsburg, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Stuttgart 2000 (Residenzenforschung, 11), S. 85. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 38: »Ces c¦r¦monies mettent particuliÀrement en ¦vidence une cascade des rangs et des clivages traditionnels, comme celui entre hommes et femmes, observ¦ lors de la plupart des c¦r¦monies publiques.« Vgl. Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 12–13. Selzer und Ewert gehen von drei Hierarchien, nämlich einer Sozial-, Funktions- und Gunsthierarchie, aus, die in Wechselwirkung zueinander standen und letztlich die faktische höfische Hierarchie bildeten. Vgl. auch Müller, der Fürstenhof, S. 3, 5; Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 411. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 399, 402, wonach dem Herrscher persönliche Qualitäten, Treue und Dienst ebenso wichtig gewesen seien, wie das Alter einer Familie. Vgl. auch Garrigues, Monique: Gr–ces et faveurs — la cour de Versailles aux XVIIe et XVIIIe siÀcles. Unveräffentlichte Dissertation. BesanÅon 1986. Vgl. Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 14. Vgl. Roolfs, Der hannoversche Hof, S. 179.

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bestimmte räumliche Position, Sitzgelegenheit, Präzedenz sowie Kleidung und auszuführende Handlung zu1431. Grundlage dieser Macht war die damit zum Ausdruck gebrachte Nähe zum König, der als »ultimate source of authority«1432 wichtigster Verteiler von Gunstbeweisen in Form von Ämtern, Würden und Gratifikationen war1433. Da das höfische Zeremoniell den Zugang zum Monarchen einschränkte, existierten auch nur begrenzte Möglichkeiten, seine Gunst zu erlangen1434, und war bereits die Überwindung der zeremoniellen Schwellen mit hohem Prestige verbunden1435. Die Nähe und der Kontakt zum Monarchen sowie die Kontrolle des Zugangs zu ihm stellten ein Kapital dar, das die Privilegierten zum Ausbau ihrer Macht nutzen konnten1436, indem sie beispielsweise als Mittelsmänner für andere Personen fungierten1437 und rare Güter – wie verlässliche Informationen – weitergaben. Diese waren am von Gerüchten und Spekulationen nur so brodelnden Hof1438 von großer Bedeutung1439. Dabei spielte tatsächlich ausgeübte Macht eine geringere Rolle als die einer Person aufgrund ihrer hohen höfischen 1431 Vgl. Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 12–13; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 91. Am französischen Königshof waren es die sogenannten »honneurs du Louvre«, über die die königliche Familie, Herzöge und »princes ¦trangers« und ab 1700 die »grands d’Espagne« und die Kardinäle verfügten, die mit denen Privilegien verbunden waren, wie das Recht auf einen Hocker (»tabouret«), auf das Hereinfahren in die königliche Residenz in einer Kutsche und auf ein Kissen (»carreau«) in der Kirche (vgl. dazu Solnon, La Cour de France, S. 365). 1432 Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 15. Der Umfang und die Wirksamkeit der persönlichen Autorität eines Herrschers hingen stark von dessen Persönlichkeit ab. 1433 Vgl. ebd., S. 7. Vgl. auch Revel, La cour, S. 3158, wonach die Gunst des Herrschers auch zu günstigen Eheschließungen und zu einer guten Unterbringung im Schloss führen konnte. 1434 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 13; Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 269. Die Distanzierung des Herrschers führte zu einer Normierung des höfischen Raums. Vgl. auch Duindam, Jeroen: Ceremonial staffs and paperwork at two courts: France and the Habsburg monarchy ca. 1550–1720, in: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.). Hrsg. v. Klaus Malettke und Chantal Grell. Münster 2002 (Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Marburger Beiträge, 1), S. 371: »In defining and restricting access to the ruler, ceremony occupied a key position in court life«. 1435 Vgl. Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 269. Johanek verweist aber auch auf das Gefahrenpotenzial einer solchen Entrückung des Herrschers, die zur »Entstehung von Krisen beitragen« konnte. 1436 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 14; Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 15. Paravicini verweist darauf, dass die Kontrolle des Zugangs zum Herrscher ihrem Inhaber eine Stellung verlieh, »die ihn weit über seinen sozialen Rang erheben« konnte. 1437 Vgl. Asch, Introduction, S. 17. 1438 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 381. 1439 Vgl. Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 162. Vgl. auch Paravicini, Auf der Suche nach einem Hofmodell, S. 123, wonach die »Mitteilung von Information […] Gunst und Gnade« gewesen sei.

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Position und Nähe zu Entscheidungsträgern zugeschriebene. Entsprechend drückte der cr¦dit eines Hofangehörigen sein Machtpotenzial aus, das nicht »auf präzise einzugrenzende institutionalisierte Macht, sondern allein auf glaubwürdig unterstellbaren Einfluß«1440 beruhte. Vor diesem Hintergrund gehörte es zur besonderen Rationalität höfischer Akteure1441, sich möglichst dauerhaft am Hof aufzuhalten und dort Nähe und Zugangsmöglichkeiten zum König zu suchen1442 – als Voraussetzung für seine Gunst und der darüber vermittelten Vorteile1443 – und diese möglichst lange aufrechtzuerhalten. Immerhin war die Gewährung von Gnaden und Zuwendungen unsicher und nicht zwangsläufig von Dauer1444. Da sowohl Zugangsmöglichkeiten als auch Ressourcen begrenzt waren, stellte das ständige Bemühen und die Konkurrenz um diese, die sich nicht zuletzt in Spannungen1445 und Konflikten entluden1446, eine weitere grundlegende höfische Handlungslogik dar1447. Sowohl beim Streben nach Vorteilen als auch bei der Austragung von Konflikten agierten Hofangehörige selten als Einzelpersonen. Wie auch die frühneuzeitliche Gesellschaft im Allgemeinen1448 kennzeichnete auch die höfische Gesellschaft im Speziellen die Eingebundenheit in verschiedene soziale Nah1440 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 44. 1441 Laut Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 41, wirkten am Hof vor allem drei Strategien: »la progression dans l’¦chelle des rangs, l’insertion de nouvelles marques d’honneur li¦es — un rang et l’usurpation pure et simple. La cour est ainsi un monde de tensions, de clivages et d’intrigues dont il faut reconstituer les logiques.« 1442 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 378, wonach eine wichtige Voraussetzung für die Gunst des Königs die regelmäßige Aufwartung beim ihm war, auch wenn dies allein nicht ausreichte. 1443 Vgl. Schindling, Anton: Kurfürstenhöfe und Fürstenhöfe im Heiligen Römischen Reich, in: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.). Hrsg. v. Klaus Malettke und Chantal Grell. Münster 2001 (Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Marburger Beiträge, 1), S. 248–249. Vgl. auch Scott/Storrs, Introduction, S. 52, wonach die meisten Adeligen saisonal rotierten, d. h. den Sommer auf ihren Gütern verbrachten und den Rest des Jahres in der Hauptstadt und am Hof. 1444 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 403. Außer den Zuwendungen für die »hommes de gouvernement« ist keine Pension und Geldgabe festgelegt. Auch sind Gnaden und Zuwendungen unsicher. Vgl. auch Aymard/Romani, La cour comme institution, S. 9: »Ne peut recevoir que celui qui se met au service de quelqu’un et accomplit ce service en se distinguant.« Entsprechend wurde ein Platz unter den Dienern des Fürsten am attraktivsten für diejenigen, die ihre Position verbessern oder ihren Status ändern wollten. 1445 Vgl. Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 272. 1446 Ein immer wieder aktueller Anlass für Streitigkeiten war der Vorrang im höfischen Zeremoniell. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 38. 1447 Vgl. Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 272; Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 14. Vgl. auch Meyer, Introduction, S. 9: »La lutte pour le pouvoir, lutte larv¦e ou ouverte, constitue l’essentiel des jours, des fÞtes et des nuits des Cours.« 1448 Vgl. Asch, Introduction, S. 18.

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beziehungen1449, die eine unabdingbare Voraussetzung für die Durchsetzung von Interessen1450, die Sicherung von Ressourcen1451 sowie die Vermittlung von Informationen, Gefälligkeiten und Kontakten darstellte1452. Der französische Königshof bildete dabei das neuralgische Zentrum »de pratiques et de liens sociaux«1453. Hier standen Einzelakteure und Gruppierungen über dyadisch und netzwerkartig organisierte Figurationen in interdependenten und reziproken Beziehungen zueinander1454 und bestimmten durch Einfluss- und Geselligkeitsnetzwerke in starkem Maße Erfolgschancen1455. Entsprechend war die »ausdauernde Wühlarbeit gut verwurzelter Hofclans naturgemäß ungleich häufiger erfolgreich als das individuelle Streben talentierter Einzelner«1456, und es bestand ein vitales Interesse, Beziehungen zu Hofangehörigen herzustellen und zu pflegen1457. Dies geschah umso mehr, da Entscheidungen am Hof nicht allein über formalisierte Prozesse fielen, sondern in starkem Maße verbunden waren mit persönlichen Kontakten und Zugangsrechten, die die Möglichkeit der Einflussnahme auf zentrale Entscheidungsträger wie den König maßgeblich bestimmten. Grundlage für interpersonale Zusammenschlüsse waren neben verbindenden Interessen und Präferenzen auch Landsmannschaft, Religionszugehörigkeit oder gemeinsam ausgeübter Dienst, der selbst ständeübergreifend eine Art Dienstsolidarität bewirken konnte1458. Die wichtigsten und häufigsten Verbindungen basierten jedoch auf Verwandtschaft, Freundschaft und Patronage1459. 1449 Vgl. Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 14. Vgl. auch Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 163, der darauf hinweist, dass sich das soziale Gefüge des Hofes aus verschiedenen Nahbeziehungsarten zusammensetzte, nämlich Freundschaft, Verwandtschaft sowie Klientel. 1450 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 120. 1451 Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 182. 1452 Für die besondere Bedeutung von Informationen am Hof vgl. Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 162. 1453 Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique, S. 8. 1454 Bereits Elias hatte den Hof als soziales System verstanden, dessen interdependente Akteure miteinander spezifische Figurationen bildeten. Vgl. Elias, Nobert: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie. 6. Aufl. Frankfurt a. M. 1992, S. 37. 1455 Vgl. Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 164. 1456 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 45, Fn. 46. 1457 Vgl. Le Roux, La maison du roi sous les premiers Bourbons, S. 15: »Dans la premiÀre moiti¦ du Grand SiÀcle, les maisons royales constituent toujours l’un des cercles essentiels o¾ s’¦tablissent et se renforcent les liens entres les lignages de cette ›haute noblesse‹ — laquelle les grands offices sont traditionellement r¦serv¦s.« 1458 Vgl. Laverny, La representation commensale, Absatz 87–89. Vgl. auch ebd., Absatz 90. 1459 Vgl. Seidel/Schuster, Freundschaft und Verwandtschaft, S. 152–153. Beide verweisen für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit darauf, welche große Bedeutung nicht nur eine, sondern verschiedene soziale Beziehungen, wie Familie, Verwandtschaft und Freundschaft, hatten.

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Entsprechend waren auch die »kollektiven Hauptakteure des höfischen Konkurrenzkampfes […] fast nie sachfragenorientierte Parteiungen, sondern Familien- oder Klientelallianzen, die in erster Linie vom Streben nach standesgemäßer Versorgung zusammengehalten wurden.«1460 Hofangehörige agierten dabei als »ständige Gesandte« ihrer Herkunftsfamilie1461 und anderer sozialer Verbindungen, für die sie als Informanten und als Makler von Karriere- und Patronagechancen fungierten1462. Das, was die sozialen Zusammenschlüsse am Hof im Besonderen auszeichnete, war ihre Kurzlebigkeit und ihr kompetitiver Charakter1463. Parteiungen1464, Allianzen und cabales1465 fanden sich auf Grundlage gemeinsamer Interessen zusammen, schmiedeten Pläne und Intrigen1466, die darauf abzielten, den König im Hinblick auf Ernennungen, b¦n¦fices, Privilegien, Pensionen, faveurs oder auch politische Entscheidungen zu beeinflussen1467, und brachen mit Gelingen 1460 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 51. 1461 Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 180, 190. Ruppel wendet sich mit dieser Feststellung explizit gegen die Abwertung nachgeborener adeliger Söhne, die ihrer Ansicht nach für ihr jeweiliges Haus nicht funktionslos waren, sondern einen wichtigen Beitrag zu deren Vernetzung leisteten. 1462 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 120. 1463 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 313. »Favour and faction are two sides of the same phenomenon. While factions are reported at both courts throughout the early modern age, we have reason to doubt the solidity and longevity of alignments.« 1464 Vgl. Laverny, La representation commensale, Absatz 61. 1465 Cabale, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung], »signifie figur¦ment, une societ¦ de personnes qui sont dans la mÞme confidence & dans les mÞmes interests: mais il se prend ordinairement en mauvaise part. Tous ces gens-l— sont d’une mÞme cabale. On le dit aussi des conspirations & des entreprises secrettes, des desseins qui se forment dans cette societ¦.« 1466 Laut Laverny seien die wichtigsten politische Intrigen, die eine »communaut¦ d’int¦rÞts ou de convictions entre plusieurs individus« implizierten. »L’influence de ces groupes est parfois aussi d¦cisive sur le cours des ¦v¦nements que celle des individus men¦s par leur int¦rÞt particulier.« (vgl. dies., La representation commensale, Absatz 64). 1467 Vgl. Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique, S. 7, vergleichen das Funktionieren dieser höfischen Mechanismen und Gruppierungen mit dem von »selfenforcing non-market institutions«, »assurant leur propre discipline interne par l’imposition concert¦e d’un systÀme de rÀgles contraignantes«. Vgl. auch Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 164, der beschreibt, welchen Einfluss das Umfeld des König auf dessen Entscheidungen ausübt sowie die Relevanz von Gerüchten und mehr oder weniger kurzlebigen Kaballen und taktischen Allianzen in diesem Zusammenhang: »Formellement la d¦cision appartient toujours au roi, relay¦ ou non par ses ministres. Mais elle est toujours pr¦par¦e par de longues et complexes manœuvres et n¦gociations dans lesquelles se trouvent impliqu¦s les diff¦rents acteurs: celles-ci visent tout autant — limiter le jeu des possibles qu’— pr¦parer la d¦cision finale du monarque, qu’il faut — tout prix tenter d’atteindre pour lui transmettre l’information et plaider sa cause auprÀs de lui. Celui-ci joue en effet des difficult¦s d’accÀs, soigneusement calcul¦es et

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oder Scheitern des Vorhabens wieder auseinander. Wie stark der Einfluss entsprechender Gruppierungen war, zeigte sich nicht zuletzt darin, dass ›Neutralität‹ im Sinne von Parteilosigkeit im höfischen Handlungsrahmen kaum denkbar war1468. Außer den genannten sozialen Beziehungen standen die höfischen Akteure in einem größeren Wirkzusammenhang, der sich aus dem Verhältnis zwischen König bzw. der französischen Monarchie und dem (Hof-)Adel ergab1469 – zwei zentrale Pole der höfischen Interaktion, die die (soziale) Dynamik des Hofes und nicht zuletzt den Staatsbildungsprozess maßgeblich beeinflussten1470. Die Haltung beider Seiten zum Hof war ambivalent, da sie von verschiedenen Interessen und Motivationen getragen wurde. Für den König erfüllte sein Hof die Funktion, die soziale und politische Elite seines Landes in ein System dynastischer Herrschaft zu integrieren und sie der Disziplin des monarchischen Staates unterzuordnen1471. Bereits die Valois verstanden ihren Hof als ein Herrschaftsinstrument, das den Adel vor Oppositionsbildung gegen die Krone abhalten und – im Sinne eines »Tenir sa cour, c’est tenir sa noblesse«1472 – befrieden sollte. Dabei war es den französischen Monarchen gelungen, den Königshof für ihren Adel

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contrúl¦es, — sa propre personne: ne parle pas au roi qui veut, ni quand il le veut. La rumeur, la cabale, la coterie, les alliances tactiques contract¦es — court ou moyen terme, jouent dans ce contexte un rúle essentiel, dans la mesure o¾, comme des coalitions sur un march¦ financier, elles visent — faire tomber un adversaire et — conditionner la prise de d¦cision, en rendant impossible une ou plusieurs des solutions possibles«. Vgl. Laverny, La representation commensale, Absatz 62, wonach im 17. Jahrhundert sich alle Höflinge mehr oder weniger an Faktionen und damit an den Kämpfen um Einfluss beteiligten. Neutralität scheint fast unmöglich. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 214, der über seine Schwierigkeiten berichtet, neutral zu bleiben und einen commerce mit einer Person zu unterhalten, ohne dass sie zu Verpflichtungen und Loyalitäten führte. Vgl. Meyer, Introduction, S. 11, der auch die clerg¦s als eine eigene Kraft am Hof zählt. Dieser Differenzierung wird hier nicht gefolgt, da es sich beim hohen Klerus meist um Angehörige des Adels handelte. Vgl. Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 165: »Dans ce contexte, la cour se trouve pourtant sollicit¦e dans deux directions contradictoires. D’un cút¦ – celui du roi -, la codification progressive des rÀgles officielles de fonctionnement de la cour, tend — en faire une institution officielle et presque publique, plac¦e sous l’autorit¦ personnelle du souverain: une state-enforced institution. De l’autre – celui des courtisans -, la comp¦tition exacerb¦e entre les principaux acteurs y favorise la formation de r¦seaux interpersonnels officieux qui s’efforcent d’en conditionner le fonctionnement — leur avantage: ceux-ci y respectent des rÀgles dont la rigueur peut Þtre rapproch¦e de celle qu’Avner Greif a prÞt¦e aux r¦seaux des marchands juifs maghr¦bins dans la M¦diterran¦e faitmide, d¦finis comme des self-enforcing institutions. L’information et la confiance en constituent les clefs.« Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 18; Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 16. Vgl. auch Asch, Introduction, S. 24–25, wonach der Adel eine wichtige Verbindung zwischen dem Hof und den Regionen eines Landes herstellte. Solnon, Cour, S. 354.

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politisch, wirtschaftlich und sozial1473 durch die sich dort bietenden zahlreichen Macht- und Aufstiegsmöglichkeiten und das glanzvolle Hofleben zu einem ausgesprochen attraktiven Anziehungspunkt werden zu lassen1474. Gleichzeitig war der Hof aber auch der Ort, an dem über den Adel eine Verbindung zwischen »autorit¦ centrale« und »autorit¦s p¦riph¦riques« in den Regionen hergestellt werden sollte1475. Dabei spielten Patron-Klient-Beziehungen in »den großen Monarchien Westeuropas […] eine erhebliche Rolle als Mittel der Stabilisierung und des Ausbaus der monarchischen Herrschaft«1476, die auch im Staatsbildungsprozess nicht an Bedeutung verloren1477. In Frankreich standen die »modules de pouvoir propres — un systÀme aristocratique et client¦laire«1478 nicht im Widerspruch zur Entwicklung eines bürokratischen Apparats. Ganz im Gegenteil wurden sie dafür eingesetzt, denn in den Händen des Königs oder seiner Minister konnte Patronage »a crucial instrument for the extension of the authority of central government in previously autonomous provinces and sections of society«1479 sein. Dabei setzte die Zentralregierung zur Erweiterung ihrer Kontrolle und zur Erhöhung der politischen Integration Vermittler ein, beispielsweise in Gestalt lokaler Adeliger. Diese kollaborierten mit der Zentralregierung, indem sie das Prestige und den Einfluss, den sie als Angehörige einer regionalen Herrschaftselite genossen, für die Ziele und Projekte der Zentralregierung einsetzten, um dafür im Gegenzug eine Stärkung ihres lokalen Status zu erfahren1480. Dadurch fungierten lokale Broker als wichtige Bindeglieder zwi1473 Vgl. Mettam, The French Nobility, S. 134, 137; Müller, Der Fürstenhof, S. 17. 1474 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 81; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 8, 263; Solnon, La Cour de France, S. 356, 402; Duindam, The Bourbon and the Austrian Habsbourg Courts, S. 204. Vgl auch Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 52, der die 50 % adelige Neueinsteiger am Hof mit dem steigenden Druck erklärt, die »für den Adel nötige[n] Güter mehr und mehr nur noch bei Hof zu erlangen«, die wiederum den Druck erhöhten, sich über Hofchargen dauerhaft am Hof zu verankern. 1475 Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique, S. 8. Vgl. auch Asch, Introduction, S. 24–25. 1476 Asch, Der Hof Karls I. von England, S. 293. 1477 Vgl. Morgan, Some types of patronage, S. 103. Vgl. auch Press, Volker : Patronat und Klientel im Heiligen Römischen Reich, in: Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Antoni Ma˛czak. München 1988 (Schriften des historischen Kollegs, 9), S. 22, wonach »die Formalisierung der Berufslaufbahnen seit dem 18. Jahrhundert diese traditionellen Formen der Patronage keineswegs sogleich« beendet hat. 1478 Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique, S. 8. 1479 Asch, Introduction, S. 17. 1480 Vgl. Kettering, Sharon: The historical development of political clientelism, in: Journal of interdisciplinary history 18/3 (1988), S. 427, 432–433. Dadurch habe sich im frühneuzeitlichen Frankreich ein »broker model of political integration« entwickelt, das typisch sei für eine bestimmte Entwicklungsstufe des politischen Systems (ebd., S. 432). Vgl. aber Jouanna, Arlette: R¦flexion sur les relations internobiliaires en France aux XVIe et XVIIe siÀcles, in: French Historical Studies 17/4 (1992), S. 872–881, die vor dem Hintergrund von

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schen Peripherie und Zentrum des Königreichs und förderten die »regionalnational integration«1481. Adelige Magnaten traten ihrer Klientel dabei als Patrone entgegen, waren dies aber »immer weniger […] aus eigenem Recht« oder auf Grundlage eigener »Herrschaftstitel und Machtmittel«. Stattdessen hielten sie im Zuge des Erstarkens des Staates im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit ihre Klientel zunehmend dadurch aufrecht, dass »sie zu Maklern für die von der Krone zu vergebenden Vorteile und Rechte« wurden1482. Hierbei gewann der Königshof als zentraler Umschlagplatz von Privilegien und Ämtern sukzessive an Bedeutung1483. Zwar war er bereits zuvor Knotenpunkt und regelrechte »Clearing-Stelle« verschiedener Patronage- und Klientelnetze gewesen1484, er blieb es aber auch bis ins 19. Jahrhundert1485. Zur Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen Zentrum und Peripherie1486, zur Integration der politischen Elite und zur Sicherung ihrer Loyalität1487 und damit letztlich auch zur Wahrung seiner eigenen Souveränität bedurfte der Monarch demnach der Kooperation seiner Untertanen, insbesondere des Adels, dessen Schwächung auch seine eigene zur Folge haben konnte. Entsprechend war auch der Hof des 17. Jahrhunderts kein Ort der uneingeschränkten Vormachtstellung eines einzelnen Fürsten1488, sondern der Aushandlung und des Kompromisses1489. Zwar war der König innerhalb des Hofes »the ultimate source

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Ketterings Forschung ein »inventaire des facteurs qui ont retard¦ la diffusion des liens de clientÀle au sein de la noblesse«, und zwar abhängig von den »conjoncture politique globale« (ebd., S. 881) entwirft. Kettering, The historical development of political clientelism, S. 433. Asch, Der Hof Karls I. von England, S. 293. Vgl. ders., Introduction, S. 17. Bauer, Volker: Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie. Tübingen 1993 (Frühe Neuzeit 12), S. 15. Vgl. Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 14. Vgl. Asch, Introduction, S. 25. Vgl. auch Cornette, JoÚl: Les palais du plus grand roi du monde, in: Versailles. Le pouvoir de la pierre. Hrsg. v. dem. Paris 2006, S. 41: »Car tenir dans un mÞme espace les grands lignages du royaume […], c’¦tait contrúler en mÞme temps le systÀme pyramidal des clientÀles et des ›cr¦atures‹ provinciales, s’assurer de leur fid¦lit¦.« Asch weist darauf hin, dass dem Hof diese Integration nicht immer gelang, dass sogar der Rückzug des Adels vom Hof zur politischen Destabilisierung beitragen konnte (vgl. Asch, Introduction, S. 25). Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 17, der sich auf Montesquieu bezieht, wenn er zitiert: »no crown, no nobility ; no nobility, no crown«. Entsprechend können die Machtverhältnisse am Hof nicht nur auf eine Vormachtstellung des Monarchen reduziert werden, da Macht nicht nur vom König ausging. Laut Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique, S. 8, lassen sich Hof und soziale Beziehungen nur richtig verstehen und erfassen, wenn man Folgendes versteht: »la souverainet¦ est en effet bas¦e sur des n¦gociations, des compromis et des particularismes qui s’expriment trÀs largement dans des liens de type personnel entre le seigneur et ses subordonn¦s.«

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of authority«, der als wichtigster Verteiler von Ämtern und Würden über Erfolg und Misserfolg höfischer Karrieren entschied. Dennoch waren Umfang und Wirksamkeit seiner Autorität in starkem Maße von seiner jeweiligen Persönlichkeit sowie von den durch Traditionen und Erwartungen gesetzten Grenzen bestimmt1490. Somit lässt sich der Hof – entgegen der Domestikationsthese von Elias – nicht auf die Funktion eines ›goldenen Käfigs‹ reduzieren, der in erster Linie dazu diente, den französischen Hochadel durch die Vergabe von Vorteilen und die Auferlegung eines teuren Lebensstils zu kontrollieren und letztlich zu domestizieren. Neuere Forschungen relativieren diese These1491, indem sie aufzeigen, dass der französische Königshof vielmehr ein Ort der Integration und des Austauschs war1492. Dort verfügte zwar der König als zentrale Quelle von Gunst und Förderung über die größten Handlungsmöglichkeiten1493 – er beeinflusste die höfische Rang- und Ämterhierarchie1494 und unterwarf das Hofleben einem spezifischen Rhythmus1495 –, gleichwohl waren seine Entscheidungen an Rücksichten gegenüber den Vorrechten der noblesse d’¦p¦e gebunden1496 und seine tatsächliche Verfügungsgewalt über bestimmte Positionen durch Ämterkäuflichkeit eingeschränkt1497.

1490 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 15–16. 1491 Vgl. hier z. B. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 50, der von Elias’ These und dem klassischen Absolutismusmodell abrückt, da es von einer »grundsätzlichen Entmachtung des hohen Adels« und einem »bewußten Einsatz von Hofchargen« ausgeht, die dafür eingesetzt worden seien, die in einem »goldenen Käfig domestizierte Aristokratie über den Verlust ihrer Macht hinwegzutäuschen«. Horowski ist vielmehr der Ansicht, dass »die Verabsolutierung moderner Machtdefinitionen lange Zeit den Blick dafür verstellt [hat], daß Macht mehr und subtiler sein kann als die institutionell legitimierte Entscheidung über politisch-administrative Sachfragen. Selbst in der Moderne ist die angeblich größere Wichtigkeit reiner Sachentscheidungen und institutionalisierter Entscheidungsprozesse ja oft mehr Postulat als Realität; weil aber der Frühneuzeit solche Gewichtungen erst recht fremd gewesen wären, erscheint es falsch, frühneuzeitliche Akteure einfach deshalb als ›entmachtet‹ anzusehen, weil sie meistens ›nur‹ noch inoffiziell und meistens ›nur‹ noch an Personalentscheidungen beteiligt waren.« (ebd., S. 51) 1492 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 81; Duindam, Vienna and Versailles, S. 319. 1493 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 391. Der König konnte durch die Entfernung vom Hof, die Zurücknahme von Gnadenerweisen, der Verlust von höfischen Ämtern und militärischen Kommandos die Hofangehörigen zur Pflichterfüllung anhalten. Die Aussage von Ewert/Selzer, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 13–14, wonach dem König aus der Konkurrenz der Höflinge um seine Zuwendungen »ein ungeheures Machtmittel« erwuchs, ist jedoch zu relativieren. 1494 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 76. 1495 Vgl. BertiÀre, Les femmes du roi-soleil, S. 483. 1496 Vgl. Mettam, The French Nobility, S. 122, 127. Ludwig XIV. vertrat die Interessen der nobblesse d’¦p¦e, der er weiterhin hohe Ämter vorbehielt. 1497 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 72. Vgl. auch Duindam, The

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Gleiches bestätigt sich auch mit Blick auf das höfische Zeremoniell, dass der König als Medium seines Vorrangs gegenüber dem Adel einsetzte1498, dessen Regeln er aber auch unterlag, da er selbst Teil dieser höfischen Kommunikationsform war, die von allen Beteiligten aktiv mitgestaltet wurde1499. Somit ist auch das Hofleben im Allgemeinen als das Ergebnis eines beidseitigen Aushandlungsprozesses und Kompromisses zwischen Herrscher und Hofadel zu verstehen1500. Entsprechend war der Hof für den Adel auch ein Ort, der den Kontakt zum und den Austausch mit dem Fürsten ermöglichte1501 und darüber Gelegenheiten eröffnete, Einfluss, Prestige und Reichtum1502 zu erwerben, aber auch soziale Netzwerke zu pflegen1503 sowie standesgemäße Ehen anzubahnen1504. Insgesamt entwickelte sich der Königshof seit dem 16. und 17. Jahrhundert insbesondere für den Hochadel1505 zu einem zentralen Aufenthaltsort, an dem er

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Bourbon and the Austrian Habsbourg Courts, S. 202, der auf die Zweischneidigkeit von käuflichen Ämtern hinweist. Vgl. Solnon, Cour, S. 354; ders., La Cour de France, S. 155. Vgl. Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 42. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 362, 371. Solnon betont, dass das höfische Zeremoniell dem Herrscher ein Leben in fast ständiger Gegenwart der Hofangehörigen auferlegte und auch ihn selbst den Anforderungen des Protokolls unterwarf. Gleichwohl sei Ludwig XIV. nie Gefangener des Zeremoniells gewesen. Vgl. Duindam, The Bourbon and the Austrian Habsbourg Courts, S. 182. Vgl. Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique, S. 7. Vgl. auch Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 21. Adamson sieht das Verschwinden von Adelsrevolten um die 1660er Jahre als Folge der ›Wirksamkeit’ des Hofes, der zur Lösung von Problemen und zur Deeskalation beitrug. Vgl. auch Müller, Der Fürstenhof, S. 18. der davon spricht, dass Fürst und Adel am Hof eine »neue Verbindung eingingen«. Vgl. vor allem Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 51, der die »verstärkte Hofpräsenz [des Adels] seit dem Scheitern der Fronde keineswegs als erzwungenen Umzug in den goldenen Käfig« wertet, »sondern vielmehr als einen bewußt kalkulierten Entschluß zur Beeinflussung jener zentralen Machtinstanzen […], die zwar auch nach der Fronde bei weitem nicht allmächtig waren, sich aber endgültig als nicht mehr zerstörbar und im Ganzen als überlegen erwiesen hatten.« Vgl. Asch, Introduction, S. 24; Burke, Der Höfling, S. 149. Vgl. Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 7; Schindling, Kurfürstenhöfe und Fürstenhöfe im Heiligen Römischen Reich, S. 248. Vgl. auch Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 8, der betont, dass der Hof u. a. ein wichtiger Heiratsmarkt für den Adel war, und Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 320, der aufzeigt, dass ein Höfling als aktiver Teilnehmer der königlichen Repräsentation darüber auch seine eigene »publicit¦« betreiben konnte, die wiederum seine Beziehungsnetze beeinflusste. Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 43; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 207–208. Vgl. auch Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 8, der die Bedeutung des Hofs als wichtigen Heiratsmarkt für den Adel betont. Vgl. Asch, Introduction, S. 3; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 57. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 8, 335. Laut Leferme-FalguiÀres machten 100 bis 200 adelige Familien den Kern des französischen Königshofes im 17. und 18. Jahrhundert aus. Vgl. auch Laverny, La representation commensale, Absatz 10, wonach der französische Königshof der zwangsläufige Hafen aller großen Persönlichkeiten des Königreichs war,

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einen Großteil seines Lebens verbrachte und an dem er über seine Beteiligung an »Festen, Geselligkeiten und Empfängen«1506 eine dominierende Rolle einnahm und einen wichtigen Beitrag zum höfischen Glanz leistete1507. Dabei handelt es sich um eine besonders privilegierte Gruppierung, der eine hohe Position in der höfischen Rang- und Ämterhierarchie zustand, die sich wiederum im höfischen Zeremoniell ausdrückte. Auch bildete sie eine durch zahlreiche Allianzen untereinander verbundene »vaste parentÀle«1508, die gegen- und miteinander um Rang und Geldmittel konkurrierte1509. Vor allem war der französische Königshof ein Ort, der es Adeligen erlaubte, durch privilegierten Zugang zu ehrenvollem Militär-, Verwaltungs- und Hofdienst einer standesgemäßen Tätigkeit nachzugehen1510 und darüber in der sozialen Hierarchie aufzusteigen1511. Damit war er sowohl ein Ort, an dem sich adelige Karrieren entfalteten, als auch ein Schauplatz ständischer Selbstbehauptung der noblesse d’¦p¦e gegenüber nichtadeligen Eliten und der noblesse de robe, »plus g¦n¦ralement exclues de la cour que de cet autre d¦bouch¦ nobiliaire que constitue l’arm¦e.«1512 Gleichzeitig war der Hof aber auch soziales Milieu, dass zur ›Vermischung‹ Adeliger und Bürgerlicher führte, nicht zuletzt besiegelt durch Eheschließungen, die dazu beitrugen, dass bürgerliche Familien wie die Colbert in die höfische Gesellschaft integriert wurden1513. Dennoch sind die »starke Abgeschlossenheit des Hofes nach außen und die beherrschende Stellung der noblesse d’¦p¦e […] nicht zu verkennen«1514. Die Möglichkeit, als Inhaber eines hohen Hofamtes1515, als Gesandter in politischen Angelegenheiten

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wobei aber nur ungefähr 5 % der französischen Edelleute dort tatsächlich regelmäßig verkehrten. Dabei handelte es sich häufig um die hohen Adeligen, während die mittleren nur gelegentlich und die niedrigeren gar nicht an den Hof kamen. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 90–91. Vgl. Davis, Frauen, Politik und Macht, S. 192; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 111. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 488. Vgl. Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 40. Vgl. Schindling, Kurfürstenhöfe und Fürstenhöfe im Heiligen Römischen Reich, S. 248. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 70, wonach insbesondere der niedere und mittlere Adel davon profitierte. Vgl. auch Mousnier, Histoire des institutions, S. 125, der von der maison du roi als einem »agent de mobilit¦ sociale« spricht. Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique, S. 7. Solnon, La Cour de France, 395. Vgl. auch Hirschbiegel, Jan/Paravicini, Werner/Wettlaufer, Jörg (Hg.): Städtisches Bürgertum und Hofgesellschaft: Kulturen integrativer und konkurrierender Beziehungen in Residenz- und Hauptstädten vom 14. bis ins 19. Jahrhundert. Ostfildern 2012 (Residenzenforschung, 25). Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 52. Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 5, 19. Laut Müller handelt es sich dabei um die seit dem Mittelalter bestehenden Erbhofämter des Marschalls, Mundschenks, Kämmerers und Truchseß’. Vgl. auch Burke, Der Höfling, S. 148, der darauf verweist, dass die höchsten Hofämter in der Regel von ihren adeligen »Amtsträgern […] nur bei besonderen zeremoniellen Anlässen ausgeübt« wurden.

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»Manieres de vivre à la Cour« – Geschlecht und Hofleben

sowie als Offizier in den Dienst eines Fürsten zu treten, war Teil adeliger Erwartungshaltung, nicht zuletzt weil dadurch eigener Status legitimiert werden konnte und die Aussicht auf Belohnung loyalen und Anerkennung verdienenden Dienstes bestand1516. Adelige dürfen demnach als »permanent anwesende Höflinge« und hohe Amtsträger nicht als Einflussfaktor unterschätzt werden. Vor allem Letztere verfügten als »feststehende und ständige personale Umgebung des Fürsten«1517 durch Zugangsrechte1518 fast über ein Monopol für regelmäßigen und direkten Kontakt zu ihm1519 und damit über privilegierte Möglichkeiten der Einflussnahme, auch wenn diese aufgrund ihres informellen Charakters ungleich schwerer einzuschätzen sind als beispielsweise »institutionelle Kompetenzen«1520. Durch die ständige Nähe im Umfeld der Fürstenfamilie bot sich ihnen die Möglichkeit, deren Vertrauen zu gewinnen und darüber zu Günstlingen aufzusteigen, d. h. zu vom Herrscher persönlich privilegierten Personen, die sich seiner Freundschaft, Zuneigung und seines Vertrauens erfreuten und freien Zutritt zu ihm genossen1521. Durch königliche faveur konnte ein Günstling eine hohe, wenn auch unsichere Stellung innerhalb der höfischen Hierarchie erlangen, Kompetenzen wahrnehmen, die über die eines höfischen Amtes hinausgingen, sowie den Zugang zum Herrscher kontrollieren und Ämterpatronage ausüben, was Anlass zu vielseitiger Kritik gab, aber auch von Hofparteien zu ihrem Vorteil genutzt wurde1522. Favoriten übernahmen eine wichtige soziale Rolle, da sie dem Herrscher »ein gewisses Maß an Privatheit und Informalität«

1516 Vgl. Scott/Storrs, Introduction, S. 40. 1517 Selzer/Ewert, Ordnungsformen des Hofes. Einleitung, S. 12. 1518 Vgl. Harris, English aristocratic women, S. 211. Vgl. auch Roolfs, Der hannoversche Hof, S. 46, wonach in Deutschen Reich zum Hof nur Adelige zugelassen waren, die über die sogenannte ›Hoffähigkeit‹ verfügten. 1519 Vgl. Horowski› Such a great advantage for my son, S. 140. 1520 Ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 51. »Wenn andererseits die spätere Geschichtsschreibung meistens dazu geneigt hat, diesen Einfluß vollkommen zu negieren – Einflüsterungen in das Ohr des Königs hinterlassen anders als phantasievolle Erfolgsmeldungen der Provinzbürokratie keine archivalischen Spuren, das Vertrauensverhältnis des Monarchen zu inoffiziellen Beratern ist ungleich schwieriger zu rekonstruieren als die Besetzung der Ministerposten –, so sind damit etwa die Extreme beschrieben, zwischen denen eine Neubewertung ihrer Position wird navigieren müssen« (ebd., S. 52). 1521 Vgl. Asch, Ronald G.: Schlußbetrachtung. Höfische Gunst und höfische Günstlinge zwischen Mittelalter und Neuzeit. 18 Thesen, in: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Ostfildern 2004 (Residenzenforschung, 17), S. 517. 1522 Vgl. ders., Introduction, S. 24; ders., Schlußbetrachtung. Höfische Gunst und höfische Günstlinge, S. 519–520; Burke, Der Höfling, S. 151. Burke verweist insbesondere auf den »zweifelhaften Ruf« dieser in der traditionellen Geschichtsschreibung, die dem ›guten‹ König Minister und dem ›schlechten‹ Favoriten an die Seite stellte.

Spezifika der Regierungszeit Ludwigs XIV.

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ermöglichten1523, als Patronagemanager agierten und letztlich auch eine Art Prellbockfunktion für ihn erfüllten1524.

3.

Spezifika der Regierungszeit Ludwigs XIV.

Das Leben am Hof Ludwigs XIV. nahm im Vergleich zu dem seiner Vorgänger, aber auch anderer europäischer Monarchen eine besondere Entwicklung. Diese ist nur zu verstehen aus dem spezifischen Kontext seiner Regierungszeit, in deren Verlauf es ihm gelang, dem Königshof innerhalb seines Herrschaftsgebiets eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Monopolstellung zu verschaffen und einen ebensolchen Vorrang innerhalb Europas zu sichern1525. Der Ausgangspunkt seiner Herrschaft versprach alles andere als das. Im Alter von nicht einmal fünf Jahren durch den Tod seines Vaters, Ludwig XIII., am 14. Mai 1643 auf den französischen Thron gelangt, übernahm zunächst seine Mutter mit Unterstützung des premier ministre Kardinal Jules Mazarin die Regierungsgeschäfte1526. Gegen ihre Regentschaft erhob sich zwischen 1648 und 1653 eine vor allem vom französischen Adel getragene Revolte, die sogenannte Fronde, die Ausmaße eines Bürgerkrieges erreichte und von der französischen Krone letztlich für sich entschieden wurde1527. Vor dem Hintergrund dieser schweren Krise trat Ludwig XIV. 1661 seine persönliche Herrschaft an1528 und entwickelte 1523 Burke, Der Höfling, S. 152. 1524 Asch, Introduction, S. 22. 1525 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 85. Vgl. auch ebd., S. 68, wonach es Ludwig XIV. dennoch nie schaffte, ein vollständiges Monopol des Hofes und der Höflichkeit zu erlangen, da Mitglieder der königlichen Familie und andere Magnaten lange Zeit ihre eigenen Höfe unterhielten, selbst wenn sie von dem Ludwigs XIV. überschattet wurden. Vgl. aber Grell, Les historiens franÅais, S. 103, die es ablehnt, außerhalb des Königshofes von wirklichen Höfen zu sprechen. 1526 Zu den 50 Jahren, in denen Anna von Österreich französische Königin war und als Regentin (1643–1651) maßgeblich die Politik Frankreichs beeinflusste vgl. Dubost, JeanFranÅois: Anne d’Autriche, reine de France: mise en perspective et bilan politique du rÀgne (1615–1666), in: Anne d’Autriche, infante d’Espagne et reine de France. Hrsg. v. Chantal Grell. Madrid 2009, S. 41–109. Zu den französischen Regentinnen der Frühen Neuzeit vgl. MÜhlstein, Anka: Königinnen auf Zeit: Katharina von Medici, Maria von Medici, Anna von Österreich. Frankfurt a. M. 2003. Zur Regentschaft in der Frühen Neuzeit im Allgemeinen vgl. Corvisier, Andr¦: Les r¦gences en Europe. Essais ur les d¦l¦gations de pouvoirs souverains. Paris 2002; Crawford, Katherine: Perilous performances. Gender and Regency in Early Modern France. Cambridge 2004. 1527 Vgl. Pernot, Michel: La Fronde. Paris 1994, S. 7. Vgl. auch Jouanna, Le devoir de r¦volte. Für eine jüngere Darstellung zu der Motivation, die seitens des Adels zur Teilnahme an der Fronde beitrug, vgl. Rubel, Alexander : Eine Frage der Ehre. Die Fronde im Spannungsfeld von Adelsethos und Literatur, in: Francia 32/2 (2005), S. 31–57. 1528 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 278. Vgl. auch Dessert, Daniel: 1661, Louis XIV prend le pouvoir. Naissance d’un mythe? Brüssel 2000 (Historiques, 126); Duindam, Jeroen: 1661:

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mit dem Erstarken der monarchischen Macht1529, das sich nicht zuletzt in militärischen Erfolgen1530 und dem Streben nach europäischer Vorherrschaft zeigte1531, ein monarchisches Selbstverständnis, das sich über eine breit angelegte Propagandakampagne »louis-quatorzienne« verbreitete. Über verschiedene Medien der Kunst(-produktion) wie Malerei, Bildhauerei, Ballet, Oper, Literatur, Poesie, Medaillen und Bauprojekte ließ der junge König seine politischen Ambitionen artikulieren und ein Bild eines ›Roi-Soleil‹ kreieren, inszenieren und verbreiten1532, das eher als »formidable œuvre d’art collective« zu verstehen ist denn als Widerspiegelung einer realen Person1533. Damit entsprach der König dem zunehmenden Bedürfnis nach politischer Bildsprache1534 und schöpfte dabei aus einem breiten Fundus von Zeichen, mit deren Hilfe er seine Größe und Würde zum Ausdruck bringen ließ1535. Dabei übernahm der Staat ein

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A turning point of monarchy? The French example in European perspective, in: Francia 30/2 (2003), S. 129–140. Vgl. Cornette, JoÚl: La monarchie entre Renaissance et R¦volution 1515–1792. Paris 2000. Vgl. auch Collins, James B.: The state in early modern France. 2. Aufl. Cambridge 2009 (New approaches to European history, 42), der einen aktuelle Beitrag zum Staatsbildungsprozess in Frankreich liefert und dabei sowohl den Hof Ludwigs XIV. als auch die Rolle von Frauen behandelt. Vgl. Cornette, Joel: Le roi de guerre. Essai sur la souverainet¦ dans la France du Grand SiÀcle. Paris 1993. Vgl. auch Dee, Darryl: Expansion and crisis in Louis XIV’s France. Franche-Comt¦ and absolute monarchy, 1674–1715. Rochester 2009 (Changing perspectives on early modern Europe, 13). Dazu, wie sich »das französische Streben nach politischem und zeremoniellem Vorrang« im Zeitalter Ludwigs XIV. in der außenpolitischen Auseinandersetzung mit dem Haus Österreich niederschlug, vgl. Rohrschneider, Michael: Das französische Präzedenzstreben im Zeitalter Ludwigs XIV. Diplomatische Praxis – zeitgenössische französische Publizistik – Rezeption in der frühen deutschen Zeremonialwissenschaft, in: Francia 36/2 (2009), S. 135–179. Laut Viala, Alain: Les ¦crivains et la gloire du prince, in: Versailles. Le pouvoir de la pierre. Hrsg. v. JoÚl Cornette. Paris 2006, S. 141, war das Bild vom »Roi-Soleil« vor allem eine »invention de lettr¦«, die sich ab 1662 entfaltete und deren Initiator Colbert war. Vgl. auch zum sich wandelnden Bild Ludwigs XIV. in der zeitgenössischen französischen Literatur Ferrier-CaveriviÀre, Nicole: L’Image de Louis XIV dans la litt¦rature franÅaise de 1660 — 1715. Paris 1981, sowie Burke, Peter : The fabrication of Louis XIV. New Haven, London 1992. Zum Einsatz von Malerei als »political decoration« und »highest form of figurative state discourse« vgl. Sabatier, G¦rard: Beneath the ceilings of Versailles: Towards an archaeology and anthropology of the use of the king’s »signs« during the absolute monarchy, in: Iconographie, Propaganda, and Legitimation. Hrsg. v. Allan Ellenius. New York 1998, S. 217. Ferrier-CaveriviÀre, L’Image de Louis XIV, S. 12, 14. Vgl. Ellenius, Allan: Introduction: Visual Representations of the State as Propaganda and Legitimation, in: Iconographie, Propaganda, and Legitimation. Hrsg. v. dems. New York 1998, S. 3. Vgl. Hahn, Peter-Michael: Das Residenzschloß der frühen Neuzeit. Dynastisches Monument und Instrument fürstlicher Herrschaft, in: Das Gehäuse der Macht. Der Raum der Herrschaft im interkulturellen Vergleich. Antike, Mittelalter, Frühe Neuzeit. Hrsg. v. Werner Paravicini. Kiel 2005, S. 73. Dass die Bildpropaganda Ludwigs XIV. nicht unum-

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Monopol, das zuvor der Kirche oblag, nämlich das Recht, Mythen und Symbole auszuwählen, um seinen neuen Ambitionen Ausdruck zu verleihen1536. Die Inszenierung als Förderer der Künste bot dem jungen Monarchen sowohl die Möglichkeit, seiner gloire Ausdruck zu verleihen als auch seinem Streben nach kulturellem Vorrang1537. Entsprechend begleiteten Theateraufführungen die ordentlichen wie außerordentlichen Ereignisse des Hoflebens – in SaintGermain wurde eigens ein salle de com¦die im Westflügel des alten Schlosses eingerichtet – und auch Musik erklang nicht nur zu Ballettaufführungen und Opern, sondern auch zu zahlreichen anderen Gelegenheiten des königlichen Tagesverlaufs1538. Darüber hinaus veranstaltete Ludwig XIV. vor allem in der ersten Hälfte seiner Selbstherrschaft anlässlich militärischer Erfolge1539 und dem Besuch hochrangiger Personen und Botschafter vielfältige Vergnügungen und Feste1540, ebenso wie ›einfache‹ plaisirs und divertissements royaux1541. Auch

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stritten blieb, zeigt die Untersuchung von Ziegler, Hendrik: Der Sonnenkönig und seine Feinde. Die Bildpropaganda Ludwigs XIV. in der Kritik. Petersberg 2010 (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte, 79). Vgl. Ellenius, Introduction: Visual Representations of the State, S. 5. Zur Bedeutung der visuellen Darstellung des Staates als Propaganda- und Legitimationsmedium vgl. auch ders. (Hg.): Iconographie, Propaganda, and Legitimation. New York 1998. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 87. Vgl. auch Beaussant, Philippe: Louis XIV artiste. Paris 1999, der das Verhältnis zwischen Ludwig XIV. und den Künsten behandelt. Vgl. auch Larsson, Lars Olof: Versailles als Schauplatz. Die bildende Kunst im Dienst der Repräsentation in Schloß und Garten von Versailles, in: Die Inszenierung des Absolutismus. Hrsg. v. Fritz Reckow. Erlangen 1992, S. 52, der darauf hinweist, dass ein »Ausdruck der Bedeutung, die die Künste für den Staat gewannen, […] ihre Organisation in Akademien und königliche Manufakturen [war]. Ludwig XIV. ließ kurz nach seinem Thronantritt die Kunstakademie reorganisieren. Es folgte die Gründung der Tanzakademie 1661, der französischen Akademie in Rom 1666. Der Musikakademie 1669 und der Architekturakademie 1671.« Dabei handelte es sich um »staatliche Organisationen mit Statuten und Arbeitsaufgaben, die vom König erteilt wurden.« Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 443–456, wonach zu Beginn der Herrschaft Ludwigs XIV. nur provisorische Theater anlässlich großer Feste errichtet worden sind. Vgl. auch Duron, Jean (Hg.): Le prince et la musique. Les passions musicales de Louis XIV. Paris 2008. Vgl. auch Gugerli, David: Der tanzende König, in: Macht des Tanzes – Tanz der Mächtigen. Hoffeste und Herrschaftszeremoniell 1550–1914. Hrsg. v. dems. und Rudolf Braun. München 1993, S. 96–165. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 304, wonach anlässlich der Eroberung der FrancheComt¦ (1674) »Divertissements de Versailles« für die Hofgesellschaft stattfanden. Vgl. auch ebd., S. 333, wonach weitere Anlässe für Festlichkeiten Friedensschlüsse waren, wie beispielsweise die Unterzeichnung des Frieden von Regensburg am 15. August 1684, der als großer Erfolg des Königs im darauffolgenden Jahr in Versailles festlich begangen wurde. Zu Ehren auswärtiger Gesandter – so z. B. 1685 für den Dogen von Genua, 1686 für die Botschafter aus Siam, 1699 für die Botschafter aus Marokko und 1715 für die aus Persien – wurden verschiedene Festlichkeiten und plaisirs veranstaltet (vgl. Solnon, La Cour de France, S. 334–339). Vgl. auch zur Festkultur am Hof Ludwig XIV. einige der zahlreichen Publikationen: Moine, Marie-Christine: Les fÞtes — la cour du roi soleil. Paris 1984; Crest,

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diese waren kein reiner Selbstzweck, sondern gemäß dem zeitgenössischen Verständnis, wonach »le monarque doit ¦blouir le peuple«1542, und der Tradition der Valois ein Herrschaftsinstrument1543. Da spectacle und Ausübung von Macht sich zunehmend verschränkten, duldete der König in diesem Bereich immer weniger Konkurrenz1544. Dies betraf auch die Unterhaltung eines Hofes, der außer Wohn- und Regierungssitz des Monarchen auch Zentrum eines vie mondaine sein sollte, das Maßstäbe für Geschmack, Sprache und Moden setzte1545. Räumliches Zentrum desselben und ein weiterer Ausdruck des monarchischen Selbstverständnisses war spätestens seit 1682 die Residenz in Versailles, das zum »¦norme entreprise — la gloire du roi«1546 wurde. Ludwig XIV. ließ in dem größten Bauprojekt seiner Regierungszeit das Jagdschloss seines Vaters, in dem er sich seit 1660 verstärkt aufhielt1547, umfassend umbauen1548. Dabei entstand ein formal und funktional aufeinander bezogenes Gesamtwerk aus Ge-

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Sabine du: Des fÞtes — Versailles. Les divertissments de Louis XIV. Paris 1990; Quaeitzsch, Christian: »Une soci¦t¦ de plaisirs«. Festkultur und Bühnenbilder am Hofe Ludwigs XIV. und ihr Publikum. Berlin 2010. Entsprechend fielen in die ersten Regierungsjahre z. B. die carrousel vom Juni 1662 und mehrere Feste in Versailles, wie »Les Plaisirs de l’„le enchant¦e« (7.–14. Mai1664), das für die Hofgesellschaft veranstaltet worden war, das »Grand divertissement« (18. Juli 1668), das allen Schaulustigen offenstand und »Les Divertissements de Versailles«, die sich zwischen dem 4. Juli und dem 31. August 1674 an sechs Tagen abspielten (vgl. Solnon, La Cour de France, S. 299, 303, 305). Apostolides, Jean-Marie: Le roi-machine. Spectacles et politique au temps de Louis XIV. Paris 1981, S. 8. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 299. Vgl. auch Reckow, Fritz (Hg.): Die Inszenierung des Absolutismus. Politische Begründung und künstlerische Gestaltung höfischer Feste im Frankreich Ludwigs XIV. Erlangen 1992 (Erlanger Forschungen, Reihe A, Geisteswissenschaften, 60). In den darin enthaltenen Beiträgen werden »Stadt-, Schloß- und Gartenarchitektur, Musiktheater, Literatur und Bildende(r) Kunst« (S. 8) als Medien der Inszenierung absolutistischer Herrschaft untersucht. Da es sich um einen älteren Sammelband handelt, wird der Begriff ›Absolutismus‹ jedoch nicht problematisiert. Dies zeigt sehr eindrücklich der Fall des surintendant des Finances Nicolas Fouquet. Eine Untersuchung, die sich sich damit beschäftigt, wie sich Fouquet der Künste als sozial- und machtpolitisches Instrument bediente, samt der daraus resultierenden Folgen, vgl. Howald, Christine: Der Fall Nicolas Fouquet. Mäzenatentum als Mittel politischer Propaganda 1653–1661. München 2011 (Pariser Historische Studien, 96). Vgl. aber auch Wrede, Martin: Code, Konzept und Konjunkturen des Rittertums in der französischen Hofkultur des 17. Jahrhunderts, in: Ronald G. Asch und Rudolf Schlögl. Göttingen 2007 (Geschichte und Gesellschaft, 33/3), S. 350–374, der beschreibt, wie Ludwig XIV. auch »Gestus und Idee des Rittertums« in der Festkultur »monopolisierte und dadurch letztlich aufhob« (ebd., S. 374). Vgl. Cornette, Le palais du plus grand roi du monde, S. 41. Ebd., S. 32. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 294. Vgl. zur Baugeschichte Versailles Tiberghien, Fr¦d¦ric: Versailles. Le chantier de Louis XIV. 1662–1715. Paris 2002.

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bäuden und Grünflächen1549, bei dem sich die dreiflügelige Schlossanlage durch architektonische Symmetrie, funktionale Raumverteilung und hierarchische Anordnung der Gemächer auszeichnete1550 – Merkmale, die im 17. und 18. Jahrhundert richtungsweisend für die europäische Schlossarchitektur werden sollten1551. Ludwig XIV. machte sich den besonderen Zeichencharakter und die hohe Symbolkraft zunutze, die zeitgenössisch dem Residenzbau als Ort »fürstlicher Prachtentfaltung und Herrschaft« zugeschrieben wurde1552. Eine Residenz war demnach nicht nur materieller Ausdruck des Ranges und der Memoria einer Dynastie, sondern bot zugleich auch einen unverzichtbaren Schauplatz der Zurschaustellung fürstlicher Hoheit, mit der Möglichkeit, sich gegenüber anderen Herrschern auszuzeichnen1553. Als regelrechtes »Gehäuse der Macht« war es die Bühne für verschiedene Zeichensysteme, die dort im Sinne einer dynastischen Propaganda zusammenwirkten1554. Die große Leistung Ludwigs XIV. bestand darin, im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern die von den Valois ererbten Traditionen und Elemente des Hoflebens aufgefrischt, neu arrangiert und perfektioniert zu haben, sodass aus ihrer veränderten Komposition ein einzigartiges Hofleben entstand, von dem große Anziehungskraft ausging1555. Durch die rituelle und visuelle Demonstration monarchischer Macht gelang es ihm, außerordentliche Kontrolle über seinen Hof auszuüben1556. Versailles wurde dabei bewusst als Illusion geschaffen, als Ausdruck des Strebens nach gloire und Vorrang, das zwar nicht mit der ›Realität‹ gleichgesetzt werden kann1557, diese aber beeinflusste, da aus ihr reale Macht erwuchs1558. 1549 Vgl. Hahn, Residenzschloß, S. 67. Laut Hahn begann diese Entwicklung »im Zeitalter der Renaissance. Maßgebliche Anregungen und Konzeptionen dazu gingen wohl von einigen Höfen Italiens und Westeuropas aus.« Für eine ausführlichere Darstellung der Entwicklung des französischen Schlossgartens vgl. Guillaume, Jean: Le jardin mis en ordre. Jardin et ch–teau en France du XVe au XVIIe siÀcle, in: Architecture, jardin, paysage. L’Environnement du ch–teau et de la villa aux XVe et XVIe siÀcles. Hrsg. v. dems. Paris 1999, S. 103– 136. 1550 Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 64–65, 69. Vgl. auch Paravicini, Alltag bei Hofe, S. 19, wonach seit dem 14./15. Jahrhundert den Schlossbau zunehmend die »Entstehung des privaten Raumes« prägte. 1551 Nach Solnon, La Cour de France, S. 78, lebten die »cours europ¦ennes […] dans une continuelle ¦mulation. Les princes se surveillent, s’imitent, rivalisent«, wobei Botschaftern, Künstlern und Handwerkern einen wichtigen Beitrag beim Austausch zwischen den Schlössern Europas leisteten. 1552 Hahn, Residenzschloß, S. 55. 1553 Vgl. ebd., S. 55–56. 1554 Ebd., S. 59. Vgl. auch Sabatier, Versailles ou la figure du roi. 1555 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 349–350, 387. 1556 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 87. 1557 Vgl. Revel, La cour, S. 3153–3155. 1558 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 85.

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Die endgültige Niederlassung in Versailles im Jahr 1682 markierte auch eine Veränderung des Hoflebens und eine Zäsur der ausgesprochen langen Regierungszeit Ludwigs XIV. (1661–1715)1559. Während dem Hof des jungen Monarchen eher zugeschrieben wurde galant, fröhlich und ausschweifend gewesen zu sein, erschien der Hof des alternden Königs im Gegenzug eher ernst und fromm1560. Der Beginn der »¦clipse versaillaise« wurde mit dem zunehmenden Einfluss von Madame de Maintenon, die seit der morganatischen Eheschließung mit dem König im Oktober 1683 zur heimlichen Königin avancierte, in Verbindung gebracht1561. Laut Solnon sollte dies allerdings nicht überbewertet werden, war doch das Hofleben weitaus nuancierter und vielfältigen Faktoren ausgesetzt, so beispielsweise militärischen Erfolgen und Misserfolgen wie einschneidenden Ereignissen innerhalb der Königsfamilie1562. Das Hofleben erfuhr in Versailles jedoch eine stärkere Formalisierung. Bereits unter Heinrich II. gehörte es zur obersten Pflicht des Königs, sich seinem Gefolge zu zeigen und es zu unterhalten. Entsprechend waren bis auf die Zeiten, in denen sich der Monarch den Regierungsgeschäften zuwandte, fast alle Aktivitäten Gelegenheiten, bei denen König und Hofgesellschaft zusammentrafen1563. Wie an anderen zeitgenössischen Höfen regelte auch am cour de France – ebenfalls seit Heinrich II. – das Zeremoniell als zentrales Strukturmerkmal1564 zunehmend höfische Aktivitäten und Belange1565 und drückte ihnen den Stempel herr-

1559 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 392. 1560 Vgl. ebd., S. 279, 338. 1561 Ebd., S. 338. Vgl. auch ebd., S. 311. Vgl. auch Himelfarb, H¦lÀne: Versailles, fonctions et l¦gendes, in: Les lieux de m¦moire. Hrsg. v. Pierre Nora. Bd. 2: La Nation. Paris 1986, S. 235–292; Guery, Alain: Versailles, le phantasme de l’absolutisme, in: Annales. Histoire Sciences Sociales 56 (2001), S. 507–517. 1562 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 339. Vgl. auch Spanheim, Relation de la cour de France, S. 22–23, der dies mit seiner Beschreibung des höfischen Lebens unterstreicht: »Et comme elle [Madame de Maintenon, R.S.] a contribu¦ et contribue par l— au soulagement de plusieurs familles consid¦rables par la naissance ou par les services, elle a pris aussi d’ailleurs — t–che d’entretenir et de varier mÞme les divertissements de la cour, en portant le Roi — y donner fr¦quemment des fÞtes galantes magnifiques, accompagn¦es mÞme de circonstances nouvelles, surprenantes et agr¦ables, comme le loteries, de boutiques assorties de toutes sortes d’¦toffes et de bijoux ou curiosit¦s de prix, et donn¦es aux dames qui y ¦toient convi¦es, quelquefois en pur don, d’autres fois jou¦es par les dames et les courtisans, — plus bas prix de leur valeur, et dont le surplus ¦toit aux d¦pens du Roi.« 1563 Solnon, La Cour de France, S. 151. 1564 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 87. 1565 Vgl. Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 41. Das Zeremoniell regelte u. a. die »Kleidung, die Teilnahme an Veranstaltungen jeglicher Art, das Verhalten auf Reisen, die königlichen Mahlzeiten, der Zugang zum König und das Verhalten dem König sowie den übrigen ranghöheren oder rangniedrigeren Höflingen gegenüber«. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 30, wonach das Zeremoniell am französischen Hof aber kein »ensemble d¦fini de rÀgles et de normes fixes« war, sondern vielmehr einer

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schaftlicher Autorität auf1566. Dabei handelte es sich um einen kollektiven Akt1567, dessen primärer Zweck darin bestand, den Verlauf alltäglicher und herausgehobener Ereignisse1568 zu regulieren und über die Kontrolle des Zugangs zum Herrscher dessen Sicherheit zu gewährleisten1569. Auch diente es dazu, der Hofgesellschaft eine Ordnungsstruktur aufzuerlegen1570, um darüber zum reibungslosen Zusammenleben der Hofangehörigen beizutragen1571. Jeder Person wurden entsprechend ihres Ranges, Dienstalters1572 und Geschlechts1573 durch äußere Zeichen1574 eine räumliche Position, auszuführende Handlungen sowie Kleidung und Präzedenz zugewiesen, die ihre jeweilige Stellung in der höfischen Hierarchie widerspiegelte und damit für alle Anwesenden sichtbar machte1575. Das Zeremoniell erfüllte sowohl eine soziale Funktion, da es zur Regulierung der »internen Beziehungen zwischen den Hofmitgliedern« beitrug, als auch eine politische, da es der »Sakralisierung des Fürsten und seiner Herrschaft« sowie der Inszenierung seiner Überlegenheit diente1576. Auch trat in ihm eine her-

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»s¦dimentation de traditions et d’usages, connus par la pratique« darstellten, die keiner vollständigen schriftlichen Kodifizierung bedurften. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 88. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 240, wonach die schriftliche Fixierung des höfischen Zeremoniells, die die Grundlage für die Entwicklung in den folgenden Jahrhunderten war, erst unter Heinrich III. erfolgte. Vgl. auch Duindam, Ceremonial staffs, S. 373, der darauf hinweist, dass das »conscious strengthening of ceremonial forms […] closely related to the crisis of French monarchy« gewesen sei. Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 27. Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 91. Das Zeremoniell »regulierte den Verlauf von offiziellen Akten des Hofes wie Empfängen, Audienzen, Festtafeln, Staatsbesuchen, Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen und Hoftrauer.« Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 87. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 243, wonach zu den Prinzipien des französischen Zeremoniells die regelmäßige Zeiteinteilung, der ›öffentliche’ Charakter und der Einsatz von Distanz zählten. Vgl. aber Duindam, Vienna and Versailles, S. 309, der anführt, dass das französische Zeremoniell im Gegensatz zum an deutschen Höfen praktizierten eher auf die Betonung der Zugängichkeit zum Herrscher als auf Distanz ausgelegt war. Vgl. Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 40–41. Vgl. Duindam, The Bourbon and the Austrian Habsburg Courts, S. 203. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 38. Leferme-FalguiÀres stellte eine Spaltung zwischen Frauen und Männern im höfischen Zeremoniell fest. Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 311. Ein höherer oder niedrigerer Rang in der höfischen Hierarchie drückte sich im höfischen Leben und im Zeremoniell beispielsweise dadurch aus, dass die betreffende Person gegenüber anderen stand oder saß, eine linke oder rechte Position einnahm, den Hut aufließ oder abnahm. Vgl. Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 12–13; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 91. Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 15–16. Bauer verweist darauf, dass der Hof dadurch zu einem »sakralen Raum« überhöht wurde, dessen »innere Ordnung« ein verkleinertes »Abbild der Weltordnung« darstellte. Vgl. auch zu den Schwierigkeiten der

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ausgehobene Bedeutung von Körpersprache zutage, die auch im alltäglichen höfischen Leben eine wichtige Rolle spielte. Das Zeremoniell machte die Hofangehörigen nicht nur mit dem Umgang verschlüsselter und symbolischer Bedeutungen vertraut1577, sondern forderte ihnen die Beherrschung derselben in Verhalten und Gesten ab1578. Innerhalb des Zeremoniells lässt sich Staatszeremoniell von Hofzeremoniell unterscheiden1579. Beide stellten für die Zeitgenossen ein gleich wichtiges Ganzes dar1580, erfuhren jedoch im 17. Jahrhundert unterschiedliche Entwicklungen. Während die großen Staatszeremonien an Bedeutung einbüßten1581, erfuhren die Zeremonien um die königliche Familie1582 sowie das höfische Zeremoniell, das sich zunehmend in das alltägliche Leben des Hofes einschrieb, unter Ludwig XIV. eine Reaktivierung1583, wenn nicht gar »son point de perfection«1584. Dem Sonnenkönig gelang es dabei, einerseits das Zeremoniell zur Ritualisierung des königlichen Tagesablaufs und der damit verbundenen Handlungen einzusetzen1585, andererseits es zu einer Ausrichtung der Hofgesellschaft auf die »heures r¦gl¦es du roi«1586 zu nutzen, die die Teilnahme aller Hofangehörigen verlang-

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Rekonstruktion und Tradierung des Zeremoniells Adamson, The making of the AncienR¦gime Court, S. 28. Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 27. Vgl. Revel, La cour, S. 3160. Eine andere Art der Unterteilung führt Duindam, Ceremony at court, S. 131 an, der der Aufteilung der Zeremoniellsammlung Roussets folgt, die drei Hauptzeremonietypen unterscheidet: 1) dynastische (Staats-) Zeremoniell: Taufe, Krönung, sacre, Hochzeit, Beerdigung, Einzug, lit de justice, Ständeversammlung, Tagungen (Landtag etc.), 2) ›Hauszeremoniell‹: Audienzen, öffentliches Essen, lever, coucher, 3) Diplomatenzeremoniell: Einfügung ausländischer Bevollmächtigter in andere zeremonielle Ordnungen. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 102. Vgl. ebd., S. 43–44. Das Staatszeremoniell umfasste mit der königlichen Salbung und dem königlichen Begräbnis zwei religiöse sowie mit den königlichen Einzügen und den lits de justice zwei weltliche Rituale. Vgl. aber Duindam, Ceremonial staffs, S. 381, der diese häufig in der Forschung vertretene Annahme relativiert. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 102. Als Beispiele für die famille royale betreffende Zeremonien führt Leferme-FalguiÀres Geburten, Taufen und Hochzeiten an. Vgl. ebd., S. 44, 237; Revel, La cour, S. 3160; Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 88; Duindam, The Bourbon and the Austrian Habsburg Courts, S. 199. Vgl. aber Giesey, Ralph E.: The King imagined, in: The French Revolution and the Creation of Modern Political Culture. Bd. I: The Political Culture of the Ancien R¦gime. Hrsg. v. Keith M. Baker. Oxford, New York 1987, S. 41–59, der Zweifel daran anmeldet, dass das Zeremoniell wie es sich am Hof Ludwigs XIV. entwickelte, das Resultat einer bewussten Planung des Königs war. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 315. Vgl. ebd., S. 243. Ebd., S. 240. Vgl. auch Duindam, Vienna and Versailles, S. 308. Für einen exemplarischen Eindruck des königlichen Tagesablaufs vgl. Saule, Beatrix: La journ¦e de Louis XIV. 16 novembre 1700. Paris 2003.

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te1587 – also ihre ständige Präsenz voraussetzte – und ihnen einen genauen und fast unwandelbaren Zeitplan auferlegten1588. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, als Betrachter und Mitwirkende einem »systÀme de repr¦sentation permanente«1589 den einzelnen Etappen des täglichen Lebens des Monarchen beizuwohnen1590, die mit dem morgendlichen lever des Königs begannen, sich über die Messe, das d„ner, den nachmittäglichen Spaziergang oder die Jagd und das souper erstreckten und letztlich mit dem königlichen coucher endeten1591. Aber nicht nur der höfische Alltag wurde mit der Niederlassung in Versailles in geordnetere Bahnen gelenkt. Auch die Vergnügungen wurden regelmäßiger veranstaltet und verlagerten sich im Gegensatz zur Anfangszeit der »grandes fÞtes de plein air« zunehmend ins Schlossinnere (»fÞtes d’int¦rieur«)1592. Divertissements wurden spätestens mit dem Bezug dieser Residenz zu einem täglichen Pflichtprogramm des höfischen Zeitplans1593. Sie dienten dazu, die Hofgesellschaft zu unterhalten, ihr aber auch einen wöchentlichen Rhythmus aufzuerlegen. Ein zentraler Teil desselben stellten die sogenannten soir¦es d’appartements dar, die ab Oktober 1682 in den Wintermonaten dreimal wöchentlich jeweils montags, mittwochs und donnerstags stattfanden. Dabei handelt es sich laut Saint-Simon um »le consours de toute la cour«, der zwischen sieben und zehn Uhr abends im grand appartement stattfand1594, in dessen 1587 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 261. Vgl. auch ebd., S. 243, der darauf hinweist, dass die Abwesenheit von diesen »¦tapes quotidiennes« beim Herrscher Missfallen hervorrufen und damit negative Folgen für die entsprechende Person haben konnte. 1588 Vgl. ebd., S. 315. 1589 Ebd., S. 243. 1590 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 150, 379. So nahm der Hof am lever du roi teil, begleitete den Monarchen zur Messe, speiste beim d„ner (Mittagessen) an seiner Tafel und traf erneut bei Spaziergängen und dem Spiel mit ihm zusammen. Der beflissene Hofmann musste an jeder geregelten Stunde des königlichen Lebens anwesend sein. 1591 Vgl. ebd., S. 243, 252, 257. Das d„ner war ein zwischen 13 und 14 Uhr eingenommenes Mittagessen. Das souper des Königs fand immer »au grand couvert« und in Gegenwart der ganzen famille royale statt, deren Sitzordnung der »ordre dynastique« folgte und dem König die Gelegenheit bot, sich als »bon chef de famille« zu zeigen. 1592 Solnon, La Cour de France, S. 328. Vgl. auch ebd., S. 297, wo Solnon darauf hinweist, dass Versailles im Gegensatz zu anderen Schlössern zunächst keinen »salle de spectacle« hatte, sodass die Feste des Hofes im Garten stattfanden. 1593 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 262, 315. 1594 Solnon, La Cour de France, S. 329, der sich auf Darstellungen von Saint-Simon bezieht. Demnach habe jeder Raum der salles d’apparat eine bestimmte Funktion erfüllt: Im salon d’Apollon wurde der salle de musique et de danse eingerichtet, im salon de Mercure unterhielt jedes Mitglied der königlichen Familie einen eigenen Spieltisch, an denen bassette und lansquenet gespielt wurden, im salon de Mars wurden Spiele gespielt auf die Konzerte oder bals folgten, im salon de Diane wurde billard gespielt, im salon d’Abondance gab es Buffets für warme und kalte Getränke und im salon de V¦nus eine collation in Buffetform.

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Verlauf die Hofgesellschaft mit hohen Einsätzen dem Kartenspiel nachging, Theateraufführungen besuchte1595 oder an einem Ball teilnahm1596. Zusätzlich wurden an anderen Tagen com¦dies aufgeführt und samstags ein bal abgehalten1597. In Marly, in dem das Zeremoniell gelockert war1598, wurden sogar täglich neue divertissements angeboten wie »concerts, promenades, collations, bals, loteries, com¦dies, ballets, mascarades.«1599 Somit teilte sich auch am Hof Ludwigs XIV. das Leben in das ›Gewöhnliche‹ des Alltags und das ›Außergewöhnliche‹ des Festes1600. Dabei gehören in SaintSimons Wahrnehmung Zeremonien wie entr¦es, königliche Eheschließungen, Taufen und Beerdigungen zu den herausragenden Ereignissen des Hoflebens, während sich »l’ordinaire de la vie« in cercles, audiences, com¦dies und in allen »lieux journaliers« vollzog1601. Die Starrheit der Regelungen und ihre Auswirkungen sollten jedoch nicht überbewertet werden, da sie das Hofleben nie vollständig beherrschten1602. Zwar verstand Ludwig XIV. ebenso wie die Valois den Hof als ein Herrschaftsmedium1603, doch ist beispielsweise das Zeremoniell eine »höfische Kommunikationsform«, die eine aktive Aushandlung zwischen König und Höflingen beinhaltete1604. Das Leben am Hof und die Teilnahme an höfischen Aktivitäten 1595 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 272, 274–276. In der Regel fanden bis 1680 zwei bis dreimal pro Woche Aufführungen der italienischen und französischen »com¦dies-ballets« statt, die jedoch ab 1670 zunehmend von der reinen Komödie und der Tragödie verdrängt wurde. 1596 Vgl. ebd., S. 278. Der Tanz unterlag einem genauen Schema und strengen Zeremoniell. Sowohl die Ordnung der Tänze als auch die Zahl der Teilnehmer und ihre Position im Saal waren geregelt und folgten einer strikten Hierarchie, die im Hinblick auf den Rang zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Tänzern und Nichttänzern unterschied. 1597 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 330. 1598 Die Lockerung der Umgangsformen drückten sich nach Solnon, dadurch aus, dass die Männer selbst in Gegenwart des Königs bedeckt blieben, und die Dames im grand salon »robes de chambre« zugelassen waren (ebd., S. 317). Ähnliches habe auch für Fontainebleau gegolten: »L’existence de la cour est si r¦guliÀre — Versailles que les moindres entorses autoris¦es — l’¦tiquette font — Fontainebleau figure d’aimables nouveaut¦s. Alors que les aprÀs-soupers versaillais sont r¦serv¦s aux intimes de Sa Majest¦, ici princes et princesses, personnes titr¦es et service d’honneur se tiennent ensemble dans le cabinet ovale.« (ebd., S. 321) 1599 Solnon, La Cour de France, S. 318. 1600 Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 215. 1601 Saint-Simon, M¦moires, Bd. VI, S. 71–72. 1602 Vgl. Duindam, The Bourbon and the Austrian Habsburg Courts, S. 200–201. 1603 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 146. 1604 Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 42. Weisbrod betont, dass die zeremoniellen Abläufe von allen Beteiligten aktiv gestaltet wurden, wobei jedoch dem König die größten Handlungsspielräume und Eingriffsmöglichkeiten zustanden. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 372, der auch bei Ludwig XIV. darauf hinweist, dass dieser nie Gefangener der Etikette gewesen sei.

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stellte auch keinen Selbstzweck und auch kein vermeintliches ›Nichtstun‹ dar1605, sondern bot zahlreiche privilegierte Gelegenheiten, sich dem König zu nähern, mit ihm zu reden1606 und letztlich seine Gunst zu gewinnen. Letztere erschien besonders erstrebenswert, da weder Herkunft noch Rang eine Garantie für Erfolg darstellten und Macht letztlich vom Herrscher abgeleitet war1607. Ludwig XIV. gelang es, seine Gunst und Ungunst zum ›sine qua non‹ des Hoflebens und zum »moyen de gouvernement«1608 zu machen. Um ihnen Ausdruck zu verleihen, bediente er sich finanzieller Mittel wie Pensionen und Gratifikationen, wies aber auch kleinsten Gesten einen großen Symbolcharakter zu1609. Er erhob verschiedene Elemente des Hoflebens zu Privilegien. Da weder die alten Residenzen noch der neue Schlossbau in Versailles genügend Platz boten, um den anwachsenden Hofstaat des Monarchen zu beherbergen, war es ein hohes und beneidetes Vorrecht, den König in eine seiner Residenzen begleiten zu dürfen1610 – der König bewegte sich samt seinem Gefolge weiterhin zwischen verschiedenen Schlössern1611 – und ein noch höheres, in einer solchen dauerhaft untergebracht zu sein1612. Ausmaß und Lage der Appartements spiegelten dabei den Titel, das höfische Amt und die königliche Gunst der betreffenden Person wider1613. Zugangsrechte stellten ein weiteres hohes Privileg dar. 1605 Hierbei wird explizit gegen die Feststellung Revels Stellung bezogen, dass es dem französischen Adel genügt habe einfach am Hof anwesend zu sein (vgl. Revel, La cour, S. 3150). 1606 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 257. 1607 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 76; Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 42. 1608 Solnon, La Cour de France, S. 406. 1609 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 387, 402, 406. Vgl. auch Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique, S. 8–9, zur Gabe als wichtiges Medium sozialer Nahbeziehungen. 1610 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 291, 295. Der begrenzte Platz hatte zur Folge, dass viele Hofangehörige und Minister mehrfach in der Woche zwischen Paris und dem Hof hinund herfuhren oder sich große Palais’ in Hofnähe errichten ließen. Vgl. zu den königlichen Residenzen auch Sarmant, Thierry : Les demeures du soleil. Seyssel 2003. 1611 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 288–290, wonach Bauarbeiten, Jagdlust, Inspektionen und militärische Unternehmungen dazu führten, dass sich der König und damit auch sein Hof zwischen 1662 und 1665 vor allem in Paris aufhielt, 1666–1673 in Saint-Germain und 1674–1675 in Versailles, 1676 in Saint-Germain, 1677 Versailles und 1678–1682 wieder in Saint-Germain. Der Hof wurde zwar ab 1682 weniger mobil, hielt sich aber selbst in den genannten Jahren nie durchgehend an einem Ort auf, sondern war ständig in Bewegung. Vgl. auch Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 84, der darauf hinweist, dass es nicht mehr notwendig war, dass der König für seine Regierungstätigkeit das Land bereiste. Seit den 1670ern waren die königliche Bürokratie und die anderen Stränge der monarchischen Autorität ausreichend stark, das Land auch ohne das Umherreisen des Königs zu kontrollieren. 1612 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 76. 1613 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 320, 337; Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 18–19: »L’¦conomie de l’espace, la proximit¦ physique avec la personne du roi, rÀglent en partie non seulement le degr¦ de familiarit¦

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Prinzipiell war Versailles Aufenthaltsort aller Höflinge und stand auch sonst – zumindest die antichambres und Galerien – für alle offen, die ein Schwert trugen1614. Die Höflinge hatten jeden Tag bei bestimmten Gelegenheiten die Möglichkeit, sich dem Herrscher zu nähern und mit ihm zu sprechen, so auf dem Hin- und Rückweg zur Messe und beim Spaziergang des Herrschers, den er mit einem beschränkten Kreis von Personen unternahm, die Vertraute oder Inhaber hoher Chargen waren1615. Für Aufenthalte in Fontainebleau und CompiÀgne musste die betreffende Person vollständig im Hof integriert sein, dort über eine ständige Unterkunft verfügen, einer alten Familie angehören und oft ein Amt in den maisons royales ausüben1616. Die Schlösser in Marly, Choisy und Trianon de marbre waren hingegen nur eingeschränkt zugänglich. Das Trianon konnten zwar alle Höflinge jederzeit aufsuchen, aber nur wenigen war es gestattet, dort auch die Nacht zu verbringen. Nach Marly und Choisy durften den König nur Hofangehörige begleiten, die er ausdrücklich dazu eingeladen hatte, die also seine Gunst genossen oder dem Umfeld der princes du sang angehörten1617. Es stellte ein großes Privileg dar, dorthin eingeladen zu werden, und die Häufigkeit der Einladungen war ein regelrechter »baromÀtre de la faveur«. Mit der Zeit wurde Marly dem Willen des Königs entspechend öfter aufgesucht und zugänglicher, was dazu führte, dass es seinen Charakter als ›Einsiedelei‹ etwas einbüßte1618. Eine weitere Gelegenheit, bei der Zugangsrechte relevant wurden, war die Jagd, zu der nur bestimmte Höflinge den König begleiten durften. Hatten sie jedoch die Erlaubnis einmal erhalten, durften sie dem König ein Leben lang dreimal wöchentlich dorthin folgen1619. Ausdruck für Ungnade war hingegen der

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mais l’ordre r¦el des rangs. L’ordonnance des appartements, la fr¦quence et la dur¦e des contacts, surtout dans l’architecture solaire de Versailles, d¦terminent une ¦chelle de valeurs et marquent symboliquement la place et le poids de chacun. La disposition du logement par rapport — celui du roi d¦limite les zones dont le rayonnement cro„t ou d¦cro„t — mesure du voisinage ou de l’¦loignement.« Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 323– 324, 326, der darlegt, dass in einer auf Distinktion aufgebauten Gesellschaft die Nähe zu den Räumen des Herrschers von großer Bedeutung war. Entsprechend war auch der »corps central« des Schlosses Gegenstand großer Begehrlichkeiten, denn er brachte ihre Bewohner der Fürstenfamilie nahe, die im ersten Stock und Erdgeschoss untergebracht war. Entsprechend der sich wandelnden Gunstverhältnisse wechselten die Bewohner der meist nur zwei Zimmer umfassenden Appartement häufig, was meist einen ganzen Reigen von Umzügen auslöste. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 362–363: »Versailles n’est pas L’Escurial. Le souverain demeure accessible — tous. A chaque heure r¦gl¦e de la journ¦e les occasions ne manquent pas pour l’aborder, lui parler, solliciter, faire sa cour.« Vgl. ebd., S. 359–360. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 290. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 316–318, 322; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 290. Solnon, La Cour de France, S. 318. Vgl. ebd., S. 360. Vgl. zur königlichen Jagd auch Salvadori, Philipp: La chasse sous l’Ancien R¦gime. Paris 1996, S. 193–254.

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Ausschluss von solchen Reisen, die Zurücknahme königlicher Gnaden, der Verlust von höfischen Ämtern und militärischer Kommandos und in letzter Konsequenz die Entfernung vom Hof1620. Da es Ludwig XIV. gelungen war, den Aufenthalt am Hof zur fast unabdingbaren Voraussetzung für die Erlangungen von Ressourcen zu machen1621, die wiederum seine Gunst voraussetzten, wurde es einerseits zur Gewohnheit und Selbstverständlichkeit, sich dorthin zu begeben1622, andererseits zu einer regelrechten Bedrohung, durch Abwesenheit zu missfallen – es wurde zunehmend suspekt, den Hof zu meiden – und geradezu unerträglich, dauerhaft vom Hof verbannt zu sein1623. Damit war es dem Sonnenkönig möglich, den Hof als Machtinstrument zur Einbindung und Befriedung des französischen Adels zu nutzen1624. Die Kehrseite der Medaille des Hoflebens, wie es Ludwig XIV. etablierte, war jedoch, dass die Ausrichtung auf den König als Taktgeber des höfischen Lebens es ihm immer weniger ermöglichte, sich dem Hof zu entziehen1625. Auch barg die Beschränkung und Kanalisierung des Zugangs zum Herrscher den Nachteil seiner Entrückung und eine Überbetonung des ›corps symbolique‹ gegenüber dem ›corps priv¦‹ des Monarchen1626, was – wie auch bei 1620 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 391. Vgl. auch ebd., S. 389, wonach die häufigsten Gründe für Ungnade die Vernachlässigung von Dienstpflichten oder das Verfolgen von Absichten waren, die dem König missfielen. Vor Ungnade schützten weder ein großer Name noch hoher Rang oder bereits geleistete Dienste. 1621 Vgl. ebd., S. 377–379, 387, wonach es unter Ludwig XIV. dermaßen zur Gewohnheit und Selbstverständlichkeit geworden war, sich am Hof aufzuhalten, dass es regelrecht suspekt schien diesen zu meiden. Zwar war der Hof kein Gefängnis, doch bereits durch einmaliges Fernbleiben, konnte man Gefahr laufen zu missfallen. Entsprechend hing die Ungnade des Herrschers und im schlimmsten Fall die Verbannung vom Hof wie ein Damoklesschwert über jedem Höfling. 1622 Vgl. ebd., S. 378, 414. Während unter den Valois der Adel den Herrscherhof nur unregelmäßig aufsuchte und der nomadisierende Hof vielmehr regelmäßig die Edelleute auf dem Land besuchte, stellte sich die Situation unter Ludwig XIV. anders dar. Dennoch greift der Vorwurf Ludwig XIV. habe den Adel Frankreichs entwurzelt zu weit, da dieser weder seine Schlösser und Stadtpalais noch die Provinzen schlagartig verließ. Laut Solnon sei das Schloss des Sonnenkönigs nicht die Arche Noah des zweiten Standes, vielmehr »le havre oblig¦« der hochrangigsten Personen des Königreichs (ebd., S. 377). 1623 Vgl. ebd., S. 377–388. 1624 Vgl. Duindam, The Bourbon and the Austrian Habsburg Courts, S. 202. Die ›Befriedung‹ ist vor dem Hintergrund der Fronde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu betrachten und nicht im Sinne der Domestikationsthese von Norbert Elias. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 237. 1625 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 318. 1626 Vgl. hierfür vor allem Apostolides, Le roi-machine, der eine Entwicklung des Fürsten hin zum »roi-machine« konstatiert, »c’est-—-dire un corps fonctionnant d’une maniÀre autonome. La place du roi est apparue une place vide« (ebd., S. 8). Apostolides führt weiter aus: »le corps priv¦ va tendre — dispara„tre au profit du corps imaginaire. Ce dernier est sacralis¦; il devient la source d’un rituel quotidien, strictement d¦fini, qui se d¦roule dans le temple de Versailles. L’image du roi, l’image de son double corps, invent¦e lors des fÞtes

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seinen Nachfolgern zu beobachten – das Entstehen von Krisen begünstigte1627. Dies zeigt sich deutlich in der zweiten Regierungshälfte Ludwigs XIV., in der das Hofleben seinen Charakter durch den Einfluss verschiedener Faktoren stark veränderte1628. Zunächst waren es die finanziellen Belastungen des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714), die den König dazu zwangen, das Hofleben zu reduzieren1629. In einer Atmosphäre militärischer Misserfolge und kriegsbedingter Trauerfälle wurden divertissements seltener veranstaltet. Auch wurde der König mit zunehmendem Alter devoter und achtete mehr auf die religiöse Pflichterfüllung seiner Untertanen1630. Zwar wurden weiterhin com¦dies aufgeführt und Ereignisse wie die Unterschreibung des Friedens von Ryswick, Botschafterempfänge und die Eheschließung zwischen dem Duc de Bourgogne und Maria Adelheid von Savoyen im Dezember 1697 feierlich begangen1631, doch gehörten die großen, prestigereichen Feste, wie sie noch 1664, 1668 und 1674 stattfanden, weitgehend der Vergangenheit an. Es wäre zwar übertrieben, dem cour de France der Zeit jegliche »plaisirs, joie et gaiet¦« abzusprechen und dies vor allem einzig mit der Eheschließung mit Madame de Maintenon in Verbindung zu bringen, dennoch nahmen die »fÞtes, divertissements, c¦r¦monies donn¦es — Versailles, Marly et Trianon« ab1632 oder erschöpften sich in ständigen Wiederholungen. Daran konnte die Anwesenheit der jungen Duchesse de Bourgogne nichts ändern, auch wenn sie zunächst Leben an den Hof zurück-

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de cour, va elle-mÞme se d¦tacher de la personne priv¦e et fonctionnera d’une faÅon autonome. Au roi machiniste succÀde alors un roi-machine dont l’unique corps se confond avec la machine de l’Etat. A la fin du rÀgne, la place du roi devient une case vide, susceptible d’Þtre occup¦e par quiconque possÀde la r¦alit¦ effective du pouvoir« (ebd., S. 131). Vgl. Johanek, Schlußbetrachtungen, S. 269. Für einen Überblick vgl. Lebrun, FranÅois: Les derniers jours de Louis XIV, in: Versailles. Le pouvoir de la pierre. Hrsg. v. JoÚl Cornette. Paris 2006, S. 151–160. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 340, wonach der König Sparmaßnahmen durchführte, indem er die Tafeln für die Höflinge strich, Bauarbeiten einstellte, Pensionen reduzierte und 1689/1690 sogar Silbermöbel und -geschirr einschmelzen ließ. Vgl. Le Roux, Nicolas: La Religion des Courtisans dans la France de la Renaissance, in: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.– 18. Jh.). Hrsg. v. Klaus Malettke und Chantal Grell. Münster 2001 (Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Marburger Beiträge, 1), S. 520, der herausstellt, dass für die Höflinge »les pratiques religieuses« dennoch eine Art der Annäherung an und damit potenziellen Einflussnahme auf den Herrscher darstellten. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 339–341. In die zweite Regierungshälfte Ludwigs XIV. fielen die Besuche des Dogen von Genua (1685), der Botschafter aus Siam (1686), Marokko (1699) und Persien (1715). Weitere Festlichkeiten wurden anlässlich der Taufen der drei Kinder des Dauphin (1687), der Eheschließungen des prince de Conti mit Marie-Th¦rÀse de Bourbon (1688), des Duc de Chartres mit Mademoiselle de Blois und des Duc de Maine mit Mademoiselle de Charolais (1692) veranstaltet. Ebd., S. 339–340. Vgl. auch Sabatier/Edouard, Les monarchies de France et d’Espagne, S. 111–114, wonach die Feste der späten Regierungsjahre Ludwigs XIV. die generelle Tendenz aufwiesen, den König dem »public view« zu entziehen.

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brachte. Die endgültige Wende im Hofleben stellte sich durch mehrere direkt aufeinanderfolgende Schicksalsschläge innerhalb der Königsfamilie ein, nämlich den Tod Monseigneurs (1711), des Duc und der Duchesse de Bourgogne und ihres Sohnes, des Duc de Bretagne, (1712), sowie des Duc de Berry (1714). Infolgedessen zog sich der König zu Madame de Maintenon zurück, Feste verlagerten sich von den grand appartements in ›intimere‹ Kreise, petits divertissements traten anstelle der grands spectacles und letztlich zog sich der Adel zunehmend nach Paris zurück, das wieder Hauptstadt der Vergnügungen und kulturelles und soziales Zentrum wurde1633. Trotz dieser Entwicklung war es Ludwig XIV. gelungen, dem französischen Königshof in seiner Regierungszeit sowohl innerhalb als auch außerhalb Frankreichs eine herausragende Bedeutung zu verschaffen. Diese ergab sich innerhalb des französischen Königreichs aus der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Monopolstellung1634, die er als einziger Herrscherhof1635 gegenüber allen anderen adeligen ›Höfen‹1636 des Landes einnahm1637, und auf europäischem Niveau daraus, dass er einer der größten und bedeutendsten katholischen Höfe des 17. Jahrhunderts war1638, der mit der Residenz in Versailles Vorbildcharakter für andere Länder erlangte1639 und zu einem regelrechten Paradebeispiel und Idealtyp hochstilisiert und letztlich mystifiziert 1633 Vgl. ebd., S. 340–347. 1634 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 85. 1635 Vgl. Grell, Les historiens franÅais, la noblesse et la cour de France, S. 103. Vgl. auch Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 10–11, wonach im Deutschen Reich im Vergleich eine unübersichtliche Zahl an Hofhaltungen bestand, sodass auch das Hofleben vielfältigere Formen annahm als in Frankreich. 1636 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 68, der die Existenz weiterer Höfe in Frankreich erwähnt, die von Mitgliedern der königlichen Familie unterhalten wurden. Vgl. aber Grell, Les historiens franÅais, la noblesse et la cour de France, S. 103–104, die zwar bestätigt, dass Mitglieder der famille royale und auch Ministern über Schlösser verfügten, die aber dennoch darauf besteht, dass es er nur den einen, nämlich den königlichen Hof gab, da es sich bei den anderen nur um maisons und nicht um Regierungsorgane handelte und diese auch keinem Zeremoniell unterlagen, sodass es sich dabei im zeitgenössischen Sinne um keine wirklichen Höfe handelte. 1637 Vgl. Asch, Introduction, S. 26. Dennoch existierten neben und in Konkurrenz zum französischen Königshof andere politische und soziale Zentren wie die Hauptstadt und die Parlamente. 1638 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 25; Kircher-Kannemann, Organisation der Frauenzimmer, S. 239–240. Vgl. auch Duindam, The Bourbon and the Austrian Habsburg Courts, S. 199, der die Bedeutung des französischen Hofes in politischer Hinsicht auf seine Schlüsselposition im nachwestfälischen Staatensystem zurückführt. 1639 Vgl. Schraut, Frauen an den Höfen der Neuzeit, S. 10; Müller, Der Fürstenhof, S. 15, 16. Vgl. aber Meyer, Introduction, S. 8, und Duindam, Vienna and Versailles, S. 16–17, wonach ein wichtiges Gegenmodell zum Versailler Modell der kaiserliche Hof in Wien war, der ein weiteres Zentrum des europäischen Hoflebens bildete.

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wurde1640. Letzteres trug bis in die Gegenwart dazu bei, dass Versailles mit der europäischen Hofkultur gleichgesetzt wurde und stellvertretend für den französischen Königshof als Ganzes stand1641. Dies trifft insofern nicht zu, als dass es zum einen in seiner spezifischen Erscheinungsform eine Ausnahme darstellte1642 und zum anderen auch erst ab 1682 zum Hauptwohnsitz der französischen Monarchie wurde1643. Somit ist es weitaus zutreffender, den Hof des Sonnenkönigs in der europäischen Geschichte als »Sonderfall (Ludwig XIV.) eines Sonderfalls (französischer Königshof) eines Sonderfalls (absolutistischer Hof)« zu betrachten, der »keinen paradigmatischen Charakter beanspruchen kann.«1644 Die besondere Leistung Ludwigs XIV. lag neben dem Bau von Versailles darin, den Hof für den Hochadel zu einem prestigeträchtigen Aufenthaltsort werden zu lassen1645, sodass die Zugehörigkeit zum Hof zu einem begehrten Privileg wurde, da es mit zahlreichen Vorteilen verbunden war1646. Zwar schloss Ludwig XIV. ab 1661 weitestgehend alle Angehörigen der königlichen Familie sowie des hohen Adels aus den Regierungsräten aus und übertrug ihnen auch keine öffentliche Verantwortung mehr – stattdessen betraute er bürgerliche Aufsteiger –, dennoch bot sein Hof dem französischen Adel weiterhin verschiedene Karrieremöglichkeiten und entschied »über Erfolg oder Mißerfolg«1647. Während Verwaltungs1640 Vgl. FranÅois, Etienne: Der Hof Ludwigs XIV, S. 725, und ders.: Copies et pastiches europ¦ens, S. 77–82, der auf die verschiedenen europäischen ›Nachahmer‹ eingeht. Vgl. auch Duindam, Ceremonial staffs, S. 388: »The habitual image of the Ludovician court seems to have taken form mostly in the dialogue between eighteenth-century admirers and critics, and it can be seen a pastiche of characteristics taken from various phases of Louis XIV’s reign, and eighteenth-century developments: a composition not fully matching historical reality in any of these periods.« 1641 Vgl. Revel, La cour, S. 3146–3147. Revel verweist darauf, dass im Gedächtnis und der Wahrnehmung vieler der Hof unter Ludwig XIV. zum Idealtypus des französischen Hofes schlechthin wurde, was er mit den in den schriftlichen Zeugnisse der Zeit evozierten Bildern und deren Tradierung in der Literatur der letzten 300 Jahre in Zusammenhang bringt. Vgl. auch Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 67–68, der ebenfalls davor warnt, das scheinbar zeit- und wandellose Bild des Versailler Hofs unter Ludwigs XIV. zu generalisieren. 1642 Vgl. Adamson, The making of the Ancien-R¦gime Court, S. 11. Selbstversorgenden, freistehenden und architektonisch harmonische Stadt in Kleinformat, die außerhalb der Hauptstadt lag und sowohl den königlichen Haushalt als auch die Verwaltung des Landes beherbergte. Vgl. auch Meyer, Introduction, in: Hofgesellschaft, S. 14. 1643 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 392. 1644 Winterling, Aloys: Einleitung, in: Zwischen »Haus« und »Staat«. Antike Höfe im Vergleich. München 1997, S. 8. 1645 Vgl. Revel, La cour, S. 3150. Der französische Hochadel empfand das Leben am Hof als die einzige ihrem Stand entsprechende Daseinsweise. Vgl. auch Solnon, La Cour de France, S. 377. 1646 Vgl. Duindam, The Bourbon and the Austrian Habsburg Courts, S. 186. 1647 Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 218.

Spezifika der Regierungszeit Ludwigs XIV.

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posten zunehmend an Bürgerliche vergeben wurden, die so sukzessive als noblesse de robe in die Adelsschicht aufstiegen1648, profitierten adelige Männer von einem bevorzugten Zugang zu der noblesse d’¦p¦e vorbehaltenen Hofämtern1649 sowie zum Offizierskorps der französischen Armee und der königlichen Gardeeinheiten1650. Somit büßten sie durch den Ausschluss aus den königlichen Räten1651 an direktem politischen Einfluss ein1652, nahmen jedoch über Gouverneursposten in der Provinz sowie Diplomatendienste weiterhin Teil an den Regierungsgeschäften und wurden auch als Ratgeber konsultiert1653. Des Weiteren war Ludwig XIV. sehr darauf bedacht, die Verteilung königlicher Patronage selbst zu kontrollieren, was letztlich dazu führte, dass er zu der zentralen Anlaufstelle für Adelige auf der Suche danach wurde1654. In der zeitgenössischen Wahrnehmung genügte es bereits, wenn der König den Mund öffnete und über jemanden sprach, damit die betreffende Person wie ein ›Heiliger‹ gesucht oder wie ein ›Verdammter‹ gemieden wurde1655. Da der direkte Zugang zum König beschränkt war, gewannen auch in der sozialen Interaktion am französischen Hof die Höflinge als Vermittler zum König und anderen wichtigen höfischen Entscheidungsträgern an Bedeutung1656. Sie profitierten von ihrer Position am Hof, indem sie mit ihrem Einfluss hausierten und ihren Platz in der 1648 Vgl. Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 40. 1649 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 72. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 327, wonach die Voraussetzung für den Erhalt eines Amtes in der maison du roi die Zugehörigkeit zur noblesse d’¦p¦e war, und Duindam, Vienna and Versailles, S. 308, der eine Reduzierung der adeligen Ehrenämter unter Ludwig XIV. feststellte, wodurch diese aber um so exklusiver wurden. 1650 Vgl. Mettam, The French Nobility, S. 137; Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 218. Adelige Männer wurden bevorzugt bei der Vergabe hoher Kommandostellen berücksichtigt. So nahmen sie Offiziersposten wahr und waren Regimentsinhaber. Für die Bedeutung des Dienstes in den Gardeeinheiten für eine militärische Karriere vgl. ebd., S. 209. 1651 Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 79; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 251; Solnon, La Cour de France, S. 393–394. Vgl. auch ebd., S. 373, wonach die königlichen Räte unter Ludwig XIV. vorwiegend mit Bürgerlichen besetzt wurden, die über Posten, wie den »Conseillers d’Etat« und »intendants«, zu hohen Ehren und Gnaden gelangen konnten. 1652 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 317. 1653 Vgl. Mettam, The French Nobility, S. 119, 138; Solnon, La Cour de France, S. 393–394. 1654 Vgl. Kettering, Patronage and kinship, S. 415; dies., Brokerage at the court of Louis XIV, S. 71. 1655 Vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 48–49. 1656 Vgl. Asch, Introduction, S. 17. Vgl. auch Kettering, Brokerage at the court of Louis XIV, S. 72, die darstellt, dass man sich dem König nur über Vermittler nähern konnte, d. h. vor allem über seine legitimen und illegitimen Kinder, Angehörige seiner Familie und seines Haushaltes, seinen männlichen und weiblichen Favoriten und seine Minister. Letztlich hätten jedoch alle Angehörigen des Hofes als »broker« agieren können, wobei ihr Einfluss von der Entfernung zum König abhing.

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Nähe des Königs und seiner Minister nutzten. Dabei vermittelten sie als Broker zwischen denen, die beispielsweise ein Amt oder eine Pension wünschten, und denen, die in der Lage waren, diese zu vergeben. Höflinge konnten entsprechend als Makler und Mittelsmänner einer dreiseitigen Transaktion agieren, um einen Ressourcenaustausch zwischen zwei Parteien zu arrangieren, die eine geographische oder persönliche Distanz – beispielsweise durch Rang oder Amt – trennte. Wieviel Einfluss sie als Broker hatten, hing dabei von der Nähe zum König ab, sodass Personen in seinem direkten Umfeld wie Angehörige der Königsfamilie und seines Haushaltes, männliche und weibliche Favoriten sowie Minister besonders begünstigt waren1657.

4.

Der cour de France – ein cour des dames?

In der Frühen Neuzeit entwickelten sich unter dem Einfluss der italienischen Renaissance die Fürstenhöfe Europas zu Zentren der ›Höflichkeit‹1658. Damit verbunden waren neue Umgangsformen, die einen grundlegenden Wandel des höfischen Lebens und Sozialgefüges herbeiführten. Besonders aufschlussreich sind dabei die neuen Ideale, die mit der politesse am Hof Einzug hielten. Für adelige Männer war fortan der ›Hofmann‹ der Inbegriff der Vollkommenheit. Als geschliffener Höfling kennzeichnete diesen die Kennerschaft der »arts de cour«1659, die ihren Niederschlag im äußeren Erscheinungsbild1660, in Umgangsformen1661, Sprachwahl und Körpertechniken1662 fanden. Sein Pendant war 1657 1658 1659 1660

Vgl. Kettering, Brokerage at the court of Louis XIV, S. 70–72. Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 196. Revel, La cour, S. 3177. Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 104–105, wonach die Kleidung der neuesten Mode entsprechen musste und bei bestimmten Veranstaltungen nicht mehrmals getragen werden konnte. Vgl. auch Laverny, La representation commensale, Absatz 24: »il faut ›faire et faire‹ para„tre«, se parer richement pour faire ressortir l’¦clat de sa vertu. Le courtisan id¦al est donc ›bien fait‹. Le qualificatif ›bien fait‹ est sans doute celui qui revient le plus souvent dans les portraits et les ¦loges. S’il n’est pas forc¦ment synonyme de ›beau‹, il implique la gr–ce, l’¦l¦gance et l’harmonie des proportions. La propret¦ est enfin une qualit¦ qui semble importante d’avoir lorsqu’on cútoie les grands de ce monde.« 1661 Vgl. Solnon, Cour, S. 355, wonach ein Höfling seinen Geist und seine maniÀres durch Lektüre, Musik und Konversation verfeinern musste. 1662 Vgl. Revel, Vom Nutzen der Höflichkeit, S. 196. Vgl. auch Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 92, die anführt, dass die Etikette dem Adel eine spezifische Körperdressur auferlegte, die sich beispielsweise in Hofknicksen, Verbeugungen, Umzügen und Tänzen ausdrückte. Auch Solnon betont, dass das Hofleben »un effort permanent de ma„trise de soi« erforderte (ders., La Cour de France, S. 419–420) sowie die Verwendung einer spezifischen Sprache, wobei sich die ›hohe‹ höfische und die ›niedere‹ städtische Sprache wechselseitig beeinflussten (ebd., S. 423–424).

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die ›Hofdame‹, der im höfischen Umfeld eine besonders wichtige Rolle zugeschrieben wurde. Gemäß Castigliones »Libro del Cortegiano«1663 konnte »kein Hof, so groß und bedeutend er auch sein möge, Zierde, Glanz und Freude ohne Damen haben« und müsse demnach »ein wesentlicher Vorzug der donna di palazzo in ihrer Schönheit liegen«1664. Mit ihrer äußeren Erscheinung war sie dazu angehalten, zur Prachtentfaltung des Hoflebens beizutragen und Repräsentationsaufgaben wahrzunehmen1665. Darüber hinaus sollte die ideale ›Hofdame‹ auch Fähigkeiten und Eigenheiten auszeichnen, die in sozialer Interaktion von Vorteil waren, so »Kenntnisse der Etikette, fehlerloses Benehmen, Geist und gesellschaftliches Unterhaltungstalent«, aber auch Bildung und fließende Beherrschung von Fremdsprachen1666. Ein wesentlicher Unterschied zu den Anforderungen an den ›Hofmann‹ war jedoch die »mission civilisatrice«1667. So oblag es der ›Hofdame‹ mittels ihrer geistigen und ästhetischen Fähigkeiten1668

1663 Von den in vier Abenden unterteilten »Cortegiano«, in deren Verlauf verschieden Aspekte des Hofmannes behandelt werden, gilt der dritte Abend der ›Hofdame‹. Vgl. Loos, Literatur und Formung eines Menschenideals, S. 12, wonach dem Idealbild des Hofmanns »ein ähnliches Ideal der »donna di palazzo« […] zur Seite gestellt« wird. Geleitete von einer Hochschätzung der Frau wird ihre Teilhabe »an allen Bereichen der Bildung und der Künste« zugebilligt, »weil die Frauen also von Natur aus die gleichen Fähigkeiten und Gaben besäßen wie der Mann. Die Frau steht sogar wertmäßig über dem Mann, denn sie ist die stärkere Liebende, und erst die Liebe schenkt der Frau und dem Mann jene Vollkommenheit, die erstrebt wird.« Entsprechend vertritt Castiglione trotz negativer Zuschreibungen in Hinblick auf »die Neugier, die Schwatzhaftigkeit und die Koketterie der Frauen« eine hohe »Auffassung von der Würde und den Fähigkeiten« derselben. Dabei vermischen sich in seinem Bild der ›Hofdame‹ »Vorstellungen des mittelalterlichen Minnedienstes mit platonisierenden Gedanken, aber auch mit dem gerade in der italienischen Renaissance neu belebten Ideal der antiken »virago«, der mannhaft kämpferischen Jungfrau. Auf jeden Fall erscheint die Frau nicht nur als gesellschaftsförderndes, sondern geradezu als gesellschaftsbildendes Element« (ebd., S. 15). 1664 Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 323. Vgl. auch Burke, Die Geschichte des Hofmann, S. 65, der darauf hinweist, dass der Cortegiano »abweichend von der Tradition […] die Frau nicht nur in den Rollen der Mutter, Tochter oder Gattin« zeichnet. Wenn man die einseitige Inhaltsangabe heranzieht, die »mehrere Auflagen seit 1547« enthalten, dann ergeben sich daraus folgende der Dame zugeordnete Eigenschaften: Edelmut, Güte, gute Leitung (»vermutlich des Haushalts«), Umsicht, Ehre und Liebreiz, geistige Regsamkeit, Seelenstärke, körperliche Schönheit und Eleganz, Literatur, Musik, Malerei, Tanzen (ebd., S. 65–66). 1665 Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 61. 1666 Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 16. 1667 Timmermans, Linda: L’accÀs des femmes — la culture (1598–1715). Un d¦bat d’id¦es de Saint FranÅois de Sales — la Marquise de Lambert. Paris 1993 (BibliothÀque litt¦rarie de la Renaissance, Serie 3, 26), S. 141. Vgl. auch Stannek, Telemachs Brüder, S. 236. 1668 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 155; Habermas, Rebekka/Wunder, Heide: Nachwort, in: Geschichte der Frauen. Hrsg. v. Georges Duby und Michelle Perrot. Bd. 3: Frühe Neuzeit. Hrsg. v. Arlette Frage und Natalie Zemon Davis. Frankfurt a. M. 1997, S. 549; Hufschmidt, Anke: Adelige Frauen im Weserraum zwischen 1570 und 1700. Status

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zur Verbesserung der höfischen Umgangsformen beizutragen1669 und die adelige Jugend zu richtigem, gesellschaftlichem Benehmen anzuleiten1670. Am französischen Königshof machte sich die Entwicklung zum Zentrum der Höflichkeit vor allem durch zweierlei bemerkbar : Zum einen galt der Hof fortan nur als Hof, wenn Damen anwesend waren. Zum anderen konnte nur Hof gehalten werden, wenn sich Männer und Frauen zusammenfanden1671. Dass die Anwesenheit von Frauen zu einem seiner grundlegendsten Merkmale wurde, ohne den er nicht mehr denkbar war1672, zeigte sich ganz konkret in der Zunahme der im Fürstendienst stehenden Damen und im freien Umgang von Frauen und Männern innerhalb der Hofgesellschaft. Die verstärkte Präsenz von Frauen wurde zeitgenössisch als gravierende Veränderung des Hofes wahrgenommen1673. Sie habe zur ›Feminisierung‹ des bis dahin fast ausschließlich männlich dominierten Hofes geführt1674 und ihren Niederschlag im höfischen Leben und seinen Umgangsformen gefunden1675. Auch von ausländischen Beobachtern wird mit Erstaunen eine »vraie confusion d’hommes et de femmes«1676 zur Kenntnis genommen – im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Höfen eine

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– Rollen – Lebenspraxis. Münster 2001 (Geschichtliche Arbeiten zur westfälischen Landesforschung. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Gruppe, 15), S. 447. Diese Auffassung wurde nicht nur von Elias aufgegriffen, der ebenfalls davon ausgeht, dass die Anwesenheit hochadeliger Frauen am Hof zum Prozess der Zivilisation der »mœurs« stark beigetragen hat, da ihre Gegenwart zu Kanalisierung adeliger Gewalt und Verfeinerung der Umgangsformen beigetragen habe. Sie findet sich auch in der gegenwärtigen Forschung: vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 487; Kolk, Caroline zum: Catherine de M¦dicis et l’espace. R¦sidences, voyages et s¦jours, in: Moving elites: Women and cultural transfers in the European court system. Hrsg. v. Giulia Calvi und Isabelle Chabot. San Domeninco di Fiesole 2010, S. 51. Vgl. Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 32; Stannek, Telemachs Brüder, S. 235. Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et l’espace, S. 54, die Katharina von Medici wie folgt zitiert: »c’est uniquement lorsque les hommes et les femmes se r¦unissent que l’on ›tient cour‹« und »une cour sans dames est une cour sans cour«. Vgl. Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 176; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 487. Vgl. Münster, Funktionen der dames et damoiselles d’honneur, S. 354, die Zweifel an der vielverbreiteten Annahme anmeldet, dass allein die quantitative Zunahme von Hofdamen zur »Feminisierung des Hofes oder seiner Sitten« geführt hat. Vgl. auch Norberg, Women of Versailles, S. 194. Vgl. Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 29. Den Hof bevölkerten bis dahin vorwiegend der König, seine officiers und Ratgeber. Die gewohnheitsmäßigen Besucher des Hofes ließen sich nur bei besonderen Anlässen von ihren Frauen begleiten, so z. B. zu Festen, Bällen und Turnieren. Zwar verfügten die Königin und die Prinzessinnen über Frauen in ihrem Dienst, die ihnen Gesellschaft leisteten, aber sie waren zahlenmäßig sehr gering, »g¦n¦ralement effac¦es, et tenues — la discr¦tion.« Vgl. ebd., S. 7–8, 29–40. Ihre Einschätzung, dass die Hofdamen die Freudenmädchen verdrängt hätten (vgl. ebd., S. 33–34), wird hier jedoch nicht geteilt. Primi Visconti, M¦moires, S. 141.

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Besonderheit. Ungeachtet dieser Einschätzungen bleibt jedoch fraglich, inwiefern der französische Königshof sich zu einem »cour des dames«1677 entwickelte und welche Bedeutung dies für die Handlungsspielräume von Frauen hatte. Wenngleich im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine umfassende Antwort erarbeitet werden kann, soll hier dennoch zumindest eine Annäherung erfolgen. Am französischen Königshof wurde adeligen Damen eine herausgehobene Rolle in der höfischen Geselligkeit eingeräumt. Ihnen zu Ehren wurden bals de la cour abgehalten1678 und Hoffeste veranstaltet. Ihre Anwesenheit verlieh jeder Veranstaltung Glanz und war Ausdruck besonderer Wertschätzung für auswärtige Gäste1679. Die herausragende Stellung, die den »dames« und »dames de la cour«1680 zugeschrieben wurde, manifestierte sich in offiziellen Berichten darin, dass sie als eine von der restlichen Festgesellschaft distinkte Gruppierung beschrieben werden: Für ihren service werden gesonderte Vorkehrungen getroffen1681 und sie allein dürfen neben den engsten Mitgliedern der Königsfamilie an der Tafel Platz nehmen1682. Hoffeste waren jedoch nicht die einzigen Bereiche in der höfischen Geselligkeit, in denen adeligen Damen eine herausgehobene Stellung zugestanden wurde. Dies galt in besonderem Maße für die weiblichen Angehörigen der Königsfamilie, zu deren gesellschaftlichen Pflichten es gehörte, eine exponierte Stellung im höfischen Leben einzunehmen, um bereits durch ihre bloße Anwesenheit und die ihres Gefolges einen »air de cour«1683 zu verbreiten. Ent1677 Der »cour des dames« soll gemäß Chatenet unter dem Einfluss Katharina de Medici, Anna von Bretagne und Franz I. entstanden sein (dies., Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 177). 1678 Dies findet auch Erwähnung bei F¦libien, Relation de la fÞte de Versailles, S. 75. Vgl. auch BM, Venel, S. 26, wonach der König für die »Princesses et aux Dames de la Cour les plus qualifi¦es« einen Ball gegeben hat. 1679 Vgl. Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 330–331. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 221–222, der berichtet, dass der König die Dauphine dazu aufgefordert haben soll, für einen Ball zu Ehren des Dogen »toutes les dames de la cour« zu benachrichtigen. Dabei referiert Sourches auf ihre ›schmückende‹ Funktion, indem er diese Veranstaltung einreiht in eine Auflistung anderer ›Sehenswürdigkeiten‹, die dem Dogen die Pracht des französischen Hofes veranschaulichen sollten, nämlich »toutes les fontaines et les autres magnificences du jardin et du parc de Versailles«. 1680 F¦libien, Relation de la fÞte de Versailles, S. 123, 137. 1681 Vgl. ebd., S. 69. Bei F¦libien finden sich in erster Linie Beschreibung der Ereignisse, des Ortes, an dem sie stattfanden, und des Dekors, aber kaum der interpersonalen Interaktionen. Die Personen, die namentlich auftauchen, sind allen voran der König und Angehörige der Königsfamilie. In der Beschreibung von 1668 taucht auch ein einziges Mal eine namentliche Auflistung von Damen auf, die an einem bestimmten Ereignis teilnehmen durften. 1682 Vgl. Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 327. Für Erwähnungen von Frauen am Hof, die bei Mahlzeiten besondere Vorrechte genossen vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. II, S. 369; Bd. X, S. 62–64. 1683 NLH, Bd. I, fol. 42r. Zur Bedeutung des Ausdrucks »l’air de cour« vgl. Revel, La cour,

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sprechend sollten ihre Appartements nicht nur der Hofgesellschaft zugänglich sein, sondern auch zu Schauplätzen höfischer Geselligkeit und Vergnügungen werden. Von zentraler Bedeutung für das Hofleben waren dabei die Räumlichkeiten der Königin, die in Größe, Pracht und Lage ihre privilegierte Stellung auch architektonisch zum Ausdruck brachten1684. Der salle de la reine sollte idealerweise Ausübungsort und Fixpunkt einer höfischen sociabilit¦ mixte sein, die sich seit dem 16. Jahrhundert explizit um die weiblichen Angehörigen der Königsfamilie – allen voran um die Königin und die Königinmutter – entfaltete. Der salle der Königin bzw. ersten Dame des Hofes war dabei Austragungsort mehrmals wöchentlich abgehaltener cercles und jeux. Vor allem Erstere bildeten eine höfische Geselligkeitsform, deren Entstehen in den Hofstaaten der königlichen Frauen vor dem Hintergrund der Gesamtentwicklung des Hofes verortet werden muss. Der cercle fungierte gewissermaßen als institutionalisierte Form der Konversationskunst, der am Hof als Zentrum der ›Höflichkeit‹ große Bedeutung zugeschrieben wurde. Bereits Anna von Österreich rief einmal täglich ihre Damen zusammen, platzierte sie in einem Kreis um sich und hielt Konversation über verschiedene Themen1685. Dies hinterließ bei ihrem Sohn, Ludwig XIV., bleibenden Eindruck, sodass er seine Ehefrau, dann die Dauphine und schließlich die Duchesse de Bourgogne dazu anhielt, einem ebensolchen vorzusitzen1686 – wenn auch mit wenig Erfolg1687. Die Ausübung einer solchen Form der Geselligkeit wurde von ihm keinesfalls als ein freiwilliger Akt begriffen. Im Verständnis des Königs waren die Angehörigen der famille royale keine »particuliers«, sondern gehörten »tout entier au public«1688. Entsprechend bestand eine Notwendigkeit zur Teilnahme am höfischen Leben1689, die wenn nötig auch mit Druck oder Bestechung herbeigeführt wurde1690. Widerstand dagegen, wie

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S. 3176–3177, der ihn als einen schwer zu definierenden Begriff bezeichnet, der in seiner Gesamtheit für »la qualit¦ des personnes et la supr¦matie d’un mode de sociabilit¦« steht. Vgl. Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 186. Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 196. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 341, der darauf hinweist, dass das Abhalten eines cercle eng an die Existenz einer ersten Dame am Hof geknüpft war – sei es die Königin oder die Dauphine. In den Zeiten, in denen es weder die eine noch die andere gab, fand auch kein cercle statt. Erst anlässlich der Hochzeit des Duc und der Duchesse de Bourogne wurde der cercle wieder ins Leben gerufen. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. IX, S. 132, wonach an einem cercle der Duchesse de Bourgogne 40 Duchesses und mehr als 100 dames teilgenommen haben. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XII, S. 331–334. Vgl. auch Spanheim, Relation de la cour de France, S. 51–52, wonach die Dauphine, der ihr im Hofleben zugedachten Rolle, aufgrund ihrer durch mehrere Entbindungen und Fehlgeburten geschwächten Gesundheit, nur eingeschränkt nachgekommen sei. Ebd., S. 371–372. Vgl. BertiÀre, Les femmes du roi-soleil, S. 484. Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 77, die beschreibt, wie der König die Dauphine an die Verpflichtungen ihres Ranges gemahnte und Schmuck und Stoffe für sie und ihre Damen in

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ihn die erste Dauphine leistete, wurde sowohl vom König als auch der Hofgesellschaft als mangelnde Pflichterfüllung gewertet1691. Wie bereits angedeutet vollzog sich in der Regierungszeit Ludwigs XIV. ein Wandel im Hofleben, der mit einer Veränderung des Frauenideals korrespondierte. Zu dem der Hofdame trat im 17. Jahrhundert zunächst das der femme galante. Sie löste das Ideal der femme forte ab, das noch während der Regentschaft von Maria von Medici und Anna von Österreich vorherrschte und zur Verherrlichung hochrangiger adeliger Frauen durch Leitbilder heroischer Frauenfiguren aus Mythologie und Geschichte herangezogen wurde1692. Mit dem Ende der weiblichen Regentschaft und dem Beginn der persönlichen Regierung Ludwigs XIV. rückte das Ideal der femme galante als Pendant zum galant homme in den Vordergrund und damit die Wertschätzung der »gewandten Gesellschaftsmenschen«1693. Gleichzeitig hielt die Idealisierung der Schönheit vor dem Hintergrund der amourösen Abenteuer des jungen Königs weiterhin an und wurde zu einer günstigen »Voraussetzung, um Wertschätzung und Vorrang am Hof zu erlangen«1694. In der zweiten Regierungshälfte Ludwigs XIV. fand allerdings mit der zunehmenden Frömmigkeit des alternden Monarchen auch eine Verschiebung des

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Aussicht stellte, um sie dadurch zur Abhaltung eines Hofes zu bewegen. Hier klingt auch eine geschlechtsspezifische Konnotation von Geschenken an, die sich ähnlich auch bei BM, Venel, S. 10 findet, wo erwähnt wird, Ludwig XIV. habe »Confitures aux Dames de sa Cour dans des boÚttes galamment orn¦es de rubans de diverses couleurs« verteilt. Ähnliche Beschreibungen für männliche Empfänger konnten nicht ermittelt werden. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 271. Vgl. Kroll, Von der Heerführerin zur Leidensheldin, S. 52. Vgl. auch ebd., S. 62, wo sie beschreibt, dass das Ideal der femme forte im Hinblick auf Frauen der Hocharistokratie »system- und gesellschaftskonservierende Funktionen« annahm, indem es sie als »Viragos, Kriegerinnen, Heerführerinnen, Amazonen, Frondeusen – femmes d’action« inszenierte, »die mit Waffen hantieren, Flüsse durchqueren, töten bzw. den Tod als Heldentat ansehen«. Vgl. aber Baader, Heroinen der Literatur, S. 35, wonach es sich auch um einen paradoxen und missverständlichen Begriff handelt, »da die gepriesene weibliche Stärke und Kraft vielfach – so noch 1687 bei F¦nelon – eben nicht, wie vielleicht erwartet, im heroisch-mutigen, öffentlichen Agieren (›fortitudo‹), sondern in der häuslichen ›Schlichtheit des Wirkens, der Sparsamkeit und Arbeit‹ (F¦n¦lon) zutage zu treten hatte. Als ›stark‹ geltende Frauen dann gerade deshalb, weil sie ihre Schwäche annehmen, weil ihre Stärke sich in der Geduld, der Opferbereitschaft, Langmut und Selbstverleugnung einer gequälten Ehefrau […] offenbart.« Vgl. auch Berndt, Frauke: Amazonen und Tugendheldinnen – Zur Ikonographie der femme forte im 17. Jahrhundert, in: FrühneuzeitInfo 7/2 (1996), S. 276–281. Höfer, Anette/Reichardt, Rolf: HonnÞte homme, HonnÞtet¦, HonnÞtes gens, in: Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820. Hrsg. v. dies., Eberhard Schmitt und Gerhard van den Heuvel. München 1986, S. 7–73 (Ancien r¦gime, Aufklärung und Revolution, 10), S. 33. Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 351.

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Frauenideals statt und die honnÞte femme gewann an Bedeutung1695. Sie entstand mit dem Aufstieg des honnÞte homme, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts den zunehmend negativ konnotierten courtisan als höfisches Leitbild ablöste1696. Im Kontext Pariser Salons sollte die honnÞte femme zu einer Lockerung der Festlegung von Frauen auf Eheschließung und Haushalt beitragen und stattdessen ihre Fähigkeiten im musischen, philosophischen, historischen und literarischen Bereich betonen. Die Einbindung der honnÞte femme in eine christliche Pädagogik und Ethik verpflichtete sie jedoch auf den Wertekanon »Frömmigkeit, Keuschheit und Sittsamkeit« und damit auf die Rolle einer Tugendträgerin1697. Damit korrespondierte das Ideal der honnÞte femme verstärkt mit dem religiösen Bereich, der auch am französischen Königshof für Frauen eine wichtige Rolle spielte1698. Auch hier tritt die Königin in den Vordergrund, denn ebenso wie die höfische Geselligkeit war auch die Religion traditionell ein ihr zugeschriebener Handlungsbereich1699. Dies fand seinen Ausdruck bereits in räumlicher Hinsicht darin, dass sie neben einem salle auch über eine eigene chapelle verfügte1700, die es ihr erlaubte, religiösen Verpflichtungen nachzukommen. Da eine Königin in der zeitgenössischen Wahrnehmung durch Frömmigkeit die höchste Tugend ihres Geschlechts erfüllte1701, verwundert es nicht, wenn über Maria Theresia berichtet wird, sie habe »la moiti¦ de son temps […] en d¦votions« verbracht1702. Nach ihrem Tod schien diese Aufgabe vor allem von der morganatischen Ehefrau Ludwigs XIV., Madame de Maintenon, wahrgenommen worden zu sein, die monatliche »assembl¦es des pauvres« abhielt, zu denen Damen ihre Almosen brachten1703. Mit Madame de Maintenon wurde auch der allgemeine Wandel des Hofes in Verbindung gebracht, der durch sie und den König zumindest nach außen hin zu einem »couvent de religieux et de reli1695 Vgl. zum honnÞtet¦-Ideal und seiner Entwicklung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert Höfer, HonnÞte homme, HonnÞtet¦, HonnÞtes gens. 1696 Vgl. zu den zwei Verwendungsebenen des Begriffs »honnÞte homme« ebd., S. 8–9. Vgl. auch ebd., S. 12; Roth, Oskar: Höfische Gesinnung und honnÞtet¦ im Frankreich des 17. Jahrhunderts, in: Daphnis 11/1–2 (1982), S. 195–197. 1697 Höfer, HonnÞte homme, HonnÞtet¦, HonnÞtes gens, S. 16. 1698 Vgl. Le Roux, La Religion des Courtisans, S. 511–512. Vgl. auch Viguerie, Jean de: La femme et la religion en France en milieu catholique au XVIIe siÀcle, in: La femme — l’¦poque moderne. Paris 1985, S. 29–44. 1699 Die Aufgabenbereiche, denen eine französische Königin nachkommen musste, spiegeln sich auch in den finanziellen Mitteln wider, die ihr zur Verfügung gestellt wurden. So hat laut Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 138, Maria Theresia von Spanien eine Summe erhalten, von der sie ihre menus plaisirs und ihre aumúnes bestreiten musste, d. h. die ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und Wohltätigkeit finanzierte. 1700 Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 80. 1701 Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 183. 1702 Primi Visconti, M¦moires, S. 34. 1703 Caylus, Souvenirs, S. 100.

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gieuses« geworden sei. Damit habe die in den frühen Regierungsjahren des Königs hoch geschätzte galanterie an Bedeutung verloren und damit auch der Umgang mit Frauen eine negative Entwicklung genommen. Während sie zuvor »objet[s] de soumissions et de r¦v¦rences« gewesen seien, hätten sie fortan nur noch wenig Respekt erfahren1704. Wie aus den bisherigen Darstellungen hervorgeht, korrespondieren die Frauenideale des 17. Jahrhunderts mit Handlungsbereichen adeliger Frauen im höfischen Kontext und entwerfen eine Vorstellung von weiblich konnotierten Sphären, nämlich Repräsentation, Geselligkeit und religiöse Praxis. Die Schlussfolgerung, dass diese normative Zuschreibung gleichbedeutend mit einer Einschränkung sei, greift jedoch zu kurz, wenn nicht Berücksichtigung findet, welche Handlungsspielräume sich im höfischen Kontext daraus ergeben konnten. Die Festlegung auf den Bereich der Geselligkeit bot vor allem den weiblichen Angehörigen der Königsfamilie die Möglichkeit, in der Tradition der »reines brillantes et cultiv¦es« des 16. Jahrhunderts zum pulsierenden Zentrum des Hoflebens zu werden, sich als Beschützerinnen von Literatur und Künsten zu inszenieren und aktiv in das gesellschaftliche Leben einzugreifen1705. Ihre daraus resultierenden Handlungs- und Einflussmöglichkeiten hingen in starkem Maße von ihrer jeweiligen Persönlichkeit und der des regierenden Monarchen ab. Doch selbst wenn es den weiblichen Angehörigen der Königsfamilie nicht immer gelang, die sich normativ bietenden Rollen auszufüllen1706, bestand für andere Frauen der Hofgesellschaft – allen voran für die Königsmätresse – die Möglichkeit, diese einzunehmen. Ähnliches gilt im Bereich der Religion, für die insbesondere weibliche Zeitgenossinnen herausstellen, dass nicht nur die Königin, sondern auch andere adelige Damen über Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit1707 innerhalb der höfischen Gesellschaft zu Autorität gelangen1708 und die Wertschätzung hoher Entscheidungsträger gewinnen konnten1709.

1704 Primi Visconti, M¦moires, S. 124. Indizien für diese Entwicklung sah Primi Visconti beispielsweise darin, dass viele Menschen in Gegenwart von »personnes de qualit¦ et au cercle de la Reine« ihrer Körperpflege nachgingen. 1705 BertiÀre, Les femmes du roi-soleil, S. 8. Vgl. auch Spanheim, Relation de la cour de France, S. 97 1706 Vgl. BertiÀre, Les femmes du roi-soleil, S. 8, 72; Campbell Orr, Introduction, S. 7, 34; Burke, Der Höfling, S. 159. 1707 Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 269–282. 1708 Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 46. Ein aussagekräftiges Beispiel für die Zuweisung der Rolle als Sittenwächterin auf Frauen bietet Caylus im Zusammenhang mit der liaison zwischen Ludwig XIV. und Madame de Montespan. Der König und seine Mätresse hätten sich anlässlich eines religiösen Festes getrennt. Da sich die Freunde und Verwandten der Montespan aber für deren Rückkehr an den Hof, ihren durch »naissance« und »charge« angestammten Platz, eingesetzt hätten, sei ein Treffen zwischen beiden vereinbart worden.

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»Manieres de vivre à la Cour« – Geschlecht und Hofleben

Des Weiteren ist zu bedenken, dass, wenngleich die Aktivitäten von Frauen in den genannten Bereichen durch eine geschlechtsspezifische Zuweisung legitimiert wurden, dies keinesfalls bedeutete, dass sie nur ihnen vorbehalten waren. Ganz im Gegenteil gehörten Repräsentation und Teilnahme am Hofleben zum Höflingsideal und zum adeligen Selbstverständnis im Allgemeinen. Der bereits angeführte cercle entwirft ein charakteristisches Bild davon, denn an ihm nahmen »dames de la cour«1710 wie auch Männer der Hofgesellschaft teil1711, die gleichermaßen durch ihre Anwesenheit und die Erlesenheit ihrer Kleidung zur Pracht des Ereignisses beitrugen1712. Und auch religiöse Praktiken in Form von Gottesdiensten, Beichten, Gebeten und Wallfahrten waren fester Bestandteil des höfischen Wochenrhythmus1713, dessen Befolgung mit wachsender Frömmigkeit des Königs umso bedeutender für die Erlangung von Gunst wurde. Ähnliches lässt sich auch in umgekehrter Hinsicht, nämlich mit Blick auf ›männlich‹ konnotierte Handlungsbereiche feststellen, die nach Brantúme zumindest für den französischen Königshof des 16. Jahrhunderts in Kriegsführung, Staatsgeschäften, Jagd und Spiel lagen1714. Auch hier schloss das für ein Geschlecht normativ tolerierte Handlungsspektrum entsprechende Aktivitäten des anderen nicht gänzlich aus1715. Als Beispiel soll hier die Jagd als eines der beliebtesten Vergnügungen des Monarchen und der Hofgesellschaft dienen1716, dem als »praeludium belli, als Einübung in Kriegshandwerk und Ritterlichkeit«1717 in besonderem Maße zugeschrieben wurde, eine männliche Domäne zu

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Um Gerüchten vorzubeugen, seien »v¦n¦rables matrones« in Gestalt von »dames respectables« – dazu »les plus graves de la cour« – hinzugezogen worden. Vgl. BM, Venel, S. 6–7. Als Beispiel dafür kann Madame de Venel angeführt werden, die sich bei der Königinmutter und dem Kardinal Mazarin durch ihren Einsatz für die Krone in ihrer Heimatprovinz verdient gemacht haben soll und aufgrund dessen, aber insbesondere auch ihrer Tugendhaftigkeit zur ›Erzieherin‹ einer Nichte des Kardinals ernannt worden sei, der sie als eine »aimable et vertueuse Dame« als Ratgeberin und »modÀle« zur Seite stehen sollte. Vgl. auch ebd, S. 12–13. Durch ihr Verhalten habe sie eine »grandeur d [’]ame« und »presence d’esprit« bewiesen, die letztlich dazu beigetragen habe, dass sie selbst vom König bewundert und geschätzt worden sei. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 354. Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et l’espace, S. 54. Vgl. aber NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. XIII, 76v, wonach der cercle eine Geselligkeitsform gewesen sei, zu der in erster Linie Frauen erschienen. Anlässlich der Hochzeit des Duc und der Duchesse de Bourogne wurde der cercle wieder ins Leben gerufen, der nach dem Tod der Dauphine nicht mehr abgehalten worden war.Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XII, S. 333–334. Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 38. Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et l’espace, S. 54. Vgl. Viennot, Des »femmes d’Etat« au XVIe siÀcle, S. 77, 87–88. Ein Beispiel hierfür ist das Engagement weiblicher Mitglieder wichtiger Adelsfamilien wie der Cond¦, Guise, Longueville und Montmorency in der Fronde. Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 331; Norberg, Women of Versailles, S. 208. Müller, Der Fürstenhof, S. 58.

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sein. Nicht nur, dass dabei meist Hirsche gejagt wurden, die als ›männlichstes‹ Jagdwild schlechthin galten. Auch seien bei der Jagd und beim anschließenden gemeinsamen Mahl männliche Rituale vollzogen und eine männliche Gemeinschaft evoziert worden1718. Nicht zuletzt die Jagd führte auch zu der Annahme, dass bestimmte Residenzen des Königs vorwiegend männlich konnotierte Orte gewesen seien, wobei vor allem Fontainebleau und CompiÀgne gänzlich den »plaisirs de la chasse« und »exercices de plein air« gewidmet waren. Bei Marly und Choisy hingegen soll es sich um Orte der Frauen gehandelt haben, da sie vorrangig für »s¦jours galants« genutzt worden seien. Dort seien Damen die »animation principale« gewesen und hätten Maskeraden, Bälle, Spiele und Spaziergänge den Tagesablauf bestimmt1719. Der Blick in Ego-Dokumente der Zeit entwirft jedoch ein anderes Bild. Bis auf das morgendliche Aufstehen1720 und die Zeiten, in denen der König sich in seinen conseil zurückzog, lassen sich keine Aktivitäten ausmachen, an denen Frauen am Hofleben nicht beteiligt gewesen wären. Auch erscheint weder die höfische Jagd1721 noch der Aufenthalt in bestimmten königlichen Residenzen allein Frauen oder Männern vorbehalten gewesen zu sein. Ganz im Gegenteil werden Angehörige beiderlei Geschlechts als Teilnehmer an diesen Aktivitäten thematisiert und eine Vorstellung davon entworfen, wie sehr dies Teil des zeitgenössischen Vorstellungshorizontes war. Auch beschränkte sich die Beteiligung von Frauen an der Jagd1722 sowohl zu Pferd1723 als auch in Kutschen1724 nicht auf die Rolle eines passiven Publikums, das Zeuge männlicher Großtaten war1725. 1718 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 208. Ein Beispiel dafür sei das sogenannte ›Stiefelausziehen‹, bei dem adelige Männer dem König erstmals vorgestellt worden sind. 1719 Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 288–290. 1720 Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 123. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 250–251. Das lever der Königin folgte dem gleichen Zeremoniell wie das des Königs, mit dem Unterschied, dass dazu nur die Damen des Hofes zugelassen waren und es weniger entr¦es gab. War die Königin verstorben, ging dieses Zeremoniell auf die Dauphine über, die in diesem Fall als erste Dame des Hofes in den Appartements der Königin untergebracht war. 1721 Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 360. 1722 Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. IX, S. 223; Bd. XII, S. 236, 272; Bd. XIII, S. 156, der immer wieder erwähnt, dass die Duchesse de Bourgogne und die Duchesse de Berry samt den »dames de leur suite« oder »plusieurs dames et seigneurs de la cour« an der Jagd teilnahmen. 1723 Vgl. z. B. ders., M¦moires, Bd. XII, S. 272: »L’aprÀs-din¦e, le Roi courut le cerf dans sa calÀche — son ordinaire, mais la duchesse de Bourgogne, la duchesse de Berry et les dames de leur suite le coururent — cheval avec Monseigneur et le duc de Berry.« 1724 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 331. Vgl. auch Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 281, wonach Ludwig XIV. häufig in Gesellschaft von Damen in Kutschen zur Jagd fuhr. 1725 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 208: »The Grand Dauphin, Louis XIV’s son, would delay killing the wild boars he had trapped until after dinner, when his wife and her ladies-

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Ebenso wenig begleiteten Damen den König nur zu ausgesuchten Gelegenheiten. Vielmehr folgten sie ihm unabhängig davon, ob es sich dabei um Jagdaufenthalte oder Vergnügungsreisen handelte1726. Geschlecht war im Hofleben weitgehend kein Anlass für Ein- oder Ausschluss von Aktivitäten, trat jedoch immer wieder als Ordnungselement in Erscheinung, was sich besonders deutlich im höfischen Zeremoniell zeigte1727, aber auch bei alltäglicheren Ereignissen wie dem Spiel. Am cour de France unterhielt ein jedes Mitglied der königlichen Familie einen »cercle de jeux de cartes«. Obgleich es sich beim Spiel wie bei der Jagd um eine männlich konnotierte Aktivität handelte, waren bei den Spielkreisen gleichermaßen adelige Frauen und Männer zugegen1728, denn eine Nichtteilnahme barg die Gefahr, sich in der höfischen Gesellschaft zu marginalisieren. Die Relevanz von Geschlecht wurde hierbei u. a. dadurch deutlich, dass zwar an den Spieltischen der soir¦es d’appartement Frauen wie Männer der Hofgesellschaft Platz nahmen, dass jedoch die männlichen und weiblichen Angehörigen der Königsfamilie jeweils getrennten Spieltischen vorsaßen1729. In der zeitgenössischen Darstellung des Lebens am cour de France zeigt sich, dass Geschlecht eine Rolle spielte, so beispielsweise im Verständnis geschlechtsspezifischer Sphären. Andererseits führte dies nicht zu einer ebensolchen Teilung des Hoflebens, was den Kontakt und Austausch zwischen Frauen und Männern der Hofgesellschaft begünstigte1730. Somit erscheint es problematisch, von einer normativen Festlegung weiblicher und männlicher Sphären Rückschlüsse auf die soziale Interaktion am Hof und die sich dort beiderlei Geschlechtern bietenden denk-, sag- und machbaren Handlungsspielräume zu ziehen. Vielmehr relativieren sich mit Blick auf die Beschreibungen des Hoflebens unter Ludwig XIV. geschlechtsspezifische Zuschreibungen und verwischen

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in-waiting could watch him ride among the nets trampling the beasts and stabbing them with his spear.« Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 186, beschreibt die 1661 in Fontainebleau verbrachten Tage des Hofes: Die »Princesses & les Dames qui ¦toient — la Cour, les Filles des deux Reines, & de Madame, y tenoient une grande place, & parmi elles il y en avoit de tr¦s belles.« Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 353, wonach sich die Damen drängten, auf Reisen mitgenommen zu werden. Vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. XII, S. 258, der das Zeremoniell anlässlich der Verheiratung des Duc und der Duchesse de Berry beschreibt. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. IV, S. 311–322, der das Zeremoniell anlässlich der Hochzeit des Duc und der Duchesse de Bourgogne widergibt. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 271. Vgl. auch Primi Visconti, M¦moires, S. 34–35; Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 138–139. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 270–271. Vgl. aber Primi Visconti, M¦moires, S. 76, der Spiele in anderen geselligen Kontexten auch als gemischtgeschlechtliche Ereignisse beschreibt. Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et l’espace, S. 51, wonach diese Situation auch Gefahren für die höfische Geselligkeit barg.

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die sie vermeintlich trennenden Grenzen. Vielmehr ergibt sich der Eindruck, dass es andere Kategorien waren, die Ein- und Ausschluss bedingten, was am Beispiel der Auswahlkriterien für einen Aufenthalt in Fontainebleau und CompiÀgne illustriert werden kann. Die Voraussetzung dafür war nicht weibliche oder männliche Geschlechtszugehörigkeit, sondern die vollständige Integration in den Hof, die Unterhaltung einer ständigen Unterkunft dort, die Zugehörigkeit zu einer alten Adelsfamilie und oft auch die Ausübung eines Amtes in einer maison royale. Aufenthalte in Marly und Choisy setzten zudem die Gunst des Herrschers voraus1731 oder die Zugehörigkeit zum Umfeld der princes du sang1732. Auch bei der Jagd waren es Gunst und Gnade, die vorrangig darüber entschieden, welch auserwählte Höflinge dazu zugelassen waren1733. Ähnliches lässt sich auch anhand von Verboten aufzeigen, die eine geschlechtsspezifische Dimension aufweisen konnten wie beispielsweise die von Ludwig XIV. erlassene Beschränkung der Konversationsthemen in den cercles auf Jagd und Pferde für Männer und auf »jupes«1734 für Frauen. Hierbei offenbart Geschlecht nur eine Differenzkategorie und damit eine Dimension des Geschehens. Ein weitere war in diesem Fall der Stand der betroffenen Personengruppe, die als Adelige von Regierungsgeschäften ferngehalten werden sollten1735. In Bezug auf die eingangs gestellte Frage, ob es sich beim cour de France um einen cour des dames gehandelt habe und welchen Einfluss dies auf die Handlungsmöglichkeiten von Frauen genommen haben könnte, entsteht einerseits der Eindruck, dass Frauen durch die Gesamtentwicklung des französischen Königshofs besonders günstige Rahmenbedingungen vorfanden. Den Damen des Hofes kam eine wichtige Rolle im Hofleben zu, an dem die sociabilit¦ mixte ihren Handlungsspielräumen keine engen Grenzen setzte1736. Dennoch erscheint 1731 So wird beispielsweise im Zusammenhang mit der Duchesse du Lude darauf verwiesen, dass sie nicht in der Gunst des Königs stand, was daran ersichtlich sei, dass sie nicht an den Reisen nach Marly teilnahm (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 164). 1732 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 290. 1733 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 331; Norberg, Women of Versailles, S. 208. 1734 Primi Visconti, M¦moires, S. 148. 1735 Den Angehörigen der königlichen Linie kam seit 1661 kein Mitspracherecht in Regierungsangelegenheiten mehr zu. Ludwig XIV. tolerierte in Staatsangelegenheiten auch nicht mehr das Ergreifen der Initiative durch die weiblichen Angehörigen seiner Familie. Damit beendete er die bis dahin vorherrschende Tradition, dass die Angehörigen der famille royale an den wichtigsten politischen Ratssitzungen teilnahmen und mit Missionen beauftragt wurden. Vgl. dazu Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 79; Mousnier, Histoire des institutions, S. 89–90; Solnon, La Cour de France, S. 393; BertiÀre, Les femmes du roi-soleil, S. 12. Vgl. aber Barbiche, Bernard: Dauphin, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime. Royaume de France. XVIe-XVIIIe siÀcle. Paris 2003, S. 386, wonach der Dauphin ab einem gewissen Zeitpunkt zur Vorbereitung auf die Regierungsarbeit zum conseil d’en haut zugelassen wurde. 1736 Vgl. Primi Visconti, M¦moires, S. 99–100, der darauf Bezug nimmt, wenn er berichtet, dass die Venezianer die Gewohnheit gepflegt haben, junge, schöne und reiche Botschafter an

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»Manieres de vivre à la Cour« – Geschlecht und Hofleben

es angesichts des geringen weiblichen Anteils am Hofdienst problematisch, den cour de France als »avant tout f¦minine«1737 zu charakterisieren oder gar von einem »cour des dames«1738 zu sprechen. Ebenso wenig erscheint es im Umkehrschluss zutreffend, den Hof Ludwigs XIV. als einen maskulinen Ort zu begreifen, der von Männern und männlichen Ritualen dominiert wurde1739. Andererseits spielte Geschlecht zwar am Hof eine Rolle als Ordnungskategorie und in der normativen Zuweisung geschlechtsspezifischer Handlungsspielräume, dennoch waren es im höfischen Leben mehr noch als Geschlecht Stand, Status und Gunst, die über Ein- und Ausschluss bestimmten und die Handlungsmöglichkeiten höfischer Akteure – Frauen wie Männer – in starkem Maße beeinflussten1740.

5.

Adelige Amtsträgerinnen im Hofleben

Adelige Amtsträgerinnen wurden spätestens seit dem 16. Jahrhundert durch ihre starke quantitative Zunahme zu einem »¦l¦ment incontournable de la cour«1741. Einen sichtbaren Ausdruck fand dies in ihrer räumlichen Verankerung im Schlossgebäude, wo sie neben den weiblichen Verwandten des Königs gemäß ihres Rangs, Familienstands und ihrer höfischen Funktion untergebracht waren. Ob sie als Frauen bei der Raumverteilung begünstigt worden sind1742, lässt sich für den Hof Ludwigs XIV. mangels entsprechender Überlieferung nicht ermit-

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den cour de France zu schicken, damit diese mit den Damen konversieren konnten, um darüber Staatsangelegenheiten und Neuigkeiten zu erfahren. Die dauerhafte Präsenz von Amtsträgerinnen am französischen Hof des 17. und 18. Jahrhunderts verleitet Leferme-FalguiÀres zu dieser Aussage (vgl. ders., Le monde des courtisans, S. 536). Der »cour des dames« soll gemäß Chatenet unter dem Einfluss Katharina de Medici, Anna von Bretagne und Franz I. entstanden sein (dies., Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 177). Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 207. Ein Ausdrucksmittel der königlichen Männlichkeit sei demnach insbesondere die aktive Zurschaustellung der Libido gewesen, die sich bei Ludwig XIV. in einem regelrechten Monopol über Frauen und einer fast ungezügelten sexuellen Freiheit geäußert habe. Zeremoniell wird hierbei nicht als ein eigener handlungsbeeinflussender Faktor aufgeführt, da er lediglich Ausdruck des jeweiligen Stand, Rangs und Gunststatus einer Person war. Kolk, Catherine de M¦dicis et l’espace, S. 51. Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 67, 178–179, die dies darauf zurückführt, dass obwohl Appartements gleichermaßen zwischen den Geschlechtern vergeben worden seien, dies angesichts des geringeren weiblichen Anteils an der Hofgesellschaft im Allgemeinen einer Bevorzugung gleichgekommen sei. Vgl. aber Norberg, Women of Versailles, S. 193, die für den Beginn des 18. Jahrhunderts feststellt, dass die meisten Räume in Versailles Männern zugewiesen worden waren.

Adelige Amtsträgerinnen im Hofleben

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teln1743. Dennoch kann von einer starken räumlichen Präsenz adeliger Amtsträgerinnen ausgegangen werden1744, da ihr durchgehend bzw. im wöchentlichen Turnus verrichteter Dienst1745 eine ständige Nähe zu ihrer Herrin und damit eine dauerhafte Unterbringung im Schloss erforderte1746. Wie auch an anderen zeitgenössischen Höfen1747 erhöhte die Bekleidung einer Hofcharge somit die Chance auf ein appartement1748 und wurden Amtsträgerinnen ebenso wie männliche Bedienstete der famille royale bei der Zimmervergabe gegenüber anderen Höflingen bevorzugt1749. Für das 16. Jahrhundert ist zudem die Existenz eines »salle des dames«1750 überliefert, der den dames de la reine als gemeinsamer Aufenthaltsraum diente. Dabei handelt es sich aber nicht um ein ›Frauenzimmer‹ im Sinne eines separierten und für Außenstehende nur schwer zugänglichen Raums1751, wie er am Wiener und Münchener Hof existierte1752. Für 1743 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 330–331, wonach der erste »Etat des logements de Versailles« von 1741 bzw. 1722 stammt. Laut Leferme-FalguiÀres kann dennoch keine genaue Angabe der Belegung Versailles erfolgen. Einer der Gründe ist, dass zwar eine Person mit einem oder mehreren Zimmern ausgestattet sein konnte, es aber dennoch unklar bleibt wie viele es tatsächlich bewohnten, denn die »nombre de logements r¦sidentiels ne correspond par[sic!] forc¦ment — celui des occupants.« Weitere Gründe, die eine genaue Angabe erschweren, seien wechselnde Teilung und Zusammenlegung von Zimmern und häufige Umzüge. Für das 16. Jahrhundert ist es hingegen Chatenet gelungen, die Raumverteilung am französischen Königshof zu rekonstruieren. Vgl. hierfür Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois. 1744 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 193. 1745 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. Vgl. Chatenet, La cour de France, S. 67; Newton, La petite cour, S. 261, 333. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 349. 1746 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 541. 1747 Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 345, die für den Münchener Hof angibt: »Wer Aufgaben versah, die eine ständige Nähe und Absprache mit der Kurfürstin oder dem Kurfürsten verlangten, hatte im Regelfall also auch eine Wohnung innerhalb der Residenz.« 1748 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 193. 1749 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 318. So wurden im April 1694 im Trianon untergebracht: »Monseigneur, Mme la Duchesse, Mme la princesse de Conti sa fille, Mme du Maine et Mme de Maintenon et leurs dames d’honneur […] ont des logements. Le premier gentilhomme de la chambre, le capitaine des gardes et le grand ma„tre de la garde-robe […] en ont aussi«. 1750 Chatenet, Les logis des femmes — la cour des derniers Valois, S. 182. 1751 Vgl. Kägler, Das ›Frauenzimmer‹ als Institution und Handlungsraum, Absatz 1–26; Paravicini, Werner : Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und dems. Stuttgart 2000 (Residenzenforschung, 11), S. 13–25. Vgl. auch Kircher-Kannemann, Organisation der Frauenzimmer, S. 242, die beschreibt, dass laut Frauenzimmerordnungen »das Frauenzimmer, außer zu den offiziellen Besuchszeiten, die meist zwei bis vier Stunden pro Tag ausmachen, geschlossen bleibt, worauf in aller Regel der Hofmeister, die Hofmeisterin oder auch der Türknecht zu achten haben. […] Interessant zu lesen sind vor allem die Bestimmungen über die Besuchszeiten.

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den französischen Königshof konnte bereits für das 14. und 15. Jahrhundert kein dem Frauenzimmer äquivalenter Begriff nachgewiesen werden1753. Entsprechend sind auch im Gegensatz zu den Höfen des deutschsprachigen Raums keine spezifischen Frauenzimmerordnungen überliefert, in denen die Besuchszeiten und der Lebenswandel der Hofdamen festgeschrieben1754 und damit ihre Interaktionsmöglichkeiten am Hof reglementiert wären. Ein möglicher Grund für die scheinbar fehlende Notwendigkeit zur räumlichen Trennung und schriftlichen Regelung des Zusammenlebens der Amtsträgerinnen mit den Frauen und Männern der Hofgesellschaft1755 könnte im Alter und Familienstand der Amtsträgerinnen begründet liegen. Während diese an anderen europäischen Höfen bis auf die Hofmeisterinnen ledige Mädchen und Frauen waren, standen am cour de France vorrangig verheiratete Frauen im Fürstendienst, für die die Krone keiner expliziten Schutzfunktion nachzukommen schien. Einer solchen unterstanden lediglich die unverheirateten filles d’honneur, sodass noch am ehesten Parallelen zwischen dem ›Frauenzimmer‹ und der chambre des filles gezogen werden können1756. Einen wichtigen Bezugspunkt und zentralen Aufenthaltsort für die Amtsträgerinnen bildeten die Räumlichkeiten ihrer jeweiligen Herrin, in denen sie sich täglich für die Verrichtung ihres Dienstes einfanden. Da die Appartements der weiblichen Angehörigen der famille royale ständigem Durchgangsverkehr ausgesetzt waren1757 und zu verschiedenen Anlässen »hommes et femmes de la soci¦t¦« empfingen1758, handelte es sich im zeitgenössischen Verständnis um keine dezidiert ›weiblichen‹ Räume1759. Gleichwohl konnte sich – wie dies Saint-

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Alle Ordnungen stimmen darin überein, daß diese genau geregelt zu sein haben. Während dieser Besuchszeiten müssen alle Jungfrauen auf einer langen Bank oder an einem Tisch sitzen, sie dürfen nicht tuscheln oder gar lachen und vor allem haben alle Besuche unter Aufsicht entweder der Hofmeisterin, des Hofmeisters oder des Türknechts stattzufinden. Besucher jeder Art dürfen das Frauenzimmer nur nach Genehmigung der Fürstin oder aber der Hofmeisterin oder des Hofmeisters betreten. Dies gilt nicht nur für die privaten Räume der Fürstin, sondern auch für alle anderen zum Frauenzimmer gehörigen Bereiche«. Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 51; Keller, Hofdamen, S. 25–26, 98. Vgl. Münster, Funktionen der dames et damoiselles d’honneur, S. 343. Wenn überhaupt, findet sich der Begriff chambres des dames. Vgl. Kircher-Kannemann, Organisation der Frauenzimmer, S. 242; Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 51; Keller, Hofdamen, S. 25–26, 98. Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 306. Die chambres des filles findet die in den zeitgenössischen Quellen zum Hof Ludwigs XIV. mehrfach Erwähnung. Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 30. Vgl. Baumgartner, Karin: Illnes and Health as Strategies of Resistance and Identity Formation in the Letters of Liselotte von der Pfalz, in: Women in German Yearbook 17 (2001), S. 66. Vgl. hingegen Primi Visconti, M¦moires, S. 34: »en Espagne les princes ne peuvent Þtre abord¦s que par des bouffons alors qu’en France ils le sont par tout le monde.« Chatenet, La cour de France, S. 195. Vgl. ebd., S. 86.

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Simons Beschreibung der toilette nahelegt1760 – mit ihnen eine geschlechtlich konnotierte Vorstellung von ›Öffentlichkeit‹ und ›Privatheit‹ verbinden, wonach ›Privatheit‹ für eine Angehörige der Königsfamilie zu bedeuten schien, nur von ihren Damen umgeben zu sein, wohingegen ›Öffentlichkeit‹ die Anwesenheit von Frauen wie Männern voraussetzte. Die Präsenz von Amtsträgerinnen beschränkte sich aber nicht nur auf ›private‹ Situationen, sondern umfasste alle Etappen des Tagesablaufs ihrer jeweiligen Herrin. Dabei warteten sie ihr beim lever auf1761, nahmen an ihrem cercle teil1762, umgaben sie bei Audienzen, gingen mit ihr zur Mittagszeit in die Messe und bedienten sie bei Tisch, auch wenn sie gemeinsam mit anderen Angehörigen der Königsfamilie speiste. Am Nachmittag begleiteten sie ihre Herrin bei Aktivitäten im Freien wie der Jagd sowie Spaziergängen und -fahrten. Am Abend folgten sie ihr zum Spiel, der com¦die oder zu Tanzveranstaltungen. Auch wirkten sie bei religiösen Praktiken mit und begleiteten ihre Herrin auf Reisen und bei Aufenthalten in anderen Residenzen1763. Die Erfüllung der mit ihrer Stellung verbundenen Aufgaben führte zu einer umfassenden Involvierung in das Hofleben und einer hohen Präsenz im höfischen ›Alltag‹ und ›Fest‹1764, im dem ihnen qua Stand und Amt ein hoher Rang 1760 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. VI, S. 318. Wie das Beispiel der toilette zeigt, habe es sich zunächst um keine »heure de cour, mais particuliÀre« gehandelt, die ein Mitglied der Königsfamilie »— porte ferm¦e« im Kreis von »cinq ou six dames des plus familiÀres« abhielt. Erst nach und nach sei es zu einer »temps et lieu public de cour« geworden. 1761 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 250, wonach das lever der Königin und Dauphine, zu dem »les dames de la cour« gerufen wurden, »le mÞme type de c¦r¦monial« folgte. »Le nombre d’entr¦es est plus restreint que pour le roi, mais respecte la mÞme logique.« 1762 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 526. 1763 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 251, 254, 257. Die Teilnahme an den genannten Aktivitäten findet in den Ego-Dokuemten der Zeit vielfach Erwähnung. Vgl. z. B. Primi Visconti, M¦moires, S. 27, 28; Saint-Simon, M¦moires, Bd. XI, S. 354–355; Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 271 ; Bd. VI, S. 113–114, 120–122; Bd. VIII, S. 254; Bd. X, S. 52. 1764 Nach den Darstellungen von Saint-Simon und Sourches konnten sich Amtsträgerinnen nur unter bestimmten Umständen von ihrer Herrin entfernen oder einer Verpflichtung nicht nachkommen. Als legitimer Grund wird hierbei eine Schwangerschaft erwähnt, die die Comtesse de Mailly trotz ihres Postens als dame d’atour der Duchesse de Bourgogne daran gehindert haben soll, ihre Herrin auf eine Reise zu begleiten (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 221–223). Gleiches schien auch für erkrankte Amtsträgerinnen zu gelten (vgl. Sourches, M¦moires, Bd. X, S. 76). In manchen Fällen hätten sich Amtsträgerinnen auch vom König freistellen lassen, was als große Auszeichnung verstanden worden sei, was der Fall der Duchesse de Saint-Simon zeigt. Die Gewährung einer entsprechenden Anfrage habe »grand bruit, et grande envie par la distinction« verursacht, denn »aucune dame d’honneur, pas mÞme celle des b–tardes du Roi«, habe die Freiheit besessen, sich auch nur für zwei Tage zu entfernen (Saint-Simon, M¦moires, Bd. XX, S. 190–191). Welche Konsequenzen es haben konnte, wenn sich eine Frau ohne die Zustimmung des Königs vom Hof und dazu auch noch an einen unliebsamen Ort zurückzog,

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und eine privilegierte Position zukam. Dies findet seinen Ausdruck deutlich bei höfischen Festlichkeiten, bei denen ihnen eine noch prominentere Rolle zugewiesen wurde, als den dames de la cour ohnehin zukam. So stehen in zeitgenössischen Darstellungen mehrere Amtsträgerinnen der Königin und die gouvernante des enfants de France eigenen Tafeln vor, die neben denen des Königspaars aufgestellt waren. F¦libien berichtet, dass bei einem Fest in Versailles der erste Tisch der Comtesse de Soissons als surintendante de la maison de la reine unterstanden hat, ein anderer der Mar¦chale de la Motte-Houdancourt als gouvernante des enfants de France und die restlichen weiteren Amtsträgerinnen der Königin1765. In der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung erscheinen Amtsträgerinnen somit als zentrale Akteurinnen des Hoflebens, die auch in der Lage waren, eine entsprechende Rolle in der höfischen Geselligkeit zu spielen, wofür die Comtesse de Soissons, chef du conseil et surintendante de la maison de la reine, ein schillerndes Beispiel bietet. Primi Visconti schreibt, er habe in ihrem Haus ganz Paris und den Hof angetroffen, wohingegen ihm Vergleichbares in den Appartements der Königin nie wiederfahren sei1766. Auch Saint-Simon bekräftigt die herausragende Rolle der Comtesse, die er als Herrin des Hofes, der Feste und der Gunsterweise beschreibt, deren Glanz nichts gleichkam und von deren Seite selbst der König nicht wich1767. Doch auch wenn adelige Amtsträgerinnen nicht zu solchen Höhen emporstiegen, boten sich ihnen in der Wahrnehmung ihrer Zeitgenossen im Rahmen der cercles ein zentraler Ort der Begegnung und des Austauschs, des Knüpfens sozialer Kontakte und der Meinungsbildung, der nicht vor Geschlechtergrenzen halt machte1768. Darüber hinaus finden sich vor allem bei Saint-Simon, der aufgrund seiner unerfüllten Ambitionen den Aktivitäten rund um die Königsfamilie besondere

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verdeutlicht das Beispiel der Comtesse de Gramont, die sich für einige Tage in Port-Royal aufgehalten haben soll und daraufhin zunächst nicht an den Hof zurückkehren durfte (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XI, S. 110–112). Vgl. F¦libien, Relation de la fÞte de Versailles, S. 73–74. Bei der Princesse de Bade, der Duchesse de Cr¦quy und der Mar¦chale d’HumiÀres handelt es sich um dames in der maison de la reine, bei der Duchesse de Montausier um die dame d’honneur der Königin und bei der Comtesse de B¦thune um deren dame d’atour. Vgl. Primi Visconti, M¦moires, S. 41. Vgl. auch ebd., S. 58, wo er erneut darauf hinweist: »Il y avait chez elle [Comtesse de Soissons, R. S.], comme — l’ordinaire, beaucoup de noblesse«. Zur Rolle, die die Comtesse für Primi, bei seinem Bemühen in die Gesellschaft aufgenommen zu werden, spielte vgl. das Kapitel über Amtsträgerinnen als protectrice. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. IV, S. 423, Fn. 3, wonach die Comtesse d’Armagnac, eine ehemalige Amtsträgerin, ebenfalls eine entsprechende gesellschaftliche Rolle einnahm, denn bei ihr haben sich »tous les courtisans« entweder für das Spiel oder die Konversation versammelt. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVI, S. 427. Vgl. Primi Visconti, M¦moires, S. 65–66, der einen Teil seines cr¦dit dem cercle der Königin zuschreibt, über den seine Fähigkeiten in der monde propagiert worden seien.

Adelige Amtsträgerinnen im Hofleben

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Beachtung schenkte, zahlreiche Erwähnungen der Gelegenheiten, die sich Amtsträgerinnen zur Kontaktaufnahme mit den Angehörigen der famille royale1769 und nicht zuletzt dem König boten1770. Diese ergaben sich durch Überschneidungen in den Tagesverläufen der Königsfamilie, der Teilnahme an unterschiedlichen divertissements und durch die Nutzung der mit ihrem Hofamt einhergehenden exklusiven Zugangsrechte – den sogenannten entr¦es – zu den inneren königlichen Gemächern. Letztere erlaubten es ihnen, sich nicht nur den Mitgliedern der famille royale ungehindert zu nähern1771, sondern legitimierten auch längere Aufenthalte beim König1772. Angesichts der beschränkten Möglichkeiten anderer Höflinge stellte dies ein immenses Privileg dar1773 und bot die Möglichkeit, sich seiner Gunst zu versichern1774, die – wie bei »Mme de Dangeau, Mme de Levis et Mme d’O, toutes trois dames du palais« der zweiten Dauphine – selbst den Tod der eigenen Herrin überdauern konnte1775. Beim Zugang zu den weiblichen Angehörigen der Königsfamilie schien auch die Bekleidung eines Hofamtes Frauen gegenüber ihren männlichen Amts- und Standesgenossen noch weiter zu begünstigen. Das Beispiel der zunächst von der Hofgesellschaft sehr separiert lebenden Duchesse de Bourgogne zeigt, dass Zugang zu ihr nur Personen gestattet war, deren Amt, Geschlecht, Alter, Stand und sozialer Status es zuließen. Dies bedeutete konkret, dass zu ihr fast nur Frauen vorgelassen wurden, die ein Hofamt in ihrer maison bekleideten1776. Hinzu kamen noch einige wenige hochrangige Adelige und ehemalige Amtsträgerinnen, weibliche 1769 Vgl. Saint-Simon, M¦mories, Bd. XIX, S. 243–244. Vgl. auch ebd., S. 300–301, der aufzeigt wie Zugang zum inneren Kreis um den König durch das Amt einer dame d’honneur der Duchesse de Berry erlangt werden konnte. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. XIII, S. 264, als Beispiel dafür, dass bereits der Besuch des Königs bei der Duchesse de Bourgogne ein Anlass gewesen sei, sich lange mit den in ihrer chambre anwesenden Damen zu unterhalten. 1770 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦mories, Bd. III, S. 53: »Il [Ludwig XIV., R.S.] d„noit et soupoit tous les jours en public avec la Reine: au d„ner, la duchesse de Richelieu et les filles de la Reine servoient.« 1771 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 139. Vgl. auch Saint-Simon, M¦mories, Bd. XVIII, S. 392, der davon berichtet wie die Gewährung einer langen Audienz beim König für eine Person, die nicht über eine Hofcharge verfügte, für »bruit« am Hof sorgte, denn: »rien n’¦toit plus rare qu’une audience du Roi — ceux qui n’avoient point de particulier naturel, avec lui«. 1772 Vgl. Saint-Simon, M¦mories, Bd. IX, S. 61. Vgl. auch Sourches, M¦mories, Bd. IV, S. 220– 221. 1773 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 139–140, der darauf hinweist, dass »the hopes of speaking to him [Ludwig XIV., R.S.] were minimal unless someone from his entourage acted as an intermediary.« 1774 Von einem entsprechenden Verhalten der Comtesse de Soissons berichtet Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 198, 200. 1775 Saint-Simon, M¦mories, Bd. III, Appendice XVI, S. 456. Nach Saint-Simon waren die drei Damen »l’unique compagnie du Roi jusqu’— sa mort«. 1776 Vgl. ders., M¦moires, Bd. IX, S. 61.

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Verwandte sowie Favoritinnen des Königs und Ehefrauen von ebenfalls in Gunst stehenden Ministern1777. Damit bildeten die Räumlichkeiten und das direkte Umfeld der Duchesse de Bourgogne – und damit der dezidierten Thronfolgerin – einen fast ausschließlich von Frauen dominierten Handlungsraum. Der regelmäßige – schriftliche oder persönliche – Kontakt mit dem König konnte wie im Fall der gouvernante des enfants de France sogar ausdrücklich mit einem Frauenhofposten verbunden sein. So unterrichtete die gouvernante den Monarchen über den Entwicklungsstand der Königskinder und erlangte dabei Zugang zu Informationen – so beispielsweise zu politischen und militärischen Ereignissen –, die nicht in Verbindung mit ihrem Posten standen1778. Auch sonst werden Amtsträgerinnen in den Ego-Dokumenten immer wieder als Personen erwähnt, die über die Geschehnisse am Hof gut unterrichtet waren1779 oder aufgrund ihrer privilegierten Position eigens zur Erlangung von Informationen angegangen wurden1780. Letztlich kann die Tatsache, dass adeligen Frauen am frühneuzeitlichen Hof überhaupt eigens ihrem Geschlecht vorbehaltene, hochrangige und prestigeträchtige Hofämter offenstanden, als Vorteil des ›Frau-Seins‹ am Hof interpretiert werden, statteten sie sie doch mit einer institutionalisierten Position aus, die den dauerhaften Aufenthalt am Hof im direkten Umfeld der Königsfamilie gewährleistete1781. Vor dem Hintergrund dessen, dass an frühneuzeitlichen 1777 Vgl. ders., M¦moires, Bd. IV, S. 299–308. 1778 Vgl. BN, ms. fr. 10261. Aus den dort verzeichneten Briefen, die Ludwig XIV. an die gouvernante seiner Kinder schrieb, geht hervor, dass er den Kriegsverlauf und seine voraussichtlichen Aufenthaltsorte thematisierte. So schreibt er beispielsweise »Du Camp de Dinse le 30. Aoust 16[…] ne croy pas que les Ennemis l’arrestent assez pour l’empescher d’Þtre a S.t Germain le 6. ou 7. du mois prochain: Veut que ses Enfans y soient menez le 5. pour les y trouver a son arriv¦e«. Vgl. auch weitere Belege aus dem Inhaltsverzeichnis der Briefe: »Du Camp devant Cambray le 24. mars 1677 sur la prise de Valenciennes«, »Du Camp devant le Ch–teau de Namur le XI. Juin 1692. sur la prise de la ville, et la sant¦ du Duc de Berry«, »Du Camp de Charleroy le 16. Juin, le Roy part le lendemain pour entrer dans le pays Ennemy, et si avant que tout le com[m]erce sera ost¦« sowie »Du Camp devant Lille le 22. aoust 16.. sur le Logement de ses Enfans a S.t Germain; que son retour sera pl˜tost que l’on ne croyoit; que le siege va fort bien, et que la fin ne sera pas fort eloign¦e«. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXVII, S. 274–276, wonach die gouvernante des enfants de France durch ihr Hofamt selbst zum Sterbebett des Königs privilegierten Zugang genoss, da sie den Dauphin dorthin begleitete. 1779 Vgl. Saint-Simon, M¦mories, Bd. X, S. 100–101, der über die Mar¦chale de Cl¦rambault berichtet, dass sie – obwohl erst spät an den Hof gelangt –, erstaunlich gut über alles informiert war, was sich dort zutrug. 1780 Vgl. ders., M¦mories, Bd. XV, S. 8–9, wonach die dames im Gefolge der Duchesse de Bourgogne von Madame de Maintenon damit beauftragt worden sein sollen, das Verhalten ihrer jungen Herrin zu beobachten und darüber Bericht zu erstatten. 1781 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486; Chatenet, La cour de France, S. 67; Newton, La petite cour, S. 261, 333; Norberg, Women of Versailles, S. 193. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 349.

Adelige Amtsträgerinnen als Akteurinnen

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Höfen weder politische noch personale Entscheidungen allein im Rahmen formaler Prozesse fielen1782, sondern in starkem Maße von Kontakt und Zugang bestimmt wurden1783, eröffneten sich ihnen dadurch große Macht- und Prestigechancen. Der Ausschluss von außerhöfischen Laufbahnen konnte sich hierbei für sie als großer Vorteil erweisen, da sie sich nicht wie ihre männlichen Amtsund Standesgenossen aufgrund militärischer, diplomatischer oder administrativer Verpflichtungen immer wieder für längere Zeit vom Hof entfernen mussten und dabei riskierten, den Konkurrenzkampf um Chargen, Pensionen und andere Gunsterweise nicht für sich und ihre Angehörigen entscheiden zu können1784.

6.

Adelige Amtsträgerinnen als Akteurinnen im Kontext sozialer Nahbeziehungen und Netzwerke

Den vorrangigen sozialen Bezugsrahmen für adelige Amtsträgerinnen stellte die Zugehörigkeit zum zweiten Stand dar. Innerhalb des Adels war das Haus die wichtigste Einheit1785, die sich über Besitz, gemeinsame Vorfahren, Traditionen und Eigenschaften1786 definierte und patriarchalisch sowie hierarchisch strukturiert jedem Familienmitglied entsprechend der Ius Aetatis1787 eine spezifische Position innerhalb des Geschlechterverbandes zuwies1788. Das Haus garantierte dem Einzelnen Status, Sicherheit, Ehre und Ansehen1789. Gleichzeitig verpflichtete es ihn aber auch dazu, durch ein »rollenadäquates Verhalten«1790 einen Beitrag zur Sicherung der dynastischen Kontinuität, des familiären Besitzes und des Machtstatus seines jeweiligen Hauses zu leisten1791 und dabei individuelle Interessen dem kollektiven Erfolg und Vorankommen unterzuordnen1792. 1782 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 313. 1783 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 42. 1784 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 171; Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. 1785 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 99; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 100. Zur Problematik der Begriffe »Haus« und »Familie« vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 62–63. 1786 Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 18. 1787 Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 136. Laut Ruppel legte die Ius Aetatis grundsätzlich einen altersabhängigen »Vorrang, Vortritt und Vorsitz« fest. 1788 Vgl. Wunder, Heide: Einleitung: Dynastie und Herrschaftssicherung. Geschlechter und Geschlecht, in: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht. Berlin 2002, S. 22; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 18; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 124. 1789 Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 66. 1790 Ebd., S. 179. 1791 Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 18; Ruppel, Verbündete

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»Manieres de vivre à la Cour« – Geschlecht und Hofleben

Mit dem Geschlecht und der Stellung in der Geburtsfolge verbanden sich für die Angehörigen eines Hauses somit Rechte und Pflichten1793. Individuelle Entscheidungen waren durch die Eingebundenheit und spezifische Position im familiären Interdependenznetz dabei nur in begrenztem Umfang möglich1794. So übernahmen das Familienoberhaupt sowie ältere Geschwister die Verantwortung für die ihnen unterstellten Familienmitglieder, über deren Lebenswege sie entschieden und deren standesgemäße Versorgung ihnen oblag1795. Als Gegenleistung wurde von diesen wiederum die Erfüllung von Diensten und Aufträgen für den Stammhalter erwartet1796. Entsprechend fungierten die Angehörigen eines adeligen Hauses u. a. als Repräsentanten desselben bei Verhandlungen1797, akquirierten Unterstützung, schmiedeten Allianzen und agierten als Informanten1798. Was die Handlungsoptionen hochadeliger Frauen und Männer innerhalb ihres Hauses grundlegend kennzeichnete, war die Teilung von Macht1799 sowie die Möglichkeit, Einfluss auszuüben1800. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass beide in soziale Netzwerke eingebunden waren, die sich über Verwandtschaft1801, politische Beziehungen1802, Freundschaft sowie Patronage und Klientel1803 kon-

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Rivalen, S. 181, wonach die Dynastieehre ein »kollektives Gut« darstellte, zu der jedes Mitglied eines Hauses durch seinen Lebensweg und sein Verhalten unterstützend oder schädigend beitragen konnte (ebd., S. 66). Vgl. Küppers-Braun, Ute: Katholische Hochadelsstifte als Orte weiblicher Sozialisation im 17. und 18. Jahrhundert, in: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung. Hrsg. v. Elke Kleinau, Claudia Opitz. Frankfurt a. M., New York 1996, S. 210; Scott/Storrs, Introduction, S. 5, 13–14; Wunder, Einleitung: Dynastie und Herrschaftssicherung, S. 22. Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 129, 154. Vgl. ebd., S. 96–97. Vgl. auch ebd., S. 80, wonach für das 17. Jahrhundert die »Idee des autonomen Individuums« noch kaum auf die Adelswelt angewandt werden kann, die auf die Dynastie hin ausgerichtet war. Vgl. ebd., S. 129, 161. Vgl. auch ebd., S. 92, wonach auch insbesondere Tanten und Onkel sich »nicht selten sehr um Erziehung und Lebenswege ihrer Nichten und Neffen« kümmerten. Vgl. ebd., S. 161–162. Vgl. auch ebd., S. 79, die es gerechtfertigt findet, auch für die innerfamiliären Verhältnisse im Adel von einer »Art Patronage-System« zu sprechen. Vgl. ebd., S. 200–201, wonach adelige Frauen und Männer gleichermaßen bei politischen Verhandlungen für ihr Haus aktiv werden konnten. Vgl. ebd., S. 195–198. Vgl. Viennot, Des »femmes d’Etat« au XVIe siÀcle, S. 88. Vgl. Tague, Women of quality, S. 198. Vgl. Harris, English aristocratic women, S. 175, 197, wonach insbesondere adelige, verheiratete Frauen nicht nur Teil der Familie ihres Ehemannes waren, sondern auch weiterhin Teil des erweiterten Netzwerks ihrer Geburtsfamilie und Verwandten blieben. Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 164. Vgl. auch Tague, Women of quality, S. 195. Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 113. Freundschaft setzte grundsätzlich ein Verhältnis zwischen Gleichgestellten voraus. Patronage ging grundsätzlich von

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stituierten. Solchen sozialen Verbindungen kam innerhalb des zweiten Standes große Bedeutung als nichtmaterielles Kapital zu1804, da sie mit Unterstützung und Rückhalt verbunden waren sowie die Durchsetzung von Interessen1805 und den Zugang zu Ressourcen ermöglichten1806. Ziel familiärer Strategien war es daher, beispielsweise über Eheschließungen1807 Familienmitglieder zur Erweiterung und Erhaltung dieser Netzwerke einzusetzen sowie Dienst- und Loyalitätsbeziehungen1808 durch eine »ritualisierte Form des sozialen Umgangs« zu pflegen1809. Die auf diese Weise konstituierten interdependenten Beziehungsnetze1810 basierten auf gemeinsamen Interessen, wechselseitigen Verpflichtungen und engen sozialen Bindungen. Sie gingen mit bestimmten Handlungserfordernissen einher, so beispielsweise der Gewährung von Rat, Schutz und Hilfe in Notsituationen oder bei Konflikten1811. Prinzipiell waren die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen »in einem hohen Mass von Rollenverteilungen, Rollenerwartungen, inneren Ordnungen und Hierarchisierungen geprägt«1812. Mit dem Geschlecht und der Stellung in der Geburtsfolge verbanden sich für die Angehörigen eines Hauses Lebenswege und Handlungsoptionen, die Überschneidungen, aber auch Abweichungen aufwiesen, wie dies die Erziehung adeliger Jungen und Mädchen als Vorbereitung auf ihre jeweiligen sozialen Rollen deutlich macht1813. Männer galten in erster Linie als Erben und Stammhalter eines Adelshauses und waren bei männlicher Primogenitur als Erstgeborene dazu auserkoren, den generativen Fortbestand ihrer Dynastie zu sichern1814, den Familienbesitz zu erhalten bzw. zu erweitern, Herrschafts- und Jurisdiktionsrechte wahrzuneh-

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einem Verhältnis »zwischen einem stärkeren Partner und Personen, die von ihm in irgendeiner Form abhängig waren«, aus. Vgl. Harris, English aristocratic women, S. 175; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 76–77; Tague, Women of quality, S. 5. Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 120. Ein weitgespanntes soziales Netzwerk war beispielsweise für eine »Karriere als Amtsträger oder Offizier« ebenso unentbehrlich, wie bei der Durchsetzung von »Interessen vor Gericht […] oder in einer Ständeversammlung«. Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 182. Vgl. ebd., S. 205. Vgl. auch ebd., S. 75, wonach weitere Vernetzungsstrategien der Aufenthalt an fremden Höfen und sowie der Austausch von Kindern und Patenschaft waren. Vgl. Motley, Becoming a french aristocrat, S. 20. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 118. Als Beispiele können der Austausch von Geschenken und Kommensalität angeführt werden. Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 60. Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 113–114, 116, wonach diese Hilfeleistungen demjenigen, der sie gewährte, Anerkennung und Ehre einbrachten und darüber letztlich den Status des eigenen Hauses erhöhten. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 319. Vgl. Motley, Becoming a french aristocrat, S. 38. Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 237.

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men1815 sowie als Angehörige einer meist dünnen1816 Führungsschicht1817 auf Ständeversammlungen ihr Recht auf korporative Mitsprache bei der Ausübung fürstlicher Regierungsgewalt in Anspruch zu nehmen1818. Als pater familias verfügten sie über große Autorität1819 und einen erweiterten Machtspielraum1820 gegenüber den Angehörigen ihres Hauses1821. Gleichzeitig verband sich für sie als Stammhalter damit aber auch die Verpflichtung, den Unterhalt und die standesgemäße Versorgung dieser zu gewährleisten, wobei sie vor allem für ihre unverheirateten Geschwister zu lebenslangen Versorgungsinstanzen werden konnten1822. Als nachgeborene Söhne wurde von adeligen Männern in der Regel der Verzicht auf die Gründung eines eigenen Hausstandes zugunsten des Erhalts des Familienvermögens erwartet. Stattdessen hatten sie Anspruch auf eine Apanage, deren Höhe sich nach ihrer jeweiligen Stellung in der Geschwisterreihe richtete1823. Die Möglichkeit, ein standesgemäßes Leben zu führen, bot sich ihnen über kirchliche Ämter und Pfründen1824 oder den Fürstendienst an einem der großen Herrscherhöfe der Zeit1825, wo sie entweder Verwaltungs- und Hofämter bekleideten oder eine Karriere in der Armee einschlugen1826. Entsprechend zielte auch die Erziehung adeliger Söhne in der Regel auf eine Militär- und Hoflauf1815 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 85; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 97. 1816 Vgl. Scott/Storrs, Introduction: The consolidation on noble power in Europe, S. 20–21, wonach der Anteil des Adels an der Bevölkerung von weniger als einem bis zu zehn Prozent schwankte. 1817 Vgl. Endres, Rudolf: Adel in der Frühen Neuzeit. München 1993 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 18), S. 1; Scott/Storrs, Introduction, S. 10. 1818 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 18, 85; Scott/Storrs, Introduction, S. 11, 35. 1819 Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 19. 1820 Vgl. Stannek, Telemachs Brüder, S. 198. 1821 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 97. Vgl. auch Stannek, Telemachs Brüder, S. 198–199, der darauf hinweist, dass die Einführung der Primogenitur und von Fideikommissen die Position des ›Hausvaters‹ gegenüber den restlichen Familienangehörigen gestärkt hatte, während die Familienbeziehungen zuvor differenzierter gestaltet waren. 1822 Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 109, 154–155, 157. 1823 Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 37; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 136. Vgl. auch ebd., S. 100–102, zu den Möglichkeiten nachgeborener Adeliger eine Ehe einzugehen. 1824 Vgl. Motley, Becoming a french aristocrat, S. 9; Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 111, 168, 188. Vor allem in katholischen Ländern und Regionen hatten nachgeborene adelige Söhne die Möglichkeit, eine kirchliche Karriere einzuschlagen oder einem geistlichen Ritterorden beizutreten. 1825 Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 104. 1826 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 217; Motley, Becoming a french aristocrat, S. 9; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 101, 104; Scott/Storrs, Introduction, S. 45.

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bahn ab1827. Dabei stellte im 17. und 18. Jahrhundert der militärische Dienst den vorwiegenden Handlungsrahmen des europäischen Adels dar, was nicht als ›Berufswahl‹ zu verstehen ist, sondern als ein definierendes Charakteristikum des Standes, das den Einzelnen bereits von Geburt an für diese Tätigkeit prädestinierte1828 und seinen Status als Adeligen legitimierte1829. Auch Frauen wurde innerhalb des Adels in erster Linie die Aufgabe zugewiesen, als Ehefrauen zur Verwirklichung familiärer Macht- und Finanzstrategien beizutragen1830 und als Mütter durch die Geburt zahlreicher legitimer Nachkommen die dynastische Kontinuität eines Hauses zu garantieren1831. Entsprechend zielte auch ihre Erziehung auf die Ehe und die damit einhergehenden Pflichten und sozialen Rollen ab1832. War ihre Verheiratung nicht möglich1833, boten sich für ein standesgemäßes Leben wie für ihre männlichen Geschwister alternativ der Dienst an einem Fürstenhof1834 oder der Eintritt in ein Konvent1835 bzw. Damenstift1836 an – neben dem Landgut zwei wichtige Handlungsräume adeliger Frauen. Die ihnen dort zugänglichen Handlungsoptionen standen dabei in einem spezifischen Spannungsverhältnis, das sich einerseits aus ihrer Standeszugehörigkeit, andererseits aus ihrem Geschlecht und Familienstand ergab1837. Denn während ihnen als Frauen eine rechtlich begrenzte

1827 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 154; Baader, Heroinen der Literatur, S. 35; Harris, English aristocratic women, S. 28, 42; Motley, Becoming a french aristocrat, S. 80. 1828 Vgl. Scott/Storrs, Introduction, S. 41, 43. 1829 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 194. 1830 Vgl. Viennot, Des »femmes d’Etat« au XVIe siÀcle, S. 88, Roolfs, Der hannoversche Hof, S. 293; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 205. 1831 Vgl. Puppel, Die Regentin, S. 17. Vgl. auch Stannek, Telemachs Brüder, S. 26, wonach die »Gebärfähigkeit und -freudigkeit ein wichtiger Faktor für ihren Status in der Familie, der insbesondere nach ihrer Fähigkeit, viele Söhne zu gebären, bemessen wurde.« Vgl. auch Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 102, der entsprechend darauf hinweist, dass die verheiratete adelige Frau, die kinderlos blieb, »in ihrer sozialen Rolle faktisch [als] gescheitert« galt. 1832 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 154; Baader, Heroinen der Literatur, S. 35; Harris, English aristocratic women, S. 28, 42; Motley, Becoming a french aristocrat, S. 80. 1833 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 167, der als möglichen Grund für eine Nichtverheiratung adeliger Töchter fehlende finanzielle Mittel für eine Mitgift anführt. 1834 Vgl. Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 37. 1835 Vgl. Harris, English aristocratic women, S. 48; Kettering, The patronage power of early modern french noblewomen, S. 822. 1836 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 111. 1837 Vgl. Dilcher, Gerhard: Die Ordnung der Ungleichheit. Haus, Stand und Geschlecht, in: Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hrsg. v. Ute Gerhard. München 1997, S. 56.

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Stellung zukam, sie keinen Zutritt zu öffentlichen Ämtern erhielten1838 und in Adelshäusern mit männlicher Primogenitur von der Sukzession ausgeschlossen waren1839, nahmen sie in der adeligen Lebenspraxis weit über die theoretisch vorgegebenen Grenzen hinausgehende Handlungsmöglichkeiten wahr. Zunächst galt für adelige Frauen trotz ihres privilegierten Standes wie für andere frühneuzeitliche Geschlechtsgenossinnen auch der Rechtssatz »major dignitas est in sexu virili«1840, was sie im Gegensatz zu ihren männlichen Verwandten zu Adeligen minderen Rechts degradierte, die als minderjährige Töchter und als Ehefrauen der Vormundschaft ihres Vaters bzw. Ehemanns unterstanden1841 und aufgrund dieser rechtlichen Inferiorität beispielsweise nicht autorisiert waren, Verträge abzuschließen1842 oder in ihrem Namen vor Gericht zu klagen1843. Gleichzeitig wurde ihnen rechtlich aber auch eine gewisse finanzielle Absicherung zuteil. So hatten sie als Unverheiratete Anspruch auf eine Apanage und im Falle einer Eheschließung auf Mitgift und Brautausstattung durch ihre Herkunftsfamilie1844. Als verheiratete Frauen waren sie zwar in finanzieller Hinsicht auf ihre Ehemänner angewiesen und konnten nicht frei über den ehelichen Besitz verfügen1845, doch stand ihnen Geld für sie selbst und zum Unterhalt ihres Haushaltes zu und im Fall der Witwenschaft die Versorgung mit einem Wittum1846. Im Gegensatz zur rechtlichen Stellung gestaltete sich die Lebenspraxis adeliger Frauen weitaus differenzierter und umfasste insbesondere in Monarchien und Fürstentümern ein großes Spektrum denkbarer weiblicher Betätigungs1838 Vgl. Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, Absatz 1. 1839 Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 237. Vgl. aber Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 102, wonach adelige Frauen unter bestimmten Bedingungen als Erbtöchter die Möglichkeit hatten, eigene Herrschaftsrechte auszuüben und damit ihren Handlungsspielraum zu erweitern. 1840 Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, Absatz 1. Vgl. auch DuchÞne, Roger : Etre femme au temps de Louis XIV. Paris 2004, S. 197. 1841 Vgl. Liebertz-Grün, Ursula: Rollenbilder und weibliche Sozialisation im Adel, in: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung. Hrsg. v. Elke Kleinau und Claudia Opitz. Frankfurt a. M. und New York 1996, S. 42. Vgl. auch DuchÞne, Etre femme au temps de Louis XIV, S. 197, wonach Witwen und volljährige ledige Töchter nicht als unmündig galten. 1842 Vgl. Kroll, Zu Macht und Romantik der Frauen im Zeitalter Ludwigs XIV., S. 147. 1843 Vgl. DuchÞne, Etre femme au temps de Louis XIV, S. 198. Vgl. aber Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 108, wonach adelige Frauen unter bestimmten Umständen männliche Verwandte auch vor Gericht vertreten konnten. 1844 Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 136, 211. Vgl. auch Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 37. 1845 Vgl. DuchÞne, Etre femme au temps de Louis XIV, S. 198. 1846 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 107. Die Regelung der Witwenversorgung erfolgte in der Regel bereits im Ehevertrag. Vgl. auch Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 211, wonach es sich bei einem Wittum meist um ein Schloss und einen Amtsbezirk handelte.

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felder und Handlungsmöglichkeiten, denen sie abhängig von ihrer jeweiligen sozialen Position, dem Familienstand und dem spezifischen Handlungsrahmen nachkommen konnten1847. Dabei beschränkten sich die von ihnen auf Familiengütern, in Konventen und Damenstiften sowie in Stadtpalais und am Hof entfalteten Aktivitäten bei weitem nicht auf biologische Reproduktionsfunktionen1848, sondern umfassten vielfältige wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Tätigkeiten, die von essenzieller Bedeutung für ihre jeweiligen Häuser, aber auch für den Adel als Ganzes waren1849. Innerhalb eines adeligen Haushaltes kam Frauen eine wichtige Rolle bei der Verwaltung und Bewirtschaftung von Familiengütern zu, die sie entweder verheiratet als Teil eines komplementär angelegten ›Arbeitspaares‹1850 oder verwitwet als Vormünder für ihre minderjährigen Kinder ausübten1851. Dabei konnten sie vor allem als Witwen Verfügungsgewalt über beträchtliche ökonomische Machtmittel und große Kapitalsummen erlangen, die es ihnen ermöglichten, durch die Vergabe von Haushaltsposten Patronage auszuüben und damit einen wichtigen Beitrag zur Errichtung und Erhaltung sozialer Netzwerke zu leisten1852. Von zentraler Bedeutung waren adelige Frauen aber auch für die Beziehungspflege innerhalb des zweiten Standes, in deren Kontext die Unterhaltung von Korrespondenzen und die Teilnahme an adeliger Geselligkeit zu verorten sind. Visiten, Diners und Bälle waren Aushandlungsorte sozialen Status und politischer Macht und boten ihnen die Möglichkeit, die Hierarchie ihres Standes 1847 Vgl. Davis, Frauen, Politik und Macht, S. 192. Vgl. auch Puppel, Die Regentin, S. 15, die betont, dass adelige Frauen in »städtisch-republikanischen Verfassungssystemen« beispielsweise keinen Zugang zu Herrschaft hatten. 1848 Vgl. Hufschmidt, Adelige Frauen im Weserraum zwischen 1570 und 1700, S. 7. 1849 Vgl. Harris, English aristocratic women, S. 61. 1850 Vgl. Keller, Hofdamen, S. 9; Wunder, Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit, S. 45; Contamine, Philippe: Conclusion g¦n¦rale, in: Le ch–teau au f¦minin. Hrsg. v. Anne-Marie Cocula und Michel Combet. Bordeaux 2004, S. 283. Vgl. auch Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 108, wonach adelige Ehefrauen in Abwesenheit ihrer Ehemänner eine wichtige Position als Vertreterinnen desselben »bei der Beaufsichtigung des Gesindes und der Führung der Geschäfte« einnahmen. 1851 Vgl. Keller, Hofdamen, S. 9, 11; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 54–55. 1852 Vgl. Kettering, The patronage power of early modern french noblewomen, S. 818–826. Kettering betont für das frühneuzeitliche Frankreich die Bedeutung adeliger Frauen als wichtige Vermittlerinnen adeliger und königlicher Patronage (vgl. ebd., S. 819). Vgl. auch Chapman, Patronage as family economy, S. 11–35, die am Beispiel der robe-Familie Ph¦lypeaux de Pontchartrain aufzeigt, wie Ehefrauen vielfältige Aktivitäten entwickelten, »to promote and cultivate favor for the Pontchartrain clan.« Dabei habe ihre Rolle die einer »mere helpmate or social secretary for her husband« bei weitem überschritten. Vielmehr hätte das Ehepaar »together in the creation and maintenance of the family’s web of patronclient relationships« gewirkt (ebd., S. 12).

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zu beeinflussen1853. Als Repräsentantinnen ihrer jeweiligen Häuser1854 hing ihr Status und der ihrer Familie in starkem Maße von der Beherrschung der im sozialen Umgang üblichen Höflichkeits- und Geselligkeitsrituale ab, deren Aushandlung und Festlegung sie aktiv mitgestalteten1855. Welche Rolle adelige Frauen bei der Einflussnahme auf gesellschaftliche Umgangsformen und Ideale einnehmen konnten, zeigte sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Frankreich, wo sie als Gastgeberin im Mittelpunkt einer neu entstandenen »halb-institutionelle[n] Form der Geselligkeit«1856, nämlich dem Salon, standen. In diesem wirkten sie ebenso wie Frauen der bürgerlichen ›Elite‹ zur Herausbildung einer mondänen politesse und zur Erweiterung ihres beschränkten Zugangs zu Bildung, künstlerischem wie wissenschaftlichem Mäzenatentum und schriftstellerischer Tätigkeit hin1857. Im Salon kamen adelige Frauen aber auch Aufgaben nach, die kennzeichnend für ihr soziales Handeln im Allgemeinen waren und sie in mehrfacher Hinsicht als Vermittlerinnen auszeichneten: So spielten sie eine wichtige Rolle bei der Pflege und Erhaltung familiärer Memoria, bei der Tradierung adeliger Werte und gesellschaftlicher Kompetenzen1858, beim Eintritt von Standespersonen in die adelige Gesellschaft, bei der Fürsprache für Familienangehörige und bei der Anbahnung von Eheschließungen1859. Eine Vermittlerfunktion kam adeligen Frauen auch im politischen Bereich zu, den sie über die Nutzung von Patronage und sozialen Netzwerken beeinfluss1853 Vgl. Tague, Women of quality, S. 175, 182, 193; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 169. 1854 Vgl. Becker-Cantarino, Einleitung, S. 442; Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 102; Tague, Women of quality, S. 183. 1855 Vgl. Tague, Women of quality, S. 168, 193. 1856 Opitz, Hausmutter und Landesfürstin, S. 357. Vgl. auch Campbell Orr, Introduction, S. 34; Lougee, Le paradis des femmes, S. 5, die darauf hinweist, dass Salons in Frankreich sowohl in Paris als auch in anderen bedeutenden Provinzzentren entstanden. 1857 Vgl. Lefevre, Michel: Die Sprache der Lieselotte von der Pfalz. Eine sprachliche Untersuchung der deutschen Briefe (1676–1714) der Herzogin von Orl¦ans an ihre Tante, die Kurfürstin Sophie von Hannover. Stuttgart 1996 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, 321), S. 52. Vgl. aber Kroll, Zu Macht und Romantik der Frauen im Zeitalter Ludwigs XIV., S. 158, die eine negative Einschätzung der Beteiligung adeliger Frauen am kulturellen Leben ihrer Zeit vornimmt. Laut Kroll war es ihnen nicht möglich, die Beschränkungen ihrer »juristischen, materiellen, geistigen, moralischen und sozialen Abhängigkeit von männlichen Vormündern« zu überwinden. 1858 Vgl. Hufschmidt, Adelige Frauen im Weserraum zwischen 1570 und 1700, S. 439–440; Wunder, Einleitung: Dynastie und Herrschaftssicherung, S. 27–28; Contamine, Conclusion g¦n¦rale, S. 283; Tague, Women of quality, S. 174. Die Tradierung erfolgte insbesondere durch die Erziehung adeliger Kinder. 1859 Vgl. Kettering, The patronage power of early modern french noblewomen, S. 838; O’Day, Rosemary : Tudor and Stuart women: their lives through their letters, in: Early Modern women’s letter writing, 1450–1700. Hrsg. v. James Daybell. Basingstoke 2001, S. 131; Puppel, Die Regentin, S. 23.

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ten1860, was aufgrund des nicht institutionalisierten Charakters in den überlieferten Quellen jedoch nur schwer fassbar ist1861. Direkte und vielfältige Teilnahme am politischen Geschehen lässt sich lediglich für Frauen des Hochadels nachweisen, die von der in ihren Häusern vorherrschenden engen Verbindung zwischen Familie und Politik profitierten1862. Ein prominentes Beispiel bieten die weiblichen Angehörigen der wichtigsten französischen Adelsfamilien, die sich im Verlauf der Fronde für die Propaganda ihrer Partei engagierten und als Vermittlerinnen und Unterhändlerinnen diplomatische Aufgaben wahrnahmen1863. Was für die Lebenswelt des Adels im Allgemeinen von Bedeutung war, galt im besonderen Maße auch für den Hof. Wie bereits in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt, verschafften adeligen Amtsträgerinnen das Ideal der Hofdame, die spezifische Struktur des cour de France und ihre Charge eine privilegierte Position als höfische Akteurinnen. Die ›zivilisatorische‹ Rolle der Hofdame räumte ihnen einen festen Platz in der höfischen Geselligkeit ein. Der französische Königshof begünstigte mit seinen durchlässigen Grenzen zwischen Frauen- und Männer-Sphäre ihre Teilnahme an der höfischen Interaktion. Die eigens ihrem Geschlecht vorbehaltenen, hochrangigen und prestigeträchtigen Hofämter statteten sie mit einer institutionalisierten Position aus, die die dauerhafte Unterbringung und den durchgehenden Aufenthalt »am Marktplatz aller Vorteile«1864 gewährleistete und ihnen Gelegenheit gab, über erweiterte Zugangsrechte und große Nähe zu zentralen Entscheidungsträgern ein großes Machtpotenzial auszuschöpfen. Bereits die Möglichkeit eines dauerhaften Zugriffs auf Macht- und Prestigechancen und die Einflussnahme auf zentrale höfische Akteure – beides ein immenser Vorteil im Konkurrenzkampf um Chargen, Pensionen und andere Gunsterweise – evozierte soziales Kapital in Form von Ansehen und Prestige und wies Amtsträgerinnen »als Maklerinnen politischer und sozialer Chancen«1865 eine wichtige Stellung zu1866. Da sie als adelige Frauen Teil sozialer Netzwerke 1860 Vgl. Harris, English aristocratic women, S. 61; Keller, Hofdamen, S. 11; Kettering, The patronage power of early modern french noblewomen, S. 837. 1861 Vgl. Kettering, The patronage power of early modern french noblewomen, S. 818. 1862 Vgl. Viennot, Des »femmes d’Etat« au XVIe siÀcle, S. 77; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 78–79. Ruppel bedauert, dass die »hartnäckige Rückprojektierung der […] starren Dichotomie von Öffentlichkeit und Privatheit […] leider oft den Blick auf Frauen und ihre politischen Rollen in der Vormoderne« verstellt hat. 1863 Vgl. Viennot, Des »femmes d’Etat« au XVIe siÀcle, S. 77, 87–88. Zu diesen Adelsfamilien gehörten die Cond¦, Guise, Longueville und Montmorency. 1864 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 52. 1865 Keller, Hofdamen, S. 169. 1866 Zum Hof als Ort des Austauschs verschiedener Kapitalarten vgl. Horowski, Leonhard: Der Preis des Erfolgs. Gunst, Kapital und Patrimonialisierung am Hof von Versailles (1661– 1789), in: Zeitschrift für historische Forschung 36/1 (2009), S. 71–91.

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waren, erschien es im zeitgenössischen Verständnis fraglos, dass sie den damit einhergehenden Verpflichtungen nachkommen und die sich durch ihr Hofamt erweiterten Handlungsmöglichkeiten für ihre Angehörigen nutzen würden. Dabei war es denkbar, dass Amtsträgerinnen auch als ›broker‹ für Dritte agierten, denen sie – für eine meist monetäre Gegenleistung – beispielsweise eine Einladung zu einem Wochenende des Königs in Marly oder die Rückkehr an den Hof erwirkten1867. Gemäß Saint-Simon soll die Princesse d’Harcourt, dame du palais de la reine, eine in dieser Hinsicht sehr versierte höfische Akteurin gewesen sein, deren »m¦tier« »affaires depuis un ¦cu jusqu’aux plus grosses sommes«1868 umfasst habe. Ein großer Vorteil ihrer Position wurde aber darin gesehen, Dritten Zugang zu sonst nur schwer erreichbaren Personen zu verschaffen1869. Dabei haben sich ihre Möglichkeiten nicht nur auf ihre jeweilige Herrin beschränkt, sondern sich auch auf andere hochrangige Personen am Hof erstreckt, mit denen sie durch ihren Dienst in Kontakt kamen und zu denen sie idealerweise eine enge und vertrauensvolle Verbindung aufgebaut hatten1870. Die Eingebundenheit in soziale Nahbeziehungen und Netzwerke wirkte sich auf adelige Amtsträgerinnen und ihre Handlungsspielräume im höfischen Kontext auf vielfältige Art und Weise aus. Wie schon im Kapitel über Hofämter dargestellt, waren bereits für den Weg in ein Hofamt Verwandte, Freunde und Gönner von großer Bedeutung und büßten diese auch während der Amtszeit nicht ein1871, denn wie im Fall der Duchesse de Ventadour erschien es weitaus erfolgversprechender, wenn zum »cr¦dit« der Mutter, den diese über ihren »services« als gouvernante des enfants de France erworben hatte, die »bons offices« der eigenen Herrin und die Unterstützung einer weiteren »fort proche parente« wie der Ehefrau des einflussreichen Ministers Louvois hinzukam, um 1867 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 201–202. 1868 Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 144. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. X, S. 368, wo es über dieselbe Dame heißt: Sie »faisoit des affaires — toutes maines, et couroit autant pour cent francs que pour cent mille.« Vgl. auch Norberg, Women of Versailles, S. 202, die mit Bezug auf Saint-Simon den Einsatz dieser »well-connected lady« zur Herbeiführung einer »prestigious union« beschreibt: »In 1700, Monsieur de La VrilliÀre paid the Princess d’Harcourt a large sum of money to negotiate a marriage with one of the daughters of Madame de Mailly, mistress of the wardrobe. De La VrilliÀre also expected the princess to get him the rights to her father’s office. Princess d’Harcourt persuaded Madame de Maintenon to intervene on de La VrilliÀre’s behalf. In less than twenty-four hours, the king had signed the appropriate papers and both bride and office were de La VrilliÀre’s.« 1869 Vgl. Primi Visconti, M¦moires, S. 50, der als Beispiel für die Vermittlung von Zugang die gouvernante des enfants de France benennt, die ihn bei der Königin einführte. 1870 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 136–139, der schreibt, dass die Duchesse de Ventadour ihre Hofposition bei Madame als auch die Anerkennung, die sie bei ihr und Monsieur empfing, dazu nutzte, Dritten gegen Geld Vorteile zu verschaffen. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. XIII, S. 459, der von einem ähnlichen Fall berichtet, bei dem es um die Fortsetzung einer Pension ging. 1871 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 121; Keller, Hofdamen, S. 169.

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die »faveur« des Königs zu erlangen1872. Adelige Amtsträgerinnen treten in den zeitgenössischen Ego-Dokumenten ebenso wie ihre männlichen Amts- und Standesgenossen als höchst relationale Personen in Erscheinung, die innerhalb wie außerhalb des Hofes Beziehungsnetzen angehörten und Bindeglieder unterschiedlicher sozialer Nahbeziehungen waren1873. Innerhalb sozialer Netzwerke erfüllten Amtsträgerinnen nicht nur eine einzige soziale Rolle. Entsprechend der Multiplexität menschlicher Beziehungen1874 agierten auch sie je nach Kontext und Bezugsperson in verschiedenen sozialen Rollen, so u. a. als Verwandte, Kollegin, Freundin, Vertraute, Gönnerin, Günstling oder Geliebte. Aus einer emischen Perspektive lassen sie sich in den untersuchten Ego-Dokumenten innerhalb unterschiedlicher sozialer Rollen greifen, die sich auf einer sprachlichen Ebene unterscheiden lassen in parente und andere Verwandtschaftstermini sowie amie, confidente, favorite und ma„tresse. Die hinter diesen Begriffen stehenden sozialen Rollen weisen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf. Sie alle verband, dass sie als soziale Nahbeziehungen auf Beidseitigkeit angelegt waren und mit Loyalitäten und Verpflichtungen einhergingen, denen der Einzelne entsprechen musste, wollte er ihr Bestehen nicht gefährden. Ein grundlegender Unterschied lässt sich in Bezug auf ihre Verwendung ausmachen. Während Amtsträgerinnen in der Rolle der Verwandten und Freundin in Verbindung mit fast allen anderen Personen ihres Standes gebracht wurden, waren die Rollen der Favoritin und Vertrauten weitaus eingeschränkter, denn sie bezogen sich in der Regel auf die Beziehung zu einer Person, die in ihrem (Macht-)Status weit über ihnen stand. Im Gegensatz zu den erstgenannten sozialen Nahbeziehungen, die in den zeitgenössischen Darstellungen weitgehend unabhängig von sozialen Einschränkungen beschrieben werden, schien für die letztgenannten soziale Asymmetrie geradezu konstitutiv zu sein. Dies spiegelt sich bereits in der zeitgenössischen Terminologie entsprechender Rollen wider, für die in den Quellen verschiedene Bezeichnungen prominent in Erscheinung treten. Für die ›übergeordnete‹ Seite sind es Begriffe wie ma„tresse und protectrice, für die ›untergeordnete‹ confidente, favorite und 1872 Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 1; 1, Fn. 1. 1873 Einen Eindruck davon vermittelt Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 105, der über die Comtesse de Beuvron schreibt: »Elle ¦toit intimement unie avec la famille de son mari, et notre liaison avec la comtesse de Roucy fille unique de la duchesse d’Arpajon, o¾ elle ¦toit sans cesse, forma la nútre avec elle«. 1874 Vgl. Reinhard, Wolfgang: Oligarchische Verflechtungen und Konfession in oberdeutschen Städten, in: Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Antoni Ma˛czak. München 1988 (Schriften des historischen Kollegs, 9), S. 50, der diesen in der Netzwerkforschung üblichen Begriff verwendet. Dieser korrespondiert mit den Beobachtungen von McLean, The Art of the Network, S. 195, wonach ein Mensch durch Interaktion ein ›multiples‹ Selbst konstruiert, das auf der Vielfalt verschiedener interaktionaler »settings« basiert, in denen er agiert.

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»Manieres de vivre à la Cour« – Geschlecht und Hofleben

gelegentlich cr¦ature. Demzufolge konnte eine Königin als ma„tresse oder protectrice in Erscheinung treten, aber nie als confidente oder favorite. Im Gegenzug wurde eine Amtsträgerin zwar als confidente oder favorite bezeichnet, aber nur in wenigen (Ausnahme-)Fällen als protectrice oder ma„tresse1875. Daran wird ersichtlich, dass die Terminologie persönlicher Nahbeziehungen im Hinblick darauf, was zeitgenössisch sagbar war, sozialen Einschränkungen unterlag, was aber – wie noch zu zeigen sein wird – nicht zwangsläufig mit Einschränkungen auf handlungspraktischer Ebene einherging. Eine Ausnahme bildet die Königsmätresse, die, selbst Favoritin, gegenüber anderen als Herrin und Beschützerin auftreten konnte, wenngleich ihre sozialen Nahbeziehungen meist in Verwandtschafts- und Freundschaftsbegriffen behandelt werden1876. Diese sprachliche Unterscheidung illustriert eine von Saint-Simon beschriebene Begebenheit, die sich an der Tafel des Königs ereignet haben soll, an der eine Dame durch die Wahl eines ihr nicht zustehenden Platzes den Unmut des Königs auf sich gezogen hatte. Über die anwesenden Frauen heißt es: »aprÀs quelque peu de discours entre elles, [elles] se s¦parÀrent, et contÀrent le fait chacune — ses amies, Mme de Maintenon — ses favorites, Mme la duchesse de Bourgogne — ses dames et — la duchesse de Duras: en sorte que la chose se r¦pandit bientút — l’oreille, et courut aprÀs partout.«1877

Dieser Befund ist nicht nur hinsichtlich der Relevanz des sozialen Status und des Machtpotenzials eines höfischen Akteurs aussagekräftig. Er ist es auch im Hinblick auf die Bedeutung weiblicher Geschlechtszugehörigkeit, denn adeligen Amtsträgerinnen – so die hier postulierte These – eröffneten sich in der höfischen Interaktion aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren große Handlungsspielräume. Zum einen erforderte die Zugehörigkeit zum Adel die Teilnahme an der Interaktion innerhalb des eigenen Standes, da sie unabdingbare Voraussetzung für die Erlangung von Vorteilen für das ganze Haus war. Dies galt in besonderem Maße für den französischen Königshof, an dem politische oder personale Entscheidungen nicht allein im Rahmen formaler Prozesse fielen1878, sondern in starkem Maße von persönlichen Zugangs- und damit Einflussmöglichkeiten bestimmt wurden1879. Zum anderen eröffneten Vorstellungen

1875 Die wenigen Fälle, in denen Amtsträgerinnen als protectrice bezeichnet werden, unterstreichen diesen Befund, denn sie tauchen nur im Zusammenhang mit hochrangigen Amtsträgerinnen in Beziehung zu niedrigerrangigen Personen auf. Vgl. z. B. den Fall der Duchesse de Ventadour bei Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 136–139. 1876 Da sie eine solche ›Sonderstellung‹ einnahmen, werden sie im Folgenden in ihren Handlungsmöglichkeiten eigenes behandelt. 1877 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XV, S. 249. 1878 Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, S. 313. 1879 Vgl. Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 42, der auf die

Adelige Amtsträgerinnen als Akteurinnen

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von sozialen Nahbeziehungen die Möglichkeit, innerhalb der höfischen Interaktion eine ›Persona‹ zu verkörpern und das mit ihr verbundene Handlungsspektrum wahrzunehmen1880. Da die Teilnahme an der sozialen Interaktion, die Nutzung höfischer Handlungslogiken (wie die Suche nach Gunst, Verbreitung von Gerüchten und Teilnahme an Intrigen) und die Verkörperung einer ›Persona‹ weitgehend nicht geschlechtlich determiniert waren, standen adelige Amtsträgerinnen ihren männlichen Standes- und Amtsgenossen in ihren Handlungsmöglichkeiten in diesem Bereich kaum in etwas nach. Ebenso wie diese beteiligten sie sich an den höfischen Aushandlungs- und Entscheidungsfindungsprozessen und übten darüber kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Einfluss aus. Es war sogar gerade ihr Geschlecht, das sie als höfische Akteurinnen begünstigte, denn im Gegensatz zu männlichen Amtsund Standesgenossen1881 mussten sie sich nicht für die Erfüllung militärischer, diplomatischer oder administrativer Aufgaben immer wieder für längere Zeit vom Hof entfernen1882. Stattdessen konnten sie sich dauerhaft dort und damit im Zentrum der Macht aufhalten und entsprechend durchgehend ihre privilegierte Position im Hofleben und die Nähe zu Entscheidungsträgern im höfischen Konkurrenzkampf nutzen1883, um darüber Ämter, Gelder und Gnaden1884 sowohl für sich selbst als auch für Dritte zu sichern1885. Doch während die Beschreibungen von Verwandtschaft und Freundschaft nicht auf ein Geschlecht beschränkt bleiben, weisen stark ›asymmetrische‹ Beziehungen, also Beziehungen, die ein immer vorhandenes Maß an Ungleichheit deutlich überschritten, ein starkes Übergewicht gleichgeschlechtlicher Verbindungen auf. Anknüpfend daran wird im Folgenden die These entwickelt, dass

1880

1881 1882

1883

1884 1885

Bedeutung des regelmäßigen Kontakts hoher höfischer Amtsträger mit dem König verweist. Vgl. Martin-Ulrich, Claudie: La persona de la princesse au XVIe siÀcle. Personnage litt¦raire et personnage politique. Paris 2004, die in ihrer Untersuchung über verschiedene Quellen den Archetyp der »princesse« herausarbeitet, um darüber, jenseits der Vielfalt der historischen Persönlichkeiten, zur Quintessenz dieser spezifischen Rolle zu gelangen. Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 171, wonach »diplomats and military commanders suffered from a substantial structural disadvantage – professionally obliged to be at the front or abroad, the could do little to further their career in the centre or to protect themselves against habitual slander unless they had relatives and protectors permanently installed there.« Wie das vorhergehende Kapitel zeigt wurde dies nur wenig dadurch relativiert, dass sie ihre Charge durch den Tod ihrer Herrin plötzlich verlieren konnten. Denn wie die offengelegten Karrierewege adeliger Amtsträgerinnen zeigen, war es üblich, sie entweder in andere bereits existierende Hofstaaten zu transferieren oder bei der Einrichtung einer neuen maison bevorzugt zu behandeln, sodass sie häufig über Jahre und Jahrzehnte am Hof verblieben. Vgl. Keller, Hofdamen, S. 155. Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 201.

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»Manieres de vivre à la Cour« – Geschlecht und Hofleben

Geschlecht in Beziehungen, in denen ein Beteiligter über große Machtmittel verfügte, eine vergleichsweise höhere Bedeutung und damit mehr differenzielle Relevanz1886 beigemessen wurde als in Beziehungen mit größerer sozialer Symmetrie. Ein Grund dafür kann darin vermutet werden, dass das Potenzial für eine sexuelle Beziehung, die im zeitgenössischen Verständnis im Verhältnis zwischen einer Frau und einem Mann angelegt war, in einer solchen sozialen Konstellation besonders stark hervortrat, da darin ein größeres (Gefahren-) Potenzial für Beeinflussung vermutet wurde als beispielsweise in freundschaftlichen Verbindungen. Dabei könnten die mit Liebesbeziehungen in Verbindung gebrachten (unberechenbaren) Gefühle und Leidenschaften eine Rolle gespielt haben.

6.1.

Amtsträgerinnen als parente

Verwandtschaftliche Bindungen waren für das Selbstverständnis des frühneuzeitlichen Adels fundamental, da er sich als Stand und damit als rechtliche, soziale, kulturelle und politische Einheit1887 über Geburt1888 und die erbliche Weitergabe seines Status definierte1889. Im frühneuzeitlichen Frankreich war im

1886 Vgl. Gildemeister, Doing Gender, S. 143. 1887 Vgl. Demel, Walter: Der europäische Adel. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München 2005, S. 15. Vgl. auch Scott/Storrs, Introduction, S. 22, wonach den Adel zwar eine gemeinsame Ideologie und Privilegien miteinander verbanden, was aber nicht gleichbedeutend damit war, dass er auch einen einheitlichen Körper bildete. Vielmehr gliche der Adel einer Ansammlung rivalisierender Individuen, Familien und Häuser. Vgl. auch Asch, Ronald G.: Einführung: Adel in der Neuzeit, in: Adel in der Neuzeit. Hrsg. v. dems. und Rudolf Schlögl. Göttingen 2007 (Geschichte und Gesellschaft, 33/3), S. 317–325, der darauf hinweist, dass bereits in der Frühen Neuzeit »die soziale Identität des Adels« nicht immer klar und selbstverständlich war, und vor allem einer »relativ weite[n] soziale[n] Akzeptanz in einer relevanten Öffentlichkeit« bedurfte (ebd., S. 319). Auch betont Asch den frühneuzeitlichen Adel als »Erinnerungsgemeinschaft«, ebenso wie als »eine Elite, die die Fähigkeit besaß, sich in Krisensituationen ganz neu zu erfinden« (ebd., S. 324). 1888 Vgl. Demel, Der europäische Adel, S. 15. Vgl. auch Schalk, Ellery : From Valor to Pedigree. Ideas of nobility in France in the sixteenth and seventeenth centuries. Princeton 1986. 1889 Vgl. Scott/Storrs, Introduction, S. 10; Demel, Der europäische Adel, S. 11. Vgl. auch Poussou, Jean-Pierre: Familles, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime, S. 532, wonach dies nicht nur für den Adel zutraf, denn die Familie bildete »la cellule de base de la soci¦t¦ d’Ancien R¦gime«. Entsprechend habe die Familie »un caractÀre d’institution publique« besessen und verwandtschaftliche Bindungen eine essentielle und vielfältige Rolle gespielt. Vgl. auch Arlette, Jouanna: Race, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime, S. 1046, die beschreibt, dass der Glaube an die »h¦r¦dit¦ des qualit¦s« der Vorstellung zugrundelag, dass der »ordre social« ein »ordre naturel« war, »— la fois juste et impossible — changer«. Demnach habe der Adel die seinem Stand immanente »vertu« »par le sang au sein des races des gentilshommes« weitergegeben. Vgl. auch dies.: Sang, in: Dictionnaire de

Adelige Amtsträgerinnen als Akteurinnen

275

verwandtschaftlichen Sprachgebrauch des Adels vor allem die maison1890 von Bedeutung. Sie verdrängte die sogenannte m¦nage1891, die als kleinste familiäre Einheit lediglich ein Ehepaar und dessen Kinder sowie das Hauspersonal umfasste, und bezeichnete einen verwandtschaftlichen Verband, der auch Großeltern, Geschwister und manchmal sogar Onkel, Tanten und Cousins samt deren Bediensteten beinhaltete, die nicht selten gemeinsam unter einem Dach lebten1892. Diese gehörten zur lignage1893 der erweiterten adeligen Familie, die sich als Verwandtschaftsgruppierung verstand, deren patrilineare Abstammung vertikal drei oder vier Generationen umfasste und horizontal über den Cousin zweiten Grades hinausging1894. Somit war ein Angehöriger des Adels wie auch andere Individuen des Ancien R¦gime fest eingefügt in ein »tissu familial et lignager«1895.

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l’Ancien R¦gime, S. 1122, die auf die Bedeutung des Blutes »comme le v¦hicule des caractÀres physiques et moraux h¦r¦ditaires« eingeht. Vgl. Maison, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Gemäß FuretiÀre umfasst der Begriff »Maison«: »les personnes qui composent une famille, qui habitent une maison; & le revenu dont elle subsiste.« Es wurde aber auch zur Bezeichnung »d’une race noble, d’une suitte de gens illustres venus de la mÞme souche« verwendet. Vgl. auch Augustin, Jean-Marie: Lignages, in: Dictionnaire de l’Ancien R¦gime, S. 742, der darauf hinweist, dass die Zeitgenossen den Begriff maison gegenüber m¦nage bevorzugten, wenn es sich um »gens distingu¦s par leur naissance, leur emploi ou leur dignit¦« handelte. Vgl. auch ebd., den Eintrag zu »Famille«, wonach dieser eine »Maison noble, ancienne race« bezeichnete, aber auch im Sinne einer »m¦nage compos¦ d’un chef & de ses domestiques, soit femmes, enfants, ou serviteurs« und den »plus proches parens« Verwendung fand. Vgl. Mesnage, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Laut FuretiÀre bezeichnet das Wort »Mesnage« die Personen, die eine Familie bilden. Vgl. Kettering, Patronage and kinship in early modern France, S. 430. Vgl auch Motley, Becoming a french aristocrat, S. 18, der darauf hinweist, dass »the great household, which usually contained not only parents and children but kin, servants, and clients as well« den ersten und vermutlich wichtigsten Rahmen für die Erziehung adeligen Nachwuchses bildete. Vgl. Lignage, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Nach FuretiÀre handelt es sich bei »Lignage« um einen veralteten Begriff für »Parent¦ issus d’une mÞme souche«. Vgl. Kettering, Patronage and kinship in early modern France, S. 421. Vgl. aber Augustin, Lignages, S. 742, der darauf hinweist, dass jeder Mensch über zwei »lignages« – eine väterliche und eine mütterliche – verfügte und dass es sich dabei um »un principe actif dans toutes les classes sociales« handelt, sodass auch für Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts von einer »soci¦t¦ de lignages« die Rede sein kann. Arlette, Race, S. 1045.

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»Manieres de vivre à la Cour« – Geschlecht und Hofleben

Innerhalb des zweiten Standes waren verwandtschaftliche Bindungen besonders zahlreich und stark ausgeprägt1896. Sie umfassten gleichermaßen Beziehungen zu lebenden Angehörigen wie zu verstorbenen Vorfahren und noch ungeborenen Nachkommen, die eine »conscience de race«1897 verband. Diese hatte eine »solidarit¦ lignagÀre« zur Folge, die u. a. den Schutz einer lignage gewährleistete, sodass der Angriff auf eines seiner Mitglieder in der Regel die Unterstützung all seiner Verwandten nach sich zog. Die lignage bot aber nicht nur Hilfe, sie übte auch Kontrolle aus1898 und verpflichtete ihre Mitglieder dazu, über »hauts faits« und durch »l’¦clat des charges occup¦es« zu ihrem Ruhm beizutragen. Auch in dieser Hinsicht wurde »un combat individuel« ebenso immer als derjenige der gesamten parentÀle verstanden. Gleichzeitig waren entsprechende Verhaltensweisen auf Gegenseitigkeit angelegt, sodass idealerweise die parentÀle denjenigen aus ihren Reihen unterstützte, der »dans sa conquÞte des honneurs« am erfolgversprechendsten erschien1899, während dieser im Gegenzug in der Verpflichtung stand, bei Erfolg wiederum den Aufstieg seiner parent¦1900 und parents1901 zu begünstigen. Diese Handlungslogiken

1896 Vgl. Poussou, Familles, S. 532–533, wonach für die Frühe Neuzeit eine Tendenz dahingehend beobachtet werden kann, dass die Familie sich zunehmend auf ihren »noyau r¦siduel: le m¦nage, ses enfants et leur proche parent¦« beschränkte, wodurch die »famille conjugale, fond¦e par le mariage«, an Bedeutung gewann. Die »grandes maisonn¦es nobles« hingegen setzten sich aber weiterhin au seiner »trÀs grand nombre de personnes« zusammen, die durch eine mehr oder weniger große Anzahl von »domestiques« erweitert wurde. Demnach war ihre m¦nage nicht nur auf die »famille conjugale« begrenzt. 1897 Arlette, Race, S. 1045, die die vielfältigen Arten und Weisen aufführt, über die diese zum Ausdruck gebracht wurde, so z. B. die Aufrechterhaltung der familiären Memoria über Bilder, Genealogien und Wappen. 1898 Augustin, Lignages, S. 742. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. XII, S. 142, der am Beispiel des adeligen Ehepaars Leûn die große Bedeutung von nahen Verwandten in Notsituationen aufzeigt. In dem genannten Fall sah sich der Ehemann wegen Dienstverpflichtungen genötigt, seine schwangere Frau kurz vor ihrer Entbindung alleine zurückzulassen. Da seine eigenen Eltern nicht in der Nähe lebten und das Verhältnis zu den Schwiegereltern zerrüttet war, sei ihm keine andere Wahl geblieben, als einen befreundeten Adeligen darum zu bitten, seiner Frau beizustehen. 1899 Arlette, Race, S. 1045. Vgl. auch Poussou, Familles, S. 532, wonach ein Familienmitglied mit steigendem Ansehen oder Macht umso mehr gegenüber seinen Angehörigen zu Hilfe und Schutz verpflichtet ist, während sie ihm im Gegenzug Unterstützung bieten. 1900 Vgl. Parent¦, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Nach FuretiÀre bezeichnet »Parent¦« eine Blutsverwandtschaft, wobei der Zusatz »proche« Verwendung findet, wenn die betreffenden Personen derselben Familie entstammen. Der Begriff kann sich aber auch »collectivement« auf »tous les parents ensemble« beziehen. 1901 Vgl. Parent, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Laut

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kamen auch am cour de France zum Tragen, an dem Abstammung, Verwandtschaft und Familie zu den wichtigsten Strukturmerkmalen des höfischen Sozialgefüges gehörten1902. Die »haute noblesse de cour« bildete Ende des 17. Jahrhunderts »une vaste parentÀle, aux alliances multiples et crois¦es«1903, in der der Einzelne im Kontext seines jeweiligen Familienverbandes in Erscheinung trat1904. Dieses Bild bestätigt sich auch für adelige Amtsträgerinnen am französischen Königshof. Auf Grundlage der von Horowksi sehr ausführlich rekonstruierten verwandtschaftlichen Verbindungen der Inhaber der höchsten Hofämter zwischen 1661 und 17891905 ergibt bereits die Ermittlung der Eltern, Geschwister, Ehepartner und Kinder von Amtsträgerinnen ein deutliches Bild ihrer Vernetzung innerhalb der höfischen societ¦ des parents1906. Unter ihren Geschlechtsgenossinnen lassen sich Mütter und Töchter1907, Schwestern1908, Großmütter und Enkelinnen1909,

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FuretiÀre handelt es sich bei dem Begriff »Parent« um einen relativen Begriff, »qui se dit de tous ceux qui sont d’une mÞme famille, sortis d’une mÞme source.« Vgl. Calvi, Introduction, S. 4. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 488. Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 440. Vgl. auch Horowski, Such a great advantage for my son, S. 150, der ebenfalls betont, dass der Hof »was made up not of isolated individuals but of families, and that for all these individuals, their families remained both the main career framework and the ultimate ideological reference.« Daher plädiert er auch dafür, dass jede »general exploration of career-building patterns at court should therefore be based on a classification of entire families.« Vgl. Horowski, Die Belagerung des Thrones. Vgl. aber Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 443, die für die Amtsträgerinnen am Münchener Hof auf Probleme mit dem Quellenmaterial hinweist, aus dem die Verwandtschaftsgrade »oft nicht zweifelsfrei« ermittelt werden können. Aus dem Befund, dass in frühneuzeitlichen Quellen Verwandtschaftsgrade »nicht zuverlässig genug« differenziert werden und »ein und dieselbe Person oft mit verschiedenen Verwandtschaftsgraden« belegen, zieht Kägler die Konsequenz, darauf zu verzichten, »die jeweiligen Verwandtschaftsbeziehungen im Detail nach zuverfolgen, wenn es sich erwiesenermaßen um Mitglieder der gleichen Linie einer Adelsfamilie handelte«. Da die Vielzahl der verwandtschaftlichen Verbindungen hier nicht widergegeben werden kann, sei auf Horowski, Die Belagerung des Thrones, Kapitel VIII: Prosopographische Anhänge, verwiesen. Im Folgenden wird lediglich eine Auswahl zur Illustrierung angeführt. Unter den Müttern und Töchtern im Hofdienst befanden sich beispielsweise die Duchesse de Chevreuse (dame du palais de la reine) und ihre Tochter, die Marquise de L¦vis (dame du palais de la duchesse de Bourgogne); die Duchesse de Navailles (dame d’honneur de la reine) und ihre beiden Töchter, die Marquise de Pompadour (gouvernante des enfants du duc et de la duchesse de Berry) und Mademoiselle de Navailles (fille d’honneur de la dauphine); die Mar¦chale de Grancey (gouvernante des enfants des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans) und ihre Tochter Mademoiselle de Grancey, spätere Comtesse de Marey (fille d’honneur de la reine, dann gouvernante des enfants des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans). Unter den Schwestern im Hofdienst gehörten beispielsweise die Duchesse de Chevreuse und die Duchesse de Beauvillier, beide dames du palais im Hofstaat der Königin. Außerdem Mademoiselle de Biron und Mademoiselle de Gontaut als filles d’honneur de la dauphine sowie die Princesse d’Harcourt (dame du palais de la reine) und Duchesse de

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Tanten und Nichten1910, Cousinen1911 sowie Schwägerinnen1912, Schwiegermütter und Schwiegertöchter1913 ausmachen. Dies entspricht den verwandtschaftlichen Verbindungen, die auch Kleinman für Mädchen und Frauen im Dienst Annas von Österreich ermittelt hat1914. Obwohl kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann, lässt sich doch ein starkes Übergewicht von Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern sowie Schwiegermüttern und Schwiegertöchtern gegenüber anderen verwandtschaftlichen Nahbeziehungen erkennen, was nur zum Teil der survivance von Hofämtern zugeschrieben werden kann1915. In der überwiegenden Zahl der

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Brancas (dame d’honneur de madame). Und nicht zuletzt die drei Schwestern Comtesse d’Estr¦es, Marquise de la ValliÀre und die Marquise de Gondrin, allesamt dames du palais de la duchesse de Bourgogne. Zu den Großmüttern, deren Enkelinnen noch im Hofdienst standen, gehörten u. a. die Duchesse de Navailles (dame d’honneur de la reine) und ihre Enkelin, die Marquise de Courcillon (dame du palais de la duchesse de Bourgogne). Tanten und Nichten im Hofdienst waren Tante die Mar¦chale Duchesse de La MotteHoudancourt (gouvernante des enfants de France) und ihre Nichte, Mademoiselle de Motte-Houdancourt (fille d’honneur de la reine); die Marquise de Maintenon (dame d’atour de la dauphine und Königsmätresse) und ihre Nichte die Comtesse d’Ayen, spätere Duchesse de Noailles (dame du palais de la duchesse de Bourgogne); die Dame de Durasfort (dame d’atour de madame) und ihre Nichte, die Duchesse de Saint-Simon (dame d’honneur de la duchesse de Berry). Cousinen am Hof Ludwigs XIV. waren u. a. die Marquise d’Albret, spätere Comtesse de Marsan (dame du palais de la reine), und die Comtesse du Plessis-Praslin, spätere Marquise de Cl¦rambault (dame d’honneur de madame). Ebenso die Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt (gouvernante des enfants de France) und die Duchesse de Cr¦quy (dame du palais, dann dame d’honneur de la reine). Schwägerinnen in Hofämtern waren die Comtesse de Soissons (surintendante de la reine) und die Princesse de Bade (dame du palais de la reine), die Duchesse d’Arpajon (dame d’honneur de la dauphine) und Mademoiselle de Theobon (fille d’honneur zunächst bei der Königin, dann bei Madame) ebenso wie die Princesse de Monaco (surintendante de madame) und die Duchesse du Lude (dame du palais de la reine, dann dame d’honneur de la duchesse de Bourgogne). Zu den Schwiegermüttern und Schwiegertöchtern in Hofämtern gehörten die Comtesse de Soissons (surintendante de la reine) und Mademoiselle de Beauvais (fille d’honneur de madame), die Duchesse de Richelieu (dame d’honneur de la reine) und Marquise d’Albret, spätere Comtesse de Marsan (dame du palais de la reine) sowie die Comtesse de B¦thune (dame d’atour de la reine) und Mademoiselle d’Arquien, spätere Marquise de B¦thune (fille d’honneur, dann dame d’atour de la reine). Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 534, wonach von den 129 identifizierten Amtsträgerinnen 44 (34,1 %) mit anderen Amtsträgerinnen im selben Hofstaat als Mutter-Tochter, Tante-Nichte, Schwestern sowie Großmutter-Enkeltochter verbunden waren. Kleinman geht sogar davon aus, dass die Anzahl noch höher liegen würde, »if we had a complete grasp of the web of kinship that now we can only reconstruct laboriously and in small segments.« Für die survivance zwischen Mutter und Tochter können die Mar¦chale de Grancey und ihre Tochter Mademoiselle de Grancey, spätere Comtesse de Marey in der Charge der gouvernante des enfants des Duc und der Duchesse d’Orl¦ans angeführt werden. Des Weiteren die Mar¦chale Duchesse de La Motte-Houdancourt und ihre Tochter die Du-

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ermittelten Fälle standen Hofämter hinsichtlich der Art der Charge und des Ausübungsortes in keinem direkten Zusammenhang, denn meist wurden unterschiedliche Posten in unterschiedlichen Hofstaaten ausgeübt1916, sodass Töchter und Schwiegertöchter fast ebenso häufig niedrigere1917 wie höhere Positionen1918 als ihre Mütter und Schwiegermütter bekleideten. Nur in wenigen Fällen fanden sich Mutter/Schwiegermutter und Tochter/Schwiegertochter in derselben maison wieder1919, dafür hatten sie aber zu einem großen Teil gleichrangige Positionen inne1920. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass sich gleich mehrere Töchter einer adeligen Amtsträgerin im

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chesse de Ventadour als gouvernante des enfants de France sowie die Comtesse de B¦thune und Mademoiselle d’Arquien, spätere Marquise de B¦thune als dame d’atour de la reine. Beispiele dafür finden sich in Gestalt der Duchesse de Navailles, die ihre Charge als dame d’honneur bei der Königin ausübte, während ihre Töchter, die Marquise de Pompadour gouvernante des enfants der Kinder des Duc und der Duchesse de Berry und Mademoiselle de Navailles fille d’honneur de la dauphine waren. Ebenso war die Comtesse de Gramont dame du palais de la reine, während ihre zwei Töchter, Mademoiselle de Gramont und Mademoiselle de Sem¦ac, filles d’honneur in der maison de la dauphine waren. Gleiches lässt sich auch für Schwiegermütter und -töchter feststellen. So war die Comtesse de Soissons surintendante des Hofstaats der Königin, ihre spätere Schwiegertochter hingegen fille d’honneur bei Madame. Als Beispiele dafür können die Duchesse de Montausier (dame d’honneur de la reine und gouvernante des enfants de France) und ihre Tochter die Comtesse, spätere durchesse de Crussol (dame de la reine) angeführt werden. Häufig waren die Töchter von Amtsträgerinnen in den Posten der filles d’honneur anzutreffen. Vgl. hierfür Comtesse de Gramont dame du palais de la reine und ihre beiden Töchter, Mademoiselle de Gramont und Mademoiselle de Sem¦ac (filles d’honneur in der maison de la dauphine); die Duchesse d’Arpajon (dame d’honneur de la dauphine) und ihre Tochter, Mademoiselle d’Arpajon, spätere Comtesse de Roucy (fille d’honneur de la dauphine, dann dame du palais der Duchesse de Bourgogne); die Marquise de Langalerie (gouvernante des filles d’honneur de madame) und Tochter, Mademoiselle de Simiane (fille d’honneur de madame). Vgl. hierfür das Beispiel der Marquise d’O (dame du palais de la duchesse de Bourgogne) und ihrer Tochter, der Comtesse de Clermont, die zunächst dame pour accompagner la duchesse de Berry war, danach aber bis zur dame d’atour der Duchesse de Chartre und späteren Duchesse d’Orl¦ans aufstieg. Unter den Müttern und Töchtern z. B. Duchesse de Montausier (dame d’honneur de la reine und gouvernante des enfants de France) und ihre Tochter die Comtesse, spätere Duchesse de Crussol (dame du palais de la reine). Für Schwiegermütter und Schwiegertöchter vgl. stellvertretend die Duchesse de Richelieu (dame d’honneur de la reine) und die Marquise d’Albret, spätere Comtesse de Marsan (dame du palais de la reine). Vgl. z. B. die Duchesse de Chevreuse (dame du palais de la reine) und ihre Tochter, die Marquise de L¦vis (dame du palais de la duchesse de Bourgogne), wobei sich die ›Gleichrangigkeit‹ dadurch ergab, dass die Hofstaaten der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie unter Ludwig XIV. selten parallel, sondern meist nacheinander bestanden. Demnach war zeitweise eine Charge im Hofstaat der Duchesse de Bourgogne, die höchste Position, die eine Frau am Hof bekleiden konnte, da weder eine maison de la reine noch eine maison de la dauphine existierten. Gleiches gilt auch für die Marquise douairiÀre de la ValliÀre (dame du palais de la reine) und ihre Schwiegertochter, die Marquise de la ValliÀre (dame du palais de la duchesse de Bourgogne).

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Hofdienst befinden konnten1921 und dabei meist im selben Hofstaat die gleichen Chargen ausübten. Da dies Posten voraussetzte, die mehrfach vergeben werden konnten, verwundert es nicht, dass im Hofstaat der Königin1922, der Dauphine1923 und der Duchesse de Bourgogne1924 jeweils Schwestern in den Posten der dames du palais und filles d’honneur anzutreffen waren. Die verwandtschaftlichen Beziehungen adeliger Amtsträgerinnen beschränkten sich – wie bereits angedeutet – aber nicht nur auf andere Frauen im Hofdienst. Sie bestanden auch zu männlichen Amtskollegen1925. Auch hier lassen sich Töchter und Väter, Mütter und Söhne, Schwestern und Brüder, Enkelinnen und Großväter, Großmütter und Enkel, Cousinen und Cousins, Tanten und Neffen, Nichten und Onkel, Schwiegermütter und Schwiegersöhne, Schwiegertöchter und Schwiegerväter, Schwägerinnen und Schwager und ganz besonders Ehepaare identifizieren. Während Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Enkelin/Großvater, Großmutter/Enkel sowie Cousine/Cousin1926, ebenso wie Tanten/Nichten1927 und Schwiegermütter/Schwiegertöchter1928 vergleichsweise selten ermittelt werden konnten, lassen sich Verbindungen zwischen Töchtern und Vätern, Müttern und Söhnen sowie Schwestern und Brüdern häufig auffin-

1921 So z. B. die Duchesse de Navailles, die ihre Charge als dame d’honneur bei der Königin ausübte, während ihre Töchter, die Marquise de Pompadour gouvernante des enfants der Kinder des Duc und der Duchesse de Berry und Mademoiselle de Navailles fille d’honneur de la dauphine war. 1922 Siehe die Duchesse de Chevreuse und die Duchesse de Beauvillier als dames du palais im Hofstaat der Königin. 1923 Siehe Mademoiselle de Biron und Mademoiselle de Gontaut als filles d’honneur im Hofstaat der Dauphine. 1924 Siehe die drei Schwestern Comtesse d’Estr¦es, Marquise de la ValliÀre und die Marquise de Gondrin als dames du palais de la duchesse de Bourgogne. 1925 Vgl. Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 534, die für den Hofstaat Annas von Österreich feststellt, dass in »somewhat overlapping groups« 18 Frauen/Mädchen (13,9 %) männliche Verwandte im Haushalt der Königin hatten, während 32 Frauen/Mädchen (24,8 %) männliche oder weibliche Verwandte in den Haushalten Ludwigs XIII. und seiner Mutter Maria von Medici besaßen. 1926 So war die Marquise de Courcillon (dame du palais de la duchesse de Bourgogne) Enkelin des Duc et Mar¦chal de Navailles (gouverneur du duc de Chartres), die Duchesse d’Arpajon (dame d’honneur de la dauphine) die Großmutter des cardinal de la Rochefoucauld (grand aumúnier de France) und die Duchesse de Crussol (dame du palais de la reine) Cousine des Marquis de Pompadour (menin du dauphin). 1927 Ein Beispiel für ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Tante und Neffe bieten die Comtesse de B¦thune (dame d’atour de la reine) und der Comte de S¦ry (premier gentilshomme de la chambre du roi). 1928 Schwiegertochter und Schwiegervater im Hofdienst waren Mademoiselle d’Arquien, spätere Marquise de B¦thune (dame d’atour de la reine) und der Comte de B¦thune (chevalier d’honneur de la reine). Schwiegermutter und Schwiegersohn waren u. a. Madame de Colbert (dame du palais de la reine) und der Duc de Beauvillier (premier gentilhomme de la chambre du roi und gouverneur de monseigneur le duc d’Anjou).

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den1929. Die von den letztgenannten Personengruppen ausgeübten Chargen wurden meist in unterschiedlichen Hofstaaten bekleidet1930, was angesichts des Befunds, dass Frauen nur in Frauenhofstaaten und Männer vorrangig in Männerhofstaaten Positionen zugänglich waren, naheliegend erscheint. Dennoch gibt es einige Fälle, in denen Verwandte ihre jeweilige Charge in einem Frauenhofstaat1931 oder sogar im selben Hofstaat ausübten1932. Bemerkenswert an den verwandtschaftlichen Verbindungen zwischen Amtsträgern und Amtsträgerinnen ist vor allem die vergleichsweise große Anzahl von Ehepaaren. Bereits Horowski hat in seiner Untersuchung der höchsten männlichen und weiblichen Hofposten in der Regierungszeit Ludwigs XIV. bis Ludwigs XVI. herausgearbeitet, dass von 195 Amtsträgerinnen 76 Ehefrauen von männlichen Amtsträgern waren1933. Für die Zeit Ludwigs XIV. lässt sich feststellen, dass beide Eheleute ihre Chargen im Gegensatz zu anderen verwandtschaftlichen Beziehungen deutlich öfter in einem1934 bzw. im selben Frauenhofstaat ausübten1935. Im letztgenannten Fall war der Ehemann fast ausnahmslos entweder premier ¦cuyer oder chevalier d’honneur der jeweiligen Herrin, während seine Ehefrau meist dame d’honneur oder dame d’atour war oder ehemals den Posten einer fille d’honneur bekleidet hatte. Noch häufiger übten sie ihre Chargen jeweils in den Hofstaaten eines Ehepaares der Königsfamilie aus1936, was auch der Beobachtung Leferme-FalguiÀres entspricht: Die »grandes charges sont souvent occup¦es par un couple, le mari faisant fonction auprÀs du roi, sa femme servant la reine ou la dauphine.«1937 Vor dem Hintergrund der zahlreichen verwandtschaftlichen Verbindungen 1929 Diese ließen sich noch erweitern, wenn die männlichen Verwandten in der maison militaire berücksichtigt würden. 1930 Aus den zahlreichen Beispielen seien hier lediglich die Marquise de Montespan (dame du palais und spätere surintendante de la reine) und ihr Vater, der Marquis de Mortemart (premier gentilhomme de la chambre du roi) erwähnt, ebenso die Comtesse d’Armagnac (dame du palais de la reine) als Mutter zweier Söhne im Hofdienst, die nacheinander en survivance ihres Vaters die Charge des grand-¦cuyer de France bekleideten. 1931 So z. B. die Marquise de Courcillon (dame du palais de la duchesse de Bourgogne), die die Schwiegertochter des Marquis de Dangeau (chevalier d’honneur de la dauphine) war. 1932 So z. B. Mademoiselle d’Arquien, spätere Marquise de B¦thune (dame d’atour de la reine) und ihr Schwiegervater, der Comte de B¦thune (chevalier d’honneur de la reine). 1933 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 145. 1934 Als Beispiel sei hier auf das Ehepaar Richelieu hingewiesen, von denen die Frau dame d’honneur de la reine und dann dame d’honneur de la dauphine gewesen war, während der Ehemann den Posten eines chevalier d’honneur de la dauphine bekleidet hatte. 1935 Vgl. dafür die Comtesse de B¦thune (dame d’atour de la reine) und den Comte de B¦thune (chevalier d’honneur de la reine. 1936 So z. B. die Comtesse du Plessis-Praslin, spätere Marquise de Cl¦rambault (dame d’honneur de madame) und ihr Ehemann der Duc du Plessis Praslin (surintendant de la maison et premier gentilhomme de la chambre de monsieur duc d’Orleans). 1937 Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 488.

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adeliger Amtsträgerinnen am Hof erscheint es nachvollziehbar, warum sie auch in administrativen Schriftstücken und Ego-Dokumenten der Zeit ausgesprochen häufig in unterschiedlichen verwandtschaftlichen Rollen Erwähnung finden bzw. mit entsprechenden Termini belegt werden. Wie groß die Bedeutung von Verwandtschaft – insbesondere der engen und unmittelbaren zu Eltern und Geschwistern – im Adel im Allgemeinen und am Hof im Speziellen war, zeigt allein die Tatsache, dass in allen untersuchten Quellen Hofdamen zumindest bei der ersten Erwähnung in Bezug auf diese nahen Verwandten verortet werden. Adelige Amtsträgerinnen treten dabei sehr oft als Großmütter, Mütter, Schwiegermütter, Tanten, Schwestern, Cousinen, Nichten, Enkelinnen, Ehefrauen, Schwiegertöchter, Schwägerinnen oder schlicht als parente in Erscheinung, und das sowohl in Bezug auf Frauen wie Männer. Eine Differenzierung ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen wird häufig durch das Adjektiv proche hergestellt, das sowohl in Kombination mit parent(e) als auch parent¦ auftritt1938 und eine enge Blutsverwandtschaft innerhalb derselben Familie anzeigt1939. Auch tauchen entsprechende Bezeichnungen in Verbindung mit anderen sozialen Nahbeziehungen auf, so finden sich beispielsweise Ausdrücke wie parent(e)et ami(e)1940. Letzteres bringt auf einer sprachlichen Ebene ein zeitgenössisches Verständnis zum Ausdruck, wonach eine Person unterschiedliche soziale Rollen in sich vereinen, d. h. sowohl Verwandter als auch Freund, Patron oder Klient zugleich sein konnte1941. In den zeitgenössischen Darstellungen lassen sich für den höfischen Handlungsrahmen grosso modo zwei Kontexte unterscheiden, in denen adelige Amtsträgerinnen als Verwandte thematisiert werden. In einem sind sie das ›passive‹ Ziel der Aktivitäten ihrer Angehörigen, im anderen Handelnde, die sich selbst aktiv für ihre Verwandten einsetzen. Bei der näheren Betrachtung des ersten Handlungskontextes fällt auf, dass Amtsträgerinnen vielfach als Begünstigte verwandtschaftlicher Verbindungen sowohl zu Frauen als auch zu Männern in Erscheinung treten. Als Beispiel dafür kann der Fall der Comtesse de Soissons dienen, die in den Quellen gleich in mehrfacher Hinsicht als Nutznießerin der überaus privilegierten Gunststellung ihres Onkels, des Kardinals Mazarin, dargestellt wird1942. Die verwandtschaftliche Verbindung zu ihm habe 1938 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 100–101. 1939 Vgl. Parent¦, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. 1940 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 100–101. 1941 Vgl. Asch, Ronald G.: Freundschaft und Patronage zwischen alteuropäischer Tradition und Moderne: Frühneuzeitliche Fragestellungen und Befunde, in: Varieties of friendship. Interdisciplinary perspectives on social relationships. Hrsg. v. Bernadette Descharmes, Eric Anton Heuser, Caroline Krüger und Thomas Loy. Göttingen 2011, S. 272–273. 1942 Ein anderer Fall, bei dem eine Nichte als Nutznießerin der Unterstützung ihrs Onkels

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ihr außer der prestigeträchtigen Charge der surintendante de la reine1943 auch große Geldsummen1944, eine vorteilhafte Eheschließung1945 und die Loyalität seiner Anhänger eingebracht1946, und damit all das, was im zeitgenössischen Verständnis zur ›guten‹ Versorgung einer weiblichen Verwandten notwendig erschien, nämlich eine Hofcharge, finanzielle Mittel, eine Heirat und soziale Nahbeziehungen, die allesamt zur dauerhaften Verankerung am Königshof beitragen sollten1947. Eine herausragende Rolle wird Verwandten aber auch in Notsituationen zugeschrieben, in denen Amtsträgerinnen sich – entsprechend des adeligen lignage-Verständnisses – auf ihre Hilfe und Unterstützung verlassen hätten. Besonders deutlich wird dies im Zusammenhang mit der Entlassung der filles d’honneur der ersten Dauphine, wonach diese Zuflucht bei weiblichen Verwandten genommen hätten1948. Amtsträgerinnen werden aber auch als Leidtragende familiärer Solidarität anderer Hofangehöriger erwähnt, vor allem wenn sie eine besondere Privilegierung erfuhren wie die Duchesse de Saint-Simon, über die es heißt, sie sei zu einer Reise des Hofes nach Fontainebleau zugelassen worden und habe dadurch die »jalousie de toutes les autres et de leurs familles«, die dieses Vorrecht nicht genossen, auf sich gezogen1949. In den Quellen wird der aktive Einsatz adeliger Amtsträgerinnen zu Gunsten ihrer Angehörigen der Reziprozität verwandtschaftlicher Beziehungen und der damit verbundenen Loyalitäten zugeschrieben. Vor diesem Hintergrund erschien er in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung geradezu selbstverständlich1950, wenngleich ausgesprochen erfolgreiche Frauen eigens

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beschrieben wird, ist der der Marquise de Dangeau, geborene Löwenstein/Levestein. Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 75–76. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 258–259; Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 147. Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 139. Hierbei übt Motteville Kritik am Umgang des Kardinals mit Geld, nicht nur weil er selbst hohe Summen beim Spiel verlor, sondern ebenso seine Nichte, die er mit entsprechenden Beträgen ausstattete. Vgl. ebd., S. 143–144. Vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 160: »Colbert […] par reconnaissance pour le d¦funt cardinal, son bienfaiteur, offrit ses services — la comtesse de Soissons.« Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 143–148. Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 128, wonach einige filles zu weiblichen Verwandten geschickt worden seien: »Pour Mlle de Biron, elle se retira avec Mme d’Urf¦, sa soeur, et ainsi elle ne quitta pas la cour entiÀrement. Mlle de Gramont et Mlle de S¦m¦ac, filles de M. le comte de Gramont, se retirÀrent — Paris chez Mme de Saint-Chaumont, leur tante; et l’on disoit que Mme la Princesse prenoit auprÀs d’elle Mlle de Montmorency«. Saint-Simon, M¦moires, Bd. IV, S. 306. Entsprechend schildert Saint-Simon, M¦moires, Bd. VI, S. 426, dass Madame de Marsan anlässlich ihres Todes von ihren Verwandten nicht betrauert wurde, da sie sie zunächst »par cr¦dit, et aprÀs par rang« mit viel »humeur« und »hauteur« behandelte. Ein Beispiel dafür, dass es auch im Rahmen des zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbaren lag, dass die verwandtschaftliche Verpflichtung zu Hilfeleistung wiederum ausgenutzt werden

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hervorgehoben wurden. Eine Amtsträgerin, für die dies im besonderen Maße zutrifft, ist die Princesse du Soubise, die von 1674 bis 1683 den Posten einer dame du palais de la reine bekleidete. Sie wird sowohl bei Caylus als auch bei Saint-Simon als äußerst ambitionierte Akteurin ihres Hauses beschrieben, die einzig mit der »grandeur« sowie den »int¦rÞts«1951 und »affaires« ihrer maison beschäftigt gewesen sei und alles daran gesetzt habe, die Einkünfte ihrer Angehörigen zu erhöhen und ihnen günstige Eheschließungen zu vermitteln1952. Eine ähnliche Darstellung findet sich auch bei Sourches für die Comtesse de Mailly, die aufgrund ihrer langjährigen Karriere im Hofdienst zur Quelle von »presque tout le bien« ihrer maison geworden sein soll, in der ihr die Rolle einer »ma„tresse femme« zugekommen sei1953. Und auch in Gestalt der Mar¦chale Duchesse de Noailles, 1674 bis 1683 dame du palais de la reine, findet sich eine Amtsträgerin, der Saint-Simon zuschreibt, eine »patriarche de sa nombreuse famille«1954 gewesen zu sein, die über »mari, enfants, famille, affaires, manÀges de cour« geherrscht und ihre maison durch zahlreiche Allianzen am Hof vernetzt und etabliert habe1955. Die Aktivitäten, die adeligen Amtsträgerinnen wie den genannten mit Bezug auf ihre Rolle als Verwandte zugunsten ihrer maison am Hof zugewiesen wurden, waren vielfältig und bewegten sich weitgehend in dem bereits eingangs skizzierten Handlungsrahmen für Frauen des zweiten Standes. Die Memoiren von Sourches vermitteln einen ersten Eindruck davon, wie unterschiedliche Amtsträgerinnen auf der höfischen Oberfläche für ihre maison, der sie über Geburt und/oder Eheschließung verbunden waren, zum Vorschein kommen konnten. Als Vertreterinnen ihrer Häuser hätten sie dem König für Gnadenerweise gedankt, die ihnen und ihren Verwandten gewährt worden seien1956, hätten um die Zustimmung zu geplanten Eheschließungen gebeten1957 oder Familienmitglieder am Hof eingeführt, indem sie sie zur sogenannten pr¦sentation bei der famille

1951 1952 1953 1954 1955

1956 1957

konnte findet sich ebd., Bd. XV, S. 280–283. Demzufolge habe ein Mann namens Listenois seine Schwiegermutter, die Comtesse de Mailly, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen um einen großen Betrag erleichtert, den sie als vermeintliches Lösegeld zahlte. Caylus, Souvenirs, S. 52. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, wo sich unter ihrem Namen zahlreiche Einträge unter dem Indexvermerk »Sa liaison avec le Roi; leur maniÀre d’Þtre ensemble; son cr¦dit; avantages qu’elle obtient pour son mari et sa maison« finden. Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 51–53. Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 109, Fn. 1. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVI, S. 383. Ebd., S. 381. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. XV, S. 361. Dort entwirft Saint-Simon anhand der Noailles einen Eindruck davon, welche Bedeutung seiner Ansicht nach der Mar¦chale Duchesse beim Eingehen von Allianzen sowie der Vernetzung und Etablierung ihrer maison am Hof zukam. Vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. XII, S. 10–11. Vgl. z. B. ebd., S. 126.

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royale begleiteten1958. Vor allem Letzteres weist eine geschlechtsspezifische Konnotation auf, die mit dem zeremoniellen Charakter des Anlasses in Verbindung steht. So wurde eine frisch vermählte Frau durch ihre weiblichen Verwandten und die ihres Bräutigams am Hof eingeführt, was gleichzeitig eine Gelegenheit war, den ¦clat der jeweiligen Verbindung zweier Häuser in Szene zu setzen. Eine in diesem Sinne besonders bemerkenswerte Einführung soll die Duchesse de Louvigny erhalten haben, über die Sourches berichtet: »on n’avoit point encore vu un pareil cortÀge de dames que celui dont elle ¦toit accompagn¦e, et en attendant le Roi, elles ¦toient dans sa chambre, assises tout d’un rang en cet ordre: la duchesse de Guiche, la mari¦e, la duchesse d’HumiÀres, la duchesse de Ventadour, la duchesse du Lude, la duchesse de la Fert¦, la mar¦chale d’Estr¦es, la marquise de la ValliÀre, la marquise de Beaumanoir et la marquise de Gondrin.«1959

Darüber hinaus fällt auf, dass Amtsträgerinnen immer wieder in der Rolle der Beschützerin und Bewahrerin von Adelshäusern Erwähnung finden, so wenn sie bei Streitfällen vermittelnd eingreifen1960, brisante Informationen geheim halten1961 oder dafür Sorge tragen, dass einzelne Familienmitglieder, die dem Haus gefährlich werden konnten, vom Hof entfernt wurden1962. Die Fürsorge für ihre maison wird auch greifbar in der häufigen Erwähnung ihres Einsatzes für kranke und pflegebedürftige Angehörige, für die sie sich trotz ihrer Dienstverpflichtungen hätten zeitweilig vom Hof entfernen dürfen1963. Was die Handlungsmöglichkeiten adeliger Frauen in Hofämtern in der Wahrnehmung aller Memoirenschreiber im Besonderen auszeichnet, war die Nutzung ihrer privilegierten Position und ihrer sozialen Beziehungen am Hof, über die sie Angehörigen Vorteile verschafften1964. Die aktive Förderung von 1958 Vgl. z. B. ders., M¦moires, Bd. I, S. 432; Bd. X, S. 50; Bd. XI, S. 59. 1959 Ders., M¦moires, Bd. XII, S. 166. Unter den genannten adeligen Frauen befanden sich auch Amtsträgerinnen, so in Gestalt der Duchesse de Ventadour, der Duchesse du Lude, der Mar¦chale d’Estr¦es, der Marquise de la ValliÀre und der Marquise de Gondrin. 1960 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 156; Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 140. 1961 Vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 80. 1962 Dies wird von Caylus, Souvenirs, S. 88–89, im Zusammenhang mit der Verwicklung der Mar¦chale d’Albret, dame du palais der Königin, in die Liebesangelegenheiten des Königs thematisiert. Die Mar¦chale führte eine Verwandte ihres Mannes am Hof ein und sorgte auch für ihre Entfernung von demselben. Anlass dafür soll der Rat von Freundinnen gewesen sein, die sie darauf hinwiesen, dass wenn sie diese junge Verwandte lange am Hof behielt, eine Liebschaft mit dem König entstehen könnte, deren Schande ihr angelastet werden würde, da sie es gewesen sei, die die junge Frau hatte holen lassen. Daraufhin habe die Mar¦chale die junge Frau plötzlich und unter dem Vorwand einer Krankheit des Mar¦chal nach Paris gebracht. 1963 Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. X, S. 319; Bd. XII, S. 55. 1964 Vgl. z. B. BM, Venel, S. 26. Vgl. auch Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 70–71.

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Verwandten habe bereits damit begonnen, sie an den Hof zu holen oder sich für ihre Rückkehr aus dem Exil einzusetzen1965. Vor allem wurde sie aber darin gesehen, dass sie Verwandten Zugang zu zentralen Entscheidungsträgern vermittelten bzw. bei diesen durch Fürsprache1966 und den Einsatz ihres cr¦dit1967 Ehren1968, Einkünfte1969 und andere Gunsterweise erlangten1970. Besonders häufig wird in den zeitgenössischen Quellen ihr Einsatz für die Sicherung von Posten im königlichen Dienst thematisiert, und zwar gleichermaßen für Männer und Frauen ihres Hauses1971. In den überlieferten Fällen verliehen das Vertrauensverhältnis ebenso wie im königlichen Dienst erworbene Meriten von Familienangehörigen oder der Amtsträgerinnen selbst ihren diesbezüglichen Bestrebungen Gewicht. Hofämter oder andere Posten wurden dabei nicht selten als Belohnung oder Entschädigung vergeben1972. Die zeitgenössischen Darstellungen zeigen auch, dass es im Rahmen des Denk-, Sag- und Machbaren lag, dieselbe ›Transaktion‹ auch in umgekehrter Richtung vorzunehmen, denn Frauen wurde ebenso wie ihren männlichen Standesgenossen die Möglichkeit eingeräumt, selbst im Hofdienst Meriten zu erwerben. Als Beispiel kann hier der Fall der Duchesse d’Arpajon und ihrer Tochter dienen1973. Über die Duchesse wird berichtet, sie habe im Zuge ihrer Ernennung zur dame d’honneur der Dauphine für ihre Tochter den Posten einer fille d’honneur in derselben maison gefordert 1965 Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 220–221, die über die Princesse de Monaco berichtet, dass sie sich für die Rückkehr ihres Bruders an den Hof einsetzte und zu diesem Zweck »mille intrigue« anzettelte. 1966 Vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 83–84. 1967 Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 189, wonach die consid¦ration, die der König für die Comtesse de Gramont hegte, ihren Bruder davor bewahrt haben soll, direkt in die Bastille zu wandern. 1968 Vgl. BM, Venel, S. 26. 1969 Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 51–53. 1970 Vgl. z. B. Spanheim, Relation de la cour de France, S. 330. Vgl. auch Caylus, Souvenirs, S. 58, wonach sich Madame de Montespan für eine weibliche Verwandte einsetzte, um sowohl sie als auch sich selbst beim König in faveur zu bringen. 1971 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 213, wonach Madame de Montgon ihren Posten als dame du palais de la duchesse de Bourgogne ihrer Mutter, Madame d’Heudicourt, verdankte, die für sie das Denken übernahm und sich nicht vom Hof und Madame de Maintenon entfernte. Ein weiteres Beispiel bei dem sich gleich zwei weibliche Verwandte, eine Schwiegermutter und Großmutter, für einen Mann eingesetzt haben sollen, um ihm ein frei gewordenes gouvernement zu verschaffen, findet sich bei Sourches, M¦moires, Bd. VIII, S. 318. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. III, S. 81, Fn. 2, wo er einen Hinweis darauf gibt wie selbstverständlich verwandtschaftliche Verbindungen und darüber bestehende freundschaftliche Beziehungen zu einer hohen Entscheidungsperson als Garant für das Erlangen bestimmter Vorteile, hier eines militärischen Ranges, wahrgenommen wurden. 1972 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 180–181. 1973 Vgl. für weitere Beispiele von Amtsträgerinnen, die weiblichen Verwandten Hofämter verschafften: Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIII, S. 455; Bd. XXIV, S. 192–193.

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und auch erhalten. Mademoiselle d’Arpajon sei sogar premiÀre fille d’honneur geworden, was ihrer Sonderstellung als Tochter einer Amtsträgerin entsprach1974. Jahre später, anlässlich der Einrichtung des Hofstaats der zweiten Dauphine erhielt die Tochter den Posten einer dame pour accompagner, was wiederum ihrer Mutter als Entschädigung für die entgangene Charge der dame d’honneur in der selben maison dienen sollte. Dass in solchen Fällen der Nähe des Verwandtschaftsverhältnisses eine Rolle beigemessen wurde, verdeutlicht auch das Beispiel der Mar¦chale de Rochefort, die zwar die Verleihung eines Postens an ihren Sohn als Entschädigung für ihre eigenen, gescheiterten Ambitionen begriffen haben soll, die Beförderung einer ihrer Cousinen in eine Hofcharge hingegen als Affront1975. Der Einsatz für weiter entfernte Verwandte wird eher hervorgehoben, wenn Amtsträgerinnen kinderlos blieben und infolgedessen sich für die Begünstigung und Förderung ihrer Geschwister und deren Kinder stark machten1976. Im Zusammenhang mit Madame de Venel, dame du palais de la reine und sous-gouvernante des enfants de France, wird nur von männlichen Nutznießern berichtet1977 und ein Neffe und einziger Sohn ihres Bruders besonders herausgestellt. Seine Tante habe ihn an den Hof geholt, ihm dort einen Platz in der »premier compagnie des mousquetaires noirs« vermittelt und die Erlaubnis erlangt, ihn beim König vorzustellen, der ihm »beaucoup d’accueil« gewährt und auch »dans une occasion ¦clatante« besonders ausgezeichnet habe. Derselbe Neffe sei einige Jahre später »en consid¦ration des services« seiner Tante vom König ins »r¦giment dauphin dragon« berufen worden und habe auch weiterhin von der »faveur« des Königs profitiert1978. Wie die bisher angeführten Beispiele aus Memoiren der Zeit zeigen, waren es nicht nur Frauen, für die es im Rahmen des Denkbaren lag, aus den Verdiensten weiblicher Verwandter Vorteile zu ziehen. Belege dafür, dass dies auch Männern 1974 Vgl. EDF (1687), S. 623. Wie aus Einträgen des »Êtat de France« hervorgeht, stand es der dame d’honneur der Dauphine zu, eine ihrer Töchter zur ersten fille d’honneur ihrer Herrin zu erheben, ohne dass diese der »inspection de la Gouvernante, ny de la So˜Gouvernante des autres« unterstand. Diese premiÀre fille d’honneur sollte bei zeremoniellen Anlässen den Vortritt vor den anderen filles d’honneur gewährt werden; ebenso stand ihr der erste Platz in der Kutsche zu. 1975 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 180–181. 1976 Der Tod leiblicher Kinder, für die man sich hätte einsetzen können, galt zeitgenössisch aber auch als legitimer Grund dafür, die Bemühungen um Vorankommen am Hof gänzlich einzustellen. Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 142–143, der am Beispiel von Madame de Cl¦rambault aufzeigt, dass diese ihren Posten als dame d’honneur de Madame niederlegte, nachdem ihr einziger Sohn, der Duc de Choiseul, ums Leben gekommen war. 1977 Außer ihren Neffen werden auch ein Cousin erwähnt, der ein »Brevet de Conseiller d’Etat« (BM, Venel, S. 20) erhielt, sowie einer ihrer Brüder, der ein Bistum bekam (ebd., S. 25). 1978 Ebd., S. 26–27.

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möglich war, finden sich ebenso in administrativen Schriftstücken wie den »lettres de Grand d’Espagne«, die im Januar 1723 für den Comte de la MotteHoudancourt ausgestellt worden sind. Als Rechtfertigung für seine Erhebung wird sowohl auf seine militärische Laufbahn als auch auf die dort von ihm unter Beweis gestellte »valeur« und »sagesse« referiert. Des Weiteren heißt es, dass der König darüber der »estime singuliere« für seine Person, seine »merite« und »actions« Ausdruck verleihen wollte, und dies ebenso »en consideration« seiner Verwandten tat, der »tres chere et bien am¦e Cousine la duchesse de Ventadour« – der ehemaligen gouvernante des Königs1979. Ähnliches findet sich auch für die Comtesse de Mailly, deren Sohn und Tochter mit dem Verweis auf die von ihr zwischen 1692 und 1731 erbrachten (Ver-)Dienste eine königliche Pension erhielten1980. Gleichwohl stellte die Gewährung entsprechender Vorteile infolge geleisteter services eine Gnade dar und erfolgte nicht zwangsläufig1981. Während bisher weitgehend die positiven Auswirkungen verwandtschaftlicher Beziehungen herausgestellt wurden, lassen Memoiren auch die Kehrseite derselben nicht unerwähnt. Denn wenn Mitglieder eines Hauses durch ihr Verhalten und Handeln Ehrgewinn erzielen konnten, barg dies auch das Risiko des Ehrverlusts für eine ganze Familie1982. Dies tritt besonders deutlich bei Konflikten und Ungnaden zum Vorschein1983 – wie sie zahlreich in den hier untersuchten Quellen erwähnt werden –, die nicht nur dem Einzelnen, sondern auch den Angehörigen seiner gesamten maison zum Nachteil gereichen konnten1984. Aufgrund der im zeitgenössischen Verständnis mit verwandtschaftlichen Bindungen geradezu selbstverständlich einhergehenden Verpflichtung zu Loyalität1985 blieben Feindschaft und disgr–ce selten auf ein einzelnes Famili1979 AN O1 67, fol. 3–5. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. IX, S. 279, der darauf Bezug nimmt, aber schreibt, dass es Madame de Ventadour gewesen sei, die »une grandesse pour le comte de la Motte« erlangte. Vgl. auch ebd., Bd. XVII, S. 356, wo es weiter heißt, dass sie ihn »comme le sien« betrachtete. 1980 Vgl. AN O1 78; O1 53. Gleiches wird auch für adelige Männer überliefert, deren Pensionen beispielsweise nach ihrem Tod an ihre Kinder übertragen worden seien (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. VI, S. 165). 1981 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVII, S. 76, der den Fall einer Amtsträgerin kritisiert, die die Übertragung einer Pension des Königs auf ihre mittellosen Töchter erbat, dem nicht entsprochen wurde, was seiner Ansicht den »cr¦dit des mourants« widerspiegelte, die zuvor »les plus aim¦s et les plus distingu¦s« gewesen waren. 1982 Vgl. Demel, Der europäische Adel, S. 11. Hier wird das Beispiel der Eheschließung verwendet. 1983 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 260. 1984 Vgl. z. B. BM, Venel, S. 9, die mit Bezug darauf ihrem Schützling Maria Mancini ausgemalt haben soll, dass durch die von ihr gewünschte Verbindung mit dem König ihr Onkel, der Kardinal Mazarin, seinen »cr¦dit« verlieren würde. 1985 Ein Beispiel dafür findet sich bei Caylus, Souvenirs, S. 86. Sie schreibt im Zusammenhang zweier Schwestern, der Duchesse de Chevreuse und der Duchesse de Beauvillier, dass beide eine enge Freundschaft mit der Maintenon verband und sie Ehre daraus bezogen, der

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enmitglied beschränkt1986. Die Ausweitung auf nahe Angehörige kommt bei einem von Sourches geschilderten Fall zum Ausdruck, der von einer ehemaligen fille d’honneur berichtet, die vom König eine geringe Geldsumme erhalten haben soll. Auf die Vorhaltung, damit Monsieur de Polignac, dem Ehemann der fille und »homme de qualit¦«, der sich nie etwas hatte zu Schulden kommen lassen, ein »¦trange d¦go˜t« zu bereiten, soll Ludwig XIV. erwidert haben, dass »son aversion« nicht dem Ehemann galt, sondern dessen Mutter für ihre Beteiligung an der »affaire des poisons«1987. Nicht nur in diesem Fall tritt am Beispiel eines Ehepaars die Nähe zwischen Gnade und Ungnade besonders deutlich hervor. Adelige Amtsträgerinnen werden in den untersuchten Ego-Dokumenten besonders oft in ehelichen Verbindungen behandelt, was mit dem bereits angeführten genealogischen Befund von Horowski korreliert. Der Hofdienst schien im zeitgenössischen Verständnis Eheschließungen geradezu zu begünstigen1988, konnte aber auch Komplikationen herbeiführen, wenn wie im Fall des Marquis und der Marquise de Ch–tillon, Eheleute sich durch ihre Hofchargen auch nach einer Trennung dazu genötigt sahen, ihr Leben weiterhin am selben Ort zu verbringen1989. Primi Visconti weist die Beobachtung, wonach sich Ehepaare überhaupt trennten bzw. eine Frau getrennt von ihrem Ehemann lebte, als eine französische Besonderheit aus, der »quasi toutes les femmes de ce pays-ci« gefolgt seien. Dass auch »quasi presque toutes les dames de Paris« nicht mit ihren Ehegatten zusammen lebten, führt er darauf zurück, dass Trennungen in Frankreich leicht durchzuführen seien, was er wiederum in Verbindung bringt mit der »grande libert¦ de mœurs« und der »grande abondance d’hommes«1990. Idealerweise sollte ein Ehepaar jedoch eine auf Aufgabenteilung basierende Einheit bilden, die beiden zum Vorteil gereichte. Dies schien selbst bei Personen zu gelten, denen der Memoirenschreiber ablehnend gegenüberstand, wie das Beispiel Saint-Simons zeigt, der die Gefolgsleute von Madame de Maintenon, den Marquis und die Marquise d’O, trotz wenig schmeichelhafter Einzelportraits

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Montespan niemals den Hof gemacht zu haben, »malgr¦ l’alliance que M. Colbert leur pÀre« durch die Verheiratung seiner dritten Tochter mit dem Duc de Mortemart, ihrem Neffen, geschmiedet hatte. Vgl. Spanheim, Relation de la cour de France, S. 126, der dort den Fall des Duc de Bouillon behandelt, der aufgrund des Verhaltens seiner Ehefrau und seines Sohnes in Ungnade gefallen und vom Hof verbannt worden sei. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 368. Bei der genannten affaire de poisons handelt es sich um einen Giftmischerskandal, in dem zwischen 1675 und 1682 verschiedene Damen des Hofes bezichtigt wurden, durch schwarzmagische Praktiken und Gift versucht zu haben, die amtierende Mätresse zu entfernen, um sich selbst zur Königsgeliebten zu machen. Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXIII, S. 362. Vgl. ders., M¦moires, Bd. XIV, S. 121. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 81, 85.

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als ideale Ergänzung füreinander beschreibt1991, die u. a. zur Berufung von Madame d’O zur dame du palais geführt haben soll1992. Der Erfolg einer entsprechenden Verbindung konnte aber auch seinen Ausdruck darin finden, dass ein Ehemann über seine Ehefrau zu vorteilhaften sozialen Kontakten gelangte1993. Entsprechend werden Amtsträgerinnen häufig in ihrer Rolle als Ehefrau thematisiert, die passiv wie aktiv ihrem Gatten zu Vorteilen verhalfen. Bereits die Eheschließung mit einer fille d’honneur konnte einem Ehemann ein Hofamt einbringen, wie dies vom Marquis d’Urf¦ berichtet wird, der über die Heirat mit Mademoiselle de Gontaut vom König die Charge eines »menin de Monseigneur«1994 erhalten haben soll. Als bereits verheiratete Frauen hätten sich Amtsträgerinnen entsprechend zeitgenössischer Darstellungen ganz aktiv zugunsten ihrer Ehemänner eingesetzt, indem sie an der höfischen Interaktion teilnahmen und sich die dort gängigen Handlungslogiken zunutze machten. Ihre Aktivitäten hätten die Beteiligung an Intrigen1995, die Abwehr schädlicher Gerüchte1996 sowie Maßnahmen zur Erhöhung des Kredits ihres Gatten und seiner Privilegien umfasst1997. Auch lag es im Rahmen des Denkbaren, dass eine Amtsträgerin die faveur und den cr¦dit, den sie bei einer hochrangigen Person genoss, zu Gunsten ihres Ehemannes und zur Förderung seiner Karriere einsetzte1998. Im Zusammenhang mit dem Duc de Montausier wird darauf verwiesen, dass er bei der Vergabe der Charge des gouverneur de dauphin gegenüber anderen Bewerbern sowohl aufgrund seiner persönlichen Qualitäten als auch der faveur seiner Ehefrau, die dame d’honneur de la reine und »confidente des amours du Roi pour Mme de Montespan« war, bevorzugt worden sei1999. Der Ehefrau des Mar¦chal d’HumiÀre wurden sogar noch größere Einflussmöglichkeiten zugeschrieben, denn es wird allein ihrer »manÀge« angerechnet, ihrem Ehemann die Marschallwürde verschafft zu haben2000. 1991 Für ein weiteres Beispiel eines gemeinsam agierenden Ehepaares in Gestalt des Duc und der Duchesse de Richelieu, dame d’honneur de la dauphine, vgl. Caylus, Souvenirs, S. 66– 67. 1992 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 202–204. 1993 Vgl. ders., M¦moires, Bd. V, S. 173–174, der dies auch im Zusammenhang mit dem Duc de B¦thune anspricht, der nur wegen seiner Ehefrau überhaupt von bestimmten Personen aufgesucht wurde. 1994 Caylus, Souvenirs, S. 74. 1995 Vgl. z. B. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 220. 1996 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXVII, S. 225–228. 1997 Vgl. z. B. Spanheim, Relation de la cour de France, S. 330. 1998 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIII, S. 233; Bd. X, S. 364–365. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. III, S. 10–13, wonach die Marquise de Cl¦rambault, dame d’honneur de madame, »le cr¦dit« besaß, ihren Ehemann zum premier ¦cuyer ihrer Herrin erheben zu lassen. 1999 Spanheim, Relation de la cour de France, S. 40. 2000 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIII, S. 330, heißt es: »en effet Å’a ¦t¦ plutút la faveur de la cour

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Die Unterstützung einer Ehefrau am Hof wurde für einen Ehemann umso bedeutender, wenn er sich aufgrund militärischer, diplomatischer oder administrativer Aktivitäten nicht dauerhaft am Hof aufhalten konnte oder selbst kein Hofamt bekleidete, das ihm Zugang zu Privilegien und Handlungsmöglichkeiten eröffnete. Ein besonders prominentes Beispiel dafür, welche Vorteile das Amt einer Ehefrau für einen Ehemann ohne entsprechende Verankerung am Hof spielen konnte, bietet Saint-Simon selbst. Im Zusammenhang mit der Vergabe der Charge der dame d’honneur der Duchesse de Berry an seine Ehefrau, die beide Eheleute als unter ihrer Würde begriffen und daher zunächst abzuwenden suchten, zeigt sich zum einen, wie sie sich gemeinsam für die Belange ihres Hauses einsetzten, und zum anderen, welche Bedeutung und Vorteile einer entsprechenden Hofcharge beigemessen wurde2001. Demnach soll die Duchesse de Bourgogne der Duchesse de Saint-Simon vorgehalten haben, dass die ihr angebotene Charge für ihren Ehemann »un puissant bouclier« vor seinen Feinden und der bisher erlittenen »disgr–ce« bieten könnte. Auch würde sich ihrem Gatten darüber »un chemin facile« zum König eröffnen, dem er sich besser bekannt machen könnte, woraus sich wiederum viele weitere Vorteile ergeben würden2002. Letztlich betont auch Saint-Simon selbst, dass die von seiner Frau durch die Ausübung ihres Hofamtes erworbenen m¦rites ihm sein ganzes Leben lang »un grand soutien et une puissante ressource« geboten haben. Hierbei lobt er vor allem Tugenden wie vertu, douceur, sagesse und grand sens, aber auch die discr¦tion, mit der sie ihr Amt ausgeübt und »la plus grande consid¦ration« sowohl der Duchesse de Bourgogne wie der Duchesse de Berry erlangt haben soll2003. Da Ehepaare in Glück und Unglück miteinander verbunden waren, treten sie in den zeitgenössischen Darstellungen als regelrechte ›Schicksalsgemeinschaften‹ in Erscheinung, deren gemeinsames Interesse darin liegen sollte, die einem

et la complaisance de feu M. de Turenne pour Mme d’HumiÀres, qui lui procura le b–ton de mar¦chal, que pour s’Þtre dÀs lors fort signal¦ ou distingu¦ dans la guerre. Le grand m¦nagement qu’il a continu¦ depuis d’avoir pour la cour, et en particulier pour M. de Louvois, et le manÀge de la mar¦chale d’HumiÀres ont contribu¦ dans la suite — appuyer son cr¦dit, et — lui procurer mÞme, non seulement le gouvernement des pays conquis en Flandres et autres du Pays-Bas espagnol, mais encore la charge de grand ma„tre d’artillerie«. 2001 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 240–248. Vgl. auch Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 135, der ein weiteres Beispiel dafür anführt, dass die Ehren, die einem Ehemann durch seine Ehefrau zuteilwerden konnten, nicht immer willkommen waren. Demnach habe der Ehemann der Königsmätresse, Madame de Montespan, verlauten lassen, dass er die ihm für die »services de sa femme« angetragene Erhebung zum Duc nicht annehmen werde. 2002 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 246. 2003 Ders., M¦moires, Bd. XXII, S. 42–43.

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von beiden drohende Ungnade abzuwenden2004 und damit die gemeinsame Ehre zu wahren. Dementsprechend erwecken die Quellen nicht selten den Eindruck, dass von Ehemännern loyaler Einsatz für ihre Gattinen erwartet wurde, der bei Konflikten auch in einem Duell münden konnte2005. Mit der Ausübung körperlicher Gewalt kam dem Ehemann eine Handlungsoption zu, die für adelige Frauen auf normativer Ebene nicht zulässig war2006. Ein von Motteville und Caylus besonders ausgiebig behandelter Fall einer ehelichen Schicksalsgemeinschaft bieten der Duc und die Duchesse de Navailles, die durch die Auseinandersetzung um den Zugang zu den filles d’honneur in die Ungnade des Königs gefallen sein sollen, was sie das »Gouvernement du Havre-de-Grace«, die »Lieutenance des Chevaux-Legers« und den Posten der dame d’honneur de la reine gekostet habe2007. Dabei werden sowohl Ehefrau als auch Ehemann als besonders tugendsam beschrieben, was u. a. darüber deutlich gemacht wird, dass der Duchesse nicht nur eine »disgr–ce honorable« widerfahren sei, sondern der Duc als ihr Ehemann diese auch noch mitgetragen habe2008. Doch ebenso, wie es im Rahmen des zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbaren lag, dass Ehemänner das Handeln ihrer Ehefrauen unterstützten, bot sich ihnen die Möglichkeit, es einzuschränken. So gesucht, wie manche Gattin als Vermittlerin zu ihrem Ehemann war2009, als so nutzlos konnte sie sich auch erweisen. Letzteres bezieht Primi Visconti vor allem auf den König und dessen Minister, die von ihren Ehefrauen Folgsamkeit erwartet haben sollen2010, sodass der Einsatz einer solchen Frau sogar das Potenzial barg, dem vermeintlich Begünstigten geradezu zum Nachteil zu gereichen2011. 2004 Vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 83–84, der darstellt, wie besonders bei drohender Ungnade, die »soumission« einer Ehefrau bei zentralen höfischen Entscheidungsträgern zu einer Rettung des Ehemanns führen konnte. 2005 Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 195–196. 2006 Dass Frauen in den untersuchten Quellen dennoch als Personen thematisiert werden, die Gewalt ausübten, zeigt sich am Beispiel der Princesse d’Harcourt, über die berichtet wird, sie sei einer Bediensteten gegenüber gewalttätig geworden (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 375). 2007 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 318–321. 2008 Caylus, Souvenirs, S. 73. 2009 Welcher Einfluss Ehefrauen auf ihre Männer zugeschrieben wurde, zeigt sich am Beispiel der Harcourt; so schrieb selbst die spanische Königin an die Duchesse d’Harcourt, »par laquelle elle lui demandoit ses bons offices auprÀs du duc son mari«, der »une place dans la Junte imm¦diatement aprÀs la reine« erhalten hatte (Sourches, M¦moires, Bd. VII, S. 1). 2010 Vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 55. 2011 Dies veranschaulicht ein ebenfalls von Primi Visconti beschriebenes Ereignis, das ihm selbst widerfahren sein soll: »Le soir du dernier jour de janvier, Mlle d’Elbeuf me fit entrer chez la Reine qui s’¦tait d¦j— retir¦e dans sa chambre. La Reine me dit que j’¦tais un homme de bien et qu’elle voulait demander pour moi une abbaye. Je me sentis transport¦ au ciel, d’autant plus que je ne cherchais rien; le lendemain matin je me r¦veillai, engraiss¦ d’un doigt, tant je croyais l’affaire faite. J’allai remercier Mlle d’Elbeuf«. Weiter heißt es jedoch:

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Trotz der zuvor angeführten Beispiele und der für adelige Amtsträgerinnen aufgezeigten Bedeutung als höfische Bezugs- und Verbindungspersonen, reduzierten sich ihre zeitgenössisch denk-, sag- und machbaren Handlungsoptionen nicht allein auf das Vorankommen ihres Hauses und ihrer Verwandtschaft. Als höfische Akteurinnen können sie zwar im Kontext von familiären Strategien verortet werden2012, dennoch werden sie in den Quellen auch als Personen greifbar, die eigenverantwortlich und in ihrem persönlichen Interesse handelten. Entsprechend konnte der Einsatz für Angehörige auch zu ihrem eigenen Vorteil gereichen, wie der Fall der Mar¦chale Duchesse de la Motte-Houdancourt deutlich macht, die einem Neffen ein gouvernement verschafft haben soll, für das sie sich selbst einen Teil der Einkünfte sicherte und auch noch eine Erhöhung ihrer eigenen Pension erwirkte2013. In den untersuchten Ego-Dokumenten wird jedoch eine gewisse Diskrepanz der Handlungsmöglichkeiten abhängig vom Familienstand sichtbar. Ist die Rede von filles d’honneur, so beschränken sich die Darstellungen häufig darauf, welche Vorteile sich aus dieser Position für ihre Eheschließung bzw. ihren zukünftigen Ehemann ergaben. Von ihnen selbst als Hofakteurinnen, die für ihre jeweilige Herkunftsfamilie aktiv am Hofleben teilnahmen, ist seltener die Rede. Sie erscheinen für ihre Herkunfts- und Heiratsfamilie eher in passiver Hinsicht von Bedeutung, nämlich als Personen, über die Verbindungen hergestellt oder bestimmte Vorteile von der Königsfamilie gesichert wurden. Demgemäß werden sie selbst auch eher als Familienmitglieder thematisiert, die von den Meriten ihrer maison profitierten, da sie selbst aufgrund ihres niedrigen Alters meist noch über keine eigenen Verdienste verfügten2014. Dies deckt sich mit dem Befund von Katrin Keller für den Wiener Hof, wonach auch dort »Hofdamen aufgrund ihrer Stellung als unverheiratete Frauen« über geringere Chancen verfügt haben, »aktiv zugunsten von Familie bzw. Freundschaft einzugreifen«, aber dennoch von erheblicher Bedeutung für die Sicherung von Zutrittsrechten zur Fürstenfamilie und die Heiratspolitik ihrer Familien gewesen sind2015. Insbesondere im Vergleich zu der ledigen Frauengruppierung im höfischen Dienst werden ihren verheirateten Amtskolleginnen in den untersuchten

2012 2013 2014 2015

»Je racontai — la comtesse de Soissons ma fortune; elle se mit — rire, puis — rire encore et finit par me dire que la Reine n’osait pas seulement remuer les lÀvres pour qui que ce soit devant le Roi, que Mlle d’Elbeuf ¦tait une menteuse bien qu’elle f˜t de la maison de Lorraine, que l’une et l’autre n’avaient aucun cr¦dit et que leur bonne volont¦ me ferait perdre le mien.« (ebd., S. 65) Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 65. Ruppel betont, dass es als regelrecht unehrenhaft galt, die Anliegen von Angehörigen am Hof nicht zu befördern. Vgl. auch Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 440. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 132–135. Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 169. Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, Absatz 31.

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Quellen größere Handlungsmöglichkeiten eingeräumt. Hierbei kommen auch die Unterschiede zwischen den Hofämtern zum Tragen, denn der Status einer verheirateten Frau war bis auf wenige Ausnahmen Voraussetzung für die Bekleidung einer hochrangigen Position2016. Dies trifft auch gewissermaßen auf Witwen zu2017, wenngleich in den Quellen nicht explizit thematisiert wird, dass sie aufgrund ihres Familienstandes eine besondere Bevorzugung genossen2018. Sie erfuhren aber ebenso wenig eine Benachteiligung, denn wie ihre verheirateten Amtskolleginnen bekleideten sie die höchsten Hofämter2019, woraus sich wiederum Handlungsmöglichkeiten ergaben, die die ihres Witwenstands übersteigen konnten2020. So heißt es über Madame de Nogaret, zunächst fille d’honneur der ersten Dauphine, dass sie nach dem Tod ihres Mannes arm und kinderlos zurückblieb, sodass sie völlig vom Hof abhängig gewesen sei. Diese Mittellosigkeit, die Bindung an den Hof und die gute Beziehung zu einer höher gestellten Person, nämlich Monseigneur, hätten ihr jedoch zu einem Hofposten als dame du palais verholfen2021. Auch über Madame de Villefort heißt es bei Sourches, dass sie als Witwe, die mehrere Kinder, aber kein Vermögen besaß, nach Versailles gekommen sei, wo es ihr aufgrund ihres »bon esprit« gelungen sei, »les bonnes gr–ces de la marquise de Maintenon« zu gewinnen. Diese wiederum habe ihr die Position einer sous-gouvernante der Kinder des Duc und der Duchesse de Bourgogne verschafft, und zwar zum Nachteil vieler Konkurrentinnen, von denen eine von einem »grand prince« protegiert worden sei2022. Auch war es denkbar, dass der Hof geradezu zum Lebensmittelpunkt einer Witwe wurde, wie Saint-Simon über die Comtesse de Saint-G¦ran, dame du palais de la

2016 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 26. 2017 Zu Witwenschaft bei Fürstinnen und adeligen Frauen vom 13. bis zum 18. Jahrhundert vgl. Schattkowsky, Martina (Hg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Leipzig 2003 (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 6). Vgl. auch dies., Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Einführung, in: Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Hrsg. v. ders. Leipzig 2003 (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, 6), S. 11, wonach sich das Phänomen »Witwenschaft« Typisierungsversuchen versperrt, denn je »nach Zeit, Region, Rechtskultur, Sozialstatus, finanzieller Situation und persönlicher Prägung gestalteten sich die Lebensumstände von Witwen trotz gemeinsamer Erfahrung des Todes des Ehemannes höchst unterschiedlich.« 2018 Vgl. aber NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. VI, fol. 26v, aus dem hervorgeht, warum sie es für ein Verhängnis hielt, wenn eine reiche Witwe sich erneut verheiratete, denn da sie »herr undt meister von sich selber« sei könnte sie »gar glücklich leben ohne Man«. 2019 Vgl. hierzu in der vorliegenden Arbeit das Kapitel »Familienstand und Alter«, S. 98–100. 2020 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XI, S. 99–100, wonach Madame bewusst eine mit ihrem Ehemann entzweite und mittellose Duchesse für die Charge ihrer dame d’honneur suchte. 2021 Vgl. ders., M¦moires, Bd. III, S. 195–196. 2022 Sourches, M¦moires, Bd. XII, S. 80–81, Fn. 9.

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reine, berichtet, die zu einer regelrechten Kreatur des Hofes wurde, da sie ihn nicht mehr verließ und auch nirgendwo sonst einen Wohnsitz besaß2023. Die Bedeutung der in Ego-Dokumenten für adelige Amtsträgerinnen greifbaren Handlungsmöglichkeiten wird jedoch erst vor dem Hintergrund der eingangs skizzierten handlungsleitenden Prämissen des französischen Adels in Gänze sichtbar. Demgemäß barg das adeligen Amtsträgerinnen zeitgenössisch zugeschriebene Handlungsspektrum ein großes Potenzial, in der sozialen Rolle der Verwandten einen Beitrag sowohl zur dauerhaften Verwurzelung ihrer Häuser am Königshof als auch zur Mehrung von Macht und Status derselben zu leisten. Wie bereits im Zusammenhang mit Hofämtern dargestellt, erbrachten Amtsträgerinnen bereits mit der Bekleidung einer höfischen Charge einen Beitrag zu »Rang, Ehre und Ansehen« ihres adeligen Hauses, war doch ein Hofposten Prestigeobjekt2024 und seine Erlangung bereits ein Zeichen für Erfolg der jeweiligen Amtsträgerin und ihrer Familie2025, zumal es als Indikator für »eine privilegierte und langfristige Verankerung am Umschlagplatz aller Gnaden« galt2026. Entsprechend bedeutete es für adelige Familien weitaus mehr als nur eine Möglichkeit, ihre Töchter zu versorgen, einen Beitrag zu ihrer Ausbildung zu leisten oder eine standesgemäße Ehe zu begünstigen2027. Weibliche Verwandte in Hofposten zu platzieren war ein Symbol für die »Vernetzung innerhalb der höfischen Gesellschaft«2028. Daher wurde es auch als Glück verstanden, wenn der Duc de Luynes nicht nur seine Ehefrau, surintendante von Anna von Österreich, sondern auch seine Schwester, Madame du Vernet, im Hofstaat derselben, und zwar in der Position einer dame d’atour, platzieren konnte2029. Dies war für die französischen Adelsfamilien der Frühen Neuzeit umso bedeutender, als sie sich noch mehr als früher stets vom Abstieg bedroht sahen, da sie im Grunde nur noch erbliche Titel in die nächste Generation überführen konnten, während dies für Ämter, Gouvernements, Pensionen und Orden nicht mehr ohne Weiteres möglich war. Um dennoch den einmal erworbenen Rang- und Machtstatus zu halten, bedurfte es einer möglichst dauerhaften Verwurzelung am Königshof und damit der Quelle all dieser Privilegien, was Hofämter besonders attraktiv erscheinen ließ. Dabei waren selbst die Posten im Haushalt von vermeintlich machtlosen Königinnen wie Maria Theresia von Spanien und Maria Leszczyn´ska erstrebenswert, da sie einen gewissen 2023 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 70. 2024 Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, Absatz 9. 2025 Vgl. dies., Hofdamen, S. 155. Vgl. auch Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 37, 45, 48. 2026 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 37. 2027 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 23. 2028 Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, Absatz 9. 2029 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 160.

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Schutz vor Entfernung vom Hof boten. Entsprechend zeigte sich auch der höfische Erfolg eines adeligen Hauses darin, wie oft und regelmäßig es große Hofchargen verliehen bekam »und welches Maß an Kontinuität des Chargenbesitzes sie erreichten.«2030 Im Hofdienst lag dabei ein einzigartiges »Potential zur Schaffung dynastischer Kontinuität«2031, das seinen Ausdruck in einer noblesse de service fand, zu deren Entstehung und Etablierung männliche wie weibliche Angehörige von Adelsfamilien beitrugen, indem sie Ämter en survivance von Generation zu Generation weitergaben2032. Entsprechend kam aber auch Eheschließungen eine wichtige Rolle bei der Verankerung in der noblesse de service zu2033, die nicht selten am Anfang einer höfischen Karriere standen2034, sodass die Aussicht auf eine Stellung am Hof die Wahl eines Ehepartners beeinflussen konnte2035. Über Heiraten ließ sich die Verankerung am Hof weiter intensivieren, indem Familienmitglieder entsprechend einer Allianzstrategie gezielt in eine festetablierte Hoffamilie platziert wurden2036. Gleichzeitig waren sie ein sicherer Weg der innerhöfischen Vernetzung2037, bildeten sie doch die ›stabilste‹ und ›dauerhafteste‹ soziale Verbindung, die eingegangen werden konnte, die auch prinzipiell die solideste Unterstützung für das eigene Vorankommen bot, da sie »vom Streben nach standesgemäßer Versorgung zusammengehalten«2038 wurde. Da der Hofdienst auch verheirateten Frauen offenstand, war dies nicht nur für ihre Herkunftsfamilie von Vorteil, sondern vor allem für das Haus, in das sie einheirateten, denn verehelichte Amtsträgerinnen konnten gleich für zwei adelige Häuser einen wichtigen Beitrag zur dauerhaften Verankerung im höfischen Handlungsrahmen leisten, über survivance aktiv am Aufbau von Ämterdynastien mitwirken und als Bindeglieder verschiedener sozialer Netzwerke aktiv werden2039. Und selbst wenn es nicht gelang, diesen 2030 Horowski, Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 45–46. 2031 Ebd., S. 52. 2032 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 488. Hohe Hofämter wurden häufig von Ehepaaren ausgeübt, wobei der Ehemann eine Funktion im Haushalt des Königs und die Ehefrau im Haushalt der Königin oder dauphine wahrnahm. Beispiele für solche Familien sind die de Noailles und de Beauvillier. 2033 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 157–158; Marraud, La noblesse de Paris, S. 182–183. Vgl. auch Augustin, Lignages, S. 743, wonach dies dem zeitgenössischen Verständnis entsprach, dass man in der Eheschließung »un moyen« sah, »le lignage par alliance avec d’autres lignages« zu erhöhen. 2034 Vgl. Kettering, Patronage and kinship in early modern France, S. 420. 2035 Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 488. 2036 Vgl. ebd., S. 485, 488. 2037 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 157–158. 2038 Ders., Pouvez-vous trop donner pour une chose si essentielle?, S. 51. 2039 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 151, der zu der Feststellung gelangt, dass meist nur die Familien, in die Frauen einheirateten, einen Vorteil von ihren Hofämtern gehabt haben. Demnach sei es nicht nur wahrscheinlicher gewesen, dass sie in Konflikten zwischen ihren »families of birth and marriage« eher zugunsten der Letzteren

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Frauen eine wichtige Hofcharge zu verschaffen2040 – haben doch die Untersuchungen von Horowski ergeben, dass die Chancen einer Tochter aus einer nicht bereits am Hof etablierten Familie vergleichsweise schlecht standen, durch Heirat eine Charge für sich selbst zu bekommen, und noch schlechter, eine solche für Angehörige ihrer Herkunftsfamilie zu erlangen2041 –, waren sie doch unverzichtbare »maillons de r¦seaux d’alliances — la cour«2042. Versucht man nun vor diesem Hintergrund die Bedeutung der Geschlechtszugehörigkeit adeliger Amtsträgerinnen in der Ausübung der sozialen Rolle der Verwandten zu ermessen, so entsteht der Eindruck, dass sie nur in wenigen Zusammenhängen relevant wurde. Wie am Beispiel familiärer Meriten bereits angesprochen, wurden Frauen und Männer als Teil eines Hauses begriffen, zu dessen Ehre und Ansehen sie durch ihr Handeln beitragen sollten. Diese Familienlogik spiegelt sich auch in der Wertschätzung der Meriten, die männliche und weibliche Familienmitglieder erlangten und die u. a. bei der Gewährung von Vorteilen – wie sie beispielsweise Chargen darstellten – seitens der Krone berücksichtigt wurden. Entsprechend wird sowohl in administrativen Schriftstücken als auch in Ego-Dokumenten vielfach auf die von adeligen Frauen im Hofdienst erworbenen Verdienste und die positiven Auswirkungen auf Frauen und Männer ihres Hauses hingewiesen2043. Damit greift die Annahme von Kettering, dass adelige Frauen im Haushaltsdienst in erster Linie von den politischen Leistungen männlicher Verwandter profitiert haben, um in entsprechende Positionen zu gelangen, da es ihnen selbst verwehrt blieb, über direkte Teilnahme an Politik einen Beweis ihrer Vertrauenswürdigkeit als Voraussetzung für ein solches zu erbringen, zu kurz. Da für das Ansehen und das Vorankommen eines adeligen Hauses sowohl Frauen als auch Männer von Bedeutung waren, verwunderte es nicht, dass es im Rahmen des zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbaren lag, dass die von Amtsträgerinnen erworbenen Meriten ebenfalls positive Auswirkungen auf ihre weiblichen und männlichen Angehörigen haben konnten und das selbst noch Jahre nach ihrem Amtsaustritt. Zwar waren ihre Möglichkeiten im institutionellen Bereich fast nur auf Hofämter beschränkt, doch nahm ihre Geschlechtszugehörigkeit keinen Einfluss darauf, ob und was einem Verwandten gewährt wurde. Entsprechend profitierten weder Männer noch Frauen ausschließlich von den Verdiensten männlicher bzw. weiblicher Verwandter. Die Verdienste und das

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eingegriffen hätten, sondern auch dass »any success they might have in transmitting their office to the next generation would benefit their husband’s and children’s family rather than that of their parents.« Vgl. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 152. Leferme-FalguiÀres, Le monde des courtisans, S. 486. Vgl. auch ebd., S. 538. Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 1, 92; Bd. VI, S. 124; Bd. VIII, S. 47.

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Ansehen einer Adelsfamilie bildeten vielmehr eine Art Sammelbecken, das jeder entsprechend der Spielräume, die ihm seine jeweilige Stellung im Familienverband bot, füllte, und aus dem jedes Familienmitglied wiederum entsprechend der Optionen seiner spezifischen Position schöpfte. Die Geschlechtszugehörigkeit determinierte jedoch weitgehend die institutionellen Möglichkeiten, wo und wie Meriten erworben werden durften. Während Männer Verdienste im militärischen, diplomatischen, administrativen und kirchlichen Bereich erlangten, waren Frauen weitgehend auf Hofämter beschränkt2044. Adelige Männer konnten sowohl inner- und außerhöfisch Lorbeeren erlangen, adelige Frauen hingegen weitgehend nur im innerhöfischen Bereich. Ebenso war es für Männer denkbar, dass sie die sowohl von Frauen als auch von Männern ihres Hauses erworbenen Verdienste wiederum in beiden Bereichen umsetzten. Auch wenn Frauen selbst keinen Zugang zu verschiedenen Posten und Karrierewegen hatten, konnten sie ihre privilegierte Position am Hofe nutzen, um Verwandten Stellungen zu beschaffen, die ihnen selbst aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit verwehrt blieben2045. Dabei übertrugen sie die im Hofdienst erworbenen Meriten und ihren cr¦dit an Männer und Frauen ihres Hauses, konnten aber selbst weitgehend nur im höfischen Handlungsrahmen von den Meriten und dem cr¦dit männlicher und weiblicher Verwandter profitieren. Mit Blick auf die bisherige Forschungsmeinung erscheint auch bemerkenswert, dass sich die Bemühungen adeliger Amtsträgerinnen nicht nur für Familienangehörige auszahlten, die der kognatischen Linie angehörten. Zwar wurde dem Vorankommen der agnatischen Familie der Vorrang gegenüber der kognatischen2046 und der Blutsverwandtschaft der Vorzug gegenüber den angeheirateten Familienmitgliedern eingeräumt2047 – zum einen, weil sie den Namen des Hauses weitertrugen, zum anderen, weil sie verlässlicher schienen2048. Dennoch variierte die Bedeutung patri- und matrilinearer Verwandtschaft je nach Person und Kontext2049. Somit kann eher der Argumentation Ketterings beigepflichtet werden,

2044 Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 69, 71, die Erbschaft, »marriage, friendship, and household service« als die »paths of advancement open to noblewomen« identifiziert. 2045 Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 189. 2046 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 151, Fn. 65. 2047 Vgl. Mettam, The French Nobility, S. 120; Demel, Der europäische Adel, S. 49. Damit betonte sowohl die Adelsdefinition als auch das Verwandtschaftsverständnis die männliche Linie, über die der Adelsstand weitergegeben wurde. Da auch adelige Titel in Frankreich bis auf wenige Ausnahmen bei Männern lagen, war die Eheschließung adeliger Männer mit bürgerlichen Frauen »relativ unproblematisch, da hier – anders etwa als im deutschen Stiftsadel – üblicherweise nur die männlichen Vorfahren zählten, wenn es um die Aufnahme in eine exklusive Institution ging.« 2048 Vgl. Horowski, Such a great advantage for my son, S. 154. 2049 Vgl. Kettering, Patronage and kinship in early modern France, S. 425, wie das Beispiel des

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wonach matrilineare »kinship ties were as important as patrilineal ties in securing patronage and career advancement.« Auch seien angeheiratete Verwandte wichtige Mitglieder der adeligen Klientel gewesen und Netzwerke innerhalb der weiblichen Seite der adeligen Familien hätten viele Karrieren begünstigt2050. Der bereits geschilderte Fall der Duchesse d’Arpajon und ihrer Tochter, die selbst nach ihrer Heirat mit dem Comte de Roucy und ihrem Übertritt in seine maison als Ausgleich für ihre Mutter eine Stelle im Hofstaat der Duchesse de Bourgogne erhielt2051, verdeutlicht, dass Töchter, die bereits durch Eheschließung aus diesem Verband mehr oder weniger ausgeschieden waren, auch noch davon profitieren konnten. Was jedoch mit Blick auf normative Vorstellungen von ›weiblichen‹ Handlungsmöglichkeiten festgestellt werden kann, ist, dass Amtsträgerinnen zeitgenössisch durchaus auch in einem Spannungsverhältnis verortet wurden, da sie einerseits als Verwandte der Verpflichtung unterlagen, einen Beitrag zum Vorankommen ihres Hauses zu leisten und ihren Verwandten als Sprachrohr zum Hof zu dienen, andererseits gerade durch ihre Beteiligung am Wettstreit um Posten und Patronage Angriffsfläche für Kritik boten. Demzufolge finden sich auch in der zeitgenössischen Wahrnehmung unterschiedliche Bewertungen ihres Handelns, bezeichnenderweise jedoch weniger in den Ego-Dokumenten als in normativen Abhandlungen. Während FranÅois Du Soucy in »La Triomphe de dames« (1646) die Rolle höfischer Frauen als Vermittlerinnen lobend hervorhebt, lehnt F¦nelon sie als ambitionierte Akteurinnen, die für ihre Angehörigen Gunst und Patronage suchten, ab. Auch andere Zeitgenossen kritisieren höfische, adelige Frauen für ihre Schmeichelei und ihr Intrigenspiel zugunsten von Familienangehörigen – vor allem, wenn sie von Erfolg gekrönt waren – und brandmarken sie als ehrgeizig, gierig, extravagant und lüstern2052. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass ein Großteil der für adelige Amtsträgerinnen am französischen Königshof erarbeiteten Handlungsmöglichkeiten Übereinstimmungen mit anderen europäischen Höfen erkennen lassen. Auch dort bestand eine Korrelation zwischen männlichen und weibliKardinal Richelieu unter Ludwig XIII. und Anna von Österreich zeigt, die nie selbst heirateten und für den die Verwandtschaft mütterlicherseits besonders wichtig war. 2050 Ebd., S. 421. 2051 Ein entsprechender ›Ausgleich‹ bedeutete aber nicht, dass er auch von den beteiligten Parteien immer positiv aufgenommen wurde. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 180, wonach in dem genannten Fall die »mÀre ne prit point le change: elle demeura outr¦e. Le transport de joie de sa fille l’affligea encore plus, et leur s¦paration entiÀre, qu’elle envisageoit, l’accabla. Elle aimoit fort sa fille, que cette place attachoit en un lieu o¾ la mÀre ne pouvoit plus paro„tre que fort rarement avec biens¦ance, et elle se voyoit tomb¦e en solitude.« 2052 Vgl. Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 71–72; dies., The patronage power of early modern french noblewomen, S. 833.

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chen Verwandten im Hofdienst2053 und war die Protektion und Begünstigung von Verwandten omnipräsent, was nicht zuletzt bei sehr begehrten und daher umkämpften Hofämtern von entscheidender Bedeutung war. Entsprechend war die Unterstützung einer weiblichen Verwandten bei der Besetzung einer Hofcharge keinesfalls nur uneigennützig, sondern zielte darauf ab, davon zu profitieren. Dabei waren ebenfalls vorrangig nahe Verwandte wie Söhne und Töchter Nutznießer ihrer Pflichterfüllung und Kontaktpflege. Auch Kägler warnt daher für den Münchener Hof, die Bedeutung von Netzwerken weiblicher Verwandter zu unterschätzen, da diese sich selbst nach Jahren noch als tragfähig erwiesen. Durch den aktiven Einsatz von Amtsträgerinnen bei der Besetzung von Hofämtern häuften sich wie am französischen Königshof die Fälle, in denen verwandte Amtsträgerinnen gleichzeitig ihren Dienst verrichteten oder sich in Hofämtern nachfolgten2054. Angesichts der Tatsache, dass am cour de France neben ledigen vor allem verheiratete adelige Frauen im Hofdienst standen, die in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung besonders große Handlungsspielräume am Hof nutzen konnten, kann davon ausgegangen werden, dass der französische Königshof bereits strukturell Amtsträgerinnen mehr und vielfältigere Möglichkeiten eröffnete, entsprechend für ihre Angehörigen aktiv zu werden. Inwiefern die Beobachtung Kellers für den Wiener Hof auch für den cour de France gilt, dass Unterschiede in den Gestaltungsmöglichkeiten adeliger Frauen im Vergleich zu adeligen Männern im Hinblick auf ihre Beteiligung an »networking« und ihrer vermeintlich engeren »Bindung an Familieninteressen« bestanden, die ihre »Aktivität deutlicher an die Versorgung von Kindern und anderen nahen Verwandten gebunden« hätten als die ihrer männlichen Standesund Amtsgenossen2055, wird in den folgenden Kapiteln zu klären sein.

6.2.

Amtsträgerinnen als amie

Adelige Frauen und Männer waren außer in verwandtschaftliche auch in andere soziale Nahbeziehungen eingebunden, denen innerhalb des zweiten Standes große Bedeutung als nichtmaterielles Kapital zukam2056, da es mit Unterstützung und Rückhalt einherging sowie die Durchsetzung eigener Interessen2057 und den 2053 Vgl. Keller, Hofdamen, S. 62, 64. 2054 Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 440–442. Vgl. auch ebd., S. 443, wonach sie »vor allem die Hofmeisterinnen dafür einsetzten, dass ihre Töchter oder andere Verwandte einer jüngeren Generation ebenfalls in den Hofstaat aufgenommen wurden.« 2055 Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, Absatz 33. 2056 Vgl. Harris, English aristocratic women, S. 175; Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 76–77; Tague, Women of quality, S. 5. 2057 Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 120. Ein weitgespanntes soziales

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Zugang zu Ressourcen ermöglichte2058. In diesem Zusammenhang wird in zeitgenössischen Ego-Dokumenten insbesondere Freunden und Freundschaft eine zentrale Rolle zugewiesen, wenngleich es sich hierbei um vielschichtige Begriffe handelt oder, wie Kettering formuliert, um »multi-purpose words«2059, die im Kontext unterschiedlicher sozialer Nahbeziehungen Verwendung fanden2060 und vor dem Hintergrund des modernen Begriffsverständnisses nur unzureichend erfasst werden können. Im Gegensatz zu heutigen Definitionen waren Freundschaften unter frühneuzeitlichen Adeligen nicht in erster Linie zweckfreie, emotionale und sehr persönliche Bindungen2061. Vielmehr rückten sie die Verpflichtung in den Vordergrund, in Notsituationen oder bei »politischen, juristischen oder militärischen Konflikten«, beispielsweise durch die Gewährung von Rat, Dienst und Schutz2062, Hilfe zu leisten. Entsprechend durfte sich Freundschaft nicht in Worten und der darin zum Ausdruck gebrachten wohlwollenden Gesinnung erschöpfen, sondern musste sich auch in konkreten Taten manifestieren2063.

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Netzwerk war beispielsweise für eine »Karriere als Amtsträger oder Offizier« ebenso unentbehrlich, wie bei der Durchsetzung von »Interessen vor Gericht […] oder in einer Ständeversammlung«. Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 182. Kettering, Friendship and clientage in early modern France, S. 140. Vgl. auch dies., Patronage in early modern France, S. 849, wonach es nicht immer klar ist »which type of personal relationship the word ami describes when it appears in the documents.« Vgl. Ami, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Laut FuretiÀre bezeichneten die Begriffe ami und amie eine Person, die einer anderen mit »affection« zugewandt war, von der sie Vorteile erhielt und deren Interessen sie teilte. Derselbe Begriff sei aber auch »quelquefois un terme de galanterie. C’est son ami, pour dire, son amant. C’est son amie, pour dire, sa maitresse.« Auch handele es sich dabei manchmal um einen »terme de familiarit¦, ou de hauteur«, »quand quelque superieur dit, Mon ami, aller faire cela pour moy.« Vgl. Asch, Freundschaft und Patronage zwischen alteuropäischer Tradition und Moderne, S. 265. Vgl. Ami, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung], wonach zwar »affection« gegenüber dem ami oder der amie Freundschaft charakterisiert, diese aber einer Person gilt, die ihr »toute sorte d’avantages« verschafft und wünscht. Ein weiteres Kennzeichen von Freunden sei auch das Teilen von »memes interests«. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 116. Hilfeleistungen brachten demjenigen, der sie gewährte, Anerkennung und Ehre und erhöhten darüber letztlich den Status seines jeweiligen Hauses. Eine ›Sprache der Freundschaft‹ ohne Erfüllung der damit verbundenen Erwartungen – und zwar in konkreten Handlungen – wurde bereits im Mittelalter als ›falsche‹ Freundschaft wahrgenommen. Vgl. dazu Eickels, Klaus van: Verwandtschaftliche Bindungen, Liebe zwischen Mann und Frau, Lehenstreue und Kriegerfreundschaft: Unterschiedliche Erscheinungsformen ein und desselben Begriffs?, in: Freundschaft und Verwandtschaft. Zur Unterscheidung und Verflechtung zweier Beziehungssysteme. Johannes F. K. Schmidt,

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Auch am Hof waren freundschaftliche Beziehungen innerhalb der sozialen Interaktion unentbehrlich, denn das Unterhalten von Freundschaften zu zahlreichen und möglichst hochrangigen Angehörigen der Hofgesellschaft erwies sich häufig als unabdingbare Voraussetzung für die Durchsetzung von Interessen2064, die Sicherung von Ressourcen2065 oder auch die Vermittlung von Informationen, Gefälligkeiten und Kontakten2066. Dabei zeigten sich Freundschaften im höfischen Sozialgefüge als dyadisch, aber auch als netzwerkartig organisierte soziale Nahbeziehungen, die Individuen, Cliquen und Familienverbände in ein interdependentes und reziprokes Verhältnis zueinander setzten2067. Auch kennzeichnete sie eine große Dynamik, da sie im höfischen Kontext häufigen Veränderungen unterlagen2068. Entsprechend sind ›ami(e)‹ und ›amiti¦‹ Begriffe, die von höfischen Akteuren zur Bezeichnung sozialer Nahbeziehungen, und zwar gleichermaßen zu Männern und zu Frauen, verwendet wurden. Auch

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Martine Guichard, Peter Schuster und Fritz Trillmich. Konstanz 2007, S. 159. Vgl. auch Kühner, L’amiti¦ nobiliaire, der in dem Kapitel »Pratiques de l’amiti¦« verschiedene Formen freundschaftlicher Handlungen im französischen Adel aufführt und in ihrer symbolischen Bedeutung erläutert. Vgl. auch Caylus, Souvenirs, S. 87, wonach Freundschaft durch Taten sogar eine gewisse Legitimation erhalten konnte. Vgl. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, S. 120. Vgl. aber auch Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 163: »Ces amiti¦s haut-plac¦es, qui semblent choisies pour des raisons strat¦giquees, ne seront pas les seules: on voit ainsi Saint-Simon se lier, tout jeune encore, avec l’¦vÞque de Chartres, malgr¦ l’hostilit¦ o¾ le tient Mme de Maintenon, et avec du Charmel, ›gentilhomme tout simple de Champagne […] introduit — la cour par le jeu, qui y gagna beaucoup et longtemps sans jamais avoir ¦t¦ soupconn¦ le plus l¦gÀrement du monde‹: ›il prÞtait volontiers, mais avec choix, et se fit beaucoup d’amis consid¦rables.‹« Vgl. Ruppel, Verbündete Rivalen, S. 182. Amtsträgerinnen waren wichtige Informationsvermittlerinnen am Hof. Sie selbst erhielten über freundschaftliche Verbindungen Neuigkeiten und leiteten diese über dieselben Kanäle weiter (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XII, S. 273; Bd. XV, S. 249). Für die besondere Bedeutung von Informationen am Hof vgl. Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 162. Vgl. Jancke, Gelehrtenkultur, S. 195. Verschiedene höfische Zeitgenossen berichten von der Unbeständigkeit freundschaftlicher Beziehungen am Hof. Hier sei stellvertretend nur Elisabeth Charlotte von Orl¦ans genannt, die am 4. Juni 1686 schreibt: »wen man nur etlich / mont von hir weg ist, undt wider herkombt / findt sich alles Verendert, welche freünde wahren / seindt feinde, undt welche feinde wahren / findt man amis intime, Vor 2 tagen sagte / mir noch unßer gutter itziger printz de / Conti […] daß Er überall sey ertapt worden, etliche so er hir / freünde gelaßen, hette er zeittung / von ihren freünden fragen wollen / welche Ihm aber ernstlich geantwortet je ne say ce qui font, et ne les vois plus / andere so er ertzfeindt gesehen, alß er weg / hatt er gefunden daß sie einander / in armen hatten, undt stehts beysamen / sein« (NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. II, fol. 75v–76v). Vgl. auch Kettering, Brokerage at the court of Louis XIV, S. 72, die Jean-Marie Constant referiert, wonach zwischen Hoffreundschaften, den sogenannten ›amities de cour‹, die für ihre Unzuverlässigkeit bekannt waren, und ›amities intimes‹ als persönliche Freundschaften, die ein Leben lang hielten, unterschieden werden könne. Eine solche Differenzierung erscheint vor dem Hintergrund der theoretischen und methodischen Annahmen der vorliegenden Arbeit problematisch.

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adelige Amtsträgerinnen treten in zeitgenössischen Quellen als amies und im Zusammenhang mit amiti¦ in Erscheinung. Gleichwohl ist in den untersuchten Memoiren selten im Kontext verwandtschaftlicher Beziehungen oder dem Verhältnis zwischen Herrin und Dienerin die Rede von Freundinnen2069, es sei denn von amiti¦ als Ausdruck für Gewogenheit und Wohlwollen. Hingegen wird in Bezug auf Amtskolleginnen und vor allem bei Mätressen sehr häufig von Freunden und Freundschaft gesprochen2070. Bei den untersuchten Memoiren finden sich die ausführlichsten Erwähnungen von Amtsträgerinnen als Freundinnen bei Saint-Simon, was u. a. damit in Verbindung stehen könnte, dass einige von ihnen als »dames-amies« Teil seines Informationsnetzwerks am französischen Königshof waren2071. Anhand der Begebenheiten, in denen er Amtsträgerinnen als amies thematisiert, lässt sich ein Freundschaftsverständnis ermitteln, wonach Voraussetzungen für das Gewinnen von Freunden eine »bonne maison«, »politesse« und »bont¦«2072 sein konnten, die Freundschaft selbst aber auf »sympathie de vertus, de go˜ts, d’esprits« basierte2073. Während das Eingehen von Freundschaften zwischen Männern von Saint-Simon teilweise geradezu als ›formaler‹ Akt beschrieben wird2074, erscheint er bei Amtsträgerinnen wie der Comtesse de Gramont als bewusste Wahl2075 ; ein Verständnis, das sich auch bei Motteville wiederfindet,

2069 In den Quellen sticht eine Beziehung besonders hervor, nämlich die zwischen der Comtesse de Beuvron und der zweiten Madame, Elisabeth Charlotte von Orl¦ans. Vgl. dazu Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVI, S. 393–394: »La comtesse de Beuvron […] ¦toit une femme de beaucoup d’esprit et de monde, de fort bonne compagnie, pour qui Madame prit la plus grande et la plus constante amiti¦; elle lui ¦crivoit tous les jours, sans y jamais manquer, lorsqu’elle n’etoit pas auprÀs d’elle. Les intrigues du Palais-Royal l’avoient ¦tloign¦e plusieurs ann¦es de Madame, comme je l’ai racont¦ — l’occasion de ce qu’elle la prit auprÀs d’elle, avec la mar¦chale de Cl¦rambault, — la mort de Monsieur, qui lui avoit d¦fendu de les voir.« Vgl. auch Caylus, Souvenirs, S. 76: »Madame a toujours rendu depuis — madame de Dangeau ce qui ¦toit d˜ — sa naissance et — son m¦rite, et elle a eu pour elle toute l’amiti¦ dont elle ¦toit capable.« 2070 Vgl. z. B. Caylus, Souvenirs, S. 69–71; Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 249–253, 257; SaintSimon, M¦moires, Bd. III, S. 221. 2071 Cruysse, Le portrait dans les »M¦moires« du duc de Saint-Simon, S. 344. 2072 Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 163. Im Zusammenhang mit der Duchesse du Lude. 2073 Ders., M¦moires, Bd. V, S. 375–378. Hierbei wird die Freundschaft zwischen Madame de Saint-Simon und einer ihrer Cousinen behandelt und dabei eine Vorstellung davon vermittelt, dass eine verwandtschaftliche Nahbeziehung sich von ›einfacher‹ Freundschaft zu einer Freundschaft »la plus intime« entwickeln konnte, die sich zudem durch das größte Vertrauen auszeichnete, das zwischen zwei »sœurs« denkbar sei. 2074 Vgl. hierzu Kühner, L’amiti¦ nobiliaire, S. 296–307, der dies eigens in einem Kapitel über die »Pratiques de l’amiti¦« behandelt. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. V, S. 375–378; Bd. X, S. 407, der Beispiele für das ›Freundschaftschließen‹ zwischen Männern bietet. 2075 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVII, S. 72.

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die bei Freundschaften eine gewisse Exklusivität und Bevorzugung gegenüber Dritten impliziert2076. Die Intensität der Freundschaft wird von Saint-Simon in Adjektiven wie intime und fort(e) ausgedrückt, die graduelle Unterschiede oder Entwicklungen sichtbar machen, aber keine geschlechtsspezifischen Grenzen markieren2077. Ebenso verhält es sich mit dem Zusatz s˜r(e), der von ihm herangezogen wird, um die Verlässlichkeit eines Freundes oder einer Freundin hervorzuheben und damit ihre Treue zum Ausdruck zu bringen2078. Die Erhaltung und Pflege einer Freundschaft konnte über gegenseitige Besuche2079 und gemeinsame Aktivitäten2080 stattfinden. Der physischen Nähe bei Gesprächen2081 und beim Teilen einer Kutsche2082 kam über die praktische Notwendigkeit hinaus auch eine symbolische Bedeutung zu. Musste hingegen räumliche Distanz überbrückt werden, so war der Brief das zentrale Medium zur Aufrechterhaltung des Kontakts und der schriftliche Austausch eine ganz zentrale Freundschaftspraktik2083. Ähnlich große Bedeutung konnten auch Geschenke erlangen. Und nicht zuletzt war die Gewährung von Zugang Ausdruck einer amiti¦ intime und konnte im wahrsten Sinne des Wortes Türen öffnen, die

2076 Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 249–253. Hier wird am Beispiel der Duchesse de Montausier deutlich, dass es nicht ausreichte, einzig seinen Freunden »plaisir« zu bereiten. Man musste ihnen auch das Gefühl einer gewissen Exklusivität vermitteln, die sie gegenüber anderen abhob. Die Duchesse aber allen Menschen »obligeantes d¦monstrations […] de son amiti¦« und niemandem eine »confiance particuliere« gewährte. Deshalb habe sie zwar allen Menschen geschmeichelt, aber gerade dadurch die Kritik derjenigen auf sich gezogen, die der Ansicht waren, die Wertschätzung, die sie allen entgegenbrachte, in besonderem Maße zu verdienen. Somit habe sie, trotz ihres Bemühens viele Freunde zu gewinnen, letztlich keinen einzigen gehabt. Auch seien ihr »choses exterieures« und »l’estime publique« wichtiger gewesen als eine »amiti¦ particuliÀre« (ebd., S. 250–251). 2077 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 186; Bd. V, S. 375–378; Bd. VII, S. 148; Bd. XV, S. 282. Vgl. auch Ami, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung], wonach die seltenen »vrais amis« die »amis intimes« und die »amis de jeunesse« seien. 2078 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 105. 2079 Für eine Schilderung der Konsequenzen, die sich für eine Freundschaft ergeben konnten, wenn Besuche nicht angemessen verliefen vgl. ders., M¦moires, Bd. XIII, S. 329. 2080 Vgl. ders., M¦moires, Bd. I, S. 110; Bd. V, S. 353. 2081 Vgl. ders., M¦moires, Bd. XII, S. 436. 2082 Vgl. ders., M¦moires, Bd. V, S. 353. Vgl. auch NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. VII, fol. 490r. 2083 Ein prominentes Beispiel ist die Freundschaft, die Elisabeth Charlotte, die Herzogin von Orl¦ans, mit einer ihrer ehemaligen filles d’honneur, Lydie de Rochefort de Th¦obon, Comtesse de Beuvron, verband. Diese wurde am Hof als eine »grande et la plus constante amiti¦« wahrgenommen, nicht zuletzt, weil beide Frauen einander beständig schrieben, wenn sie nicht zusammen waren (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XII, S. 209–210; Bd. XVI, S. 394).

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anderen verschlossen blieben2084. Wie wichtig entsprechende Gesten zur Aufrechterhaltung einer Freundschaft waren, tritt besonders hervor, wenn gegen sie verstoßen wurde, sodass bereits ein ›kühler‹ Empfang den Anlass für ein Zerwürfnis zwischen solchen »amies intimes« geben konnte2085. Unter den Freundschaftsdiensten nimmt die Bereitschaft, sich ganz konkret für einen Freund helfend und unterstützend einzusetzen, einen besonderen Stellenwert ein. Nach Saint-Simon konnten sie als »marques de bont¦ et d’amiti¦«2086 in unterschiedlicher Form zum Ausdruck kommen: Dabei reichen sie von der Informationsweitergabe, dem Erteilen von Ratschlägen2087 und dem Worthalten über emotionalen Beistand und gute Wünsche2088 bis hin zur ökonomischen Hilfeleistung2089 und direktem Einsatz für die Belange der Freunde, und zwar »pour eux, non pour soi-mÞme«2090. Der Dienst an einem Freund konnte auch die Übermittlung schlechter Nachrichten umfassen, wie sie die ehemalige fille d’honneur der Madame, Mademoiselle de Chausseraye, im Auftrag ihrer »amie intime«, der Duchesse de Ventadour, »leur bonne amie commune«, Madame d’Argenton, übermittelte, als diese durch die Ungnade des Duc d’Orl¦ans ein »changement de son sort« erfuhr2091. Besondere Bedeutung erfuhren Amtsträgerinnen als Freundinnen aber auch bei der Erlangung von Vorteilen. Da dem französischen Königshof als zentraler Schalt- und Vergabestelle zahlreicher Vergünstigungen große Bedeutung zukam, wurde ihnen ein entsprechend großer Spielraum bei der Nutzung ihrer herausgehobenen höfischen Position zugesprochen. Laut Saint-Simon war es Amtsträgerinnen möglich, ganz gezielt die damit einhergehenden Handlungs2084 In diesem Fall habe die Mutter der Princesse d’Espinoy sich zu Madame de Saint-Simon begeben, deren Tür noch verschlossen gewesen sei, die sie ihr aber aus »amiti¦ intime« öffnen ließ (ders., M¦moires, Bd. V, S. 331–332). 2085 Ders., M¦moires, Bd. XIII, S. 329. 2086 Ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 332. 2087 Vgl. ders., M¦moires, Bd. XVIII, S. 380, 382. Vgl. auch Leroy/Loyau, L’estime et la tendresse, Brief 151, S. 191–192. 2088 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 332. 2089 Vgl. ders., M¦moires, Bd. XVI, S. 439; NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. V, fol. 13r–13v. Dies konnte soweit reichen, dass eine Freundin einer anderen finanzielle Mittel testamentarisch vermachte. Eine Freundin überlässt einer anderen bei ihrem Tod das »usufruit de son bien«; es geht hierbei um Mademoiselle d’ArmentiÀres und »son amie intime de tout temps« die Duchesse de Lude, während sie »le fonds — M. d’ArmentiÀres, son plus proche parent et l’a„n¦ de sa maison« vermachte (Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXIII, S. 34). Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. XIII, S. 363, der ebenfalls erwähnt, dass die verstorbene Mademoiselle d’ArmantiÀres der Duchesse du Lude, »son amie intime«, zum »l¦gataire de tous ses biens« gemacht habe. 2090 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 331. 2091 Ders., M¦moires, Bd. XVIII, S. 378. Vgl. auch ebd., S. 392–393, die genaue Beschreibung wie sie ihrer Freundin die Nachricht ihrer Ungnade beim Duc d’Orl¦ans überbringt und deren Reaktion darauf.

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möglichkeiten dazu zu nutzen, Freunde zu begünstigen2092, wobei als Bedingung dafür meist das Vertrauen der jeweiligen Herrin oder freundschaftliche Beziehungen zu anderen einflussreichen Frauen und Männern des Hofes gilt2093. Aber auch Sourches vermittelt einen Eindruck davon, wie auf Grundlage von Freundschaft Amtsträgerinnen Dritten als Vermittlerinnen Zugang zu Entscheidungsträgern verschafften oder ihnen als Fürsprecherinnen Vergünstigungen und Vorteile sicherten2094. Die Beförderung von Freunden und deren Angehörigen in Hofämter soll insbesondere Amtsträgerinnen geglückt sein, die zugleich königliche Mätressen waren. Zu den einflussreichsten Damen am Hof gehörte demnach unter Ludwig XIV. dessen spätere morganatische Ehefrau Madame de Maintenon, die, selbst seconde dame d’atour im Hofstaat der dauphine, sich für die Unterbringung zahlreicher Freunde in den maisons royales einsetzt haben soll2095. Auf diesem Wege seien beispielsweise der Duc und die Duchesse de Richelieu, ihre »anciens et intimes amis«, in das jeweils höchste Männer- und Frauenhofamt in der maison der dauphine gelangt2096. Bei Motteville werden am Beispiel Mademoi2092 Ein Fall, der dies besonders deutlich illustriert, ist der der Duchesse du Lude, die ihre Kompetenzen als dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne dazu genutzt haben soll, Madame la ChanceliÀre einen Freundschaftsdienst zu erweisen, indem sie ihr ein Privileg im höfischen Zeremoniell einräumte, das dieser nicht zustand (vgl. ders., M¦moires, Bd. VI, S. 315). An beiden Frauen wird auch erneut deutlich, dass sich zeitgenössische Bezeichnungen für soziale Nahbeziehungen überschnitten und nicht zwangsläufig gegenseitig ausschlossen. Denn während die Duchesse du Lude in der bereits genannten Quellenstelle als »amie« der Madame la ChanceliÀre bezeichnet wird, erscheint sie an späterer Stelle als »petite-fille« derselben (vgl. ders., M¦moires, Bd. VI, S. 318). 2093 Wie beides erfolgreich erlangt werden konnte, zeigt nicht zuletzt das Beispiel von Madeleine de Montmorency-Laval, Mar¦chale de Rochefort, die als dame d’atour im Dienst der dauphine Maria Anna von Bayern die lebenslange »amiti¦« und »confiance« der Thronfolgerin gewann und die Nähe zur Königsfamilie darüber hinaus nutzte, um nacheinander zur »meilleure amie« mehrerer Mätressen Ludwigs XIV. zu werden (ders., M¦moires, Bd. I, S. 85–87). 2094 Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 17, Fn. 5. 2095 FranÅoise d’Aubign¦, Marquise de Maintenon, war zunächst Mätresse, dann von 1683 bis 1715 morganantische Ehefrau Ludwigs XIV. Das Hofamt der seconde dame d’atour de la dauphine bekleidete sie zwischen 1680 und 1690. Zu Madame de Maintenon vgl. auch Bryant, Mark: Partner, matriarch and minister : Mme de Maintenon of France. Clandestine consort. 1680–1715, in: Queenship in Europe, 1660–1815. The role of the consort. Hrsg. v. Clarissa Campbell Orr. Cambridge 2004, S. 77–107; Bastian, Corina: Verhandeln in Briefen. Frauen in der höfischen Diplomatie des frühen 18. Jahrhunderts. Köln, Weimar, Wien 2013 (Externa, 4). 2096 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 289. Anne Poussart de Fors, Duchesse de Richelieu, war dame d’honneur zunächst bei der Königin Maria Theresia von Spanien (1672– 1679) und anschließend bei der Dauphine Maria Anna von Bayern (1680–1684), bei der auch ihr Ehemann Armand-Jean de Vignerot du Plessis, Duc de Richelieu, von 1680 bis 1684 die Charge des chevalier d’honneur bekleidete. Vgl. zur Besetzung verschiedener Chargen in der maison de la Dauphine Caylus, Souvenirs, S. 69–71.

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selle d’Artignis, fille d’honneur der ersten Madame und zugleich »Confidente du Roi & de Mlle de la Valliere«, ebenfalls die Vorteile thematisiert, die aus einer Freundschaft zur Königsmätresse erwachsen konnten. Gleichwohl erscheinen diese vor dem Hintergrund ihrer moralischen Vorstellungen den »fausses Maximes du Monde« geschuldet, die dazu beigetragen hätten, dass Mademoiselle d’Artigni von einer armen, vom Schicksal gebeutelten Person zu einer »grande Dame«2097 aufstieg. Außer den Königsmätressen war es aber auch anderen hochrangigen Amtsträgerinnen möglich, Freunde und Freundesfreunde zu unterstützen. Hierfür bietet Saint-Simons Beschreibung der Freundschaft der eben erwähnten Mademoiselle de Chausseraye und der Duchesse de Ventadour ein anschauliches Beispiel. Diese sei entstanden, nachdem die Duchesse auf Bitten eines Freundes einer verarmten Verwandten durch die Position einer fille d’honneur bei der Madame ein Auskommen verschafft haben soll und ihr auch im Folgenden ihre »protection« gewährt habe. Unter ihrem Schutz sei es wiederum Mademoiselle de Chausseraye gelungen, sie zu ihrer »amie la plus intime« zu gewinnen. »La galanterie, et aprÀs l’intrigue, et l’intimit¦« derselben hätten ihr weitere Freunde und die Achtung der höfischen Gesellschaft verschafft2098, sodass es ihr letztlich auch gelungen sei, Einfluss auf Minister zu gewinnen2099 und sich sogar die Gewogenheit des Königs zu sichern, die ihren Ausdruck u. a. in der mehrfachen Gewährung von »sommes consid¦rables« gefunden habe2100. Die Einflussnahme von Amtsträgerinnen war aber nicht nur aktiv denkbar, sie konnte auch passiv Rückhalt bieten. Je besser eine Amtsträgerin dabei selbst in der höfischen Gesellschaft positioniert und vernetzt war, je mehr cr¦dit sie angesammelt hatte und je mehr Ansehen sie genoss, desto leichter sei es auch ihren Freunden gelungen, ebenfalls Akzeptanz und Wertschätzung der Hofgesellschaft zu erlangen und sich über ihren ursprünglichen Status hinaus zu geachteten und einflussreichen Hofakteuren zu entwickeln, wie dies selbst der einfachen Bediensteten Mademoiselle Balbien gelungen sei, über die es heißt, sie sei aufgrund der »amiti¦« und »confiance« der Madame de Maintenon selbst für 2097 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 439. Auch heißt es über Mademoiselle de la ValliÀre: »toutes les faveurs faites — son Amie d’Artigni tiroient leur source de la sienne« (ebd., S. 440). 2098 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVIII, S. 380–381. 2099 Vgl. ebd., S. 381: »Barbezieux, le chancelier de Pontchartrain, dÀs le temps qu’il avoit les finances, Chamillart ne lui refusoient rien, elle sut apprivoiser jusqu’— Desmaretz et Voysin, et s’enrichit par eux«. 2100 ebd., S. 382. Bei dem genannten Bloin handelt es sich vermutlich um Louis Blouin, der ab 1664 premier valet de chambre du roi und ab 1701 intendant des ch–teaux de Versailles et de Marly (u. a. zuständig für die Raumvergabe in den königlichen Residenzen) gewesen war. Über beide Funktionen konnte er großen Einfluss auf den König und das Hofleben nehmen.

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die Erlangung hoher Hofposten angegangen worden2101. Im Gegenzug hätten aber auch Amtsträgerinnen von der Unterstützung und dem Kredit ihrer männlichen und weiblichen Freunde am Hof und in der Hauptstadt profitiert2102, die ihnen in manchen Fällen den Weg an den Hof und in eine Charge geebnet haben sollen2103. Da freundschaftliche Beziehungen ebenso wie verwandtschaftliche sowohl die Unterbringung im Hofstaat eines Angehörigen der famille royale als auch die Entlassung aus demselben und Entfernung vom Hof bewirken konnten2104, versetzte die Ungnade eines Freundes bzw. einer Freundin Amtsträgerinnen unter Umständen in eine schwierige Lage. Die Loyalität gegenüber den in Ungnade gefallenen Freunden konnte sich im Zusammenhang mit der bereits er2101 Ders., M¦moires, Bd. III, S. 168–169. 2102 So heißt es bei ders., M¦moires, Bd. XV, S. 88, über Gabrielle Gl¦ de la Costardais, 1674– 1683 dame du palais der Königin: »une femme de beaucoup d’esprit, gaie, extrÞmement aimable, qui avoit de l’intrigue et beaucoup d’amis, et qui, par l—, sut se soutenir — la cour et dans le monde, avec beaucoup de consid¦ration«. Ein weiteres Beispiel ist Marguerite Louise de B¦thune, Comtesse de Guiche, spätere Duchesse du Lude, deren Ernennung zur dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne 1696 erfolgte. Über sie wird berichtet: »le nombre d’amis et de connoissances particuliÀres qu’elle avoit su toute sa vie se faire et s’entretenir — la ville et — la cour, entra„nÀrent le gros du monde — l’applaudissement de ce choix.« (ders., M¦moires, Bd. III, S. 171). Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. XI, S. 100. Und auch in der »Oraison funÀbre« für Anne Poussart de Fors, Duchesse de Richelieu, die 1672–1679 dame d’honneur der Königin und 1680–1684 der Dauphine Maria Anna von Bayern war, heißt es im Zusammenhang mit der Erlangung des ersten Hofamtes: »Ceux qui prenoient part — ses interests, la pressoient d’employer le cr¦dit de ses amis« (BN, Collection Clairambault 1079, S. 22). 2103 Ein Beispiel hierfür sind der Marquis und die Marquise d’O (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 197–204). 2104 Als Beispiel für die Entlassung aufgrund enger freundschaftlicher Beziehungen zwischen einer Herrin und einer ihrer weiblichen Bediensteten können Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orl¦ans, und ihre fille d’honneur Lydie de Rochefort de Th¦obon, Comtesse de Beuvron, angeführt werden. Sowohl in Außen- als auch Selbstwahrnehmung unterhielten beide Frauen »la plus grande et la plus constante amiti¦« (Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVI, S. 393–394). Die Entlassung der Th¦obon stand im Zusammenhang mit einer gegen Elisabeth Charlotte gerichteten Verleumdungskampagne, die darauf abzielte, aus ihrem Gefolge »diejenigen entfernen zu lassen, die ihr treu ergeben waren.« Lydie de Th¦obon wurde dabei beschuldigt Streitigkeiten zwischen ihrer Herrin und deren Ehemann Philipp, Herzog von Orl¦ans, geschürt und einer Liebschaft zwischen Madame und dem Chevalier de Saint-SaÚns durch den Austausch von Briefen und Geschenken, Vorschub geleistet zu haben. Diese Gerüchte führten im August 1682 zur Entlassung der Th¦obon aus ihrem Amt und zur Entfernung vom Hof (vgl. Cruysse, Dirk Van der, »Madame sein ist ein ellendes Handwerck«. Liselotte von der Pfalz – eine deutsche Prinzessin am Hof des Sonnenkönigs, 10. Aufl., Zürich 2005, S. 292, 294–295.) Ebenso musste ihr Ehemann, der Comte de Beuvron, sein Hofamt niederlegen und wurde ebenfalls »weg gejagt auß forcht daß […] [Elisabeth Charlotte] ihn sprechen mögte umb commissionen ahn theobon zu geben« (Niedersächsisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover (NLH), Hann. Des. 91 Kurfürstin Sophie, 1, Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orl¦ans an die Kurfürstin, Bd. I, fol. 238v–239r).

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wähnten Madame d’Argenton zeigen. Die Reaktion ihrer »amies« auf ihr Unglück wird von Saint-Simon sehr unterschiedlich beschrieben. Einigen Freundinnen sei es wie eine Beleidigung erschienen, sodass sie nicht einmal dagegen aufbegehrt hätten. Eine andere Freundin, die Duchesse de Ventadour, habe sich damit begnügt zu weinen, was auf ihre natürliche Sanftheit zurückgeführt wird und darauf, dass der Hof – und damit ihre dortige Stellung – sie in ihrer Reaktion gezügelt hätten. Als »meilleure amie de Mme d’Argenton« habe sich jedoch die Duchesse douairiÀre d’Aumont erwiesen, indem sie sich in ihrer Loyalität nicht habe einschränken lassen und selbst ihre Schwiegertochter, die Duchesse d’HumiÀres, dazu genötigt habe, diese ›öffentlich‹ zur Schau zu stellen2105. Ein weiterer Ausdruck von Loyalität und Verbundenheit zwischen befreundeten Frauen findet sich bei Caylus, wonach die Verbannung einer Freundin erst akzeptiert wurde, wenn überzeugende Beweise für deren Unrecht vorlagen2106. Dass Freundschaften normalerweise zwischen Personen desselben Geschlechts eingegangen wurden – wie dies Kettering postuliert2107 –, kann mit Blick auf die Darstellung Saint-Simons in Zusammenhang mit adeligen Amtsträgerinnen nicht bestätigt werden. Zwar finden sich in seinen Memoiren zahlreiche Belege für Freundschaftsverbindungen zwischen Frauen2108, ob Freundschaften aber gleich- oder gemischtgeschlechtlich waren, schien nicht per se festgelegt, sondern vielmehr vom jeweiligen Handlungskontext beeinflusst. Insgesamt erschien der Hof als ein Handlungsrahmen, in dem neue Freundschaften entstanden, gleichzeitig aber auch bereits bestehende und in anderen 2105 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVIII, S. 397. 2106 Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 89–90. Hierbei geht es um Madame de Heudicourt, die in Ungnade gefallen sei, weil sie in »lettres de galanterie« ihrem vermeintlichen Geliebten über spezielle Ereignisse des Hofes berichtet habe. An einer anderen Stelle finden sich aufschlussreiche Hinweise darauf wie ›Liebesbeziehungen‹ bei adeligen Frauen bewertet wurden. Demnach ist es in der zeitgenössischen Wahrnehmung vertretbar gewesen, dass Damen über »amans d¦clar¦s« verfügten, solange diese nur »galanteries publiques« nach sich zogen und keine »affaires«, die man verheimlichte (ebd., S. 68). 2107 Vgl. Kettering, Friendship and clientage, S. 151. Dabei verweist sie auch darauf, dass zeitgenössisch angezweifelt wurde, dass zwischen Mann und Frau Freundschaft als Verbindung zweier Seelen existieren könnte. 2108 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVI, S. 262–263. Als Beispiel sei die Mar¦chale d’Estr¦es herausgegriffen, die sich »comme un amant d’une ma„tresse« auf bestimmte Personen versteifte und eine »telle amiti¦ pour la duchesse de Villeroy« gefasst habe, dass sie nicht mehr von deren Seite gewichen sei. Entsprechend seien »les plus l¦gÀres absences […] par des lettres et par des pr¦sents« überbrückt worden, den bereits erwähnten zentralen Medien in der Interaktion zwischen Freunden und Freundinnen. »Cette intimit¦« zwischen beiden Frauen habe die Duchesse de Villeroy mit der Familie der Mar¦chale, nämlich »toutes les Noailles«, sowie mit Madame d’O verbunden. Und letztlich habe sie bald darauf über eben diese neuen Verbindungen auch eine mit der Duchesse de Bourgogne geknüpft, und zwar so eng, dass selbst als das Interesse der Mar¦chale d’Estr¦es an ihr erloschen sei, sie dennoch »une espÀce de favorite« der Duchesse geblieben sei.

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Kontexten geknüpfte fortwirkten2109. Die Struktur des höfischen Lebens und Dienstes tritt dabei als ein Faktor hervor, der einerseits das Anbahnen entsprechender sozialer Nahbeziehungen begünstigte, da er bestimmte Personenkreise regelmäßig zusammenführte2110. Andererseits erfuhr er selbst Veränderungen, da Freundschaften wiederum auf seine Struktur zurückwirkten, wenn Angehörige der Königsfamilie sich zu höfischen Aktivitäten von ihren ami(e)s begleiten ließen2111. Der Hofdienst selbst – so könnte man annehmen – förderte zunächst gleichgeschlechtliche Freundschaften, da ab einem gewissen Lebensalter die Bediensteten im unmittelbaren Umfeld eines Herrn Männer und einer Herrin Frauen waren2112. Auch Sourches schreibt freundschaftlichen Banden einen Einfluss auf die Formierung der Hofdamen im Hofdienst zu2113. Ein Bei2109 Freundschaften konnten bis zur Kindheits- und Jugendzeit der betreffenden Damen zurückreichen, wie das Beispiel der Comtesse de la Marck, der Duchesse de Saint-Simon und Duchesse de Lauzun zeigt, die »anciennes compagnes de couvent« waren (ders., M¦moires, Bd. XIII, S. 242). Ebenso boten Geselligkeiten und Besuche Gelegenheit, um Freundschaften zu schließen (vgl. z. B. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 40–41. 2110 So fanden sich Hofangehörige bei verschiedenen Aktivitäten, wie Jagdpartien, Spaziergängen/-fahrten, divertissements in Form von Tanz, Musikdarbietungen, Spielen und Komödien – um nur einige zu nennen –, zusammen. Auch die Ausübung eines Hofdienstes führte den überschaubaren Kreis derjenigen zusammen, die über ein Hofamt verfügten. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXVIII, S. 5; NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. II, fol. 440r. Im Zusammenhang mit Amtsträgerinnen ist in den Quellen auch einige wenige Male die Rede von compagne. So heißt es bei Sourches, dass die Marquise de Nogaret von der Duchesse de Roquelaure die »compagne dans la chambre des filles de Mme la Dauphine« gewesen sei (ders., M¦moires, Bd. XI, S. 202, Fn. 4). Aus diesem Grund habe die Duchesse de Roquelaure die Marquise de Nogaret als Begleitung zu einer Audienz beim König gewählt, wohin sie aus »modestie« nicht alleine gehen wollte (ebd., S. 202). Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. XXIV, S. 242, der ebenfalls bei einer Amtsträgerin in Bezug auf eine andere davon spricht, dass sie »sa compagne fille d’honneur et dame du palais chez les deux Dauphines« gewesen sei. 2111 Vgl. ders., M¦moires, Bd. V, S. 353. 2112 Eine Besonderheit der Hofstaaten der weiblichen Angehörigen der französischen Königsfamilie war die Beschäftigung weiblichen und männlichen Dienstpersonals. Einerseits unterschied sie das Vorhandensein weiblicher Bediensteter und insbesondere adeliger Amtsträgerinnen von den Männerhofstaaten am französischen Hof, die bis auf wenige Ausnahmen – wie im Fall von Minderjährigen der Posten einer gouvernante oder eben ›niederes‹ Dienstpersonal wie beispielsweise Wäscherinnen – ausschließlich männlich besetzt waren. Andererseits trennte sie von den Frauenhofstaaten anderer europäischer Höfe, wie beispielsweise dem Wiener Hof, die Tatsache, dass sie auch männliches Personal – auch hochrangiges wie beispielsweise den chevalier d’honneur – hatten, wohingegen im habsburgischen Modell nur verwitwete bzw. unverheiratete Damen im Dienst der Fürstin bzw. der Erzherzoginnen standen, während männliche Amtsträger im 16./17. Jahrhundert gänzlich fehlten; vgl. Keller, Hofdamen, S. 27–29; Kleinman, Social dynamics at the french court, S. 518. 2113 Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 61, wonach die dames du palais ihren Dienst jeweils in kleinen Gruppen versahen und nicht alle gleichzeitig.

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spiel hierfür bieten die dames du palais, die ihr Hofamt in sich wöchentlich abwechselnden Vierergruppen ausübten, den sogenannten »semaines«, die sich wiederum aus Freundinnen oder Verwandten zusammengesetzt hätten, die gemeinsame Interessen und Vorlieben teilten2114. Soziale Nahbeziehungen wie Freundschaften traten demnach in Wechselwirkung mit der Struktur der Institution Hof2115, überdauerten sie aber auch, wenn die Beteiligten aus dem Dienst schieden oder nicht mehr am Hof weilten2116. Wenngleich der service im unmittelbaren Umfeld eines ma„tre bzw. einer ma„tresse eine geschlechtliche Komponente aufwies, führte der Dienst im selben Hofstaat und der Kontakt zwischen den Angehörigen der Königsfamilie zu regelmäßigen Begegnungen ihrer jeweiligen Amtsträger und Amtsträgerinnen. Ebenso waren die Aktivitäten des Hoflebens darauf ausgelegt, dass sowohl adelige Frauen als auch Männer daran teilnahmen. Dadurch ergaben sich soziale Kontakte und nicht zuletzt Freundschaften jenseits von Geschlechtergrenzen2117, sodass es wie im Fall der Comtesse de Saint-G¦ran, dame du palais de la reine, hieß: »C’¦toit en tout une femme […] qui fourmilloit d’amis et d’amies.«2118 Auch Aymard stellt mit Bezug auf Freundschaften des Duc de Saint-Simon fest, dass ein hochadeliger Mann am Hof Freundschaften sowohl zu Männern als auch zu Frauen aufbauen und unterhalten konnte2119. Saint-Simon selbst schreibt: »Sur le soir, au retour de la cour, je me trouvai environn¦ d’amis, qui, comme de concert, accoururent autour de moi, hommes et femmes, Chevreuse, Beauvillier, Levis, Saint-G¦ran, Nogaret, Boufflers, Villeroy, et d’autres encore«2120. Aymard weist aber auch darauf hin, dass die »amiti¦s choisies avec les hommes introduisent — d’autres amiti¦s avec les femmes, cultiv¦es l— encore par pure passion de l’information par un Saint-Simon qui n’a rien d’un s¦ducteur.«2121 Wieso für Saint-Simon die Informationsweitergabe über Freundinnen so bedeutsam war, illustriert er selbst im Zusammenhang mit einer für ihn 2114 Die Gemeinsamkeiten der einzelnen Vierergruppierungen gaben Anlass zu Beinamen, wie »la semaine sainte« oder »la belle semaine«, die Anspielungen auf die Frömmigkeit bzw. Schönheit der jeweiligen Amtsträgerinnen waren (Newton, La petite cour, S. 261). 2115 Ein solches Verständnis von Freundschaft entspricht Elias’ These von den Wechselwirkungen zwischen Individuen und ihren jeweiligen Positionen innerhalb einer sozialen Figuration wie der Hofgesellschaft (vgl. Elias, Die höfische Gesellschaft, S. 40). 2116 Dies trifft beispielsweise auf die bereits erwähnte Verbindung zwischen Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orl¦ans, und ihren beiden filles d’honneur Marie-Êlisabeth de Ludres und Lydie de Rochefort de Th¦obon, Comtesse de Beuvron, zu, die zwar 1677 bzw. 1682 aus ihrem Dienst schieden, mit denen sie aber eine lebenslange Freundschaft unterhalten sollte. 2117 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXIII, S. 362. 2118 Ders., M¦moires, Bd. III, S. 70. 2119 Vgl. Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 163. 2120 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVIII, S. 298–299. 2121 Aymard, Êconomie de l’information et r¦seaux interpersonnels, S. 163.

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gefährlichen Situation, in der ihn seine Freundinnen – allesamt Amtsträgerinnen – mit ihren internen Informationen, auch aus dem direkten Umfeld der Königsfamilie, vor größerem Schaden bewahrten. So sei es Saint-Simon möglich gewesen, eine dieser Freundinnen darum zu bitten, als Amtsträgerin der Madame bei dieser zu seinen Gunsten vorzusprechen2122. Eine andere, die »parente, amie de tout temps« seiner Eltern und seit frühester Jugend auch seine Freundin gewesen sei, sei freiwillig dazu bereit gewesen, über dieselbe Angelegenheit mit Monsieur zu sprechen, da sie als ehemalige gouvernante seiner Kinder mit ihm »de tout temps intimement bien« gewesen sei2123. Wie wichtig die warnende Funktion von Freunden war, zeigt sich auch bei der Besetzung des Postens der dame d’honneur bei der Duchesse de Berry, der der Duchesse de Saint-Simon zugedacht war, was weder ihren Interessen noch denen ihres Ehemannes entsprochen habe. Daraufhin sollen beide sowohl von Freunden als auch von hochrangigen Angehörigen der Königsfamilie eindringlich davor gewarnt worden sein, diese Charge abzulehnen, da der König ihnen dies niemals verzeihen werde und sie das ganze Gewicht seiner Ungnade zu spüren bekämen, womit ihre Zukunft am Hof verwirkt sei2124. Wie wichtig freundschaftliche Verbindungen zum Hof gerade dann – nämlich bei Abwesenheit – waren und welche Bedeutung Frauen dabei zugeschrieben werden konnte, veranschaulicht das prominente Beispiel des Comte Roger de Bussy-Rabutin. Dieser löste mit seiner 1660 verfassten Schrift »L’histoire amoureuse des Gaules« einen Skandal aus, der zu seiner Inhaftierung und letztlich zur Verbannung vom Hof Ludwigs XIV. führte, an dem er zuvor eine militärische Laufbahn eingeschlagen hatte. Die folgenden 27 Jahre seines Exils verbrachte er auf seinen Gütern in Burgund, ohne jedoch die Hoffnung auf Rückkehr an den Hof zu verlieren. Ganz im Gegenteil bemühte er sich aktiv um die Aufrechterhaltung seiner Verbindungen zur Hofgesellschaft und bediente sich dabei u. a. seiner »bonnes amies«. Bei diesen handelte es sich durchweg um adelige, am Hof verkehrende Damen. Einige gehörten der Königsfamilie an, andere waren deren enge Vertraute, weitere hatten ein Hofamt inne und die Restlichen verfügten über einen Rang, der ihnen Zugang zum Hof gewährte. Von diesen Frauen erwartete Bussy-Rabutin aktives Engagement für seine Rückkehr und als besonders ›gute‹ Freundinnen erachtete er diejenigen, die sich unermüdlich und über Jahre hinweg für seine Belange einsetzten. Das Mindeste war dabei die Aufrechterhaltung des schriftlichen Kontakts und das gelegentliche 2122 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. VI, S. 406–410. 2123 Ebd., S. 409, 410. Bei den betreffenden Damen handelt es sich um die Comtesse de Roucy, ehemalige fille d’honneur de la dauphine und spätere dame pour accompagner de la duchesse de Bourgogne, die Comtesse de Beuvron, ehemalige fille d’honneur de madame, und die Madame de Marey, gouvernante des enfants des Duc d’Orl¦ans. 2124 Vgl. ders., M¦moires, Bd. XIX, S. 306–307, 309–310.

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Gewähren von Freundschaftsbeweisen, wie er sie beispielsweise in Form eines Portraits2125 für seine Bildergalerie der »plus belles femmes de la Cour« erbat2126. Die erwünschten Gemälde erfüllten demnach keine rein dekorative Funktion. Bussy-Rabutin wollte sie vielmehr als materielle Zeichen der Freundschaft und »Gradmesser der Verbundenheit«2127 mit der jeweils abgebildeten Dame – und damit nicht zuletzt auch dem Hof – verstanden wissen. Sowohl bei Bussy-Rabutin als auch bei Saint-Simon findet sich jedoch eine weitere Dimension des Begriffs amie, der die Relevanz von Geschlecht zum Ausdruck bringt und einer eingehenderen Untersuchung bedarf. Demnach konnte er im zeitgenössischen Verständnis innerhalb einer heterosexuellen Freundschaft eine sexuelle Konnotation annehmen2128, wie sie sich in der Darstellung der Freundschaft zwischen der Duchesse de Vendatour und des Mar¦chal de Villeroy zeigt2129. Inwiefern die Darstellung adeliger Frauen und insbesondere adeliger Amtsträgerinnen als Freundinnen vor dem Hintergrund der ungünstigen Lebenssituation Saint-Simons und Bussy-Rabutins zu bewerten ist und allein ihrem persönlichen Empfinden entsprach, kann hier nur angedacht werden und bedarf tiefer gehenden Untersuchungen. Die Einbeziehung weiterer zeitgenössischer Ego-Dokumente und diesbezüglicher Forschungsliteratur erlaubt aber bereits hier eine Erweiterung des anhand von Saint-Simon entworfenen Freundschaftspanoramas vor allem in Bezug auf die Relevanz von Geschlecht. Bei Caylus findet nur bei gleichgeschlechtlicher Freundschaft eine Praxis Erwähnung, die der zeitgenössischen Erziehung adeliger Kinder entsprach, nämlich die Übertragung von Erziehungsaufgaben. Während Jungen von ihren Eltern in den Dienst mächtigerer Adeliger gestellt oder der Obhut Bediensteter anvertraut wurden, um ihre Erziehung zu vervollkommnen, fand die Unterweisung von Mädchen meist durch deren Mütter auf dem heimatlichen Wohnsitz statt oder sie wurden hochrangigen Damen zur weiteren Instruktion

2125 2126 2127 2128

Vgl. Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 343–344. Ebd., S. 332. Ebd., S. 344. Vgl. Ami, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. Laut FuretiÀre bezeichneten die Begriffe ami und amie eine Person, die einer anderen mit »affection« zugewandt war, von der sie Vorteile erhielt und deren Interessen sie teilte. Derselbe Begriff ist aber auch »quelquefois un terme de galanterie. C’est son ami, pour dire, son amant. C’est son amie, pour dire, sa maitresse.« Auch handelt es sich dabei manchmal um einen »terme de familiarit¦, ou de hauteur, quand quelque superieur dit, Mon ami, aller faire cela pour moy.« 2129 Beispiel dafür, dass ein Mann gleichzeitig ehemaliger Liebhaber und Freund einer Frau sein konnte vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVII, S. 202.

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überantwortet2130. Bei Frauen bewegte sich diese Aufgabe im Kontext des eingangs dargestellten Hofdamenideals und findet in den untersuchten Quellen mehrfach Erwähnung. Ein Beispiel dafür bietet Madame de Maintenon, über die berichtet wird, sie habe ihre sehr junge, frisch verheiratete Nichte der Obhut von »madame de Montchevreuil, son amie«2131 überlassen, mit der Bitte, über deren Verhalten zu wachen. In einem anderen Beispiel sei es Madame de Maintenon selbst gewesen, die auf Grundlage der Freundschaft zu einer Frau deren junge Tochter zur Erziehung eingefordert und auch erhalten habe2132. Und auch bei Saint-Simon findet ein entsprechendes Arrangement Erwähnung, wonach Madame de la Vieuville – dame d’atour der Duchesse de Berry – als »unique personne« das Recht besessen habe, die Töchter ihrer Freundin Madame de Roquelaure aus dem Konvent, in dem sie untergebracht waren, zu holen oder holen zu lassen2133. Dabei habe es sich um einen Ausdruck des besonderen Vertrauens zwischen beiden Freundinnen gehandelt, die schon immer »les deux doigts de la main« gewesen seien2134. Ein weiterer geschlechtsspezifischer Unterschied kann im Bereich der physischen Gewalt ausgemacht werden, denn während Männer für ihre Freunde ins Schlachtfeld ziehen, bei einem Duell sekundieren oder als Teil einer bewaffneten Eskorte für deren Schutz sorgen konnten, blieb Frauen der Griff zur Waffe weitgehend verwehrt2135. Andere Bereiche hingegen, in denen geschlechtsspezifische Unterschiede angesichts der zeitgenössischen Frauenideale vermutet werden können, wie Ausschweifungen in Form von exzessivem Spiel2136, Konsum von Genussmitteln2137 und ausschweifendes Sexualverhalten2138, zeigen vor 2130 Vgl. Motley, Becoming a french aristocrat, S. 22. Vgl. auch ebd., S. 50–51, wonach die Vorstellung vorherrschen konnte, dass ein Mädchen die beste Erziehung bei ihrer Mutter genoss und nicht in einem Konvent, was eine andere zeitgenössische Möglichkeit darstellte. 2131 Caylus, Souvenirs, S. 105. 2132 Vgl. ebd., S. 40–41, 105–108. 2133 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XVII, S. 96–97. 2134 Ebd., S. 97. Vgl. auch ebd., Fn. 1: »On dit proverbialement et figur¦ment, de deux personnes extrÞmement unies d’amiti¦: Ils font commt les deux doigts de la main; ce sont les deux doigts de la main«. 2135 Dieser Befund ergibt sich zum einen aus dem Fehlen von Quellenbelegen dafür, dass entsprechendes Handeln von Frauen als Freundinnen im Rahmen des zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbaren lag, und zum anderen daraus, dass diese für das Handeln männlicher Freunde vorhanden sind (vgl. Kühner, L’amiti¦ nobiliaire, S. 383–384). 2136 Vgl. NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. V, fol. 220v. 2137 Vgl. ebd., Bd. VI, fol. 11v, 62r, 160v–161r, 195r. 2138 Vgl. ebd., Bd. III, fol. 338r. Hier berichtet Elisabeth Charlotte von homosexuellem Verhalten zwischen Frauen, das zwar »unter schwestern […] hir kein exempel [hat] / aber unter Jungen weibern, die Einander nicht / so Nahe Verwandt sein«. Vgl. auch ebd., Bd. XXII, fol. 571r, wo sie ebenfalls auf »Tribaden« eingeht, denn »Man hört genug / hir davon, undt Leutte Vom handtwerck / selber habens mir so Eygendtlich beschrieben«. Es liegt

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allem eine Differenzierung der Bewertung solcher Praktiken. Frauen wurden zwar ebenso wie Männer als Spielerinnen, Trinkerinnen und Liebhaberinnen2139 thematisiert, die ihren ›Lastern‹ einzeln oder im freundschaftlichen Kollektiv nachgekommen seien. Ihr Verhalten wurde aber gemäß der für ihr Geschlecht geltenden Anforderungen stärker sanktioniert. Denn obwohl d¦bauches grundsätzlich und unabhängig von Geschlechtszugehörigkeit Ablehnung erfuhren2140, wurden die von Männern begangenen Verstöße gegen Verhaltensnormen eher mit dem Verweis auf ihre Geschlechtszugehörigkeit toleriert, hingegen die von Frauen mit derselben Argumentation eher verurteilt2141. Kritik erfuhr also nicht die Tatsache, dass Frauen sich in Gruppen von Freundinnen vereinten, sondern die Art der Handlungen, die nicht dem gesellschaftlich akzeptierten Handlungsspielraum ihres Geschlechts entsprachen. Vor dem Hintergrund der von der Antike bis in die Frühe Neuzeit2142 tradierten Vorstellung, wonach ›wahre‹ Freundschaft nur zwischen Männern möglich sei2143, lassen die anhand zeitgenössischer Ego-Dokumente gemachten

2139

2140 2141

2142

2143

lediglich eine Monographie von Legault, Marianne: Narrations d¦viantes. L’intimit¦ entre femmes dans l’imaginaire franÅais du dix-septiÀme siÀcle, Quebec 2008, vor, die sich jedoch weitgehend der Thematisierung lesbischer Beziehungen in der französischen Literatur der Zeit widmet. Elisabeth Charlotte von Orl¦ans beschwert sich in ihren Briefen über diese »große Mode«, wonach in Paris »alle damens sich voll undt / doll sauffen wie Mansleütte, undt allerhandt / wüstereyen undt desordre ahnstellen« (NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. IV, fol. 32r ; vgl. auch ebd., Bd. VI, fol. 62r). Vgl. NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. XVIII, fol. 825r. Vgl. ebd., Bd. V, fol. 113r ; Bd. XXII, fol. 356r. Elisabeth Charlotte begründet ihre Ablehnung damit, dass die Ausschweifungen einer Frau für deren Haus im Hinblick auf legitime Nachkommenschaft gravierendere Folgen haben könnten als die eines Mannes (vgl. ebd., Bd. VII, fol. 96r). Vgl. beispielsweise Michel de Montaigne, Essais. Erste moderne Gesamtübersetzung von Hans Stilett, Erstes Buch, 28: Über die Freundschaft, Frankfurt a. M. 1998, S. 98–104. Montaigne bewegt sich im Hinblick auf Freundschaft in der Tradition der Stoa. Für ihn können Frauen nur zwei Formen von Beziehungen unterhalten: Liebe und Ehe. Zu Freundschaft seien sie außerstande, da weder ihre geistigen Gaben noch ihre seelische Stärke dazu ausreichten. Das Lob der Männerfreundschaft findet sich in verschiedenen antiken Texten, so beispielsweise in Aristoteles, Die nikomachische Ethik, übers. v. Olof Gigon, hrsg. v. Rainer Nickel, 2. Aufl., Düsseldorf 2007. Frauenfreundschaften hingegen wurden kaum thematisiert und wenn doch im Vergleich als oberflächlicher und instabiler charakterisiert. Vor diesem Hintergrund erscheint es umso interessanter, dass die Bewertung von Freundschaften zwischen Frauen in den letzten Jahrzehnten einen großen Umbruch erfahren hat. So werden gegenwärtig gerade Frauenfreundschaften besonders positiv konnotiert, da sie im Vergleich zu Männerfreundschaften als »intensiver und zufrieden stellender« gelten und auch mit »mehr praktischen und emotionalen Beistand« einherzugehen scheinen (Heidbrink, Horst: Face-to-Face and Side-by-Side. Frauen- und Männerfreundschaften. Ergebnisse der psychologischen Freundschaftsforschung, in: Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte weiblicher Kommunikation. Hrsg. v. Eva Labouvie. Köln, Weimar, Wien 2009, S. 52).

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Befunde keinen Zweifel daran, dass Frauen am französischen Hof sowohl sprachlich als auch praktisch nicht nur als Freundinnen wahrgenommen wurden, sondern auch – bis auf die genannten Ausnahmen – kaum Differenzierungen oder Zuschreibungen entsprechend ihrer Geschlechtszugehörigkeit unterlagen. Das Freundschaftsverständnis, wie es sich am Beispiel adeliger Amtsträgerinnen offenbart, lässt wenige geschlechtsspezifische Unterschiede erkennen2144. Amtsträgerinnen werden in Bezug auf Frauen und Männer als ami (e)s bezeichnet und bezeugen Personen beiderlei Geschlechts in Haltung und Handlung Freundschaft. Gleiches gilt auch in umgekehrter Hinsicht. Auch die von Amtsträgerinnen erbrachten ›Freundschaftsdienste‹ stehen denen ihrer männlichen Amts- und Standesgenossen in nichts nach. Zwar waren sie selbst aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit von Militär- und Verwaltungsposten ausgeschlossen, gleichwohl war es ihnen möglich, Vermittlungsdienste für männliche Freunde beim Streben nach diesen Positionen zu leisten oder Verwandten über diese dazu zu verhelfen2145. Es war auch in diesem Zusammenhang gerade der Ausschluss von diesen Karrierewegen, der sie im höfischen Kontext mit einem Vorteil zu versehen schien. Im Gegensatz zu ihren männlichen Standesgenossen, die sich aufgrund administrativer, militärischer und diplomatischer Aktivitäten immer wieder vom Hof entfernen mussten2146, konnten Amtsträgerinnen dort dauerhaft verbleiben, somit ununterbrochen die Verbindung zum höfischen Machtzentrum aufrechterhalten und die Teilnahme am innerhöfischen Konkurrenzkampf um Gunst, Ämter und Pensionen fortsetzen2147.

2144 Dies ergibt auch die Untersuchung von Christian Kühner, L’amiti¦ nobiliaire, die zwar vorrangig Freundschaften zwischen Männern des französischen Adels in den Blick nimmt, aber auch die »dimension sexu¦e« berücksichtigt. 2145 Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. III, S. 81, Fn. 2: Hinweis darauf, wie selbstverständlich verwandtschaftliche Verbindungen und darüber bestehende freundschaftliche Beziehungen zu einer hohen Entscheidungsperson als Garant für das Erlangen bestimmter Vorteile, hier eines militärischen Ranges, wahrgenommen wurden. So hat ein adeliger Mann laut Sourches, obwohl er der Schwiegersohn der Mar¦chale de Rochefort war, die wiederum »intime amie« des Ministers Louvois gewesen sei, einen bestimmten militärischen Rang nicht erhalten, was eine Abstrafung und damit ›Erziehungsmaßnahme‹ für sein Verhalten sein sollte. 2146 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 18, wonach der Hof in Kriegszeiten regelrecht entvölkert war, da die jungen Männer in den Kampf zogen. Vgl. auch NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. II, fol. 455r, »der hoff ist nun gar groß / hir, In dem alle Krieger wider gekommen sein«. 2147 Die meisten weiblichen Hofchargen wurden durchgehend ausgeübt, was die fast ständige Anwesenheit am Hof erforderte. Und selbst die dames du palais, die ihren Dienst im wöchentlichen Turnus versahen, durften sich nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Königs vom Hof entfernen (vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIV, S. 251; Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 61).

Adelige Amtsträgerinnen als Akteurinnen

6.3.

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Amtsträgerinnen als confidente und favorite

Die Angehörigen des zweiten Standes verbanden unterschiedliche soziale Nahbeziehungen miteinander, die, wie bereits dargestellt, in Verwandtschaftsund Freundschaftstermini zum Ausdruck kamen. Da innerhalb des Adels – insbesondere zwischen ihm und der Fürstenfamilie – mitunter große Rangunterschiede vorherrschten, erscheint es naheliegend, dass sie sich auch auf sprachlicher Ebene wiederfinden. Auf dieser Beobachtung fußt auch die historische Patronage-Forschung, die auf einer interpersonalen Ebene unter PatronKlient-Beziehungen weitgehend Nahbeziehungen versteht2148, die sich vor allem durch Asymmetrie und Machtgefälle zwischen Patron und Klient auszeichnen2149, die freiwillig2150 ein dyadisches und »relativ dauerhaftes, […] persönliches Verhältnis«2151 miteinander eingingen, das auf dem gegenseitigen Austausch von »Schutz und Chancen« für »Dienste und Ergebenheit«2152 basierte, jedoch mit keinem rechtlichen Anspruch verbunden war2153. Innerhalb dieser Beziehungen sei der Verpflichtung zu Reziprozität zwischen Patron und Klient ein besonderer Stellenwert zugekommen. Über ›Leistung‹ und ›Gegenleistung‹, die das Eigeninteresse der Beteiligten befriedigten, zwischen denen jedoch große Zeiträume liegen konnten, sei eine Bindung hergestellt sowie Vertrauen evoziert worden2154. »Clientage« habe sich dabei in Loyalität und Dienst ausgedrückt, den Klienten ihrem Patron schuldig waren, Patronage im Gegenzug in »protection and assistance including material benefits and opportunities for advancement.«2155 Wie zentral die Gegenseitigkeit für das Patron-Klient-Ver2148 Vgl. Kettering, Patronage in early modern France, S. 858, die die Bedeutung bestimmter Worte und Taten als Erkennungsmerkmale sozialer Nahbeziehungen betont. 2149 Vgl. Moraw, Über Patrone und Klienten im Heiligen Römischen Reich, S. 5–6; Morgan, Some types of patronage, S. 98. 2150 Vgl. Kettering, Patronage and kinship, S. 432. 2151 Moraw, Über Patrone und Klienten im Heiligen Römischen Reich, S. 6. Vgl. auch Morgan, Some types of patronage, S. 98; Ma˛czak, Patronage im Herzen des frühneuzeitlichen Europa, S. 86, der betont, dass das Patron-Klient-Verhältnis nicht als bipolare Einbahnstraße gedacht werden kann. Vielmehr sei es polypolar, da Klienten über verschiedene Patrone und Patrone über verschiedene Klienten verfügten. 2152 Moraw, Über Patrone und Klienten im Heiligen Römischen Reich, S. 6. Historiker, die diese Kriterien als Unterscheidungsmerkmale heranziehen, sind außer Peter Moraw, Victor Morgan (Some types of patronage, S. 91–115) und Sharon Kettering (Friendship and clientage in early modern France, in: French History 6/2 (1992), S. 139–158, hier S. 147; Kettering, Patronage in early modern France, S. 839). 2153 Vgl. Asch, Der Hof Karls I. von England, S. 290. Vgl. aber auch Kettering, Gift-giving, S. 142, die darauf hinweist, dass obwohl »the patron-client exchange was not formally contractual because it was not explicit with specific terms and conditions, it was implicitly contractual in the sense of being mutually binding.« 2154 Vgl. Kettering, Patronage in early modern France, S. 844; dies., Gift-giving, S. 143. 2155 Dies., Patronage and kinship, S. 432.

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hältnis war, macht Kettering daran fest, dass es bei wiederholter Nichtbeachtung oder großem Ungleichgewicht in der Reziprozität aufgelöst wurde2156, sodass es sich meist um eine nicht dauerhafte Beziehung zwischen Personen mit unterschiedlichem Status handelte2157. Auch aus emischer Perspektive finden sich in den hier untersuchten EgoDokumenten im Verhältnis zwischen Amtsträgerinnen und Angehörigen der Königsfamilie und insbesondere ihren jeweiligen Herrinnen – einer Personengruppe, die hierarchisch betrachtet weit über ihnen stand – Bindungen, die dem dargestellten Verständnis einer Patron-Klient-Beziehung vergleichbar sind. Während Amtsträgerinnen in Bezug auf andere Angehörige des (Hof-)Adels meist in den sozialen Rollen der Verwandten und Freundin behandelt werden, finden in ihren Verhältnissen zu den weiblichen Angehörigen der Königsfamilie andere Termini Verwendung, die auch andere soziale Rollen evozieren. Während die Herrinnen – wenn überhaupt – mit Begriffen wie ma„tresse und protectrice belegt werden2158, treten ihre Amtsträgerinnen in den Rollen der favorite und confidente in Erscheinung. Dass diese Begriffe an eine bestimmte ›Position‹ gebunden waren, kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass Amtsträgerinnen in den untersuchten Quellen fast nie als ma„tresse oder protectrice benannt werden. Nur in besonderen Fällen – nämlich dann, wenn eine Amtsträgerin hervorgehoben werden sollte – werden diese von ihrem höherrangigen Interaktionspartner als Verwandte oder Freundin deklariert. Gleiches gilt auch umgekehrt für Angehörige der Königsfamilie, die weder als favorite noch als confidente firmieren2159. Da die genannten sozialen Rollen sich in Beziehung zueinander konstituieren, werden sie auch im Folgenden gemeinsam behandelt. Zunächst werden aber die Verhältnisse zwischen Herrinnen und ihren Amts2156 Vgl. dies., Patronage in early modern France, S. 845; dies., Gift-giving, S. 143: »It was a loose, inexact system of accounting, and what satisfied one participant did not always satisfy another. The degree of reciprocity varied from relationship to relationship, but the exchange had to be reciprocal and mutually satisfactory over time for the relationship to continue.« 2157 Vgl. dies., Patronage and kinship, S. 432. 2158 Die aufgeführten Termini dienen als Anhaltspunkt, denn in den untersuchten Ego-Dokumenten wird für die weiblichen Angehörigen der Königsfamilie keine einheitliche Terminologie herangezogen. Meist werden sind lediglich mit ihrem Namen angeführt. Wenn überhaupt werden sie bei Caylus und Motteville mit dem Begriff der ›ma„tresse‹ belegt, der aber sowohl bei Sourches als auch bei Saint-Simon so gut wie nie in Bezug auf diese Personengruppe auftritt. Bei Saint-Simon stattdessen fast nur als Bezeichnung für die Mätresse des Königs oder allgemeiner im Sinne von Herrin oder Geliebte. 2159 Eine Ausnahme bildet jedoch die Königsmätresse, die selbst Favoritin, gegenüber anderen als Herrin und Beschützerin auftreten konnte, wenngleich ihre sozialen Nahbeziehungen meist in Verwandtschafts- und Freundschaftsbegriffen behandelt werden. Da sie eine ›Sonderstellung‹ einnahm, wird sie im Folgenden in ihren Handlungsmöglichkeiten eigens behandelt.

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trägerinnen entsprechend ihrer allgemeineren Thematisierung in den herangezogenen Quellen skizziert. Die Interaktion zwischen den weiblichen Angehörigen der Königsfamilie und Amtsträgerinnen lässt ein gewisses Repertoire an ausführbaren Handlungen erkennen. Dabei vermitteln die Quellen ein vorwiegend positiv konnotiertes Bild, wonach sich die Haltung und Handlung einer Angehörigen der Königsfamilie gegenüber einer Amtsträgerin vor allem durch Vertrauen (confiance), Gewogenheit (bonne volont¦, bont¦, inclination, bienveillance), Zuneigung (inclination, affection, attachement), Gewährung von Schutz (protection, proteger) und Verschaffen von ›Vorteilen‹ (bons offices, gr–ces, marques de consid¦ration) auszeichnete. Eine zentrale Bedeutung im Verhältnis zwischen beiden Parteien wird der confiance der Herrin gegenüber einer Amtsträgerin beigemessen, die Grundlage dafür gewesen sei, dass sie sich ihr anvertraut habe. Ein Beispiel dafür bietet die Beschreibung eines Vorfalls, der sich zwischen der Duchesse de Bourgogne und einer ihrer dames pour accompagner, der Marquise de Nogaret, zugetragen haben soll. Das besondere Verhältnis zu dieser Amtsträgerin wird in der Quelle bereits dadurch angedeutet, dass sie von ihrer Herrin immer als »sa petite bonne et son puits« bezeichnet worden sei. Besonderen Ausdruck habe es aber in Notsituationen erhalten, in denen sich die Duchesse de Bourgogne mit der Marquise in ihr cabinet zurückgezogen habe, um ihr dort unter vier Augen alles, was sie bedrückte, zu berichten, und ihren Gefühlen »contre Mme d’Espinoy«, die sie im Auftrag von Madame de Maintenon bespitzelt haben soll, freien Lauf zu lassen. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung von Vertrauen auch explizit gemacht, indem es heißt, dass die Duchesse de Bourgogne »confiance en l’esprit et en la science du monde et de la cour de Mme de Nogaret« gehabt haben soll, weshalb ihr ihr Rat teuer gewesen sei2160. Ähnliches offenbart sich auch in einer anderen Situation, in der sich die Duchesse de Bourgogne – durch Enthüllungen bedroht –, erneut an ihre »petite bonne« gewandt und von dieser – diesmal im Schutz ihrer »garde-robe« – »conseil« zu ihrem weiteren Verhalten erhofft habe2161. Amtsträgerinnen konnten sich aber auch entsprechend des zeitgenössischen Verständnisses noch aktiver für die Belange ihrer Herrin einsetzen und ihr darüber von Nutzen sein. Dies illustriert das Verhältnis zwischen der Königin Maria Theresia und ihrer dame d’honneur, der Duchesse de Navailles. Nach Motteville habe sich Letztere aktiv für die Verbesserung der finanziellen Situation ihrer ma„tresse eingesetzt. Anlass dafür sei gewesen, dass alle Ausgaben der maison de la reine auf Anweisung von Colbert getätigt worden seien, der an 2160 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XV, S. 10. 2161 Ders., M¦moires, Bd. XII, S. 278.

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allem gespart habe, mit der Folge, dass es der Königin an ausreichenden Mitteln für ihre »aumúnes« und »menus plaisirs« fehlte. Ihre Klagen darüber bei der Duchesse de Navailles soll diese dazu veranlasst haben, sie an den Kardinal weiterzutragen, verbunden mit dem Ratschlag, die für Gutes und Schlechtes empfängliche Königin besser zu behandeln2162. Als Mittelsfrau für die Bedürfnisse und Interessen ihrer Herrin sei sie auch gegenüber dem König aufgetreten, dem sie ebenfalls aufgrund seines Verhaltens gegenüber der Königin Vorhaltungen gemacht haben soll. Dadurch, aber auch durch das Spenden von Trost, gutes Zureden und die Anteilnahme an den Gefühlen ihrer ma„tresse, habe sich ihr »attachement« für diese offenbart, gleichzeitig aber auch die Bereitschaft gezeigt, sich dem Missfallen des Königs auszusetzen. So habe dieser auch den ›schlechten‹ Einfluss auf die Meinung und Stimmung seiner Ehefrau nicht dulden wollen, was in der Bewertung Mottevilles letztlich auch zum »entiere Disgrace« der Duchesse de Navailles führte. Wie aus diesem Fall hervorgeht, lag in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung eine wichtige Handlungsoption von Amtsträgerinnen in der Beeinflussung ihrer Herrin. Dementsprechend habe nicht nur der König, sondern auch die Gegenspielerin der Duchesse de Navailles, die Comtesse de Soissons, die Befürchtung gehegt, von der dame d’honneur bei der Königin diskreditiert zu werden. Doch während der König durch seine Machtfülle eine Bedienstete aus einer maison royale entlassen und vom Hof verweisen konnte, waren die Handlungsmöglichkeiten einer Amtsträgerin darauf beschränkt, ihn, dessen Gunst sie genoss und auf dessen Unterstützung sie hoffte, dahingehend zu beeinflussen. Demnach sei es der Comtesse de Soissons gelungen, vom König die Erlaubnis einzuholen, die ihr bei der Königin vermeintlich erwiesenen »mauvais offices de la Duchesse de Navailles« wieder gutzumachen, wobei sie keine Rücksicht darauf genommen habe, ob das, was sie der Königin berichtete, dieser Kummer bereiten würde2163. Darüber, welchem Vorgehen der beiden Amtsträgerinnen der Vorzug zu geben sei, lässt Motteville keinen Zweifel: Das Verhalten der Soissons wird von ihr abgelehnt, da sie die Königin mit Informationen zu den Liebschaften des Königs verletzte. Das Verhalten der Duchesse de Navailles hingegen sowie der darin ebenso verwickelten favorite und »fidelle Servante« Molina, die aus Treue und Rücksichtnahme ihrer Herrin gegenüber brisante Informationen verschwiegen und emotionalen Anteil am Unglück ihrer Herrin genommen haben sollen, wird befürwortet. Entsprechend erhält die Beschreibung der beiden letztgenannten Frauen einen positiven Anstrich, wenn Motteville Molina als »sage« und »discrette« charakterisiert und auch die Du-

2162 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 138–139. 2163 Ebd., S. 304–305.

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chesse de Navailles als eine Person erscheint, die Gott, dem König und ihrer ma„tresse treu gedient habe2164. Im Gegenzug konnten Amtsträgerinnen, die das Vertrauen und das Wohlwollen ihrer Herrin besaßen, auf deren Schutz hoffen. Der Duchesse de Navailles, die nach Motteville die confiance, beinveillance und bonne volont¦ der Königinmutter Anna von Österreich genossen habe, sei zugutegekommen, dass sie ihr ihre protection gewährt und sich auch darum bemüht habe, sowohl die Meinung des Königs als auch des Hofes zu ihrem Vorteil zu beeinflussen. Ebenso habe die Königin Maria Theresia aus inclination und bonne volont¦ Partei für ihre dame d’honneur ergriffen und den König um die Gnade gebeten, sie ohne Charge bei sich behalten zu dürfen2165. Und selbst als sich ihre Bemühungen als erfolglos erwiesen und die so protegierte Amtsträgerin dennoch in Ungnade gefallen war und den Hof verlassen musste, sei die Verbundenheit der Königin in der Betrübnis über ihre Abreise zum Ausdruck gekommen, und darin, dass sie ihre vormalige dame d’honneur beim Abschied umarmte und ihr versicherte, ihrer immer eingedenk zu sein2166. Wie sich hieran zeigt, konnte eine Herrin über »marques publiques […] de la bonne volont¦« die Unterstützung einer Amtsträgerin öffentlich zur Schau tragen. Besonders deutlich wird dies bei Madame de Motteville, die das Verhalten der Königinmutter und Königin ihr selbst gegenüber beschreibt. Beide Frauen der Königsfamilie hätten über Nähe, Gespräche und Gewährung von Zugang sowohl offen gezeigt, in welcher Vertrautheit sie mit ihnen verkehrte, als auch, in welch hoher Gunst und großem cr¦dit sie bei ihnen stand2167. Auch im Fall von Madame de Venel habe sich die Gnade der Königinmutter in accueil favorable, körperlicher Nähe und don ausgedrückt2168. Eine andere Form der »marques de consid¦ration« sei auch die Übertragung vertrauensvoller Aufgaben gewesen2169 oder wie im Fall der Königin Maria Theresia die Verteilung von caresses an die Nichte der Königsmätresse Madame de Maintenon als Zeichen ihrer Dankbarkeit dafür, dass sie den König dahingehend beeinflusst habe, ihr als seiner Gattin mehr aufzuwarten2170. Ebenso lag es im Rahmen des zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbaren, dass eine ma„tresse als Leumund einer Amtsträgerin agierte2171 oder sich aus emotionaler Verbundenheit für die Gewährung von »bons offices« beim König einsetzte, um dieser beispielsweise eine 2164 2165 2166 2167 2168 2169 2170 2171

Ebd., S. 307–308. Vgl. ebd., S. 189–198, 209. Vgl. ebd., S. 320–321. Ebd., S. 209. Vgl. ebd., S. 210–211. Vgl. BM, Venel, S. 3–4. Ebd., S. 6–7. Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 82. Vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 140.

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gratification in Form einer Pension zu verschaffen2172. Schutz und Unterstützung einer Angehörigen der Königsfamilie habe eine Amtsträgerin aber nicht nur und zwangsläufig von der Herrin der maison, in der sie ihren Dienst versah, erfahren. So sei der surintendante der Königin letztlich nicht nur ihre eigene Herrin aus bont¦ zur Seite gestanden, um einen »Disgrace« abzuwenden2173. Auch sei ihr die protection der ersten Madame zuteil geworden, über die es ihr ebenfalls ermöglicht worden sei, sich im direkten Umfeld des Königs aufzuhalten2174. Schutz und Vorteile waren in der zeitgenössischen Wahrnehmung aber nur im Rahmen der Einflussmöglichkeiten der jeweiligen Herrin erhältlich. Obgleich es sich bei den weiblichen Angehörigen der Königsfamilie um die höchstrangige Frauengruppierung in der höfischen Hierarchie handelte, die sich prinzipiell in ihren Handlungsspielräumen von anderen Frauengruppierungen der höfischen Gesellschaft abhob, waren sie – wie bereits Keller für den Wiener Kaiserhof festgestellt hat – in der speziellen Situation, dass »ihre Gestaltungs- und Vermittlungsmöglichkeiten« als Angehörige der Herrscherfamilie zwar einerseits sehr ausgeprägt waren, ihre Nutzung aber andererseits ein »unbelastetes Verhältnis« zum Familienoberhaupt voraussetzte2175. Dies ist insbesondere für den Hof Ludwigs XIV. von Bedeutung, der als männliches Oberhaupt der französischen Herrscherfamilie die »Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit« der weiblichen Familienangehörigen im Hinblick auf die Erziehung ihrer Kinder, die Wahl ihrer Hofdamen und auf Repräsentationspflichten einschränken sowie Gehorsam2176 und Zurück- bzw. Geheimhaltung in Staatsangelegenheiten verlangen konnte2177. Dies spiegelt sich auch in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung der Handlungsmöglichkeiten der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie in der sozialen Rolle der ma„tresse und protectrice wider. Als Beispiel werden hier erneut die Königinmutter und vormalige Regentin Anna von Österreich und die Königin Maria Theresia bemüht, an denen sich besonders gut aufzeigen lässt, in welchem Maße Erfolg und Misserfolg beim Einsatz für Dritte als Gradmesser ihres jeweiligen cr¦dit beim König oder anderen höfischen Entscheidungsträgern bewertet wurde2178. Im Zusammenhang mit dem Einsatz Annas von Österreich für den Duc und die Duchesse de Navailles, die von ihr sehr protegiert worden seien, berichtet Saint-Simon: 2172 2173 2174 2175 2176

Vgl. Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 1. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 368. Vgl. ebd., S. 199. Keller, Frauen in der höfischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, Absatz 31. Kroll, Zu Macht und Romantik der Frauen im Zeitalter Ludwigs XIV., S. 147–148. Vgl. auch BertiÀre, Les femmes du roi-soleil, S. 11. 2177 Vgl. Solnon, La Cour de France, 381. 2178 Die Königinmutter bedauerte die Ungnade sehr, nicht zuletzt, weil es ihr zeigte, dass sie über keinen großen cr¦dit beim König verfügte, denn sie hatte sich für beide sehr bei ihm eingesetzt (vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 320).

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»La Reine mÀre, qui avoit un grand cr¦dit sur le Roi, l’employa tout entier pour parer ce coup [die drohende Ungnade des Ehepaares Navailles, R.S.]: tout ce qu’elle put obtenir, ce fut de leur sauver le gouvernement de la Rochelle et du pays d’Aunis, et de les y faire envoyer ; mais tout le reste sauta.«

Noch auf ihrem Sterbebett habe sie den König um »le retour et le pardon de M. et de Mme de Navailles« gebeten, die ihr nicht gewährt worden seien2179. Gleichzeitig thematisiert Motteville im selben Zusammenhang, dass es die Königinmutter geschmerzt haben soll, bei dieser Gelegenheit deutlich vor Augen geführt zu bekommen, dass sie beim König keinen »grand cr¦dit« besaß2180. Dies konnte sogar geradezu negative Folgen für ›begünstigte‹ Personen nach sich ziehen, wie das bereits an anderer Stelle angeführte Beispiel Primi Viscontis verdeutlicht, der über die Gewährung von Zugang und eines vermeintlich großen Vorteils für sich selbst berichtet und dabei von der Comtesse de Soissons darauf hingewiesen worden sei, dass der nicht vorhandene cr¦dit der Königin durch ihren Einsatz beim König auch den seinen verspielen würde2181. Doch selbst wenn der Einsatz einer ma„tresse gegenüber einer ›Dienerin‹ oder einer anderen Person nicht daran scheitern sollte, wurde ihrem attachement doch auch ein negatives Potenzial zugeschrieben. Die erste Dauphine soll es dazu veranlasst haben, sich der Eheschließung ihrer femme de chambre zu widersetzen, da sie es nicht ertragen habe, »le cœur de Bessola« mit einem Ehemann zu teilen2182. Andere unvorteilhafte Konsequenzen finden ihre Erwähnung im Verhältnis zwischen der zweiten Madame, Elisabeth Charlotte von Orl¦ans, und zweier adeliger Frauen ihres Gefolges. Sowohl die Mar¦chale de Cl¦rambault, die mit ihrer Herrin ein gemeinsames Interesse an abergläubischen Praktiken verbunden habe, als auch die Comtesse de Beuvron seien von der Madame sehr geliebt worden und gerade deshalb vom Monsieur, dem sie verhasst gewesen seien2183, vom Hof verwiesen worden. Während der mehrjährigen Trennung der drei Frauen habe die Madame die Comtesse de Beuvron nur »rarement et — la d¦rob¦e dans des couvents — Paris« gesehen, da es ihr nicht erlaubt gewesen sei, diese aufzusuchen. Dennoch habe sie ihr »tous les jours de sa vie«2184 geschrieben und nach dem Tod Monsieurs die Gelegenheit ergriffen, sie wieder an den Hof zurückzuholen, wo sie zwar »sans titre ni nom« lebten, aber von ihr mit zahlreichen anderen Vorteilen ausgestattet worden seien: »Elle leur donna quatre mille livres de pension — chacune; le Roi leur donna un 2179 2180 2181 2182 2183 2184

Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 32, 34. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 320. Vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 65. Caylus, Souvenirs, S. 77. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 100, 103. Ebd., S. 105.

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logement — Versailles; elles suivirent Madame partout, et furent, sans demander, de tous les voyages de Marly.«2185 Aus den Reihen der Amtsträgerinnen treten in den Quellendarstellungen zwei Termini und damit verbundene soziale Rollen hervor, nämlich die der eingangs bereits genannten confidente und favorite. Beide Begriffe werden in Bezug auf Amtsträgerinnen sehr selten verwand, was sowohl als Hinweis auf die Exklusivität dieser Rolle gewertet werden kann als auch darauf, dass es unüblich war, sie explizit als solche zu deklarieren. Da die in den Quellen ermittelten Fälle dennoch sehr interessante Rückschlüsse auf die Bedeutung von Geschlecht zulassen, sollen sie im Folgenden weitestgehend an Fallbeispielen behandelt werden. Das erste Beispiel betrifft die Dauphine Maria Anna von Bayern und ihre femme de chambre Bessola, deren Verhältnis selbst dem ausländischen Gesandten Ezechiel Spanheim berichtenswert erschien. Mademoiselle Bessola wird von ihm als eine Frau beschrieben, die ihrer Herrin seit deren Kindheit gedient und ihr nach der Eheschließung mit dem französischen Thronfolger als einzige Angehörige ihres heimatlichen Gefolges verblieben war. Unter den Bedingungen des französischen Hofes, an dem sie als Ausländerinnen lebten, habe sich die zwischen ihnen bestehende »amiti¦ particuliÀre« noch verstärkt. Als »ma„tresse« habe die Dauphine Mademoiselle Bessola eine »confidence particuliÀre« entgegengebracht und von dieser im Gegenzug »attachement« sowie »zÀle et d¦vouement entier« erhalten. Auch sei Bessola als ihre ›Seelsorgerin‹ und einzige Vertraute in Erscheinung getreten und habe eine Sonderstellung eingenommen, die u. a. dadurch zum Ausdruck gekommen sei, dass sie der Dauphine »dans les heures de retraite« alleine Gesellschaft geleistet habe und damit gegenüber der restlichen Hofgesellschaft und selbst den »dames« und »demoiselles de sa suite« bevorzugt worden sei. Den exklusiven Zutritt zu ihrer Herrin habe sie darüber hinaus auch dazu genutzt, Einfluss auf den räumlichen Zugang zu ihr zu nehmen. Nicht zuletzt habe sich ihre privilegierte Position auch darin offenbart, dass sie bei der toilette ihrer Herrin den Platz neben ihr einnahm und in ihren eigenen Appartements im Schloss nur selten Männer und Frauen des Hofes empfing, um zu verhindern, dass diese Handhabe über sie erlangen. Nach Spanheim ist das besondere Vertrauensverhältnis zwischen der Dauphine und ihrer femme de chambre am Hof auf Ablehnung gestoßen, da die so begünstigte Person weder Französin war noch über einen hohen Rang verfügte, geschweige denn Vorteile aus ihrer Charge zog. Zu ihrer Diskreditierung als confidente wurden somit die Kategorien Nation, Stand und Amt geltend gemacht und zugleich wurde offengelegt, mit welcher Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wurde, dass eine Person in ihrer Position sich diese auch zunutze machen sollte. Gleichwohl hebt Spanheim hervor : 2185 Ebd., S. 100. Siehe auch zu diesem Verhältnis ders., M¦moires, Bd. VIII, S. 364–366.

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»on peut dire, — la louange de cette fille, qu’elle n’en abuse point, qu’elle ne fait point par l— d’affaires — sa ma„tresse ou — d’autres, qu’elle n’entre en rien que dans le seul et particulier attachement — lui plaire, — la divertir ou — la soulager dans les maux ou dans les d¦plaisirs ins¦parables des conditions les plus ¦lev¦es et, en apparence, les plus heureuses dans le monde, et qu’enfin toute cette faveur et cette distinction, qui d’ailleurs ne sauroit Þtre plus grande et plus connue, se r¦duit aprÀs tout au commerce particulier, domestique et innocent entre la ma„tresse et la confidente.«

Den vermeintlich ›unschuldigen‹ Umgang beider Frauen relativiert Spanheim jedoch, indem er darauf hinweist, welcher Einfluss Bessola auf die Meinung ihrer Herrin zugeschrieben wurde. So soll sie aufgrund ihrer guten Beziehung zu ihrer Herrin die »consid¦ration« anderer Hofangehöriger gewonnen haben, die ihre »amiti¦« suchten, um über sie der Dauphine zu gefallen2186. Auch Caylus geht auf das Verhältnis zwischen der Dauphine und Bessola ein, betont jedoch vor allem die negativen Seiten dieser Verbindung. Demnach habe das attachement zwischen beiden Frauen die Integration der Dauphine am französischen Hof behindert: »Bessola, sans avoir rien de mauvais, fit beaucoup de mal — sa ma„tresse et beaucoup de peine au Roi.« Ihr wird zugeschrieben, aufgrund ihrer Gespräche in der Muttersprache ihrer Herrin dazu beigetragen zu haben, dass diese ihr Gefallen an anderer Konversation verlor und sich auch nie den Gepflogenheiten des cour de France anpasste. Auch habe ihr »attachement pour Bessola […] un go˜t pour la retraite peu convenable aux premiers rangs« verliehen2187. Darauf verweist auch Sourches, der ebenfalls die emotionale Bindung der Dauphine an ihre femme de chambre herausstellt und ihr einen negativen Effekt zuschreibt. Demnach habe die Liebe, die die Dauphine »avec une si grande passion« für ihre Amtsträgerin empfunden habe, sie dazu veranlasst, »la moiti¦ des journ¦es enferm¦e avec elle«2188 zu verbringen. Die Gefahr, die ein solches Verhalten barg, betraf aber nicht nur die Vernachlässigung von Pflichten, sondern auch die Möglichkeit der Einflussnahme. Zwar lag der besondere Vorteil der Beziehung zwischen Herrin und Kammerfrau – so vermutet Norberg – darin, dass eine femme de chambre im Gegensatz zu den Hofdamen kaum als Rivalin oder Kritikerin ihrer Herrin in Erscheinung treten konnte, was die Entstehung einer engen und intensiven Beziehung befördert habe2189.

2186 2187 2188 2189

Spanheim, Relation de la cour de France, S. 53–55. Caylus, Souvenirs, S. 76–77. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 371, Fn. 2. Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 200. Sie bezieht sich dabei auch auf den Fall der Dauphine und ihrer femme de chambre Bessola. Vgl. auch Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 66, der am Beispiel von Madame de Montespan und »Mlle Desoeillets, sa femme de chambre de confiance«, aufzeigt, dass es denkbar war, dass Letztere intime Beziehungen zum König unterhielt. Diese »demoiselle laissait entendre que le Roi avait eu commerce avec elle par diverses fois. Elle paraissait mÞme se vanter d’en avoir eu des

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Gleichzeitig war es im zeitgenössischen Verständnis – wie auch der Fall der Duchesse de Berry zeigt – aber durchaus denkbar, dass eine Herrin zwar ihren Vater und Ehemann dominierte, sich selbst aber »par une de ses femmes de chambre« beherrschen ließ2190. Wie das Beispiel Bessolas nahelegen könnte, beschränkte sich die soziale Rolle der confidente nicht nur auf niedrigrangige Frauen. Auch Madame de Venel wurde bereits vor ihrer Zeit als dame du palais de la reine als Vertrauensperson der Königinmutter und des Kardinal Mazarin beschrieben2191. Das Verhältnis, das ihr die Ausübung ihres Hofamtes mit der Königin verschaffte, habe das Entstehen von »amiti¦ tendre« und »confiance jntime« vonseiten der Königin zur Folge gehabt. In Madame de Venel habe sie die »confidente de ses jalousies« und die »d¦positaire de sa douleur« gesehen, die ihr nicht mehr von der Seite weichen durfte und die ihr während »tristes momens« als »unique resource« tröstend beistand und sich darum bemühte, ihr das Herz des Königs zurückzugewinnen sowie die Aufregung, die durch die Liebschaften des Königs in der famille royale entstanden war, wieder zu legen. Infolge ihres »zÀle le plus vif pour les jnt¦rets de la Reine« und ihres Einsatzes »aussi vertueux, et aussi contraire aux jnt¦rets des Maitresses du Roi« habe sie sich die Feindschaft der königlichen Geliebten zugezogen. Deren wiederholtem Gesuch, sie vom Hof zu entfernen, sei der König jedoch nie nachgekommen2192, nicht zuletzt, da er den beruhigenden Einfluss Madame de Venels auf seine Gattin geschätzt und dies auch mit Zeichen seines Wohlwollens zum Ausdruck gebracht habe2193. Sowohl im Fall Bessolas als auch Venels fällt auf, dass ihre Rolle als confidente sich vor allem dadurch auszeichnete, dass ihre Herrinnen Zuneigung zu ihnen verspürten und in ihnen vertrauliche Gesprächspartnerinnen sahen, die ihnen vor allem emotional, aber auch durch Ratschläge beistanden2194, ohne dass dabei thematisiert würde, was sie im Gegenzug dafür erhielten2195. Darin zeigt sich ein deutlicher Unterschied zur sozialen Rolle der favorite, bei der weitaus stärker in

2190

2191 2192 2193 2194 2195

enfants. Elle n’est pas belle, mais le Roi se trouvait assez souvent seul avec elle quand sa ma„tresse ¦tait occup¦e ou malade.« Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXI, S. 237. Dasselbe Potenzial wurde auch anderen Amtsträgerinnen zugeschrieben. So berichtet Caylus, Souvenirs, S. 69, dass die Duchesse de Richelieu in ihrem Bestreben entmutigt, den ersten Platz beim König einzunehmen, sich der Dauphine zugewandt, bei der sie über »craintes«, »soupÅons, et mille fausses id¦es« dazu beitrug, dass diese sich von »le monde« zurückzog. Vgl. BM, Venel, S. 7–9. Ebd., S. 21, 22, 24, 27–28. Vgl., ebd., S. 25. Vgl. auch ebd., S. 205–206. Im Fall von Bessola wird an anderer Stelle dargestellt, dass sie nach dem Tod ihrer Herrin vom König eine Pension erhalten haben soll. Auch bei Venel wird im Rahmen der sie betreffenden Memoiren erwähnt, wie sie und ihre Angehörigen insgesamt von ihren Posten am Hof und ihren Diensten profitiert hätten.

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den Vordergrund gerückt wird, dass sich die gewogene Haltung ihrer Herrin in konkreten Handlungen manifestierte, so vor allem in der Gewährung von Schutz und dem Verschaffen von Vorteilen. Die soziale Rolle der favorite wurde vorrangig durch das Verhalten einer höhergestellten Person geschaffen, die eine andere, ihr untergeordnete gegenüber Dritten bevorzugte und damit auszeichnete. Dem zeitgenössischen Verständnis nach war ein(e) favorit(e) jemand, der »les bonnes graces d’un Prince, d’une personne puissante, d’une maitresse, & generalement d’un sup¦rieur« genoss, »— qui plusieurs s’efforcent de plaire, & qui ne plaisent pas ¦galement.«2196 Was es bedeutete, die »bonnes graces« einer mächtigen Person zu besitzen und als »Favorite«2197 behandelt zu werden, wird in unterschiedlichen Handlungen verdeutlicht. Wie bei der sozialen Rolle der confidente drückte sich auch der Günstlingsstatus durch emotionale Verbundenheit und häufigen Kontakt aus, der mit exklusiver und großer körperlicher Nähe zwischen den beteiligten Personen einherging. Über die erste Madame, Henriette Anna von England, wird berichtet, sie habe die Princesse de Monaco nicht nur zärtlich geliebt2198, sondern sei auch nicht mehr in der Lage gewesen, ohne ihre favorite zu leben, von der sie sich trotz der sie umgebenden »querelles« und »broüilleries« auf allen »promenades« begleiten ließ2199. Auch im Zusammenhang mit der zweiten Madame, Elisabeth Charlotte von Orl¦ans, wird Mademoiselle de Ch–teautiers von Saint-Simon als würdige »favorite« ihrer Herrin dargestellt, die dieser beispielsweise anlässlich der Bekanntgabe der Eheschließung zwischen dem Sohn der Madame und einer illegitimen Tochter Ludwigs XIV. emotionalen Beistand geleistet habe; auch hier wurde das besondere Verhältnis beider Frauen dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Herrin in Gegenwart ihrer favorite ihr Unglück ohne Zurückhaltung herausgeweint und -geschrien habe2200. Dass sich faveur2201 aber vor allem in der Gewährung bzw. Verschaffung von Vorteilen zeigte, darauf macht Motteville in der Beschreibung des Konflikts zwischen der Comtesse de Soissons und der Duchesse de Navailles um Amts-

2196 Favori, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung]. 2197 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 221. 2198 Vgl. ebd., S. 220. 2199 Ebd., S. 220–221. 2200 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. I, S. 72. 2201 Faveur, in: Dictionnaire universel, contenant g¦n¦ralement tous les mots franÅois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts […] [Microforme]. Hrsg. v. Antoine FuretiÀre. Den Haag und Rotterdam 1690 [keine Paginierung], wonach es sich dabei um eine gewährte »Grace« oder »bon office« handelt. Des Weiteren bezeichnen sie »aussi la bienveillance d’un puissant, d’un superieur, le credit qu’on a sur son esprit«.

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befugnisse aufmerksam2202. Demnach habe die Duchesse die mit dem Posten der surintendante verbundenen Vorrechte mit Verweis darauf angegriffen, dass die Comtesse als surintendante der Königinmutter bestimmte »grandes Prerogatives« in Form von Vorteilen, honneurs und service nur deshalb genieße, weil sie »Usurpation« einer favorite seien und nicht zum Hofamt gehörende »possession legitime«2203. Hierin deutet sich bereits an, was es im zeitgenössischen Verständnis ratsam erscheinen ließ, selbst zu Angehörigen der Königsfamilie mit wenig cr¦dit eine nähere Bindung aufzubauen: die Aussicht auf Privilegien. So konnten sich selbst ›Investionen‹ in gegenwärtig noch einflusslose Personen zukünftig auszahlen und bargen gute Beziehungen zu ihnen und zu anderen Günstlingen das Potenzial, Zugang zu anderen Mitgliedern der famille royale – allen voran dem König – zu erhalten. Dies wird am Beispiel der Königin Maria Theresia und ihrer damaligen dame du palais Montespan deutlich, denn Letztere habe die privilegierte Stellung ihrer Charge dazu genutzt, die faveur ihrer Herrin zu erlangen, um über den damit einhergehenden privilegierten Zugang und körperliche Nähe zu ihrer ma„tresse in regelmäßigen Kontakt mit dem König zu treten2204, was ihr letztlich den Aufstieg zur ma„tresse en titre ebnete. Wie auch aus diesem Fall hervorgeht, waren adelige Amtsträgerinnen bei entsprechenden Bemühungen prinzipiell durch ihr Amt begünstigt. Durch die ständige Nähe im Umfeld der Fürstenfamilie verfügten sie über eine sehr gute Ausgangsposition, deren Vertrauen zu gewinnen und darüber zu Günstlingen aufzusteigen. Dabei gelang es nicht nur am Münchener Hof adeligen Frauen meist erst mit der Übernahme einer Hofcharge, sich in der Konkurrenz um die Gunst ihrer Herrin gegen andere durchzusetzen und ihre eigenen Interessen zu verfolgen2205. Wenngleich die Bekleidung eines Hofamtes durch die große Nähe2206 das Anbahnen enger sozialer Beziehungen zwischen Herrin und Amtsträgerinnen begünstigte, war es dennoch kein Garant für die Erlangung der privilegierten Position einer confidente oder favorite2207 und einmal gewährte Gunst auch nicht immer von Dauer2208. So werden auch Frauen, die wie die Princesse de Monaco 2202 2203 2204 2205

Vgl. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 189–212. Ebd., S. 189. Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 39–40. Vgl. Kägler, Frauen am Münchener Hof, S. 432. Vgl. aber auch ebd., S. 407–408, wonach als Voraussetzung für »eine lange Dienstdauer« auch ein persönliches Verhältnis zur Herrin vorhanden sein musste, das »von Loyalität und Vertrauen geprägt« war. 2206 Vgl. z. B. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 115. 2207 Die Mar¦chale de Cœuvres, die keine Amtsträgerin war, wird bei Sourches mehrfach als favorite der Duchesse de Bourgogne bezeichnet, allerdings ohne auf die Implikationen dieser Stellung einzugehen (vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. IX, S. 176, Fn. 3). 2208 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXI, S. 268–269. Ein Beispiel dafür findet sich im Hofstaat der Duchesse de Bourgogne und zweiten Dauphine, wo Madame de la ValliÀre der Mar¦chale d’Estr¦es die »faveur« und »confiance« ihrer Herrin weggenommen habe.

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kein offizielles Hofamt bekleideten, als »Confidente declar¦e de Madame«2209 bezeichnet oder es wird wie im Fall der Comtesse de Jussac betont, welche große confiance sie bei den weiblichen Angehörigen der Königsfamilie und der Königsmätresse genossen2210. In den untersuchten Quellen werden auch gegenteilige Verhältnisse geschildert, etwa im Zusammenhang mit Amtsträgerinnen, die aufgrund der Vernachlässigung ihrer Dienstpflichten den Unmut ihrer Herrin auf sich gezogen2211 oder, wie Madame de Ch–tillon als dame d’atour der Madame, nie ein gutes Verhältnis gepflegt hätten2212. Grund hierfür konnte wie im letztgenannten Fall in der Loyalität gegenüber einer anderen Person, hier dem Ehemann ihrer Herrin, liegen, bei dem Madame de Ch–tillon ihr »fortune« gemacht und über den sie die genannte Charge erhalten haben soll2213. Doch obwohl am französischen Hof die letzte Instanz bei der Besetzung eines Postens in einem Frauenhofstaat beim König lag, musste dies kein Garant für die Loyalität der so begünstigten Person sein. Denn wie bereits bei Ludwig XIII. und Anna von Österreich lag es im Rahmen des Möglichen, dass, selbst wenn eine Amtsträgerin ursprünglich der Partei des Königs angehörte, sie im Laufe der Dienstzeit zur Königin überlief2214. Entsprechend boten in der zeitgenössischen Wahrnehmung Amtsträgerinnen für ihre Herrinnen ein großes Potenzial zum Aufbau vertrauensvoller Beziehungen und der Gewinnung getreuer Anhänger, selbst wenn ihr persönlicher cr¦dit ihre jeweiligen Handlungsspielräume einschränkte2215. Da die Gattinnen der männlichen Mitglieder der Königsfamilie 2209 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 361. Somit wurde sie bereits vor ihrem Amtsantritt als surintendante in der maison der zweiten Madame als Favoritin deklariert. 2210 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 333–336. So habe die betreffende Dame zwar zum Gefolge der Duchesse de Chartre gehört, »mais interieure«, sodass sie nicht nach Marly mitkommen und sich auch nicht »en public«, d. h. außerhalb des Appartements der Duchesse, mit dieser habe zeigen dürfen, es sei denn auf Reisen und bei »choses familiÀres«. Sie habe jedoch die »confiance« und »amiti¦ intime« der Duchesse de Chartres und der Madame de Montespan genossen, ebenso wie die »confiance« von Madame de Maintenon, sodass sie auch ohne offizielle Position am Hof verbleiben konnte, wo auch ihre nahen Angehörigen durch Hofämter verankert gewesen seien. 2211 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIX, S. 312, wonach dies auf die Mar¦chale de Rochefort als dame d’honneur der Duchesse d’Orl¦ans zugetroffen haben soll. 2212 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIV, S. 121. 2213 Ebd., S. 120. 2214 Vgl. Da Vinha, La maison d’Anne d’Autriche, S. 156. 2215 Wie Kettering, The household service of early modern french noblewomen, S. 68, bereits herausgestellt hat, konnten Adelige im Haushaltsdienst regelrechte Ersatzfamilienmitglieder, Vertraute, Gefährten und Klienten werden. Patron-Klient-Beziehungen entsprangen großen Haushalten und Adelige beiderlei Geschlechts wurden Klienten des Haushaltsvorstandes, von Familienangehörigen und Inhabern hoher Haushaltsposten. Als solche hätten sie aus Loyalität, Zuneigung, Pflichtsinn und Dankbarkeit eine große Bandbreite von Diensten innerhalb und außerhalb des Haushaltes erfüllt und dafür im Gegenzug Belohnung und Schutz seitens ihrer Patrone erwartet. Gleichwohl seien nicht alle Angehörigen eines Haushaltes zu Klienten ihrer Herren geworden.

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seit Ludwig XIII. meist aus dem Ausland stammten2216, keinerlei Verbindungen zum französischen Königshof hatten und aus ihrem Herkunftsland kaum Gefolge mit in ihre neue Heimat bringen durften bzw. es meist nach relativ kurzer Zeit wieder zurückschicken mussten, ist davon auszugehen, dass sie ein Interesse am Aufbau neuer Verbindungen hatten. Für den Wiener Hof konnte Keller bereits feststellen, dass sich gerade für ausländische Fürstinnen dadurch die Möglichkeit eröffnete, eigene Klientel aufzubauen – so beispielsweise durch die Förderung der Karrieren ihrer Amtsträgerinnen und deren Ehemännern –, sich in die Hofgesellschaft einzubinden, »über eigene Kanäle auf Entscheidungen Einfluss« zu nehmen und dadurch die eigene »Position am Hof des Ehemannes« zu festigen2217. Im Zusammenhang mit den Liebschaften Ludwigs XIV. wird explizit gemacht, wie in der zeitgenössischen Wahrnehmung ein Mitglied der Königsfamilie – in diesem Fall die Königinmutter – Vorteile aus ihren Amtsträgern und deren Verwandten ziehen konnte. Es wird darauf verwiesen, welchen Vorteil es für sie haben würde, wenn der König sich in Mademoiselle de Brancas verlieben sollte, denn »¦tant Fille d’un Homme qui est — elle, & son premier Domestique«, seien »lui, sa Femme, & sa Fille« dazu in der Lage, ihr »bons offices aupr¦s du Roi«2218 zu leisten. Amtsträgerinnen boten ihren Herrinnen aber gleich in zweifacher Hinsicht ein besonders geeignetes Reservoir für Favoritinnen und Getreue. Zum einen standen sie über ihre Charge in täglichem Kontakt mit ihrer ma„tresse, sodass sie in einer günstigen Position waren, über längere Zeit ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Zum anderen stellten sie aufgrund ihres Geschlechts scheinbar vergleichsweise ›unverfängliche‹ Bezugspersonen dar, die im Gegensatz zu männlichen Kontakten die Reputation der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie nicht im gleichen Maße gefährdeten. Es kann daher vermutet werden, dass es adeligen Damen aufgrund ihres Hofamts und ihres Geschlechts einfacher gelang, sich den weiblichen Angehörigen der famille royale zu nähern bzw. enge Beziehungen zu diesen aufzubauen und zu pflegen, als es ihren männlichen Standesgenossen möglich war. Wie sehr im zeitgenössischen Verständnis Männer und insbesondere Männer im Hofdienst eine ma„tresse einem Verdacht aussetzen konnten und wie sehr die sociabilit¦ mixte des französischen Königshofs dies begünstigte, verdeutlicht ein 2216 Vgl. Meyer, Jean: Les femmes ¦trangeres — la cour de Versailles au temps de la Princesse Palatine, in: Pathos, Klatsch und Ehrlichkeit. Liselotte von der Pfalz am Hofe des Sonnenkönigs. Hrsg. v. Klaus J. Mattheier und Paul Valentin. Tübingen 1990 (Romanica et Comparatistica. Sprach- und literaturwissenschaftliche Studien, 14), S. 66–67. Die Auswahl der zukünftigen Königin beschränkte sich auf ausländische Adelsfamilien, die katholisch, legitim und in der Würde ebenbürtig waren. 2217 Keller, Hofdamen, S. 170. 2218 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 343–344.

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Vorfall im Leben von Elisabeth Charlotte von Orl¦ans, von dem sie selbst berichtet2219. So habe sie im Rahmen der königlichen Jagd regelmäßig Kontakt mit Offizieren der königlichen Leibgarde gehabt, die ihr bei dieser Gelegenheit »alle dinst thun wo sie können«. Als Elisabeth Charlotte beim Spiel der Königin, wo sich wie immer »alle hoffleütte« einfanden, das Wort an einen dieser Offiziere richtete2220, habe sich in Paris das Gerücht verbreitet, wonach ein Liebesverhältnis zwischen ihnen bestehen würde. Elisabeth Charlotte vermutet dahinter einen »bößen complot« ihrer Feinde, die beabsichtigten, ihren Ehemann gegen sie aufzubringen, indem sie ihn glauben machten, sie unterhielte eine galanterie2221. Ein Verdacht, der von der Beschuldigten scheinbar nur mit großem Aufwand ausgeräumt werden konnte. Die Verbindungen zwischen einer ma„tresse und ihren weiblichen Amtsträgerinnen wurden in den Quellen nicht in vergleichbarem Maße problematisiert. Eine Erklärung dafür, warum von ihnen scheinbar kein entsprechendes Gefahrenpotenzial ausging, lässt sich in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Beurteilung von ›Liebes‹- und/oder ›sexuellen‹ Beziehungen zwischen Frauen finden. Diese wurden im Gegensatz zu heterosexuellen Verbindungen nicht ernst genommen, da sie nicht mit Penetration einhergingen und die Zeugung von Kindern ausgeschlossen war2222. Gefährlich konnte eine gleichgeschlechtliche Verbindung jedoch dann werden, wenn sie mit großer Emotionalität einherging, die – wie im Fall der Dauphine und ihrer Vertrauten Bessola – für die Verletzung der mit einem bestimmten Rang verbundenen Verpflichtungen verantwortlich gemacht werden konnte. Auch konnte das Verhalten von Amtsträgerinnen die Reputation ihrer Herrin schädigen2223, wofür die bereits an anderer Stelle behandelte Entlassung der filles d’honneur der ersten Dauphine ein deutliches Beispiel gibt. Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass in den zeitgenössischen Darstellungen auch in Bezug auf die favorite Geschlechtergrenzen ausgemacht werden können. Zwar werden Personen sowohl in Beziehung zu einer ma„tresse als auch einem ma„tre als favorit(e) bezeichnet, gleichwohl lässt sich ein deutlicher Unterschied in der Art des Verhältnisses ausmachen, je nachdem, ob es zwischen Männern oder Frauen bestand. Wie auch der Begriff ami(e) konnte auch der der favorite in der Verbindung zwischen einer ma„tresse und einem favorit bzw. einem ma„tre und einer favorite in den untersuchten Quellen eine sexuelle Konnotation annehmen und damit Geschlecht eine große Relevanz beimessen. Dieser Beobachtung entspricht ein weiterer Befund an 2219 2220 2221 2222 2223

Vgl. NLH, Kurfürstin Sophie, Bd. I, fol. fol. 243r–267v. Ebd., fol. 244r–244v. Vgl. ebd., fol. 245v, 246r. Vgl. Legault, Narrations d¦viantes. Vgl. Kolk, Catherine de M¦dicis et sa maison, S. 218.

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hochrangigen und einflussreichen Männern – allen voran dem König, aber auch Ministern –, die in den Quellen als ma„tres und protecteurs in Erscheinung treten. In diesen sozialen Rollen begegnen sie auch Amtsträgerinnen, aber nur vermittelt, nämlich dann, wenn sie diese im Hinblick auf einen nahen männlichen Verwandten dieser Frauen ausübten und ihnen aufgrund dieser Verbindung ebenfalls Unterstützung gewährten. Dabei werden adelige Amtsträgerinnen in den Quellen immer wieder als Personen thematisiert, die über Beziehungen ihrer Angehörigen – vor allem Ehemännern – zu anderen hochrangigen Männern profitierten. So bringt Saint-Simon die Ernennung der Duchesse de Navailles zur dame d’honneur der Königin damit in Zusammenhang, dass ihr Ehemann an den Kardinal Mazarin, dessen chevaux-l¦gers er kommandierte und dessen »correspondant intime« und »homme de la plus grande confiance« er gewesen sei, gebunden war. Ähnliches wird auch über die Mar¦chale de la Motte berichtet, die zwar »honnÞte Femme & de bonne Maison« mit »¦minentes qualitez« gewesen sei, was aber nicht ausgereicht habe, um sie zur gouvernante des enfants de France zu ernennen, wäre da nicht die »alliance« mit Monsieur de Tellier gewesen, dessen »Protection« die Erinnerung an die Fehler des Mar¦chal de la Motte, die er während der »Guerres de la Regence« gegen den Dienst des Königs begangen hatte, gänzlich ausgelöscht und damit seiner Witwe den Weg in den Hofdienst geebnet habe2224. Auch heißt es bei Saint-Simon über den Ehemann der Mar¦chale de Rochefort, dass er »ami intime de M. le Tellier et de M. de Louvois« gewesen sei, was ihn schnell »sa fortune« habe machen lassen. Weiter schreibt er : »Cette mÞme protection avoit fait sa femme dame du palais de la Reine.« Diese »¦toit belle, encore plus piquante, toute faite pour la cour, pour les galanteries, pour les intrigues; l’esprit du monde — force d’en Þtre, peu ou point d’ailleurs, et toute la bassesse n¦cessaire pour Þtre de tout et en quelque sorte que ce f˜t«2225. All das habe ganz dem Geschmack Louvois’ entsprochen, was es ihr ermöglicht habe, sowohl finanziell als auch in anderer Hinsicht davon zu profitieren. Wie bereits dieses Beispiel andeutet, evozierte eine Frau – selbst wenn sie vermittelt durch ihren Ehemann an die protection eines höhergestellten Mannes gelangte – den Verdacht einer sexuellen Beziehung. Dies wird umso sichtbarer bei unmittelbaren Verbindungen zwischen einem höhergestellten Mann und einer niedrig gestellten Frau. Seinen deutlichsten Ausdruck findet es in der Königsmätresse, bei der auch nochmals das Konzept der Patronage für adelige Amtsträgerinnen aufgegriffen werden soll.

2224 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 321, 322. 2225 Saint-Simon, M¦moires, Bd. I, S. 84, 85.

Adelige Amtsträgerinnen als Akteurinnen

6.4.

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Amtsträgerinnen als maîtresse du roi

Unter den Favoriten der einzelnen Mitglieder der famille royale kam den Günstlingen des Königs eine besondere Stellung zu2226. Bei ihnen handelt es sich um vom Herrscher persönlich privilegierte Personen, die sich seiner Freundschaft, Zuneigung oder seines Vertrauens erfreuten und freien Zutritt zu ihm genossen2227. Durch seine Gunst konnten sie eine hohe, wenn auch unsichere Stellung innerhalb der höfischen Hierarchie erlangen, die sie dazu befähigte Kompetenzen wahrzunehmen, die über die eines höfischen Amtes hinausgingen und die sie dazu einsetzten, den Zugang zum König zu kontrollieren und Ämterpatronage auszuüben. Dies gab Anlass zu vielseitiger Kritik, wurde gleichzeitig aber von verschiedenen Hofparteien zu ihrem Vorteil genutzt2228. Auch für den Herrscher erfüllte der Favorit eine wichtige soziale Rolle, indem er ihm »ein gewisses Maß an Privatheit und Informalität« ermöglichte2229 und als eine Art Prellbock fungierte2230. Das weibliche Pendant zum Günstling war die Mätresse, die als außereheliche Favoritin eines Fürsten zu einer höfischen Frauengruppierung gehörte, die zwar bereits vor der Frühen Neuzeit existierte2231, sich jedoch erst im 17. und 18. Jahrhundert zu einem regelrechten Statussymbol und einer offiziellen Größe an den Herrscherhöfen des Ancien R¦gime entwickelte2232. Als ma„tresse en titre2233 bekleidete sie kein institutionalisiertes Amt2234, dennoch stand ihr ein 2226 Vgl. die ausführliche Abhandlung zum favorit am französischen Königshof der Valois-Zeit Le Roux, Nicolas: La faveur du roi. Mignons et courtisans au temps des derniers Valois. Seyssel 2001. 2227 Vgl. Asch, Schlußbetrachtung. Höfische Gunst und höfische Günstlinge zwischen Mittelalter und Neuzeit. 18 Thesen, in: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. Hrsg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Ostfildern 2004 (Residenzenforschung, Bd. 17), S. 517; Burke, Der Höfling, S. 151. 2228 Vgl. Asch, Introduction, S. 24; ders., Schlußbetrachtung, S. 519–520; Burke, Der Höfling, S. 151. Burke verweist insbesondere auf den »zweifelhaften Ruf« dieser in der traditionellen Geschichtsschreibung, die dem guten König Minister und dem schlechten Favoriten an die Seite stellte. 2229 Burke, Der Höfling, S. 152. 2230 Vgl. Asch, Introduction, S. 22. Vgl. auch Aymard/Romani, La cour comme institution ¦conomique, S. 8. 2231 Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 25. 2232 Vgl. Paracivini, Alltag bei Hofe, S. 26–27, der darauf hinweist, dass bereits im Mittelalter die große Rolle der Mätressen begann, wenngleich die Bedeutung dieses ›Aufstiegs‹ und die Faktoren, die »ihn möglich, ja unausweichlich« machten, bisher noch nicht untersucht worden sind. Vgl. auch Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 19, die betont, dass es sich dabei um eine »Bezeichnung für ein zeitlich und räumlich begrenztes Phänomen« handelt, die mit »der französischen Revolution und den veränderten Herrschaftsstrukturen« verschwindet. 2233 Vgl. Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 11, wonach bereits im 15. Jahrhundert unter Karl VII. für seine Geliebte, AgnÀs Sorel, die Position der ma„tresse

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offizieller und bald auch anerkannter Platz in der höfischen Hierarchie zu2235. Auch nahm sie im Hofleben eine zentrale Rolle ein und verdrängte nicht selten die Königin als erste Dame im »spectacle monarchique et dans la symbolique du pouvoir«2236. Für den französischen Königshof spricht Chaussinand-Nogaret von einer regelrechten Arbeitsteilung zwischen Königin und Mätresse, die über eine »distribution des rúles« und »sp¦cialisation des fonctions«2237 ihren jeweiligen Beitrag zum Funktionieren des Hofes leisteten: die Königin als Verkörperung von Ordnung und Legitimität, die Mätresse als Personifikation von Vergnügen, Wandel und Glanz. Königinnen wie Anna von Bretagne oder Katharina von Medici trieben die Entwicklung der höfischen ›Zivilisation‹ erheblich voran, doch waren es oft die Mätressen, die den Anstoß für die Schaffung neuer Moden und Werke in Kunst und Literatur gaben und damit Maßstäbe setzten2238. Während der Regierungszeit Ludwigs XIV. war »das allseits erhoffte Glück und angestrebte Ziel« dasjenige, in den Rang der Königsmätresse aufzusteigen2239. Dafür schien jedes Mittel recht – dies offenbart nicht zuletzt die affaire de poisons (1675–1682)2240, in der einige Damen des Hofes bezichtigt wurden, durch schwarzmagische Praktiken und Gift versucht zu haben, die amtierende Mätresse zu entfernen, um sich selbst »dans les bonnes gr–ces du roi« zu verhelfen2241. Rückblickend scheinen die ersten Herrschaftsjahre des Sonnenkönigs besonders günstige Rahmenbedingungen geboten zu haben, diesen ›Karriereweg‹ erfolgreich zu beschreiten. In diese Phase der »Hochstilisierung von Liebe, Jugend und Schönheit«2242 fielen die meisten Liebschaften des jungen Monar-

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en titre geschaffen worden sei. Unter Franz I. sei die Herrschaft der Favoritin eine regelrechte Institution geworden, die unter den Valois und Bourbonen beibehalten worden sei. Vgl. aber Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 141, wonach erst Ludwig XIV. diesen Titel für seine Mätressen eingeführt haben soll. Vgl. Müller, Der Fürstenhof, S. 25. Vgl. Chaline, The Kingdoms of France and Navarre, S. 76; Oßwald-Bargende, Der Raum an seiner Seite, S. 95; Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 46. Vgl. auch Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert, S. 141, wonach die »Rolle der Mätresse [sich] als höchste Karrierestufe für eine Frau in der höfischen Gesellschaft« institutionalisierte. Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 12. Ebd., S. 16. Vgl. ebd., S. 16–17, 26, 180. Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 350, wobei sie sich auf Primi Visconti bezieht. Für die jüngste Publikation zu dieser Giftmischeraffäre vgl. Mollenauer, Lynn Wood: Strange revelations. Magic, poison, and sacrilege in Louis XIV’s France. University Park, Pa. 2007. Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 155. Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 327.

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chen2243. Dabei erwies sich das weibliche Gefolge der famille royale, mit dem der König häufig und eng in Kontakt kam, als schier unerschöpfliche Quelle potenzieller Kandidatinnen2244. Bei genauerem Hinsehen entsteht der Eindruck, dass ein Hofamt für die Mätressen Ludwigs XIV. von zentraler Bedeutung war, sei es, weil es die Voraussetzung dafür schuf, mit dem König in Kontakt zu kommen und darüber zur Königsmätresse aufzusteigen2245, oder weil es infolge einer Affäre notwendig wurde, um sie dauerhaft am Hof zu verankern2246, besonders auszuzeichnen oder nach Ende der Liebschaft großzügig zu entschädigen2247. Die ausgesprochene Begehrtheit der Position der offiziellen Königsmätresse in der Hierarchie des französischen Königshofs lag darin begründet, dass die Gunst des Königs sowohl für einen Höfling als auch für eine Hofdame die

2243 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 282. Vgl. auch Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 327: »Mme de La Fayette berichtet in ihrer Histoire de Madame, die genau diesen Zeitraum der ersten zehn Regierungsjahre Ludwigs verfaßt, daß viele Damen des Hofes auf die Zuwendung des jungen Monarchen hofften, nachdem sie mitangesehen hatten, wie Maria Mancini den verliebten König vollends in ihren Bann hatte ziehen können.« 2244 Vgl. Solnon, La Cour de France, S. 284. Solnon weist darauf hin, zieht daraus aber keine Schlüsse auf die besonders begünstigte Stellung von Amtsträgerinnen am Hof und unter den Frauen am Hof. Vgl. auch Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 10–11: »Les maisons de la reine et des princesses constituaient certes un s¦rail — la fois riche et juv¦nile o¾ le roi pouvait — volont¦ puiser ses favorites, et ce n’est pas un hasard si le rÀgne des grandes ma„tresses commence pr¦cis¦ment au moment o¾ s’organise l’¦l¦ment f¦minin de la cour qui ouvre les portes aux d¦lices du libertinage mais constitue aussi un facteur d’adoucissement des mœurs.« Vgl. aber Norberg, Women of Versailles, S. 204, die hinsichtlich Frauen, die als Königsmätressen in Frage kamen, zumindest die filles d’honneur der Königin anführt, die an den Hof kamen, um einen Ehemann zu finden, »but a few found a lover first in the king.« 2245 Als Beispiel können angeführt werden: Anne de Rohan-Chabot, Princesse de Soubise (1674–1683 dame de la reine), Catherine-Charlotte de Gramont, Princesse de Monaco (1674–1678 surintendante de la maison de madame), Louise de la ValliÀre (~1663 fille d’honneur bei Madame), FranÅoise-Ath¦nas de Rochechouart de Mortemart, Marquise de Montespan (~1665–1680 dame du palais de la reine, 1680–1683 chef du conseil et surintendante derselben) und Marie-Elisabeth de Ludres (~1669–1680 fille d’honneur bei Madame und der Königin). 2246 Als prominentestes Beispiel kann Madame de Maintenon gelten, die zunächst als gouvernante der unehelichen Kinder Ludwigs XIV. mit der Marquise de Montespan, an den Hof gelangte und dort für ihre dauerhafte Etablierung 1680 den Posten der seconde dame d’atour der Dauphine erhielt. 2247 Ein weiterer prominenter Fall ist Madame de Montespan, die nach Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 154, von einer dame du palais zur surintendante et chef du conseil erhoben worden sei, da dies der Gepflogenheit des Königs entsprach, sich galant von einer ehemaligen Mätresse zu verabschieden. Vgl. aber Norberg, Women of Versailles, S. 198, die diese Geste ganz anders deutet, nämlich als besonderen Ausdruck dafür, dass sich Madame de Montespan auf dem Gipfel ihres Ruhms befunden habe.

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höchste Auszeichnung darstellte2248 und mit vielfältigem Kapital einherging. Materiell konnte sich dies in Juwelen, Grundbesitz, Schlössern und begehrten Posten manifestieren2249 ; in der sozialen Interaktion umfasste es eigenständige Handlungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Lebensbereichen und damit die Aussicht auf Macht2250. Dieses in der Stellung einer Favoritin des Königs begründete Potenzial2251 ließ es nicht nur in den Augen einer adeligen Frau besonders erstrebenswert erscheinen, zur ma„tresse en titre aufzusteigen. Auch für ihr soziales Umfeld2252 war eine »ma„tresse dans le lit du roi« gleichbedeutend mit »la fortune d’une famille assur¦e« und »la faveur pour ses amis« sowie »parfois le pouvoir et l’esp¦rance d’une grande destin¦e.«2253 Dementsprechend wurde die Etablierung einer Frau als »une entreprise collective« vorangetrieben, an dem sich ganze Hofcliquen beteiligten, um ›ihre‹ Kandidatin zu lancieren2254. Im Umkehrschluss schien es einer »femme seule, sans appuis — la cour, sans une arm¦e de fidÀles, d’auxiliaires int¦ress¦s — sa r¦ussite«2255 nur schwer möglich, an ihr Ziel zu gelangen. Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum verwunderlich, dass Königsmätressen in den hier untersuchten Memoiren nicht nur häufig Erwähnung finden, sondern auch als Angehörige unterschiedlicher sozialer Nahbeziehungen zu Frauen wie Männern thematisiert werden. Sowohl sie selbst als auch ihre Interaktionspartner werden meist mit Verwandtschafts- und Freundschaftstermini belegt und ihr Handeln wird in einen spezifischen, durch Loyalitäten und Rivalitäten gekennzeichneten sozialen Kontext verortet. Wie andere adelige Hofangehörige bezogen auch Königsmätressen von ihren Freunden und Verwandten Rückhalt und Unterstützung, sodass es – wie im Fall von Madame de Montespan – nicht selten »ses parens et ses amis«2256 zugeschrieben wurde, sich z. B. für eine Rückkunft an den Hof eingesetzt zu haben oder an Konflikten beteiligt gewesen zu sein2257. Im Gegenzug war auch die Königsmätresse dazu 2248 Vgl. Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 350. 2249 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 203–204. 2250 Vgl. Davis, Frauen, Politik und Macht, S. 197; Kroll, Zu Macht und Romantik der Frauen im Zeitalter Ludwigs XIV., S. 149; Weisbrod, Von Macht und Mythos der Pompadour, S. 19. 2251 Vgl. Schlumbohm, Les plus belles femmes de la Cour, S. 348. 2252 Vgl. Norberg, Women of Versailles, S. 204. 2253 Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 13. 2254 meyer, Jean: Introduction, in: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.). Hrsg. v. Klaus Malettke und Chantal Grell. Münster 2001 (Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Marburger Beiträge, 1), S. 9. 2255 Chaussinand-Nogaret, La vie quotidienne des femmes du roi, S. 172. 2256 Caylus, Souvenirs, S. 46. 2257 Die Loyalität von Madame de Thiange gegenüber ihrer Schwester Madame de Montespan habe ihren Ausdruck u. a. darin gefunden, dass sie mit einer potenziellen Konkurrentin derselben, Madame de Ludres, nicht nur bei jeder Begegnung »regards de basilic« aus-

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angehalten, wie andere adelige Frauen auch, sich am höfischen Marktplatz zugunsten all derjenigen einzusetzen, denen sie durch soziale Beziehungen verpflichtet waren. Da die Königsmätresse meist als eine höfische Akteurin beschrieben wird, der eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten offenstanden, kann hier lediglich exemplarisch auf einige Bereiche eingegangen werden. Für ihre Verwandten und Freunde habe die Königsmätresse ihre privilegierte Position vor allem dazu genutzt, Vorteile in Form von Zugang2258, Pensionen2259, Posten und gouvernements2260 zu sichern, wodurch sie einen wesentlichen Beitrag zu deren »fortune«2261 geleistet habe. Als so Begünstigte werden Frauen und Männer benannt, wobei die Art des Vorteils geschlechtsspezifische Unterschiede erkennen lässt. Wie bereits an anderer Stelle dargestellt waren die institutionellen Einsatzbereiche von adeligen Frauen durch ihre Geschlechtszugehörigkeit eingeschränkt. Dies spiegelt sich darin wider, dass weibliche Freunde und Verwandte als Empfängerinnen von Hofchargen thematisiert werden2262, ihre männlichen Pendants hingegen auch als Empfänger von Posten im Militär, in Verwaltung und im diplomatischen Dienst2263. Bei der Vergabe von Hofchargen scheint es sich um einen Bereich gehandelt zu haben – diesen Eindruck vermitteln die untersuchten Quellen –, in dem ihr Einfluss besonders weitreichend gewesen war. Dies soll sowohl auf Madame de Montespan zugetroffen haben, der Anteil an der Besetzung der maison de la dauphine zugeschrieben wurde2264, als auch auf ihre Kontrahentin Madame de Maintenon2265, über deren Einflussnahme alle Autoren berichten. Caylus zufolge hat ihre Tante Einfluss auf die Besetzung der Nachfolge der Duchesse de Richelieu als dame d’honneur genommen, indem sie zunächst versucht habe den König »en faveur de madame la duchesse de Cr¦qui« zu stimmen und dann – als dies nicht zum Erfolg führte – die Duchesse d’Arpajon, »son ancienne amie«, ins Rennen schickte2266. Nach Sourches ist es ihr zuzuschreiben, dass die Dauphine dem Vorhaben, die ab-

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getauscht habe, sondern auch stets aneinander geraten sei (vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 106). Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XV, S. 257, wonach erst der Tod einer Rivalin das Potenzial besaß, entsprechende Verstrickungen aufzulösen. Zumindest schien Madame de Maintenon nach dem Tod ihrer Kontrahentin Madame de Montespan, deren Sohn nicht mehr gefürchtet zu haben, sodass sie auch augenblicklich damit aufgehört habe, ihn – »comme le fils d’une ennemie« – zu hassen. Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 27. Vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 271. Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XV, S. 87, 444; Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 18, Fn. 2; Bd. II, S. 127. Sourches, M¦moires, Bd. V, S. 79, Fn. 4. Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XV, S. 87, 444; Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 127. Vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 355; S. 355, Fn. 1. Vgl. Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 152–153. Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 69. Ebd., S. 71.

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geschafften filles d’honneur durch dames du palais zu ersetzen, ablehnend gegenüberstand, da sie davon ausgehen musste, dass Madame de Maintenon es nicht versäumen würde, ihre »amies« und »parentes« zu ernennen2267. Und auch Saint-Simon bringt Madame de Maintenon mit der Ämtervergabe in der maison der Duchesse de Bourgogne und späteren Dauphine in Verbindung: Nach seinem kritischen Dafürhalten sei es ihre Absicht gewesen, die junge Duchesse mit Menschen zu umgeben, die entweder »entiÀrement et s˜rement — elle« waren oder von denen »l’esprit f˜t assez court pour n’avoir rien — en appr¦hender.«2268 Ebenso scheinen sich Motteville, Sourches und Saint-Simon darin einig zu sein, dass die faveur Madame de Maintenons nicht nur ihren Freunden Vorteile einbrachte2269. Den Angehörigen derselben sei sie auch zugutegekommen2270 und habe ihnen zur Etablierung am Hof verholfen2271. Ein Beispiel dafür findet sich bei Caylus: »Madame de Maintenon plaÅa encore, dans la maison de madame la Dauphine, madame de Montchevreuil, femme de m¦rite«, da sie eine »ancienne amie« am Hof einführen wollte, die eine tadellose Reputation genoss und mit der sie immer »s˜re et secrÀte jusqu’au mystÀre« gelebt habe. Ihre Unterstützung sei auch Verwandten der genannten Dame zugekommen, wie Caylus weiter berichtet: »Je ne pr¦tends pas dissimuler ce qui s’est dit sur M. de Villarceaux, parent et de mÞme maison que madame de Montchevreuil. Si c’est par lui que cette liaison s’est form¦e, elle ne d¦cide rien contre madame de Maintenon, puisqu’elle n’a jamais cach¦ qu’il e˜t ¦t¦ de ses amis. Elle parla pour son fils, et obtint le cordon bleu pour lui«2272.

Mit der Vermittlung von Posten endeten die Einflussmöglichkeiten einer Königsmätresse nicht, vielmehr schienen sie in mancherlei Hinsicht damit erst zu beginnen. Saint-Simon verweist im Zusammenhang mit der Duchesse d’Arpajon darauf, welchen Nutzen eine ma„tresse en titre bereits durch eine einzelne wohlplatzierte Amtsträgerin haben konnte. Die Duchesse hatte nach dem Tod ihrer Vorgängerin den Posten der dame d’honneur de la dauphine erhalten. Ihr Bruder – so heißt es – sei früher »plus que bien avec Mme Scarron«, der späteren Madame de Maintenon gewesen, die ihre »anciens amis de ce genre« niemals vergaß, sodass sie auch in seinem Fall einer weiblichen Verwandten eine Charge verschafft habe. Dazu soll sie das Andenken an ihren alten Freund veranlasst haben, aber auch die Aussicht auf die Verbundenheit und Dankbarkeit einer 2267 2268 2269 2270

Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 127, Fn. 1. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 158. Vgl. z. B. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 440. Vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. V, S. 79, Fn. 4; Saint-Simon, M¦moires, Bd. VII, S. 289– 290. 2271 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 197–204; Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 342, Fn. 1. 2272 Caylus, Souvenirs, S. 71–72.

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Frau, die von ihr abgesehen isoliert am Hof dastand2273. Caylus geht mit ihrer Darstellung noch einen Schritt weiter. Ihr zufolge konnte der Einfluss auf Amtsträgerinnen sich auch auf die Herrin erstrecken. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Duchesse de Bourgogne2274, von der Madame de Maintenon gleich bei ihrer Ankunft am Hof Besitz ergriffen haben soll2275. Die junge Prinzessin sei »jusqu’— son mariage, et quelque temps encore aprÀs, fort s¦par¦e des princesses et du reste de la cour« gehalten worden. Madame de Maintenon habe sich ihrer Erziehung angenommen und darüber bestimmt, wer die junge Duchesse umgeben durfte und wer Zugang zu ihr erhielt. Darüber hinaus habe sie sie, so gut es ihr möglich schien, mit »personnes de m¦rite« umgeben: Die Duchesse du Lude wurde dame d’honneur, die Comtesse de Mailly dame d’atour und auch die dames du palais sollen unter den ihrer Ansicht nach besten Kandidatinnen ausgewählt worden sein2276. Eine mögliche Schattenseite dieser gründlichen Auswahl deutet Saint-Simon an, indem er davon berichtet, dass die Duchesse im Auftrag von Madame de Maintenon durch einige dieser handverlesenen Hofdamen ausspioniert worden sei2277. Indem die Königsmätresse den Zugang zur Duchesse de Bourgogne einschränkte, begrenzte sie auch den Personenkreis, dem es möglich war, eine Bindung zu der jungen ma„tresse aufzubauen. Da die Duchesse de Bourgogne die zukünftige Dauphine und damit prätendierte Thronfolgerin war, lag es im Rahmen des zeitgenössisch Denkbaren, dass Madame de Maintenon dadurch auf künftige personale Machtstrukturen am Hof Einfluss nahm. Gleichwohl bleiben in den Quellen auch die Grenzen ihrer Handlungsmöglichkeiten nicht unerwähnt. Auch hier berichtet Caylus, dass für Madame de Montchevreuil »toute la faveur et l’amiti¦ de madame de Maintenon« nicht ausreichten, um mehr als die Charge einer gouvernante des filles d’honneur im Hofstaat der Dauphine zu erlangen, auch wenn die Position mit »grandes distinctions« versehen worden war, sodass sie wie eine »quatriÀme dame« ihrer Herrin gefolgt und diese bedient habe, wenn keine ihr übergeordneten Amtsträgerinnen zugegen waren. Ebenso war es keine zwingende Notwendigkeit, dass die Königsgeliebte aus ihren wohlplatzierten sozialen Kontakten Vorteile zogen. Die Duchesse de Richelieu verkörpert den Fall einer »ancienne amie« Madame de Maintenons, die in den Posten der dame d’honneur im Hofstaat der ersten 2273 Vgl. ders., M¦moires, Bd. III, S. 176–180. 2274 Vgl. ebd., S. 77. Das besondere Verhältnis zwischen Madame de Maintenon und ihrem weitaus jüngeren Schützling, der Duchesse de Bourgogne, drückte sich in zeitgenössischen Quellen u. a. darin aus, dass Letztere sie mit einer verwandtschaftlichen Bezeichnung belegte, indem sie sie »par un badinage plein d’amiti¦« »sa tante« nannte. 2275 Vgl. ebd., S. 116. 2276 Ebd., S. 117. 2277 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XV, S. 10.

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Dauphine gelangte, ihrer Freundin aber nur »dans la mauvaise fortune, et dans le repos d’une vie oisive« zugetan gewesen sei. Tatsächlich habe sie ihr die Gunst und das Vertrauen des Königs geneidet und ihr aus diesem Grund schlechte Dienste bei ihrer Herrin, der Dauphine, erwiesen und sich dadurch wie eine »infidÀle amie«2278 verhalten. Konkurrenz drohte in der zeitgenössischen Wahrnehmung einer amtierenden Königsgeliebten aber nicht nur aus den Reihen ihrer Freundinnen. Auch höfische Amtsträgerinnen bildeten eine schier unerschöpfliche Quelle potenzieller Nachfolgerinnen, die nur darauf hofften, in die Gunst des Königs aufzusteigen. Dies unterstreicht eine Bemerkung, die der Königinmutter Anna von Österreich zugeschrieben wird, die bei Motteville ihren Unmut über die Entlassung der Princesse Palatine und die Einsetzung der Comtesse de Soissons als surintendante geäußert haben soll, denn ein »reste d’Attachement« des Königs für die Comtesse habe ihr Anlass zur Sorge gegeben, dass diese ihrer Schwester als Königsgeliebte nachfolgen könnte2279. Gleichwohl war es im Fall von Madame de Maintenon gerade die ma„tresse en titre, die den Aufstieg ihrer Konkurrentin begünstigte. Spanheim berichtet: »Mme de Montespan, qui ¦toit alors dans le comble de sa faveur et — qui on la [Madame de Maintenon, R.S.] fit conno„tre dans la suite, la prit en amiti¦, et la retint chez elle pour gouvernante des enfants qu’elle avoit du Roi: ce qui donna lieu au Roi de la connoitre, de se plaire — son entretien, de s’accoutumer dans les visites qu’il rendoit tous les jours — l’appartement de Mme de Montespan, et, peu — peu, d’en faire une consid¦ration particuliÀre.«2280

Ihrem Aufstieg zur Königsmätresse sei demnach vorangegangen, dass sie in das Sichtfeld des Königs und in regelmäßigen Kontakt zu ihm gelangte2281. Die später erfolgte Verleihung des offiziellen Hofpostens der seconde dame d’atour de la dauphine erscheint vor diesem Hintergrund als Ausdruck und Fixierung ihrer bereits vorhandenen Gunststellung beim König. Die Amtsträgerinnen der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie boten in 2278 Ebd., S. 69–72. 2279 Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 157. Vgl. auch Norberg, Women of Versailles, S. 204, die die Auflösung der filles de la reine auf das Einwirken der langjährigen ma„tresse en titre, Madame de Montespan, zurückführt. Diese soll die Königin 1673 davon überzeugt haben, ihre filles wegzuschicken und diese Hofposition für immer abzuschaffen. Als Anlass dafür wird angeführt, dass Ludwig XIV. sich 1671 mit drei Amtsträgerinnen aus dem Gefolge der Königin, den mademoiselles Fontanges und Ludre sowie der Princesse de Soubise, eingelassen haben soll, wodurch sie sich in ihrer Stellung als amtierende Mätresse bedroht gefühlt habe. 2280 Spanheim, Relation de la cour de France, S. 17. Vgl. auch Caylus, Souvenirs, S. 39: »les commencemens de la faveur de madame de Maintenon ont tant de liaison et de rapport — madame de Montespan, que je ne puis parler de l’une sans me souvenir de l’autre«. 2281 Vgl. Spanheim, Relation de la cour de France, S. 18.

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der zeitgenössischen Wahrnehmung aber nicht nur für den König ein Reservoir potenzieller Favoritinnen. Auch über seinen Sohn, Monseigneur, wird berichtet, er habe sich bei der Dauphine, seiner Ehefrau, gelangweilt und sich aus diesem Grund mit deren filles d’honneur amüsiert. Eine von ihnen, Mademoiselle de Rambures2282, sei schließlich seine Geliebte geworden, was vor allem ihrem »esprit« zugeschrieben wurde, da es ihr an Schönheit gemangelt habe. Der darüber verzweifelten Dauphine wurde kein Verständnis entgegengebracht, hatte sie doch in der Wahrnehmung ihrer Zeitgenossen durch ihren Rückzug vom Hofleben dieser Entwicklung Vorschub geleistet2283. Insgesamt werden soziale Beziehungen zur ma„tresse en titre wie auch zu anderen Personen, die am Hof in faveur standen, als sehr gesucht geschildert2284. Davon machen auch die Geliebten der anderen Angehörigen der Königsfamilie keine Ausnahme. Entsprechend habe sich auch die Mätresse des Duc d’Orl¦ans2285, Mademoiselle de S¦ry, eines »petite cour« und zahlreicher Freunde erfreut, was darauf zurückgeführt wird, dass sie über »beaucoup de choses au Palais-Royal« verfügt habe2286. Letzteres umfasst die Beeinflussung ihres königlichen Liebhabers, aber auch der höfischen Gesellschaft im Allgemeinen. Hierfür bietet Primi Visconti ein anschauliches Beispiel aus seinem eigenen Leben. Seiner Darstellung nach hatte er es Madame de Montespan zu verdanken, Zugang zum »cabinet de la Reine« erhalten und gesellschaftliches »renomm¦e« erlangt zu haben, denn die Königsmätresse habe ihn – »— diverses reprises« – nicht nur angesprochen, sondern auch als »homme d’esprit« »auprÀs de tout le monde« überschwänglich gepriesen2287. Die ›öffentliche‹ Äußerung einer Mätresse konnte aber auch einen vollkommen gegenteiligen Effekt haben. Im Zusammenhang mit derselben Königsgeliebten berichtet Caylus, diese habe ihren Spott über andere Hofangehörige ausgeschüttet und sie der Lächerlichkeit preisgegeben. Dass es sich dabei keinesfalls um eine Belanglosigkeit handelte, sondern schwerwiegende Folgen für die betroffene Person haben konnte, macht folgende Einschätzung sichtbar : »Ces choses peuvent passer pour des bagatelles, et elles le sont en effet entre des particuliers; mais il n’en est pas de mÞme quand il est question du ma„tre. Ces baga2282 Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 78–79. 2283 Vgl. ebd., S. 74. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der König die dadurch drohenden »d¦sordres« in der chambre des filles mit einer Verheiratung Mademoiselle de Rambures vorzubeugen versuchte (vgl. ebd., S. 79. Vgl. auch Spanheim, Relation de la cour de France, S. 44). 2284 Vgl. z. B. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 252. 2285 Dabei handelt es sich um Philipp, den einzigen überlebenden Sohn des gleichnamigen Duc d’Orl¦ans und seiner zweiten Ehefrau, Elisabeth Charlotte von der Pfalz. 2286 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIII, S. 456. 2287 Primi Visconti, M¦moires sur la cour de Louis XIV, S. 138–139.

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telles et ces traits satiriques reviennent dans des occasions importantes, et d¦cisives pour la fortune. En un mot, on ne paroissoit guÀre impun¦ment sous les yeux de madame de Montespan; et souvent un courtisan, satisfait de s’Þtre montr¦, n’en a retir¦ qu’un mauvais office, font il a ¦t¦ perdu sans en d¦mÞler la cause.«2288

Soziale Nahbeziehungen zu einer Königsmätresse waren zeitgenössisch sowohl als Folge als auch als Voraussetzung eines Hofamtes denkbar. Madame de Dangeau bietet ein Beispiel für Letzteres, denn »estim¦e et consid¦r¦e de toute la cour«, sei sie auch vom König und Madame de Maintenon geschätzt worden, nicht zuletzt »par les privances de sa place de dame du palais«2289. Auch wird in den Quellen mehrfach darauf Bezug genommen, dass eheliche Verbindungen mit Verwandten von Madame de Maintenon vor dem Hintergrund eingegangen worden seien, möglichst dauerhaft von ihrer faveur zu profitieren. Aufgrund solcher Erwägungen soll der Comte de Caylus Mademoiselle de Mursay, eine »proche parente« der Königsmätresse, die selbst über wenig Vermögen verfügte, geheiratet haben. Als Erklärung dafür, warum sich der Comte dennoch auf sie einließ, schreibt Sourches: »la faveur fait ordinairement ces sortes d’effets, et l’on ne s’¦tonne point que l’esp¦rance d’une puissante protection fasse passer par-dessus toutes les autres consid¦rations.«2290 Auch im Zusammenhang mit der Eheschließung einer anderen »parente« von Madame de Maintenon, Mademoiselle de Sainte-Hermine, mit dem chevalier de Mailly, verweist Sourches auf »les suites«, die eine solche »alliance avec Mme de Maintenon pour un homme aussi bien que lui« haben konnte2291. Nach Caylus war es sogar denkbar, dass einer »¦troite amiti¦« oder »liaison […] intime«2292 mit ihrer Tante, der amtierenden Königsmätresse, ein höherer Stellenwert beigemessen wurde als verwandtschaftlichen Bindungen und Loyalitäten2293. Darauf würde das Verhalten der Schwestern Colbert, der Duchesse de Chevreuse und der Duchesse de Beauvillier, hinweisen, die beide den Posten einer dame du palais de la reine bekleideten. Obwohl sie mit Madame de Montespan durch die Eheschließung einer ihrer Schwestern mit deren Neffen verbunden waren, hätten beide Ehre daraus bezogen, dass weder diese Verbindung noch ihre »go˜t […] pour la cour« sie dazu bewogen, Madame de Montespan aufzuwarten. Ganz im Gegenteil hätten sich beide Frauen erhofft über Madame de Maintenon »une porte honnÞte« zum König gefunden zu haben, was ihnen umso wichtiger erschienen sei, da sie sich nach dem Tod der Königin weiter von ihm entfernter sahen als noch zu Zeiten ihrer Amtsausübung. In2288 2289 2290 2291 2292 2293

Caylus, Souvenirs, S. 61. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 456, Appendice XVI. Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 367.Vgl. auch Caylus, Souvenirs, S. 73. Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 62–63. Caylus, Souvenirs, S. 86–87. Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XII, S. 302.

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teressant erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass die beiden ehemaligen Amtsträgerinnen sich nicht davor gescheut haben sollen, dem König durch den unterschiedlichen Umgang mit seinen Favoritinnen ihre Meinung darüber zum Ausdruck zu bringen, welchen Unterschied »personnes de m¦rite« zwischen dieser und Madame de Montespan machten2294. Während die bislang geschilderten Handlungsmöglichkeiten von Königsmätressen nicht grundlegend von denen adeliger Amtsträgerinnen abweichen, zeigt die soziale Rolle der protectrice doch sehr deutlich ihre herausgehobene Stellung im höfischen Sozialgefüge und die daraus resultierende Machtfülle. In der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung spielte in den bereits genannten sozialen Nahbeziehungen, aber auch darüber hinaus die Möglichkeit der Königsmätresse eine wichtige Rolle, Frauen2295 wie Männern2296 protection und faveur zu gewähren. Auch hier steht wieder im Vordergrund, dass sich der protegierten Person ein Vorteil daraus ergab und sie damit eine Bevorzugung gegenüber anderen erfuhr. In Bezug auf Madame de Maintenon heißt es, sie sei »protectrice« ihrer Nichte Caylus gewesen2297, und auch bei der Comtesse de Mailly, einer weiteren Nichte, habe es sich um ihre »prot¦g¦e« gehandelt2298. Wie bereits erwähnt konnten sich Schutz und Gunst der Königsmätresse auch auf die Angehörigen der jeweiligen Verwandten und Freunde ausweiten. Dem entspricht die Darstellung der Madame de Mornay, die als Schwiegertochter von Monsieur de Montchevreuil »en cette qualit¦ favorite de Mme de Maintenon«2299 gewesen sei. Ebenso habe der Ehemann ihrer Nichte, der Comte de Mailly, die Aufgabe erhalten, den König von England bis Brest zu eskortieren, was nur durch die »protection de Mme de Maintenon« möglich geworden sei, da er dafür eigentlich nicht das richtige Alter besessen habe2300. Auch Monsieur de Villars und Monsieur de Harcourt sei »par les mÞmes raisons paternelles, toute la protection de Mme de Maintenon«, und damit auch des Monsieur de Chamillart zugekommen, »ministre tout-puissant de la guerre et des finances«2301. SaintSimon geht sogar so weit, die Königsmätresse vielfach als protectrice von Ministern2302 wie des eben benannten darzustellen, denen sie »Protectrice d¦cla-

2294 Caylus, Souvenirs, S. 86–87. 2295 Vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. IV, S. 298, Fn. 2, wonach man über Madame de Fiesque sagte: »la protection de la marquise de Maintenon lui avoit fait avoir la pr¦f¦rence audessus de ses concurrentes.« 2296 Vgl. z. B. Saint-Simon, M¦moires, Bd. IV, S. 352; Bd. VII, S. 316. 2297 Sourches, M¦moires, Bd. IX, S. 15–153, Fn. 3. 2298 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XIII, S. 276. 2299 Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 46, Fn. 1. 2300 Ders., M¦moires, Bd. III, S. 43. Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 82. 2301 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XII, S. 372. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. XI, S. 70. 2302 Vgl. z. B. Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 285, Fn. 4.

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r¦e«2303 bzw. »toute-puissante protectrice« gewesen seien2304. Ihre große Machtfülle führt er sogar vor allem auf ihre Beziehung zu Männern in diesen Positionen zurück. Da Ludwig XIV. sehr großen Wert darauf gelegt habe, nicht den Anschein zu erwecken, abhängig und beherrscht zu sein, habe die Maintenon seiner Minister bedurft, um doch Einfluss auf ihn auszuüben. Dabei sollen ihr vor allem Minister von Vorteil gewesen sein, die in einer gewissen Abhängigkeit zu ihr standen und denen sie vertrauen konnte. An bereitwilligen Kandidaten habe es ihr nie gemangelt, da sich darüber auch für die Minister ein sicheres Mittel bot, Gunst zu erlangen und Einfluss auszuüben2305. Entsprechend seien Minister und Königsmätressen geeignete Verbündete füreinander gewesen2306. Als protectrice wird die Königsmätresse bei Saint-Simon jedoch fast nur in Bezug auf Männer bezeichnet2307, die sich sogar gezielter Mühe unterzogen hätten, sie zur »gouvernante et protectrice«2308 ihrer jeweiligen Ehefrau zu gewinnen, wovon sie sich, wie Monsieur de Lauzun, eine vollständige Integration in den Hof und die Einführung bei hochrangigen Personen versprochen haben sollen2309. Da weder die protection noch die faveur einer Königsmätresse als selbstverständlich galten, hätten sie jedoch anhaltender Pflege bedurft2310. Dass sich dies jedoch in der zeitgenössischen Wahrnehmung lohnen konnte, zeigt der bei Sourches erwähnte Fall des Comte de Mailly, der die Verbindung zur Favoritin des Königs mittels »beaucoup de d¦pense et d’application au service«2311 kultiviert haben soll und dafür mit einem Militärposten belohnt worden sei2312. Favorite einer Königsmätresse zu sein war jedoch – diesen Eindruck vermitteln zumindest die herangezogenen Quellen – eine soziale Rolle, die weitgehend Frauen vorbehalten war. Männer werden selten mit diesem Begriff belegt2313. So ist beispielsweise immer wieder von dem Ehepaar Harcourts die 2303 Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 28. Vgl. auch ders., M¦moires, Bd. XII, S. 396, wo der Minister Chamillart als »homme […] de Mme de Maintenon« bezeichnet wird. 2304 Ders., M¦moires, Bd. XI, S. 310. 2305 Vgl. ders, M¦moires, Bd. XV, S. 369. 2306 Diese Sichtweise scheint auch Caylus am Beispiel der Madame de Montespan zu bestätigen. Vgl. Caylus, Souvenirs, S. 63. 2307 Saint-Simon verwendet den Begriff häufig für die Geliebte des Königs, jedoch kaum in Bezug auf die Angehörigen der Königsfamilie. Ganz im Gegenteil zu Sourches, der ihn generell selten einsetzt, und wenn doch, dann gerade als Bezeichnung für ein weibliches Mitglied der famille royale (vgl. z. B. ders., M¦moires, Bd. I, S. 293; Bd. IV, S. 231). Für ihren männlichen Gegenpart werden allerdings kaum eigene Termini verwendet, vgl. dafür Sourches, M¦moires, Bd. II, S. 26, wo der Duc de Noailles als lebenslange »cr¦ature« der Maintenon beschrieben wird. 2308 Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 213. 2309 Vgl. ebd., S. 212–213. 2310 Vgl. ders., M¦moires, Bd. XXIV, S. 221–222. Vgl. auch Sourches, M¦moires, Bd. I, S. 355. 2311 Sourches, M¦moires, Bd. IV, S. 175, Fn. 10. 2312 Vgl. ebd., S. 9, Fn. 3. 2313 Eine Ausnahme stellte »M. de Montchevreuil« dar : »¦tant favori de Mme de Maintenon,

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Rede, das im Ruf stand, die Gunst von Madame de Maintenon zu genießen. Meist wird aber nur die Ehefrau explizit als favorite der Maintenon deklariert, die als Ausdruck ihres Günstlingsstatus u. a. an allen Reisen des Hofes teilgenommen haben soll2314. Ähnliches lässt sich auch für die soziale Rolle der confidente feststellen, die, wie bei den weiblichen Angehörigen der Königsfamilie, nur auf Frauen in Verbindung zur Königsmätresse Anwendung fand. Als solche wird eine Frau beispielsweise dann deklariert, wenn sie als Vermittlerin zwischen Königsmätresse und König fungierte2315. Wie das Beispiel von Mademoiselle d’Artigni, fille d’honneur der ersten Madame, zeigt, zeichnete sie als »Confidente du Roi & de Mlle de la Valliere« aus, dass sie deren Geheimnisse teilte2316. Auch von Mademoiselle Nanon wird berichtet, sie habe die ganze »confiance« von Madame de Maintenon genossen2317. Wie wichtig es erschien, confidente der Königsmätresse zu sein, auch und vor allem in Hinblick auf den König, verdeutlicht das Beispiel der Comtesse de Soissons, von der es heißt, sie habe, nachdem sie diesen Status bei der Königsmätresse ValliÀre verloren hatte, versucht dem König eine neue Geliebte zuzuführen, um über diese wieder Anteil an seinen »secrets« zu nehmen und erneut in seine faveur zu gelangen2318. Die confidente der Königsmätresse sei es auch gewesen, an die sich eine Person wandte, wenn sie sich Zugang zur ma„tresse en t„tre verschaffen bzw. sich ihrer Unterstützung vergewissern wollte. Darin spiegelt sich nicht zuletzt die große Bedeutung wider, die der Königsmätresse zeitgenössisch zugeschrieben wurde, die ebenso wie andere hohe höfische Entscheidungsträger über die Vermittlung von nahestehenden Dritten angegangen wurde. Zur Illustration kann die Beschreibung herangezogen werden, die Saint-Simon über die Duchesse du Lude in Bezug auf die Erlangung des Postens der dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne überliefert hat2319. Die Duchesse du Lude, die weder zum König noch zu Madame de Maintenon nähere Verbindungen unterhalten und

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qui le regardoit plutút comme son frÀre que comme son ami, et qui ¦toit alors toutepuissante, il n’¦toit pas prudent de s’attirer une affaire avec un homme si puissament proteg¦.« (ders., M¦moires, Bd. I, S. 374) Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. X, S. 364–365. Vgl. ders., M¦moires, Bd. V, S. 256, wonach die Mar¦chale de Rochefort »accoutum¦e au m¦tier« zur »confidente« der Verbindung zwischen dem König und Madame de Soubise ausgesucht worden sei. Sie »donnoit les rendez-vous chez elle, o¾ Bontemps les venoit avertir, et toutes deux, bien seules et bien affubl¦es, se rendoient par des derriÀres chez le Roi.« Vgl. auch Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXIV, S. 161, wonach ein Mann »confident« des Königs in dessen Liebschaften war, während er in der »intimit¦« der Königsmätressen stand und auch »toute sa vie intimement avec Mme de Montespan« blieb. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 439. Sourches, M¦moires, Bd. IX, S. 431. Motteville, M¦moires, Bd. V, S. 278. Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 161–172.

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entsprechend auch nicht über deren Gunst verfügt habe – was auch dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass sie fast nie an den Reisen nach Marly teilnahm und auch sonst keine der »distinctions« erhielt, die der König »souvent — un petit nombre de dames« vergab –, soll den Kontakt zu einer alten Bediensteten der Königsmätresse, nämlich Mademoiselle Balbien, gesucht haben2320. Diese wiederum habe aufgrund der »amiti¦ et la confiance de Mme de Maintenon« große Achtung am Hof genossen: »C’¦toit une demif¦e, — qui les Princesses se trouvoient heureuses quand elles avoient occasion de parler et de l’embrasser, toutes filles du Roi qu’elles fussent, et — qui les ministres qui travailloient chez Mme de Maintenon faisoient la r¦v¦rence bien bas.« Da auch sie ebenso wie ihre Herrin schlecht zugänglich gewesen sei und nur über »quelques anciennes amis de l’ancien temps« verfügt habe, soll die Duchesse du Lude darauf verfallen sein, sich einer »vieille mie« zu bedienen, die sie erzogen hatte und »de l’ancienne connoissance de Nanon« gewesen war2321. Über diese »vieille mie« sei es ihr gelungen, von der genannten Vertrauten der Maintenon in Verbindung mit Geld die Charge der dame d’honneur zu erlangen2322. Da sie über diesen Weg in ihr Hofamt gelangt sein soll, erschien es in der zeitgenössischen Wahrnehmung auch folgerichtig, davon auszugehen, dass sie dadurch gegenüber der Königsmätresse eine Verpflichtung eingegangen war. Entsprechend wurde die Duchesse du Lude in ihrem Amt als »repr¦sentation« bezeichnet, die eine »d¦f¦rence — l’¦gard de madame de Maintenon« an den Tag gelegt und ohne deren Wissen nicht gehandelt habe2323. Über die Anbahnung verschiedener sozialer Nahbeziehungen entstanden, wie ebenfalls das Beispiel Madame de Maintenon zeigt, im direkten Umfeld einer Königsmätresse auch ausschließlich weibliche Personenkreise, die in unmittelbarem Kontakt mit ihr standen und Vorteile daraus zogen. Nach Saint-Simon haben die sogenannten »dames familiÀres« sich auf einer handlungspraktischen Ebene in mehrfacher Hinsicht von anderen höfischen Akteuren abgegrenzt. Ein Merkmal ihrer besonderen Stellung sei die Teilnahme und Anwesenheit bei d„ners gewesen, die Madame de Maintenon in unveränderter Zusammensetzung 2320 Ebd., S. 164. Vgl. auch Norberg, Women of Versailles, S. 201, die auf das Verhältnis zwischen beiden Frauen eingeht: »Anne Balbien (called Nanon by her mistress) served Madame de Maintenon for more than forty years. Like her mistress she was quiet and devout. Despite her extremely humble background, Balbien commanded the respect of every courtier; and like the favorite’s other servants, she became rich. In 1697, for example, Madame de Ludre gave Balbien more than 75,00 pounds to persuade Maintenon to appoint her as lady-in-waiting to the young duchesse de Bourgogne.« 2321 Saint-Simon, M¦moires, Bd. III, S. 169–170. 2322 Ebd., S. 170, was Saint-Simon mit folgender Begründung negativ beurteilt: »une femme riche, duchesse, de grande naissance par soi et par ses maris, sans enfants, sans liens, sans affaires, libre, ind¦pendante, a la folie d’acheter chÀrement sa servitude!« 2323 Caylus, Souvenirs, S. 117.

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für eine ausgewählte compagne ausgerichtet habe: »la Dauphine, qui malheureusement n’en vit que les premiers, Mme de Maintenon, Mmes de Dangeau, de Levis, d’O, et de Caylus, la seule qui ne f˜t pas dame du palais. Qui que ce soit n’y entroit, non pas mÞme le ma„tre d’hútel en quartier.«2324 Nicht nur bei diesen Gelegenheiten seien sie in direkten Kontakt mit dem König gekommen2325. Auch sonst hätten sie über einen privilegierten Zugang zu ihm verfügt, was bereits in der Beschreibung des Wegs, den sie zu ihm nahmen, zum Ausdruck kam: »Il [der König, R.S.] s’amusa aprÀs avec Mme de Maintenon, puis avec les dames familiÀres. […] les dames familiÀres, entrant et sortant toujours, comme — son ordinaire, par le petit degr¦ du derriÀre des cabinets, en sorte qu’on ne le voyoit jamais entrer ni sortir, ni le comte de Toulouse; Mme de Maintenon et les dames familiÀres toujours par les antichambres.«2326

Auch seien es dieselben Damen um Madame de Maintenon gewesen, die die einzige »compagnie du Roi jusqu’— sa mort« dargestellt haben2327. All das habe sich auf ihre Wahrnehmung durch die Hofgesellschaft ausgewirkt und dazu geführt, dass »ces dames choisies« sich größer Achtung erfreuten, wenngleich Saint-Simon die Ansicht vertritt, dass ihnen die Nähe zum König nichts genützt habe, da sie nicht einmal die Freiheit besessen hätten, diesen um etwas zu bitten, was sie selbst oder ihre Familie betraf2328. Setzt man nun die hier für Königsmätressen gemachten Befunde in Beziehung zu den in den vorhergehenden Kapiteln behandelten sozialen Rollen, so zeigt sich eine Besonderheit der ma„tresse en titre im Rahmen des zeitgenössisch Denk-, Sag- und Machbaren darin, dass sie im Gegensatz zu adeligen Amtsträgerinnen am cour de France explizit als protectrice bezeichnet wird bzw. als Person, die protection gewährte. Damit kam ihr auf sprachlicher und handlungspraktischer Ebene eine Stellung zu, die jener der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie vergleichbar war, mit dem Unterschied, dass ihr in der Regierungszeit Ludwigs XIV. ein deutlich größerer Handlungsspielraum zugeschrieben wurde.

2324 Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXII, S. 241. 2325 Vgl. Saint-Simon, M¦moires, Bd. XXII, S. 241, wonach der König mit ihnen »brelan ou au reversis« spielten. 2326 Ders., M¦moires, Bd. XXVII, S. 211. 2327 Ders., M¦moires, Bd. III, S. 456, Appendice XVI. 2328 Ders., M¦moires, Bd. XXII, S. 241.

VI.

Resümee

Adelige Frauen konnten am französischen Königshof eigens ihrem Geschlecht und Stand vorbehaltene Hofämter bekleiden. Wie die Männerchargen differenzierten sich diese im 16. Jahrhundert im Zuge der Gesamtentwicklung des Hofpersonals weiter aus und wurden zahlreicher besetzt als je zuvor. Amtsträgerinnen wurden darüber zu einem festen Bestandteil der Hofgesellschaft, blieben aber dennoch gemessen an der Anzahl des männlichen Dienstpersonals eine Minderheit. Während adelige Männer vielfältige und zahlreiche Positionen in ›Männer-‹ und ›Frauenhofstaaten‹ einnehmen konnten, waren Ort und Art der Tätigkeit für adelige Frauen eingeschränkter. Auf institutioneller Ebene standen ihnen lediglich neun unterschiedliche Hofämter in den Haushalten der weiblichen Angehörigen der Königsfamilie und der maison der Königskinder offen. Ihre Erlangung beeinflusste ein ›Faktorenmix‹ aus ständischer Zugehörigkeit, sozialen Nahbeziehungen, Familienstand und Alter sowie ›persönlichen‹ Qualitäten, sodass letztlich nur die Bemühungen eines begrenzten weiblichen Personenkreises von Erfolg gekrönt sein konnten. Dies hatte zur Folge, dass die über administrative Dokumente greifbare ›durchschnittliche‹ Amtsträgerin eine verheiratete französische Katholikin im Alter von 35 bis 45 Jahren war, die sich vor allem durch vertu und conduite auszeichnete, der hofnahen noblesse d’¦p¦e angehörte und über die Meriten ihres Hauses, aber nur in wenigen Fällen en survivance in ein Hofamt gelangte. In den Hofstaaten der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie rangierten die »dames« an der Spitze der Ämterhierarchie und besetzten damit einen beträchtlichen Anteil der höchsten Chargen am französischen Königshof. Da sie noch geschlossener als ihre männlichen Amtskollegen der noblesse d’¦p¦e entstammten, bildeten sie eine kleine, aber sehr exklusive Gruppe höfischer Amtsträger. Ihr Tätigkeitsbereich konzentrierte sich weitgehend auf die chambre und umfasste neben dem persönlichen Dienst an der Herrin und repräsentativen Funktionen je nach Position auch administrative und erzieherische Aufgaben.

350

Resümee

Die Chargen der chef du conseil et surintendante de la maison, dame d’honneur und gouvernante des enfants de France waren mit den größten Kompetenzen und damit Handlungsspielräumen ausgestattet. Ihr Dienst war insofern geschlechtlich konnotiert, als dass er den Ort ihrer Tätigkeit bestimmte, nämlich auf ›Frauenhofstaaten‹ festlegte. Dabei war es in erster Linie die Geschlechtszugehörigkeit des jeweiligen Mitglieds der Königsfamilie, die das Geschlecht des Dienstpersonals vorgab. Die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten hingegen waren nicht spezifisch ›weiblich‹, da sie ebenso von männlichen Amtsträgern in ›Männerhofstaaten‹ ausgeübt wurden. Lediglich der Bereich der ›kulturellen Anpassung‹ könnte davon ausgenommen werden, da er vor allem in den Hofstaaten der meist aus dem Ausland stammenden Ehefrauen der männlichen Angehörigen der Königsfamilie relevant wurde. Mit der Besetzung eines Hofamtes eröffnete sich für die Amtsinhaberin – trotz der mit dem Hofleben verbundenen hohen Kosten – die Möglichkeit, eine angesehene und mit rechtlichen und wirtschaftlichen Vorteilen ausgestattete Funktion auszuüben, die sie zudem dauerhaft am Hof verankerte. Die mit der Dienstausübung verbundenen exklusiven Zugangsrechte zu Angehörigen der Königsfamilie gingen mit hohem Prestige einher. Der dauerhaften Aufrechterhaltung und Nutzung dieser privilegierten Position waren keine Hindernisse durch die Beschränkung auf einen bestimmten Familienstand auferlegt. Während an anderen europäischen Höfen der Zeit die ohnehin kleinere Anzahl weiblicher Hofämter nur an verwitwete Frauen und ledige Mädchen ergingen, die sie bei einer Eheschließung wieder aufgeben mussten, konnten am französischen Königshof auch verheiratete Damen eine Position bekleiden; sie stellten ab 1687 sogar den Großteil der Amtsträgerinnen. Dies hatte sowohl erhebliche Auswirkungen auf Dienstzeiten als auch auf Karrierewege. Amtsträgerinnen am französischen Hof tendierten dazu, lange in ihren jeweiligen Chargen zu verbleiben, nicht zuletzt, weil ihnen Hofämter eine der wenigen institutionalisierten Möglichkeiten boten, Karriere zu machen. Ein solcher Aufstieg in der Ämterhierarchie war sonst nur Männern im Hof- und Staatsdienst vorbehalten. Zwar verfügten die Chargen in den Hofstaaten der weiblichen Mitglieder der Königsfamilie nicht über dasselbe Potenzial zur Kontinuitätssicherung wie diejenigen in der maison du roi, gleichwohl musste der Verlust eines Hofpostens – beispielsweise durch den Tod einer Herrin – nicht immer gleich das Ende einer Karriere im Hofdienst mit sich bringen. ›Geschlecht‹ wird somit auf der institutionellen Ebene des französischen Hofes gleich in mehrfacher Hinsicht als Kategorie zur Herstellung von Differenz relevant, am deutlichsten in der Benachteiligung adeliger Frauen beim Zugang zu bestimmten Posten und damit Karrieremöglichkeiten. Gleichzeitig konnte sich gerade der Ausschluss von anderen Betätigungsfeldern als Vorteil erweisen, da er sie ›nötigte‹, sich fast durchgehend in unmittelbarer Nähe zur Königsfa-

Resümee

351

milie aufzuhalten und sich dauerhaft am Hof zu verankern. Welch großes Machtpotenzial dies barg, zeigt sich besonders deutlich im Hofleben und der dort stattfindenden sozialen Interaktion. Durch ihre fast durchgehende Präsenz in unmittelbarer Nähe ihrer Herrinnen und der Königsfamilie bot sich ihnen die Möglichkeit, zu privilegierten Akteurinnen des Hoflebens aufzusteigen. Da am frühneuzeitlichen Herrscherhof politische wie personale Entscheidungen in starkem Maße von Zugangs- und damit Einflussmöglichkeiten bestimmt wurden, bargen Hofämter durch die Nähe zu zentralen Entscheidungsträgern ein großes Potenzial für die dauerhafte Sicherung von Macht- und Prestigechancen. Da sich Amtsträgerinnen nicht für die Erfüllung militärischer, diplomatischer oder administrativer Aufgaben immer wieder für längere Zeit vom Hof entfernen mussten, waren sie gegenüber ihren männlichen Amts- und Standesgenossen als höfische Akteurinnen in besonderem Maße begünstigt. Sie konnten sich dauerhaft am ›Marktplatz aller Vorteile‹ aufhalten und entsprechend durchgehend ihre privilegierte Position im Konkurrenzkampf um Chargen, Pensionen und andere Gunsterweise einsetzen. Der französische Königshof bot dafür denkbar günstige Rahmenbedingungen, denn seit dem 16. Jahrhundert war ein Hofleben ohne Damen nicht mehr denkbar. Ihre Beteiligung sollte dem Hof sowohl Glanz und Pracht verleihen als auch einen ›zivilisierenden‹ Einfluss auf die höfischen Umgangsformen nehmen. Vor allem die weiblichen Mitglieder der Königsfamilie waren dazu angehalten, eine zentrale Rolle im sozialen Leben des Hofes zu spielen. Die sich darüber bietenden Möglichkeiten der Macht- und Einflussnahme standen auch Amtsträgerinnen offen. Mit der zunehmenden Frömmigkeit Ludwigs XIV. veränderten sich zwar das Hofleben und das vorherrschende Frauenideal, dadurch eröffneten sich aber gleichzeitig Handlungsmöglichkeiten im religiösen Bereich. Diese stellten allerdings keinen ausschließlich ›weiblichen‹ Handlungsbereich dar. Zwar kam Geschlecht im höfischen Kontext auf einer handlungspraktischen Ebene als Ordnungskategorie zum Tragen und existierten Vorstellungen von ›männlichen‹ und ›weiblichen‹ Sphären, die allerdings in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung nicht zwangsläufig zu Ein- oder Ausschluss von höfischen Aktivitäten und damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten führten. Ein deutliches Beispiel dafür findet sich in der sociabilit¦ mixte des Hoflebens, aber auch in männlich konnotierten Bereichen der Jagd und des Spiels. Somit zeigte das Leben am cour de France einerseits, dass Geschlecht eine Rolle spielte, so beispielsweise im Verständnis geschlechtsspezifischer Handlungsbereiche. Andererseits führte dies nicht zwangsläufig zu einer ebensolchen Teilung des Hoflebens, was den Kontakt und Austausch zwischen Frauen und Männern der Hofgesellschaft begünstigte. In Bezug auf Amtsträgerinnen kommt dies auch darin zum Ausdruck, dass ihre soziale Interaktion am Hof nicht durch ein räumlich getrenntes und nur schwer zugängliches ›Frauenzimmer‹ einge-

352

Resümee

schränkt wurde und sie im Gefolge ihrer Herrin an fast allen Aktivitäten des Hoflebens aktiv und passiv partizipierten. Der strukturelle Rahmen des französischen Königshofs verschaffte adeligen Amtsträgerinnen somit gleich in zweifacher Hinsicht vorteilhafte Bedingungen für die Entfaltung von Handlungsmöglichkeiten: Zum einen stattete er sie über Hofämter mit einer dauerhaften und privilegierten Position in einem der Machtzentren der Zeit aus. Zum anderen ermöglichte er ihnen durch die höfische sociabilit¦ mixte eine Teilnahme am Hofleben. Beides fand seinen Niederschlag in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung adeliger Amtsträgerinnen als höfischer Akteurinnen. Als Adelige waren sie selbstverständlicher Bestandteil sozialer Netzwerke und sollten auch am Hof einen Beitrag zum Vorankommen ihres jeweiligen Hauses leisten. In der höfischen Interaktion eröffneten sich ihnen durch die Nutzung höfischer Handlungslogiken und die Verkörperung sozialer Rollen große Handlungsspielräume. Als Verwandte, Freundin, Vertraute, Favoritin und Königsmätresse treten sie als wichtige Kooperationspartner ihres jeweiligen sozialen Umfeldes in Erscheinung und nutzen die sich aus ihrer privilegierten Position ergebenden Vorteile sowohl für sich selbst als auch für Dritte. Dabei wird ihre Geschlechtszugehörigkeit in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung je nach eingenommener sozialer Rolle unterschiedlich stark relevant gemacht. Adelige Frauen waren Teil der vaste parentÀle des höfischen Adels und als solche eingebunden in zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen. Vor dem Hintergrund des adeligen Selbstverständnisses wurde von ihnen ebenso wie von ihren männlichen Standesgenossen ein Beitrag zur Statuswahrung und -mehrung ihrer maison erwartet. Diesen leisteten sie bereits durch die Bekleidung einer Hofcharge, die mit großem Prestige für ihre jeweilige Familie einherging und idealerweise zu deren dauerhaften Etablierung als regelrechte noblesse de service am Hof beitrug. Beim Zugang zu Hofämtern hätten adelige Frauen zwar von den Verdiensten ihrer männlichen Angehörigen profitiert, gleichwohl war es ihnen durch die Ausübung einer entsprechenden Charge auch möglich, eigene Meriten zu erwerben, die wiederum ihren Verwandten zugutekommen konnten. Somit schränkte ihre Geschlechtszugehörigkeit einerseits ihre Möglichkeiten, auf institutioneller Ebene aktiv zu werden, ein, eröffnete ihnen aber durch den Dienst im Gefolge der Königsfamilie die Option, als adelige Frauen selbstständig Verdienste anzuhäufen, die ihnen selbst, aber auch ihrer maison zum Vorteil gereichten. Dass sich in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung ihre Handlungsmöglichkeiten nicht allein auf die Rolle einer Verwandten beschränkten, zeigt ihre ebenso häufige Thematisierung als Freundin. Adelige Amtsträgerinnen treten dabei sowohl auf einer begrifflichen wie handlungs-

Resümee

353

praktischen Ebene als amie von Männern und Frauen in Erscheinung. Der Hof tritt dabei als Handlungsrahmen hervor, der einerseits über die Ausübung von Hofämtern gleichgeschlechtliche Freundschaften begünstigte, andererseits durch die sociabilit¦ mixte des Hoflebens ebensolche Verbindungen zwischen Frauen und Männern ermöglichte. Ihre Geschlechtszugehörigkeit wird lediglich im Zusammenhang mit der Legitimität von Gewaltausübung relevant gemacht. Auch tritt sie in der sexuellen Konnotation des Begriffs ami(e) hervor, den dieser in gemischtgeschlechtlichen Freundschaften annehmen konnte. Sowohl bei Verwandtschaft wie Freundschaft – und damit weitgehend symmetrischen Beziehungen – tritt Geschlecht in der zeitgenössischen Beschreibung als Differenzkategorie hinter die Bedeutung von Stand, höfischem Rang und Gunst zurück. Anders stellt sich dies bei asymmetrischen Verbindungen dar, wie sie zwischen Amtsträgerinnen als Vertraute und Favoritinnen und ihren Herrinnen bestanden. Mit einem solchen Machtgefälle verbundene Beziehungen lassen ein deutliches Übergewicht gleichgeschlechtlicher Verbindungen erkennen. Nahbeziehungen zwischen einer adeligen Amtsträgerin und einem übergeordneten Mann, die mit denselben Begriffen belegt werden, implizieren hingegen eine sexuelle Verbindung, wie das Beispiel der favorite des Königs besonders deutlich zeigt. Der ma„tresse du roi wird in der zeitgenössischen Wahrnehmung und Darstellung eine Sonderrolle zugewiesen, da sie durch die königliche Gunst eine hohe Stellung innerhalb der höfischen Rang- und Ämterhierarchie einnahm. Gemäß dieser privilegierten Position seien ihr Handlungsmöglichkeiten zugekommen, die weit über die ihrer höfischen Geschlechtsgenossinnen hinausgingen. Die ihr zugängliche Machtfülle kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass sie nicht nur als Freundin und Verwandte thematisiert wird, sondern auch ganz explizit als protectrice und damit in einer Rollenbezeichnung, die für adelige Amtsträgerinnen in den Ego-Dokumenten der Zeit kaum verwendet wird. Auf einer handlungspraktischen Ebene treten sie gegenüber Frauen wie Männern als ›Gönnerinnen‹ in Erscheinung, auf einer begrifflichen Ebene lässt sich jedoch eine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern ausmachen. Die Königsmätresse wird in ihren Beziehungen zu Männern vorwiegend als protectrice bezeichnet, während in umgekehrter Hinsicht nur Frauen mit den Termini favorite und confidente versehen werden. In den sozialen Nahbeziehungen der Königsgeliebten wird somit ihrer spezifischen Gunststellung am Hof Rechnung getragen, indem sie einerseits sowohl mit den Begriffen symmetrischer wie asymmetrischer Beziehungen belegt wird, die Geschlecht in geringerem oder höherem Maße relevant machen.

VII. Quellen- und Literaturverzeichnis

1.

Quellen

1.1.

Ungedruckte Quellen

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356 AN 273 AP AN 273 AP 389.

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357

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VIII.

Namensregister

Anna von Bretagne (1477–1514), Königin von Frankreich 82f., 86, 97, 106, 150, 160, 245, 254, 334 Anna von Österreich (1601–1666), Königin von Frankreich 46, 51–55, 79, 83f., 99, 102, 106, 111–113, 115, 119, 130, 143, 152, 156, 159, 183f., 196, 225, 246f., 278, 280, 295, 299, 321f., 329, 340 Argenton, Marie-Louise-Madeleine-Victoire Le Bel de La BussiÀre, demoiselle de S¦ry, comtesse d’ (~1682–1748), fille d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte 305, 309 Armagnac, Catherine de Neufville de Villeroy, demoiselle de Villeroy, comtesse d’ (1639–1707), dame der Königin Maria Theresia 109, 258, 281 Arpajon, Catherine-Henriette d’Harcourt de Beuvron, demoiselle de Beuvron, duchesse d’ (1631–1701), dame d’honneur der Dauphine Maria Anna 108, 162f., 181, 188–190, 271, 278–280, 286f., 299, 337f. Artigni, Claude-Marie du Guast, mademoiselle d’ (1636–1720), fille d’honneur der Madame Henriette Anna 307, 345 Aydie, Marie-FranÅoise-Ang¦lique d’Aydie de Rions, comtesse d’ (1698–1717), dame der Duchesse de Berry MarieLouise Elisabeth 109, 180

Bade, Louise-Christine de Savoie-Carignan, demoiselle de Carignan, Markgräfin von Baden-Baden, genannt princesse de (1627–1689), dame der Königin Maria Theresia 9, 13, 109f., 258, 278 Balbien, Anne 60, 307, 346 Beauvillier, Henriette-Louise Colbert de Seignelay, comtesse de Saint-Aignan, duchesse de (1657–1733), dame der Königin Maria Theresia 107, 109, 153, 277, 280, 288, 296, 342 Bessola, Barbara 323–326, 331 B¦thune, Anne-Marie de Beauvillier de Saint-Aignan, demoiselle de Saint-Aignan, comtesse de (1610–1688), dame d’atour der Königin Maria Theresia 108, 116f., 119, 121, 141, 182, 194, 258, 278–281 B¦thune, Marie-Louise de La Grange, demoiselle d’Arquien, marquise de (~1634–1728), fille d’honneur der Königin Maria Theresia, dame d’atour der Königin Maria Theresia 108, 116, 119, 121, 164f., 182, 188–190, 194, 278–281 Beuvron, Lydie de Rochefort de Th¦obon, comtesse de (1638–1708), fille d’honneur der Königin Maria Theresia, fille d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte, dame der Madame Elisabeth Charlotte 198, 271, 303f., 308, 311f., 323

382 Brancas, Doroth¦e de Cheylus de SaintJean, marquise de, dame der Duchesse de Berry Marie-Louise Elisabeth 109, 197 Brancas, Marie de Brancas-Villars, demoiselle de Brancas, duchesse de (1651/ 1661–1731), dame d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte 108, 182, 277f., 330 Brisacier, comtesse de Hombourg, madame de, dame der Königin Maria Theresia 182 Brisacier, demoiselle de, fille d’honneur der Königin Maria Theresia 182 Brisacier-Montriche, madame de, dame der Königin Maria Theresia 109, 182 Bussy, Roger de Rabutin (1618–1693), comt de 312f. Cavoye, Louise-Philippe de CoÚtlogon, marquise de, fille d’honneur Königin Maria Theresia 155, 182 Chassigny, Mademoiselle de, fille d’honneur der Madame Henriette Anna, fille d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte, sous-gouvernante des filles d’honneur der Königin Maria Theresia 182, 188f. Ch–teautiers, Anne-Madeleine de Foudras, demoiselle de Ch–teautiers, dame de (~1661–1741), fille d’honneur, seconde dame d’atour, dame d’atour der Madame Elisabeth Charlotte 103, 108, 123, 182, 188–191, 327 Ch–telet, Th¦rÀse-Marie Gigault de Bellefonds, demoiselle de L’Isle-Marie, marquise du Ch–telet, marquise douairiÀre du (1667–1733), fille d’honneur der Dauphine Maria Anna, dame der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 109, 181, 188–190 Ch–tillon, Marie-Rosalie de Brouilly de Piennes, demoiselle de Brouilly, marquise de (1665–1735), dame d’atour der Madame Elisabeth Charlotte 103, 108, 123, 182, 198, 289, 329

Namensregister

Chausseraye, Marie-Th¦rÀse le Petit de Verno, demoiselle de (1664–1733), fille d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte 305, 307 Chevreuse, Jeanne-Marie-Th¦rÀse Colbert de Seignelay, duchesse de (1650–1732), dame der Königin Maria Theresia 107, 109, 181, 277, 279f., 288, 311, 342 Cl¦rambault, Louise-FranÅoise Bouthillier de Chavigny, demoiselle de Chavigny, mar¦chale de (1634–1722), gouvernante des enfants des Monsieur und der Madame 110, 124, 188, 198, 260, 303, 323 Cl¦rambault, Marie-Louise Le Loup de Bellenave, demoiselle de Bellenave, comtesse du Plessis-Praslin, marquise de (1640–1724), dame d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte 116, 119, 182, 194, 278, 281, 287, 290 Colbert, Marie Charron de M¦nars, dame der Königin Maria Theresia 107, 109, 115, 182, 280 Courcillon, FranÅoise de Pompadour de LauriÀre, demoiselle de Pompadour, marquise de (1694–1777), dame der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 109, 118, 181, 197, 278, 280f. Cr¦quy, Anne-Armande de Saint-Gelais de Lansac, genannt de Lusignan, demoiselle de Lansac, duchesse de (1637– 1709), dame, dame d’honneur der Königin Maria Theresia 108f., 141, 181, 188f., 258, 278 Dampierre, Helene Fourr¦ de, fille d’honneur der Königin Maria Theresia 182, 188, 190 Dangeau, Sophia Maria Wilhelmina Gräfin von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, genannt comtesse de Levenstein, marquise de (1664–1736), fille d’honneur der Dauphine Maria Anna, dame der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 109f., 115, 118, 181, 188–191, 197, 259, 283, 303, 342, 347

Namensregister

Durasfort, Marie de Durfort-Duras, demoiselle de Durasfort, dame de (1648– 1689), dame d’atour der Madame Elisabeth Charlotte 103, 108, 182, 193, 278 Effiat, Marie-Anne Olivier de Leuville, demoiselle de Leuville, marquise d’ (1637– 1684), gouvernante des enfants des Monsieur und der Madame 110, 183, 193 Elbeuf, Marie-Marguerite-Ignace de Lorraine, demoiselle d’ (1629–1679), dame der Königin Maria Theresia 109f., 125, 194, 292f. Estr¦es, Lucie-F¦licit¦ de Noailles, demoiselle d’Ayen, demoiselle de Noailles, comtesse d’Estr¦es, mar¦chale de Coeuvres, mar¦chale d’Estr¦es, mar¦chale duchesse d’ (1683–1745), dame der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 109, 181, 278, 280, 285, 309, 328 Fontanges, Marie-Ang¦lique de Scorailles de Roussille, demoiselle de Fontanges, duchesse de (1661–1681), fille d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte 194, 340 Franz I. (1494–1547), König von Frankreich 67, 82, 97, 161, 168, 245, 254, 334 Gontaut-Biron, Louise de, fille d’honneur der Dauphine Maria Anna 181, 188– 190 Gordon-Huntly, Henrietta Gordon of the viscounts Melgum, genannt demoiselle de Gourdon-Huntly, dame de (~1628– 1701), dame d’atour der Madame Henriette Anna, dame d’atour der Madame Elisabeth Charlotte 108, 110, 182, 189f. Gramont, Elizabeth Hamilton of the Earls of Abercorn, demoiselle d’Hamilton, comtesse de (1641–1708), dame der

383 Königin Maria Theresia 109f., 113, 258, 279, 286, 303 Grancey, Charlotte de Mornay, demoiselle de Villarceaux, comtesse de Grancey, mar¦chale de (1623–1694), gouvernante des enfants des Monsieur und der Madame 117, 119, 121, 178, 183, 189f., 197, 277f. Harcourt, FranÅoise de Brancas-Villars, demoiselle de Brancas, princesse d’ (~1649–1715), dame der Königin Maria Theresia 109, 171, 181, 270, 277, 292, 343f. Heinrich II. (1519–1559), König von Frankreich 69, 230 Heinrich III. (1551–1589), König von Frankreich 70, 94, 112, 231 Heinrich IV. (1553–1610), König von Frankreich 70, 78, 136 HumiÀres, Louise-Antoinette-Th¦rÀse de La Ch–tre de NanÅay, demoiselle de La Ch–tre, marquise d’HumiÀres, mar¦chale d’HumiÀres, mar¦chale duchesse d’ (1635–1723), dame der Königin Maria Theresia 109, 258, 285, 291, 309 Katharina von Medici (1519–1589), Königin von Frankreich 82–84, 98f., 170, 179, 225, 244, 334 Lande, Jeanne-FranÅoise de Biaudos de Casteja, demoiselle de Casteja, dame de la (1672–1761), sous-gouvernante des enfants de France 104, 110, 177, 194 Laval-Montmorency, Marie-Louise de, fille d’honneur der Dauphine Maria Anna 144, 181 L¦vis, Marie-FranÅoise d’Albert de Luynes, demoiselle de Chevreuse, marquise de L¦vis, duchesse de (1678–1734), dame der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 109, 181, 277, 279 Lude, Marguerite-Louise-Suzanne de B¦thune-Sully, demoiselle de Sully, com-

384 tesse de Guiche, duchesse du (1642– 1726), dame der Königin Maria Theresia, dame d’honneur der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 108, 148, 163–165, 181, 188f., 253, 278, 285, 303, 305f., 308, 339, 345f. Ludres, Marie-Êlisabeth de, fille d’honneur der Madame Henriette Anna, fille d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte, fille d’honneur der Königin Maria Theresia 182, 188, 190, 195, 311, 335f. Ludwig XIII. (1601–1643), König von Frankreich 54, 57, 70, 77, 83, 91, 120, 152, 159, 184, 225, 280, 299, 329f. Ludwig XV. (1710–1774), König von Frankreich 45, 99, 105, 117, 137, 142, 162, 178, 190f., 198 Ludwig XVI. (1754–1793), König von Frankreich 45, 120, 159, 162, 281 Mailly, Anne-Marie-FranÅoise de SainteHermine, demoiselle de Sainte-Hermine, comtesse de (1668–1734), dame d’atour der Duchesse de Chartres, dame d’atour der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid, dame d’atour der Königin Maria Maria Leszczyn´ska 108, 118, 142f., 167, 179, 181, 188, 191, 257, 270, 284, 288, 339, 342–344 Maintenon, FranÅoise d’Aubign¦ de Surineau, demoiselle d’Aubign¦, dame Scarron, marquise de (1635–1719), seconde dame d’atour der Dauphine Maria Anna 50f., 53f., 60, 102, 106, 108, 118, 122f., 130, 145, 152, 178, 180, 197, 230, 238f., 248, 255, 260, 270, 272, 278, 286, 288f., 294, 302, 306f., 314, 319, 321, 329, 335, 337–340, 342–347 Marey, Marie-Louise Rouxel de M¦davy de Grancey, demoiselle de Grancey, comtesse de (1648–1728), fille d’honneur der Königin Maria Theresia, dame d’honneur de Mademoiselle, gouvernante des enfants des Monsieur und der

Namensregister

Madame 110, 117, 119, 121, 178, 183, 189f., 197, 277f., 312 Maria Leszczyn´ska (1703–1768), Königin von Frankreich 102, 117, 295 Maria von Medici (1575–1642), Königin von Frankreich 83f., 99, 112, 225, 247, 280 Marsan, Marie d’Albret de Miossens, demoiselle d’Albret, Marquise d’Albret, comtesse de (1650–1692), dame der Königin Maria Theresia 120, 278f., 283 Mazarin, Jules (1602–1661), premier ministre 115, 128, 157, 162, 191, 225, 250, 282, 288, 326, 332 MeziÀres, damoiselle de, sous-gouvernante des filles d’honneur der Königin Maria Theresia 182 Monaco, Catherine-Charlotte de Gramont, demoiselle de Guiche, duchesse de Valentinois, princesse de (1639–1678), surintendante der Madame Elisabeth Charlotte 101, 103, 108, 145, 193, 278, 286, 327f., 335 Montausier, Julie-Lucie d’Angennes de Rambouillet de Pisany, demoiselle de Rambouillet, marquise de Montausier, duchesse de (1607–1671), dame d’honneur der Königin Maria Theresia, gouvernante des enfants de France 104, 108, 110, 127, 129f., 181, 183, 188, 193, 258, 279, 290, 304 Montchevreuil, Marguerite Boucher d’Orsay, marquise de, gouvernante des filles d’honneur der Dauphine Maria Anna 181, 198, 314, 338f., 343f. Montespan, FranÅoise-Athenas de Rochechouart de Mortemart, demoiselle de Tonnay-Charente, marquise de (1640–1707), dame der Königin Maria Theresia, chef du conseil et surintendante der Königin Maria Theresia 108f., 139, 141, 146, 158, 181, 188, 195, 197, 249, 281, 286, 289–291, 325, 328f., 335–337, 340–345

Namensregister

Montgon, Louise Sublet d’Heudicourt, demoiselle d’Heudicourt, marquise de (1668–1707), dame der Duchesse de Bourgogne, Maria Adelheid von Savoyen 109, 181, 194, 286 Morainville, Madame de, dame der Königin Maria Theresia 109, 182 Motte-Houdancourt, Anne-Lucie de la, fille d’honneur der Königin Maria Theresia 144, 182, 278 Motte-Houdancourt, Louise de Prie, demoiselle de Toucy, mar¦chale de la Mothe-Houdancourt, mar¦chale duchesse de la (1624–1709), gouvernante des enfants de France 104, 110, 116, 119–122, 124, 129, 143, 174–176, 183, 188, 190, 193f., 258, 278, 293 Navailles, FranÅoise de Montaut-B¦nac, mademoiselle de, fille d’honneur der Dauphine Maria Anna 181, 277, 279f. Navailles, Suzanne de Baud¦an de Neuillan de ParabÀre, demoiselle de Neuillan, comtesse de Navailles, duchesse de Navailles, mar¦chale duchesse de (1625–1700), dame d’honneur der Königin Maria Theresia 108, 117, 139– 141, 155, 159, 162, 181, 196, 277–280, 292, 319–323, 327, 332 Noailles, FranÅoise-Charlotte-Amable d’Aubign¦, demoiselle d’Aubign¦, comtesse d’Ayen, duchesse de Noailles, mar¦chale duchesse de (1684–1739), dame der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 47, 109, 181, 278 Noailles, Marie-FranÅoise de Bournonville, demoiselle de Bournonville, comtesse d’Ayen, duchesse d’Ayen, duchesse de Noailles, mar¦chale duchesse de (1655–1748), dame der Königin Maria Theresia 47, 109, 125, 284 Nogaret, Marie-Madeleine-AgnÀs de Gontaut-Biron, demoiselle de Biron, marquise de (1654–1724), fille d’honneur der Dauphine Maria Anna, dame

385 der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 19, 67, 109, 111, 181, 188– 190, 235, 244, 294, 310f., 319, 333–336 O, Marie-Anne de La Vergne, demoiselle de Guilleragues, marquise d’ (1657–1737), dame der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 109, 181, 259, 279, 289f., 308f., 347 Palatine, Anne de Gonzague-ClÀves de Nevers, principessa di Mantova, demoiselle de Rethelois, Pfalzgräfin bei Rhein, Herzogin in Bayern, genannt la princesse (1616–1684), chef du conseil et surintendante der Königin Maria Theresia 108, 110, 117, 130, 154, 159, 181, 340 Plessis-Praslin, Colombe Le Charon de Plaisance, comtesse du Plessis-Praslin, mar¦chale du Plessis-Praslin, mar¦chale duchesse du (1603–1681), dame d’honneur der Madame Henriette Anna 108, 116, 119, 121, 182, 186, 193f., 278, 281 Pompadour, Gabrielle de Montaut-B¦nac de Navailles, demoiselle de La Valette, demoiselle de Navailles, marquise de LauriÀre, marquise de (1663–1727), gouvernante des enfants der Duchesse de Berry Marie-Louise Elisabeth 277, 279f. Pons, Marie-Guyonne de RochefortTh¦obon, demoiselle de Th¦obon, marquise de (1681–1764), dame d’atour der Duchesse de Berry Marie-Louise Elisabeth 108f., 180, 188f. Pradon, Mademoiselle de, sous-gouvernante der Dauphine Maria Anna 141, 181, 197 Rambures, Marie-Armande de, fille d’honneur der Dauphine Maria Anna 173, 181, 341

386 Richelieu, Anne Poussart de Fors du Vigean, demoiselle du Vigean, comtesse de Marennes, duchesse de (1622–1684), dame d’honneur der Königin Maria Theresia 108, 151, 155, 158f., 181, 186, 191, 193, 259, 278f., 281, 290, 306, 308, 326, 337, 339 Rochefort, Madeleine de MontmorencyLaval-Boisdauphin, demoiselle de Laval, marquise de Rochefort, mar¦chale de (1646–1729), dame der Königin Maria Theresia 102, 108–110, 188f., 287, 306, 316, 329, 332, 345 Roucy, Catherine-FranÅoise d’Arpajon de S¦v¦rac, demoiselle d’Arpajon, comtesse de (1661–1716), fille d’honneur der Dauphine Maria Anna, dame der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 109, 181, 188–190, 271, 279, 299, 312 Rouvroy, Jeanne de Rouvroy de Froissy, Mademoiselle de, fille d’honneur der Königin Maria Theresia 140, 182, 186, 188 Rouvroy, Ursule-Marie Gont¦ry de SaintAlban, marquise de (1623–1685), gouvernante des filles der Königin Maria Theresia 182 Saint-Chamond, Suzanne-Charlotte de Gramont, demoiselle de Gramont, marquise de (~1621–1688), gouvernante des enfants des Monsieur und der Madame 110, 123, 183 Saint-G¦ran, FranÅoise-Madeleine-Claude de Warignies, demoiselle de Monfreville, comtesse de (1653–1733), dame der Königin Maria Theresia 109, 294, 311 Saint-Simon, Marie-Gabrielle de Durfort de Lorges, demoiselle de Lorges, duchesse de (1678–1743), dame d’honneur der Duchesse de Berry, Marie-Louise Elisabeth d’Orl¦ans 57, 108, 123, 130, 148, 163, 257, 278, 291, 310, 312

Namensregister

Saumery, Catherine Charron de Nozieux, dame de, dame der Königin Maria Theresia 109, 182 Sem¦ac, Marie-Êlisabeth de Gramont de Toulongeon, demoiselle de, fille d’honneur der Dauphine Maria Anna 110, 113, 181, 279 Simiane de Gordes, Marie-FranÅoise de, fille d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte 279 Soissons, Olympe Mancini, comtesse de (1640–1708), chef du conseil et surintendante der Königin Maria Theresia 108, 115, 117, 130, 142, 159, 181, 197, 258f., 278f., 282f., 293, 320, 323, 327, 340, 345 Soubise, Anne de Chabot-Rohan, demoiselle de Rohan, princesse de (1648– 1709), dame der Königin Maria Theresia 109, 120, 141, 284, 335, 340, 345 Stafford, Claude-Charlotte de Gramont de Toulongeon, demoiselle de Gramont, countess of (1665–1739), fille d’honneur der Dauphine Maria Anna 110, 113, 181, 279, 283 Tingry, Marie-Louise-Charlotte-ClaireAntoinette d’Albert de Luxembourg, demoiselle de Luxembourg, dame de Luxembourg, princesse de (1623/1626– 1706), dame der Königin Maria Theresia 109, 125 Tonnerre, Louise-Madeleine de ClermontTonnerre, demoiselle de, dame de Musy, fille d’honneur der Dauphine Maria Anna 181 Toulouse, Marie-Victoire-Sophie de Noailles, demoiselle d’Ayen, demoiselle de Noailles, marquise de Gondrin, comtesse de (1688–1766), dame der Duchesse de Bourgogne Maria Adelheid 347 UzÀs, Marie-Julie de Sainte-Maure de Montausier, demoiselle de Montausier,

Namensregister

comtesse de Crussol, duchesse de Crussol, duchesse d’ (1646–1695/1693), dame der Königin Maria Theresia 279f. Valicourt, Marie Suzanne de, sous-gouvernante des enfants de France 104, 110, 177 ValliÀre, FranÅoise-Louise de la Baume de la Blanc (1644–1710), demoiselle de la ValliÀre, duchesse de la, fille d’honneur der Madame Henriette Anna 307, 335, 345 ValliÀre, Gabrielle Gl¦ de la Costardaie, demoiselle de La Costardaie, marquise de la ValliÀre, marquise douairiÀre de La (1649–1707), dame der Königin Maria Theresia 279 ValliÀre, Marie-Th¦rÀse de Noailles, demoiselle d’Ayen, demoiselle de Noailles, marquise de La ValliÀre, duchesse de La ValliÀre, duchesse douairiÀre de La (1684–1784), dame der Duchesse de

387 Bourgogne Maria Adelheid 109, 181, 278–280, 285, 328 Vatteville, Madame de, dame der Königin Maria Theresia 109, 182 Venel, Magdeleine de Gaillard Lonjumeau de Ventabren de, dame der Königin Maria Theresia, sous-gouvernante des enfants de France 103, 109f., 128f., 143, 178, 188f., 191, 193, 250, 287, 321, 326 Ventadour, Charlotte-Madeleine-Êl¦onore de la Mothe-Houdancourt, demoiselle d’Houdancourt, duchesse de (1652– 1744), dame d’honneur der Madame Elisabeth Charlotte, gouvernante des enfants de France 108, 110, 116, 119– 122, 126, 142f., 178, 182f., 188, 190, 194, 198, 270, 272, 279, 285, 288, 305, 307, 309 Vieuville, Marie-Louise de la Chauss¦e d’Eu, demoiselle d’Arrest, marquise de la (1669–1715), dame d’atour der Duchesse de Berry Marie-Louise Elisabeth 108, 122, 180, 193, 314

IX.

Sachregister

Absolutismus 19, 72, 201, 227f. Abstieg 93, 188, 191, 295 affaire de poisons 289, 334 Alter 41, 53, 105, 121, 124–127, 130, 149, 153, 161, 173, 196, 213, 225, 238, 256, 259, 293f., 343, 349 Amtsadel 16, 89, 223, 241 – Amtsantritt 107, 124–126, 131, 175, 329 – Amtsaustritt 118, 130, 161, 192, 195– 198, 283, 297, 308, 331, 340 – Amtsdauer 41, 53, 126, 141, 154, 161, 178f., 183f., 186, 190f., 328f., 350 – Amtsnachfolger, Amtsnachfolgerin 91, 120–122, 176, 183, 194 – Amtsübertragung 91f., 108, 116–123, 127, 178, 182, 190, 197f., 266, 278, 281, 296, 349 Ansehen 90, 93, 114–116, 122, 124, 127, 135, 146, 156, 215, 247, 258, 261, 269f., 276, 283f., 286, 288, 290f., 293, 295, 297f., 307f., 321–323, 328f. Appartement 64f., 105, 137, 146, 148, 162, 170, 208, 233, 235f., 239, 246, 251f., 254–256, 258, 324, 329, 340 arts de cour 73, 204, 242 Audienz 69, 122, 163f., 166, 174, 176f., 207, 231f., 257, 259, 310 Aufstieg 34, 43, 51, 53f., 89, 97, 101, 107f., 110, 138, 169, 186, 188, 190, 241, 248, 276, 279, 307, 328, 333, 340, 350 Ausland 61, 103, 109–111, 209, 330, 350

– Ausländer, Ausländerin 109–112, 114, 152 Ausschweifung 210, 314f. Ball 68, 208, 233f., 245 Botschafter 51, 129, 163f., 179, 211, 227, 229, 238, 253 brevet de retenue 43, 65, 90f., 95, 123, 118, 131f., 139–142, 144, 167, 171, 287 cercle 164f., 207, 216, 234, 246, 249f., 252f., 257f. chevalier d’honneur 98, 123, 133, 137, 148, 150, 157, 161, 171, 179, 280f., 306, 310 coucher 68, 163, 207, 232f. Dankbarkeit 55, 122, 321, 329, 338 Domestikation 12, 72, 97 Dynastie 120, 151, 202, 209, 229, 261–263, 268 – Bourbon 19f., 45, 61, 63, 67, 70f., 73, 77–79, 82, 92, 97, 111, 113, 131, 136f., 149, 212, 216, 219, 222, 231f., 234, 237– 240, 334 – Valois 12, 20, 45, 63, 67, 78, 82f., 85, 97f., 106, 150, 200, 205, 213, 218, 228f., 234, 237, 244–246, 254f., 333f. Ehre 58, 76, 102, 109, 156, 159, 168, 177f., 225, 227, 241, 243, 245, 261, 263, 286, 288, 291f., 295, 297, 301, 342

390 Eid 121, 131–134, 160, 167, 171, 173, 175, 177 Einfluss 11, 14, 58, 72, 74, 82, 85, 90, 95– 97, 122f., 130, 152, 159, 216–219, 222, 230, 238, 241f., 245, 253f., 262, 273, 292, 297, 307, 310, 320, 324–326, 330, 337, 339, 344, 351 Erfolg 58, 73, 92, 104f., 122, 146, 164f., 196, 208f., 221, 226f., 230, 235, 240, 245f., 255, 261, 269, 276, 290, 295f., 299, 322, 337, 349 Ernennung 78, 114, 127f., 131, 133, 140, 217, 286, 308, 332 – Ernennungsurkunde 44, 104, 114, 120, 127, 131f., 133, 135, 140, 150, 174, 196 Erziehung 103, 128, 144, 150f., 153, 170, 172, 174f., 203, 262–265, 268, 275, 313f., 322, 339 Familienstand 13, 41, 45, 105, 110, 124– 127, 161, 213, 254, 256, 265, 267, 293f., 349f. – geschieden 124, 154 – ledig 67, 198, 124–126, 144, 171–173, 183, 197, 213, 256, 264, 266, 293, 300, 310, 350 – verheiratet 67, 106f., 109–111, 119, 124–127, 145, 168, 171, 187, 190, 213, 256, 262, 265–267, 290, 293f., 296, 300, 314, 349f. – verwitwet 110, 124–126, 190, 267, 310, 350 Favoritin 20, 39, 41, 50, 159, 224, 241f., 271f., 309, 317f., 320, 324, 326–329, 331, 333–336, 343–346, 352f. femme de chambre 55, 111f., 167, 172, 323–326 Frauenzimmer 12f., 18–20, 43f., 61, 65, 82, 107, 126, 134, 170, 187, 213, 239, 255f., 351 Frömmigkeit 52, 122, 130, 169, 208, 247– 250, 311, 351 Fronde 72, 77, 90, 222, 225, 237, 250, 269 Fürsprache 90, 123, 268, 286

Sachregister

galanterie 126, 130, 195, 249, 301, 307, 309, 313, 331f. Geburt 16, 31, 57, 66–68, 70, 85, 104, 116, 120, 126f., 131, 142, 148, 174f., 198, 208, 212f., 225, 230, 232, 246, 249, 265, 274– 276, 284, 303, 346 Geliebte 18f., 39, 90, 121f., 129, 139, 180, 249, 271f., 284, 289, 303, 306, 309, 311, 318–326, 328, 330f., 333–336, 339–341, 344f., 353 – Königsgeliebte 108, 130, 289, 328, 333f., 336, 338–341, 347, 353 Geschenk 9, 26, 33, 48, 95, 134, 140f., 143f., 147, 174, 230, 235, 243, 247, 263, 304, 308, 311, 315, 321, 334 Gesundheit 118, 121, 174f., 197, 206, 246 Gewalt 72, 81, 155, 244, 292, 314 Glanz 112, 150, 155, 209, 223, 242f., 245, 258, 276, 285, 334, 351 Gnade 115, 118, 123, 131f., 146, 157, 213– 215, 237, 241, 253, 273, 288f., 295, 321 gouvernante des filles d’honneur 12, 98, 101, 140f., 170, 181f., 198, 279, 339 sous-gouvernante des enfants de France 12, 100, 103f., 110, 124, 135f., 173, 177f., 189, 191, 287 sous-gouvernante des filles d’honneur 12, 100–102, 117f., 125, 141, 170, 194, 197 Handlungsspielraum 168, 266, 315, 347 Heirat 16, 31, 54, 71, 84, 110, 113, 126, 141f., 144f., 172f., 179f., 184, 187, 197, 203, 208, 213f., 223, 230, 234, 238, 248, 263, 266, 268, 283f., 288–290, 293, 296– 299, 323f., 327, 342, 350 Herkunft 41, 45, 87f., 90, 105f., 110, 150, 152, 178, 211, 213, 235, 293 Hierarchie 29, 66–68, 70f., 80, 107, 212f., 223f., 231, 234, 267, 322, 333–335 – Ämterhierarchie 66, 88, 94, 100, 106, 148, 190, 192, 213, 221, 223, 349f., 353 – Gunsthierarchie 66, 213 Hilfe 9, 226, 263, 276, 283, 301 Höflichkeit 43, 56, 73f., 203f., 225, 242, 244, 246, 268, 303

Sachregister

Hofordnung 42, 82, 207 honneurs de la cour 89, 98, 104f., 163f. Ideal 30, 49, 204, 209f., 242f., 247f., 268f., 290 – femme forte 12, 43, 247 – femme galante 247 – honnÞte femme 155, 248, 332 Integration 11, 67, 97, 113, 152, 172, 200, 203, 219–221, 253, 325, 344 Intrige 195f., 210, 217, 273, 290 Jagd 45, 57, 63, 68, 76, 81, 105, 137, 233, 236, 250–253, 257, 331, 351 Kapital 71, 146, 214, 263, 269, 300, 336 Karriere 20, 41, 57, 93f., 109, 117, 128, 147, 185–192, 217, 221, 223, 241, 261, 263f., 284, 288, 290, 296, 299, 301, 312, 330, 350 Kleidung 52, 69, 74–76, 89, 120, 125, 137, 144, 147, 158, 166, 172, 183, 206, 214, 230f., 242, 250, 255, 259, 294f., 328, 352 Kompetenz 95, 130, 154, 159f., 211, 224, 268, 306, 333, 350 Konflikt 148, 153f., 158f., 165, 172, 215, 263, 288, 292, 296, 301, 327, 336 Konkurrenz 14, 16, 104, 201, 204, 215, 217, 221, 228, 239, 261, 269, 273, 316, 328, 340, 351 Kontrolle 44, 70f., 87, 91, 96, 214, 219, 229, 231, 276 Konversation 42, 153, 242, 246, 258, 325 Kulturtransfer 18, 151 lettres 47, 52, 57, 121, 123, 131–133, 139, 140f., 154, 194, 288, 309, 356 lever 68, 163, 207, 232f., 251, 257 Liebesbeziehung 274, 285, 308f., 320, 326, 330, 334f., 345 logement 88, 160, 162, 166, 198, 236, 255, 260, 324 Loyalität 33, 37f., 55, 122, 218, 220, 271, 283, 288, 308f., 317, 328f., 336, 342

391 Makler 23, 217, 219f., 241f., 270 Memoria 229, 268, 276 Messe 68, 163, 172, 207f., 233, 236, 250, 257 Militär 140, 223, 264, 316, 337 Minderjährigkeit 76f., 84 Mitgift 120, 144f., 157, 265f. Monopol 61, 201, 224f., 227, 239, 254 Netzwerk 14, 19, 23, 39, 41, 90, 186, 222, 261–263, 267–271, 296, 299–301, 352 noblesse de service 16, 146, 296, 352 noblesse titr¦e 65, 67, 109, 212

Öffentlichkeit 19, 29, 150, 202, 205f., 208, 257, 269, 274 Patronage 17f., 21–23, 30–39, 71, 90, 144, 185, 216, 219f., 241, 262, 265, 267–269, 275, 282, 296, 298f., 301, 317f., 330, 332 – Klient 22f., 30–34, 37f., 41, 219, 282, 317f., 329 – Patron 22f., 30–34, 37f., 41, 219f., 267, 282, 317f., 329 Pension 14, 16, 93, 95, 113, 134f., 137– 142, 174, 194, 215, 217, 235, 238, 242, 261, 269f., 288, 293, 295, 316, 322f., 326, 337, 351 Pflicht 33f., 37, 54, 123, 134, 155f., 174, 176, 196, 209, 218, 230, 245f., 248, 257, 261–265, 270f., 276, 283, 285, 288, 299, 301, 317, 325, 331, 346 Politik 11, 16f., 22f., 59, 200, 223, 225, 267, 269, 297, 336 Pracht 150, 155, 209, 245f., 250, 351 Präzedenz 69, 148f., 153, 163, 165f., 214f., 222, 225–227, 229, 231, 247, 261, 298 Prestige 16, 71f., 111, 135, 145f., 202, 204, 210, 214, 219, 222, 269, 350, 352 Primogenitur 263f., 266 Privatheit 29f., 205f., 224, 257, 269, 333 Privileg 22, 64, 66, 90, 93, 95, 142f., 146, 158, 160, 169, 176, 193, 205, 221, 235f., 240, 245, 259, 283, 306, 328

392 Rat 162, 263, 285, 301, 319 Regentin 18, 54, 83–86, 184, 225, 265, 267f., 322 Reise 57, 69, 111, 147, 163, 207, 230, 237, 252f., 257, 283, 329, 345f. Religion 113, 129, 200, 238, 248f. Repräsentation 17, 25, 31, 40f., 43, 151, 202, 205, 222, 227, 249f. Ressource 33, 97, 186, 202, 205, 215f., 237, 263, 291, 301f. Reziprozität 33f., 276, 283, 317f. Sakralisierung 71, 202, 231 Scheidung 13f., 30, 36, 67, 199, 211, 256, 289, 323 Schloss 12, 17f., 20, 62–66, 68f., 71, 137, 146, 200, 204f., 208, 214, 223, 227–229, 233, 235–237, 239f., 250f., 254f., 257, 266, 307, 324 – Choisy 47, 58, 236, 251, 253 – CompiÀgne 236, 251, 253 – Fontainebleau 63, 234, 236, 251–253, 283 – Louvre 63, 95, 159, 214 – Marly 234, 236, 238, 251, 253, 270, 307, 324, 329, 346 – Saint-Germain-en-Laye 63f. – Trianon 236, 238, 255 – Versailles 54, 60, 63–65, 68, 112, 114, 117, 146, 198, 205, 211, 227–230, 233, 235f., 238, 240, 245, 254f., 295, 307, 324 Schmuck 166f., 246 Schönheit 56, 59, 130, 155, 210, 243, 247, 311, 334, 341 Schutz 32f., 37, 75, 92, 96, 128, 149, 177, 202, 263, 276, 296, 300f., 307, 314, 317, 319, 321f., 327, 329, 332, 342–344, 347 – protecteur 332 – protectrice 258, 271f., 318, 322, 343f., 347, 353 Schwangerschaft 179, 195, 257 Schwertadel 16, 89, 106, 108–110, 221, 223, 241, 349 semaines 169, 311 sociabilit¦ mixte 246, 253, 330, 351–353 Spaziergang 68, 233, 236

Sachregister

Spiel 27, 49, 56f., 59, 68, 170, 207, 210, 233f., 246, 250–252, 257f., 283, 291, 310, 314, 331, 351 Status 16, 31, 34, 82f., 85, 94, 97, 101, 105, 127, 131f., 135, 145, 158, 169, 187, 204, 215, 219, 224, 243, 254, 259, 261, 263, 265, 267f., 271f., 274, 294f., 301, 307, 318, 345 Symbol 17, 227, 295 Tafel 57, 68f., 88, 130, 138, 146, 151, 155, 159, 162f., 165, 167, 170, 172, 207, 230, 233f., 238, 245, 258f., 272, 346 Taufe 68–70, 208, 231f., 234, 238 Tod 47, 52, 54f., 79–81, 97, 102f., 117, 121, 140f., 143, 163, 168f., 174, 176, 179f., 182, 189–194, 225, 239, 247f., 250, 259, 273, 283, 287f., 294, 305, 323, 326, 337f., 342, 350 toilette 153, 166, 176, 257, 324 Tugend 56, 120, 126, 128–130, 155f., 173, 175, 242, 248–250, 274, 291, 303, 349 Umgangsformen 11, 67, 74, 203f., 210, 234, 242, 244, 268, 351 Ungnade 52f., 96, 156, 180, 192, 196, 236f., 288f., 291f., 305, 308f., 312, 321– 323 Vakanz 90, 115, 189 Verbundenheit 115, 122, 130, 309, 313, 319–321, 323–325, 327, 338, 340 Verdienst 17, 22, 90, 113, 122, 127f., 130, 153f., 286f., 291, 293, 297f., 303, 338f., 343, 349, 352 Vergnügung 44, 68, 130, 162, 209, 227f., 230, 233f., 238f., 246, 248, 250f., 259, 304, 310, 320, 325 Vergütung 16, 76, 94f., 118, 121, 132, 135–140, 143f., 149, 158, 176, 194f. Vertrauen 32f., 38, 54, 218, 224, 303f., 306f., 314, 317, 319, 321, 325f., 328f., 332f., 340, 344–346 – Vertraute 41, 56, 60, 96, 191, 236, 271, 312, 324, 329, 331, 346, 352f.

Sachregister

– Vertrauter 39, 49, 123, 271f., 290, 307, 317f., 324–329, 345, 353 Vormundschaft 266 Witwe 104, 125, 140, 143, 145, 159, 266f., 294, 332 Würde 32, 36, 45, 55f., 71f., 80f., 85, 88, 94, 106, 123, 130f., 135, 148, 150, 159, 167, 173, 178, 185, 197, 206, 213f., 221,

393 226, 243, 270, 275, 278, 281, 285, 288, 291, 320, 323, 326, 330f., 338, 342 Zentralisierung 61, 201 Zeremoniell 15, 17, 64–66, 69–73, 75, 122, 148, 158, 164–166, 171, 201, 205, 207, 211, 213–215, 222f., 226, 230–232, 234, 239, 251f., 254, 285, 287, 306