Hilfe ohne Grenzen?: Gesundheitsressourcen erhalten in der psychosozialen Begleitung von Geflüchteten [1 ed.] 9783666452116, 9783525452110


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Hilfe ohne Grenzen?: Gesundheitsressourcen erhalten in der psychosozialen Begleitung von Geflüchteten [1 ed.]
 9783666452116, 9783525452110

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Marie Rössel-Cunovic

Hilfe ohne Grenzen? Gesundheitsressourcen erhalten in der psychosozialen Begleitung von Geflüchteten

Geflüchtete Menschen psychosozial unterstützen und begleiten Herausgegeben von Maximiliane Brandmaier Barbara Bräutigam Silke Birgitta Gahleitner Dorothea Zimmermann

Marie Rössel-Čunović

Hilfe ohne Grenzen? Gesundheitsressourcen erhalten in der psychosozialen Begleitung von Geflüchteten

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Nadine Scherer Satz und Layout: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2625-6436 ISBN 978-3-666-45211-6

Inhalt

Geleitwort der Reihenherausgeberinnen . . . . . . . . . 9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1 Neuere Entwicklungen bürgerlichen Engagements für Geflüchtete in Deutschland 21 1.1 Qualitative Studien zum Engagement für Geflüchtete nach dem »Sommer der Solidarität« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2 Die freiwillig Helfenden und ihr  persönlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.3 Motive des Engagements für Geflüchtete 25 1.4 Organisationsformen des freiwilligen Engagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.5 Aufgabenfelder in der freiwilligen Hilfe für Geflüchtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1.6 Wichtige Unterschiede zwischen der Begleitung Geflüchteter durch freiwillig Engagierte und durch hauptamtliche Fachkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.7 Veränderungen im Arbeitsfeld von Hauptamtlichen in der Beratung und Begleitung von Geflüchteten . . . . . . . . . . . . . 36 2 Spezifische Belastungen von Freiwilligen und Hauptamtlichen in der Hilfe für Geflüchtete . . 40 2.1 Der Hilfebedarf auf vielen verschiedenen Ebenen: basale Orientierung und Hilfen im Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

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Inhalt

2.2 Behörden und ihre Reaktion auf Geflüchtete und ihre Helfenden: Veränderungen in der Haltung des sozialen Umfeldes freiwillig Engagierter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.3 Psychische Krisen und Traumafolgen bei Geflüchteten und wie professionell und freiwillig Helfende damit umgehen . . . . . . . 52 3 Nähe-und-Distanz-Balancierung als Heraus­ forderung in der Beziehung mit Geflüchteten 56 3.1 Häufige Dynamiken in der Beziehung zwischen Helfenden und traumatisierten oder psychisch sehr belasteten Geflüchteten: Phänomene der Übertragung im Kontext von Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.2 Mitgefühlserschöpfung und sekundäre Traumatisierung als Risiko für die Gesundheit bei Helfenden . . . . . . . . . . . . . . 62 3.3 Das Trauma in der eigenen Familie und das der Geflüchteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4 Erhalt der Gesundheitsressourcen für Helfende und Mitarbeitende in der Begleitung von Geflüchteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.1 Regelmäßige Reflexion des Beziehungs­ geschehens zwischen Helfenden und Geflüchteten in Intervision und Supervision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.2 Kooperationsmodelle und Organisations­ strukturen, die freiwillig Engagierte schützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.3 Rahmenbedingungen und Teamstrukturen, die hauptamtliche Fachkräfte vor Mit­ gefühlserschöpfung schützen . . . . . . . . . . . . 84

Inhalt7

4.4 Prävention durch Netzwerke und Verbindungen zwischen verschiedenen Hilfesystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.5 Was können freiwillig Engagierte und hauptamtliche Fachkräfte individuell für sich tun, damit die Hilfe nicht grenzenlos wird? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.6 Blick auf die eigenen Ressourcen und auf die Ressourcen von Geflüchteten . . . . . 94 4.7 Ein Beispiel für gute Kooperation zwischen freiwillig Engagierten und hauptamtlichen Fachkräften in einem Mentorenprojekt: Die Idee des Mentor*innen-Projektes SOCIUS für Geflüchtete in Frankfurt am Main . . . . . 100 5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Geleitwort der Reihenherausgeberinnen

Engagement, Empathie, Empörung, Erschöpfung – all dies sind Erfahrungen und Phänomene, die professionellen Fachkräften und ehrenamtlich Helfenden im Kontext von Flucht und Migration nicht fremd sind. Die langjährig praktizierende und versierte Pädagogin, Therapeutin und Supervisorin Marie Rössel-Čunović beschreibt in diesem Band sehr differenziert die komplexe und mitunter auch widersprüchliche Dynamik, mit der sich professionell und freiwillig Helfende in der Begegnung mit geflüchteten Menschen wiederfinden und die sich auch in der Konfrontation mit den oftmals sehr schwer zu durchschauenden organisationalen und institutionellen Strukturen und Arbeitsbedingungen widerspiegelt. Die Autorin beginnt mit einem Aufriss der neueren Entwicklungen zivilgesellschaftlichen Engagements für Geflüchtete in Deutschland und schärft hierbei auch die bestehenden Unterschiede zu professionellen Hilfsangeboten. Hierbei berücksichtigt sie sowohl motivationale als auch strukturelle Aspekte. Im zweiten Kapitel thematisiert sie spezifische Belastungen von freiwillig und hauptamtlich tätigen Menschen in der Flüchtlingshilfe und fächert ein breites Spektrum von alltäglicher Unterstützung bis hin zur Begleitung von schwer traumatisierten Menschen auf. Das dritte Kapitel widmet sich der Balancehaltung zwischen Nähe und Distanz in der Beziehung zu geflüchteten Menschen. Marie Rössel-Čunović thematisiert in diesem Rahmen die Begriffe Mitgefühlserschöpfung und sekundäre Traumatisierung sowie die potenzielle Vermischung zwischen eigenen biografischen Belastungserfah-

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Geleitwort der Reihenherausgeberinnen

rungen und den seelischen Verletzungen des Gegenübers. Im vierten Kapitel spannt die Autorin dann den Bogen zu praktischen Möglichkeiten zum Erhalt der Gesundheitsressourcen für die Helfenden. Dabei beschreibt sie u. a. sehr konkret aus der Praxis ein Mentor*innen-Projekt, das – begleitet durch psychosoziale Fachkräfte und eingebettet in ein intensives Fortbildungs- und Supervisionsangebot – alltägliche Unterstützung für geflüchtete Menschen durch freiwillig Helfende organisiert. Der Ausblick stellt ein sehr persönliches und nachdrückliches Plädoyer für das freiwillige und professionelle Engagement in diesem Bereich dar und macht deutlich, dass sich trotz des gesellschaftlichen »Klimawandels« im positiven Sinne viel getan hat und sich persönlicher Einsatz lohnt. Wir sind in dieser und in vieler anderer Hinsicht ganz bei der Autorin und wünschen allen Lesenden eine interessante und stärkende Lektüre! Maximiliane Brandmaier Barbara Bräutigam Dorothea Zimmermann Silke Birgitta Gahleitner

Einleitung »Wir waren … ein Haufen nervöser Vögel, die entweder auf ihre Anhörung vor Gericht oder das Ergebnis des Asyl­antrages warteten und nicht wussten, was mit ihnen geschehen würde. Wir verharrten in einer Schockstarre und fühlten uns wie die Statuen an Markgrafenbrunnen im Zentrum, die langsam Moos ansetzten. Langeweile, unterbrochen von grundlosen Streitereien und allerlei seltsamen Konflikten, bestimmten unseren Alltag.« (Khider, 2016, S. 117) »Die Arbeit war schon extrem hart. Vor allem im Rück­ blick wird mir das richtig klar … das war so ein extremer ­Leidensdruck bei den Leuten. So kompliziert und so ex­ treme Geschichten, und die Ebenen waren auch gar nicht so leicht auseinanderzuhalten. War das jetzt einfach ein psychisches Problem oder war das den Umständen geschuldet, also der Migrationssituation? … Dann gab es die ganzen Konflikte innerhalb des Hauses.« (Philippe Keller, Sozialarbeiter in einer Unterkunft für Geflüchtete, zit. nach Krueger, 2013, S. 222)

Frau K. war die erste freiwillig Engagierte, die ich kennenlernte. Eine Respekt einflößende und gleichzeitig sehr gefühlvolle Frau mit Migrationsbiografie, die ich aus ihrer Betonung beim Sprechen heraushören konnte und diesen melodischen Klang ihrer Rede dabei sehr sympathisch fand. Sie begleitete damals – das war Ende der 1990er Jahre – einen Klienten und eine Klientin aus dem Kosovo in das »Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Verfolgte« des Frankfurter Arbeitskreises Trauma und Exil (FATRA e. V.), in dem ich als Familientherapeutin arbeitete. Beide wären ohne Frau K.s Kenntnis der Einrichtung und ohne ihre Fahrdienste wahrscheinlich niemals aus der Kleinstadt, in der sie untergebracht waren, nach Frankfurt gekommen und schon gar nicht in ein Behandlungs-

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Einleitung

zentrum für traumatisierte Geflüchtete. Darüber wusste sie zu Beginn der Beratung nur, dass man ihnen dort vielleicht helfen könnte, aber nicht auf welche Art und Weise. Frau K. hatte die Fähigkeit, bei Geflüchteten Notlagen wahrzunehmen und Verbindungen herzustellen, sich dann aber auch wieder in ihrem Tun zu beschränken. Sie gab manchmal eine kurze Erklärung, was sich zwischen zwei Terminen ereignet hatte und von dem sie dachte, es sei für mich wichtig zu wissen. Sie sprach aber nie anstelle der Klient*innen und identifizierte sich auch nicht so intensiv mit deren Themen und Problemlagen, dass sie davon ausgegangen wäre, als Dritte in den Beratungsprozess einbezogen zu sein. Damals bekam ich eine erste Idee davon, dass diese Aufgabe eine schwierige Balance verlangt, einerseits mitzufühlen und andererseits immer wieder zu trennen zwischen den Themen und Gefühlen einer Person, die sich für eine bestimmte Problemlage Unterstützung und Begleitung wünscht, und den eigenen Themen und Gefühlen als Helfer*in. Dass diese Unterscheidung immer wieder verloren gehen kann und es ehrenamtlich und auch professionell Helfenden in manchen Situationen so schwerfällt, gute Grenzen in der Begleitung oder Unterstützung von Geflüchteten einzuhalten, hängt sehr stark mit dem zusammen, was seelisch belastete oder verletzte Menschen in uns und anderen auslösen und auf wie viel gesellschaftlich institutionalisierte Abwehr sie hier stoßen. Diese hat sich in den vergangenen Jahren seit 2015, seit dem »Sommer der Solidarität«, sehr stark verändert, zu Beginn zunächst in Richtung einer »Willkommenskultur« und aktuell wieder in die entgegengesetzte Richtung. Inzwischen habe ich eine größere Zahl von freiwillig Engagierten kennengelernt und ebenso zahlreiche Teams, die als Pädagog*innen oder Sozialarbeiter*innen mit der Frage von Nähe und Distanz in helfenden Bezie-

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hungen immer wieder intensiv befasst sind und die versuchen, beide Seiten in eine Balance zu bringen. In Bezug auf geflüchtete Klient*innen wird dies oft als große Herausforderung erlebt, weil sowohl Mitarbeiter*innen von Unterkünften, Betreuungseinrichtungen, Beratende und freiwillig Engagierte immer wieder miterleben, wie schwer es für viele Geflüchtete ist, ihre ganz persönliche Verfolgungs- und Fluchtgeschichte und die damit verbundenen Verluste emotional zu verarbeiten. Dabei kommen oft noch weitere Belastungen und Verletzungen hinzu, etwa durch das Asylverfahren mit seiner oft willkürlich erscheinenden Anhörungs- und Anerkennungspraxis. Anhaltende Unsicherheiten auf verschiedenen Ebenen – nicht nur des Aufenthaltes, sondern auch der Zukunftsperspektiven für sich selbst, aber auch der Überlebensmöglichkeit von Familienangehörigen im eventuell noch umkämpften Heimatland – stellen eine erhebliche Belastung dar. Sie erzeugen auch bei ehrenamtlich Begleitenden und bei Fachkräften oft Gefühle von Hilflosigkeit und manchmal schwer aushaltbare Zustände des Mitleidens. In einer 2013 unter dem Titel »Flucht-Räume« veröffentlichten Forschungsarbeit (Krueger, 2013), die sich mit einem ethnopsychoanalytischen Betreuungsansatz von Geflüchteten unter prekären Lebensbedingungen in der Schweiz beschäftigt hat, wurde sowohl den Bewohner*innen der Unterkunft als auch den Mitarbeiter*innen die Gelegenheit gegeben, über ihre psychischen Belastungen im Gespräch mit der Interviewerin zu reflektieren. Was deutlich wurde, ist der Zusammenhang zwischen den Belastungen der Bewohner*innen durch extreme Erfahrungen von Zerstörung und deren Niederschlag als psychische Belastung der Mitarbeiter*innen, die sich aufgrund einer »versagenden« Umwelt umso stärker darum bemühten, eine zugewandte und verstehende Haltung gegenüber den Geflüchteten einzunehmen. Sie erlebten »eine Kombina-

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Einleitung

tion aus den unverarbeiteten Belastungen der Klient*innen und dem stetigen Konfrontiertsein mit den Grenzen eigener Handlungsspielräume«, die bei vielen zu starken Erschöpfungsgefühlen führten und sich nicht mehr »abschalten« ließen (Krueger, 2013, S. 220 f.). Die Grenzen der Handlungsspielräume können dabei als Ergebnis von einer gesellschaftlichen Umwelt gesehen werden, die mehr Grenzen als Möglichkeiten aufzeigt, wobei die Aufgabe von Sozialarbeiter*innen und Pädagog*innen ja genau darin besteht, Möglichkeitsräume zu eröffnen, ebenso wie dies auch freiwillig Engagierte versuchen. Hier entstehen oft erhebliche Dissonanzen. Sowohl die Mitarbeiter*innen von pädagogischen oder beratenden Einrichtungen als auch ehrenamtliche Begleiter*innen von Geflüchteten versuchen eine vertrauensvolle und hilfreiche Beziehung zu Menschen aufzubauen, die aufgrund dieser existenziellen Erschütterungen und prekären Lebensbedingungen zumindest zeitweilig Unterstützung benötigen und deren Vertrauen in andere Menschen durch die erlebte Gewalt oftmals tiefe Einbrüche erfahren hat. Professionell und freiwillig Helfende sind beide mit den noch unverarbeiteten traumatischen Belastungen der Verfolgung und Flucht wie auch mit den aktuellen Belastungen der Geflüchteten befasst, haben dabei aber sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen in ihrer Tätigkeit. Das Herstellen einer empathischen Beziehung zu geflüchteten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mag sich für Pädagog*innen und Sozialarbeiter*innen zunächst gar nicht so grundlegend unterscheiden von ihrer gewohnten pädagogischen oder beratenden Haltung. Aus der supervisorischen Erfahrung mit sehr unterschiedlichen pädagogischen und beratenden Teams lässt sich jedoch sagen, dass die Arbeit mit Geflüchteten mit sehr spezifischen Belastungen für die Mitarbeitenden verbunden ist. Diese werden oft erst längerfristig in ihren Auswirkungen

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auf die eigene seelische Verfasstheit wahrgenommen. Oftmals äußern die Helfenden, dass sie sich auch abseits der Arbeit innerlich mit den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen beschäftigen. Dies und das Mitfühlen nehmen zeitlich viel Raum ein, ebenso wie die Beschäftigung mit auffälligem Verhalten vor dem Hintergrund der (Flucht-) Biografie, von der oft nur einzelne Sequenzen, aber selten die ganze Geschichte bekannt ist. Freiwillig Helfende in der Begleitung von Geflüchteten sind – das zeigen ebenfalls die Themen in Seminaren und in der Supervision – mit sehr ähnlichen Phänomenen beschäftigt, wie diejenigen, die hauptamtlich Beziehungsund Beratungsarbeit leisten. Eines der präsentesten Themen ist fast immer die unzureichend empfundene Hilfe und oft auch die institutionelle Ablehnung und nahezu Verweigerung von Hilfe für Menschen, die eigentlich in essenziellen Bereichen ihres Lebens Unterstützung benötigen würden, sich diese aber in einer für sie noch fremden Sprache nicht ausreichend organisieren können. Gleichzeitig nehmen freiwillig Helfende und Fachkräfte auch wahr, dass es nicht nur äußere Barrieren sind, mit denen Geflüchtete es hier zu tun haben, sondern dass auch innere Hemmnisse hinzukommen, etwa durch traumatische Erfahrungen ihres Gegenübers. Gerade mit Geflüchteten, die unter Traumafolgen leiden, entstehen manchmal überraschende Beziehungsdynamiken mit heftigen, positiven und negativen Gefühlsreaktionen auf beiden Seiten, deren Ursachen nur zum Teil der aktuellen Situation geschuldet sind, sondern weit mehr mit den in der traumatischen Situation durchlebten Gefühlen von Überwältigung und Hilflosigkeit zu tun haben. Der institutionelle Rahmen, den die Einrichtung ihren Mitarbeiter*innen bietet, um mit den Herausforderungen dieser Arbeit gut umgehen zu können, um nicht auf Dauer wichtige psychische Gesundheitsressourcen zu

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Einleitung

verlieren, spielt eine bedeutende Rolle und ist ein wichtiges Thema dieser Veröffentlichung. Es ist bekannt, dass die traumatische Erfahrung eine überwältigende Grenzverletzung für die davon Betroffenen darstellt und dass diese Erfahrung in weiteren Beziehungen reinszeniert werden kann. Das Einhalten von Grenzen in der ehrenamtlichen Arbeit stellt eine besondere Schwierigkeit dar, die in diesem Bereich drei Ursachen hat: Freiwillig Engagierte sind erstens weniger auf das Einhalten von Grenzen in der Tätigkeit vorbereitet, wie dies bei Professionellen der pädagogischen oder sozialen Arbeit durch die mehrjährige Ausbildung der Fall ist. Sie verfügen zweitens häufig nicht über institutionelle Rahmenbedingungen, die ausreichend schützend und fürsorglich für sie selbst wären. Sie haben als Drittes mit einer Personengruppe zu tun, die aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse in ihrem Gegenüber Gefühle entstehen lassen, die als Reaktion auf die wahrgenommene Hilflosigkeit »grenzenlose Hilfe« oft als einzige Handlungsmöglichkeit erscheinen lässt. Dass solche Beziehungsdynamiken unbewusst bleiben und dann dazu führen, dass freiwillig Engagierte sich in ihren Aufgaben erschöpfen und auch aus der Hilfe wieder aussteigen, stellt ein hohes Risiko in der ehrenamtlichen Hilfe dar. Dieses Buch möchte den Blick dafür schärfen, was Ehrenamtliche im Unterschied zu hauptamtlichen Mitarbeiter*innen in der Flüchtlingshilfe belastet und was sie vor Mitgefühlserschöpfung bzw. vor der Entwicklung sekundärer Traumafolgen schützen kann. Wobei persönliche oder familiäre Erfahrungen mit psychischem Trauma einerseits ein starkes Motiv für das Engagement zugunsten Geflüchteter sein kann, wie ich in Seminaren oft hören konnte, andererseits das Risiko für Mitgefühlserschöpfung erhöhen können, wenn diese Erfahrungen unbearbeitet bleiben.

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Als Praxisbeispiel dient mir in diesem Text ein Projekt, das seit 2012 besteht und immer weiterentwickelt wurde. Es handelt sich um die Qualifizierung von Mentor*innen, die geflüchtete Mentees über längere Zeiträume im Alltag begleiten und ihnen in wichtigen Fragen zur Seite stehen. Die Konzeption des Projektes SOCIUS, das vom Evangelischen Regionalverband Frankfurt FB1, durchgeführt wird, beinhaltet sowohl umfangreiche Fortbildungen für die künftigen Mentor*innen als auch eine weitere Begleitung in der Praxis durch regelmäßige Supervision und Studientage zu relevanten und von den Mentor*innen gewünschten Themen. Da ich seit Beginn des Projektes als externe Studienleitung beteiligt bin, ist es mir leichtgefallen, das Projekt mit seinen verschiedenen Facetten hier als Praxisbeispiel zu beschreiben. Die Lesenden sollen durch das Buch angeregt werden, über die Rahmenbedingungen und Veränderungsmöglichkeiten ihrer Arbeit nachzudenken, eigene Grenzen wahrzunehmen und ein Gespür für die Grenzen freiwilligen Engagements sowie Möglichkeiten der Selbstfürsorge zu entwickeln. Es soll aber auch eine Hilfe sein, die dahinterliegenden psychischen Prozesse zu verstehen, die dazu führen, dass Hilfe »grenzenlos« werden kann. Es ist ein Buch für die Praxis, das sich auf theoretische Grundlagen und Konzepte der Traumaforschung stützt. Hierbei steht jedoch nicht die Konzeptualisierung und kritische Diskussion des Traumabegriffs im Vordergrund, sondern vielmehr theoretische Erkenntnisse, die für den Bereich Selbstfürsorge und Erhalt von Gesundheitsressourcen freiwillig Engagierter und für Fachkräfte in der Arbeit mit Geflüchteten zentral sind. Leser*innen, die zum Thema Traumaforschung und zu Konzepten zum Verständnis von menschengemachter politischer und sozialer Gewalt weiterlesen möchten, sei der Band von Karin Mlodoch (2017) »Gewalt, Flucht – Trauma? Grundlagen und Kontroversen

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Einleitung

der psychologischen Traumaforschung«, erschienen ebenfalls in der Reihe »Fluchtaspekte«, empfohlen. Ich möchte diese Einleitung nicht beenden, ohne zu sagen, wie groß mein Respekt und meine Bewunderung für diejenigen ist, die sich in den letzten Jahren der Begleitung von geflüchteten Menschen auf eine oft so beeindruckende Weise angenommen haben und noch annehmen. Es sind freiwillig Engagierte, die häufig selbst durch ihren Beruf sehr beansprucht sind und die trotzdem viele Stunden und viel positive Energie für die Begleitung von Geflüchteten bereitstellen. Die Engagierten kommen dabei aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und Berufen, nicht wenige haben auch noch kleinere Kinder oder werden in der Zeit Eltern, manche sind neben ihrem Beruf mit der Pflege von Angehörigen beschäftigt und jüngere freiwillig Engagierte pausieren manchmal für Prüfungsphasen, sind dann aber wieder mit dabei. Ebenso erlebe ich die Teams, die mit geflüchteten Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen arbeiten, in ihrer Arbeit professionell und sehr empathisch. Sie bringen dafür viel persönliches Engagement mit und erleben nicht immer das, was man ihnen als Gratifikation wünschen würde, nämlich ausreichende gesellschaftliche und institutionelle Anerkennung. Von den Fachteams und den Gruppen der freiwillig Helfenden freut es mich, oft zu hören, dass ihnen die Arbeit trotzdem am Herzen liegt, sie darin einen wichtigen Sinn sehen und auch Freude daran haben, neben allem, was ihnen belastend erscheint.

1 Neuere Entwicklungen bürgerlichen Engagements für Geflüchtete in Deutschland

1.1 Qualitative Studien zum Engagement für Geflüchtete nach dem »Sommer der Solidarität« In den Jahren 2014 und 2015 wurde deutlich, dass sich das zivilgesellschaftliche Engagement für Geflüchtete in Art und Umfang ebenso wie in der Sichtbarkeit im öffentlichen Raum und der Präsenz in den gesellschaftlichen Diskursen verändert und erheblich an Bedeutung gewonnen hatte. Erstmalig war von einer Willkommenskultur für Geflüchtete die Rede, die sich als spontane zivilgesellschaftliche Hilfe für Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung in deutschen Städten angekommen waren, entwickelte und an der sich Helfende über alle Altersgruppen und Zugehörigkeiten zu sozialen Schichten hinweg in einem in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nie da gewesenen Umfang beteiligten. »Der Sommer der Solidarität« – so wurden die Monate von den Medien genannt, in denen Hilfsbereite sich täglich an den Orten der Ankommenden einfanden und sich zunächst spontan über soziale Netzwerke organisierten. Auch wenn es bereits in den 1990er Jahren viel Unterstützung für Geflüchtete aus den Kriegen des damaligen Jugoslawien durch ehrenamtlich Engagierte gegeben hatte, lassen sich die aktuell breite Verankerung und die Fülle der Initiativen kaum mit den damaligen vergleichen. In der Folge sind sehr unterschiedliche Initiativen durch freiwillig Helfende entstanden, die von erster Versorgung mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Dingen des

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Neuere Entwicklungen

persönlichen Bedarfs, über Dolmetschen für Geflüchtete, Hilfe bei Behördengängen, Kita-Suche, Anbieten von Sprachkursen, Begleitung in der Schule und Ausbildung etc. viele verschiedene Maßnahmen der Unterstützung der hier neu Angekommenen in Angriff genommen haben. Wenn in früheren Jahren sich die Zahlen der ehrenamtlich Engagierten für Geflüchtete im Vergleich zu den Zahlen von ehrenamtlich Helfenden in anderen Bereichen laut Freiwilligensurvey der Bundesregierung eher im Promille­ bereich bewegten, haben sich im Sommer 2015 etwa 10 % der über 14-Jährigen in Deutschland an Hilfsaktivitäten für Geflüchtete beteiligt (Gensicke u. Geiss, 2010, S. 231, zit. nach Karakayali u. Kleist, 2016, S. 7). Staatliche oder kommunale Maßnahmen allein hätten die wichtigsten Versorgungsleistungen nicht realisieren, aber auch den menschlichen Kontakt zu der großen Zahl der hier ankommenden Geflüchteten nicht herstellen können. Das Fragen nach grundlegenden körperlichen und seelischen Bedürfnissen, das zum Beispiel die europäischen Kriegsflüchtlinge der 1990er Jahre so oft vermisst hatten, konnte aufgrund der Begegnung im Rahmen einer sozialen Gemeinschaft zwischen Geflüchteten und engagierten Privatpersonen an vielen Orten tatsächlich stattfinden. Verschiedene quantitative und qualitative Studien zum zivilgesellschaftlichen Engagement für geflüchtete Menschen in Deutschland sind in den beiden vergangenen Jahren der Frage nachgegangen, was sich denn tatsächlich verändert hat in der Hilfe für Geflüchtete, wer die Helfenden heute sind, welche Motive sie geleitet haben und noch leiten und ob etwa eigene Erfahrungen mit dem Thema Krieg und Flucht für das Engagement eine Rolle spielen können (vgl. Karakayali u. Kleist, 2016; Hamann, Karakayali, Wallis u. Höfler, 2016; Mutz et al., 2015, Linnert u. Berg, 2016; Speth u. Becker, 2016). Die Organisationsformen, die Helfende genutzt oder neu entwickelt

Die freiwillig Helfenden23

haben, wurden erfasst, ebenso die zeitlichen Belastungen und mögliche Überforderungsgefühle, die mit dem Engagement verbunden sein könnten. Das Thema dieser Veröffentlichung, die sich in erster Linie mit dem Erhalt von Gesundheitsressourcen der hauptamtlich und freiwillig Helfenden beschäftigt, berührt einige in den Studien erhobenen Ergebnisse vor allem zur Motivation, zu Organisationsformen und zum Umfang und zu Auswirkungen der Hilfe für Geflüchtete oder auf die Helfenden selbst. Diese sollen deswegen auch benannt werden und mit in die Überlegungen einfließen.

1.2 Die freiwillig Helfenden und ihr persönlicher Hintergrund Zwei Drittel der freiwillig Helfenden begannen 2015 neu mit ihrem Engagement für Geflüchtete und die Mehrheit sind Frauen (75 %), mit einer inzwischen fast gleichmäßigen Verteilung von unter 30-Jährigen bis über 60-Jährigen. Die überwiegende Zahl lebt in der Großstadt, aber immerhin 35 % der Ehrenamtlichen wohnen in Gemeinden mit unter 20.000 Einwohnern. Während es im Jahr 2014 noch besonders viele Studierende waren, die sich in der sogenannten Willkommenskultur engagiert haben, ist diese überdurchschnittliche Beteiligung 2015 auf 11 % zurückgegangen und wurde ausgeglichen durch einen höheren Anteil von erwerbstätigen Engagierten, deren Anteil bei 50 % lag. Über 20 % der Engagierten waren Personen, die bereits aus dem aktiven Erwerbsleben ausgeschieden waren, geringere Prozentzahlen entfielen auf Engagierte, die sich aktuell in der Haus- und Familienarbeit/Elternzeit befinden, Schüler*innen, Auszubildende, Erwerbslose. Fast die Hälfte (42 %) gaben 2015 an, konfessionslos zu sein, 55 % gaben an, dass religiöse Überzeugungen für ihr

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Neuere Entwicklungen

Engagement nicht wichtig seien. Etwa ein Viertel der Engagierten verfügt selbst über eine (familiäre) Migrationsbiografie, wobei sich keine Unterschiede zu anderen Freiwilligen in der zugrunde liegenden Studie finden ließen und auch die Motive für das Engagement sich glichen. Sie waren allerdings stärker als andere im Bereich der Sprachmittlung tätig. Dies alles sind Ergebnisse einer zweiten umfangreichen Studie zu »Strukturen und Motive der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit (EFA) in Deutschland« des Berliner Institutes für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität in Berlin (Karakayali u. Kleist, 2016, S. 11 ff.), in der deutschlandweit 2.291 Personen zu ihrer Hilfe für Geflüchtete befragt wurden. In einer Studie, die sich mit dem freiwilligen Engagement für Geflüchtete spezifisch in München im April bis Juni 2015, also »dem Sommer des Willkommens« befasst (Mutz et al., 2015), wird »die typische engagierte Person« als weiblich und mittleren Alters beschrieben (S. 14 ff.). Wesentliches Kennzeichen, so die Studie weiter, sei der relativ hohe Bildungsstand und eine gute berufliche Position. Sie sei über das Engagement hinaus privat sehr aktiv, habe wenig Freizeit, nutze diese aber durch intensiven Kontakt mit Freunden und Bekannten. Das Engagement für Geflüchtete ergänze schon bestehende Aktivitäten bei anderen häufig gesellschaftspolitischen Organisationen. Sie sei kulturell und politisch interessiert (S. 14 ff.): »In der Flüchtlingsarbeit Engagierte sind seltener religiös motiviert, sie handeln vielmehr aus einem gesellschaftspolitischen humanistischen Verständnis heraus. Sie haben ein stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und wollen mit ihrem Engagement gesellschaftliche Defizite ausgleichen und den Flüchtlingen den Weg in die deutsche Gesellschaft erleichtern. Sie wollen Vorbild sein und sehen sich in der privilegierten Situation, anderen –

Motive des Engagements für Geflüchtete25

den Geflüchteten – etwas geben zu können, nämlich das, was ihnen kostbar ist: Zeit« (Mutz et al., 2015, S. 15).

1.3 Motive des Engagements für Geflüchtete Viele der Freiwilligen setzen sich zeitlich und emotional sehr intensiv für Geflüchtete ein, und von daher stellt sich die Frage, was ihre Motive sind, sich neben ihrer beruflichen und familiären Einbindung so engagiert diesen Aufgaben zu widmen. Zumal dies zum ersten Mal seit 1945 in einem solchen hohen Maß erfolgt. Denn auch wenn Mitte der 1990er Jahre allein mehr als 400.000 Geflüchtete als Folge des Bosnienkrieges nach Deutschland kamen, fiel das damalige Engagement geringer aus als aktuell. Studien, die sich mit der Motivation der Helfenden befassen, basieren auf persönlichen Interviews oder standardisierten Fragebögen. So wurden in der Studie von Mutz und Kollegen (2015) in München sowohl offene Interviews mit engagierten Personen im Alter zwischen 24 und 70 Jahren anhand eines Interviewleitfadens durchgeführt als auch Expert*inneninterviews. Darüber hinaus fand eine Online-Befragung mit 112 Personen statt, die 21 Fragen beinhaltete. Neben den sozialstrukturellen Daten wurde das Engagement der Helfenden erfragt, z. B. ob sie in anderen Bereichen aktiv sind (waren), wie sie familiär und beruflich eingebunden sind und warum früheres Engagement beendet wurde. Die Motive für das jetzige Engagement für Geflüchtete wurden thematisiert. Es waren weniger die Erwartungen an die Tätigkeit, sondern eher »komplexe innere Beweggründe, die das individuelle Handeln in Gang setzen und steuern (meist nicht bewusst und rational verfügbar)« (Mutz et al., 2015, S. 11). Daraus ergaben sich verschiedene Motivtypisierungen bei freiwillig Helfenden, die herausgearbeitet wurden (Mutz et al., 2015):

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Neuere Entwicklungen

ȤȤ Ethisch-moralische Gründe im Sinne einer Orientierung an Gerechtigkeit und Menschenrechten, an einem friedlichen Zusammenleben von Kulturen sowie Verantwortungsübernahme für das Gemeinwesen und für Fluchtursachen durch Waffenlieferungen deutscher Rüstungskonzerne in Krisenregionen wurden als Motive für das Engagement genannt. ȤȤ Ethisch-moralische Begründungen spielten im Kontext von religiösen Grundhaltungen, z. B. als christlicher Auftrag, Menschen in Not beizustehen und Gutes tun zu wollen, eine Rolle. ȤȤ Pädagogische Beweggründe wurden von den Engagierten angeführt: In der Gesellschaft verbreitete abweisende Haltungen gegenüber Geflüchteten sollen durch das Beispiel des eigenen Engagements verändert werden, die eigenen Lebenserfahrungen, Wissen und Fähigkeiten sollen weitergegeben werden. ȤȤ Interkulturelle Geselligkeit wird als weiteres wichtiges Motiv berichtet, also soziale Kontakte mit interessanten Menschen herstellen zu mögen und den eigenen Horizont zu erweitern. Das Interesse und Kennenlernen anderer Kulturen ist ein wichtiges und häufig genanntes Ziel für den Kontakt mit Geflüchteten. ȤȤ Das Gefühl von Gebrauchtwerden und Anerkennung durch die Geflüchteten selbst, aber auch die Bestätigung durch das soziale Umfeld waren wichtig. Verstärkt wurde die Motivation durch die zeitweise positive Bewertung im Familien- und Bekanntenkreis wie auch in der medialen Öffentlichkeit. In der Studie der Berliner Humboldt-Universität (Karakayali u. Kleist, 2016) wird als wichtiges und häufig genanntes Motiv für die Arbeit mit Geflüchteten der Wunsch genannt, »die Gesellschaft im Kleinen mitgestalten zu wollen«, ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen und die Will-

Motive des Engagements für Geflüchtete27

kommenskultur rechter Stimmungsmache entgegenzustellen. Es wird in dieser Studie auch die Frage gestellt, welche Rolle die Erfahrungen der Eltern- und Großelterngeneration mit Krieg und Flucht für die heute in der Hilfe für Geflüchtete Engagierten spielt. Als bewusstes Motiv wird die Geschichte von Flucht und Vertreibung in den Antworten nicht in den Vordergrund gestellt, in der Befragung wurde aber auch deutlich, dass eine relativ große Gruppe (ein Drittel) angegeben hat, Angehörige mit Fluchterfahrung in der Familie zu haben. Bei den Engagierten mit Migrationshintergrund betrifft dies mehr als die Hälfte der untersuchten Gruppe. Meine Beobachtungen mit verschiedenen Gruppen von Freiwilligen bestätigen, dass es einen hohen Anteil von Engagierten gibt, die über die Auseinandersetzung mit dem sehr aktuellen Thema Krieg und Flucht eine neue Perspektive auf diesbezügliche Erfahrungen in der eigenen Familie gewonnen haben. Wenn davon auszugehen ist, dass die Motivation für zivilgesellschaftliches Engagement für Geflüchtete nicht auf ein einziges Motiv zurückzuführen ist, und es sich dabei zwangsläufig um komplexe, und mehr oder weniger bewusste Prozesse handelt, dann wäre zu vermuten, dass Motive aus der eigenen biografischen Geschichte bisher nicht ausreichend untersucht wurden und wahrscheinlich auch in Form von Online-Umfragen nicht einfach zu erfassen sind. Auffallend ist die deutliche Veränderung zwischen 2012 und 2015 in Bezug auf die von den Freiwilligen genannten Motive, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. Die Gründe vollzogen in der Gruppe der Helfenden deutlich einen Wechsel von dem Wunsch zu helfen oder der Weitergabe von eigenen guten Erfahrungen an Menschen, deren Lebensumstände durch existenzielle Bedrohung und Flucht sehr schwer geworden waren, hin zu eher politischen Motiven. Viele wollten 2015 gegen die Zunahme rechtspopulistischer Gruppierungen und Parteien und

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gegen die erstarkende Stimmung zuungunsten der Geflüchteten, »ein Zeichen setzen« und sich durch ganz persönliche Kontakte und Hilfen mit geflüchteten Menschen solidarisch zeigen. Viele Engagierte hatten das Bestreben, etwas Sinnvolles und ganz Praktisches zu tun, das auch Verbindungen zu Menschen herstellt, die wie sie selbst denken und aktiv sind und dies nicht nur mit den Geflüchteten auf Augenhöhe, sondern auch untereinander und überwiegend nicht in bereits bestehenden Vereinen und Institutionen organisiert und koordiniert. »Das Gemeinschaftsgefühl mit anderen Ehrenamtlichen, das im Zuge des Engagements entsteht«, ist, so die EFA-Studie, »ein wichtiger Motivationsfaktor. Eine große Mehrheit von 92,0 Prozent stimmen dem ganz (55,7 %) oder teilweise (36,2 %) zu. Diese Motivation ist umso bedeutender, je kürzer die Ehrenamtlichen dabei sind« (Karakayali u. Kleist, 2016, S. 31). Wobei noch anzufügen wäre, dass sich auf die Motivation der Helfenden zweierlei ausgewirkt haben mag. Zum einen, dass ihr Tun von den Medien sehr positiv aufgegriffen wurde und die zivilgesellschaftlich Engagierten öffentlich als das »helle Deutschland« bezeichnet wurden (Spiegel, 2016). Zum anderen genossen die Kriegsflüchtlinge (insbesondere aus Syrien) gleichzeitig bei Politiker*innen und Verwaltungen eine hohe Akzeptanz. Diese sehr unterstützende Haltung in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Kreisen hat sich allerdings bereits ab 2016 offenbar wieder in eine andere Richtung bewegt, sodass viele der Freiwilligen im Rahmen von Supervisionssitzungen oder Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen äußerten, sich mittlerweile schon länger nicht mehr von einem breiten Konsens im Bekannten- und Freundeskreis getragen zu fühlen, sondern sich immer häufiger in einer Rechtfertigungsposition zu erleben.

Organisationsformen des freiwilligen Engagements 29

1.4 Organisationsformen des freiwilligen Engagements Die bisherigen Untersuchungen zu diesem Bereich (Speth u. Becker, 2016; Linnert u. Berg, 2016; Aumüller, Daphi u. Biesenkamp, 2015) stellen eindeutig fest, dass ein großer Teil der Freiwilligen sich in der Hilfe für Geflüchtete zunächst sehr stark außerhalb der üblichen Trägerinstitutionen für Ehrenamtliche organisiert haben, in Form von spontan sich entwickelnden Helferkreisen rund um die Orte, an denen Geflüchtete ankamen: an Bahnhöfen, provisorischen Aufnahmeeinrichtungen wie Sporthallen und Gemeinschaftsunterkünften, die in vielen Kommunen zur Verfügung gestellt wurden. Fast überall haben freiwillig Helfende sich – wie bereits erwähnt – um die erste Versorgung bemüht, nicht nur mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, sondern auch um die gesundheitliche Notversorgung und um Sprachmittlung. Nach dieser ersten Phase gab es sowohl das Bedürfnis eines Teils der freiwillig Engagierten, sich besser zu strukturieren als auch den Bedarf nach Unterstützung und konstruktiver Zusammenarbeit mit den bestehenden Hilfsorganisationen, wie etwa Diakonie, Caritas, DRK und anderen. In der Folgezeit entwickelten sich verschiedene Modelle von Organisationsstrukturen: Initiativen, die weiterhin ohne Einbindung in städtische Strukturen wie Integrationsämter/-stellen oder freie Träger blieben oder Netzwerke, in denen sich Freiwillige mit anderen Akteuren zusammenschlossen. Hier trafen in den Kommunen neben Hauptamtlichen in der Versorgung von Geflüchteten und Verwaltungsmitarbeiter*innen auch freie Träger und in Initiativen engagierte Personen zusammen, ohne dass es eine zentrale Anlaufstelle gab. Als weitere Variante haben sich durch Ehren- oder Hauptamtliche geleitete Ko-

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ordinationsstellen für freiwillig Engagierte entwickelt, die bei verschiedenen Trägern und in den Kommunen angesiedelt sind. Sie versuchen die Vernetzung zu gewährleisten, den Unterstützungsbedarf bei Freiwilligen und Geflüchteten zu ermitteln, Informationen und Hilfen an die richtigen Adressaten zu bringen sowie zur Qualifizierung der freiwillig Engagierten entsprechende Angebote zu machen. Die Finanzierung erfolgt manchmal durch Stiftungen oder anderweitig beantragte Fördermittel z. B. Länderprogramme. Dies sind nicht die einzigen Formen der Organisation von Freiwilligen in der Arbeit mit Geflüchteten und es gibt sicher noch hier unerwähnte, zumal das Engagement in einem ständigen Veränderungsprozess zu begreifen ist (Hamann et al., 2016). Die Rahmenbedingungen für Freiwillige in der Arbeit mit Geflüchteten, zu denen die Strukturen der Hilfe gehören, spielen allerdings auch im Hinblick auf Belastungen und den Erhalt von Gesundheitsressourcen eine Rolle. Man kann sagen, dass Initiativen mit wenigen Vorgaben für die Ausführung des Engagements und mit Strukturen, in denen sich Gleiche mit Gleichen im Austausch und gemeinsamer Aktivität befinden, dem einzelnen Beteiligten sehr viele positive Erfahrungen vermitteln können. Gleichzeitig war in einigen Initiativen zu beobachten, dass sich informelle Machtstrukturen gebildet haben, die dazu führten, dass sich ein Teil der Engagierten dauerhaft von wichtigen Informationen ausgeschlossen fühlte. Auch in meiner Arbeit mit unterschiedlichen Seminargruppen wurde häufiger vom Rückzug freiwillig Engagierter berichtet und auch von Kränkungen und Spaltungsprozessen, die in Arbeitskreisen stattgefunden hatten. Dies ist ein nicht so seltenes Phänomen, wenn es um traumatisierte Geflüchtete als Adressaten von Hilfe geht. Solche Dynamiken konnten besser aufgefangen werden in einem

Aufgabenfelder in der freiwilligen Hilfe für Geflüchtete 31

Kontext, in dem es hauptamtlich koordinierende Personen gab, die in Konfliktfällen ansprechbar waren und die Aushandlungsprozesse in Gang setzen konnten. Gleichzeitig standen diese Koordinator*innen umgekehrt unter einem relativ hohen Erwartungsdruck als Hauptamtliche und/oder als Vertreter*innen einer Institution, die bei Behörden die Anliegen der Geflüchteten erfolgreicher vertreten sollten, als die einzelnen freiwillig Engagierten dies manchmal vermochten (vgl. Kapitel 2 in diesem Band).

1.5 Aufgabenfelder in der freiwilligen Hilfe für Geflüchtete Die von freiwillig Engagierten übernommenen Aufgaben werden bei Karakayali und Kleist (2016) in vierzig verschiedene Tätigkeitsbereiche unterteilt, wobei es Schwerpunkte gibt in den Bereichen Behördengänge (37,6 % der Befragten) und Sprachförderung (44,1 %). Davon zu unterscheiden sind Tätigkeiten der Sprachmittlung durch bereits länger hier lebende Migrant*innen, die sich als Integrationslotsen oder ehrenamtlich Dolmetschende und Übersetzer*innen für Geflüchtete engagieren (26,5 %). Ein ebenfalls bedeutsamer Bereich liegt in Vernetzungsaktivitäten der Freiwilligen untereinander, vor allem bei Initiativen außerhalb der traditionellen Vereine und Institutionen des Ehrenamtes, wie beispielsweise bei sogenannten Runden Tischen oder Asylarbeitskreisen. Vernetzungsarbeit betrifft aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Akteur*innen der Hilfe für Geflüchtete und mit hauptamtlichen Fachkräften oder mit Behörden. Die Mehrheit der freiwillig Engagierten achtet sehr darauf, nicht solche Aufgaben zu übernehmen, die von staatlichen und kommunalen Stellen ausgeführt werden sollten. In der ersten Notsituation, als täglich eine große Anzahl geflüchteter Menschen in Deutschland ankam, ha-

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Neuere Entwicklungen

ben sie solche Versorgungsaufgaben zwar für einige Zeit übernommen, aber danach war es vielen wichtig, die Angebote der Professionellen sinnvoll zu ergänzen und eher über die staatliche Grundversorgung hinaus die Integration geflüchteter Menschen zu unterstützen (Linnert u. Berg, 2016). Das Engagement lässt sich jedoch nur bedingt in diese verschiedenen Aufgabenfelder einordnen, sondern geht darüber hinaus. Ebenso wichtig war und ist es immer noch, dass Geflüchtete, die sich in existenzieller Unsicherheit und nach extremen Gewalterfahrungen in einer seelischen Krise befinden, ein Gegenüber brauchen, das ihnen zuhört und eine Halt und Sicherheit vermittelnde Beziehung anbietet. Das umfasst mehr als Orientierungshilfe und Lotsendienste, was viele der Helfenden auch so wahrnehmen und worauf sie mit großer Sensibilität reagieren. Für manche Geflüchteten waren und sind die Motive der Helfenden manchmal nicht leicht nachzuvollziehen. Das Konzept des freiwilligen Engagements ist vielen aus ihrem Herkunftsland eher in Form von Nachbarschaftshilfe bekannt und musste immer wieder erklärt werden, damit sie nachvollziehen konnten, warum und wie sich diese Hilfe von den Angeboten der professionell Beschäftigten unterscheidet. Es war oftmals nicht deutlich, dass der*die freiwillig Engagierte nicht zu den hauptberuflich tätigen Sozialarbeiter*innen in einer Unterkunft gehörte, sondern in der nicht anwesenden Zeit seinem*ihrem eigenen Beruf nachging. Dies war immer wieder eine Quelle von Missverständnissen.

Wichtige Unterschiede zwischen der Begleitung Geflüchteter 33

1.6 Wichtige Unterschiede zwischen der Begleitung Geflüchteter durch freiwillig Engagierte und durch hauptamtliche Fachkräfte Sehr deutlich geworden ist vor allem in den letzten beiden Jahren, dass in den Städten und Gemeinden sowohl neu angekommene Geflüchtete als auch länger hier lebende Zugewanderte und die sogenannte allgemeine Wohnbevölkerung gemeinsam einen Integrationsprozess entwickeln müssen, der es allen ermöglicht, sich am Gemeinwesen zu beteiligen. Dazu sind Institutionen nötig, die mit Diversität umgehen können und die sich darauf einstellen, dass die Menschen, die zu ihnen kommen, häufig Migrationsbiografien mitbringen. Das heißt, es werden Professionelle in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft benötigt, die in der Kommunikation mit Menschen aus anderen Herkunftskulturen Kompetenzen entwickelt haben: Das betrifft z. B. das Gesundheitswesen, das Bildungswesen, die Ausbildung, Betriebe und Behörden u. a. In vielen Bereichen sind Fachkräfte oft nur unzureichend dafür ausgebildet. Als Beispiel mag an dieser Stelle das Gesundheitswesen dienen, in dem es immer noch kaum Möglichkeiten einer angemessenen sprachlichen Verständigung mit Patient*innen oder Klient*innen gibt, deren Muttersprache nicht oder nur unzureichend Deutsch ist. Sprachmittlung durch professionell Dolmetschende ist nur in Ausnahmefällen zu finanzieren, was dazu führt, dass es zu vielen Missverständnissen in medizinischen Behandlungen kommt. Patient*innen mit geringen oder keinen Deutschkenntnissen haben ein viel höheres Risiko, falsch oder unzureichend behandelt zu werden oder erst gar nicht an den zuständigen Arzt zu kommen (vgl. Borde, 2017, Knipper u. Bilgin, 2009, 2010; Özkan, Hazelaar, Kroh, Oppermann u. Rogge, 2017; Wächter u. Vanheiden, 2015).

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Neuere Entwicklungen

Es sind in vielen Bereichen freiwillig Engagierte, die einerseits staatliche Unterlassungen ausgleichen, wie ehrenamtlich Dolmetschende im Gesundheitswesen, die sich aber auch in Aufgabenfeldern einsetzen, in denen sowohl kurz- als auch langfristig keine ausreichende institutionalisierte Unterstützung möglich sein wird. Dies betrifft die Sprachförderung im Alltag genauso wie die Begleitung in Schule und Arbeit, Hilfen bei der Wohnungssuche oder die Einbeziehung in das Gemeinwesen durch gemeinsame Feste und gemeinsames Kochen, das sich an vielen Orten entwickelt hat. Es ist der ganz »normale« private Kontakt zu Personen, die nicht als Professionelle in kommunalen Stellen oder bei verschiedenen Trägern der Sozialen Arbeit tätig sind, durch den ein Ankommen in unser Gesellschaft erst ermöglicht wird. Geflüchtete berichten freiwillig engagierten Mentor*innen immer wieder, dass sie über Jahre hinweg nur untereinander und mit Mitarbeiter*innen der für sie zuständigen Stellen Kontakt hatten und wie sehr sie sich die Möglichkeit eines freundschaftlichen Miteinanders mit Menschen aus der hiesigen Gesellschaft wünschen. Bohn und Alicke (2016) beschreiben ebenfalls die große Bedeutung von Begegnungsmöglichkeiten, die von Freiwilligen geschaffen wurden, und erwähnen unter anderem die entstandenen Begegnungscafés als geeignete Räume des Kennenlernens: »Nahezu überall sind Begegnungscafés eingerichtet worden, die ehrenamtlich betrieben werden und zu einem niedrigschwelligen Miteinander beitragen, und auch Initiativen zum Erlernen der Sprache, Tandemmodelle oder auch Aktionen wie ›Kochen über den Tellerrand‹ oder ›interkulturelle Gärten‹ schaffen wichtige Brücken in die Gemeinschaft vor Ort« (S. 67 f.). Sie sehen die Freiwilligen als wichtige Multiplikatoren: »Ihre Erlebnisse, ihre Reflexionen tragen sie in die Nachbarschaft, in soziale Netzwerke und Vereine. Ehren-

Wichtige Unterschiede zwischen der Begleitung Geflüchteter 35

amtliche […] sind auch als Akteure der Öffentlichkeitsarbeit zu verstehen« (S. 58). Auch an anderer Stelle wird diese Funktion des freiwilligen Engagements besonders hervorgehoben, denn über die Lotsendienste hinaus nehmen Freiwillige »auch eine wertvolle Rolle ein, die in den nicht-engagierten Teilen der Zivilgesellschaft für neue soziale Kontakte und den sozialen Zusammenhalt sorgt. Durch die Organisation von Nachbarschaftsfesten und Begegnungen erreichen die Initiativen vielerorts, dass das befürchtete ›Kippen‹ der Haltung gegenüber Geflüchteten ausbleibt« (Hamann, Karakayali, Wallis u. Höfler, 2016, S. 14). Daran mag sich nach 2016 etwas verändert haben, trotzdem ist von diesen Initiativen sehr viel positive Wirkung auf das soziale Miteinander in einzelnen Städten und Gemeinden ausgegangen. Besonders zu nennen für die positive Ausstrahlung des Freiwilligenengagements sind auch die zahlreichen Patenschafts- und Mentor*innen-Projekte für Geflüchtete, die in den vergangenen Jahren auf früheren Erfahrungen aufbauend neu entstanden sind und die sich zwischen rein privaten und rein professionellen Beziehungen verorten lassen. Sie haben in der Regel einen formalen Rahmen und sind häufig bei kirchlichen Trägern und Vereinen und deren Beratungsstellen für Geflüchtete angesiedelt. Die Pat*innen/Mentor*innen kommen über die Beratungsstellen in Kontakt, zunächst mit hauptamtlichen Mitarbeiter*innen, die eine Mentorenschaft für sinnvoll erachten, damit die Geflüchteten ein bestimmtes Ziel realisieren können: die deutsche Sprache sprechen, sich auf eine Sprachprüfung vorbereiten, Begleitung für Behördengänge, bei gesundheitlichen Problemen oder einfach in der Freizeitgestaltung und dem Kennenlernen der Umgebung. Mentor*in und Mentee entscheiden nach dem Kennenlernen, ob sie sich längerfristig eine solche semi-professionelle Beziehung vorstellen können und werden darin

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über die ganze Zeit von hauptamtlichen Koordinator*innen durch gemeinsame Gespräche unterstützt. Die Mentor*innen durchlaufen vor dem Beginn im Tandem Fortbildungsangebote in wichtigen Bereichen (beispielsweise Rechtsfragen, kultursensible Kommunikation, Rollenklärung, Traumafolgen und Umgang mit Nähe und Distanz). Die Zusammenarbeit mit ehren- und hauptamtlichen Akteur*innen in diesen Mentor*innen-Projekten ist relativ eindeutig geregelt (s. a. Praxisbeispiel in Abschnitt 4.7). Das Konzept der Mentorenschaften hat auch zum Ziel, einer Überlastung und Überforderungsreaktion der freiwillig Engagierten durch die vorhandenen schützenden Rahmenbedingungen entgegenzuwirken. Die Übernahme von Paten- oder Mentorenschaften ist der drittstärkste Bereich der Tätigkeitsfelder bei Freiwilligen in der Begleitung von Geflüchteten, wird aber in den Studien nur selten gesondert abgefragt: »Das Mentorenprinzip hat auch deshalb im Flüchtlingsbereich eine sehr hohe Bedeutung, weil durch die Übernahme einer Patenschaft eine langfristige und enge Bindung zu den ›Mentees‹ entstehen kann. Hier finden sich Personen, die bereit sind, sich nicht nur für längere Zeit zu binden, sondern sich insbesondere auch sozial und psychisch sehr stark einzubringen; teilweise werden Patenschaften sogar in die eigene Familie integriert« (Mutz et al., 2015).

1.7 Veränderungen im Arbeitsfeld von Hauptamtlichen in der Beratung und Begleitung von Geflüchteten Zu den Veränderungen seit 2014 in der Arbeit von hauptamtlichen Kräften, die in den verschiedenen Institutionen der Versorgung, in der pädagogischen Betreuung und der Beratung von geflüchteten Klient*innen beschäftigt sind, liegen keine Studien vor. Weder ihre Motivation für diesen

Veränderungen im Arbeitsfeld von Hauptamtlichen37

Bereich der sozialen oder pädagogischen Arbeit noch die Belastungen in ihrer Tätigkeit mit Geflüchteten sind seitdem Gegenstand gezielter Untersuchungen gewesen. Dabei ist davon auszugehen, dass durch die große Anzahl sehr unterstützungsbedürftiger Personen und deren komplexe traumatische Erfahrungen die hauptamtlichen Sozialarbeiter*innen, Pädagog*innen und Berater*innen selbst erheblichen Belastungen seit 2014 ausgesetzt sind, wie ich durch meine eigene Tätigkeit als Supervisorin und im Rahmen von mir angebotenen Fortbildungen immer wieder feststelle. Insgesamt gibt es auch zu wenige Fachkräfte mit Erfahrung in der sozialen oder pädagogischen Arbeit mit jugendlichen und erwachsenen Geflüchteten. Die meisten Trägerinstitutionen bemühen sich, so gut sie können, zunächst mit der vorhandenen Zahl an Beschäftigten, die Aufgaben zu bewältigen und gleichzeitig die Finanzierung zusätzlicher Stellen zu erreichen. Mit der Möglichkeit, Stellen neu zu schaffen, ist aber noch immer nicht die Anforderung erfüllt, geeignete Fachkräfte zu finden, die idealerweise auch über Erfahrungen im Fachfeld verfügen. Die Situation im Bereich der Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Geflüchtete mag an dieser Stelle als Beispiel dafür stehen, unter welch schwierigen Bedingungen und permanenten Handlungsdruck professionelle Mitarbeiter*innen seit 2014 über längere Zeiträume arbeiteten und arbeiten, manchmal weit über ihre zeitlichen und psychischen Grenzen hinaus. So reichte die Anzahl der bestehenden Jugendhilfeeinrichtungen in den Ankunftsstädten der jungen Geflüchteten in den Jahren nach 2014 einige Zeit nicht aus, um die große Anzahl von Jugendlichen versorgen zu können. Es wurden deswegen 2015/16 auch für Jugendliche zunächst Hallen zur Verfügung gestellt sowie einfache Hostels angemietet, und erst allmählich konnten sie in neu gegründete Einrichtungen der Jugendhilfe verteilt oder in Einrichtungen in andere Städte

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oder Kommunen umverteilt werden. Die Mitarbeiter*innen in Jugendhilfeeinrichtungen standen teilweise unter erheblichem Druck, traumatisierten Jugendlichen unter sehr diskontinuierlichen Bedingungen eine haltende Beziehung und ein heilsames Umfeld anbieten zu wollen. Oft erschien es ihnen selbst wie die Arbeit in einer Notfallambulanz, in der sofort wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen und in der kaum längerfristige Planungen möglich sind. Auf plötzliche Verlegungen der Jugendlichen haben die Mitarbeiter*innen – anders als in den Jahren vor 2014 – kaum noch Einfluss. Dazu kommt nicht nur in der Jugendhilfe, dass viele der neu eingestellten Sozialarbeiter*innen und Pädagog*innen kaum über Erfahrungen in diesem Bereich verfügten und es für viele überhaupt die erste Arbeitsstelle nach dem Fachhochschuloder dem universitären Abschluss war oder ist. Sie müssen sich erst einarbeiten in einer Zeit, in der ihnen schnell viel abverlangt wird. Anders als die freiwillig Helfenden verfügen die Professionellen durch ihre Ausbildung über ein fachliches Wissen, das ihnen zuweilen erlaubt, mit Nähe, Distanz und Grenzen in der professionellen Arbeit leichter umzugehen. Sie agieren in einem institutionellen Rahmen und in einer Teamstruktur, die es ihnen ermöglichen – wenn auch unter großem Zeitdruck –, die Arbeit regelmäßig zu reflektieren. Es ist davon auszugehen und entspricht eigenen Beobachtungen, dass trotzdem die Belastung in allen betreuenden, beratenden und pädagogischen Teams in der Arbeit mit Geflüchteten in den letzten Jahren extrem herausfordernd war und noch immer ist. Diese Belastung deutet sich auch in einer Reihe von Veröffentlichungen an, die sich nicht nur mit guten Möglichkeiten der sozialen und pädagogischen Arbeit oder der Beratung von Geflüchteten befassen, sondern im Zuge dessen auch mit dem Thema der Selbstfürsorge.

Veränderungen im Arbeitsfeld von Hauptamtlichen39

Eine systematische Untersuchung neueren Datums zu Veränderungen des Arbeitsfeldes und zu Belastungsfaktoren in der Arbeit mit Geflüchteten für Fachkräfte im sozialen und pädagogischen Bereich liegt nach meiner Kenntnis nicht vor. Wobei die alten und neuen Herausforderungen in der Beratung und Zusammenarbeit mit Geflüchteten in der Sozialen Arbeit zumindest in einem Themenband sehr eindrücklich aufgegriffen werden (Kunz u. Ottersbach, 2017). Es wird darauf verwiesen, dass es nicht erst heute, sondern schon immer ein besonderes Dilemma in der Sozialen Arbeit mit Geflüchteten gab: »In der Arbeit mit Geflüchteten stehen Sozialarbeiter vor der Herausforderung, den menschenrechtlichen Handlungsorientierungen innerhalb diskriminierender (asylpolitischer) Strukturen gerecht zu werden und Teilhabe zu fördern« (Groenheim, 2017, S. 48). Sozialarbeiter*innen erleben sich angesichts der Erzählungen von Geflüchteten über die erlebte Gewalt und erlittene Ohnmacht berührt von den Schicksalen, gleichzeitig wird »ihr berufliches Mandat aufgrund gefühlter Machtlosigkeit auf die Probe gestellt« (Lehmann, 2017, S. 54). Dieser Spagat zwischen dem Versuch, Geflüchtete zu stärken und sie in ihrer Autonomie ressourcenorientiert zu fördern, und dem eigenen Erleben, dass der Arbeit von außen immer wieder erhebliche Grenzen gesetzt werden, z. B. durch rechtliche Beschränkungen, kann auf Dauer sehr erschöpfend sein.

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2 Spezifische Belastungen von Freiwilligen und Hauptamtlichen in der Hilfe für Geflüchtete

2.1 Der Hilfebedarf auf vielen verschiedenen Ebenen: basale Orientierung und Hilfen im Alltag

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Der Bedarf an Unterstützung bei der Alltagsbewältigung im Exil bzw. im Zufluchtsland Deutschland ist bei vielen Geflüchteten erheblich, weil sie sich in allen wichtigen Fragen ihres Lebens neu orientieren müssen. In ihrer Heimat gibt es häufig andere Strukturen des schulischen und universitären Bildungswesens. Es gibt andere Voraussetzungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt, Zeugnisse und Berufsabschlüsse, die hier erst anerkannt werden müssen. Und manchmal haben Geflüchtete nie oder über lange Zeiträume keinen Zugang zu formaler Bildung oder beruflicher Tätigkeit gehabt und waren innerhalb und außerhalb ihres Heimatlandes lange auf der Flucht. Ebenso verhält es sich mit dem Zugang zum Gesundheitswesen und dem Wissen über die gesundheitlichen Einrichtungen. So sind Unterschiede zwischen Allgemein- und bestimmten medizinischen Fachärzt*innen noch vertraut, aber zum Beispiel Behandlungen im psychiatrischen und psychotherapeutischen Bereich oder psychosoziale Beratung sind in den meisten Herkunftsländern der Geflüchteten entweder gar nicht existent oder man arbeitet dort mit anderen Behandlungsmethoden. Auf jeden Fall ist eine psychotherapeutische Behandlung, wie sie hier angeboten wird, in vielen Herkunftsländern nicht existent und wird von Geflüchteten eher als psychiatrische Behandlung angesehen, was zu ganz anderen Erwartungen führen kann.

Der Hilfebedarf auf vielen verschiedenen Ebenen41

Auch mit rechtlichen Grundlagen müssen sich die hier neu Angekommenen erst vertraut machen, und mit der Arbeitsweise von Behörden oder Gerichten. Ihr Aufenthalt und ihre gesamte Perspektive im Aufnahmeland hängt von ihrem Asylverfahren ab, ob sie die Anerkennung als Kriegsflüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten oder »nur« subsidiären Schutz, oder ob ihre Asylanträge abgelehnt werden. Vieles dreht sich in den ersten Monaten bzw. auch ein Jahr oder länger um diese existenziellen Fragen. Vom Ausgang des Asylverfahrens wird es abhängen, ob sie bleiben und in Sicherheit leben können, Deutschkurse besuchen, eine Ausbildung machen und berufliche Perspektiven entwickeln, Familie nachholen oder aus einer Unterkunft in eine private Wohnung ziehen können, was nach der Flucht für die meisten die wichtigen Ziele sind. Gleichzeitig ist in dieser ersten Zeit der völligen Neuorientierung die Möglichkeit der Verständigung nicht besonders gut, was bedeutet, dass es für Geflüchtete durch die Kommunikationsbarriere auch erschwert ist, sich ausreichende Informationen über alle wichtigen Belange ihres Lebens zu verschaffen. Auch wenn heute das Smartphone für viele die überlebensnotwendige Technologie schlechthin darstellt, mit der sich unter Einbeziehung von Sprachund Übersetzungs-Apps eine Möglichkeit der Informationsbeschaffung im Netz bietet, dann bleibt immer noch eine große Verunsicherung über die Richtigkeit dieser so gewonnenen Informationen. Sowohl hauptamtliche Berater als auch freiwillig Engagierte kennen das: Geflüchtete richten ihre Fragen häufig gleichzeitig an verschiedene Stellen, von denen sie bei mindestens einer die »richtige« Antwort oder das »richtige« Vorgehen in ihrer Sache erhoffen. Hinter diesem Vorgehen verbirgt sich tiefe Verunsicherung der Geflüchteten, die aus der erfahrenen und anhaltenden hochunsicheren Lebensrealität entspringt und

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Spezifische Belastungen von Freiwilligen und Hauptamtlichen

für alle Helfenden spürbar ist. Sie bewirkt einen besonderen Aufforderungscharakter, hilfreich zu sein. Professionelle und Freiwillige können dann ihrem Impuls folgen, jetzt endlich Klarheit in die komplexen Problemstellungen und verwirrenden Geschichten wie auch Verwaltungsakte bringen zu wollen, was aber nicht immer gelingen kann. Manchmal bleiben die Helfenden mit ähnlichen Gefühlen von Ohnmacht zurück wie die ratsuchenden Geflüchteten, und erleben fast identische Kreisläufe des Scheiterns. Dies betrifft besonders Behördenentscheidungen, was noch im nächsten Abschnitt weiter auszuführen sein wird. 2

Die komplexe Bedarfslage und die meist geringe Kommunikationsmöglichkeit zu Beginn des Aufenthaltes im Zufluchtsland und der dadurch entstehende hohe Aufforderungscharakter für Helfende stellt eine sehr spezifische Belastung von Haupt- und Ehrenamtlichen dar. Dies erfordert immer wieder eine möglichst genaue Klärung, wofür der Helfende zuständig ist oder sich zuständig fühlt. Während Hauptamtliche dann noch als Hilfe zur Begrenzung einen mehr oder weniger deutlichen Auftrag durch die Institution sowie deren Träger haben und ihre Zuständigkeit benennen können, gelingt dies den Freiwilligen nur schwer. Sie sehen sich sehr viel schneller als zuständig für alle Fragestellungen, ob es sich um Wohnungssuche, Behördengänge oder das Lotsen durch das Gesundheitswesen handelt. Das war auch der Tatsache in den letzten Jahren geschuldet, dass es einen Mangel an hauptamtlichen Stellen gab und in vielen Belangen gar nicht an entsprechende Fachpersonen verwiesen werden konnte, selbst wenn die Aufgabe in deren Zuständigkeitsbereich gefallen wäre. So haben freiwillig Engagierte sich in Bereiche eingearbeitet, die eigentlich Fachstellen vorbehalten bleiben sollten, auch in Themen des Asyl- und Sozialrechts, und waren in etlichen Asylanhörungen als Begleitende und Be-

Der Hilfebedarf auf vielen verschiedenen Ebenen43

obachtende des Verfahrens präsent, wenn Anwält*innen aus zeitlicher Überlastung nicht mehr dazu in der Lage waren. Sie hielten Sprechstunden zum Teil auch in Unterkünften ab, bei der jeder*jede mit seinen Behördenunterlagen Unterstützung fand (z. B. die Frage: Was ist wichtig, und bis wann muss reagiert werden?), gerade wenn Sozialarbeiter*innen wöchentlich nur für kurze Zeit vorbeikamen und dann zur nächsten Unterkunft eilten. Für beide Seiten, Haupt- und Ehrenamtliche, war die Überlastung, die ein solch hohes Engagement auf längere Sicht bewirken könnte, von außen betrachtet schon länger absehbar und führte bei nicht wenigen Hauptamtlichen dazu, dass sie aus der Flüchtlingsberatung in andere Stellen wechselten oder Mitarbeiter*innen für längere Zeit erkrankten, wobei es dazu leider keine verlässlichen Zahlen gibt. Bei Ehrenamtlichen führte die zeitlich und emotional belastende Hilfe manchmal zu Zuständen der Erschöpfung, die phasenweisen oder vollständigen Rückzug aus dem Engagement erforderten oder zumindest eine Reduzierung der umfangreichen Verpflichtungen. Auch diese Einschätzung basiert eher auf eigenen Beobachtungen und nicht auf empirischen Untersuchungen. Je höher die Anbindung in institutionalisierte Programme war, desto leichter war es den Freiwilligen möglich, sich rechtzeitig in der Helferrolle zurückzunehmen und den Grad der aktuellen eigenen Belastung zu reflektieren. In Initiativen, in denen der Zusammenhang der Gruppen eher auf Eigensteuerung ausgelegt war, fiel es den Beteiligten sehr viel schwerer, selbst zu entscheiden, wann eine Grenze der Belastung erreicht war. Dies hatte eher einen abrupten Ausstieg zur Folge, zumal wenn es zu Konflikten in der Helfergruppe unter dem Eindruck der wachsenden Anforderungen kam. Auch dies kann vorerst nur als Beobachtung und Hypothese formuliert werden und wäre letztlich zu überprüfen.

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Spezifische Belastungen von Freiwilligen und Hauptamtlichen

2.2 Behörden und ihre Reaktion auf Geflüchtete und ihre Helfenden: Veränderungen in der Haltung des sozialen Umfeldes freiwillig Engagierter

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In der Zeit der Aufnahme größerer Gruppen von Geflüchteten und dem Erstarken des zivilgesellschaftlichen Engagements gab es eine vergleichsweise sehr wohlwollende Haltung vieler Behördenmitarbeiter*innen, auch weil vor allem die Geflüchteten aus Kriegsgebieten, wie aus Syrien, sehr viel Mitgefühl auslösten und die Fluchtgründe von Menschen auch aus anderen Herkunftsländern, wie Iran, Irak und Afghanistan sowie Eritrea, eine hohe Plausibilität besaßen. Hinzu kam, dass Persönlichkeiten, die höchste politische Ämter in Deutschland begleiteten, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck, aber auch führende Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, die Aufnahme der Geflüchteten aus humanitären Gründen als Gebot der Stunde sahen. Dass die damit verbundenen Aufgaben nicht ohne freiwilliges Engagement der Zivilgesellschaft erfolgen konnten, war den Verantwortlichen in der Verwaltung sehr deutlich und sie erlebten dieses Engagement auch als Erleichterung ihrer Aufgaben. Es stellte in vielen Fällen eine Unterstützung dar, wenn Helfende als »Mediator*innen« für Verwaltungsschritte Geflüchtete begleiteten und Antragsformulare auszufüllen halfen, diese zusätzlich und mit Zeit den Betroffenen erläutern konnten, was nun der nächste Schritt sei, und die das Verständnis für die jeweils andere Seite durch ihre Interventionen vergrößerten. Insbesondere die ehrenamtlich Dolmetschenden, die in sozial- und aufenthaltsrechtlichen Belangen oftmals unverzichtbar waren, leisteten einen bedeutsamen Beitrag zur Sprach- und Kulturmittlung. Speth und Becker untersuchten das Miteinander zwischen Verwaltungen und zivilgesellschaftlichen Akteur*in-

Behörden und ihre Reaktion auf Geflüchtete und ihre Helfenden45

nen in der Begleitung von Geflüchteten in verschiedenen deutschen Kommunen (2016). Sie konstatieren (S. 44): »Zum einen waren die Verwaltungen in ungewohnter Art offen für dieses Engagement, was eine zusätzliche Bereitschaft der Engagierten mit sich brachte«. Und: »Es fällt auf, dass die Rhetorik der jeweils anderen Gruppe sehr anerkennend ist. Diese wohlwollende Gegenseitigkeit hat es in der Vergangenheit selten gegeben. Hierfür scheint es unterschiedliche Ursachen zu geben. Zum einen war der Handlungsdruck von ungewöhnlicher Dringlichkeit, schließlich ging es im Wesentlichen auch um einen menschenwürdigen Umgang mit aus Kriegsgebieten geflüchteten Menschen. Zum anderen waren die Verwaltungen in ungewohnter Art offen für dieses Engagement, was eine zusätzliche Bereitschaft der Engagierten mit sich brachte« (Speth u. Becker, 2016, S. 44). Die Autoren beziehen sich im Vergleich auch auf die 1990er Jahre, in denen die Zusammenarbeit zwischen Behörden/Verwaltungen und Freiwilligen eine wesentlich konfliktreichere gewesen sei und das zivilgesellschaftliche Engagement zugleich in viel geringerem Umfang vorhanden. Die von freiwillig Engagierten zeitweilig erlebte Akzeptanz von Behörden in den Jahren seit 2014 gab es sicher an vielen Orten. Es kam in der gleichen Zeit aber auch immer wieder zu sehr schwierigen Interaktionen, wie berichtet wurde, in denen freiwillig Engagierte die Entscheidungen von Behörden als extrem willkürlich erlebten und sich ähnlich ohnmächtig ausgeliefert fühlten wie die Geflüchteten selbst. Dies war scheinbar auch davon abhängig, ob Engagierte mit eigener Migrationsgeschichte Geflüchtete begleiteten, bei denen auf den ersten Blick nicht so deutlich war, in welcher Funktion sich der*die Begleitende befand. Manchmal wurden auch Bewilligungen für Wohnmöglichkeiten oder Ausbildungs-

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Spezifische Belastungen von Freiwilligen und Hauptamtlichen

kurse einfach nicht erteilt, ohne dass irgendein Grund dafür deutlich wurde, außer Überforderung der zuständigen Stelle. In anderen Fällen hatten sich die Geflüchteten durch ein Verhalten »unbeliebt« gemacht, sodass die Behördenvertreter*innen nicht willens waren, zu einer positiven Entscheidung zu kommen, wie sehr auch die Freiwilligen versuchten, Brücken zu bauen und für das Verhalten und das Anliegen des*der Geflüchteten Verständnis zu erzeugen. Im Gegensatz zu den Behörden hatten sie die innere Not wahrgenommen, die zu unangemessenem Verhalten geführt hatte, die Behördenvertreter*innen konnten aber nur das vordergründige Verhalten erkennen. Dies brachte manchmal die Helfenden in parallele Zustände von Ärger und Resignation. In zahlreichen Fällen ging es in dieser Zeit um Wohnmöglichkeiten außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen oder von Gemeinschaftsunterkünften bei gesundheitlich sehr beeinträchtigten Geflüchteten. Es ist üblich, sich in den Gemeinschaftsunterkünften den Raum mit einer oder mehreren Personen zu teilen. In einigen Fällen gestaltete sich dieses Zusammenleben auf engstem Raum sehr schwierig, wofür auch Traumasymptome mit eine Rolle spielten, wie nächtliche Albträume, Schlaflosigkeit und Zustände von höchster Anspannung. Nicht immer zeigten sich die Verantwortlichen für die Unterbringung kooperativ, bei der Abwendung von Notlagen oder überhaupt eine Notlage zu erkennen. Für die freiwillig Engagierten war es manchmal fast nicht erträglich, an den Ursachen für das schlechte Befinden bei den von ihnen begleiteten Geflüchteten nichts ändern zu können. Dies verlangte ihnen ein Mitaushalten ab, das bei längerer Dauer auch für sie eine große Herausforderung war, weil sie eben im Vergleich mit Verwaltungskräften und oft auch mit Sozialarbeiter*innen sehr viel mehr Zeit im Kontakt mit einem Geflüchteten verbrachten.

Behörden und ihre Reaktion auf Geflüchtete und ihre Helfenden47

Aus Zustimmung wird zunehmend Ablehnung: Das Umfeld der Freiwilligen verändert sich

Etwa seit Beginn 2017 sprechen die Akteur*innen der freiwilligen Hilfe verstärkt von einem deutlich spürbaren Rückgang der anfänglich wahrgenommenen Akzeptanz und Anerkennung. Sie erleben nun, dass der Prozess der Integration ins Stocken geraten ist, dass sich negative Haltungen bei Behördenmitarbeiter*innen gegenüber Geflüchteten und ihren Begleitenden an vielen Orten etabliert haben. Einige sehen dies als Ausdruck von Überforderung, aber auch von einer Veränderung des politischen Klimas, in dem sich sowohl die Übergriffe der Silvesternacht 2016 in Köln, die Angst vor radikalisierten Geflüchteten und möglichen Terroranschlägen, aber auch vor sexuell motivierte Gewalttaten durch einzelne Täter wie bei der Ermordung einer Studentin in Freiburg (z. B. Diehl, Seibt, Stenzel u. Ternieden, 2016) niedergeschlagen haben könnten. Diese und andere Ereignisse, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, aber bei denen eine Verbindung von Teilen der Bevölkerung hergestellt wird, weil Geflüchtete real oder vermeintlich beteiligt oder Täter sind, bilden in der Folgezeit einen neuen manchmal eher feindseligen Hintergrund für das Engagement an vielen Orten. In den Medien verändert sich ebenfalls der Diskurs von der Willkommenskultur und dem »Wir schaffen das« zu einem anderen Tenor (z. B. Krause-Burger, 2015). Es wurden mehr Befürchtungen geäußert, welche Personen man da aufgenommen habe, dass ein Teil der hier Angekommenen ganz andere Motive habe, als sich in diese Gesellschaft zu integrieren. Es wurde mehr auf die sehr unterschiedliche Kultur der Geflüchteten verwiesen, auf bedrohliche Radikalisierungstendenzen und ein fehlendes Demokratieverständnis (z. B. Süddeutsche Zeitung, 2015; Schnell, 2016; Möhe, 2016).

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Kontroversen entstehen ab Beginn 2017 auch bei Veranstaltungen, auf denen sich Projekte zu freiwilligem Engagement präsentieren. Hier treten plötzlich Personen in Erscheinung, die vor einem »gefährlichen« Engagement warnen, durch das vor allem die weiblichen Helfenden selbst zum Opfer von Gewalt werden könnten. Die Freiwilligen, die sich weiter für geflüchtete Menschen engagieren, sind vermehrt Attacken und Vorwürfen von rechtspopulistischen Kreisen ausgesetzt, vor allem in Kleinstädten und Kommunen. Von derartigen Angriffen waren und sind schon Bürgermeister*innen und Landräte (z. B. Landrat Pipa/Main-Kinzig-Kreis, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2016) betroffen, die Geflüchtete bereitwillig aufgenommen haben. Inzwischen entsteht auch Unverständnis über das Engagement in Freundes- und Bekanntenkreisen. Die breite Unterstützung durch die nicht-aktive, aber interessiert-freundliche Bevölkerung hat abgenommen, und auch in den Behörden erleben sich die Freiwilligen jetzt nicht mehr als die gewürdigten Helfenden des Alltags mit den Geflüchteten, sondern mehr und mehr als unbequem und störend. Helfende aus ganz unterschiedlichen Kontexten berichteten über diesen »Klimawandel« und ihre Versuche, mit guten Argumenten auf die schwieriger werdende Kommunikation mit Freunden, Bekannten, aber auch mit Behördenvertretern einzugehen. Sie sprechen allerdings auch darüber, dass fundierte Informationen oft gar nicht aufgenommen werden, manchmal nur noch die Erzählung über das persönliche Schicksal von Geflüchteten Gehör finden. Manche ziehen es dann vor, ihr Engagement nicht mehr bei denen zu thematisieren, deren ablehnende Haltung sie kennen, andere setzen verstärkt auf öffentliche Diskurse zum Thema Flucht und Fluchtursachen, um Zusammenhänge deutlich zu machen. Diese Tendenzen sind nicht das Ergebnis von Studien, sondern Tendenzen, die in meinem Praxisfeld deutlich werden.

Behörden und ihre Reaktion auf Geflüchtete und ihre Helfenden49

Das Asylverfahren erzeugt Stress bei Geflüchteten und Helfenden: Angst wirkt ansteckend

Eine weitere Belastungsursache liegt nach Mitteilung vieler Freiwilliger in den langen Wartezeiten für Entscheidungen im Rahmen des Asylverfahrens. Die Geflüchteten, die sie begleiten, befinden sich in einem fast unerträglichen Warte­zustand und dementsprechend in großer innerer Anspannung. Das betrifft vor allem die Geflüchteten aus ­Afghanistan, deren Bleibeperspektive sich nach einer Zeit der relativ unproblematischen Anerkennung auf eine ungewisse Bleibeperspektive reduziert hat und die 2017 bei einer Anerkennungsquote von nur mehr von 50 % liegt. Alle Hinweise auf Ablehnung oder Anerkennung des Asylantrages werden von den Betroffenen in ihrer Wahrscheinlichkeit unablässig und mit größter Anspannung interpretiert und lösen erheblichen Stress bis hin zu psychischen Krisen aus. Die Freiwilligen sind neben den Anwält*innen und Verfahrensberater*innen diejenigen, die diese existenzielle Frage mit den Geflüchteten wieder und wieder erörterten und die dadurch ausgelösten Zustände mit aushalten. Sie versuchen zu beruhigen, ohne Gewissheiten zu verbreiten, zuversichtlich zu sein und trotzdem nicht alles positiv zu reden. Es scheint für viele der Helfenden nicht leicht zu sein, eine für das eigene Befinden notwendige Distanz zu wahren und sich nicht mit den geflüchteten Menschen und ihrer Angst vor einer Abschiebung vollständig zu identifizieren. Auch Professionellen in der Beratung von Geflüchteten fällt es schwer, sich emotional nicht mit ihren Klient*innen zu identifizieren und von deren Anspannung und der Angst anstecken und überfluten zu lassen, wobei es im Rahmen von Teambesprechungen und Supervision leichter gelingen kann, die auftauchenden Gefühle und Besorgnisse so zu reflektieren, dass ein unreflektiertes Mitagieren aufgrund der Situation seltener wird. Zu dieser Möglich-

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keit der Entlastung in der Gruppe und zur Supervision haben freiwillig Engagierte allerdings sehr viel seltener Zugang als dies bei professionellen Teams der Fall ist. Besondere Belastungen freiwillig Helfender

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Als große Herausforderung wird das Balancieren von einerseits Einfühlung in die seelischen Zustände geflüchteter Menschen und andererseits das innere Distanznehmen zu den Themen der Geflüchteten erlebt, um mit daraus entstehenden eigenen Gefühlen von Belastung und intensiv erlebter Ohnmacht, etwa bei unveränderlichen Lebenskontexten aufgrund der rechtlichen Situation von Geflüchteten, umgehen zu können. Diese besondere Herausforderung, vor allem, wenn es um Jugendliche geht, wird sowohl von freiwillig Engagierten thematisiert als auch von hauptamtlichen Teams, die zuvor bereits mit anderen Adressaten der Sozialen Arbeit oder in der Jugendhilfe beschäftigt gewesen sind und die Vergleiche ziehen können, zur Arbeit mit der für sie neuen Klientengruppe der Geflüchteten. Sie beschreiben, dass es ihnen wesentlich schwerer falle, von ihrer beruflichen Tätigkeit abzuschalten, wenn sie ihre Anwesenheitszeit in der Einrichtung beendet hätten. Wesentlich häufiger als sie es gewohnt seien, würden die Jugendlichen sie in ihrer freien Zeit gedanklich begleiten. Freiwillig Engagierte schilderten dies noch sehr viel weitgehender. Da sie selten über einen ganz konkreten Arbeitsplatz verfügen, an dem sie zumindest Schriftstücke lassen oder telefonieren können, sondern das meiste von Zuhause aus erledigt wird, gibt es für sie einige »Hilfskonstrukte« gar nicht, die Hauptamtliche schildern. Beispielsweise wird von den hauptamtlich Beratenden das Einschließen der Dokumente, die im Zusammenhang mit einem*einer Klient*in bearbeitet werden, bevor der

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Hauptamtliche die Einrichtung verlässt, auch immer als eine symbolische Handlung erlebt, die es ihm erleichtert, von einer bestimmten Problematik loslassen zu können. Freiwillig Engagierte nehmen oft alle Themen mit nach Hause, und viele nennen als wichtige Personen, die ihnen in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit zur Seite stehen und ein Ohr dafür haben, an erster Stelle die eigenen Partner beziehungsweise die Familie. Ihnen berichten sie, welche Nöte die von ihnen begleiteten Geflüchteten aktuell an sie herangetragen haben. Aus meiner Erfahrung stellen die aufenthalts- und sozialrechtlichen Grundlagen für das Leben der Geflüchteten in Deutschland, die Wartezeiten und Unübersichtlichkeiten im Rahmen von juristischen Verfahren und das Verhalten von Behörden in der Beratung von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräften in der Begleitung von Geflüchteten einen hohen Belastungsfaktor für die Klient*innen wie auch für die Helfenden dar. Gleichzeitig handelt es sich nicht um den einzig hohen Belastungsfaktor, der eine erhebliche Rolle spielt. Als belastend wird außerdem erlebt, dass auch sie als Helfende an Grenzen stoßen und es ihnen dann oftmals so erscheint, als seien sie persönlich in ihrem Engagement gescheitert, wenn es ihnen z. B. nicht gelingt, privaten Wohnraum für eine von ihnen begleitete Familie zu organisieren, den Familiennachzug zu erwirken, Praktika und Ausbildungsplätze zu finden oder die Anerkennung eines Zeugnisses aus der Heimat des Geflüchteten zu bewirken. Es gelingt freiwillig Engagierten oft viel mehr, als man annehmen könnte, weil sie über andere Netzwerke in der Gesellschaft verfügen und diese immer wieder sehr erfolgreich für Geflüchtete nutzen. Gleichzeitig stehen sie unter einem hohen Erwartungsdruck vonseiten derjenigen, die etwa dringend eine Wohnung benötigen, die um die Familie im umkämpften

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Heimatland bangen und die sich so schnell wie möglich über Ausbildung und Arbeit in Deutschland absichern und ihre Zukunft neu aufbauen mögen. Nicht alle diese Bereiche können in dieser Publikation ausgeführt werden, aber sie haben ähnliche Auswirkungen für das Erleben der Helfenden: Es ist möglich, sich als sehr erfolgreich in der Hilfe und sehr machtvoll in der Intervention gegenüber Behörden zu erleben. Als Gegensatz dazu gibt es auch immer die Möglichkeit, mit dem Anliegen, das für einen anderen Menschen formuliert wird, keinen Erfolg zu haben, und dabei die Erfahrung zu wiederholen, die der*die Geflüchtete eventuell bereits selbst gemacht hat. Dies bedeutet in nicht wenigen Fällen eine erhebliche Kränkung für die Helfenden, mit der es für sie nicht immer einfach ist umzugehen. Für Migrant*innen mit eigener Fluchtbiografie, die sich für die heute Geflüchteten engagieren, ist es manchmal eine belastende Wiederholung ihrer persönlichen Erfahrungen mit Institutionen, die sich bereits damals bei ihrer Aufnahme in Deutschland abwehrend und manchmal auch abwertend verhalten hatten. Möglicherweise führt es dazu, dass Migrant*innen eher als Fachleute für Sprachmittlung gegenüber Behörden und anderen Institutionen auftreten und sich damit zwar sehr hilfreich für die Kommunikation mit Ämtern erweisen, aber damit nur indirekt in die Position von Fürsprechern der Geflüchteten gehen.

2.3 Psychische Krisen und Traumafolgen bei Geflüchteten und wie professionell und freiwillig Helfende damit umgehen Sowohl professionell als auch viele freiwillig Helfende bringen für die Arbeit mit Geflüchteten umfangreiche Kenntnisse mit. Beispielsweise wissen viele der Helfenden, dass geflüchtete Menschen die durchlebten extremen Bedro-

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hungssituationen oftmals nicht ohne seelische Beschädigungen überstehen konnten. Das Wissen über die Entstehung von psychischem Trauma durch Verfolgung und Flucht hat sich bei vielen Helfenden erweitert und auch die Kenntnisse darüber, wie sich Traumafolgen als körperliche oder seelische Symptome oder in sozialen Beziehungen zeigen können. Zahlreiche Fortbildungen zu diesem Thema werden von Teams der hauptamtlich Mitarbeitenden von pädagogischen Einrichtungen (z. B. Kinderzentren, Jugendhilfeeinrichtungen und Schule) besucht, aber auch von Freiwilligen in Asylkreisen bzw. in Integrationslotsenund Mentor*innen-Projekten, denen der »richtige Umgang mit traumatisierten Geflüchteten« sehr wichtig erscheint. Folgende Themen sind Gegenstand der Fortbildungen: ȤȤ Rechtliche Aspekte der Aufnahmebedingungen in Deutschland ȤȤ Die Bedeutung von kulturellen Prägungen und kultursensibler Beziehungen zwischen Geflüchteten und Helfenden ȤȤ Die Auswirkungen von Traumatisierungen und der Umgang mit Traumafolgen bei Geflüchteten Wie man traumatisierte Geflüchtete gut unterstützen kann, ist eine Frage, der sich ein mehrstündiges Modul im Rahmen von Fortbildungsreihen annimmt, die in den letzten Jahren stattgefunden haben. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund: ȤȤ Ab wann kann man überhaupt von einem Trauma als Ursache für auffällige – und die Helfer manchmal irritierende – Verhaltens- und Reaktionsweisen ausgehen? ȤȤ Was unterscheidet ein Trauma von anderen psychischen Belastungen? ȤȤ Ist es ratsam, über traumatische Erlebnisse mit den davon Betroffenen zu sprechen oder sollte das Sprechen darüber besser vermieden werden?

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Die inhaltliche Auseinandersetzung mit solchen Fragen findet sich detailliert in weiteren Publikationen der Reihe »Fluchtaspekte« (Mlodoch, 2017; Gahleitner, Zimmermann u. Zito, 2017). In diesem Band liegt der Schwerpunkt weniger in der Beschreibung von Entstehung und Auswirkungen von Traumafolgen bei Geflüchteten, sondern von möglichen Folgen, die psychisches Trauma auf die Gesundheit der Helfenden haben kann. Dies wird als Thema in den Fortbildungen für ehren- und hauptamtlich Helfende oft nur gestreift, weil es sich mehr noch bei Freiwilligen als bei Hauptamtlichen als ein eher heikler Punkt erweist, der zuweilen spontane Abwehr und Verunsicherung verursachen kann. Sich selbst als Person wahrzunehmen, die nicht nur fürsorglich und verstehend auf die traumatisierte innere Welt des Geflüchteten reagiert, sondern die auch durch das Trauma des Gegenübers in ihrer inneren Welt verändert werden kann, fällt gerade Menschen schwer, die nicht professionell für die Tätigkeit ausgebildet wurden. In den Fortbildungen liegt in der Regel ein Fokus auf dem Vertrauensaufbau in der Beziehung zu Geflüchteten. Deren Vertrauen in andere Menschen ist oftmals tief eingebrochen und ihr Sicherheitsgefühl wurde durch die erlebte Gewalt und Bedrohung oft weitgehend zerstört. Eine soziale Umwelt, die einfühlsam auf diesen Vertrauensverlust in andere Menschen und in den Verlust des Selbstvertrauens – z. B. mit schwierigen oder bedrohlichen Situation umzugehen und sich schlimmstenfalls durch Flucht retten zu können –, eingeht, findet als wichtiger Schutzfaktor ausführlich Erwähnung im Trauma-Prozess (Fischer u. Riedesser, 1998). Was die Fortbildungen für ehrenamtlich Engagierte häufig ansprechen, ist die hohe zeitliche Beanspruchung und die Gefahr einer unzureichend professionellen Distanz in der Beziehung zu Geflüchteten, die es wiederzugewinnen gilt und die manchmal bei akuten

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Krisensituationen schwer einzuhalten ist. Solche können insbesondere entstehen bei unsicherer Aufenthaltssituation, bei latenter Suizidalität, die von Helfenden wahrgenommen wird, oder bei schlechten Nachrichten aus dem Heimatland der Geflüchteten. Viel seltener geht es in den Fortbildungen um das Risiko für die Gesundheit der Helfenden, das spezifisch durch das erlittene Trauma des Geflüchteten entstehen kann. Sowohl in pädagogischen Einrichtungen als auch in ehrenamtlichen Helferkreisen werden eigene Belastungsgefühle oft nicht als Reaktion auf Trauma anderer wahrgenommen. Es erscheint vielen Helfenden vielleicht unangemessen, im Zusammenhang mit traumatischen Erlebnissen und dem aktuellen Leid der Geflüchteten auch für mögliche Auswirkungen auf die eigene Psyche achtsam und für Gelegenheiten der Prävention aufmerksam zu sein. Dabei können Gefühle der Helfenden das Erleben von traumatisierten Geflüchteten widerspiegeln, nicht im Sinne einer Ansteckung, sondern als Wahrnehmung von Zuständen der Trauer oder Verzweiflung, in denen sich geflüchtete Menschen manchmal befinden. Solche Dynamiken beschreibt das folgende Kapitel 3.

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3 Nähe-und-Distanz-Balancierung als Herausforderung in der Beziehung mit Geflüchteten

3.1 Häufige Dynamiken in der Beziehung zwischen Helfenden und traumatisierten oder psychisch sehr belasteten Geflüchteten: Phänomene der Übertragung im Kontext von Trauma

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Aus der Supervisionserfahrung mit unterschiedlichen pädagogischen und beratenden Teams lässt sich sagen, dass die Arbeit mit Geflüchteten von den Helfenden oft erst allmählich in ihren Auswirkungen auf die eigene seelische Verfasstheit wahrgenommen wird. Dies betrifft insbesondere die pädagogischen Beziehungen zu Kindern und zu Jugendlichen, die ohne ihre Familien in Deutschland ankommen. Oftmals wird von den Professionellen geäußert, dass die innere Beschäftigung mit diesen Kindern und Jugendlichen zeitlich einen hohen Umfang hat und das Mitfühlen sowie auch die Auseinandersetzung mit auffälligem Verhalten vor dem Hintergrund der (Flucht-)Biografie viel Raum einnimmt. Dabei erleben die Mitarbeiter*innen von pädagogischen Einrichtungen und die freiwillig Helfenden in der Beziehung zu Geflüchteten manchmal überraschende Dynamiken, mit heftigen Gefühlsreaktionen auf beiden Seiten, deren Ursachen nur zum Teil der aktuellen Situation geschuldet sind, sondern oft mehr mit den in der traumatischen Situation durchlebten Gefühlen von Überwältigung und Hilflosigkeit zu tun haben. Als typische psychische Folge traumatischer Erfahrungen zeigt sich, dass diese in weiteren Beziehungen in Erscheinung treten bzw. reinsze-

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niert werden können, oftmals auch in der Form von Handlungen. Helfende können sich in Situationen selbst hilflos und überfordert fühlen angesichts existenzieller Probleme, die an sie herangetragen werden, oder von dringlich erforderlichen Lösungen, die Geflüchtete von ihnen erwarten. Eigene emotionale Reaktionen der Helfenden, wie z. B. Hilflosigkeitserleben, Ärger, aber auch Wünsche aus der überfordernden Situation zu flüchten, können häufig als sogenannte Gegenübertragungsreaktion auf das durchlebte Trauma von geflüchteten Menschen verstanden werden. Dieser Begriff entstammt dem psychoanalytischen Konzept von Übertragung und Gegenübertragung, das die unbewussten Wiederholungen von früheren bedeutsamen Beziehungen des*der Patient*in in der therapeutischen Beziehung beschreibt. Wobei Übertragungen und Gegenübertragungen eben nicht nur im therapeutischen Raum vorkommen, wo sie eine wichtige Grundlage für Verstehensprozesse darstellen, sondern auch in allen anderen Beziehungen außerhalb der therapeutischen Beziehung stattfinden (Auchter u. Strauss, 2003). Die traumatische Übertragung kann als eine Sonderform von Übertragungsprozessen angesehen werden, die von Judith L. Herman in ihrer umfangreichen Forschungsarbeit zu traumatisierender sexueller Gewalt wie folgt beschrieben wird: »Die traumatische Erfahrung spiegelt nicht nur die Erfahrung von Gewalt wider, sondern auch die Erfahrung von Hilflosigkeit. Im Augenblick des Traumas ist das Opfer ganz und gar hilflos. Unfähig, sich zu verteidigen, schreit es nach Hilfe, aber niemand kommt. Es fühlt sich völlig verlassen. Die Erinnerung an diese Erfahrung prägt alle späteren Erinnerungen. Je mehr das Opfer von seiner Hilflosigkeit und Verlassenheit überzeugt ist, desto stärker sehnt es sich nach einem allmächtigen Retter« (Herman, 2003, S. 188). Herman beschreibt dieses Übertragungsphänomen im Folgenden mit dessen mög-

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licher Verkehrung, wenn nämlich der*die Therapeut*in die in ihn*sie gesetzte Erwartung nach Rettung nicht erfüllen kann, was zwangsläufig irgendwann der Fall sein wird. Dann reagiert der*die Patient*in häufig mit Enttäuschung und Wut, »da er das Gefühl hat, dass sein Leben von seinem Retter abhängt, kann er sich Toleranz nicht leisten« (Herman, 2003, S. 189). Diese Dynamik findet sich erfahrungsgemäß auch immer wieder in der Beziehung zwischen freiwillig Helfenden und Geflüchteten, wenn Helfende manchmal zu Beginn des Kontaktes sehr umfänglich auf die Bedürfnisse von Geflüchteten reagieren, viele Aufträge entgegennehmen und sehr aktiv sind. Den Helfenden wird in solchen Situationen sehr viel Macht zugeschrieben, alle Schwierigkeiten lösen zu können. Im Laufe der weiteren Beziehung erweisen sich die Probleme häufig aber als komplexer und sehr viel schwerer lösbar, als zunächst angenommen. Die anfängliche Identifikation mit dem vermeintlich mächtigen und gegenüber anderen Instanzen erfolgreichen Helfenden kann dann bei Geflüchteten in Enttäuschung umschlagen, die in der Übertragung auch zu Gefühlen der Enttäuschung beim*bei der Helfer*in führt, der*die mehr Geduld oder Anerkennung für sein*ihr Bemühen erwartet hat. Eine ähnliche Dynamik wird oftmals von freiwillig Engagierten berichtet, die Fahrdienste bzw. Begleitdienste zu Ärzt*innen oder Behörden übernehmen. Wenn die Helfenden länger warten müssen, bis der Abzuholende dann wirklich bereit ist, oder dieser ohne abzusagen die Vereinbarung gar nicht einhält, fühlen sich Helfende oft entwertet und spüren verständlicherweise auch erheblichen Ärger, gerade wenn sie selbst die Zeit nur mit Mühe arbeitsfrei gehalten haben. Ähnliches ereignete sich auch bei anderen festen Verabredungen, zu denen die freiwillig Engagierten erschienen waren, die Geflüchteten aber nicht

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oder nur kurzfristig mit SMS- oder WhatsApp-Nachricht abgesagt hatten. Das ist ein Thema, das in vielen Supervisionen auftaucht. Manchmal wird von den Teilnehmenden das Erklärungsmuster Kultur herangezogen, um sich dieses Geschehen erklären zu können. Sie fragen sich dann, ob es in den Herkunftskulturen der Geflüchteten möglicherweise ein anderes Verständnis von Terminen und Pünktlichkeit gebe, auch andere Formen der Höflichkeit, sodass man ein Angebot für eine Verabredung nicht ablehnen könne, weil dies eine Kränkung für das Gegenüber bedeutet. Ein solches kulturell geprägte Verhalten könnte den Helfenden die Situation erklären. Aber ein weiteres wichtiges Element der ärgerlichen Missverständnisse zwischen Geflüchteten und Helfenden besteht häufig in der Übertragung der durchlebten menschlichen Entwertung aus der traumatischen Situation in das aktuelle Geschehen. Die Gewalt durch andere Menschen, die Geflüchtete absichtsvoll körperlich und seelisch verletzt und ihnen gezeigt haben, dass ihr Leben vermeintlich nichts wert ist, wird nun in Szenen wiederholt, in denen andere diejenigen sind, die mit dem Gefühl der Entwertung zurückbleiben. Dies können auch die Helfenden sein. Holderegger (1993) beschreibt solche Dynamiken in der Beziehung zwischen Patient*in und Psychotherapeut*in als eine traumatische Übertragungsform, »in denen der Patient einen Teil seines Empfindens in den Analytiker projiziert, so dass dieser Gefühle erlebt, die eigentlich ›zum Patienten gehören‹« (S. 18). Er führt weiter aus: »Die projektive Inszenierung von Gefühlen, wie z. B. Ohnmacht, Verwirrung, Wut, Schuldgefühl und Angst, scheint nicht nur der Vermeidung und Abwehr einer Situation, die nicht bewältigt werden kann zu dienen, sondern auch deren Darstellung und damit der Mitteilung einer Erinnerung, die nur durch diese indirekte Weise möglich ist« (S. 19). Es ist davon auszugehen, dass

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sich solche indirekten Mitteilungen, wie sie Holderegger für den therapeutischen Prozess beschreibt, auch in anderen Kontexten wiederholen, wie dies schon mehrfach auch für die pädagogischen Beziehungen mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen geschildert wurde (z. B.: Weiß, 2011; Bausum, Besser, Kühn u. Weiß, 2009; Gahleitner, Hensel, Baierl, Kühn u. Schmid, 2014). In der Praxis der Begleitung von Geflüchteten durch freiwillig Helfende ist zu beobachten, dass es hier ähnliche Formen der Übertragung gibt, deren Inhalt verstanden werden muss, damit es nicht zu Interaktionen kommt, an deren Ende der Geflüchtete und der Helfende die traumatische Situation wiederholen, wie z. B. Verlassenheit, Entwertung, die Bestätigung, dass niemand kommt und hilft. Bei den freiwillig Engagierten kann sich dies in dem Gefühl niederschlagen, mit der Hilfe für die Geflüchteten allein gelassen zu werden. Werden diese Gefühle nicht in der Reflexion mit anderen Freiwilligen oder professionell Beratenden bearbeitet, gehört dies gerade für die ehrenamtlich Begleitenden von Geflüchteten zu einer der größeren Belastungen, die sie erleben und die sie erhebliche an ihrem Engagement zweifeln lassen können. Nicht immer äußert sich die traumatische Erfahrung in solch belastender Weise, wenn es aber geschieht, bringt es professionell und freiwillig Helfende psychisch unter starken Druck. An dieser Stelle kann man einwenden, dass die Beziehung zwischen Helfenden und Geflüchteten ja nicht allein durch die traumatische Erfahrung gestaltet wird, und tatsächlich spielen noch andere bedeutende Aspekte in die Beziehungsgestaltung mit hinein. Auch die Helfenden bringen ihre Persönlichkeit mit ein, ihre individuellen Fähigkeiten und auch problematischen Seiten, die sich in der Beziehung zu geflüchteten Menschen ausdrücken können. Dies kann erst recht zu Verwicklungen führen, wenn es um Beziehungen geht, in denen man freiwillig

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sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit zur Verfügung stellt und in denen, entgegen aller Vorstellungen von Gleichheit und Augenhöhe, doch ein Ungleichgewicht von Autonomie und Abhängigkeit vorhanden ist, schon allein aufgrund der ungleichen Ressourcen, über die beide verfügen. Während die Auswirkungen von einigen Persönlichkeitsmerkmalen bei Helfenden schon länger unter dem Begriff der »hilflosen Helfer« (Schmidbauer, 1977) thematisiert wurden, sind die Erkenntnisse zur traumatischen Übertragung für den Bereich der Sozialen Arbeit und des ehrenamtlichen Engagements kaum einer größeren Gruppe zugänglich. Wie meine bisherigen Ausführungen zu spezifischen Übertragungsprozessen deutlich machen, kann es auch ohne ein eklatant schwieriges persönlichkeitsabhängiges Verhalten bei Helfenden und Adressaten der Hilfe, den Geflüchteten, zu einer Reinszenierung der traumatischen Erfahrung kommen. Analog dazu ist es auch möglich, dass der Dialog mit Behördenvertreter*innen entgleist und es zu weiteren Beschädigungen im traumatischen Prozess kommt, z. B. indem eine erneute Vertreibung durch überraschend eingeleitete Umverteilungen von Geflüchteten erlebt wird. Häufig erfahren Helfende und Geflüchtete bei Behörden fehlende Empathie bis hin zu Einfühlungsverweigerung aufgrund eskalierender Beziehungsdynamiken, in denen Macht und Ohnmacht erneut thematisiert werden. Die gesetzlichen Regelungen würden in vielen Fällen auch andere Entscheidungen zulassen. In solchen Situationen werden Geflüchtete dann tatsächlich schlechter behandelt, und es ist nicht nur ihr Erleben, dass Behördenvertreter*innen unangemessen mit ihnen umgehen. Es erscheint im Kontext dieser Arbeit immer wieder sinnvoll, den Blick sowohl auf das innere Erleben und die Beziehungsdynamik als auch gleichzeitig auf die Bedingungen der Hilfe, die äußere Realität, zu richten.

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3.2 Mitgefühlserschöpfung und sekundäre Traumatisierung als Risiko für die Gesundheit bei Helfenden

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Damit Helfende ihre seelische Gesundheit erhalten können, erscheint es notwendig, auch zu beschreiben, dass Fachkräfte und freiwillig Engagierte Anzeichen einer sekundären Traumatisierung entwickeln können. Die sekundäre Traumatisierung wird als Begriff für verschiedene Vorgänge verwendet, in denen Helfende von traumatisierten Menschen selbst psychische Symptome entwickeln, die denen gleichen, unter denen primär traumatisierte Menschen leiden. Häufig werden in diesem Zusammenhang die Reaktionen von Helfenden auf belastende Kontakte mit akut Traumatisierten im Zusammenhang mit Katastrophen, Unfällen und Terroranschlägen genannt, bei denen Notfalleinsatzkräfte (z. B. Feuerwehrleute, Ärzt*innen, Rettungssanitäter*innen, Psycholog*innen/Psychotherapeut*innen oder Seelsorger*innen) in kurzer Zeit mit sehr viel Leid konfrontiert werden. Gleichzeitig wird der Begriff auch zur Beschreibung »übertragener« oder »transgenerationeller« Traumatisierungen verwendet, die in einem zeitlichen Abstand zu den traumatischen Ereignissen erfolgen. Zu denjenigen, die von »übertragener« sekundärer Traumatisierung betroffen sein können, gehören z. B. Kinder traumatisierter Eltern, wie wir es in der Arbeit mit Flüchtlingsfamilien sehr häufig erleben (Lennertz, 2011; Bräutigam, 2000). Seit den 1990er Jahren sind allerdings verstärkt Fachkräfte wie Pädagog*innen oder Psychotherapeut*innen, die mit Trauma-Patient*innen arbeiten, in den Mittelpunkt von Untersuchungen gerückt. Seit kürzerer Zeit wird die sekundäre Traumatisierung auch in Bezug auf Helfende diskutiert, die als Freiwillige mit traumatisierten Geflüchteten in Kontakt sind und die viel weniger als die Erstgenannten auf die Auswir-

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kungen von traumatischen Erfahrungen vorbereitet sind (Rössel-Čunović, 2013). Bei der sekundären Traumatisierung handelt es sich um ein Geschehen, auf das als Folge des Kontaktes mit traumatisierten Menschen auch in einem der gängigen Klassifizierungssysteme psychischer Erkrankungen hingewiesen wird. Im DSM-5 findet sich bei den diagnostischen Kriterien der Posttraumatischen Belastungsstörung inzwischen der Verweis, dass es möglich sei, außer durch persönliches Erleben oder durch das Miterleben traumatisierender Ereignisse bei anderen Personen (etwa als unmittelbarer Zeuge von Gewaltakten), Traumasymptome auch »durch die Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren derartigen traumatischen Ereignissen« zu entwickeln (Falkei u. Wittchen, 2015, S. 168). Dies bedeutet für helfende Berufe, dass die dort erlebten Traumafolgen ebenfalls als primäre Traumatisierung eingeordnet werden können. Diese Begriffserweiterung erfolgte offenbar, so Seidler (2012), um einer begrifflichen Verwirrung entgegenzuwirken, da viele traumatisierende Ereignisse bei Helfenden tatsächlich nicht als sekundär, sondern als primär gelten müssen (z. B. bei Noteinsätzen). Aus der therapeutischen Behandlung mit traumatisierten geflüchteten Patient*innen erfolgten einige Studien, in denen das Auftreten von sekundären Traumafolgen bei den Behandelnden untersucht wurde. So stellten Gurris (2003), Daniels (2006) und Pross (2009) fest, dass es eine relevante Anzahl von Psychotherapeut*innen gibt, die, obwohl sie selbst keine sensorischen Eindrücke vom primären Trauma ihrer Patient*innen hatten, trotzdem typische Symptome einer Traumafolgestörung zeigten: belastende Gefühle wie Entsetzen, Wut, Scham, Trauer und Angst, ein katastrophisches Lebensgefühl, starke innere Unruhe, Schlafstörungen, Kopfschmerzen und psychosomatische

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Störungen bis hin zu Intrusionen, also zu sich unfreiwillig aufdrängenden Bildern von den traumatischen Erlebnissen der Patient*innen. Bereits in den 1990er Jahren wurden von Figley (1995) solche Symptome bei Therapeut*innen als »Einfühlungsmüdigkeit« oder »Mitgefühlserschöpfung« (im Englischen: »Compassion Fatigue«) beschrieben. Er hatte diese Bezeichnung offenbar in der Absicht gewählt, die Symptomatik weniger pathologisch wirken zu lassen und eher als eine »natürliche, vorhersehbare, behandelbare und verhinderbare unerwünschte Folge der Arbeit mit leidenden Menschen« (Figley, 2002a, zit. nach Lemke, 2010, S. 60). Mitgefühlserschöpfung entspricht dem, was andere Autor*innen als sekundäre Traumatisierung bezeichnen und beschreibt einen Prozess, der als Folge einer entgleisten Beziehung zwischen Helfenden und traumatisierten Hilfesuchenden eintreten kann. Stamm (2002) beschreibt Mitgefühlserschöpfung als einen Prozess, der, im Gegensatz zum Burn-out, das sich allmählich und in der Folge von anhaltend überfordernden Arbeitsprozessen entwickeln kann, als eine Folge des Kontaktes mit traumatischer Erschütterung plötzlich und ohne Vorankündigung auftreten könne. Stamm streicht heraus, wie wichtig es ist, »sich darüber im Klaren zu sein, wie diese Unterstützer durch ihren Kontakt mit den Traumaopfern selbst belastet oder traumatisiert werden« (2002, S. 47). Er beschreibt als einer der Ersten, dass eben nicht nur Therapeut*innen und Nothelfende von dieser Entwicklung betroffen sein können, sondern auch »andere Helfergruppen« (2002). Aus meiner Erfahrung könnten – wie nachfolgend weiter ausgeführt – kumulative Summationseffekte hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Eine Annahme, wie es zu einer sekundären Traumatisierung kommt, geht davon aus, dass dabei die professionelle Nähe- und Distanzregulierung in der professionel-

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len oder helfenden Beziehung mit Menschen, die extreme Gewalterfahrungen haben, nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Infolge nicht mehr kontrollierbarer Identifizierungen kann dies »zu symmetrischen Gefühlen von Angst, Sprachlosigkeit und Hilflosigkeit führen« (Gurris, 2003, S. 269). Gurris kam in seiner Befragung von Therapeut*innen in Flüchtlingsbehandlungszentren zu dem Ergebnis (2005), dass diese in hohem Maße unter psychischen Symptomen aus dem Spektrum einer posttraumatischen Belastungsstörung litten. 50 % hätten von Ohnmachtsgefühlen, Hilflosigkeit, Wut und Ärger berichtet. Auch Pross (2009, S. 235) führt in seiner Studie über die psychische Gesundheit von Mitarbeitenden in psychosozialen Zentren zur Behandlung von Flüchtlingen und Folteropfern aus: »Etwa ein Drittel [berichtet] von Reizbarkeit, Unruhe, Erregung, Hypervigilanz, Resignation und Vermeidung. Gut 17 % berichten von Albträumen. Bezüglich eines Complex-PTSD berichten 21 % von Somatisierungsstörungen und 23 % von Risikoverhalten« (S. 235). Daniels (2006) kommt in ihrer Studie mit ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeut*innen zu einem Anteil von 29,1 % der Untersuchten, die sie nach Auswertung eines von ihr entwickelten Fragebogens als sekundär traumatisiert einstuft. Verschiedene Untersuchungen haben Unterschiede zwischen der Symptomatik primär traumatisierter Personen und der Symptomatik bei sekundärer Traumatisierung festgestellt. Dazu schreibt Lemke (2010), dass es zwar keine abschließenden Ergebnisse darüber gebe, aber die bisherigen Erkenntnisse auf eine deutliche Unterscheidung der Symptomatik hindeuten würde: »Keine Sekundäre Traumatisierung erfolgt so plötzlich, wie es bei primären Traumata der Fall ist – jedenfalls nicht in der Psychotherapie. Bei primärer Traumatisierung sind oft sämtliche Lebensbereiche tangiert, bei Flüchtlingen z. B. Verlust von Be-

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sitz, Verlust der Heimat, Bedrohung an Leib und Leben. Bei Folteropfern kommt permanente physische Gewalt, Einsperrung, Erniedrigung und auch Angst, auch andere in die Bedrohung hineinzuziehen, dazu.« (Lemke, 2010, S. 58). Für Lemke spricht vieles dafür, und es leuchtet unmittelbar ein, dass die Intensität der Symptomatik sich bei Helfenden deutlich unterscheidet vom Zustandsbild der primär Traumatisierten, auch wenn sie profundes Leid bedeuten kann. Bei der Beschreibung dessen, was sich psychisch genau ereignet, wenn Helfende mit einer Traumasymptomatik auf die Erzählungen ihrer Klient*innen reagieren, gehen Studien in erster Linie auf die Ausprägung von Empathie ein, also auf die Fähigkeit, sich in die emotionale Verfassung traumatisierter Menschen hineinzuversetzen. Das Einlassen auf die Emotionen der Klient*innen erzeuge ähnliche oder möglicherweise gleiche Emotionen beim einfühlsam Zuhörenden. In der Arbeit mit Flüchtlingen sind die ständige behördliche Drohung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und die sehr schwierigen Lebensbedingungen stets präsent. Psychisch destabilisierend kommen bei Klient*innen und Therapeut*innen noch Ohnmachts- und Erschöpfungsgefühle hinzu. »Die Psyche des Therapeuten kann in dieser Weise aktiviert werden, dass sie am traumatischen Erleben nicht nur Teil hat, sondern deren Schmerzen internalisiert und deren Konflikte zu lösen versucht«, konstatiert Gurris (2003, S. 29). Judith Daniels (2006) ging in ihrer psychologischen Studie »Sekundäre Traumatisierung – kritische Prüfung eines Konstruktes« genauer der Frage nach, wieso es in einer äußerlich sicheren Situation, die durch Vorhersagbarkeit, Kontrolle und Wissen geprägt ist (wie z. B. die therapeutische Situation), zu einer traumatogenen Verarbeitung seitens der Therapeut*innen kommen kann. Sie beschreibt ausführlich eine »dissoziative Notfallreaktion«

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bei den von ihr untersuchten Therapeutinnen während des Kontaktes mit traumatischem Material in den Behandlungen, in der sich die Betroffenen in der Rolle von hilflosen Zuschauerinnen erlebt hatten. Das eigene Handeln erschien ihnen dann als automatisiert oder traumähnlich und unreal. Daniels kommt zu dem Ergebnis, dass in den Fällen, in denen die Therapeutin selbst in der Dissoziation den Bezug zum Hier und Jetzt sowie zum eigenen körperlichen Erleben verliert, es wahrscheinlicher ist, dass sie später unter Angst- und Bedrohungsgefühlen leidet, die sie nicht eindeutig zuordnen kann. Daniels (2006) sieht auch einen Zusammenhang zwischen der sekundären Traumatisierung und der Arbeit der untersuchten Therapeut*innen mit besonders vielen Klient*innen mit hoher Symptombelastung. Das würde bedeuten, dass nicht nur die Höhe der Symptombelastung selbst, sondern auch die Anzahl der traumatisierten Personen bzw. die Intensität und die Wiederholung der Berührung mit Trauma eine Rolle spielt für die Entstehung von sekundärer Traumatisierung. In der Studie von Daniels geht es ebenfalls um mögliche Zusammenhänge zwischen der Vorbelastung der teilnehmenden Psychotherapeut*innen mit eigenen erlebten Traumatisierungen. Die Autorin selbst und eine Reihe weiterer Wissenschaftler*innen haben in ähnlichen Studien festgestellt, dass zwischen 30 und 75 % der befragten Psychotherapeut*innen eigene Traumata erlebt haben und dies zum Teil auch mehrfach (Daniels, 2006, S. 19 f.). Als noch offene Frage gilt der genaue Zusammenhang zwischen eigenem Primärtrauma und einer sekundären Traumatisierung. Wobei es deutliche Hinweise dafür gibt, dass eine Vortraumatisierung vor allem dann einen erheblichen Risikofaktor im Kontext mit traumatisierten Patient*innen/Klient*innen darstellt, wenn es starke Parallelen zum Trauma der Patient*innen/ Klient*innen gibt. Manchmal können allerdings Erfahrun-

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gen mit eigenen traumatischen Belastungen auch das Verständnis für Klient*innen mit Traumaerlebnissen erhöhen und ein vertieftes Wissen über eine hilfreiche therapeutische Unterstützung entstehen lassen – vor allem wenn dies in einer therapeutischen Selbsterfahrung durchgearbeitet werden konnte. An dieser Stelle ergibt sich in Bezug auf freiwillig Helfende, aber auch in Bezug auf viele professionell Helfende die Frage, welche Risiken für sekundäre Traumafolgen diejenigen haben, die nicht auf der Basis einer spezifischen Ausbildung über die Möglichkeiten von Symptomerkennung und von Maßnahmen des Selbstschutzes verfügen, wie dies bei Psychotherapeut*innen in der Regel doch der Fall ist. Andreatta und Mitterhofer (2016) beziehen die Erkenntnisse zu sekundärer Traumatisierung bisher als eine der wenigen Autoren auf die aktuelle Situation von freiwillig Helfenden im Kontext von Krieg, Flucht und Asyl: »Als Bedingungen, ein sekundäres Trauma zu erleiden, kommt neben der Exposition der Empathie eine Schlüsselrolle zu. Letztere nimmt im Kontext des Ehrenamtes einen bedeutenden Platz ein. Empathie und Engagement sind in gewisser Weise das Rüstzeug. Weitere Faktoren, die das Ehrenamt für sekundäre Traumatisierung disponieren, sind Parteinahme für die Opfer, die Bereitschaft für Verantwortungsübernahme für andere, Identifikation mit den Opfern oder der Opferrolle, Konfrontation mit Gewalt, das Ausmaß des Elends und die Komplexität der Situation« (Andreatta u. M ­ itterhofer, 2016, S. 5). Von Bedeutung erscheint hier – wie schon oben für Psychotherapeut*innen ausgeführt – zudem, inwieweit freiwillig Helfende mögliche eigene Traumata psychisch integrieren konnten (z. B. mithilfe von Psychotherapien), sodass die Konfrontation mit Traumatisierung durch Krieg, Verfolgung und Flucht bei ihnen keine alte Wunden aktiviert.

Das Trauma in der eigenen Familie und das der Geflüchteten69

Besteht bei den freiwillig Helfenden ein hoher Grad an Bewusstheit über solche Zusammenhänge? Und wie reagieren Helfende in der Beziehung zu Geflüchteten auf dem Hintergrund ihrer eigenen oder familiären Erfahrungen mit Traumatisierung durch Verfolgung, Krieg und Flucht? Die weitere Bearbeitung solcher noch offener Fragestellungen bezogen auf das Engagement der letzten Jahre hat gerade erst begonnen.

3.3 Das Trauma in der eigenen Familie und das der Geflüchteten »Ich habe in der letzten Zeit öfter als früher darüber nachgedacht, wie es meinen Großeltern ergangen ist, als die damals vor dem Krieg geflüchtet sind.« Solche und ähnliche Sätze sind manchmal zu hören, wenn das Thema »Traumafolgen bei Geflüchteten« in Seminaren bearbeitet wird, und zwar sowohl von freiwillig Helfenden als auch bei Fachkräften, die mit geflüchteten Kindern oder Erwachsenen arbeiten. Die eigene Familiengeschichte taucht für die Helfenden während ihres Engagements für durch Krieg und Flucht aus ihrer bisherigen Existenz vertriebene und seelisch oft sehr verletzte Menschen manchmal in einem veränderten Licht auf. In Gesprächen über Erfahrungen mit Krieg und Flucht innerhalb der eigenen Familie über Generationen hinweg beschreibt ein nicht geringer Teil der Seminarteilnehmenden, dass Eltern oder Großeltern selbst derartige Erfahrungen machen mussten, als sie als Deutschstämmige nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn verlassen mussten. Die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs und die Vorgeschichte bzw. Verursachung dieser »Vertreibung« sind den Nachkriegskindern und den Kriegsenkeln, die ehrenamtlich aktiv sind, oftmals nur bruchstückhaft und wenig detailliert bekannt. Häufig wird auch zu wenig ge-

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sehen, wie diese »Völkerwanderung« nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem deutschen Eroberungsfeldzug und dem Holocaust verflochten ist. Viele haben erst in den letzten Jahren auf dem Hintergrund der neuen Kriege und Vertreibungen (z. B. im ehemaligen Jugoslawien) begonnen, sich mit der eigenen Familiengeschichte diesbezüglich genauer zu beschäftigen. In manchen Familien wurden diese Prozesse durch das eigene Engagement für Geflüchtete oder durch die entsprechende berufliche Aufgabe sowie durch die medial verbreiteten Bilder von Geflüchteten auf der sogenannten Balkanroute und von ihrer Ankunft in Deutschland 2015 intensiviert. Die Gründe dafür sind hier nicht ausführlich darstellbar, aber es gibt etwa seit Ende der 1990er Jahre gut dokumentierte Biografien der Kriegs- und der Nachkriegskinder, mittlerweile auch der Kriegsenkel, die eine Idee von den hier wirksamen individuellen und kollektiven Abwehrstrukturen geben (Bode, 2004, 2011, 2014; Radebold, 2004). In diesen Veröffentlichungen wird deutlich, wie diese Kinder unter den Bedingungen von NS-Herrschaft, Krieg und Flucht bzw. den vielfältigen Entbehrungen der Nachkriegszeit aufwuchsen und welchen, manchmal extremen Belastungen sie ausgesetzt waren, die häufig erst im vorangeschrittenen Alter mit ihren erheblichen Auswirkungen deutlich wurden. Viele der noch im Krieg geborenen Kinder litten unter den traumatisierenden Auswirkungen des Vaterverlustes oder auch dem Verlust der Mutter bzw. beider Eltern oder Geschwister, die im Krieg getötet wurden, unter Trennungen, erlebter Gewalt, Flucht und dem damit verbundenen Verlust des Zuhauses und der Lebensgrundlage. »Die Situation und Entwicklung dieser Jahrgänge fand in der direkten Nachkriegszeit kaum Beachtung – vor dem Hintergrund der damaligen katastrophalen Lebens- und Versorgungssituation bei Kriegsende und in der direkten Nachkriegszeit, sowie der hohen

Das Trauma in der eigenen Familie und das der Geflüchteten71

Bevölkerungsverluste (Soldaten, Zivilpersonen) wird dies erklärlich. Die wenigen familiensoziologischen Untersuchungen (Thurnwald, 1948; Baumert, 1954) befassten sich weitgehend mit der zerstörten Familienstruktur und weniger mit der Situation oder der Entwicklung dieser Kinder und Jugendlichen«, konstatieren Brähler, Decker und Radebold (2004, S. 112). Erst viel später wurde deutlich, welche langanhaltenden Folgen diese beschädigten Kindheiten für die betroffene Generation selbst und für die nächste, die Kinder der Kriegskinder hatten. Dies gilt nicht nur für die aus dem Osten »Vertriebenen«, sondern auch für diejenigen, die in den Städten als Kinder die Bombenangriffe überlebt hatten, die ihren Vater oder die Mutter verloren hatten oder länger von ihnen getrennt wurden. Die in der Nachkriegszeit geborenen Kinder wuchsen in der Regel zwar gemeinsam mit ihren Vätern auf, waren aber erheblichen emotionalen Entbehrungen ausgesetzt. Sie lebten in Familien mit Vätern, die auf der Beziehungsebene oft abwesend waren, die durch ihre Erlebnisse während des Krieges über Jahrzehnte hoch belastet blieben und die eher zu emotionalen Ausbrüchen neigten, als wichtige Gesprächspartner für ihre Kinder zu sein. Das NS-Erbe, Gefühle von Schuld und Scham über die monströsen Verbrechen des Holocaust und des Angriffs- und Vernichtungskrieges führten zu vielfältigen Prozessen der psychischen Abwehr, die häufig auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen erfahrenen Leid und die Trauer über das Geschehene verhinderten. Die massiven Verleugnungen der Tätereltern, die sich oft als Opfer empfanden und sich in dieser Weise in den Familien präsentierten, führten zu Sprachlosigkeit und zum inneren Rückzug zwischen den Generationen. In der gesellschaftlichen Öffentlichkeit wurde dies erst durch den Versuch der 68er-Generation thematisiert, einen radikalen Bruch mit den Überzeugungen ihrer Eltern durch-

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zuführen, die aus ihrer Sicht keine Verantwortung für die Verbrechen des NS-Regimes übernehmen wollten. Es kam in vielen Familien zu destruktiven Dynamiken, in denen das Schweigen vorherrschte. Die Schuld und das Trauma der Eltern blieben dabei oft unbenannt und unbesprochen, und die Kinder waren diesbezüglich auf ihre Fantasien angewiesen, was diffus und verwirrend auf den Familienbeziehungen lastete. Sie blieben über das Verschwiegene mit den Eltern identifikatorisch verbunden (Bohleber, 1998). Heute wissen wir einiges mehr über die transgenerationellen Auswirkungen von extremen Traumata in Familien. Dieses Wissen stammt allerdings überwiegend aus den Forschungen zu den tiefgreifenden seelischen Auswirkungen bei Überlebenden des Holocaust und ihren Familien (Grubrich-Simitis, 1979; Kestenberg, 1995; Grünberg, 2000). Auch hier hat es, aus vielen Gründen, Jahrzehnte gedauert, bis es in den Familien und gesellschaftlich zu weiterführenden Auseinandersetzungen mit den transgenerationellen Auswirkungen der Geschehnisse und des Leidens der Opfer gekommen ist. Wir nehmen heute an, dass das Schweigen über die tiefsten inneren Erschütterungen, die Menschen durchlebt haben, einerseits das Individuum selbst und auch die Kinder vor der vernichtenden Wucht dieser Erfahrungen schützen soll, dass sich diese aber dadurch umso stärker in der Psyche der nachfolgenden Generation installieren können (Rauwald, 2013; Kogan, 1998; Bohleber, 1998). Auch in den Familien von Holocaustüberlebenden wurde wie in den »Täterfamilien« oft geschwiegen, wenn auch hinter diesem Schweigen eine andere Dynamik stand. Kaminer, selbst Kind von Holocaustüberlebenden, schreibt über das Nicht-sprechen-Können vieler Überlebender: »Erinnerung bleibt gefährlich, weil diese unversehens zu einer erneuten Überwältigung führen kann und den Überlebenden dann wieder in jene Vernichtungswelt

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stürzen lässt. Todesangst, Schrecken, Panik, Fragmentierung, Selbstverletzungen oder körperliche Erkrankungen können folgen« (Kaminer, 2000, zit. nach Kaminer-Zamberg, 2013, S. 8). Die Kinder der Elterngeneration, die den Holocaust überlebten, hatten oftmals das Gefühl, dass sie ihren Eltern mit größter Einfühlsamkeit begegnen müssten. Sie spürten deren seelische Zerbrechlichkeit und versuchten sie umgekehrt, zu schonen und zu schützen. Eine historisch und psychologisch fundierte Arbeit an den individuellen Fluchtbiografien in den Familien der freiwillig Helfenden und der Professionellen, etwa im Rahmen von zeitgeschichtlich-biografischen Workshop-Angeboten, kann den Umgang mit den heute Geflüchteten und ihren seelischen Verletzungen erheblich verbessern und verdeutlicht auch, mit welchen langwierigen Auswirkungen wir bei den jetzt Geflüchteten rechnen müssen. Wenn wir uns heute fragen, wie es eigentlich möglich wurde, dass sich so viele Menschen in den letzten Jahren in Deutschland für Geflüchtete engagiert haben und dies immer noch tun, spielen die eigenen Erfahrungen bzw. die familiären Erfahrungen mit Krieg und Flucht sicher eine besondere Rolle. Es sind allerdings noch viele Fragen diesbezüglich offen, z. B. was genau dazu geführt hat, dass es – obwohl es auch zuvor größere Fluchtbewegungen in die Bundesrepublik gegeben hat – diesmal zu einer zunächst hohen Aufnahmebereitschaft und Bereitschaft zu helfen gekommen ist, die sozusagen das »helle Deutschland« (Kratz u. Schott-Leser, 2016) verkörperte, oder wie es zumindest für einen bestimmten historischen Moment und in einigen gesellschaftlichen Segmenten »von der ›Unfähigkeit zu trauern‹ bis zur ›Willkommenskultur‹« (Wirth, 2017) kommen konnte. Für eine weitere Gruppe von freiwillig Engagierten liegt dagegen ihre eigene Flucht oder die der Eltern nur wenige

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Jahre zurück. Es sind häufig diejenigen, die noch sehr intensiv unter dem Eindruck persönlich erlebter Kriegs- und Fluchterfahrung stehen und, die in Gefahr sind, ihr kaum bearbeitetes Trauma mit jeder neu gehörten Geschichte zu aktualisieren. Es sind selbst ehemals Geflüchtete aus Kriegsregionen wie Syrien und Afghanistan oder Ländern, in denen Menschenrechtsverletzungen stattfinden wie Eritrea oder dem Iran, die freiwillig für andere Geflüchtete tätig werden. Sie tun dies häufig ungeachtet ihrer seelischen Gesundheit, um anderen das Ankommen hier zu erleichtern und haben es erfahrungsgemäß am schwersten, Grenzen in der Hilfe einzuhalten. Als Sprachmittler*in, Begleiter*in bei Behörden oder im Gesundheitswesen sind sie oft unermüdlich und das Ablehnen eines Hilfeersuchens von jemandem, der den kulturellen Hintergrund teilt, ist für viele kaum je möglich bzw. löst dann häufig schwere Schuldgefühle aus. Leider handelt es sich dabei auch um die Gruppe freiwillig Engagierter, die am wenigsten Anbindung an unterstützende Institutionen hat und die auch entsprechende Angebote nicht gut annehmen kann, aus dem Gedanken heraus, dass diese Zeit dann denjenigen verloren geht, die so dringend ihre Hilfe benötigen.

4 Erhalt der Gesundheitsressourcen für Helfende und Mitarbeitende in der Begleitung von Geflüchteten

An den Anfang dieses Kapitels möchte ich eine (anonymisierte und von mir veränderte) Fallvignette stellen. Daran möchte ich zeigen, dass sich der Erhalt von Gesundheitsressourcen und das Vorbeugen eines Rückzugs aus der Beziehung zu Geflüchteten, wodurch freiwillig Engagierte mit Gefühlen von Überforderung, Ärger oder Enttäuschung zurückbleiben können, sich immer in konkreten Konstellationen ereignen. Selten kann dem mit einem Katalog von Verhaltensempfehlungen begegnet werden. Häufig wird an mich der Wunsch herangetragen nach einer Sammlung von übersichtlich formulierten Leitlinien, die schützende Wirkung im Engagement haben würden. Aber in der Regel sind die Fallkonstellationen zu komplex, mit denen es freiwillig Engagierte und hauptamtliche Fachkräfte zu tun haben. Zwar werden auch in dieser Handreichung schützende und hilfreiche Anregungen für den Erhalt der Gesundheit Helfender benannt, aber gleichzeitig muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass man in der praktischen Unterstützung von Geflüchteten immer wieder neu verstehen muss, was in diesem einzelnen Fall, mit dem ich es zu tun habe, welche Wirkung (bei mir) entfaltet. Welche unterschiedlichen Anteile des Geschehens wirken bewusst und unbewusst auf mich ein? Warum ist es in der einen Situation relativ problemlos, hilfreiche Grundsätze einzuhalten (z. B. Zeit- und Belastungsgrenzen achten, Nähe-und-Distanz-Balancierung beachten oder Unterstützung durch andere herstellen) und in der anderen Situation ist es mir so gar nicht möglich? Es ist wichtig, zu wissen, wo Menschen ihre blinden Flecken

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haben, d. h., wann sie anfällig sind, ihre Belastungsgrenzen nicht zu achten und was dies mit ihrer Persönlichkeit und Lebenserfahrung zu tun hat. Manche begeben sich bei der Suche nach ihren blinden Flecken in zunächst unübersichtliches Gelände, gewinnen dafür aber neue Einblicke. Die folgende Darstellung einer eher krisenhaften Entwicklung zwischen einer deutschen Helferin und einer jungen geflüchteten Frau aus Eritrea (Frau F.) mag diesen Prozess etwas deutlicher machen.

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Im Rahmen eines Projektes, in dem freiwillig Engagierte geflüchtete Frauen begleiteten, kam es vor einigen Jahren zu einer bemerkenswerten Situation. Eine der freiwillig Engagierten hatte für eine der von ihr begleiteten geflüchteten Frauen eine Möglichkeit bei einer ihr bekannten Firma gefunden, eventuell eine Ausbildung zu beginnen, obwohl sie die eigentlich erforderlichen Schulabschlüsse dafür nur eingeschränkt vorweisen konnte. Dies war umso erstaunlicher, da sich auch ihre Sprachkenntnisse noch nicht auf dem Niveau befanden, welches die Firma sonst verlangte. Es war der Fürsprache der freiwillig Engagierten zu verdanken, dass Frau F. zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, von dem nun alles abhängen würde. Die Helferin, Frau H., hatte am selben Tag ebenfalls einen wichtigen beruflichen Termin, den sie wahrnehmen sollte, und der nur unter vielen Erläuterungen und Bitten mit Genehmigung ihrer Vorgesetzten verschoben werden konnte. Frau H. hatte aber den Eindruck gewonnen, dass sie als Begleitung zu diesem zukunftsweisenden Bewerbungsgespräch nötig sei, um Frau F. mehr Sicherheit bei all der Aufregung, die sich schon ankündigte, zu geben. Beide waren vor dem Eingang der Firma miteinander verabredet. Aber Frau F. erschien nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt. Auf dem Handy war sie nicht erreichbar, auch am nächsten Tag ging sie nicht an ihr Telefon. Erst einen Tag später meldete sie sich und teilte mit,

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es sei ihr nicht gut gegangen, deshalb hätte sie den Termin nicht wahrnehmen können. Sie bedaure das sehr und nehme an, dass Frau H. jetzt sehr enttäuscht von ihr sei. Sie könne verstehen, dass sie mit ihr unter diesen Umständen nichts mehr zu tun haben wolle. Frau H. war tatsächlich wütend und enttäuscht, wütend deswegen, weil sie den ganzen Aufwand umsonst betrieben hatte, ihren eigenen beruflich wichtigen Termin verschoben und gegenüber den Mitarbeitenden des zum Bewerbungsgespräch einladenden Unternehmens auch keine Erklärung dafür hatte, warum die Bewerberin nicht erschienen war. Sie wusste, dass damit die Chance für einen Ausbildungsplatz vertan war, und glaubte auch Frau F. nicht, dass sie nicht in der Lage gewesen war, mit ihr zu telefonieren. Sie fühlte sich durch das Verhalten von Frau F., die ihr bis dahin sehr sympathisch war und zu der sie eine große Nähe über die unterschiedliche Kultur, Sprache und Lebenslage hinweg empfunden hatte, in eine schwierige Lage gebracht. Sie war sehr ärgerlich. Gleichzeitig war ihr präsent, dass es Gründe dafür geben musste, warum Frau F. so gehandelt hatte. Sie fragte sich, ob ihr Vorgehen richtig gewesen war und ob sie zugehört hatte, was Frau F. wirklich wollte. War es mehr ihre eigene Idee gewesen, dass Frau F. dringend einen Ausbildungsplatz brauchte? In der Gruppe der freiwillig Helfenden, mit denen sie sich gemeinsam engagierte, gab es ein Gespräch über dieses Erlebnis und über mögliche Gründe von Frau F., nicht zu dem Gespräch zu erscheinen. Es kam zur Sprache, dass Frau F. vor noch nicht langer Zeit während der Flucht ihren Mann verloren hatte, der von einer Bande von Bewaffneten getötet worden war. Frau F. überlebte den Überfall und die weitere Flucht, war aber häufig in sehr trauriger, verzweifelter Stimmung. Darüber sprach sie allerdings fast nicht. Frau H. hatte diese Stimmung öfter wahrgenommen und hatte mit der Arbeitssuche vielleicht auch einen Versuch unternommen, Frau F. aus ihrer Trauer heraus wieder mehr ins Leben zu

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holen und sie auf eine Zukunft hin zu orientieren, die wieder mehr Lebendigkeit und Freude in ihr Leben bringen würde. Das wurde Frau H. im Gespräch noch mal sehr deutlich, nachdem ihr Ausbildung und Arbeit zunächst lediglich als beste Möglichkeit einer Perspektivenentwicklung erschienen war. Aus der Helfergruppe kamen Überlegungen, ob Frau F. möglicherweise noch gar nicht bereit gewesen sei für einen solchen Schritt in die Zukunft, dass sie vielleicht noch sehr intensiv mit der Trauer um ihren Mann beschäftigt sei. Die Frage tauchte auf, warum dann nicht einfach eine Absage möglich gewesen sei. Kulturell bedingte Verhaltensweisen wurden thematisiert. Dürfte man an Frau F.s Stelle einfach sagen, dass die deutsche Helferin sich nicht weiter bemühen solle, dass man nicht zu einem Bewerbungsgespräch kommen möchte, auch wenn die Chancen noch so einmalig erscheinen? Könnten aus der kulturellen Perspektive betrachtet Zustände von großer Trauer und psychischer Krise überhaupt gegenüber relativ fremden Personen thematisiert werden oder wäre das ein grober Verstoß gegen eigene Werte und Formen der sozialen Kommunikation? Die Gruppe kam zu dem Eindruck, dass dies Frau F. vielleicht sehr schwergefallen wäre anzusprechen, zumal in einer fremden Sprache, in der sie bisher eher das Vokabular erlernt hatte, um einfachere Dinge des Alltags für sich regeln zu können. Als weiteres Thema tauchte in der Gruppe auf, dass sich Frau F. vielleicht in einem Konflikt zwischen beiden Positionen befunden habe, nämlich in der Trauer zu verharren und nach außen zu gehen und sich in Richtung Zukunft zu orientieren. Dass solche inneren Ambivalenzen dann zu einem Verhalten führen können, das keine Handlung mehr zulässt, sondern zu einer Art Lähmung führen kann. Zuletzt wurde Frau H. gefragt, ob sie mit diesem Ärger und mit ihrer Enttäuschung noch weiter Frau F. unterstützen und begleiten könne und unter welcher Voraussetzung. Frau H. schilderte noch mal, wieviel Ärger sie empfunden hatte, als sie bemerkte, dass

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Frau F. nicht gekommen und auch nicht angerufen hatte. Dass Frau F. nichts zugestoßen und sie deswegen verhindert war, habe sie einerseits erleichtert, andererseits sei das für sie die einzig mögliche Erklärung gewesen. Jetzt denke sie, dass sie vielleicht doch zu schnell in Richtung Aktivität gegangen sei, dies sei auch ihre Lösung bei eigenen problematischen Situationen. Vielleicht sei sie zu schnell gewesen für Frau F., die sich nicht mehr bewegt habe, als es so weit war. Es gehe ihr aber mit dem Gedanken besser, dass es sicher keine Absicht von F. gewesen sei, ihr ganzes Engagement in der Situation wertlos erscheinen zu lassen. Sie könne sich heute vorstellen, ihr Tempo mehr an das von Frau F. anzupassen, noch mehr nachzufragen und auch Unausgesprochenes zu hören. Ihr Ärger sei schon wieder verflogen. Wenn sie Frau F. nicht weiter begleite, dann würde diese allein in einer schwierigen Situation bleiben. Womit sie das formulieren konnte, was Frau F. nicht aussprechen konnte, sondern in Handlung umgesetzt hatte. Ihr Verhalten hätte es Frau H. leicht machen können, Frau F. allein zurückzulassen und damit wäre partiell das Erleben ihres traumatischen Verlustes reinszeniert worden.

4.1 Regelmäßige Reflexion des Beziehungs­ geschehens zwischen Helfenden und Geflüchteten in Intervision und Supervision Wie das Fallbeispiel zeigt, gibt es häufig im Kontext der Begleitung Geflüchteter belastende Gefühle, die Freiwillige, aber auch Fachleute aushalten müssen. Frau H. hatte eine Nacht kaum geschlafen vor Ärger und Unruhe, sie hatte mit Gefühlen von Enttäuschung gekämpft und sich in ihrem Engagement missachtet und abgewertet erlebt. Andere spüren den Druck hautnah, der bei der Ankündigung sogenannter aufenthaltsbeendender Maßnahmen

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entsteht oder bei der Ablehnung von Asylanträgen sowie bei psychischen Krisensituationen, in die von ihnen begleitete oder betreute Geflüchtete geraten. Dies wechselt in anderen Situationen zu sehr positiven Gefühlen, wie für andere etwas Sinnvolles tun zu können, Anerkennung zu erleben durch die Geflüchteten selbst, aber auch durch die Institution, in deren Rahmen die Hilfe stattfindet und durch andere relevante Umwelten. Dann entsteht ein Gefühl von »stimmiger Verbundenheit« (Lamprecht u. Sack, 1997), das bei den Helfenden große Zufriedenheit bewirkt und eine wichtige Grundlage für ihr seelisches Gleichgewicht darstellt. Da diese Gefühle der erheblichen Belastung und der stimmigen Verbundenheit und Zufriedenheit, mit dem etwas gelungen ist, häufig nah beieinanderliegen, ist der Austausch darüber mit anderen Helfenden, sei es als extern geleitete Supervision oder zumindest als kollegiale Beratung, unerlässlich. Die Gruppe der Helfenden oder das Team ist der Ort, an dem es regelmäßig einen Austausch geben sollte über das, was manchmal in der Beziehung zu Geflüchteten als eine Art »Handlungsdialog« bezeichnet wird (nach Rolf Klüwer, 2000, in Anlehnung an einen Begriff aus der analytischen Psychotherapie) und nicht ausgesprochen werden kann. Gleichzeitig kann jeder Einzelne in der Gruppe den Blick auch auf Aspekte richten, die demjenigen entgehen würden, der eine Situation beschreibt, in die er direkt involviert ist. Die Sicht der anderen kann das nicht Wahrgenommene oder auch manchmal aktiv Ausgeblendete wieder mit einbringen und so den Blick erweitern. Um bei dem beschriebenen Fallbeispiel zu bleiben: Frau H. selbst waren die traumatischen Erlebnisse von Frau F. und der Verlust ihres Mannes nicht in den Sinn gekommen, als sie über das Fernbleiben von Frau F. nachdachte. Sie hatte aber, als sie zur Geschichte von Frau F. einige Fragen aus der Gruppe gestellt bekam, ziemlich bald den Eindruck, dass dies einen Schlüssel zum

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Verständnis darstellen könnte. Ihre Reaktion war nicht: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, sondern sie hatte das Gefühl, dass sich in dem Moment eine Tür des Verständnisses öffnete. Die Reflexion in der Gruppe ermöglicht nicht nur andere als die bislang hergestellten Zusammenhänge zu sehen, sondern sie bietet auch Schutz vor zu großer Identifizierung mit den Hilfesuchenden. Indem andere in der Gruppe oder im Team bemerken und ansprechen, dass ein*e Teilnehmer*in sich vielleicht zu sehr mit den Themen und Gefühlen eines*einer Geflüchteten identifiziert hat, sodass die Grenzen der Hilfe unklar geworden sind, gibt es eine Chance, dieses auf Dauer auch gesundheitlich riskante Vorgehen zu verändern.

4.2 Kooperationsmodelle und Organisations­ strukturen, die freiwillig Engagierte schützen Nachdem schon im ersten Kapitel auf die verschiedenen Organisationsstrukturen eingegangen wurde, in denen Freiwillige in der Arbeit für Geflüchtete aktiv sind, sollen an dieser Stelle eine Reihe von konkreten Voraussetzungen benannt werden, die in diesen Kontexten gesundheitserhaltend wirken und die dazu geeignet sind, gute Grenzen im Engagement einzuhalten. Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen des Helfens nimmt neben den persönlichen Voraussetzungen der Einzelnen großen Einfluss darauf, ob es sich bei dem Engagement um eine längerfristig zufriedenstellende oder eine dauerhaft belastende Tätigkeit handelt, die dann oft zum Abbruch des Engagements führt. ȤȤ Zunächst erscheint es für die Engagierten hilfreich, wenn es eine Organisationsstruktur gibt, die über Statuten bzw. mit grundlegenden Übereinkünften besteht, wie z. B. als Verein oder als Initiative (Runder Tisch

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Asyl, Arbeitskreis Geflüchtetenhilfe, Patenschaftsprojekt »xy«). Dadurch entsteht mehr Klarheit über das Engagement für die Beteiligten selbst und für andere, nämlich für die Adressaten der Hilfe und für Behörden u. a. Das Engagement derjenigen, die als Einzelne ohne eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten tätig werden, ist oftmals im Vergleich zu Beteiligten an Initiativen belastender und auch in größerer Gefahr, grenzenlos zu werden. ȤȤ Es werden Arbeitsaufgaben von den Mitgliedern der Initiative oder des Vereins regelmäßig bei gemeinsamen Treffen diskutiert und Zuständigkeiten festgelegt, die allen bekannt sind. Das heißt: Es gibt Transparenz darüber, wer welche Aufgaben übernommen hat. Die Aufgaben richten sich im günstigen Fall nach den Kompetenzen, die von einzelnen Engagierten eingebracht werden können. Oft richtet sich die Übernahme von Aufgaben auch eher nach der zeitlichen Verfügbarkeit, z. B. wer vormittags zu Behörden oder Ärzt*innen begleiten kann. Wer kann eher abends in einer Unterkunft noch mit den Bewohner*innen Anliegen und Probleme klären? ȤȤ Es finden regelmäßige Rückmeldungen an andere Freiwillige statt über das, was die Einzelnen in ihrer Arbeit als erfolgreich erleben, welche guten Momente es gab und was ihnen schwer oder problematisch erschien. Für diese Rückmeldungen und für die gemeinsamen Treffen ist eine Moderation günstig, um die Zeitstruktur einzuhalten und damit möglichst alle Teilnehmenden gehört werden. ȤȤ Die Aufgabe eines*einer gewählten Koordinator*in könnte es sein, sowohl zu den Treffen einzuladen, Themen auf die Tagesordnung zu setzen, als auch für einen schützenden Rahmen zu sorgen und auf die Einhaltung von Grenzen zu achten, was das zeitliche Engagement der Einzelnen angeht.

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ȤȤ Der*Die Koordinator*in oder eine Person aus der Gruppe sollte in Absprache mit den anderen Fortbildungen und Supervision oder Intervisionstreffen organisieren, damit es für die Einzelnen einen Kontext gibt, in dem sie einerseits ihre Kompetenzen für die Arbeit erweitern können und in dem andererseits Belastungen aus der Begleitung von Geflüchteten angesprochen werden können. Intervision ist auch dann möglich, wenn sich nur zwei oder drei Personen regelmäßig nach vereinbarten Regeln zum Austausch über Themen zusammenfinden, die sich aus ihrem Engagement ergeben. ȤȤ Präventiv für den Erhalt von Gesundheitsressourcen ist es auch, einen Ort einzurichten, an dem Gespräche stattfinden können, Materialien aufbewahrt werden können und nicht alles aus der privaten Wohnung heraus erfolgen muss. Gerade bei kleineren Initiativen, die auch finanziell nicht so gut ausgestattet sind, kann eine fehlende Örtlichkeit eine zusätzliche Belastung für alle darstellen. ȤȤ Von großer Bedeutung ist eine Regelung dafür, wer als erste Anlaufstelle angerufen werden kann und zu welchen Uhrzeiten, sollte Hilfe benötigt werden. Die Nutzung von privaten Handys und Telefonnummern sollte in einem verträglichen Umfang stattfinden und Empfehlungen dazu weitgehend eingehalten werden. ȤȤ Hilfreich sind gute Informationen und Verbindungen zu Beratungsstellen, Gesundheitseinrichtungen und anderen Fachstellen der Hilfe, auf die von den freiwillig Engagierten verwiesen werden kann. Die Freiwilligen sollten wissen, in welchen Situationen wer einbezogen werden sollte und wo die Grenzen des freiwilligen Engagements liegen. Die zeitlichen, inhaltlichen und emotionalen Grenzen sollten im Team immer wieder neu von den Engagierten überdacht und zum Thema

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gemacht werden, auch zur Unterstützung derjenigen, die neu hinzukommen. ȤȤ Gemeinsame Feiern sowie Würdigung des Engagements der Gruppe auch durch staatliche oder nicht-­ staatliche Institutionen (z. B. durch Integrationsämter der Kommunen, Wohlfahrtsverbände, Kirche, Sozialministerium) können für die Aufrechterhaltung einer guten Atmosphäre und für anhaltende Zufriedenheit bei den freiwillig Engagierten einer Initiative sorgen. Es wirkt sich außerdem positiv auf das Wohlbefinden aller in der Gruppe aus, wenn es außer der Hilfe für andere auch andere Aktivitäten gibt, die das Wohlbefinden der Helfenden zum Inhalt haben.

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4.3 Rahmenbedingungen und Teamstrukturen, die hauptamtliche Fachkräfte vor Mitgefühlserschöpfung schützen In den vergangenen Jahren wurden – wie schon eingangs erwähnt – viele Fachkräfte in der Begleitung und Betreuung von Geflüchteten neu eingestellt, manchmal direkt als erste Stelle nach dem Hochschulabschluss und manchmal aus anderen Bereichen der Beratung oder der Jugendhilfe. Für viele der Beschäftigten ergab sich der erste Kontakt zu Klient*innen mit Fluchtbiografie und Themen, die ihnen mit den bisherigen Klient*innen oder betreuten Jugendlichen nicht begegnet waren, wie etwa ein unsicherer Aufenthaltsstatus, phasenweise sehr schwierige Verständigungsmöglichkeiten in Deutsch oder in einer für beide Seiten fremden Sprache wie Englisch. Als Pädagog*innen in der stationären Jugendhilfe erfuhren sie von dem Trennungsschmerz dieser Kinder bzw. Jugendlichen von ihren Familien im Herkunftsland aufgrund von Krieg, Verfolgung und Flucht. Auch wenn viele pädagogische Fachkräfte Erfahrungen mit traumatisierten Jugendlichen hat-

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ten, stellten sie oft deutliche Unterschiede fest zwischen innerfamiliärem oder außerfamiliärem Trauma, das die Jugendlichen erlebt hatten. Jugendliche, die vor ihrer Flucht über eine fürsorgliche und haltgebende Beziehung zu den Eltern oder anderen nahen Bindungspersonen verfügten, konnten häufig nach einiger Zeit einen guten Kontakt zu den Pädagog*innen als wichtige Bindungspersonen aufbauen. Sie zeigten sowohl ein großes Bedürfnis nach emotionaler Zuwendung durch Erwachsene im Rahmen von sicheren, kontinuierlichen Bindungen als auch eine hohe Motivation, zu lernen und den großen Wunsch, Perspektiven zu entwickeln für die eigene Zukunft und möglichst für die Familie im Herkunftsland. Ein großer Teil verfügte über erstaunliche Fähigkeiten, in relativ kurzer Zeit die deutsche Sprache zu lernen und sich in den schulischen Alltag zu integrieren, vor allem wenn sie es zuvor schon gewohnt waren, zu lernen und länger die Schule besucht hatten. Auch diese Jugendlichen durchlebten dennoch manchmal Krisen und zeigten erhebliche Belastungsreaktionen in Situationen, in denen ihre Unsicherheit zunahm, konnten aber leichter als innerfamiliär traumatisierte Jugendliche wieder in einen hilfreichen Dialog mit den sie betreuenden Pädagog*innen gelangen. Die Gefahr von selbstdestruktiven Handlungen und Kreisläufe des Scheiterns waren viel geringer. Sie konnten auch leichter psychosoziale Beratung oder psychotherapeutische Angebote annehmen und diese über längere Zeiträume für sich nutzen. Dies ist auch für Jugendliche meist nicht so leicht, die nicht zusätzlich noch kulturelle Barrieren überbrücken müssen, weil sie kaum vergleichbare Angebote aus ihrer Heimat kennen. Diese Beobachtungen, die über mehrere Jahre in der Fallsupervision entstanden, beruhen zusätzlich auf Eindrücken aus mehrjähriger psychosozialer Beratung mit unbegleiteten geflüchteten Jugendlichen, aber auch mit Jugendlichen, die gemeinsam mit ihrer Familie

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geflohen waren und im Vergleich mit Jugendlichen ohne Fluchtbiografie in der Erziehungsberatung. Für die pädagogischen Fachkräfte kam in der Beziehung mit geflüchteten Jugendlichen hinzu, dass diese, nachdem sie zum Teil jahrelang allein unterwegs und einem täglichen Überlebenskampf ausgesetzt waren, mit einer durch die Flucht forcierten Entwicklung und mit oftmals gänzlich anderen Vorstellungen von Erziehung oder Geschlechterrollen in die Einrichtungen kamen. Als Belastung erlebten die Mitarbeitenden, dass es immer wieder personelle Engpässe gab, manchmal durch Krankheits- und Urlaubszeiten oder personelle Wechsel, und sich die Einrichtung schnell im krisenhaften Bereich befinden konnte. Dann geriet die haltgebende und Sicherheit vermittelnde Funktion des Teams für die Jugendlichen in Gefahr, aber auch die Teammitarbeiter*innen fühlten sich nicht ausreichend geschützt, was insgesamt eine deutliche Instabilität der Arbeit bewirken konnte. Die Verfasstheit und Haltung in der Institution in Bezug auf die Mitarbeitenden kann unter günstigen Voraussetzungen Gesundheitsressourcen bei Fachkräften erhalten und für Entlastung sorgen. Folgende Punkte können dafür eine Rolle spielen und sind nicht nur in der pädagogischen Betreuung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen hilfreich, sondern auch im Kontext von anderen Institutionen, die mit traumatisierten Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen arbeiten:  –– Wichtige Entscheidungen, die Arbeitsinhalte betreffen, sind für alle Mitarbeiter klar und transparent. Es gibt ausreichend Möglichkeiten für die Mitarbeitenden, ihre Sichtweise der Leitung mitzuteilen. –– Die Arbeitsaufgaben werden entsprechend der Professionalität und der spezifischen Kompetenzen der Mitarbei-

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tenden verteilt; neue Mitarbeitende werden ausreichend lange eingearbeitet. Die Bezahlung der Mitarbeitenden sollte ihrer Qualifikation und der Schwierigkeit der anvertrauten Aufgaben entsprechen. Die Arbeitszeiten sind festgelegt, Überstunden finden nur als Ausnahme und nicht über längere Zeiträume quasi als Regel statt. Die Mitarbeitenden sollten selbst ihre Kapazitäten für Beratungen oder Behandlungen mit traumatisierten Ratsuchenden bestimmen können, je nach ihrer aktuellen psychischen Belastung und unabhängig von angestrebten Fallzahlen. In pädagogischen Einrichtungen sollte sich die Anzahl der Kinder und Jugendlichen ebenso danach richten, wie hoch die aktuelle Belastung für die Pädagog*innen ist und entsprechend mit Neuaufnahmen umgegangen werden. Dies war in den Jahren, in denen sehr viele Minderjährige kamen, nicht annähernd möglich, sollte aber in Zukunft wieder Berücksichtigung finden. Da es geflüchtete Klient*innen gibt, die Mitarbeiter*innen von Einrichtungen bzw. Beratungsstellen durch ihre komplexen Problemlagen und manchmal akuten Krisen psychisch besonders stark belasten, sollte die Möglichkeit vorhanden sein, dass ein*e Mitarbeiter*in nicht mehrere solcher Fälle parallel beraten oder betreuen muss, sondern dass es gute interne Verteilungsmöglichkeiten gibt. Günstig erweist es sich im Beratungskontext, wenn Möglichkeiten bestehen, Beratungsbereiche wechseln zu können, also zum Beispiel nicht über viele Jahre ausschließlich mit traumatisierten geflüchteten Klient*innen zu arbeiten. Auch wenn dadurch ein Spezialwissen bei Mitarbeitenden entsteht, das sehr wertvoll für Beratungsprozesse sein kann, erhöht es doch die Risiken für die Mitarbeitenden, Symptome einer sekundären Traumatisierung zu entwickeln.

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–– Die Leitung sorgt für einen schützenden und Sicherheit gebenden Rahmen für Mitarbeiter*innen, für Klient*innen und/betreute Kinder und Jugendliche und für das Einhalten von Grenzen in der Arbeit. –– Rückhalt durch intakte Teamstrukturen und Möglichkeiten bzw. Zeitfenster für gegenseitige Intervision innerhalb des Teams oder im Rahmen von einrichtungsübergreifenden Qualitätszirkeln sind unabdingbar. –– Es erfolgt eine regelmäßige Verständigung über Selbstverständnis und Ziele der gemeinsamen Arbeit. Es gibt eine gute Kommunikationskultur in der gesamten Einrichtung. Alle Teammitglieder sind über relevante Ereignisse, Veränderungen gut informiert, unabhängig von informellen Gesprächen zwischen Einzelnen. –– Regelmäßige externe Team- und Fallsupervision finden statt, ebenso wie regelmäßige Fortbildungen zu wichtigen Themen der Arbeit. –– Die Leistung des Teams wird durch die Leitung und die Trägerinstitution ausreichend gewürdigt und erfährt regelmäßig echte Anerkennung. 

Vielleicht erscheinen einige dieser Empfehlungen auf den ersten Blick zeitintensiv und nicht so einfach umsetzbar, während andere lediglich einer anderen Kommunikationsstruktur und Haltung innerhalb der Trägerstruktur bedürfen und nicht zwangsläufig mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. So kann sich Anerkennung sowohl in höheren Gehaltsstufen für geleistete Arbeit ausdrücken, was in unserer Gesellschaft durchaus üblich ist. Sie kann sich aber auch in einer stärkeren Beachtung von Bedürfnissen der Mitarbeitenden ausdrücken und in der positiven Sicht auf von Mitarbeitenden geleistete pädagogische Beziehungs- oder Beratungsarbeit. Zusätzliche Zeiten für Supervision, für Reflexion im Team oder für Intervi-

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sion zwischen Kolleg*innen führen erfahrungsgemäß zu einem Rückgang emotionaler Belastung und Verstrickung im Team, mit Klient*innen oder betreuten Jugendlichen und lassen oft mehr Raum für eine produktive Lösung von Aufgaben (Lang, 2013).

4.4 Prävention durch Netzwerke und Verbindungen zwischen verschiedenen Hilfesystemen Es gibt gute Gründe dafür, das Herstellen von Verbindungen zwischen den Mitarbeitenden innerhalb einer Institution und zwischen unterschiedlichen Institutionen, die mit Geflüchteten arbeiten oder sie beraten, als besonderen Punkt in der Gesundheitsfürsorge auszuführen. In den vergangenen Jahrzehnten hat es einige Beratungs- und Behandlungseinrichtungen in Deutschland gegeben, in denen sich Teams in destruktive Prozesse verstrickt haben. Es gab z. B. Spaltungen zwischen den Mitarbeitenden, die sich vordergründig an verschiedenen inhaltlichen Fragen in der Beratung mit Geflüchteten entzündet haben. Dahinter lagen oftmals Prozesse, die auch als Auswirkung von Übertragungsgeschehen im Zusammenhang mit dem Trauma der Klient*innen zu sehen sind (Pross, 2009). Wenn in der traumatischen Situation eine Abspaltung stattfindet von unerträglichen Aspekten der Realität, wenn die Welt als Folge des Traumas gespalten bleibt, in Opfer und Täter, Gut und Böse, Macht und Ohnmacht, dann ist es ganz besonders wichtig, aufmerksam für entsprechende Tendenzen in Teams und Helferkreisen zu sein. Im Team können dann Spaltungen stattfinden, in die »besonders Engagierten« und die »Mitarbeitenden, die sich drücken«, in die Dominanten und in die Ungehörten/ Machtlosen u. a. Manchmal ist in sehr strittigen Situationen die Frage wichtig, mit welchen Aspekten eines*einer

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Klient*in oder einer Klient*innen-Gruppe sich Einzelne im Team oder Helferkreis gerade verbunden fühlen. Noch ein anderes Phänomen lässt sich vor diesem Hintergrund besser verstehen. Viele freiwillig und hauptamtlich Helfende erleben wiederholt die Situation, dass sie sich sehr intensiv mit den Problemen einer Person beschäftigen, die um Unterstützung nachgefragt und ihre Bereitschaft zu helfen geweckt hat. Als Beispiel könnte man nennen, dass ein Geflüchteter aufgrund einer schon länger bestehenden Erkrankung eine ärztliche Behandlung benötigt. Es entsteht ein Klärungsbedarf darüber, wie ein Besuch bei einer bestimmten Ärztin ablaufen kann: Wie erfolgt die Fahrt dorthin? Welche Unterlagen sind wichtig mitzubringen? Wer hat diese Dokumente? Wer übernimmt die Krankenkassenkosten? Wer begleitet und dolmetscht? Oftmals haben Beratende oder freiwillig Engagierte den Eindruck, dass der*die Ratsuchende hilflos und allein solchen und vielen anderen Fragen gegenübersteht. Es ist aber in vielen Fällen so, dass es doch mehr Helfende sind, die mit diesen Fragestellungen oder Teilen davon schon länger beschäftigt sind. In dem genannten Fall waren eventuell schon andere Ärzt*innen aufgesucht worden mit den gleichen Beschwerden, ohne dass der Geflüchtete mit dem Ergebnis der Behandlung zufrieden war. Ähnliches ist bekannt aus der Sozialberatung oder von aufenthaltsrechtlichen Beratungen. Es kann in diesen und in anderen Fällen wichtig sein, die Nachfrage bei dem Hilfesuchenden zu stellen, ob es schon andere Personen oder Stellen gab oder aktuell gibt, die mit dem Problem beschäftigt sind oder waren. Manchmal wissen verschiedene Helfende nicht voneinander, erleben aber je nach Notlage des*der Geflüchteten selbst großen Druck, alles im Alleingang lösen zu müssen. Wenn unterschiedliche Stellen unabhängig voneinander eine Klärung der Fragen versuchen, kann man sich leicht vorstellen, dass

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dadurch komplizierte Sachverhalte noch komplexer werden können. Professionelle Netzwerkarbeit in Bezug auf traumatisierte Familiensysteme beschreiben Hanswille und Kissenbeck (2010). Sie stellen die großen integrativen Anstrengungen dar, um für diese nützlich werden zu können: »Hierbei hilft eine gute strukturelle Vernetzung, die Helfer nutzen und weiterentwickeln sollten […]. Der Mangel an Kohärenz in traumafragmentierten Systemen kann durch gutintegrierte Helferstrukturen absorbiert und kompensiert werden. Strukturelle Vernetzungsschwächen führen in solchen Systemen schnell zu weiterer Fragmentierung statt zur Hilfe« (Hanswille u. Kissenbeck, 2010, S. 285). Diese Beschreibung zur Hilfe für traumatisierte Familiensysteme kann erfahrungsgemäß auch für die Arbeit mit Einzelnen gelten, deren Handeln manchmal dazu führt, dass professionell Helfende und freiwillig Engagierte ihre Aktivitäten nicht in Verbindung miteinander, sondern gegeneinander entwickeln. Hinter dem Versuch, ein wichtiges Anliegen bei unterschiedlichen Stellen vorzutragen, stehen bei den Geflüchteten eine tiefe Verunsicherung und ein massiver Vertrauensverlust. Da sie während ihrer Flucht häufig die Erfahrung machen mussten, dass sie niemandem so richtig vertrauen konnten, oder dass diejenigen, denen sie vertraut hatten, sie am meisten enttäuschten, ist die doppelte oder mehrfache Absicherung in wichtigen Fragen zu einer Überlebensstrategie geworden. Dieses »Sicherheitsproblem« bei Geflüchteten zu akzeptieren, den Hintergrund zu verstehen und durch die verbindliche Zusammenarbeit mit anderen Stellen und Helfenden dafür zu sorgen, dass Prozesse von Spaltung und Fragmentierung sich nicht weiter entwickeln können, schützt auch die Helfenden vor einem ihre Gesundheit beeinträchtigenden Mitagieren.

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4.5 Was können freiwillig Engagierte und hauptamtliche Fachkräfte individuell für sich tun, damit die Hilfe nicht grenzenlos wird?

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Die Gesundheitsressourcen für Helfende zu erhalten, hängt nicht primär von ihren persönlichen Strategien beim Einhalten von zeitlichen und emotionalen Grenzen und von guter Selbstfürsorge ab. Wie schon in voraus gegangenen Kapiteln deutlich geworden ist, sind es auch die Rahmenbedingungen des Engagements und der institutionelle Kontext, die es besser oder schlechter ermöglichen, gut für sich selbst in dieser freiwilligen oder beruflichen Arbeit mit Geflüchteten zu sorgen. Aber die Helfenden kommen auch nicht umhin, für sich passende Methoden zu entwickeln, um gute Grenzen einzuhalten. Denn in den Institutionen bestehen meist Interessen, die miteinander konkurrieren, und nicht immer steht die Gesundheitsfürsorge für die Mitarbeitenden an erster Stelle, wenn es gerade viel zu tun und Turbulenzen gibt. Das war in der Zeit, als täglich viele Flüchtlinge hier ankamen, häufiger der Fall. Aber selbst wenn Vorgesetzte auch unter hohem Arbeitsdruck auf die Belastung von Mitarbeitenden achten, kann ein*e Mitarbeiter*in sich so durch ein bestimmtes Ereignis oder durch sehr komplexe Fallkonstellationen überfordert fühlen, sodass er*sie gesundheitlich aus dem Gleichgewicht gerät und es zwischen Belastung und Entspannung zu keiner guten Balance mehr kommt. Freiwillig Engagierte und Fachkräfte sollten sich zum einen für gute Rahmenbedingungen ihrer Arbeit einsetzen und zum anderen selbst so weit wie möglich auf ihre Gesundheit achten.

Was können freiwillig Engagierte und hauptamtliche Fachkräfte tun?93

Wodurch werden Gesundheitsressourcen auf der individuellen Ebene erhalten? Was können freiwillig Engagierte und Fachkräfte für sich tun?  –– Intervision mit Kolleg*innen oder mit anderen Freiwilligen führt zu einem gemeinsamen Austausch und Entlastung im Gespräch über das, was in der Beziehung zu Geflüchteten stattgefunden hat. –– Supervision als fachlicher Austausch über Fragestellungen und Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der Begleitung oder Beratung von geflüchteten Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen auftreten, wirkt als präventive Maßnahme zur psychischen Entlastung. In schwierigen Situationen braucht es auch Einzelsupervision. –– Helfende müssen ihre eigenen Gefühle, die im Kontakt mit einem*einer Klient*in oder einem*einer begleiteten Geflüchteten auftreten, bewusst wahrnehmen, z. B.: außergewöhnlich große Wünsche zu helfen oder extre­me Ablehnungsgefühle, belastende Träume, unerklärliche Gefühle von Trauer, Angst, Zukunftspessimismus, ein katastrophisches Lebensgefühl, sozialer Rückzug, Veränderung von bisher wichtigen Lebensregeln, von Lebensfreude, Entstehung von Schuldgefühlen gegenüber Geflüchteten. –– Es sollte auf Klarheit in den institutionellen Strukturen geachtet werden, die den Rahmen für die haupt- oder ehrenamtliche Tätigkeit darstellen: Wer hat Verantwortung für was? Wer kann welche Aufgabe gut übernehmen? Wann werden zu schnell Aufträge übernommen, obwohl es andere Möglichkeiten im Rahmen der Institution gibt? –– Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen bzw. fortlaufende Qualifizierung im Rahmen der Tätigkeit sollten selbstverständlich sein. 

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Angemessene Zeitgrenzen und emotionale Grenzen einzuhalten ist eine der größten Herausforderungen in dieser Arbeit. Das bedeutet, dass Helfende darauf achten sollten, wann sie sich mit dem Leid ihres Gegenübers so stark identifizieren, dass ihnen das Einhalten von Grenzen schwerfällt. Das Einhalten von Grenzen muss nicht bedeuten, sich so sehr abzugrenzen, dass Einfühlung nicht mehr stattfindet. Es kann aber für Helfende eine gute Möglichkeit der Prävention sein, immer wieder über ein dauerhaft verträgliches Maß an Engagement nachzudenken, und zwar was die zeitliche und emotionale Belastung angeht. Empathisches Verhalten ist auch dann möglich, wenn man sich nicht mit Aufgaben überlastet und allen Anliegen nachkommt. Viele freiwillig Engagierte tun sich oftmals bereits schwer, die ständige telefonische Verfügbarkeit zu begrenzen. 4

4.6 Blick auf die eigenen Ressourcen und auf die Ressourcen von Geflüchteten Ressourcenorientierung in der Begleitung von Geflüchteten stellt ein wichtiges Thema für die Arbeit mit Menschen dar, die im Zufluchtsland viele ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse, ihre sozialen und materiellen Ressourcen zumindest zeitweilig nicht aktivieren können. Durch ihre Erfahrungen von Gewalt und Entwertung, von Ausgeliefertsein, Diskriminierung und Sprachlosigkeit erleben sie häufig eine Erschütterung ihres Selbstwertes und ihres Identitätsgefühls. Die eigene Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, Fähigkeiten und Kompetenzen, aber auch in ein förderliches soziales Umfeld eingebunden zu sein und neue vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen – um nur einige Punkte zu nennen – bedeutet einen Zugewinn an psychischer Stabilität in einer Welt, die hochunsicher war und oft auch im Zufluchtsland noch lange

Blick auf die eigenen Ressourcen95

weiter bleibt. Einfühlsame Begleitende oder Beratende versuchen im Kontakt mit Geflüchteten, nicht deren Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht zu vergrößern, sondern auf Fähigkeiten und Kompetenzen zu achten, die vielleicht zunächst noch nicht bemerkt wurden. Einfach ist dies schon deswegen nicht, weil die Komplexität der aufenthaltsrechtlichen und sozialrechtlichen Fragestellungen, die Anerkennung von bisherigen Schul- und Ausbildungswegen und die vielen Themen und realen Hürden, mit denen Geflüchtete konfrontiert sind, immer wieder dazu herausfordern, als Helfende auf mehreren Ebenen selbst zu intervenieren und in eine Haltung zu geraten, in der stellvertretend für den Geflüchteten alle zur Verfügung stehenden Ressourcen aktiviert werden. Ottomeyer (2011) beschreibt, wie durch unsensibles und schikanöses Verhalten von Behördenvertreter*innen, aber auch von Unterkunftsbetreiber*innen und anderen Stellen Geflüchtete in Deutschland immer wieder bedrängt und verfolgt erscheinen. Helfende werden in solcher Gemengelage, so Ottomeyer, schnell zu überaktiven »Verfolger der Verfolger« (S. 65) und vieles würde für Geflüchtete tatsächlich scheitern, wenn dem nicht so wäre. Um aber die Handlungsmöglichkeiten und das Selbstwertgefühl geflüchteter Menschen zu vergrößern, erscheint es trotz aller in der Situation stark wirksamen und widersprüchlichen Kräfte notwendig, die Hilfe so zu gestalten, dass Geflüchtete sich auch in ihren Stärken und positiven Seiten erfahren können. Oft erscheint es dafür sinnvoll, sehr genau zu beobachten, wie gut sich Geflüchtete mit der Zeit selbst verständigen können und auf welche Fähigkeiten sie bei sich aufbauen können. Hilfreich können dafür folgende Fragen sein:

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 –– Mit welchen Fähigkeiten hat der*die Geflüchtete Krisen bisher bewältigt? –– Welchen Teil einer komplexeren Aufgabe könnte der*die Geflüchtete gut übernehmen, ohne sich damit allein gelassen zu fühlen? –– Was gelingt trotz aller Schwierigkeiten gut? –– Was gibt Halt in schwierigen Situationen (Personen, Überzeugungen, z. B. Spiritualität)? –– Auf welche familiären oder freundschaftlichen Beziehungen kann er oder sie aktuell bauen? Und wen gab es früher schon einmal? –– Was hat früher Freude bereitet und könnte heute eine wichtige Ressource sein? 

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Die Stärken und positiven Seiten der Geflüchteten herauszufinden, erfordert von den freiwillig Helfenden und Fachkräften oftmals Geduld und Beharrlichkeit sowie eine Haltung, die für traumatisierte Geflüchtete hilfreicher ist, um die Kontrolle über das eigene Leben wiederzugewinnen, als das Erledigen von Aufgaben für den anderen. Sicherlich spielt bei solchen »Aufgabenübernahmen« Zeitmangel mitunter eine Rolle oder manche Aufgaben, wie z. B. die Klärung von Behördenentscheidungen, sind wirklich zu komplex und auch für die Helfenden kaum zu bewältigen. Dennoch gilt es zu berücksichtigen, dass es auch riskante Dynamiken in der Hilfe für Geflüchtete gibt, die zu schnell in die Retterposition der Helfenden münden und damit das Gefühl von Machtlosigkeit bei denen noch vergrößert, die sich dann existenziell auf die Helfenden angewiesen fühlen. Und weil dieses Gefühl der Helfenden, »so dringend gebraucht zu werden«, gerade bei Freiwilligen oft ein starker Motor dafür ist, sich intensiv und (fast) ohne Zeitgrenzen zu engagieren, kann sich diese Dynamik dann

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auch genauso schnell in die gegenteilige Richtung bewegen. Deshalb ist es wichtig, sich mit diesem Aspekt der eigenen Motivation zu beschäftigen und ihn besser zu verstehen. Das bedeutet, dass sich die Helfenden in solchen ungünstigen Dynamiken dann verstärkt als Opfer erleben, denen durch ihre Klient*innen keine Ruhe mehr gegönnt wird: Einerseits sind sie emotional selbst sehr auf das Gebrauchtwerden angewiesen (Schmidbauer, 1994), und andererseits fühlen sie sich aufgrund ihrer Tätigkeit überlastet und ausgelaugt. Ihre eigenen Ressourcen reichen dann nicht mehr aus für diese Arbeit, sie finden aber gleichzeitig nicht den Abstand, um für sich besser zu sorgen. Totale Erschöpfung, Ausstieg aus der Arbeit und oft auch aggressive Gefühle können bei den Engagierten die Folge sein. Für Helfende empfiehlt sich aus diesem Grund eine Haltung, in der sich ihr Blick immer wieder weg von den Problemen und Schwierigkeiten der Geflüchteten hin zu deren vielen vorhandenen Ressourcen und zu ihrer eigenen emotionalen Verfassung richtet. Luise Reddemann, die viele Beiträge zur Behandlung von Traumafolgen mit ressourcenorientierten Verfahren veröffentlicht hat, schreibt: »[P]rofessionelle Helfer lassen sich schnell von den Problemen und dem Leiden so sehr beeindrucken, dass sie sich ausschließlich mit dem Schrecken beschäftigen […]. Nach Momenten der Inspiration, der Freude, des Glücks und der Sinnhaftigkeit, sollte man genauso forschen wie nach denen des Unglücks, des Leidens und der Sinnlosigkeit« (Reddemann, 2001, S. 32). Sie bezieht dies auf die Therapie von Patient*innen mit Traumafolgen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass Gleiches für andere Beziehungen gilt, nämlich für Pädagog*innen, Beratende und freiwillig Helfende, auch wenn Ressourcenorientierung schon weit mehr Eingang in die Überlegungen von helfenden Berufen und freiwilliger Hilfe gefunden hat. Es geht ausdrücklich nicht um die Verleugnung der

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Zerstörung, die viele Geflüchtete erlebt haben oder darum, vergangenheitslos nach vorn zu blicken, was Geflüchteten oft empfohlen wird, das ihnen aber aus vielen Gründen nicht möglich sein kann. Es ist auch nicht zu verstehen als Festlegung auf positives Denken. Dazu Reddemann: »Wir empfehlen nicht positives Denken. Positives Denken ist eine Lüge. Das Leben ist nicht nur ›positiv‹, aber es ist auch ›positiv‹ […]. Selbst wenn es im Leben so aussah, als bestünde es überwiegend aus Unerfreulichem und Schmerz, so hat es vermutlich einige Momente gegeben, in denen sich die Patientin besser gefühlt haben dürfte« (Reddemann, 2001, S. 33). Umgekehrt ist es im Sinne einer zufriedenstellenden Begleitung Geflüchteter für Helfende von Bedeutung, die eigene Motivation und die eigenen Ressourcen auch immer wieder in den Blick zu nehmen, und der Frage nachzugehen, welche internen und externen Ressourcen sie für ihr Engagement bzw. ihre Arbeit benötigen.  Ressourcenorientierte Fragen für Helfende können sein: –– Wo liegen meine Stärken in der Begleitung von Geflüchteten? –– Was gelingt mir besonders gut im Hinblick auf Menschen, die einen hohen Unterstützungsbedarf haben oder sich häufig in Krisen befinden? –– Wie reagiere ich auf Menschen, die meine Hilfe sehr in Anspruch nehmen möchten? –– Was möchte ich gern daran verändern? –– Wie kann ich mit Belastungen so umgehen, dass es mir immer wieder gelingt, mein eigenes seelisches Gleichgewicht zu erhalten? Welche Ressourcen brauche ich dazu? –– Welche positiven Erfahrungen habe ich bisher damit gemacht, verstärkt auf meine eigenen Ressourcen zu achten?

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Von freiwillig Engagierten wurden besonders häufig folgende Ressourcen genannt, die sie für die Begleitung von Geflüchteten benötigen: –– Offenheit und Interesse an anderen Menschen –– Eine respektvolle und wertschätzende Haltung –– Einfühlungsvermögen, zuhören und von anderen lernen können –– Viel Zeit, Ruhe und Gelassenheit, Humor –– Flexibilität –– Soziale Kompetenz und Vertrauen in andere –– Selbstsicherheit/-vertrauen –– Bewusstheit für die eigene und für fremde Kulturen, Toleranz –– Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Verbindlichkeit –– Akzeptanz des Verhaltens und Entscheidungen von Geflüchteten, die sie persönlich so nicht empfohlen hätten –– Beharrlichkeit und Ausdauer bei der Suche nach Lösungen für komplexe Problemlagen –– Organisieren und strukturieren können –– Sachkompetenz in vielen Bereichen z. B. rechtliche Fragen und Sprachkenntnisse –– Gute eigene soziale und berufliche Netzwerke –– Eigene Migrationserfahrungen 

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4.7 Ein Beispiel für gute Kooperation zwischen freiwillig Engagierten und hauptamtlichen Fachkräften in einem Mentorenprojekt: Die Idee des Mentor*innen-Projektes SOCIUS für Geflüchtete in Frankfurt am Main

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Im Jahre 2012 wurde in Frankfurt ein Projekt von einem kirchlichen Träger verschiedener Beratungseinrichtungen für psychosoziale Beratung und Therapie sowie für Asylverfahrensberatung und Sozialberatung für Geflüchtete und Migrant*innen entwickelt, das die Idee einer guten Zusammenarbeit mit freiwillig Engagierten in die Praxis umsetzt. Zugewanderte und geflüchtete Klient*innen der Beratungsstellen sollten mit freiwillig engagierten Bürger*innen der Stadt Frankfurt im Rahmen einer Mentorenschaft miteinander in Kontakt kommen, mit dem Ziel, den in der Stadt lebenden Geflüchteten das Ankommen in der Gesellschaft zu erleichtern. Mentorenschaft meint hier eine Begleitung von Geflüchteten (als sogenannte Mentees) durch freiwillig Engagierte (als Mentor*innen) in Alltagsfragen. Die Mentorenschaft ist als Tandem ausgerichtet, als eine Beziehung zwischen zwei Personen. Von solchen Mentorenschaften profitieren neben den Zugewanderten und Geflüchteten auch die freiwillig Engagierten. Deren Perspektive auf das Zusammenleben vieler Kulturen aus mehr als 170 Herkunftsländern in einer Stadt kann sich in der direkten Kommunikation mit Migrant*innen und Geflüchteten verändern und einen für beide Seiten positiven Prozess anstoßen. So lautete die Grundidee des Projekts SOCIUS. Schwerpunktmäßig wird in der ehrenamtlichen Begleitung durch Mentor*innen vor allem an relativ neu angekommene Geflüchtete und Migrant*innen als Mentees gedacht. Sie sollen unterstützt werden bei der Überwin-

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dung von Barrieren, die sich oftmals durch noch fehlende Deutschkenntnisse und unzureichende Informationen über wichtige städtische Institutionen (Behörden, Bildungseinrichtungen, Beratungseinrichtungen oder Gesundheitsversorgung u. a.) ergeben. Auch die aufenthaltsrechtliche Situation der Geflüchteten erschwert oftmals ihr Ankommen in der hiesigen Gesellschaft. Hier können Mentor*innen nur insofern begleiten, dass sie in angespannten und unsicheren Zeiten ein haltendes Gegenüber für den*die Mentee bilden. Ausgestattet mit einigen grundlegenden Kenntnissen zum Asyl- und Aufenthaltsrecht sind die Mentor*innen meist in der Lage, zu sehen, wann eine Situation ihres Mentees dringende Schritte notwendig macht, sie verweisen dafür an die Sozialberater*innen der Beratungszentren. Mentorenschaften werden aber auch für die Zugewanderten ermöglicht, die zwar die größten formalen Hürden bei der Integration genommen haben, aber außerhalb ihrer Community über keine anderen Kontakte in der Aufnahmegesellschaft verfügen als jene zu professionell Beratenden, Ärzt*innen und Behördenvertretenden, was sie oftmals bedauern. Im Rahmen des Projektes SOCIUS erfolgte ab 2012 zunächst die Bildung von 18 sogenannten Tandems zwischen freiwillig engagierten Frankfurter Bürger*innen und zugewanderten Klient*innen der kirchlichen Beratungseinrichtungen, die sich eine Begleitung für bestimmte Alltagsangelegenheiten wünschten und eine durch die Beratungsstelle vermittelte Mentorenschaft eingehen wollten. Wobei dies für die meisten Mentees von der Idee her manchmal nicht so leicht verständlich erscheint, da es sich bei der Mentorenschaft weder um Beratung in einem professionellen Kontext handelt noch um rein freundschaftliche Beziehungen, sondern um eine nicht-professionelle Beziehung mit mehr oder weniger klar definierten Zielen:

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beispielsweise die Hilfe beim Finden eines Kindergartenplatzes, Begleitung bei schwierigen Gesprächen im Jobcenter, Deutsch sprechen lernen, einen Praktikumsplatz finden oder einfach Freizeitgestaltung. Konzepte der Freiwilligenarbeit kennen viele Geflüchtete nicht und sind immer wieder überrascht, dass die Engagierten gar nicht beruflich für sie tätig sind, sondern oft in ganz anderen Bereichen arbeiten und sie sich in ihrer freien Zeit mit ihnen treffen. Die Struktur des Mentorenprojektes SOCIUS

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Die Trägerschaft für das Mentorenprojekt SOCIUS liegt beim Evangelischen Regionalverband Frankfurt am Main, Fachbereich I: Beratung, Bildung, Jugend. Eingebunden in das Projekt sind die psychosozialen Beratungsstellen und Sozialberatungen für Geflüchtete und Migranten des Trägers sowie im weiteren Verlauf der Jugendmigrationsdienst des Evangelischen Vereins für Jugendsozialarbeit in Frankfurt am Main e. V. Diese Einrichtungen vermitteln ihre Klient*innen in eine Mentorenschaft, wenn sie einen Bedarf erkennen und die Bereitschaft der Klient*innen zur Teilnahme vorhanden ist. Die Stelle der hauptamtlichen Koordinatorin ist ebenso wie die Projektleitung an einem der Beratungszentren angesiedelt. Die Durchführung der Qualifizierungsreihe liegt in der Verantwortung der hauptamtlichen Seminarleitung und der extern beauftragten Studienleitung. Es gibt also eine gute Einbindung der ehrenamtlichen Tandems in die hauptamtlichen Strukturen des Trägers. Qualifizierung der Mentor*innen

Damit die Mentorenschaft gelingen kann und es nicht zu Enttäuschungen und unbefriedigenden Beziehungen oder gar vorzeitigen Beziehungsabbrüchen kommt, plante der

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Träger eine intensive Qualifizierungsmaßnahme der Mentor*innen mit 80 Unterrichtseinheiten in Wochenend- und Abendseminaren über einen Zeitraum von einem Jahr und ein sorgfältiges Matching mit guter Begleitung der beiden Tandem-Partner*innen durch eine hauptamtliche Projektkoordination. Im ersten Projektjahr 2012 war das alles noch Neuland. Man kannte zwar einige Erfahrungen anderer Mentor*innen-Projekte, die aber sehr selten im Bereich Flüchtlingsbegleitung angesiedelt waren. Ich wurde 2012 als Studienleitung mit der Konzeption und der Durchführung der ersten Qualifizierung beauftragt, diese Tätigkeit wird seitdem bis aktuell 2018 in Kooperation mit einer hauptamtlichen Seminarleitung des Trägers fortgeführt. Für die Qualifizierungsreihe werden externe Fachreferent*innen wie Jurist*innen und interkulturelle Trainer*innen oder Beratende spezifischer Einrichtungen eingeladen, sodass die Qualifizierung einem hohen professionellen Standard entspricht. Es werden Module integriert, die eher der Wissens- und Erfahrungsvermittlung dienen und andere, die eher die Reflexion in der Gruppe der Mentor*innen anregen. Aktuelle Themen, die auftauchten, erhalten ebenso Raum wie der Austausch mit Mentor*innen der vorangegangenen Jahrgänge. Ein wichtiges Ziel besteht darin, bereits im Rahmen der Qualifizierung eine Grundlage zu schaffen, dass beide Seiten die Beziehung als sinnvoll und bereichernd erleben und auch Freude an der Mentorenschaft auf beiden Seiten entstehen kann. Oder – wenn dies nicht der Fall ist – auch beide Tandem-Partner*innen eine gute Möglichkeit finden können, die Mentorenschaft zu beenden. Gerade Menschen, die durch Krieg und Verfolgung viele unfreiwillige Trennungen erleben mussten, sind oft sehr verletzlich bei weiteren Beziehungsabbrüchen. Ein Teil der Qualifizierung beinhaltet deswegen explizit das Thema: Wann ist der richtige Zeitpunkt und wie kann man die Mentorenschaft gut enden lassen?

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 Die weiteren Inhalte der Qualifizierung umfassen u. a. folgende Schwerpunkte: –– Kommunikation im interkulturellen Kontext und Rollenverständnis (u. a. Grenzen im Ehrenamt) –– Beziehungsgestaltung in der Mentorenschaft (z. B. Nähe und Distanz, Ressourcenorientierung in der Begleitung, Auswirkungen von Traumafolgen in der Beziehung) –– Lebenslagen von Geflüchteten und Zugewanderten –– Migration und Gesundheit, psychische Traumatisierung als Folge von Krieg und Flucht, gesundheitliche Versorgungslandschaft in der Stadt Frankfurt am Main, spezifische Beratungsangebote –– Rechtliche Grundlagen: Asylverfahren und -recht, Zuwanderungsrecht und Sozialrecht –– Zugang zu Ausbildung und Arbeit, Anerkennung von Zeugnissen und Abschlüssen –– Deutsch als Fremdsprache: Hinweise zur sprachlichen Unterstützung für freiwillig Engagierte –– Behörden und die Vermittlerrolle von Mentor*innen –– Supervision und Studientage 

Bereits ab der zweiten Hälfte der Qualifizierungsreihe beginnt für die Mentor*innen die Alltagsbegleitung im Tandem, und kurze Zeit später starten die regelmäßigen Supervisionssitzungen bei externen Supervisoren, um die Mentorenschaft in einem festen Gruppensetting weiter reflektieren und schwierige bzw. konflikthafte Situationen einbringen zu können oder einfach, um über den Stand der Mentorenschaft mit anderen Mentor*innen im Austausch zu sein. Die Supervisionsgruppen finden in den Abendstunden statt, um für alle eine Teilnahme zu ermöglichen. Dreimal jährlich gibt es an Samstagen zu speziellen Themen einen Studientag, zu dem die Koordinatorin alle

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Mentor*innen aus allen Jahrgängen einlädt. Die Themen können von den Mentor*innen selbst angefragt werden. Die Koordinatorin organisiert dementsprechend Fachreferent*innen für den Tag. Die Studientage tragen dazu bei, dass sich die bisherigen Mentor*innen auch nach der Qualifizierungsreihe wieder begegnen können und sich über ihre bisherigen Erfahrungen austauschen. Auswahlverfahren und Bedingungen der Teilnahme

Das Interesse an der Teilnahme als Mentor*in im Projekt ist in allen Jahren bis 2017 sehr hoch gewesen, obwohl es einen großen zeitlichen Aufwand für die Teilnehmenden bedeutet: Qualifizierungsseminare, Begleitung der Mentees durchschnittlich für zwei Stunden wöchentlich und sechs Mal im Jahr die Teilnahme an Supervision. Außerdem müssen sich die Mentor*innen vertraglich dazu verpflichten, mindestens ein weiteres Jahr nach Abschluss der Qualifizierung einen Mentee zu begleiten, ansonsten sieht die vertragliche Vereinbarung eine Rückzahlung von entstandenen Kosten für die Qualifizierung vor. Sie sollen auch verbindlich erklären, an allen Seminaren während des Jahres teilzunehmen (mindestens 80 %) und sich mit einem Motivationsschreiben bewerben. Eine konfessionelle Zugehörigkeit spielt für die Bewerbung keine Rolle. Über das Mentor*innen-Projekt wird an einem oder zwei Abenden vor Beginn bei einer öffentlichen Veranstaltung informiert, an denen in den letzten Jahren jeweils ca. 40 bis 150 Interessierte teilgenommen haben. 2015 und 2016 meldeten sich die meisten interessierten Personen, die den Wunsch und die Motivation hatten, »an einem gut strukturierten und professionell begleiteten Projekt des ehrenamtlichen Engagements für Geflüchtete teilzunehmen, das ihnen als noch Unerfahrene ausreichend

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Sicherheit geben würde«, und die sich gezielt für diese ehrenamtliche Tätigkeit entschieden hatten. Dem Motivationsschreiben folgt ein persönliches Gespräch mit der Koordinatorin des Trägers. Dann erst findet eine Auswahl der Mentor*innen statt. Das Konzept scheint sehr gut anzukommen, da sich nach dem ersten Projektjahr so viele freiwillig Engagierte gemeldet und beworben haben, dass zwei Gruppen zur Qualifizierung parallel eingerichtet wurden, also insgesamt 36 Personen pro Jahrgang. Mehr Gruppen waren aus Kapazitätsgründen für eine gute Qualifizierung und eine angemessene Begleitung der Tandems nicht möglich. Die Bandbreite der Teilnehmenden geht von Architekt*innen, Computer-Fachfrau, Bankangestellten, Lehrer*innen, Mitarbeitenden von Entwicklungsdiensten mit Vollzeitjobs über Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen zu Personen, die bereits im Ruhestand sind und relativ viel Zeit investieren können. Die meisten der an der Mentorenqualifizierung Teilnehmenden waren in Deutschland geboren, aber es gibt auch eine ganze Anzahl von Mentor*innen, die selbst oder ihre Eltern eine Migrations- bzw. Fluchterfahrung haben und die anderen Zugewanderten den Start in die hiesige Gesellschaft leichter machen wollen. Interessant in diesem Kontext ist, dass im Rahmen der Mentor*innen-Qualifizierung auch Menschen zusammenkommen, die sich in ihrem üblichen Lebensumfeld eher nicht begegnen würden, weil sie aus gänzlich verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen kommen. Im Rahmen des freiwilligen Engagements für Geflüchtete stellt sich dann fast immer eine starke inhaltliche Verbindung her, sodass es einige Aussagen wie die folgende gab: »Als ich die Gruppe das erste Mal sah, habe ich fast ein bisschen gezweifelt, ob ich mich mit den anderen Teilnehmern wohl verstehen würde. Die Teilnehmer der Gruppe waren so unterschiedlich und die meisten viel älter als ich. Inzwischen fühle ich mich da

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sehr wohl und finde, dass es für mich richtig gut war, mal aus den eigenen Kreisen herauszukommen. In unserem normalen Alltag wären wir uns nie begegnet.« Die Zusammenstellung der Tandems

Mentees in diesem Mentor*innen-Projekt sind, wie bereits erwähnt, die Klient*innen der Beratungsstellen des Trägers und junge Erwachsene, die durch den Jugendmigrationsdienst unterstützt werden. Mentor*in und Mentee lernen sich in einem gemeinsamen Gespräch mit der Koordinatorin des Projektes kennen und vereinbaren, ob sie ein Tandem bilden möchten und mit welchem Ziel. Dieses Ziel kann der erfolgreiche Abschluss einer Prüfung sein, die Unterstützung für Bewerbungen auf eine Ausbildungsstelle oder einen Job, Deutsch sprechen oder auch einfach die Stadt mit ihren vielen Freizeitangeboten besser kennenlernen. Es gibt eine schriftliche Vereinbarung über das gemeinsame Tun, die eine Verbindlichkeit einerseits darstellt, andererseits aber auch Abweichungen zulässt, wenn andere Erfordernisse notweniger erscheinen. Dies stellt aber keinen Automatismus dar, sondern erfordert ein neues und bewusstes Übereinkommen im Tandem. Damit soll dafür gesorgt werden, dass Mentor*innen sich nicht mit zu vielen Aufgaben und Aufträgen gleichzeitig beschäftigen. Auch für die Mentees bedeutet diese Vereinbarung einen Schutz vor zu viel und fast überwältigender Hilfe, wie sie schon in manchen Ehrenamtskontexten zum Problem geworden ist. Die schriftliche Vereinbarung dient also beiden Seiten dazu, Grenzen zu wahren und Reflexionsprozesse darüber zu fördern, wenn Grenzen weit überschritten werden.

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Spezifische Belastungen im Rahmen der Mentorenschaft

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Was im Rahmen des Projektes SOCIUS für die Mentor*innen sehr zufriedenstellend erscheint, ist die Einbindung in die Mentorengruppe, in der jeder mit der Zeit spezifische Erfahrungen mit einer Fülle von Themen macht, wie sie in den Tandems entstehen. Das können Fragestellungen sein zu kulturell bedingten Verhaltensweisen (Wie viel direkte Absage kann ein*e Mentor*in von seinem Mentee als Reaktion auf seine Vorschläge erwarten und wo muss der*die Mentee aus Gründen der Höflichkeit ein Angebot zu einer bestimmten Aktivität annehmen?), zu religiösen Festen und Vorschriften (Einladungen zum Essen in der Fastenzeit?), oder zu ganz praktischen Informationen in Bezug auf Praktikumsmöglichkeiten, Wohnungssuche, Anerkennung von Zeugnissen, Deutschkurse, Familienzusammenführung u. a. Bei den Mentor*innen entsteht so ein Expertenwissen zu bestimmten Themen und ein Wissen der anderen Gruppenmitglieder darüber, wer für ein Problem, das sich ihnen jetzt gerade offenbart, schon einmal einen Lösungsweg gefunden hat. Die Möglichkeit, sowohl in der Gruppe der Mentor*innen selbst als auch durch die Koordinatorin als kontinuierliche Ansprechpartnerin und im Rahmen der Supervision für auftauchende Probleme Unterstützung zu erhalten, sorgte dafür, dass die Überforderung der Mentor*innen während des Engagements bisher insgesamt gering blieb. Es gab allerdings einige Themen, die eine große Herausforderung und damit auch eine Gefahr darstellten, dass Mentor*innen über ihre Grenzen gingen – und dies zeitlich und emotional. Dazu gehörte die Situation von Geflüchteten, deren Aufenthalt trotz zunächst guter Bleibeperspektive unsicher wurde, wie z. B. bei afghanischen Geflüchteten. Dazu gehörte auch die Geburt eines Kindes bei alleinstehenden jungen Frauen, weil de-

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ren Situation dadurch häufig noch viel vulnerabler erschien und es auch um die ersten sehr wichtigen und prägenden Monate für den Säugling und die Mutter ging. Dazu gehörten manchmal auch psychische Krisensituationen bei Geflüchteten oder bevorstehende Prüfungssituationen, die eine existenziell große Bedeutung für die Geflüchteten haben. Als belastend erlebten es Mentor*innen auch, wenn sie den Eindruck hatten, dass sich alle ihre Versuche hilfreich zu sein im Kreise zu drehen schienen, weil Mentees aufgrund ihrer psychischen Verfasstheit in einer schwierigen Lage verharrten, und es kaum Schritte einer sichtbaren Veränderung durch die Unterstützung eines*einer Mentor*in gab. Auch wenn das Begleiten im Alltag durchaus bedeuten konnte, sich einfach Zeit für Begegnung und Gespräch zu nehmen, war doch in der Regel bei den Mentor*innen ein Ziel vor Augen, wie der*die Mentee in dieser Gesellschaft durch das Zur-Verfügung-Stellen von Zeit und Beziehung besser ankommen könnte. Wenn diese Meilensteine nicht erreicht wurden, tauchten Zweifel am Sinn des Engagements auf und führten vielleicht auch zu Zweifeln am eigenen Können oder der eigenen Person als Spiegelphänomen der Gefühle, die bei einem*einer Mentee vorhanden sind, der/die sich keinen weiteren Entwicklungsschritt zutraut. Positive Auswirkungen einer Mentorenschaft bei Mentees und Mentor*innen

Die Berliner Psychosoziale Beratungsstelle für Geflüchtete Xenion, die seit annähernd zwanzig Jahren Mentorenschaften fördert, beschreibt eine positive Auswirkung für Geflüchtete durch die Tandems: »Mit dem ›Mentoring‹-Ansatz sollen die Lebensumstände der Flüchtlinge stabilisiert werden. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die innerpsychischen Prozesse und die Verarbeitung von traumatischen Fluchterlebnissen aus. Der regelmäßige

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Kontakt der Flüchtlinge zu den Mentorinnen und Mentoren, gemeinsame Aktivitäten und persönliche Beziehungen, geben Flüchtlingen Struktur und erleichtern es ihnen, sich im Lebensalltag zurechtzufinden. Traumatisierte Flüchtlinge empfinden ihre Situation im Exil häufig als ›ausgeliefert sein‹ in einer als bedrohlich und fremd wahrgenommenen Welt. Die Mentorin oder der Mentor hilft dem Flüchtling, diese Wahrnehmung langsam zu verändern und sich zu öffnen für Neues, bisher nicht Vertrautes« (von Griessenbeck u. Meißner, 2010, S. 92 f.). Für das SOCIUS-Mentor*innen-Projekt in Frankfurt am Main kann diese positive Auswirkung bei geflüchteten Mentees bestätigt werden. Zu einer Stabilisierung im Alltag kommt hinzu, dass wichtige Lebensziele allein im Rahmen von Beratungsdiensten nicht realisiert werden könnten. Erst mithilfe einer vertrauensvollen individuellen Beziehung zu einem*einer Mentor*in konnte ein erheblicher Anteil der geflüchteten Mentees Wege gehen, die eine langfristige Integration durch Aneignung von Sprache und Bildung, durch Ausbildung, Beruf, soziale Beziehungen und Freundschaften möglich machten. Dazu trägt in großem Maße bei, dass die Mentor*innen über wichtige eigene soziale und berufliche Netzwerke verfügen, die sie häufig mit einbringen und die Netzwerke der professionell Beratenden ergänzen. Die Mentor*innen beschreiben die positiven Auswirkungen, die sie erleben, in erster Linie als Ermöglichung von neuen Erfahrungen in Bezug auf sich selbst und in Bezug auf andere Menschen. Sie berichten von einem Zugewinn an Offenheit und Interesse für Neues. Sie erleben sich nicht nur als Helfende, sondern auch als Personen, die etwas zurückerhalten in der Mentorenschaft. Dies geschieht in erster Linie durch die positiven Rückmeldungen der Mentees, aber auch durch die Anerkennung des Trägers u. a. in Form von Einladungen zu Feiern und in

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der Sichtbarmachung des Engagements in der Öffentlichkeit. Als Rückmeldungen der Mentor*innen gab es häufiger Beschreibungen, dass sie sich mit ihrem Engagement in der Lage fühlten, etwas zu beeinflussen, dass sie »ihre Umgebung ein bisschen gerechter, lebenswerter und schöner machen können.« (Mentor im Jahr 2014, anonymisierter Fragebogen). Einige thematisierten ihr gewachsenes Interesse an Migrationsschicksalen und dass sie bei eigenen Problemen diese im Verhältnis zu dem, was andere erleben, nicht mehr so wichtig nehmen würden. In den Jahren, in denen die Zustimmung zur Aufnahme von Geflüchteten am größten war, erlebten die Mentor*innen ihr Engagement auch als Teil einer Bewegung, die mehr explizit politische Inhalte hatte, andere fühlten sich mehr als Teil einer humanitär oder christlich orientierten Gemeinschaft. Viele Mentor*innen beschrieben ein Gefühl von Übereinstimmung mit dem »hellen Deutschland« (Kratz u. Schott-Leser, 2016), das offensichtlich in hohem Maße identitätsstiftend für sie wirkte. »Ein beruhigendes Gefühl, dass viele andere Menschen so wie ich fühlen und sich für die gleiche Sache engagieren« (Zitat eines Mentors). »Ich erzähle nahen Freunden über meine Mentorenschaft. Sie fragen jedes Mal nach, wie es steht. Ich berichte gerne darüber«, lautet eine andere Stimme. Wobei es seit dem letzten Jahr auch Anmerkungen von Mentor*innen gibt, dass nicht alle Freunde und Angehörige auf ihr Engagement positiv reagieren, sondern entsprechend zu fremdenfeindlichen Tendenzen in Teilen der Gesellschaft sich auch im privaten Bereich der Mentor*innen vorwurfsvolle Stimmen in Bezug auf die Hilfe für Geflüchtete zu Wort melden. Weitere häufigere Statements von Mentor*innen lauteten: »Ich kann nun besser argumentieren bei Menschen, die gegenüber Geflüchteten skeptisch sind, aufgrund der Details, die ich jetzt kenne.« Einige betonen eine insge-

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samt größere Sensibilität für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Im Vergleich mit anderen Formen des freiwilligen Engagements, bei dem es manchmal um eher kurze Kontakte oder um Hilfe für viele verschiedene Geflüchtete ging, waren aus meiner Erfahrung die Belastungen für die Freiwilligen in den längerfristigen und individuellen Beziehungen oft zufriedenstellender und weniger überfordernd, auch wenn es in dem einen oder anderen Fall zu nicht vorhersehbaren schwierigen Entwicklungen kam. Gemessen an der Gesamtheit der Mentorenschaften waren es wenige im Verlauf der letzten sechs Jahre.

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5 Ausblick »Das Lebensgefühl, angesichts der Beschleunigung in der flüchtigen Moderne nicht mehr mitzukommen, sich durch den Vergleich mit anderen zurück­gesetzt zu fühlen, sich in der postmodernen Welt selbst h ­ altlos und entwurzelt zu fühlen, mobilisiert tiefgreifende Unsicherheitsgefühle und Ängste. Weil wir in unserem S­ elbsterleben instabiler und vulnerabler g­ eworden sind, wird das Fremde zur Gefahr und die S­ uche nach festen Grenzen und homogenen Gruppen zwar v­ erständlich, aber umso gefährlicher.« (Allert, 2017, S. 13)

Während ich dieses Buch abschließe, hat sich das gesellschaftliche und institutionelle Umfeld für ehrenamtliche und hauptamtliche Begleitung von Geflüchteten auf vielen Ebenen verändert im Vergleich zu der Zeit, als die Idee zu diesem Buch entstand. Es gibt inzwischen eine erstarkte rechtspopulistische Partei, die mit ihren rassistischen ­Parolen an vielen Orten ein feindliches Klima gegenüber Geflüchteten geschaffen hat, und das nicht nur in östlichen Bundesländern, sondern in allen. Es treten als Intellektuelle bezeichnete Autor*innen, Journalist*innen, Mediziner*innen, Jurist*innen und andere Akademiker*innen als konservativ-bürgerliche Flüchtlingsgegner*innen mit der »Gemeinsame Erklärung 2018« an die Öffentlichkeit, die als seriösere Variante die rechtspopulistischen Kräfte unterstützen und die Gehör finden. Gleichzeitig ist die Zahl der Geflüchteten erheblich gesunken, sodass solidarische Aktivitäten von ehrenamtlich Helfenden nicht mehr so sichtbar an zentralen Aufnahmestellen stattfinden, sondern oft im Rahmen von vielen dauerhaften Prozessen der Begleitung, die nur gelegentlich in der Presse erscheinen und nicht mehr in der Form einer breiten gesellschaftlichen Aktivität wie im »Sommer der Solidarität«. Zu den Veränderungen, dem »Klimawandel«

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in der Gesellschaft, trug auch die Angst vor Anschlägen und Verbrechen bei, die sich seitdem ereignet haben. Sie machten deutlich, dass es in der Gruppe der Geflüchteten auch Personen gibt, die möglicherweise durch den Einfluss der Gewaltverhältnisse, aus denen heraus sie nach Europa kamen, imstande sind, Gewalt auszuüben. In der Identifikation mit einer mächtig erscheinenden Gruppe wie dem IS versuchten sie offenbar, ihrem Leben und Tod mit einer »grandiosen« Tat einen Sinn verleihen zu wollen (Bohleber, 2012). Auch wenn die Zahl derjenigen gering ist, bei denen sich eine extremistische Ideologie und eine Persönlichkeitsstörung zu destruktiven Gewalttaten verbunden haben, ist dadurch bei vielen Menschen Verunsicherung entstanden. Diese Verunsicherung zu instru­ mentalisieren, war für diejenigen Kreise nicht schwer, die gegen eine Zuwanderung und Aufnahme von schutzbedürftigen Geflüchteten als »illegale Masseneinwanderung« polemisieren. Wenn ich nicht nur auf die Veränderungen der letzten beiden Jahre blicke, sondern auch auf einen längeren Zeitraum, nämlich auf die Zeit der 1990er Jahre, als über 400.000 Geflüchtete aus den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland kamen, dann erscheint mir etwas anderes im Unterschied zu damals sehr deutlich. Es gibt eine Entwicklung, die für die Perspektiven Geflüchteter in unserer Gesellschaft nicht weniger wichtig ist als die Stimmung zu den Neuankömmlingen in Teilen der Bevölkerung. Das sind Strukturen, die Integration von Geflüchteten überhaupt zum Ziel haben. Dazu hören Sprachund Integrationskurse, InteA-Klassen (Intensivklassen an beruflichen Schulen: InteA – Integration durch Anschluss und Abschluss) und Projekte für Geflüchtete zur beruflichen Orientierung und Qualifizierung. Es sind Angebote, die bei der Anerkennung von Schul- und Ausbildungsabschlüssen unterstützen und Orte, an denen sich Geflüch-

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tete mit Personen aus der hiesigen Gesellschaft treffen können, um zu reden: Willkommenscafés als Beispiel für viele andere Projekte. Es gibt in Frankfurt am Main das Projekt »Bridges – Musik verbindet«, in dem deutsche, zugewanderte und geflüchtete Musiker zusammen komponieren und Konzerte geben. Dies ist nur ein Teil von Maßnahmen, Projekten und Ideen, die für Integration sorgen. Dazu kommen spezialisierte Einrichtungen der psychosozialen und psychotherapeutischen Versorgung, die in den 1990er Jahren mehrheitlich erst entwickelt wurden und die es heute in fast allen größeren Städten gibt, mit einem gemeinsamen Dachverband der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e. V.). Viele Initiativen haben mit ehrenamtlichem Engagement begonnen und daraus sind allmählich stabilere Strukturen mit hauptamtlich Mitarbeitenden und Teams geworden. Die Einrichtung, die ich selbst vor vielen Jahren mitgegründet habe, das »Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Verfolgte« – so der Name damals – des Frankfurter Arbeitskreises Trauma und Exil, hat immer noch neben denjenigen, die als Mitarbeiter*innen psychosoziale Beratung für Geflüchtete anbieten, ehrenamtlich engagierte und aktive Vereinsmitglieder. Wenn in den 1990er Jahren Geflüchtete nach Deutschland kamen, fanden sie mit Glück jemanden, der*die ihnen einen Weg aufzeigen konnte, kostenlos oder gegen geringe Gebühr einen Deutschkurs zu machen. Mit noch mehr Glück hatte der*die Geflüchtete keine Eintragung in seinem*ihrem Aufenthaltsdokument, dass ihm*ihr »die Aufnahme einer Beschäftigung nicht gestattet sei«. Solche Eintragungen gab es häufig und die Besitzer*innen solcher Dokumente waren nicht erst seit wenigen Monaten hier. Berufliche Förderung erfolgte bei den meisten

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zunächst darüber, dass ihnen ein Arbeitgeber irgendwie positiv gesonnen war und ihre weitere berufliche Ausbildung und Integration unterstützte. Es gab keine Vorbereitungsklassen und keine InteA-Klassen. Viele der jugendlichen Klient*innen von mir wurden als Kinder direkt in die Regelklassen aufgenommen und mussten irgendwie zurechtkommen. Mittlerweile sind viele Institutionen mit der Frage befasst, wie sich Zugewanderte und Geflüchtete besser in unsere Gesellschaft integrieren können, und versuchen, einen Beitrag dazu zu leisten. Der Gedanke, dass Integration ein notwendiger Prozess sein wird für die nächste und weitere Zukunft steht inzwischen bei staatlichen Stellen außer Frage, auch wenn die Gruppe der Kriegsflüchtlinge aktuell unterteilt wird in solche, die sich integrieren sollen – Syrer und Eritreer etwa – und diejenigen, bei denen offiziell kein Krieg und keine Bedrohung mehr herrscht – dies betrifft z. B. afghanische Geflüchtete. Die Erkenntnis wächst vielleicht, dass solche Prozesse langsamer gehen als gedacht, weil für viele Berufe erst die sprachliche Grundlage geschaffen werden muss. Trotzdem gibt es Wege für die Geflüchteten, die mit einiger Unterstützung weiterverfolgt werden können. Es nimmt ebenfalls die Erkenntnis zu, dass Integration kein einseitiger Prozess ist, sondern Schritte von beiden Seiten, von den Zugewanderten und von der hiesigen Bevölkerung notwendig sind. Aus der eigenen langjährigen Erfahrung in der Beratung und Begleitung von Geflüchteten und als Supervisorin für freiwillig Engagierte und Fachteams habe ich den Eindruck gewonnen, dass nur diese beiden Akteure zusammen in der Lage sind, Integrationsprozesse zu ermöglichen. Freiwillig Engagierte sind Brückenbauer als Mentor*innen oder als Helfende in Familien, als Lernbegleitende in Schulen und an vielen anderen Orten Menschen, die privaten Kontakt und soziale Beziehungen an-

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bieten. Teams in der Sozialen Arbeit können gute Beratung oder Betreuung bereitstellen, aber ihre professionelle Aufgabe, auch wenn sie mit viel Empathie in Bezug auf die geflüchteten Klient*innen ausgeübt wird, schließt private Beziehungen aus. Darunter würde ihre Fachlichkeit leiden. Freiwillig Engagierte können etwas anbieten, das sonst viele Zugewanderte nicht erleben, nämlich Unterstützung und Begleitung im Rahmen einer Beziehung, die nur darüber besteht, weil beide Seiten sich gegenseitig an ihrem Leben teilhaben lassen möchten. Dieses Engagement besteht weiter, auch wenn es nicht mehr so von den Medien umworben wird, auch wenn es immer wieder laute und öfter auch aggressive Einsprüche dagegen gibt. Die Personen, die sich weiter engagieren, sehen darin oft eine Erweiterung ihrer persönlichen Erfahrungswelt, in der Regel ohne Exotismus. Sie folgen einem moralischen Anspruch, den sie an sich und die Gesellschaft stellen, und in Zeiten, in denen so viel an Integrität und minimalem moralischen Konsens verloren geht, ist dies mehr als eine Insel von Vernunft gegenüber den hermetisch abgeschlossenen Welt- und Menschenbildern der selbst ernannten Hüter der Nation und des Abendlandes, all der großen und kleinen Sarrazins und Tellkamps.

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