Hermes und die Bürger: Der Hermeskult in den griechischen Poleis 3515128093, 9783515128094

Seit der Antike erfreut sich der Gott Hermes großer Beliebtheit. In dieser ersten diachronen Betrachtung der Kultpraxis

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis
1.1 Die Zerstörung der Ordnung? Der Hermenfrevel
1.2 Stand der Forschung
1.3 Polis und Religion
1.4 Methode und Aufbau
2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis
2.1 Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge
2.1.1 Grenzen des Polisterritoriums
2.1.1.1 Natürliche Grenzen und deren Schutz
2.1.1.2 Grenzheiligtümer
2.1.1.3 Grenzbefestigungen
2.1.2 Grenzen des Stadtgebiets
2.1.3 Grenzen öffentlicher und nichtöffentlicher Räume in der Stadt
2.1.3.1 Öffentliche Räume I: Agorai und Gymnasia
2.1.3.2 Öffentliche Räume II: Heiligtümer
2.1.3.3 Nichtöffentliche Räume: Minen, Nutzflächen und Bürgerhäuser
2.1.4 Feste in der Polis: Grenzen bewahren und Grenzen überschreiten
2.1.4.1 Monatsnamen: Ἑρμαιών, Ψυδρεύς, Εὐαγγελιών
2.1.4.2 Grenzen bewahren
2.1.4.3 Grenzen überschreiten
2.1.5 Resümee – Ein- und Ausgänge
2.2 Chora I: Heiligtümer extra urbem
2.2.1 Höhlen
2.2.2 Haine, Quellen und Flüsse
2.3 Chora II: Straßen und Wege
2.3.1 Hermes als Geleiter und Führer auf allen Wegen
2.3.2 Straßen
2.3.2.1 Straßen außerhalb der Stadt
2.3.2.2 Straßen innerhalb der Stadt
2.3.3 Feste in der Polis: Geleiter und Begleiter
2.3.3.1 Prozessionen und Fackelläufe
2.3.3.2 Der Weg in die Ehe
2.3.4 Resümee – Chora I und II
2.4 Proastion I: Nekropolen
2.4.1 Jenseitsvorstellungen der Griechen
2.4.1.1 Mythos: Ψυχοπομπός
2.4.1.2 Kult: Χθόνιος
2.4.1.3 Weitere Bei namen und Funktionen
2.4.2 Grabkontext
2.4.2.1 Mythische Wege ins Jenseits
2.4.2.2 Verdienste im Leben: Eusebeia, Paideia und Agonistik
2.4.3 Feste in der Polis: Vermittler zwischen Lebenden und Toten
2.4.4 Resümee – Proastion I
2.5 Proastion II: Gymnasia
2.5.1 Hermes als Gott des Gymnasions
2.5.2 Kultakteure im Kontext der Gymnasia
2.5.2.1 Städtische Magistrate und Ausbilder
2.5.2.2 Nutzer
2.5.2.3 Sieger
2.5.2.4 Herrscher
2.5.3 Training und Wettkampf: Ἀγώνιος, Ἐναγώνιος
2.5.4 Feste in der Polis: Hermaia und andere Hermesfeste im Gymnasion
2.5.5 Resümee – Proastion II
2.6 Asty: Agorai
2.6.1 Kultakteure im Kontext der Agora
2.6.1.1 Städtische Magistrate
2.6.1.2 Marktteilnehmer
2.6.2 Politik, Handel und Identität
2.6.2.1 Ἀγοραῖος
2.6.2.2 Lokale Bei namen
2.6.2.3 Polyfunktionalität
2.6.3 Hermes und das Recht
2.6.3.1 Vermittler des Rechts und Schwurgott
2.6.3.2 Persönliche Verfluchungen
2.6.4 Resümee – Asty
3 Ergebnisse: Hermes – Ein Gott der Bürger
3.1 Räume und Akteure
3.2 Charakteristika des Hermeskults
3.3 Polis und Religion
4 Quellen- und Literaturverzeichnis
4.1 Abkürzungsverzeichnis
4.2 Quellenverzeichnis
4.3 Literaturverzeichnis
5 Indices
Index Inscriptionum
Index Locorum
6 Register
Ortsregister
Personenregister
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Hermes und die Bürger: Der Hermeskult in den griechischen Poleis
 3515128093, 9783515128094

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Antje Kuhle

Hermes und die Bürger Der Hermeskult in den griechischen Poleis

HER MES Klassische Philologie

Franz Steiner Verlag

Hermes – Einzelschrift 119

H E R M ES Zeitschrift für klassische Philologie Herausgeber: Prof. Dr. Hans Beck Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Seminar für Alte Geschichte, Institut für Epigraphik, Domplatz 20–22, 48143 Münster (verantwortlich für Alte Geschichte) Prof. Dr. Karl-Joachim Hölkeskamp Universität zu Köln, Historisches Institut – Alte Geschichte, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln (verantwortlich für Alte Geschichte) Prof. Dr. Martin Hose Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Sprachund Literaturwissenschaften, Griechische und Lateinische Philologie, Schellingstr. 3 (VG), 80799 München (verantwortlich für Gräzistik) Prof. Dr. Claudia Schindler Universität Hamburg, Institut für Griechische und Lateinische Philologie, Überseering 35, Postverteilerfach 1, 22297 Hamburg (verantwortlich für Latinistik) Einzelschrift 119

Hermes und die Bürger Der Hermeskult in den griechischen Poleis Antje Kuhle

Franz Steiner Verlag

Umschlagbild: Statue des Hermes / röm. Kopie, Vatikan Quelle: akg-images / Tristan Lafranchis Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: Fotosatz Buck, Kumhausen Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12809-4 (Print) ISBN 978-3-515-12811-7 (E-Book)

Inhaltsverzeichnis Vorwort 1 11 12 13 14

Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis Die Zerstörung der Ordnung? Der Hermenfrevel Stand der Forschung Polis und Religion Methode und Aufbau

9 11 12 15 20 23

2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis 29 2 1 Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge 30 2 1 1 Grenzen des Polisterritoriums 33 2 1 1 1 Natürliche Grenzen und deren Schutz 33 2 1 1 2 Grenzheiligtümer 37 2 1 1 3 Grenzbefestigungen 48 2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen: Ἡγεμόνιος 49 2 1 1 3 2 Das Militär, die Seereisenden und Händler: Σωτήρ 63 2 1 2 Grenzen des Stadtgebiets 70 2 1 3 Grenzen öffentlicher und nichtöffentlicher Räume in der Stadt 76 2 1 3 1 Öffentliche Räume I: Agorai und Gymnasia 77 2 1 3 2 Öffentliche Räume II: Heiligtümer 79 2 1 3 3 Nichtöffentliche Räume: Minen, Nutzflächen und Bürgerhäuser 84 2 1 4 Feste in der Polis: Grenzen bewahren und Grenzen überschreiten 92 2 1 4 1 Monatsnamen: Ἑρμαιών, Ψυδρεύς, Εὐαγγελιών 93 2 1 4 2 Grenzen bewahren 94 2 1 4 3 Grenzen überschreiten 106 2 1 5 Resümee – Ein- und Ausgänge 121 2 2 Chora I: Heiligtümer extra urbem 123 2 2 1 Höhlen 126 2 2 2 Haine, Quellen und Flüsse 139 2 3 Chora II: Straßen und Wege 143 2 3 1 Hermes als Geleiter und Führer auf allen Wegen 143 2 3 2 Straßen 149

6

Inhaltsverzeichnis

2 3 2 1 Straßen außerhalb der Stadt 2 3 2 2 Straßen innerhalb der Stadt 2 3 3 Feste in der Polis: Geleiter und Begleiter 2 3 3 1 Prozessionen und Fackelläufe 2 3 3 2 Der Weg in die Ehe 2 3 4 Resümee – Chora I und II 2 4 Proastion I: Nekropolen 2 4 1 Jenseitsvorstellungen der Griechen 2 4 1 1 Mythos: Ψυχοπομπός 2 4 1 1 1 „Ilias“ und „Odyssee“ 2 4 1 1 2 Nachhomerische Zeugnisse 2 4 1 2 Kult: Χθόνιος 2 4 1 2 1 „der Unterwelt zugehörig“ 2 4 1 2 2 „der Erde/dem Erdboden zugehörig“ 2 4 1 3 Weitere Beinamen und Funktionen 2 4 2 Grabkontext 2 4 2 1 Mythische Wege ins Jenseits 2 4 2 2 Verdienste im Leben: Eusebeia, Paideia und Agonistik 2 4 3 Feste in der Polis: Vermittler zwischen Lebenden und Toten 2 4 4 Resümee – Proastion I 2 5 Proastion II: Gymnasia 2 5 1 Hermes als Gott des Gymnasions 2 5 2 Kultakteure im Kontext der Gymnasia 2 5 2 1 Städtische Magistrate und Ausbilder 2 5 2 2 Nutzer 2 5 2 3 Sieger 2 5 2 3 1 Musische Agone 2 5 2 3 2 Gymnische und hippische Agone 2 5 2 4 Herrscher 2 5 3 Training und Wettkampf: Ἀγώνιος, Ἐναγώνιος 2 5 4 Feste in der Polis: Hermaia und andere Hermesfeste im Gymnasion 2 5 5 Resümee – Proastion II 2 6 Asty: Agorai 2 6 1 Kultakteure im Kontext der Agora 2 6 1 1 Städtische Magistrate 2 6 1 2 Marktteilnehmer 2 6 2 Politik, Handel und Identität 2 6 2 1 Ἀγοραῖος 2 6 2 2 Lokale Beinamen 2 6 2 3 Polyfunktionalität

150 158 165 166 173 178 179 180 185 185 192 196 197 199 205 208 210 214 223 228 229 230 239 240 253 255 257 261 266 267 276 282 283 284 284 292 297 297 312 316

Inhaltsverzeichnis

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2 6 3 Hermes und das Recht 2 6 3 1 Vermittler des Rechts und Schwurgott 2 6 3 2 Persönliche Verfluchungen 2 6 4 Resümee – Asty

321 322 332 338

3 31 32 33

Ergebnisse: Hermes – Ein Gott der Bürger Räume und Akteure Charakteristika des Hermeskults Polis und Religion

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Quellen- und Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Quellenverzeichnis Literaturverzeichnis

352 352 355 357

5 Indices Index Inscriptionum Index Locorum

396 396 404

6 Register Ortsregister Personenregister

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Vorwort Die vorliegende Studie ist die in Teilen überarbeitete und gekürzte Version meiner Dissertation, mit der ich im Juli 2019 an der Philosophischen Fakultät der GeorgAugust-Universität Göttingen promoviert wurde Die Überarbeitung wurde im Winter 2019 abgeschlossen, später erschienene Literatur wurde dementsprechend nicht mehr systematisch eingearbeitet Im Laufe der Zeit haben mir viele Menschen zur Seite gestanden und es ist mir eine angenehme Pflicht, ihnen zu danken Von Anfang an haben mich meine Doktoreltern unterstützt Meiner Doktormutter Prof Dr Tanja S Scheer gilt mein Dank, weil sie mich auf das Thema aufmerksam gemacht hat Ferner hat sie mir während der Promotion ein sicheres, inspirierendes Arbeits- sowie Forschungsumfeld geboten und mir viele Freiheiten gewährt Meinem Doktorvater Prof Dr Martin Dreher bin ich besonders verbunden, da er mich für die Alte Geschichte begeisterte Nach meinem Weggang aus Magdeburg hat er mir weiterhin mit Rat und Tat zur Seite gestanden und mich auch während der Promotion in jeder Hinsicht unterstützt Mit seiner Kritik und seinen Ratschlägen hat er die Dissertation wesentlich beeinflusst Für die Übernahme des Drittgutachtens und die damit verbundenen wertvollen Hinweise danke ich Prof Dr Heinz-Günther Nesselrath Hochachtung und Dank gebühren meinen geschätzten Göttinger Kolleginnen und Kollegen Dazu gehört einerseits das Team des DFG-Graduiertenkollegs „Expertenkulturen“ Besonders dessen Sprecher Prof Dr Frank Rexroth verdanke ich viel, da er mir am Übergang vom Studium in die Arbeitswelt und Promotion helfend und ermunternd zur Seite stand Andererseits zählen dazu die Mitarbeitenden am Althistorischen Seminar und die studentischen Hilfskräfte, die mich begleiteten: Ronja Dier, Pauline Ehrhardt und Lara Hitzmann Meinen Dank und meine Verbundenheit möchte ich vor allem denen aussprechen, die das Manuskript ganz oder in Teilen gelesen haben: Balbina Bäbler, Sven-Philipp Brandt, Martin Lindner und Lisa Schneider Außerdem bin ich Isidor Brodersen für seine Unterstützung bei den griechischen Texten verbunden Weitere wissenschaftliche Anregungen erhielt ich bei zahlreichen Vorträgen und Tagungen Allen Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmern danke ich für Fragen und Kritik Ferner wurde ich bei Studienaufenthalten an den Universitäten Wien und Heidelberg herzlich empfangen und mir wurden alle denkbaren Annehmlichkei-

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Vorwort

ten gewährt In dieser Zeit konnte ich meine Arbeit aufgrund der ausgezeichneten Arbeitsbedingungen erheblich voranbringen Ermöglicht wurden diese und weitere Forschungsreisen nach Griechenland durch die großzügige Unterstützung der „Graduiertenschule für Geisteswissenschaften Göttingen“ Für die Aufnahme in die Reihe „Hermes Einzelschriften“ danke ich den Reihenherausgebern, Prof Dr Hans Beck, Prof Dr Jan-Wilhelm Beck, Prof Dr Karl-Joachim Hölkeskamp und Prof Dr Martin Hose Außerdem danke ich Katharina Stüdemann vom Steiner Verlag für die freundliche, kompetente und geduldige Betreuung des Projektes Die vorliegende Arbeit entstand im Kontext und in engem Austausch mit der Göttinger DFG-Forschergruppe STRATA (FOR 2064), in der ich dem althistorischen Teilprojekt "Hermes und Herakles Formen, Strata und Funktionen mythischer Sphärenwechsler in der griechischen Kultur" als Assoziierte angehörte Entsprechend bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewährung eines namhaften Druckkostenzuschusses zu Dank verpflichtet Des Weiteren erhielt ich aus dem finanziellen Anreizsystem zur Förderung der Gleichstellung an der Universität Regensburg dankenswerter Weise einen Beitrag zu den Druckkosten Abschließend seien diejenigen genannt, die mir bei der Erfüllung dieses Traums stets zur Seite stand Mein Partner Geronimo Förster hat mich nicht nur unterstützt, sondern mir immer den Rücken freigehalten Außerdem hat er für mich alle technischen Hürden aus dem Weg geräumt Mein größter Dank gilt meinen Eltern, die mein Interesse an der Geschichte geweckt und meine Ausbildung ermöglicht haben Meine Mutter hat mich während meines Studiums und der Promotionszeit durch ihren Rückhalt und ihr Vertrauen gefördert Ihre bedingungslose Unterstützung in guten wie in schweren Zeiten lässt sich nicht in Worte fassen Die vorliegende Studie ist ihr in tief empfundenem Dank gewidmet

1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis „Zeus befürchtete nun, unser Geschlecht könnte gänzlich ausgerottet werden; deshalb schickte er Hermes zu den Menschen, er solle ihnen gegenseitige Achtung und Recht bringen, damit es in den Poleis ordnende Einrichtungen und Freundschaft stiftende Bande gebe “1

Laut der platonischen Version des Prometheusmythos, die im Dialog „Protagoras“ geschildert wird, sandte der Göttervater Hermes zu den Menschen, um sie gegenseitige Achtung voreinander (αἰδώς) und Gerechtigkeit (δίκη) zu lehren, da beide die Grundlagen für die Polis und ihre Institutionen seien In dem Text wird Hermes als erster Gesetzgeber und Zivilisationsbringer beschrieben Diese ihm zugewiesene wichtige Funktion deutet schon darauf hin, dass Hermes keine „niedere Gottheit“2 war, sondern im Gegenteil eine sehr beliebte, viel verehrte und oft angerufene göttliche Instanz Der Sohn des Götterkönigs Zeus und der Nymphe Maia gehört zu den zwölf Olympiern, zu denen nach Eudoxos von Knidos (4 Jh  v Chr ) neben Zeus auch Hera, Poseidon, Demeter, Apollon, Artemis, Ares, Aphrodite, Athena, Hephaistos und Hestia zählen3 Der schon in Linear-B-Tafeln benannte Gott Hermahās genoss fortwährende Verehrung in der gesamten Antike, wobei sich im Laufe der Zeit unverwechselbare Erkennungszeichen wie das Kerykeion, der geflügelte Hut und die geflügelten Sandalen herausbildeten4 Außerdem übernahm der Gott in der antiken Vorstellungswelt spezifische Aufgaben, die sich teilweise zu widersprechen scheinen So war er Gott der Ordnung und des Chaos oder Schutzpatron der Hirten und der Rinderdiebe

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Plat Prot 322c (Übersetzung nach Bayer 2008): „Ζεὺς οὖν δείσας περὶ τῷ γένει ἡμῶν μὴ ἀπόλοιτο πᾶν Ἑρμῆν πέμπει ἄγοντα εἰς ἀνθρώπους αἰδῶ τε καὶ δίκην, ἵν᾽ εἶεν πόλεων κόσμοι τε καὶ δεσμοὶ φιλίας συναγωγοί “ Parker 2005b, 151, Nilsson 1995, 392 Anders z B Reggiani 2019, 326 Sch Apoll Rhod 2, 532 Zu Quellenbelegen anderer, späterer Aufzählungen: Versnel 2011, 509 Zur Entstehung und Entwicklung des Dodekatheons: Rutherford 2010 Zu Linear-B-Texten: Allan 2018, 5–6, Gulizio 2000 Zu Erkennungszeichen: LIMC s v Hermes 285–286 Siehe dazu: Allan 2018, 8–9, Vergados 2013, 31–32, Mylonopoulos 2010b, 179 Zum Nachleben von Hermes: Allan 2018, 122–186, Zunino 1997, 199/212–213

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1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis

Bereits in der Antike gab es zahlreiche Versuche, Herkunft und Namen des Gottes zu erklären5 Zwar konnte sich keine der Erklärungen durchsetzen, die andauernde Diskussion zeigt aber einerseits die Vielseitigkeit des Gottes und andererseits seine Omnipräsenz 1.1 Die Zerstörung der Ordnung? Der Hermenfrevel Die griechischen Götter waren nicht nur πολυώνυμοι (vielnamig), sondern auch πολύμορφοι (vielgestaltig) und übernahmen verschiedene Funktionen, wie auch das Beispiel des Hermes zeigt Wegen der Multifunktionalität des Gottes muss in der vorliegenden Arbeit ein Schwerpunkt gesetzt werden, wobei die Rolle und die Funktionen, die Hermes in Bezug auf die und innerhalb der griechischen Stadtstaaten innehatte, besonders herausragt Dafür ist die von Thukydides geschilderte Reaktion auf den sogenannten Hermenfrevel, der sich kurz vor der Sizilienexpedition im Jahr 415 v Chr ereignete, nur ein Beleg6: „[…] Währenddessen wurde von all den steinernen Hermesfiguren in der Stadt […] ein Großteil in einer einzigen Nacht an den Gesichtern verstümmelt Die Täter kannte niemand, nach ihnen wurde unter Aussetzung einer hohen Belohnung von Staats wegen gefahndet, und zusätzlich fasste man den Beschluss, wenn jemand wisse, dass irgendein anderes Sakrileg vorgefallen sei, dann solle jeder, der wolle, – Bürger, Nichtbürger oder Sklave – dies ohne Furcht anzeigen Und man nahm die Sache sehr ernst: Denn es schien ein Vorzeichen die Ausfahrt betreffend zu sein, und man glaubte, hinter dem Vorfall stecke eine Verschwörung mit dem Ziel eines Umsturzes und der Zerstörung der Demokratie “

Innerhalb einer Nacht wurden den Hermen in Athen die Gesichter und, wie andere Quellen berichten, auch die Genitalien abgeschlagen7 Dass die Täter unbekannt blieben, löste eine Welle von Notfallsitzungen der Volksversammlung aus8 Zusätzlich 5 6

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Vgl z B Plat Krat 407e–408a Thuk 6, 27, 1–3 (Übersetzung Weißenberger 2017): „ἐν δὲ τούτῳ, ὅσοι Ἑρμαῖ ἦσαν λίθινοι ἐν τῇ πόλει τῇ Ἀθηναίων […] μιᾷ νυκτὶ οἱ πλεῖστοι περιεκόπησαν τὰ πρόσωπα καὶ τοὺς δράσαντας ᾔδει οὐδείς, ἀλλὰ μεγάλοις μηνύτροις δημοσίᾳ οὗτοί τε ἐζητοῦντο καὶ προσέτι ἐψηφίσαντο, καὶ εἴ τις ἄλλο τι οἶδεν ἀσέβημα γεγενημένον, μηνύειν ἀδεῶς τὸν βουλόμενον καὶ ἀστῶν καὶ ξένων καὶ δούλων καὶ τὸ πρᾶγμα μειζόνως ἐλάμβανον· τοῦ τε γὰρ ἔκπλου οἰωνὸς ἐδόκει εἶναι καὶ ἐπὶ ξυνωμοσίᾳ ἅμα νεωτέρων πραγμάτων καὶ δήμου καταλύσεως γεγενῆσθαι “ Weitere literarische Quellen: Thuk 6, 53/6, 60–61, And 1, 8, Aristoph Lys 1094, Aristoph Av 1054, Hellanikos FGrH 4 F 24b, Philoch FGrH 328 F 133–134, [Lys ] 6, Plut Alkibiades 18–21, Diod 13, 2, Poll 10, 36, Nep vit Alc 3, P Oxy 3, 411 (Anon Vita Alc ); Inschriften: IG I3 421–430 (415–413 v Chr ); archäologische Zeugnisse: Pelike (Lausanne, Arch Mus , Inv -Nr 3250, ca 470 v Chr , Satyr verstümmelt eine Herme mit einer Axt), rfg Becher (LIMC s v Hermes 172, 475–425 v Chr , Satyr beim Diebstahl einer Herme) Aristoph Lys 1093–1095, Aristoph Av 1054, Philoch FGrH 328 F 133–134, [Lys ] 6, Plut Alkibiades 18–21 Parker 1983, 168

1 1 Die Zerstörung der Ordnung? Der Hermenfrevel

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wurde bekannt, dass die Mysterien von Eleusis parodiert worden waren9 Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Taten bestand im Grad ihrer Öffentlichkeit: Während der Mysterienfrevel in einem privaten Zirkel stattfand, waren die Hermen im öffentlichen Raum aufgestellt und deren Verstümmelungen für alle Bürger sichtbar10 In Folge der Verbrechen brach eine regelrechte Hysterie aus Doch warum fiel die Reaktion der Athener so heftig aus? Der Hermenfrevel ereignete sich in einer Phase allerhöchster Alarmbereitschaft und Unsicherheit, die von religiösem Traditionalismus geprägt war Dieser zeigte sich beispielsweise im Bauprogramm, in den zahlreichen Prozessen wegen religiöser Verfehlungen oder der Überarbeitung des städtischen Festkalenders11 Daher verwundert es nicht, dass die Polis keine Kosten scheute, um den Vorfall aufzuklären: Die Belohnung für sachdienliche Hinweise betrug zunächst 1000 Drachmen und wurde sogar auf 10000 Drachmen erhöht12 Der Vorfall barg auf der religiösen, politischen und sozialen Ebene Konfliktpotential, weil die Hermen in Athen allgegenwärtig waren Die Götterbilder begegneten einem einerseits in großer Zahl vor Türen privater Wohnstätten, andererseits übernahmen sie Schutzfunktionen an den Eingängen der Stadt oder von Heiligtümern13 Darüber hinaus waren Hermen an wichtigen Orten des öffentlichen Lebens, wie der Agora oder dem Gymnasion, aufgestellt Aus den Quellen können drei Erklärungsversuche für die Tat herausgefiltert werden, die nicht immer eindeutig voneinander zu trennen sind Nach einer Variante, die vor allem auf die erfolgreiche Strategie des vor Gericht angeklagten Andokides zurückgeht, handelte es sich um eine gedankenlose Tat junger Männer14 In der Forschung wird diese These vor allem von Oswyn Murray unterstützt15 Alexander Rubel bezieht sich zwar auch auf Andokides, hält es aber für plausibler, dass Mechanismen innerhalb der Hetairie des Euphiletos zu der Tat führten16 Durch die gemeinsam begangene Straftat sollten die Mitglieder der Hetairie enger zusammenwachsen und sich ihrer gegenseitigen Treue (πίστις) versichern Damit wäre auch zu erklären, dass Andokides sein eigenes Fehlen bei der nächtlichen Aktion mit Krankheit und Missbilligung der Unternehmung entschuldigte17 Als zweite, ebenfalls zeitgenössische Erklärung diente die bevorstehende Sizilienexpedition Die Zerstörung der Götterbilder galt als schlechtes Omen für die Ausfahrt der Flotte und wurde als letzter Versuch, 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Thuk 6, 27, 2, And 1, 40, 36/1, 27–28, 40, Plut Alkibiades 18, 4 Zur Chronologie der Ereignisse: Osborne 2010, 366–367 mit älterer englischsprachiger Literatur, Rubel 2000, 183 bes Anm 15/188 mit älterer Literatur Rubel 2000, 188 Lys 30 Dazu: Rubel 2000 mit älterer Literatur And 1, 27 Vgl Versnel 2011, 335–337 And 1, 67 Siehe auch: Thuk 6, 28, 1, Plut Alkibiades 18, 3–4 Dazu: Hornblower 2008, 378 Vgl Murray 1990 Rubel 2000, 184/214–215 Zu Namen der Verurteilten: HCT 4 (Dover), 1970, 277–280 And 1, 61–64 Siehe auch: Thuk 6, 60, 2 Zur Frage der Schuld: Furley 1996, 52–69

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1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis

das umstrittene Eingreifen in Sizilien zu verhindern, gewertet18 In diesem Zusammenhang wurden auch die Korinther beschuldigt, die Freveltat beauftragt zu haben, um das Auslaufen der athenischen Flotte zu vereiteln19 Zeitlich nach den Ereignissen und auf der Grundlage der Aussagen des Thukydides wurde eine dritte Erklärung gefunden, wonach es sich um einen Angriff auf die Demokratie und eine Verschwörung aus oligarchischen Kreisen gehandelt habe20 Dem Bericht des Kratippos von Athen (5 /4 Jh  v Chr ) zufolge wurden vor allem die Hermen auf und bei der Agora beschädigt21 Sowohl Thukydides als auch die archäologischen Zeugnisse belegen jedoch, dass Götterbilder in der ganzen Stadt betroffen waren22 Den Aussagen des Kratippos ist trotzdem zu entnehmen, dass die Hermen bereits aufs Engste mit der Agora und der Polisordnung verknüpft waren23 Die These von den Machtkämpfen der Oligarchen in Athen dagegen wird von den mit Kalkül durchgeführten Denunziationen, die auf die Tat folgten, scheinbar noch bestätigt24 Dominique Lenfant kann jedoch mit ihrer Analyse der Komödien des Aristophanes zeigen, dass in den Vorfällen des Jahres 415 v Chr von den Zeitgenossen kein oligarchischer Umsturz erkannt oder befürchtet wurde25 Demnach wurden die Hermen von den Verursachern nicht zum Zwecke eines politischen Umsturzes verstümmelt, sehr wohl wurde die Tat jedoch später als Angriff auf die demokratische Ordnung Athens interpretiert26 Birgit Rückert hat herausgearbeitet, dass die Hermen in Athen nicht nur Götterbilder waren, sondern auch ein „Sinnbild der Macht des Staates und der demokratischen Ordnung“27 Eine Zerstörung jener Statuen war besonders für die Polisordnung und deren Magistrate eine Bedrohung sowie Beleidigung, denn Hermen wurden bevorzugt als Repräsentanten magistratischer Verdienste aufgestellt, wie im weiteren Verlauf gezeigt werden wird28 Schon in der Antike wurde als wesentlicher Grund für die Empörung der Athener die religiöse Verfehlung angeführt, denn der Respekt vor den Göttern war im klassischen Athen gleichzusetzen mit dem Respekt vor den Gesetzen29 Entsprechend lautete der Vorwurf auch nicht Hochverrat, sondern Asebie30 In der modernen Forschung kommen Alexander Rubel und Fritz Graf unabhängig voneinander zu der Einschät18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Thuk 6, 27, 3 Dazu: Allan 2018, 59, Osborne 2010, 364, Rubel 2000, 184 Plut Alkibiades 18, 3–4 Thuk 6, 27, 3/6, 28, 2/6, 53, 3/6, 60, 1/6, 61, 1 Zur Tyrannis bei Thukydides: Dreher 2016 Kratippos FGrH 64 F 3 Siehe auch: Wrede 1986, 12 Thuk 6, 27, 1 Dazu: Kousser 2015 Quinn 2007, 92 And 1, 36 Zum Vorwurf, dass jedem Glauben geschenkt worden sei: Thuk 6, 53, 2, And 1, 36 Hauptvertreter für die Oligarchiethese: Lehmann 1987, zuletzt: Flashar/Schubert 2018, 33 Vgl Lenfant 1997, 185–200 Allan 2018, 16, Rubel 2000, 205 Rückert 1998, 95 Siehe auch: Crawley Quinn 2007, 82–105 Hierzu: 2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen Lys frg 53 (Carey) Rubel 2000, 190

1 2 Stand der Forschung

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zung, dass die religiöse Komponente der Tat stärker zu gewichten sei als die innenpolitischen Machtkämpfe31 Nicht nur hatten Hermes und seine Götterbilder eine „strong political association“32, sondern er war auch der Gott der Reisenden sowie Vermittler zwischen Menschen und Göttern33 Allein eine Freveltat gegen Hermes war schwerwiegend, und wenn möglicherweise der Flottenkommandant einer umstrittenen und kostenintensiven Expedition beteiligt war, musste dies zu Irritationen führen34 Laut Alexander Rubel erklärt demnach „nicht nur Tyrannenfurcht, sondern in erster Linie Gottesfurcht“35 das Verhalten der Athener Es bleibt festzuhalten, dass sich die Athener eng mit Hermes verbunden fühlten und ein Frevel an seinen Götterbildern zu Angst und Verunsicherung führte Davon besonders betroffen waren die Athener als Polisbürger, da die Hermen mit politischer Bedeutung aufgeladen waren Nur so lässt sich erklären, warum die Straftat im Nachhinein als Angriff auf die Demokratie bezeichnet wurde Entsprechend führte das Zusammenspiel aus religiöser Furcht und politischer Betroffenheit zu der Hysterie in Athen, die sich erst nach Abschluss der Prozesse legte36 1.2 Stand der Forschung Seit einigen Jahren wird die griechische Religion in der althistorischen Forschung wieder verstärkt untersucht Dabei stehen zahlreiche Einzelstudien neben konzeptuellen Arbeiten, welche sowohl die Methodik als auch die Quellenbasis neu bewerten Breite Zustimmung fanden die Studien von Robert Parker37 In seiner Monographie „On Greek Religion“ fasst er die Probleme und Zugangsweisen zusammen, mit denen er sich in jahrzehntelanger Arbeit mit der Materie beschäftigt hat38 Er geht von Akteuren aus, um das religiöse Selbstverständnis der Griechen zu rekonstruieren Parker thematisiert verschiedene Formen der religiösen Erfahrung und stellt dabei die Besonderheiten der griechischen Religion heraus, wie beispielsweise das Fehlen heiliger Texte39 Gleichzeitig bezieht er Zeugnisse aus anderen Kulturkreisen ein, um übergreifende Strukturen und Prozesse zu erklären40 Außerdem betont er in mehreren Arbei31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

Rubel 2000, 189 bes Anm 36 mit älterer Literatur, Graf 2000 Parker 1996, 81 Furley 1996, 25–27 Zu seiner Rolle als Vermittler zwischen Menschen und Göttern: Meyer 2017, 401, Stocking 2017, 92, Larson 2005, 1–16, Clay 1989, III, Kahn 1978, 66 Parker 1986, 169 Rubel 2000, 197 Rubel 2000, 187 Thukydides bezweifelt die angebotene Klärung der Schuldfrage (Thuk 6, 60, 2/ 6, 60, 4–5) Zur Versteigerung der konfiszierten Güter: Rohde 2019b Vgl Parker 2017/2011/2005/1996/1983 Parker 2011, x Vgl Parker 2011, 13–20 Vgl Parker 2017

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1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis

ten, dass bei der historischen Erforschung der griechischen Religion literarische und epigraphische Zeugnisse gleichberechtigt nebeneinander stehen sollen41 In ihrer Monographie „Rethinking Greek Religion“ stellt auch Julia Kindt Konzepte und Tendenzen in der Religionsgeschichte auf den Prüfstand, indem sie nachzeichnet, auf welche Weise das Verständnis der Antike von Vorannahmen geprägt ist und wie durch den Einbezug von Methoden und Theorien der Nachbarfächer ein neuer Blick auf altbekannte Quellen gelingen kann42 Für Kindt ist die Religion ein Medium der Macht, das nicht nur von der Polis instrumentalisiert worden sei43 Vielmehr sei Religion auf verschiedenen Ebenen des öffentlichen und privaten Lebens, die sich nicht gegenseitig ausgeschlossen, sondern nebeneinander existiert hätten und ineinander übergegangen seien, wirkmächtig gewesen und habe die Gesellschaft mitgestaltet Jede Auseinandersetzung mit der griechischen Religion sollte ihren Ratschlag berücksichtigen, nicht nach einer verbindlichen Theologie zu suchen, sondern die Lücken und Ungereimtheiten als vitalen Teil der griechischen Religion anzuerkennen44 Daneben wurden zuletzt häufiger Einzelbetrachtungen von Gottheiten oder Gruppen göttlicher Wesen angefertigt So erschienen unter anderem Untersuchungen zu Aphrodite, Apollon, Artemis, Athena, Dionysos, den Heroen, den Nymphen, Pan oder Zeus45 Unter diesen sticht besonders die Arbeit von Jenny Wallensten zu Aphrodite hervor, in der sie auf der Grundlage des epigraphischen Materials zeigt, dass Aphrodite, entgegen der bisher vorherrschenden Meinung, auch eine politische Gottheit war, die besonders von Amtsträgern verehrt wurde46 Dabei geht sie bereits kurz auf die Kultverbindung mit Hermes ein, die sich hauptsächlich in Magistratenweihungen widerspiegelt Schon Jean-Pierre Vernant stellte heraus, dass Gottheiten nicht isoliert, sondern in ihrem Wechselspiel mit anderen göttlichen Wesen und den Menschen betrachtet werden sollten 47 Einzelbetrachtungen zu dem Gott Hermes haben zwar eine lange Forschungstradition, die in das 19 Jh zurückreicht, aber im Vergleich zu anderen Gottheiten wurde ihm eher wenig Aufmerksamkeit zuteil48 Die Mehrzahl der bisherigen Arbeiten konzentrierte sich auf die literarischen Zeugnisse, wobei den frühen Quellen wie Hesiod, Homer und den homerischen Hymnen wegen ihres literarischen Wertes und humanistischer Bildungstraditionen überdurchschnittlich viel Raum eingeräumt wurde Daraus 41 42 43 44 45 46 47 48

Vgl z B Parker 2012 Kindt 2012, 7 Kindt 2012, 190 Kindt 2012, 194, Versnel 1993 Zu religiösem Wissen: Scheer 2018 Zu Aphrodite (Cyrino 2010, Wallensten 2003), zu Apollo (Graf 2009), zu Artemis (Budin 2016), zu Athena (Deacy 2008), zu Dionysos (Seaford 2006), zu Heroen (Ekroth 2002), zu Nymphen (Larson 2001), zu Pan (Borgeaud 1998), zu Zeus (Dowden 2006, Vonderstein 2006) Vgl Wallensten 2003 Siehe auch: Wallensten 2019 Vernant 1980, 99 Erstmals einen größeren Abschnitt widmete Farnell dem Gott in seinem „The cults of the Greek states“ (Farnell 1909)

1 2 Stand der Forschung

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resultierten mythologische Arbeiten, die eine bestimmte Facette des Gottes betonen49 Auf der Grundlage der Epen Homers wurde Hermes beispielsweise wiederholt als Seelengeleiter oder Trickster bezeichnet50 Außerdem interpretierte Laurence Kahn den Götterboten, unter Zuhilfenahme anthropologischer Beobachtungen, als einen Gott der Kommunikation51 Darauf aufbauend und die Quellenbasis um weitere literarische Zeugnisse erweiternd, entwirft Dominique Jaillard eine Theogonie des Hermes, wobei dieser als Experte der Rede und der Erfindung charakterisiert wird52 Ebenfalls in die Tradition von Kahn lässt sich Anna van den Kerchove einordnen, in derer Sicht die Stimme als Zeichen der Kommunikation grundlegend ist, um die Wirkung von Hermes Τρισμέγιστος (der dreimal Größte) in der antiken Philosophie zu erklären53 Die jüngste systematische und kritische Zusammenstellung der frühen mythischen Überlieferungen zu Hermes ist Carmine Pisano zu verdanken54 Der Autor arbeitet auf dieser Grundlage die Rolle von Hermes in der Legitimationspraxis antiker Herrscher heraus und dekonstruiert dabei die veraltete Wahrnehmung von Hermes als einem Gott der „kleinen Leute“55 Die beiden homerischen „Hymnen an Hermes“ haben ihre eigene Forschungstradition Diese wurde in mehreren, im Laufe der letzten Jahre erschienenen Übersetzungen und Kommentaren aufgearbeitet56 Darunter sticht die Arbeit von Athanassios Vergados hervor57 Für die vorliegende Abhandlung wurden sowohl seine Datierung in das 6 Jh  v Chr als auch seine Interpretation des Textes als in den Kontext der Komik und des Symposions gehörig übernommen58 Ebenfalls mit einem deutlichen Fokus auf die homerischen „Hymnen an Hermes“ ist die neue Monographie „Hermes“ von Arlene Allan gestaltet59 Zwar wird eine Zusammenschau der Mythen, der Ikonogra49 50 51 52 53 54 55 56 57 58

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Zu Hermes und Zeus (Curtius 1931), Hermes als Mondgott (Siecke 1908), Hermes als Windgott (Roscher 1878) Siehe auch: Briquel 1985 Zu Götterboten (Bettini 2011, Johnston/Mulroy 2009, Reece 2009, Johnston 2002a, Bettini 2000, Bader 1992), Trickster (Allan 2018, Fletcher 2008, Hynes/Doty 1997, McNeely 1996, Brown 1947), Seelengeleiter (Kerényi 1944, Raingeard 1934, Eitrem 1909b) Vgl Kahn 1979/1978 Siehe auch: Bettini 2011, Fletcher 2008, Parker 2005a, 391, Bettini 2000 Vgl Jaillard 2007a Vgl Kerchove 2012 Vgl Pisano 2014 Vgl z B bei Athanassakis 1989, Chittenden 1947b Vgl Schenk zu Schweinsberg 2017, Vergados 2013, Adorjáni 2012, Cursaru 2012b, Nobili 2011, Allan 2002, Shelmerdine 1986/1984/1981, Radermacher 1931 Vgl Vergados 2013/2011b Eine andere Datierung schlug Julia-Maria Schenk zu Schweinsberg vor Sie argumentiert auf sprachlicher und historischer Ebene, dass der Hymnos ein Produkt des Hellenismus sei (Schenk zu Schweinsberg 2017, 34–49), was nicht überzeugt Die skizzierten Parallelen bei Apollonios, Apollodor und Theokrit sind Erzählstränge, die sich in der gesamten antiken Literatur finden und auch als Rezeption des Hymnos verstanden werden können Vgl Allan 2018 Leider fehlen die deutsch-, französisch- und aktuellere italienischsprachige Forschungsliteratur und vor allem die neueren Publikationen zu den Hermen nahezu vollständig Siehe auch: Zusanek 2003

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1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis

phie, der Formen der Verehrung und der Rezeption des Gottes in Antike und Moderne versprochen, eine systematische Untersuchung bleibt aber aufgrund der überblicksartigen Darstellung und der Konzentration auf die frühen Texte aus Fragen zum Kult des Gottes Hermes wurden bisher wenig und eher in allgemeinen Untersuchungen zur griechischen Religion thematisiert60 Die bisher einzige systematische Zusammenstellung der Zeugnisse publizierte Pierre Raingeard61 Der regional gegliederte Katalog, welcher viele der zum Abfassungszeitpunkt bekannten epigraphischen, archäologischen und literarischen Zeugnisse enthält, bildet die Grundlage für seine Ausführungen zu den Anfängen des Kults Für Raingeard liegen diese in Hermes’ Rolle als Ψυχαγωγός (der Seelenführer) Seitdem widmeten sich Forschende vor allem in Aufsätzen spezifischen Formen des Hermeskults Zu den einflussreichsten Untersuchungen gehört der Beitrag von Jean-Pierre Vernant, in dem er die Gottheiten Hestia und Hermes kontrastiert62 Während Hestia innerhalb des Oikos eine wichtige Ansprechpartnerin war, übernahm Hermes diese Aufgabe außerhalb des Hauses Somit verdankt die Forschung Vernant den Hinweis, dass Hermes neben anderem auch ein Gott der Polis und ihrer Magistrate war63 In der Folge bezeichnete auch Laurence Kahn Hermes als Patron der gemeinsamen sozialen und kollektiven Aktivitäten, blieb dabei aber eine vertiefte Untersuchung schuldig64 Eine erste Untersuchung des Hermeskults auf der Grundlage der Inschriften wurde von Gabriella Bevilacqua vorgelegt65 Gleichzeitig ist sie die Erste, welche die Aussagekraft der Beinamen für die Wahrnehmung des Gottes und seine Kultpraxis explizit herausstellt66 Sie hält fest, dass es sowohl öffentliche als auch private Weihungen an Hermes im gesamten griechischen Raum gab, in denen sich seine Multifunktionalität ausdrückte Wegen der zahlreichen Weihungen von Amtsträgern bezeichnet die Autorin Hermes als Gott der „istituzioni cittadine“67 Neuerdings widmen John F Miller und Jenny Strauss Clay den interdisziplinären Sammelband „Tracking Hermes, Pursuing Mercury“ der Erforschung des Gottes von seiner Geburt über verschiedene Einflussgebiete als Mediator oder im Handel bis hin zu seiner Rolle in den spätantiken magischen Texten68 Die Beiträge zum griechischen Hermes lassen, von einigen Ausnahmen abgesehen, wieder eine Überbetonung der frühen Texte erkennen Dem60 61 62 63 64 65 66 67 68

Vgl z B Farnell 1909, 62–84 Vgl Raingeard 1934 Siehe auch: Herter 1967 Vgl Vernant 1963 Vernant 1965, 150–151 Bereits Jules Toutain hebt kurz die Bedeutung von Hermes für die Gemeinschaft und die politischen Institutionen hervor (Toutain 1932) Kahn 1978, 15 Vgl Bevilacqua 2009 mit lückenhafter Belegführung Für den Kult von Hermes Ἀγοραῖος auf der Agora von Athen stellte Massimo Osanna erstmals systematisch die literarischen und epigraphischen Zeugnisse zusammen (Osanna 1992) Bevilacqua 2009, 227 Bevilacqua 2009, 231 Vgl Miller/Clay 2019

1 2 Stand der Forschung

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gegenüber hebt sich der Aufsatz von Jenny Wallensten ab: Sie stellt erstmals die Votivinschriften an Hermes aus den gängigen Editionen übersichtlich in einem Appendix zusammen und kommt auf deren Grundlage zu allgemeinen Aussagen bezüglich der Weihenden und der Kultverbindungen69 Nicht unerwähnt bleiben sollen zudem die archäologischen Arbeiten, welche die bildlichen Zeugnisse des Hermeskults zusammenstellen70 Zum einen widmete sich Paul Zanker der Sammlung und Deutung der Hermesdarstellungen auf Vasen71 Zum anderen wurde den Hermen, der häufigsten Repräsentationsform des Gottes, eine Reihe von Untersuchungen zuteil, unter denen besonders die Monographie von Birgit Rückert hervorgehoben werden muss72 Rückert arbeitet heraus, dass die Herme in Athen im öffentlichen und privaten Leben mehrere Funktionen übernahm, die sich auf drei grundlegende Rollen fokussieren lassen: als Grenzmal, als Trägerin von Inschriften und als Sinnbild der funktionierenden Polis Außerdem beweist sie, dass Hermen stets als Kultbilder des Gottes wahrgenommen wurden73 Neben der religionshistorischen Forschung sind auch die Arbeiten zur Polis, zum Bürgerstatus und zur Verbindung von Polis und Religion grundlegend74 Die daraus resultierenden Ergebnisse können anhand des Beispiels des Hermeskults überprüft und verifiziert oder falsifiziert werden Weiterhin sei auf Autoren wie Karl-Joachim Hölkeskamp und Gunnar Seelentag verwiesen, die das Konzept der Institutionalisierung für die Alte Geschichte fruchtbar machten, wodurch nicht mehr nur einzelne Ereignisse in den Blick genommen, sondern Entwicklungsprozesse untersucht werden können75 Auf dieses Konzept wird im Abschnitt zur Methode näher eingegangen werden Gewichtig für die vorliegende Arbeit ist auch die Analyse der Polis als politische und territoriale Einheit, wodurch Kultstätten außerhalb der städtischen Zentren in ihrer Bedeutung für die Polis und deren Bürger neu bewertet werden können76 In der Vergangenheit wurden die sogenannten ländlichen Heiligtümer mit dem Hinweis auf die vergleichsweise schlechte Quellenlage häufig vernachlässigt77 Jedoch umfasste das Herrschaftsgebiet eines Stadtstaates mitnichten nur die innerhalb des Mauerrings ge69 70 71 72 73 74 75 76 77

Wallensten 2019 Grundlegend ist ebenfalls der Beitrag im LIMC von Gérard Siebert, der nicht nur die Ikonographie beschreibt, sondern aus dieser auch Ergebnisse für die Wahrnehmung des Gottes und seinen Kult ableitet (LIMC s v Hermes) Vgl Zanker 1965 Siehe auch: Wegner 1996 Vgl Schubert 2018, Flashar/Schubert 2018, Kousser 2015, Quinn 2007, Krämer 2001, Rückert 1998, Pritchett 1998, 121–137, Brahms 1994, Wrede 1986, Seiler 1969, Lullies 1931, Curtius 1903 So auch: Collard 2019, 237–239 Anders argumentiert Henning Wrede, der die Herme als „Ausstattungsskulptur“ bezeichnet (Wrede 1986, 2) Zur Polis: Hansen 2007a/2007b/2006, Hansen/Nielsen 2004; zu den Bürgern: Blok 2017; zu Polis und Religion: Kindt 2015, Eidinow 2015 jeweils mit älterer Literatur Besonders einschlägig: Seelentag 2015, Hölkeskamp 2003 Vgl Grote 2016, Bultrighini 2015a/2015b, Hölscher 2013, Conwell 2008, Baumer 2004, Henrichs 1990, Osborne 1987 Baumer 2004, 4 mit älterer Literatur

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1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis

legene städtische Siedlung, sondern das gesamte Land von einer Grenze zur anderen Diese Sichtweise spiegelt sich vor allem in den erkenntnisreichen Untersuchungen einzelner Städte oder Landschaften wider, welche unter anderem die Verbindung der ländlichen Heiligtümer mit dem städtischen Zentrum untersuchen78 Die systematische Untersuchung der Kultpraxis für den Gott Hermes ist bis heute ein Desiderat der Forschung Weiterhin wurde bisher die Rolle von Hermes als Gott der Polis und ihrer Bürger zu wenig und nur in Bezug auf Athen beachtet Ebenfalls unhinterfragt ist, weshalb Hermes diese Rollen von den antiken Zeitgenossen zugewiesen wurde Diese Lücken sollen durch die vorliegende Arbeit geschlossen werden 1.3 Polis und Religion Die Begriffe Polis und Religion wurden und werden in der althistorischen und kulturwissenschaftlichen Forschung viel diskutiert Durch eine neue Akzentuierung der Begriffe sucht die vorliegende Studie eine Positionierung in diesem Diskurs und setzt deswegen mit einer begriffsgeschichtlichen Erläuterung ein In einem ersten Schritt wird die Polis in ihrem antiken Verständnis untersucht Im Zentrum des zweiten Abschnitts steht der Komplex Religion Die Verbindung beider zueinander wird im letzten Teil erläutert Trotz vieler Bedeutungsvarianten in den antiken Texten lässt sich konstatieren, dass πόλις die Burg, die Stadt oder den Staat umfassen konnte79 Somit schließt der Begriff sowohl die Stadt als Personengemeinschaft als auch als territoriale Einheit ein, denn die griechische Polis bestand aus einer urbanen Siedlung und der Chora80 Polis als Staat lässt sich am besten als Gemeinschaft von Bürgern (πολῖται) übersetzen81 Das Bürgersein bedeutete wiederum die Zugehörigkeit zu der politischen Gemeinschaft 78

79 80

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Für diese Arbeit verwendete Werke: Ainos (May 1950), Argolis (Serra 2015, Tausend 2006, Jameson/u a 1994, Foley 1988, Tomlinson 1972), Arkadien (Nielsen 2002, Tausend 1999, Jost 1992/1985, Immerwahr 1891), Athen/Attika (Meyer 2017, Bultrighini 2015, Solders 1931), Boiotien (Kühr 2006, Schachter 1986), Korinth (Reichert-Südbeck 2000), Kreta (Seelentag 2015, Chaniotis 201 4/2006/2005/2003/2001/1996/1995/1991/1988, Sporn 2002, Gehrke 1997, Haft 1996, Link 1994, Lebessi 1985/1976, Willetts 1962), Kyaneai (Kolb 2008), Megara (Hanell 1934), Nordionien (Graf 1985), Odessos (Minchev 2011/2003), Peloponnes (Hägg 2002), Thessalien (Mili 2015, Moustaka 1983, Biesantz 1965, Philippson 1944, Stählin 1924), Thrakien (Valeva/Nankov/Graninger 2015, Archibald 1999/1998, Wiesner 1963, Tomaschek 1893), mehrere Landschaften (Baumer 2004, Farnell 1909) Aristot pol 1276a 25–27 Dazu: Seelentag 2015, 233 mit älterer Literatur, Hansen 2007a, 10 mit Quellenbelegen Hansen 2007a, 11 mit Quellenbelegen Siehe auch: Die Arbeiten des Copenhagen Polis Centers [CPCActs (1993–2005), CPCPapers (1994–2007), bes CPCPapers 8, Hansen/Nielsen 2004], Hansen 2006 Zur Diskussion über den Gebrauch des Begriffs „Staat“ zur Bezeichnung vormoderner Gemeinwesen: Dreher (im Druck), 7–10/13–17 mit älterer Literatur Aristot pol 1275a 22–24 Dazu: Strauss 2013, 23, Hartmann 2002, 49–51

1 3 Polis und Religion

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der Polis mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten82 Dabei bildete die Polis eine übergeordnete Identifikationsebene, die durch Strukturen wie die Phylen, Demen und Phratrien untergliedert war83 Die Wichtigkeit des einzelnen Bürgers für das Funktionieren der Polis Athen betonte jüngst Martin Dreher: „Die athenische Gesellschaft war also, so können wir sagen, eine Bürgergesellschaft, deren Angehörige schon in der archaischen Zeit in der politischen Praxis als das auftraten und angesehen wurden, was erst die moderne Rechts- und Staatstheorie (seit Hegel) mit der Kategorie der Person definiert hat: als eigenständig und eigenverantwortlich handelnde Rechtssubjekte“84 Diese Beobachtung gilt auch für die griechische Polis an sich Für den Komplex „Religion“ bietet sich der Religionsbegriff von Martin Riesebrodt an, mit dem die Rolle der einzelnen Akteure hervorgehoben wird Riesebrodt versteht die religiösen Handlungen als institutionalisierte Akte und schlägt folgende Definition vor: Religion sei ein „Komplex [von] Praktiken, die auf der Prämisse der Existenz in der Regel unsichtbarer persönlicher oder unpersönlicher übermenschlicher Mächte beruhen“85 Formen und Inhalte der Praktiken würden durch subjektive Aneignung und Ausdeutung erlernt86 Daher sollten, so Riesebrodt weiter, nicht mehr nur Weltbilder oder Deutungen religiöser Experten, sondern die tatsächlichen religiösen Akte betrachtet werden Diese Definition lässt sich weitestgehend auf die griechische Antike übertragen So stand laut Fritz Graf „die Existenz und Relevanz der Götter […] nicht zur Debatte, sie sind ein objektiv Gegebenes für die politischen Institutionen, die den rituellen Kontakt zu pflegen haben“87 Außerdem umfasste das religiöse System verschiedene Optionen der Verehrung, die trotz Widersprüchen nebeneinander stehen konnten88 Demnach gab es ein Spektrum von angemessenen bis hin zu nicht akzeptablen religiösen Aktivitäten, die das Ergebnis von Aushandlungsprozessen in einer eng vernetzten Welt des Mittelmeerraums waren89 Ein Beispiel für unangemessenes Verhalten war der oben besprochene Hermenfrevel Offen ist noch, inwiefern Polis und Religion zusammenhingen Beide können in der griechischen Antike nicht losgelöst voneinander betrachtet werden So zählt schon Aristoteles in seiner Schrift „Politika“ die Verehrung der Götter zu den wichtigsten Aufgaben des Staates90 Die Religion war Ausdruck sozialer Wechselwirkungen und wurde als Integrationsmechanismus von der Polisgemeinschaft genutzt, denn 82 83 84 85 86 87 88 89 90

Blok 2017, 43 Graf 1995, 104, Parker 1987, 138 Dreher (im Druck), 4–5 mit älterer Literatur Siehe auch: Seelentag 2015, 233, Dreher 1983, 9/55–95 Riesebrodt 2007, 109, Zitat: 113 Zusammenstellung der Begriffsdiskussion bei: Hock 2002, 10–21 Riesebrodt 2007, 115/129 Graf 1995, 104 Burkert 1990, 11/21 Eidinow 2015, 64, Malkin 2011, Bowden 2010, 10 Aristot pol 1328b 11

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1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis

die Bürger waren gleichzeitig Teil der Kultgemeinschaft ihrer Stadt91 Zwar konnten auch Nichtbürger an manchen Ritualen teilnehmen, die Kontrolle und Durchführung derselben oblag aber der Bürgerschaft92 Uneingeschränkte Deutungshoheit hatte die Polis jedoch nicht93 Eine solche unterstellt das von Christiane Sourvinou-Inwood vorgeschlagene Konzept der „Polis-Religion“, nach dem die Polis das Gerüst jeglichen religiösen Denkens und Handelns vorgegeben hat94 Zwar ist dieses in seiner Absolutheit nicht mehr tragbar, berechtigt ist aber Sourvinou-Inwoods Hinweis auf die bedeutende Rolle der Polis und ihrer Institutionen im religiösen Gefüge der Antike Stattdessen wurden von der neueren Forschung zwei Erklärungsmuster zum besseren Verständnis der griechischen Religion ausgearbeitet: die Konzepte der „embedded religion“ und der „personal religion“ Für den Entwurf der „embedded religion“ tritt Esther Eidinow ein95 Der Begriff „embeddedness“ (Eingebettetsein) wurde ursprünglich in Bezug auf die antike Wirtschaft verwendet, um zu verdeutlichen, warum eine antike Wirtschaftstheorie im modernen Sinne fehlen würde96 Für die antike Religionsgeschichte wird dieser erstmals von Robert Parker verwendet, ohne dass er die Implikationen genauer erläutert97 Neue Aufmerksamkeit erhält das Konzept durch die eben beschriebene Diskussion über die „Polis-Religion“ Die Religion war in die Gesellschaft eingebettet, das heißt, sie stellte kein übergesellschaftliches Konstrukt dar, sondern durchdrang im Gegenteil alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens Dagegen wird das Konzept der „personal religion“ ausführlich von Julia Kindt dargelegt98 Der Autorin gelingt es, auf einer breiten Quellenbasis zu zeigen, dass die von der Polis organisierten und dominierten Kulte nur eine Möglichkeit neben anderen waren, um religiöse Praktiken durchzuführen, und dass die griechische Antike unterschiedliche Formen der Götterverehrung kannte Da die religiösen Praktiken den entsprechenden Kontexten angepasst wurden, könne, so Kindt, nicht von ausschließlich öffentlichen oder persönlichen Kulten gesprochen werden99 Dieses Konzept erweist sich für die Erforschung des Hermeskults als besonders ergiebig, da unzählige Beispiele zeigen, dass der Gott zwar als Polisgottheit wahrgenommen und verehrt wurde, dabei aber persönliche Interessen sowie Wünsche durchaus eine Rolle spielten und deutlich geäußert wurden Kombiniert man diesen Befund mit dem am Anfang des Abschnitts besprochenen Verständnis der Polis als eines Staates von Bürgern, erklärt 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Blok 2017, Cosmopoulos 2015, 1, Hartmann 2002, 51, Rubel 2000, 25, Aleshire 1994 Parker 2011, 57–61, Bleicken 1986, 167 Aristot pol 1328b 11 Vgl Sourvinou-Inwood 2000a/2000b, Sourvinou-Inwood 1990 Vgl Eidinow 2015, 55–63 mit älterer Literatur, Kindt 2012, 16–25 Kritik an dem Konzept: Nongbri 2008 Polanyi 1957, 71 Siehe auch: Carlà/Gori 2014 Parker 1986, 265–266 Siehe auch: Bremmer 1994 Vgl Kindt 2015 mit älterer Literatur zum Konzept der „Polis-Religion“, Kindt 2009 Kindt 2015, 38/44

1 4 Methode und Aufbau

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sich die Ausrichtung der vorliegenden Arbeit: Hermes war nicht nur ein Gott der Polis, sondern vor allem ein Gott der Bürger Erstaunlicherweise wurde bisher für keines der oben genannten Konzepte der Hermeskult als Beispiel herangezogen100 Tatsächlich lässt sich aber an ebendiesem veranschaulichen, wie tief religiöse Praktiken im Alltag verankert waren und dass politische und persönliche Interessen sich nicht ausschlossen 1.4 Methode und Aufbau Im Zentrum der vorliegenden Studie stehen – wie am Beispiel des Hermenfrevels dargelegt – die Funktionen des Hermes für die griechischen Stadtstaaten und innerhalb derselben Leitgedanke ist die zentrale Rolle, die Hermes für die Polis, ihre Institutionen und die Bürger spielte Der Begriff Polis wird dabei im Sinne der antiken Autoren sowohl für den Raum der Stadt als auch für die politische Einheit verwendet Beides unterstand dem Schutz des Gottes Hermes Um die Frage nach der Rolle von Hermes für die Polis zu beantworten, wird mit den Werkzeugen der Institutionengeschichte gearbeitet101 Zu Institutionen zählen in der Antike einerseits gesellschaftliche Einrichtungen, beispielsweise das Gymnasion, die Heiligtümer oder Magistraturen102 Andererseits werden darunter, auf der Grundlage der soziologischen Forschungen von Peter Berger und Thomas Luckmann, habitualisierte Handlungen und typisierte Handlungssequenzen wie religiöse Akte, zum Beispiel das Gebet, verstanden103 Durch die Institutionen wurde das Zusammenleben in einer Gemeinschaft für den einzelnen und die Gruppe strukturiert und gestärkt, indem diese Verhaltensnormen vorgaben, die auch „vom Individuum als notwendig oder zumindest gewinnbringend erachtet“104 wurden Somit zeigten diese nicht nur Regeln für das Zusammenleben auf, sondern dienten auch zur Orientierung des Einzelnen innerhalb einer Gemeinschaft Voraussetzung dafür war immer, dass das Wissen um und die Strukturen selbst dauerhaft anerkannt waren Dabei sind Institutionen keine übergesellschaftlichen und starren Gebilde, sondern verändern sich mit den Gemeinschaften Entsprechend umschreibt der Begriff Institutionalisierung die Prozesse, die zur Einrichtung, Veränderung und Auflösung von Institutionen führen 100 Arlene Allan spricht zwar von „privat cult“, liefert dafür aber keine theoretische oder methodische Grundlage (Allan 2018, z B 19) Julia Kindt hält fest, dass „personal religion“ nur für „niedere Gottheiten“ vollzogen werden würde (Kindt 2015, 38) 101 Diese Methode machte vor allem Karl-Joachim Hölkeskamp für die Alte Geschichte nutzbar: Hölkeskamp 2003, Hölkeskamp 1999, 270–273 In jüngster Zeit wurde sie sehr gewinnbringend von Gunnar Seelentag für das archaische Kreta angewandt: Seelentag 2015 102 Vgl Seelentag 2015, 69–73, Hölkeskamp 2003, 82 103 Berger/Luckmann 2013, 58 104 Seelentag 2015, 70–71 (Zitat: 70), Hölkeskamp 2003, 82–83/98–99

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1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis

Um diese Bildungs- und Wandlungsprozesse greifbar und historisch beschreibbar zu machen, kann nach Akteuren und Praktiken gefragt werden105 Zu Akteuren werden sowohl überindividuelle Kollektive wie die Polisgemeinschaft und deren Untergruppen als auch individuell Handelnde vor allem die Bürger gezählt Praktiken sind im Sinn des altgriechischen Begriffes πρᾶξις zunächst einmal Taten, im konkreten Fall all jene Handlungen, welche zu Ehren des Gottes Hermes als Gott der Polis vollzogen wurden Eine Institutionengeschichte setzt ein historisch-kritisches Quellenstudium voraus, durch das bekannte Texte in einen neuen Sinnzusammenhang eingebettet werden können Dabei müssen jeweils die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Akteure und ihrer Handlungen gegenüberstellt werden, um Entwicklungen nicht im Sinne moderner Vorstellungen von Effizienz oder Fortschrittsdenken zu missinterpretieren106 Untersucht werden dabei sowohl interne als auch externe Faktoren, die Wandel bedingen können Auf diese Weise können zum einen die Veränderungen dargestellt werden, zum anderen lässt sich die Lebenswelt rekonstruieren, die im Zusammenspiel zur Entwicklung oder Umgestaltung von Institutionen führte Schlussendlich ermöglicht es die längsschnittartige Perspektive der Forschung, einen längeren Zeitraum in den Blick zu nehmen und die Wirkung der Handlung im Vergleich zu anderen Individuen oder Strukturen zu untersuchen Bisher spielte die Institutionengeschichte in der althistorischen Forschung vor allem im Bereich der Politik- und Verfassungsgeschichte eine Rolle In der vorliegenden Arbeit wird diese Methode nun erstmals auf eine religionshistorische Fragestellung angewendet Auf diese Weise können raum- und zeitübergreifende Ergebnisse erzielt werden, welche aufgrund der heterogenen Quellenlage sonst nicht oder nur schwer zu erzeugen wären Konkret bedeutet dies, dass nicht mehr mikrohistorisch nach beispielsweise dem „Hermeskult in Athen“ gefragt wird, sondern dass Hermes makrohistorisch als Gott der Polis und ihrer Institutionen sichtbar wird Die Institutionen waren zwar nicht an jedem Ort und zu jeder Zeit gleich, trotzdem können sie miteinander verglichen werden Dementsprechend zeigt die Institutionengeschichte auch auf, wie sich der Hermeskult wandelte und wie das mit der Veränderung der Poliswelt zusammenhing Um diese Methode anwenden zu können, stehen die griechischen Bürger, die sich auf verschiedene Weise an Hermes wandten, im Zentrum der Betrachtung Dass es daneben in den Poleis auch zahlreiche Nichtbürger gab, die ebenfalls die Heiligtümer besuchten und Kultpraktiken für Hermes durchführten, muss dabei immer mitbedacht werden Die Bürger nahmen sich als Mitglieder mehrerer Gruppen wahr, wobei beispielsweise der Familienverband, aber auch die Polisgemeinschaft Fixpunkte zur Orientierung innerhalb der Lebenswelt bildeten107 Durch die Zugehörigkeit zu einer 105 Seelentag 2015, 24, Hölkeskamp 2003, 84 106 Seelentag 2015, 72 107 Hölscher 2013, 47

1 4 Methode und Aufbau

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Gruppe wurde vor allem das Eigene vom Fremden getrennt108 Entsprechend kann für die antiken Zeitgenossen der Stellenwert der Polis für das Selbstverständnis nicht hoch genug veranschlagt werden und damit auch die Bedeutung eines Gottes, der den Schutz der Polis gewährleistete Diese Rolle, die der Gott neben anderen einnahm, wurde in der bisherigen Forschung vernachlässigt Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, den Kult des Gottes Hermes unter besonderer Berücksichtigung seiner Rolle als Gott der Polis und ihrer Institutionen herauszuarbeiten Gleichzeitig handelt es sich um die erste systematische Untersuchung des Hermeskults in den griechischen Poleis Zudem leistet die Untersuchung am Beispiel des Hermeskults einen Beitrag zum Verständnis der Beziehung von Religion und Polis in der griechischen Antike In jedem Abschnitt stehen jeweils die Fragen im Zentrum, von wem Hermes, wo, wie und warum verehrt wurde Somit untersucht die Studie vor allem Akteure und Praktiken Beides lässt sich oft über die Beinamen des Gottes erschließen109 Henk Versnel konnte beweisen, dass die Epitheta ein wichtiger Teil der Kommunikation mit den Göttern waren, da der richtige Name für eine erfolgreiche Kontaktaufnahme als wesentlich galt110 Entsprechend waren sie kultisch relevant und dienten dazu, den Charakterzug des Gottes und den eigenen Wunsch zu unterstreichen Gleichzeitig weist Versnel darauf hin, dass die Nennung von Beinamen für die kultische Handlung nicht verpflichtend gewesen sei111 In der Praxis hatte wohl nicht jeder Bürger die Vielzahl der göttlichen Beinamen stets präsent, sondern lediglich die für die eigenen Bedürfnisse passenden112 Aufgrund der Quellenmasse wurde sowohl eine zeitliche als auch eine räumliche Eingrenzung vorgenommen Berücksichtigt wurden schriftliche Zeugnisse, die aus dem Zeitraum zwischen dem 8 /7 Jh   v Chr und dem Ende des 3 Jh   v Chr stammen oder über diese Zeit Auskunft geben Begonnen wird demnach mit den ersten bekannten Texten von Hesiod und Homer Das Ende des Untersuchungszeitraums ist inhaltlich begründet Sowohl Arbeiten zur griechischen Religion als auch jene zur Polis konstatieren einen deutlichen kulturellen und geistesgeschichtlichen Wandel um 300 v Chr So hält Gunnel Ekroth in ihrer Monographie zum griechischen Heroenkult fest, dass um das Jahr 300 v Chr eine neue Phase in Mythos und Kult angebrochen sei, womit sie nicht ausschließt, dass Tendenzen und Entwicklungen über diesen Zeitpunkt hinaus zu beobachten seien113 Ferner endet auch der Betrachtungszeitraum 108 Seelentag 2015, 271 109 Vgl Allan 2018, 6, Parker 2017, 14–17, Parker 2011, 65–70, Parker 2003 Zu Beinamen von Hermes in der Tragödie: Siebert 2005 Jenny Wallensten schlägt auch eine Unterteilung in topographische, beschreibende, funktionale, charakterliche, ehrende und obskure Beinamen vor (Wallensten 2003, 63–67, Henrichs 1991, 179) Zu einer Auflistung der göttlichen Beinamen in der Dichtung: Bruchmann 1893 Zu Beinamen in der Magna Graecia: Langella 2019 110 Versnel 2011, 60–87 Siehe auch: Sourvinou-Inwood 1997, 165–166 111 Versnel 2011, 79–82 112 Versnel 2011, 64–72 113 Ekroth 2002, 18

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1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis

des Copenhagen Polis Centers um 300 v Chr , mit der Begründung, dass zu diesem Zeitpunkt eine Veränderung in der Verwaltungsstruktur zu beobachten sei114 Gerade neuere Arbeiten zu der Epoche des Hellenismus haben aber gezeigt, dass es neben einschneidenden Veränderungen auch zahlreiche Kontinuitäten zwischen der Klassik und dem Hellenismus gab115 Daher werden in der vorliegenden Arbeit die Zeugnisse des 3 Jh   v Chr ebenfalls einbezogen, um die Veränderungen aufzuzeigen, die in die römische Epoche führten Seit den Makedonischen Kriegen stieg der Einfluss der Römer in Griechenland an und manifestierte sich zunehmend116 Mit der römischen Eroberung der hellenistischen Welt blieben die Poleis zwar als Siedlungen und Verwaltungsstrukturen weitgehend bestehen, die römische Einwirkung war aber in Kultur und Gesellschaft spürbar117 Räumlich umfasst die Studie diejenigen Gebiete des antiken Mittelmeerraums, die von der griechischen Kultur und Religion direkt und indirekt beeinflusst wurden Die meisten Quellen für den Hermeskult konzentrieren sich auf das griechische Mutterland, die Inseln im Ägäischen Meer und die kleinasiatische Küste Nicht behandelt werden hier die nordafrikanische Region mit Ägypten, genauso wie der östliche Mittelmeerraum mit Palästina, Jordanien und Syrien Zu begründen ist diese Einschränkung mit mehreren Spezifika der Regionen, die nicht auf alle in gleicher Weise zutreffen Zum Ersten existieren bereits zahlreiche Vorarbeiten118 Zum Zweiten sind in diesen Regionen durch den Einfluss älterer und paralleler religiöser Traditionen deutliche kulturelle Unterschiede zu beobachten Zum Dritten ist die Fundlage teilweise zu schlecht für eine systematische Analyse Basis der Untersuchung bilden, im Sinne Martin Riesebrodts, die Quellen, welche die religiösen Praktiken widerspiegeln119 Demnach stehen die Inschriften im Zentrum der Betrachtung, wobei auf thematische Vorarbeiten und eine große Zahl an Corpora zurückgegriffen werden kann Zusammengetragen und ausgewertet wurden die epigraphischen Zeugnisse des griechischen Mittelmeerraums von den Anfängen im 7 und 6 Jh  v Chr bis zum Ende des 3 Jh  v Chr , welche Auskunft über den Kult des Gottes Hermes geben Diese Quellengattung ist auch deshalb so zentral, weil Polisund Inschriftenkultur aufs Engste zusammenhingen: Inschriften sind direkte Zeugnisse der Verwaltung und Normierung des öffentlichen Lebens in der antiken Stadt120 Zu den Inschriften mit religiösem Inhalt gehören auch die sogenannten Leges Sacrae, 114 115 116 117 118

Hansen 2007b, 19 Vgl Börm/Luraghi 2018 Siehe auch: z B Habicht 1995 für Athen Habicht 1995, 192/197 Bowden 2010, 10 Ausführliche Diskussion bei: Dench 2018 Zu Ägypten und Nordafrika (Bortolani 2019, Kerchove 2012, Aufrère 2007, Fowden 1986, Raingeard 1934, 271–286), zu Arabien (Bladel 2009), zur Iberischen Halbinsel (Baratta 2001) zu Sumer (Larson 2005), zu Merkur (Allan 2018, Combet-Farnoux 1980) 119 Riesebrodt 2007, 129 120 Rizakis 2014, 78, Hedrick 1999, 387–439, bes 395 Anm 26, Hedrick 1994, 157–174, Habicht 1995, 13–15

1 4 Methode und Aufbau

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wobei Begriff und Kategorisierung in den letzten Jahren problematisiert wurden121 Zuletzt hielt Martin Dreher fest, dass die gesetzliche Regelung von Religion nur ein Bereich der Polisgesetzgebung gewesen sei, die wiederum alle Aspekte des politischen und gesellschaftlichen Lebens ordnete122 Mit den Inschriften in Beziehung gesetzt werden die literarischen Zeugnisse, die entweder aus dem genannten Zeitraum stammen oder über diesen berichten Ohne dass eine bestimmte Gattung ausgeschlossen werden sollte, haben sich die Epen, die Reden, die historiographischen und philosophischen Schriften sowie die Dramen als besonders ergiebig erwiesen Zu den Hauptquellen gehören außerdem der Bericht des Reiseschriftstellers Pausanias und die zahlreich überlieferten Epigramme123 Letztere nehmen eine Mittlerstellung zwischen den epigraphischen und literarischen Quellen ein Ihr Aussagegehalt, der durch spezifische Gattungsvorgaben beeinträchtigt sein kann, muss im Einzelfall überprüft werden124 Zudem werden die Ergebnisse der archäologischen Forschung herangezogen Zur Beantwortung der Fragestellung werden im Hauptteil „Hermeskult in den griechischen Poleis“ die Funktionen des Gottes für die Polis und ihre Institutionen untersucht Hermes war in der antiken Vorstellung der Wegbegleiter par excellence, daher ist die Arbeit so gestaltet, dass sie den fiktiven Weg eines antiken Menschen in eine ideale Stadt nachzeichnet So kann einerseits die raumgeschichtliche Zugangsweise unterstrichen und andererseits die Verbindung des Gottes zur Polis und ihren Bürgern hervorgehoben werden Dabei beginnt der Weg an den Grenzen der Polis und endet im politischen und wirtschaftlichen Zentrum der Stadt So werden die Facetten des Hermeskults in Bezug auf die Stadtstaaten als Ganzes und ihre einzelnen Teile vor Augen geführt: Der Gott fungiert als Bindeglied zwischen dem Innen und dem Außen, dem Zentrum und der Peripherie Im ersten und gleichzeitig ausführlichsten Abschnitt „Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge“ wird Hermes als ein Gott der Grenze charakterisiert, wobei jede Form der Grenzmarkierung von den Territoriumsgrenzen bis hin zur Türschwelle gemeint ist Außerdem wurde Hermes auch mit symbolischen Grenzen im Laufe des Lebens eines Bürgers oder einer Bürgerin und vor allem mit deren Überschreitung verbunden Seine Funktion als Grenzgottheit weist ihn als Schützer der Polis sowohl im topographischen als auch im politischen und sozialen Sinne aus Der Weg des Besuchers führt daraufhin in die Chora Im Abschnitt „Chora I: Heiligtümer extra urbem“ gelangt er zu den außerstädtischen Heiligtümern Bei deren Betrachtung wird stets die Verbindung der Heiligtümer zum städtischen Zentrum und 121

Vgl Dreher 2018 mit älterer Literatur Siehe auch: Hayes 2015, Pirenne-Delforge/Carbon 2012, Lupu 2005, Parker 2005b/2004 122 Dreher 2018, 199 123 Zu Pausanias als Quelle für die archaische und klassische Zeit: Pirenne-Delforge 2010, Frateantonio 2009 124 Baumer 2004, 10

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1 Einleitung: Hermes – ein Gott der Polis

ihre Bedeutung für den Kult der Bürger, die in diesen Gebieten wohnten und arbeiteten, betont Daran schließt sich in „Chora II: Straßen und Wege“ eine Beleuchtung der Kultorte des Hermes entlang von Straßen und Wegen an Hierbei werden, ähnlich wie im Abschnitt zu den Grenzen, nicht nur tatsächliche Verkehrswege, sondern auch Wege im übertragenen Sinne erforscht, die im Laufe eines Bürgerlebens gegangen werden mussten und bei denen Hermes stets Geleit gab Beide Kapitel zeigen, dass dem Hermeskult bei der institutionalisierten Verbindung zwischen Zentrum und Peripherie wichtige Funktionen zugeschrieben wurden In den darauffolgenden Teilen nähert sich der Besucher der Stadt und verweilt im Proastion und damit in den suburbanen Institutionen Während im Abschnitt „Proastion I: Nekropolen“ die Rolle von Hermes in den griechischen Jenseitsvorstellungen und im Totenkult herausgearbeitet wird, konzentriert sich das Kapitel „Proastion II: Gymnasia“ auf die Fürsorge des Hermes für die jungen Männer und zukünftigen Bürger In beiden Fällen steht Hermes in der antiken Vorstellung den Menschen in Schwellensituationen bei Schlussendlich gelangt der Besucher in das Asty Der Teil „Asty: Agorai“ widmet sich der wichtigen Polisinstitution Agora, die das politische und wirtschaftliche Zentrum jeder griechischen Stadt war Hier stehen vor allem die Gremien und Magistrate im Mittelpunkt, die sich dem Hermes besonders verbunden fühlten Die Ergebnisse werden in einem letzten Kapitel „Ergebnisse: Hermes – ein Gott der Bürger“ zusammengefasst und um allgemeine Bemerkungen zu Besonderheiten des Hermeskultes gegenüber anderen Gottheiten erweitert

2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis Wenn unter einer Polis sowohl die Gemeinschaft in einem Stadtstaat als auch das tatsächliche Gebiet desselben verstanden werden, so sind innerhalb dieses Gebiets wiederum Teilräume auszumachen So bezeichnet der antike Begriff „Asty“ (Ἄστυ) die Stadt als urbane Siedlung, in der sich ein großer Teil des politischen, sozialen und religiösen Lebens abspielte1 An diesen Stadtkreis, der mit einer Mauer umgeben sein und durch Tore betreten werden konnte, schloss sich der als „Chora“ (Χώρα) oder „Ge“ (Γῆ) bezeichnete außerstädtische Bereich an2 Im Folgenden wird im Sinne Tonio Hölschers dieses große Gebiet in einen suburbanen und extraurbanen Komplex unterteilt3 Der suburbane Bereich wurde als „Proastion“ (Προάστιον) bezeichnet, da zwischen diesem und dem Asty ein reger Austausch stattfand4 Entsprechend wurden die in dem Proastion gelegenen Institutionen, wie die Nekropolen oder die Gymnasia, häufiger besucht und waren für den Alltag in der Polis bedeutsam Dagegen war der extraurbane Bereich, der zur besseren Unterscheidung im Folgenden als „Chora“ bezeichnet wird, geprägt von der landwirtschaftlichen Nutzung, dem Handel und den daran beteiligten Menschen sowie ihren Bedürfnissen Die Randzonen der Poleis markierten Grenzen, deren Ausgestaltung ganz unterschiedlich sein konnte, und die als „Eschatia“ (Ἐσχατιά) bezeichnet wurden5 Der gesamte Raum der Polis – Stadt und Land – war durch Kultorte strukturiert6 Die folgenden Ausführungen sind so strukturiert, dass sie den Weg eines Besuchers einer fiktiven antiken griechischen Polis nachzeichnen Dabei stehen immer die Fragen im Zentrum, wo er oder sie auf seinem oder ihrem Weg dem Gott Hermes begegnen und ihn als einen Gott der Polis identifizieren konnte Ausgangspunkt sind die Grenzen des Polisgebiets in der Eschatia 1 2 3 4 5 6

Hdt 1, 176, Lykurg 1, 18 Siehe auch: Oliver 2006, 285 Hom Od 8, 573, Hdt 9, 13, Xen Hier 4, 7 Dazu: Aischyl Eum 993 Siehe auch: Hansen 2007b, 14 Zur Begriffsgeschichte von Χώρα und Γῆ: Gschnitzer 1994, 29–30 Vgl Hölscher 2013, 47–49 Hdt 1, 78/3, 142/8, 129, Soph El 1432, Eur Alc 836 Zur Diskussion des Begriffs: Waldner 2000, 128–130 Vgl Schlesier 2000, 129–130, Polignac 1984

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

2.1 Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge „[A]ls eine von der Polis eingeführte Institution“7 beschreibt Giovanna Daverio Rocchi die Grenze Diese Auslegung liegt auch den folgenden Überlegungen zugrunde Demnach sind Grenzen ein Ergebnis sozialer Aushandlungsprozesse und eine von einer Gemeinschaft beschlossene Trennlinie zwischen zwei Räumen, durch die sich die Polis erst konstituiert8 In der Wahrnehmung der antiken Zeitgenossen wurden Gebiete außerhalb der Grenzen des städtischen Territoriums als potentiell gefährlich wahrgenommen, wobei Peter Funke herausstellt, dass in der klassischen und hellenistischen Zeit „[n]eutrale und verlassene, quasi außerhalb des Blickwinkels einer Polis gelegene Grenzzonen […] in der griechischen Staatenwelt nicht mehr“9 existiert hätten Die Grenzzonen waren vielmehr kultisch erschlossen und hart umkämpft Die Angst bezog sich eher darauf, dass jede Grenzüberschreitung mit einer Statusänderung der Person einherging Ausschlaggebend für die einzelnen Poleis war die Begrenzung und Sicherung des eigenen Territoriums und damit eines Rechtsraumes: „Damit definieren die Grenzen die Bereiche der Geltung spezifischer Normen, Regeln, Gesetze und Bräuche des Handelns “10 Zu diesem Zweck wurden Grenzen markiert, auf diese Weise sichtbar gemacht und als auf Dauer gültig manifestiert Der Schutz des Eigenen umfasste das tatsächliche Polisgebiet, die Gemeinschaft der Polis mit ihren Ressourcen und die Menschen selbst11 Ferner mussten Räume der gemeinsamen politischen und religiösen Nutzung geschützt werden Außerdem wurden private Grundstücke begrenzt Sowohl den außerstädtischen als auch den innerstädtischen Grenzen galt der Schutz von verschiedenen Gottheiten Die Vorstellung von Hermes als einem Gott der Grenze ist schon in den homerischen Epen greifbar12 In einer Arbeit zu Hermes als einem Gott der Polis ist diese Funktion doppelt wichtig, da Grenzen einerseits das Fremde draußen halten und andererseits das Eigene bewahren sollten Somit hatten die Poleis jeweils ein „Innen“ und „Außen“, wobei die Grenzen durchlässig waren Für den Schutz der einzelnen Bereiche und den geregelten Übergang zwischen diesen war Hermes zuständig, denn er war nicht nur der Gott der Grenze, sondern auch der Grenzüberschreitung13 Dieser Aspekt der Grenzüberschreitung lässt sich einerseits anhand der topographischen und architektonischen Befunde greifen, andererseits wird dieser in den Polisfesten sicht7 8 9 10 11 12

13

Daverio Rocchi 1994, 97 Funke 2007, 188 Zu Grenzen als Institution: Eigmüller/Vobruba 2006, 10 Freitag 2007, 65 Hölscher 2013, 51–53, Zitat: 53 Zu ökonomischen Ressourcen als Auslöser für Grenzstreitigkeiten: Ober 1985, 13–31 Vgl z B Hom Il 24, 446, h Herm 15/146/384 [Hermes schwört auf dem Olymp bei den „schön geschmückten Toren der Unsterblichen“ (οὐ μὰ τάδ᾽ ἀθανάτων εὐκόσμητα προθύραια), indem er sie berührt Eigentlich wäre ein Schwur auf die Styx zu erwarten gewesen] Dazu: Allan 2018, 57, Vergados 2013, 482–483, Seiffert 2006, 99, Wrede 1986, 34 Hölscher 2013, 47

2 1 Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge

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bar Als Gott der Grenze erhielt Hermes zahlreiche Beinamen oder schmückende Beiwörter: Ἀμύητος14 (der Geöffnete), Ἐπιτέρμιος15 (der an den Grenzen), Θυραῖος16 (der bei der Tür/Türschwelle), Πρόθυρον17 (der vor der Tür/Türschwelle), Πρόναος18 (der vor dem Tempel), Προπύλαιος19 (der vor dem Tor), Πυληδόκος20 (der Torhüter/Bewacher der Türen oder Dieb), Πυλαῖος/Πυλήτης21 (der Wächter in den Toren/bei den Grenzpässen) und Στροφαῖος22 (der Portier an der Tür) Auf seine Funktion als Schützer der Grenze oder der Grenzüberschreitung weisen überdies folgende Beinamen hin: Ἀγήτωρ23 (der Anführer), Ἀλεξίκακος24 (der Übelabwehrer), ἄλκιμος25 (kühn, mutig, stark), Ἡγεμόνιος26 (der Anführer/Wegweiser), κύδιμος27 (Ruhm/Ansehen bringend), Πρόμαχος28 (der Vorkämpfer), Σύμμαχος29 (der Verbündeter/Mitkämpfer), Σωτήρ τῶν οἴκων30 (der Retter der Häuser) und Φύλαξ31 (der Wächter) Hermes als Gott der Grenze wurde beinahe ausschließlich durch die Herme versinnbildlicht32 Diese war wegen ihres Aussehens als Grenzmarker prädestiniert33 Schon in der Antike wurden zwei Typen von Hermen deutlich voneinander geschieden34 Als Erfinder der viereckigen Steinhermen galten die Athener35 Sie waren es auch, die den Hermen neben der religiösen Bedeutung auch politische Ausdruckskraft verliehen36 Die attischen Hermen bestehen im unteren Teil aus einem viereckigen Pfeiler, an dem Armbossen und ein Phallos angebracht sind, und der sich nach oben hin zu einer Büste ausformt37 Im oberen Teil wurde der Gott anfangs als ein

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37

Clem Al 10, 102, Hesych s  v Ἑρμῆς ἀμύητος, Diogen prov 4, 63 Hesych s  v Ἐπιτέρμιος I Pergamon II 325 (röm ) Thuk 6, 27 Siehe auch: h Herm 384, Sch Aristoph Pax 923 Paus 9, 10, 2 IG I2 324, Z 114 (426/425–423/422 v Chr ), Demosth or 47, 26, I Rhod Per App 6 (=GDI 4332, 3 Jh   v Chr ), Paus 1, 22, 8, Bean/Mitford 38, Nr 42, Z 1/8, Diog Laert 8, 31, Harpokr s   v Προπυλαῖος h Herm 15, Hesych s  v Πυληδόκος Philoch FGrH 328 F 40, Diog Laert 8, 31, Sch Hom Il 2, 842 Aristoph Plut 1153 mit Sch , Suda s v Ἑστροφαῖον, Phot s v Ἑρμῆς στροφαῖος Paus 8, 31, 7 Aristoph Pax 422, SEG 57–202 (ca 350 v Chr ), Anth Gr 9, 441 (röm ) Dazu: Allan 2018, 31 h Herm 101 Aristoph Plut 1159, IG II2 1496 (331/300 v Chr ), IG II2 2873 (95/94 v Chr ) Hes theog 938, h Herm 46/84/96/130/150/253/298/316/404/571, Pind O 14, 24 Paus 9, 22, 1–2 Hierzu: 2 1 4 2 Grenzen bewahren Aischyl Choeph 2 Aischyl Choeph 2, Corn Theol Graec 16, 3 Aischyl Eum 90 Vgl Allan 2018, 7/9, Weissl 1998, 156–160 Seiffert 2006, 102 Wrede 1986, 50–52 Hdt 2, 51 (von den Pelasgern übernommen), Thuk 6, 27, 1, Paus 1, 24, 3/4, 33, 3 Vgl Rückert 1998 Hierzu: 2 3 2 2 Straßen innerhalb der Stadt Rückert 1998, 57 mit älterer Literatur

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

älterer, bärtiger Mann dargestellt38 Birgit Rückert hält fest, dass die begrenzende Funktion des Götterbilds durch seine Frontalität, die Statik und die Armbossen, die wie Schranken wirkten, noch verstärkt worden sei39 Außerdem übernahm der Phallos eine apotropäische Funktion40 Schon aus der Ferne war die Herme, die meist mit der Bildseite nach außen aufgestellt war, für Betrachter außerhalb des begrenzten Raumes eindeutig erkennbar Entsprechend assoziierten Besucher einer Stadt die Hermen sofort mit der Grenze des Polisgebiets Darüber hinaus entwickelten die Arkader, weil ihre Landschaft Heimat des Gottes war, eine spezielle Form des Kultbilds für Hermes41 Mehrere antike Autoren betonen, dass in Arkadien nicht nur außergewöhnlich viele Hermen, sondern auch solche mit einer eigenen Form gestanden hätten42 So kommt beispielsweise Pausanias bei der Beschreibung der Agora von Megalopolis zu dem Fazit: An den Hermen „[…] scheinen mir die Arkader einen ganz besonderen Gefallen zu finden“43 Als arkadische Hermen bezeichnet Daphni Doepner „Schäfte, die oben nach einer umlaufenden Kehle pyramidal abschließen“44 Ihre Schäfte sind schmaler als die der attischen Hermen und im Gegensatz zu diesen bilden keine Köpfe, sondern geometrische Formen wie Pyramiden den Abschluss Weiterhin fehlen den Objekten die Armstümpfe und Geschlechtsteile45 Die arkadischen Hermen, die bereits in spätarchaischer Zeit nachweisbar sind, waren daher gänzlich anikonisch und trugen keine menschlichen Züge46 Das folgende Kapitel untersucht die Hermesverehrung an Grenzen des Polisgebiets und innerhalb der Stadt, wobei mit dem oben skizzierten „Außen“ begonnen wird Am Anfang stehen demnach die Grenzen des Territoriums einer Polis Daraufhin wird das „Innen“ untersucht, welches nicht als Einheit betrachtet werden kann, sondern wiederum Abstufungen enthält Entsprechend werden zuerst die städtischen Grenzen, die zum Beispiel in Athen durch Mauern fixiert waren, und im Folgenden die öffentlichen und nichtöffentlichen Räume innerhalb der Stadt analysiert Am Ende des Kapitels steht eine Untersuchung von Polisfesten bei denen Hermes als Gott der Grenze oder der Grenzüberschreitung auftrat

38 39 40 41 42 43 44 45 46

Hdt 2, 51, Paus 6, 26, 4–5, Lukian Iupp trag 42 Dazu: Quinn 2007, 102 Rückert 1998, 221 Vgl Weissl 1998, 187–192, Parker 1996, 82 Vgl Mylonopoulos 2010a mit älterer Literatur, Steiner 2001, Scheer 2000, Cain 1995, 115 Allan 2018, 15, Wrede 1986, 51 Paus 8, 48, 6 Doepner 2002, 156 mit älterer Literatur Wrede 1986, 50–52 Zu anikonischen Bildern des Hermes und ihrer Verwendung im Kult: Hirschler 2015

2 1 Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge

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2 1 1 Grenzen des Polisterritoriums An den Territoriumsgrenzen wurde angezeigt, um wessen Herrschaftsgebiet es sich handelte Gemeint sind damit die „Außengrenzen des gesamten Landbesitzes einer Polisgemeinschaft, Privat- wie auch Gemeinschaftsland“47 In der griechischen Antike ist eher von Grenzräumen als von Grenzlinien auszugehen, da oftmals natürliche Gegebenheiten wie Berge oder Gewässer als Umrahmung fungierten Diese Gebiete in den Grenzregionen, die für die Wirtschaft der Poleis von unschätzbarem Wert waren, wurden verteidigt, wobei der Aufwand dafür von Polis zu Polis variierte Außerdem waren die institutionalisierten Grenzen ständigen, oft gewaltsamen Aushandlungsprozessen unterworfen, was auch Strabon bestätigt48: „So kommt es, dass die Grenzen und die Zugehörigkeit von Völkern und Orten ständig wechseln, wie wir sagten “

Möglichkeiten der Grenzziehung boten natürliche Landmarken sowie künstlich errichtete Befestigungsanlagen, Heiligtümer oder Heroa49 Solche Kultstätten an den Grenzen konnten den Stadtgöttern oder -heroen geweiht sein, in der Praxis wurden aber „beinahe alle Gottheiten des Pantheons als Torwächter eingesetzt“50 In vielen griechischen Poleis übernahm Hermes die Funktion als Gott der Grenze des Polisterritoriums, wobei er nur in einem Fall Hauptgott der entsprechenden Polis war Entsprechend soll der Frage nachgegangen werden, warum zahlreiche Poleis im gesamten Mittelmeerraum an ihren Außengrenzen heilige Orte des Hermes einrichteten 2.1.1.1 Natürliche Grenzen und deren Schutz Aus inschriftlich überlieferten Verträgen zwischen mehreren Gemeinwesen wird deutlich, dass vor allem natürliche Gegebenheiten wie Berge, Wälder, Täler, Flüsse oder das Meer als Grenzen fungierten51 Daneben waren es gut sichtbare landschaftliche Markierungen wie große Bäume oder Steine, welche in der Festlegung von Herrschaftsgebieten immer wieder auftauchen Diese wurden aber nicht per se als Grenzen wahrgenommen, sondern mussten von den benachbarten Poleis erst als solche aner47 48 49 50

51

Sommerey 2012, 44–45 (Zitat: 44), Wees 2004, 126–130, Osborne 1987, 137–164 Strab 9, 5, 8 (Übersetzung Radt 2004): „οὕτω δὲ συμβαίνει τοὺς ὅρους καὶ τὰς συντάξεις τῶν τε ἐθνῶν καὶ τῶν τόπων ἀλλάττεσθαι ἀεί, καθάπερ εἴπομεν“ Dazu: Freitag 2007, 52 Vgl Seiffert 2006, 164–172, Maier 1961, 103 Weissl 1998, 145 Beispiele für Artemis-Hekate (Seiffert 2006, 177–190, Weissl 1998, 166–170), Poseidon (Seiffert 2006, 190–195), Hera (Seiffert 2006, 195–201, Rausch 2000), Apollon (Seiffert 2006, 201–203, Weissl 1998, 171–177), Demeter (Seiffert 2006, 203–204), Athena (Paus 1, 28, 2), Herakles (Weissl 1998, 178–180), Priapos (Weissl 1998, 165–166) Vgl Sommerey 2012, 45–48, Chaniotis 1996

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

kannt und damit institutionalisiert werden Um den Bestand einer Grenze sicherzustellen, konnten die natürlichen Gegebenheiten zusätzlich durch eine Zuweisung zu einer Gottheit mit Bedeutung aufgeladen werden52 Dafür bestanden mehrere Möglichkeiten: Die Landmarken konnten beispielsweise nach Göttern benannt oder Heiligtümer errichtet werden In jedem Fall wurde die Grenze dem Schutz der jeweiligen Gottheit unterstellt Zu den Landmarken, die mit Hermes verbunden waren, zählen vor allem Berge Unter Bergen (ὅροι) wurden im griechischen Sprachgebrauch alle natürlichen Erhebungen vom Hügel bis zum Gebirgszug verstanden, die als Gegensatz des Städtischen galten Gleichzeitig konnten durch die Berge und ihre Rohstoffe, wie Silber, Holz und Marmor, ökonomische Gewinne für eine Stadt erzielt werden53 Hinzukommt, dass auf den Plateaus und an den Hängen der Berge die Weideflächen für Ziegen oder Schafe lagen und Honig dort gewonnen wurde Letztlich fand auch die Jagd in den Bergen statt Für diese Praktiken war, neben anderen Gottheiten, Hermes zuständig Diejenigen, die in diesen Räumen unterwegs waren und für die die institutionalisierten Grenzen Bedeutung besaßen, fühlten sich dem Gott Hermes verbunden: Hirten, Händler, Reisende oder Anwohner Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass jede Anhöhe als dem Hermes heilig angesehen wurde Vielmehr mussten diese Orte bestimmte Merkmale aufweisen, die im Folgenden ausgeführt werden Bereits in der „Odyssee“ von Homer ist die Rede von einem Hermeshügel auf der Insel Ithaka54: „Aber ich weiß dir noch Folgendes, sah es mit eigenen Augen:  | Über der Stadt schon ging ich, am Hermeshügel; da sah ich | Eben ein eilendes Schiff, wie in unseren Hafen es einlief; | Männer standen darauf und es starrte von Schilden, | Starrte von Speeren mit doppelter Spitze Da kam mir die Ahnung | Jene müssten es sein; doch weiß ich nichts weiter zu sagen “

Der Schweinehirt Eumaios berichtet Telemachos, was er beim Verrichten seiner Arbeit gesehen hatte Seine tägliche Route führt ihn durch die die Stadt umgebenden Berge, wobei er auch an dem als Hermeshügel (Ἕρμαιος λόφος) bezeichneten Ort vorbeikommt55 Gemeint ist ein Bergrücken oder Bergkamm, von dem aus Eumaios eine gute Sicht über das städtische Zentrum sowie den Hafen hat und das neu angekommene Schiff sehen kann Für den Hermeskult in den Bergen lässt sich ablesen, dass die

52 53 54

55

Vgl Petridou 2015, 196, Buxton 1994, 80–113 Larson 2001, 8–9 Hom Od 16, 470–475 (Übersetzung nach Rupé 2008): „ἄλλο δέ τοι τό γε οἶδα· τὸ γὰρ ἴδον ὀφθαλμοῖσιν  | ἤδη ὑπὲρ πόλιος, ὅθι θ᾽ Ἕρμαιος λόφος ἐστίν, | ἦα κιών, ὅτε νῆα θοὴν ἰδόμην κατιοῦσαν | ἐς λιμέν᾽ ἡμέτερον· πολλοὶ δ᾽ ἔσαν ἄνδρες ἐν αὐτῇ, | βεβρίθει δὲ σάκεσσι καὶ ἔγχεσιν ἀμφιγύοισι· | καὶ σφέας ὠΐσθην τοὺς ἔμμεναι, οὐδέ τι οἶδα “ Soph Phil 1453–1463

2 1 Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge

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nach dem Gott benannten Erhöhungen von Hirten aufgesucht wurden und an Stellen lagen, die einen Überblick über die umgebende Landschaft boten Außerdem dienten dem Hermes heilige Berge der Navigation von Schiffen, wie aus dem Periplous von Pseudo-Skylax (4 /3 Jh  v Chr ) hervorgeht In der Küstenbeschreibung wird ein Hermesgipfel (Ἑρμαῖον ἄκρον) erwähnt, welcher den Seefahrern als Anhaltspunkt dienen sollte56 Mit dem Begriff ἄκρον wurden Berggipfel bezeichnet, sodass nicht nur von Hügeln oder Bergkämmen die Rede sein kann, für die Hermes verantwortlich war Diese heiligen Orte des Hermes konnten auch mit einem Götterbild versehen sein, wobei nicht nur die Herme zum Einsatz kam Von einer ungewöhnlichen Markierung, die vermutlich auf einer Anhöhe bei der eleischen Hafenstadt Kyllene lag, berichtet Pausanias57: „An Heiligtümern von Göttern gibt es in Kyllene eines des Asklepios und eines der Aphrodite Die Kultstatue des Hermes, den sie dort besonders verehren, ist ein aufgerichtetes männliches Glied auf der Basis “

Laut Pausanias erfuhr Hermes in Kyllene besondere Verehrung Dies kann einerseits auf den Namen der Stadt zurückgeführt werden, der an den Geburtsort des Gottes am Berg Kyllene und den arkadischen Heros Kyllen erinnert Andererseits spricht die Lage der Stadt – „gegen Sizilien gewandt und [mit] eine[m] für Schiffe geeigneten Ankerplatz“58 – dafür Laut Nicholas Vellas Beobachtungen zu den Hermestoponymen entlang der Mittelmeerküste waren diese immer an den Punkten gelegen, an denen die Küstenlinie besonders weit in das Meer hineinragte und somit die Seefahrtsverbindung lag59 Das ungewöhnliche Kultbild hatte zwei Funktionen Zum einen war es ein weithin sichtbares Zeichen der Begrenzung und Abschreckung, welches beeindruckend gewesen sein muss, da es in der antiken Überlieferung wiederholt auftaucht60 Zum anderen symbolisierte es die Fruchtbarkeit des Landes, die Pausanias im weiteren Verlauf seines Berichts besonders hervorhebt61 Somit war der Phallos gleichzeitig eine Mahnung für die Fremden und ein Willkommensgruß für die Bürger der Stadt62

56 57 58 59 60 61 62

[Skyl ] 112 Dazu: Vella 2004, 38–39 Paus 6, 26, 5 (Übersetzung Meyer 2001): „θεῶν δὲ ἱερὰ ἐν Κυλλήνῃ Ἀσκληπιοῦ, τὸ δὲ Ἀφροδίτης ἐστί: τοῦ Ἑρμοῦ δὲ τὸ ἄγαλμα, ὃν οἱ ταύτῃ περισσῶς σέβουσιν, ὀρθόν ἐστιν αἰδοῖον ἐπὶ τοῦ βάθρου “ Zu Kyllene/Kyllenos: Thuk 1, 30/2, 84, Strab 8, 3, 4 Paus 6, 26, 4: „[…] κεῖται δὲ τετραμμένη τε πρὸς Σικελίαν καὶ ὅρμον παρεχομένη ναυσὶν ἐπιτήδειον “ Vella 2004, 39 Siehe auch: Blakely 2019, 274–277 (mit weiteren Beispielen), Semple 1932, 78–79 Hierzu: 2 1 1 3 2 Das Militär, die Seereisenden und Händler Lukian Iupp trag 42, Artem 1, 45, Philostr Ap 6, 20, Hippol Haer 5, 7, 29 Zur vergleichsweise spät einsetzenden Überlieferung: Hirschler 2015, 199–201 Paus 6, 26, 6 So auch: Hirschler 2015, 211 Vella 2004, 37–38

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Zudem wurden als Hermeshügel nicht nur Berge bezeichnet, die der regionalen Orientierung dienten, wie die Tragödie „Agamemnon“ (458  v Chr ) von Aischylos zeigt63: „Hephaistos, der vom Ida lohnend Strahl entsandt   | Lichtbrand hat Lichtbrand her in Feuers Postenlauf | Gesandt; der Ida nämlich zu des Hermes Fels | Auf Lemnos; des Eilands mächtgen Strahl als dritter nahm | Der Athosberg des Zeus in sicheren Empfang “

Im Dialog zwischen dem Chor und Klytaimnestra berichtet Letztere, dass die Griechen vor Troja gesiegt hätten und dass Agamemnon nach Argos zurückkehren werde Die Nachricht war per Leuchtfeuer verbreitet worden, die entlang der höchsten Berge eingerichtet worden waren und der Kommunikation über weite Strecken dienten Einer dieser Orte war der Hermesfelsen (Ἑρμαῖον λέπας) auf der Insel Lemnos Vorstellbar ist ein Felsen, der bereits aus der Ferne weithin sichtbar war und Platz für die Einrichtung eines Leuchtfeuers bot Aus der Aufzählung der Klytaimnestra geht außerdem hervor, dass besonders hohe Berge, wie der Ida oder der Athos, zumeist Zeus heilig waren Die Zuweisung einer der Stationen an Hermes könnte einerseits auf einen regionalen Kult zurückzuführen sein Anderseits sollte die Rolle von Hermes als Götterbote mitbedacht werden Als solcher war er für die Kommunikation zwischen den Göttern, aber auch zwischen Göttern und Menschen zuständig, und die Lauffeuer waren eine Form der Verständigung Weitere Beispiele für von Hermes abgeleitete Toponyme für Berge oder Erhebungen an der Küste erscheinen in der späteren literarischen und epigraphischen Überlieferung für die Inseln Keos, Kreta, Sardinien und Thera64 Es ist auffällig, dass Zeugnisse für solche Orte häufig Inseln betreffen Dieser Befund bestätigt, dass diese Orte der Orientierung an Land und zu Wasser dienten Zudem kann mithilfe der Hermaion genannten Vorgebirge in Thessalien, Makedonien und am Bosporus belegt werden, dass derartige Berge Grenzen zwischen Poleis bildeten65 Der Kult wurde vor allem von denjenigen gestaltet, die sich in den Grenzgebieten aufhielten Als Beispiel soll die Personengruppe der für den Grenzschutz zuständigen Bürgersoldaten und jungen Männer herausgegriffen werden Dabei handelt es sich um eine Daueraufgabe, die von der Polis organisiert wurde Höhlenheiligtümer, die in den Bergen in Grenzregionen eingerichtet wurden, fungierten in bestimmten Fällen 63

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Aischyl Ag 281–285 (Übersetzung Werner 2011): „Ἥφαιστος Ἴδης λαμπρὸν ἐκπέμπων σέλας   | φρυκτὸς δὲ φρυκτὸν δεῦρ᾽ ἀπ᾽ ἀγγάρου πυρὸς | ἔπεμπεν: Ἴδη μὲν πρὸς Ἑρμαῖον λέπας | Λήμνου: μέγαν δὲ πανὸν ἐκ νήσου τρίτον | Ἀθῷον αἶπος Ζηνὸς ἐξεδέξατο “ Siehe auch: Soph Phil 1459 Zum Hermeskult auf Lemnos: Raingeard 1934, 211 Vgl Keos [IG XII 5, 1076, Z 31 (3 /2 Jh  v Chr )], Kreta [Ptol 3, 15, 2–3/3, 17, 3, Chaniotis 1996, Nr 59/61 (111/110 v Chr )], Sardinien (Ptol 3, 3, 2/3, 3, 8), Thera [IG XII 3, 345, Z 14 (293–305 n Chr )] Zu Küstenbezeichnungen in Ägypten/Punien: peripl m m 13–14/93–95, Ptol 4, 3–5, Pol 1, 29, 2, Liv 29, 27, 6–8 Dazu: Vella 2004, 38–40 Zu Toponymen: Kahane/Kahane 1971 Vgl Thessalien (MacUrdy 1921, 179–182), Makedonien [SEG 43–381 (vor 168/167  v Chr )], Bosporus [Pol 4, 43, CIG 2034 (ohne Datierung)] Siehe auch: Soph Phil 1459 mit Sch

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auch als Indikator und Sicherung von Grenzen66 So könnte eine Felsinschrift, die an der Wand der Rospilia-Höhle an der Grenze zwischen den euboischen Poleis Styra und Karystos gefunden wurde, interpretiert werden67 Zwar enthält die Inschrift nur die Götternamen Hermes und Zeus Soter (der Retter), doch durch eine Analyse des Kontextes und der Kultgemeinschaft kann sie zum Sprechen gebracht werden68 Hermes war in hellenistischer Zeit vor allem zu einem Gott des Gymnasions geworden, in dessen Kontext er besonders die jungen Bürgeranwärter beschützte Zeus dagegen wurde mit dem Beinamen Soter angesprochen, wenn Soldaten um seinen Schutz baten Werden diese Kultfunktionen zusammen gedacht und die Lage des Heiligtums zwischen zwei Poleis berücksichtigt, könnte es sich hier um eine Weihung von für den Grenzschutz eingesetzten Personen handeln69 Für ihre Tätigkeit baten sie um den Schutz der Götter Zeus und Hermes In diese Richtung könnte auch eine Inschrift, die in der außerstädtischen Deme Komaieis von Eretria gefunden wurde und in der Hermes mit dem Beinamen Πυλαῖος70 (der Wächter bei den Grenzpässen) angesprochen wird, interpretiert werden71 Beides kann aufgrund der Kürze der Inschriften nur eine Vermutung bleiben 2.1.1.2 Grenzheiligtümer Eine Zwischenstellung zwischen den natürlichen Landmarken und den Grenzbefestigungen nahmen die Grenzheiligtümer ein Unter Grenzheiligtümern wird im Folgenden jeder für eine oder mehrere Gottheiten abgegrenzte Bereich verstanden, der mit einem Altar und einem Kultbild ausgestattet war und sich an den Grenzen eines oder mehrerer Polisterritorien befand72 Diese Kultstätten übernahmen zwei Funktionen Zum einen sollten sie die Grenzen markieren und bestätigen73 Zum anderen konnten gemeinsam genutzte Heiligtümer Orte des friedlichen Zusammenlebens von Nachbarn sein Daher wurden oft Gottheiten gewählt, die für beide Gemeinschaften anschlussfähig waren, ohne eine Hierarchie zu erzeugen Solche Heiligtümer konnten demnach auch eine inkludierende Wirkung haben, denn zwischen den benachbarten Poleis bestanden oft Handelsbeziehungen, die ein gutes Miteinander voraussetzten 66 67

68 69 70 71 72 73

Hierzu: 2 2 1 Höhlen IG XII 9, 54 (hell ) Die Höhle liegt am südlichen Hang von Kliosi, nordöstlich von Metsifi In einer ebenfalls dort gefundenen Inschrift, die stark zerstört ist, wird Zeus als Hodios bezeichnet, der in einem Grottenheiligtum verehrt wurde: „[– – –] Διὶ {#7} ὁδίοι ΚΑΛΗ[– –] | [– – ἱε]ρὸ τ[ὸ] σπείος?“ Siehe auch: SEG 52–819/820/821 (hell ) IG XII 9, 53 (hell ) Inschrift: „ℎερμῆς(?) | Ζεὺς Σωτ“ Vgl Chaniotis 2005, 146/149/152–153/164 Diog Laert 8, 31, Sch Hom Il 2, 842 SEG 31–808 (5 –4 Jh  v Chr ) Inschrift: „[Π?]υλίοιο“ Zur Deme: Walker 2004, 143 Zum griechischen Temenos: Bergquist 1967 Nevin 2017, 35

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Wenn bei den Heiligtümern darüber hinaus Märkte abgehalten wurden, fungierten die Gottheiten „als Garanten der Rechtmäßigkeit der abgeschlossenen Geschäfte […] d[e]s für Handelskontakte unablässige[n] Vertrauensverhältnisses zwischen Käufer und Verkäufer“ 74 Somit sind auch Grenzheiligtümer als Institutionen zu bezeichnen Eine spezifische Form der Grenzheiligtümer waren diejenigen für Hermes, die in den Quellen wiederholt als Hermaia (Ἑρμαῖα) bezeichnet werden Hermes war prädestiniert als Schutzgott für Orte, die sowohl inkludierend als auch exkludierend sein sollten und an denen wirtschaftlicher, politischer und sozialer Austausch zwischen mehreren Gemeinwesen stattfand Was unter dem nicht einheitlich verwendeten Begriff Hermaion zu verstehen ist und wie solche Orte aussahen, ist die zu beantwortende Frage des folgenden Abschnitts Als Hermaion wurden zunächst einzelne oder mehrere in unmittelbarer Nähe aufgestellte Hermen bezeichnet, die nicht immer an Grenzen standen75 Einige Darstellungen auf Vasen aus dem 5 /4 Jh   v Chr illustrieren, dass mehrere Hermen in unmittelbarer Nähe und aufeinander bezogen errichtet wurden76 Ebenfalls vor allem durch die Vasenbilder ist bekannt, dass an diesen Orten Kulthandlungen stattfanden, für die ein kleiner Altar bereitstehen konnte77 Solche Kultplätze können, wenn sie in Grenzgebieten lagen, im Sinne der oben angeführten Definition als Grenzheiligtümer bezeichnet werden78 Hinzukommt, dass sie mit geringem Aufwand auch in weniger gut zugänglichen Gebieten auf Bergen eingerichtet werden konnten Belege für an den Grenzen gelegene Hermaia sind aus Poleis in Aitolien79, Argolis80, Arkadien81, Ionien82, Lakonien83 und Mysien84 überliefert Besonders Pausanias greift bei seinem Reisebericht auf die Hermaia als Orientierungspunkte zurück In seiner Beschreibung Arkadiens nennt er mehrere Hermaia, welche die Grenze zwischen Poleis oder ganzen Landschaften markierten85: 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85

Rausch 2000, 70/81, Zitat: 81 Vgl z B Strab 8, 3, 12 Vgl z B Pelikefragment des Panmalers [Abb bei Simon 1985, 308, Nr 295 (470 v Chr )] Vgl Ekroth 2001 mit Quellenbelegen Weissl 1998, 8 Dazu ausführlich: Bergquist 1967 Grenze von Melitaia und Pera [IG IX 2, 205, Z 6 (ca 145  v Chr ), GDI II 1415, Z 7, (Ende 3 Jh  v Chr )] Grenze von Epidauros, Troizen und Arsinoe/Methana: IG IV2 1, 76, Z 22/27 (163–146 v Chr ), SEG 52–336 (164–146 v Chr ) Siehe auch: Raingeard 1934, 90 Grenze von Messenien und Megalopolis (Paus 8, 34, 6/8, 35, 2), Grenze von Lakedaimon und Arkadien (Paus 8, 35, 3–4) Dazu: Jost 1985, 453 Grenze von Thebai an der Mykale und Priene [I Priene 414–416 (Mitte 4 Jh  v Chr )], Ephesos [I Ephesos 3, Z 9 (um 290 v Chr )] Grenze von Argos, Lakonien und Tegea (Paus 2, 38, 7), Grenze von Boiai und den Ruinen von Etis (Paus 3, 22, 13), Hermaion im oberen Eurotastal (Bursian 1872, II 113 ) Dazu: Jost 1985, 453–454 Grenze von Parion und Lampsakos (Polyain 6, 24) Paus 8, 34, 6/8, 35, 2–4 (Übersetzung nach Meyer 2001): „καὶ ἀπ᾽ αὐτῆς στάδια εἴκοσί ἐστιν ἐπὶ τὸ Ἑρμαῖον, ἐς ὃ Μεσσηνίοις καὶ Μεγαλοπολίταις εἰσὶν ὅροι: πεποίηνται δὲ αὐτόθι καὶ Ἑρμῆν ἐπὶ στήλῃ […] Φαιδρίου δὲ ὡς πέντε ἀπέχει καὶ δέκα σταδίους τὸ κατὰ Δέσποιναν ὀνομαζόμενον Ἑρμαῖον· ὅροι

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„Und von dort sind es zwanzig Stadien zum Hermaion, wo die Grenze zwischen den Messeniern und den Megalopoliten ist; sie haben aber auch dort einen Hermes an einer Stelle angebracht […] Etwa fünfzehn Stadien von Phaidrias entfernt liegt das Hermaion mit dem Beinamen »bei der Despoina« Auch hier verläuft die Grenze der Messenier nach Megalopolis hin und stehen nicht sehr große Statuen der Despoina und der Demeter wie auch des Hermes und des Herakles […] […] dann kommt man nach ungefähr vierzig Stadien vom Alpheios nach Phalaisiai; Phalaisiai aber ist zwanzig Stadien vom Hermaion bei Belemina entfernt Die Arkader aber behaupten, Belemina gehöre ursprünglich ihnen, und die Lakedaimonier hätten es sich angeeignet “

Die ersten beiden Hermaia befanden sich an verschiedenen Grenzpunkten der Poleis Messene und Megalopolis86 Während Pausanias bei dem ersten Ort explizit hervorhebt, dass die Bürger von Megalopolis eine Herme aufstellten, nennt er bei dem zweiten Ort keine zuständige Autorität Da hier jedoch mehrere Bilder von Despoina, Demeter, Hermes und Herakles standen, handelte es sich wahrscheinlich um einen gemeinsamen Kultplatz beider Poleis Entsprechend war der Schutz der Grenzen den jeweiligen Bedürfnissen angepasst So ist die Herme der Megapoliten auf den Wunsch nach einer deutlichen Grenzziehung und göttlichem Schutz derselben zurückzuführen Dagegen war der mit mehreren Götterbildern geschmückte Part möglicherweise ein Ort des Austauschs zwischen den Poleis Das dritte Hermaion bei dem lakonischen Belemina, über dessen Gestaltung Pausanias nichts aussagt, soll einst die Grenzen zwischen Arkadien und Lakonien markiert haben, was Pausanias bezweifelt Hermaia konnten demnach nicht nur die Grenze zwischen Poleis, sondern auch zwischen größeren Verbänden wie Landschaften oder Bündnisstaaten markieren Das Beispiel Pheneos schließlich zeigt, wie sich der Hermeskult an den Grenzen verändert, wenn Hermes Hauptgott einer Polis war87 Zahlreiche Mythen, die Stadt und Gott miteinander verwoben, belegen, das Hermes dort als der wichtigste Gott galt88 Dies spiegelt sich auch in dem Beinamen Φένεος89 (der aus Pheneos) wider, der, wie ein knidisches Epigramm offenbart, überregional verwendet wurde90 Außerdem

86 87 88 89 90

Μεσσηνίων πρὸς Μεγαλοπολίτας καὶ οὗτοι, καὶ ἀγάλματα οὐ μεγάλα Δεσποίνης τε καὶ Δήμητρος, ἔτι δὲ καὶ Ἑρμοῦ πεποίηται δὲ καὶ Ἡρακλέους […] […] ἀπολιπὼν οὖν τὸν Θειοῦντα ἐν ἀριστερᾷ σταδίοις ἀπὸ τοῦ Ἀλφειοῦ τεσσαράκοντα ἥξεις μάλιστα ἐς Φαλαισίας· ἀπέχουσι δὲ αἱ Φαλαισίαι σταδίους εἴκοσι τοῦ Ἑρμαίου τοῦ κατὰ Βελεμίναν λέγουσι μὲν δὴ οἱ Ἀρκάδες τὴν Βελεμίναν τῆς σφετέρας οὖσαν τὸ ἀρχαῖον ἀποτεμέσθαι Λακεδαιμονίους “ Zu Megalopolis: Maher 2017, 231–243 Die messenischen Könige führten ihre Abstammung auf Hermes zurück (Immerwahr 1891, 86– 87) Vgl Tausend 2018, Maher 2017, 281–294 Jaillard 2007a, 57–62, Hansen/Nielsen 2004, 527, RE s v Pheneos, 1972–1973, Jost 1985, 27–37 Zu Pheneos: Hansen/Nielsen 2004, 527, Nielsen 2002, 585–586, Tausend 1999 IG V 2, 360 (arch ), Steph Byz s  v Φενεός Epigr Gr 781 (nach 260 v Chr )

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

ist die Beziehung zu Hermes auch in der Kultlandschaft der Stadt greifbar91 So hält Pausanias bei seiner Beschreibung der Stadt fest92: „[…] von den Göttern aber achten die Pheneaten Hermes am meisten und halten Wettkämpfe, die Hermaia, für ihn ab Und auch einen Tempel gibt es bei ihnen mit einem steinernen Standbild des Hermes Dieses machte der Athener Eucheir, Sohn des Euboulides Hinter dem Tempel liegt das Grab des Myrtilos “

Für Hermes hätten die Pheneaten einen Tempel errichtet und ihm ein Götterbild aufgestellt, welches von dem athenischen Künstler Eucheir (3 /2 Jh  v Chr ) gefertigt worden sein soll93 Eine in die Kaiserzeit datierende Münze zeigt eine Bronzestatue von Hermes mit Geldbeutel und Caduceus Das Bronzebild ersetzte womöglich den steinernen Vorgänger von dem Pausanias berichtet94 Zwar ist die Lage des Tempels noch nicht eindeutig geklärt, da dieser aber räumlich und kultpraktisch mit dem Grab des Myrtilos zusammenhing, kann er sich nicht auf der Akropolis befunden haben95 Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Tempel im städtischen Zentrum stand, mutmaßlich auf der Agora Außerdem feierten die Pheneaten jährlich ein Hermesfest, welches mit Agonen verbunden war96 Die städtischen Münzen von Pheneos zeigen bereits ab dem 5 Jh  v Chr Hermes97 Mehrere Münzen aus dieser Zeit bilden den Gott mit Petasos und Kerykeion auf dem Avers ab98 Weiterhin ist anhand der Staterprägung des 4 Jh  v Chr zu erkennen, inwiefern die städtischen Münzen genutzt wurden, um das politische Programm der Polis Pheneos zu vermitteln99 Die Münzen tragen auf dem Avers einen Frauenkopf, der entweder als Demeter oder als Maia identifiziert werden kann100 Die Rückseiten dieser Gruppe stellen Hermes dar, wie er mit dem Arkaskind auf dem Arm davoneilt Arkas war der Sohn von Kallisto und Zeus, der zum Stammvater und Namensgeber der Landschaft Arkadien wurde101 Nachdem seine Mutter in eine Bärin verwandelt und von Artemis erschossen worden war, rettete Hermes den Knaben und brachte ihn im Auftrag des Zeus zu seiner im Kyllenegebirge beheimateten Mutter Maia, die ihn 91 92

Zu Parasema der Pheneaten: Killen 2018, 382–384 Paus 8, 14, 10 (Übersetzung Meyer 2001): „[…] θεῶν δὲ τιμῶσιν Ἑρμῆν Φενεᾶται μάλιστα καὶ ἀγῶνα ἄγουσιν Ἕρμαια, καὶ ναός ἐστιν Ἑρμοῦ σφισι καὶ ἄγαλμα λίθου· τοῦτο ἐποίησεν ἀνὴρ Ἀθηναῖος Εὔχειρ Εὐβουλίδου ὄπισθεν δέ ἐστι τοῦ ναοῦ τάφος Μυρτίλου “ 93 Plin nat 34, 91, Paus 8, 14, 10–11 In die frühe Phase des Heiligtums gehörte wohl ein Eberkopf mit der Inschrift „Ἑρμᾶνος Φενεοῖ“ [IG V 2, 360 (5 Jh  v Chr )] 94 SEG 38–352 (Caracalla-Geta) Dazu: Jost 1985, 30 95 Pretzler 1999, 55–56 96 Nielsen 2018, 415, Tausend 1999b, 374–375 Hierzu: 2 5 4 Feste in der Polis 97 Zu der Staterprägung aus dem 4 Jh  v Chr : Schultz 1992 Zur Diskussion, ob Pheneos eine Polis war: Hansen/Nielsen 2004, 527 98 BMC Arcadia Taf 36, 1–6 und 13, SNG Copenhagen Argolis, 271–273/278 99 Pretzler 1999, 51 mit Zusammenstellung der Münzen, Schultz 1992 100 Schultz 1992, Nr 1 Siehe dazu: Babelon III 1, 898, Paus 8, 15, 1–4 101 Paus 8, 3, 6/8, 4, 1 Siehe dazu: Schultz 1992, 63 mit Quellenbelegen

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großziehen sollte Diese Münzen gehören in die Zeit der beginnenden Auflösung des arkadischen Bundes (ca 360–350/340 v Chr )102 Da Arkas als erster König Arkadiens galt und seine Söhne der Überlieferung nach zahlreiche Städte in dieser Landschaft gründeten, war und blieb er die passende Identifikationsfigur für den Arkaderbund Weitere Mythen berichten von Besuchen des Gottes bei den Pheneaten, die sich auf den das städtische Territorium umgebenden Bergen und Anhöhen zugetragen haben sollen Damit stellt sich erneut die Frage, wie sich der Hermeskult an den Grenzen gestaltete, wenn Hermes der Hauptgott der Polis war So wurde die Grenze zwischen Pheneos und Stymphalos auf dem Berg Trikrena als der Ort memoriert, wo das Hermeskind von drei Nymphen gebadet wurde103 Außerdem bildete der Berg Chelydorea, wo Hermes die Lyra erfunden haben soll, die Grenze zu Pellene104 Mit einer ähnlichen Aitiologie erklärten die Pheneaten möglicherweise ihre Vorherrschaft über das Heiligtum bei der Geburtsstätte des Hermes im Kyllenegebirge, welches im Grenzgebiet zwischen Pheneos und Stymphalos lag105 Die Mythen, welche die Geschichte der Stadt eng mit dem Gott verbanden, wurden als politisches Instrument genutzt, um den Anspruch auf das Territorium und dessen Grenzen zu legitimieren und dauerhaft zu sichern106 Obgleich die bisherigen Beispiele die Vermutung nahelegen, dass es sich bei den Hermaia um eine arkadische Form der Begrenzung handelte, zeigen die Inschriften, dass sie ein weit darüber hinaus verbreitetes Phänomen waren In diversen überlieferten Gesetzen, Verträgen oder Schiedssprüchen kommen die Grenzheiligtümer ebenfalls vor Aus Thebai an der Mykale stammen gleich mehrere Zeugnisse aus der ersten Hälfte des 4 Jh  v Chr , welche die Polisgrenzen behandeln107 Eine Stele aus blauem Marmor wurde von dem Sohn des Aristomenes aufgestellt, um an die von ihm vorgenommene Wiederherstellung der Grenzmarkierung zu erinnern108 Der Ehreninschrift kann entnommen werden, dass das Territorium der Polis Thebai an einer Stelle von einem Hermespfeiler begrenzt war Da eindeutig der Singular verwendet wurde, kann es sich nur um eine einzelne Herme gehandelt haben, bei der möglicherweise auch ein Altar stand Außerdem darf davon ausgegangen werden, dass sich die Herme an einer erhabenen Stelle befand, weil die Aufzählung vor allem Anhöhen und Felsen enthält

102 103 104 105 106 107 108

Vgl Schultz 1992, 69–72 Paus 8, 16, 1 Andere Mythen überliefern, dass hier der ursprüngliche Wachstumsort des Molykrauts oder der Geburtsort von Pan sei (Hom h 19, 31, RE s v Moly) Zu Stymphalos: Maher 2017, 329–345 Paus 8, 17, 5 Pretzler 1999, 41 Zum Mythos als politischem Instrument: Gehrke 2001, 286–313 I Priene 414–416 (Mitte 4 Jh  v Chr ) I Priene 414, Z 4 (Mitte 4 Jh  v Chr )

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Noch ein weiteres Mal ist von einem heiligen Bezirk für Hermes in der Festlegung der Grenzen von Thebai die Rede Eine Marmorstele, die auf der Akropolis der Stadt gefunden wurde, enthält das folgende Dekret109: „[–––] von dort [–––] quer zu der Anhöhe und [–––] | [–––] und dem Heiligtum der Mykale; von | [dort –––] Mauer des [–––]lis [–––] | [–––] den Fluß entlang der Äcker des Chair[es]  | und der Maiandrie; von dort  | zu den Gräben in der  | mit Heidekraut bewachsenen Anhöhe; von dort quer vor | dem Vorsprung hinab zu dem Heiligtum | der Hekate auf der Großen Anhöhe; von | dem Heiligtum, wie der Weg verläuft, zu dem Gebiet der Samier; | das oberhalb dieser Grenzmarkierung ist alles | thebaiisch, das oberhalb des Epopeus ist (Gebiet) der | Prieneer bis zu dem (Anwesen) des Kratidemos; von dem (Anwesen) des | Kratidemos verläuft ein Fluß entlang [der] des [–––] zu dem Hermaion und den | Ländereien des Diphilos und all den steilen Abhängen | und bei Zephyrion nahe (dem Heiligtum) der samischen Athenaie “

In der Inschrift noch erhalten ist die Beschreibung der Grenzen mit Priene im Norden und Samos im Westen, während die Namen der Nachbarn im Osten und Norden verloren sind Wiederum wird ersichtlich, dass es sich meist um natürliche Landmarken, wie Berge und Flüsse, handelte Daneben konnten auch Privatgrundstücke als Orientierung dienen110 Solche Grundstücke und ein Fluss bildeten die Grenze zu Priene, wobei an einer Stelle zusätzlich ein Hermaion errichtet wurde Ob mit Hermaion ebenfalls der einzelne Hermespfeiler aus der Ehreninschrift für den Sohn von Aristomenes oder eine Gruppe von Hermen gemeint war, kann nicht mehr bestimmt werden Für den Hermeskult an Grenzen lässt sich jedoch festhalten, dass Hermaia auch an Orten errichtet wurden, bei denen eben keine vorhandenen Landmarken oder Grundstücksgrenzen als Orientierung dienen konnten Der oder die aufrechtstehenden Pfeiler waren auch in flachem Gebiet weithin sichtbar und durch ihre Form deutlich als Grenzmarkierung zu erkennen 109 I Priene 415 (Mitte 4 Jh   v Chr , Übersetzung Blümel/Merkelbach 2014) Inschrift: „[․․]ΙΕΜΙ [․․․․․․․․c 21․․․․․․․․․]  | ἀπὸ δὲ τ[ο]ύ[του ․․․․․․․c 18․․․․․․․]  | ΓΗ․4․․Σ․4․․[․c 3․]․[․․․․․․c 16․․․․․․]  | ΔΙ․ΛΣ[․c 1․]Η․․Τ․4․․ΛΝΟΥΔ[․․․․c 13․․․․․]  | [․c 1․] Λ․․Υ[․․․]α[υ]τη․[․c 1․]․․[․c 2․]Α․[․c 1․]․․ [․․․c 9․․․]  | [․c 2․]Λ[․c 2․]ΗΓΑΣΟ․․ ἐναντίαν ․[․c 1․]ΙΟ[․c 5․] | [․c 8․]δρίης ․[․c 1․]Η[․c 2․]․[․c 1․]․[․c 5․] | [․c 2․]Ν[․c 2․] ΤΗ․․․[․c 2․]․․․[․c 2․]ΓΩΠΛ․[․c 2․]․[․c 2․]Μ  | [․․․․․c 14․․․․․]Ν․․[․․c 8․․․]  | [․․c 7․․]Ο[․c 1․]Λ․[․c 4․]ΓΛΛ․․[․c 2․]· ἀπὸ δὲ | [τούτου ἐ]π’ Ἀγυ[ιέ]α ΚΙΛΙΟ[․c 5․]Ι· ΠΩ | [․c 1․]Η[․․c 7․․]ΙΛΤΥΑΛΟΣ[․c 1․]ΩΠ[․c 1․]ΛΙ· ἀπὸ δὲ | [τ]ού[τ]ου Λ[․c 3․ π]λάγιον εἰς τὸν λόφον καὶ | [․c 5․]ΣΛΥ[․c 4․] τὸ Μυκάλης ἱερόν· ἀπὸ δ[ὲ] | [τούτου ․c 2․] ΟΙΟΝ[․c 1․] ΛΙΟΣ τεῖχος ․[․c 2․] ΔΕΙ· | [․c 1․]Υ[․c 4․] τὸμ ποταμὸν παρὰ τὸς Χαιρ[έω] | [κ]αὶ Μαιανδρίης ἀγρός· ἀπὸ δὲ τούτου  | εἰς τοὺς ὀρυγμοὺς τοὺς ἐν τῶι Ἐρει-  | κόντι λόφωι· ἀπὸ δὲ τούτου πλάγιον πρὸ  | [τοῦ πρ]ῃωνος κάτω πρὸς τὸ ἱερὸν τῆς [Ἑ]- | κάτης τῆς ἐμ Μεγάλωι λόφωι· ἀπὸ δὲ | τοῦ ἱεροῦ ὡς παραφέρει ἡ ὁδὸς πρὸς τὰ Σα- | μίων, τὰ ἐπάνω τούτων τῶν ὅρων πάντα | [Θ]η[β]α[ῖ]ά ἐστι, τὸ δ’ Ἐπωπέως ἐπάνω Πρι[η]- | ν[έων π]ρὸς τὰ Κρατιδήμου· ἀπὸ δὲ τῶν | Κρατιδήμου ποταμὸς παραφέρει παρὰ | [τὰ] τοῦ [․c 1․]ι[․c 1․]έα πρὸς τὸ Ἕρμαιον καὶ τὰ | Διφ[ί]λου χωρία καὶ τὰ περίτομα πάντα | καὶ ἐπὶ Ζεφυρίου πρὸς Σαμίηι τῆι Ἀθηναίη[ι ] “ 110 Hierzu: 2 1 3 3 Nichtöffentliche Räume

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Auf der Rückseite dieser Stele von der Akropolis in Thebai befindet sich außerdem eine Opfervorschrift für das Heiligtum der Nymphe Mykale111 Da die Verordnung auf der Akropolis gemeinsam mit der Festlegung der Grenzen aufgestellt wurde, darf das Heiligtum nicht als Kultstätte „einfacher Menschen“112 abgetan werden Schon Hesiod berichtet davon, dass die Bürgersöhne Hirtenpflichten übernahmen und dass ihm bei dieser Tätigkeit die Musen begegnet seien113 Vielmehr war das Heiligtum ein zentraler Ort, der die wirtschaftliche Potenz und die institutionalisierten Grenzen der Polis sicherstellte Durch es wurden die umliegenden Weideflächen, die Eigentum der Göttin waren, verwaltet Dass die Weidegründe der Schaf- und Ziegenhirten, die an den Grenzen lagen, in göttlichem Besitz waren, schützte diese zusätzlich vor fremden Übergriffen114 In der Opfervorschrift werden in einem ersten Teil die Opfer im Monat Kyanopsion (Oktober) an die Nymphe Mykale, die von einem Eid an die Göttin begleitet werden, genannt115 Es folgen im Monat Taureon (April) Opfer an die Nymphen und die Nymphe Mykale, im Monat Thargelia (Mai) an Hermes Κτηνίτης (der zur Herde/ zum Vieh gehörige) und Mykale und im gleichen Monat an Maiandros116 Bei dem Opfer für Maiandros musste wiederum ein Eid geschworen werden Dem Hermes Κτηνίτης, der die Herden beschützte, wurde ein Käse, wahrscheinlich aus der eigenen Produktion, dargebracht117 Da der Beginn der Inschrift verloren ist, bleibt unklar, wer die aufgezählten Opfergaben entrichtete Aufgrund der zu schwörenden Eide handelte es sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit um die Pächter der Weidegründe des Heiligtums118 Diese Pächter opferten den Göttern, die für das Wohl und den wirtschaftlichen Erfolg bedeutend waren: der Bergnymphe Mykale, dem Flussgott Maiandros, Hermes Κτηνίτης und den anderen Nymphen Diese Gottheiten waren gleichzeitig für die Grenzen des Polisterritoriums verantwortlich, an denen sich das Heiligtum befand Entsprechend wurden hier gleichzeitig öffentliche und persönliche Interessen mit nur einer Weihung bedient Im zweiten Teil der Inschrift stehen die Opfer im Zentrum, die anlässlich der Schafschur im Frühjahr stattfanden Die Pächter, die Ziegenherden besaßen, sollten Hermes Κτηνίτης ein Zicklein, Opferkuchen und Wein als Trankopfer darbringen119 Es wird extra betont, dass das Tier aus der eigenen Herde stammen müsse und nicht gekauft werden dürfe Dagegen sollten Schafhirten Hermes jedes fünfte neugeborene 111 112 113 114 115 116 117 118 119

I Priene 416 (Mitte 4 Jh  v Chr ) Vgl Kommentar von Blümel/Merkelbach zu I Priene 415 (Mitte 4 Jh  v Chr ) Hes theog 22–34 I Priene 415, Z 14 (Mitte 4 Jh  v Chr ) I Priene 416, Z 1–4 (Mitte 4 Jh  v Chr ) I Priene 416, Z 5–6 (Nymphen), Z 7–9 (Hermes), Z 9–11 (Maiandros) (Mitte 4 Jh  v Chr ) Mit Thargelia kann der Monat aber auch das Fest gemeint sein: Trümpy 1997, 94 Anm 427 Blümel/Merkelbach ergänzen am Beginn der Inschrift „Hirt“, was hier abgelehnt wird Zur Pacht: Williams 2011, Burford 1993, Osborne 1988, Behrend 1970 I Priene 416, Z 11–16 (Mitte 4 Jh  v Chr )

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Lamm sowie die gleiche Menge Kuchen und Wein opfern120 Aufschlussreich ist noch der letzte Abschnitt, wonach sowohl die Thebaier als auch andere Bürger Anteil an den Schuropfern haben sollten121 Zu der zweiten Gruppe gehörten wahrscheinlich Bewohner einer Nachbarpolis, die das Gastrecht erlangt hatten Damit wird deutlich, dass das Mykaleheiligtum regelmäßig von Bürgern mehrerer Poleis besucht wurde und ein Ort des wirtschaftlichen und sozialen Austauschs war Folglich wurden bei seiner Einrichtung Gottheiten gewählt, welche für mehrere Gemeinwesen eine Identifikation ermöglichten Dem Hermes opferten die Thebaier eigene Tiere und Erzeugnisse aus eigener Produktion und ehrten ihn somit einerseits als Gott der Herden und des wirtschaftlichen Erfolgs122 Andererseits wurde er als ein Gott der Grenze des Polisterritoriums wahrgenommen, wobei das Heiligtum ein Ort der grenzübergreifenden Kommunikation war Dank der zahlreichen Verträge zwischen den kretischen Poleis wird deutlich, dass Hermes auch auf Kreta ab dem zweiten Drittel des 3 Jh  v Chr zu einer Gruppe von Göttern gehörte, welche in Heiligtümern, die in Grenzzonen mehrerer Poleis lagen, verehrt wurden123 Neben Hermes waren es Zeus, Artemis, Athena oder Pan und die Nymphen, die als Beschützer und Bewahrer von Grenzen auftraten124 Hermes erscheint in Vereinbarungen zwischen Eleutherna und Knossos (?)125, Knossos und Dreros126, Eleutherna und Rhaukos127, Gortyn und Priansos und Hierapytna128, Gortyn und Sybrita129, Hierapytna und Lato130, Lyttos und Olous131, Lato und Olous132, Olous und Rhodos133 sowie in Bestimmungen aus Dreros134 Die dort verwendeten Beinamen für Hermes wurden entweder von regionalen Bezeichnungen für Berge oder von für außerstädtische Heiligtümer charakteristischen natürlichen Gegebenheiten wie Bäumen – Κεδρίτης, Κραναῖος, Κυφαρισσίτας, Κορνισαίος – abgeleitet Es wäre allerdings ein Missverständnis, den Gott aufgrund dessen dem bukolischen Bereich zuzuordnen, denn er hatte den Schutz und die Wahrung aller Arten von Grenzen zu garantieren, was eine grundlegende Aufgabe in Bezug auf die Polis war135 Die Anrufungen hängen 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135

I Priene 416, Z 16–20 (Mitte 4 Jh  v Chr ) I Priene 416, Z 20–25 („πᾶσι Θηβαίοις καὶ τοῖς πολίταις“, Mitte 4 Jh  v Chr ) Hierzu: 2 1 3 3 Nichtöffentliche Räume Sporn 2002, 331, Chaniotis 1996, 71 Zum Beinamen: Bile 1988, 135, Anm 245 Chaniotis 2006, 198, Chaniotis 1988 Chaniotis 1996, Nr 6 (=SEG 45–1258, 300–250 v Chr ) Chaniotis 1996, Nr 7 (=IC I ix 1, vor der Mitte des 3 Jh  v Chr ) SEG 54–841 (spätes 3 Jh  v Chr ) Chaniotis 1996, Nr 27 (kurz nach 205 v Chr ) Chaniotis 1996, Nr 32 (216/204 v Chr ) Chaniotis 1996, Nr 59 (111/110 v Chr ) Chaniotis 1996, Nr 60 (111/110 v Chr )) Chaniotis 1996, Nr 61 (110–108 v Chr ) SV III 552 (201/200 v Chr ) Chaniotis 1996, Nr 7 (=IC I ix 1, vor der Mitte des 3 Jh  v Chr ) Marinatos 2003, 141

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wahrscheinlich mit den Kulthandlungen, die zur Entschlussfassung und Aufstellung der Inschrift gehörten, zusammen, denn zur Festigung von Grenzen, die oft an naturräumliche Begebenheiten geknüpft waren, wurden heilige Orte errichtet136 In den Inschriften lassen sich mehrere Stätten als an einer Grenze gelegene Heiligtümer des Hermes identifizieren: das Heiligtum des Hermes Κυφαρισσίτας Κυλλήνης137 (der von den Zypressen und vom Berg Kyllene) bei Lato, das Heiligtum des Hermes Κορνισαίος138 (der aus Kornisaios?) und ein weiterer Kultplatz139 an der Grenze zwischen Hierapytna und Lato, das Heiligtum des Hermes Ταλλαίος140 (der von dem kretischen Gott Talos) bei Melidoni sowie der Kultplatz an der Grenze von Lato und Olous141 Durch die archäologischen und literarischen Zeugnisse ist die Liste noch um das Vorgebirge Hermaia Akra zwischen Phoinix und Poikilasion zu erweitern142 Das wichtigste Beispiel ist allerdings das gemeinsame Heiligtum des Hermes und der Aphrodite bei Kato Symi143 Jenes wird im Vertrag zwischen den kretischen Arkadern und Hierapytna erwähnt, wenn es heißt, dass der Eid in einem Heiligtum außerhalb der einzelnen Orte stattfand144 Es lag jedoch nicht einfach außerhalb, sondern auf der Grenze mehrerer Poleis (Arkades, Lyttos, Biannos, Malla, Hierapytna)145 Angelos Chaniotis hat verschiedentlich herausgearbeitet, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Kult für Hermes und Aphrodite sowie Grenzfragen im hellenistischen Kreta gab146 Dafür spricht auch ein weiterer Kultplatz beider bei Myrtos Pyrgos, etwa 15 Kilometer westlich von Hierapytna auf einem Hügel147 Ursprünglich ist wohl von einer Markierung oder einer Kultstätte im Freien auszugehen, wie es auch für das Heiligtum des Hermes Κυφαρισσίτας Κυλλήνης (der von den Zypressen und vom Berg Kyllene) dank eines Epigramms, welches auf einer Basis für eine kleine Herme angebracht war, überliefert ist148 Zwar fehlt auf der Inschrift der Göttername, aber die Kombination der Beinamen lässt keine andere Deutung zu Laut dem Epigramm steht der Beiname Κυφαρισσίτας mit der Rolle von Zypressen im Hermeskult in Verbindung Erst im spä136

137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148

Chaniotis 2006, 200, Chaniotis 1988, 30–35, Woodhead 1981, 39 Zu den Siedlungen auf Bergen in Kreta: Chaniotis 1991, 93–109; zu den Begriffen Ἑρμής und Ἑρμάον auf Kreta: Bile 1988, 121/157/199 bes Anm 179; zu Grenzen als Schnittstelle der Wirtschafts- und Religionsgeschichte: Sartre 1979, 213–224 (zu Hermes bes 221–222) IC II x 1 (3 Jh  v Chr ), IC IV 186 A (200–150 v Chr ), IC I xvi 5 (150–100 v Chr )/7 (2 /1 Jh  v Chr ), IC III iv 9 (112/111 v Chr ) Zu Κυφαρισσίτας: Voutiras 1984 Chaniotis 1996, Nr 59 (=SEG 26–1049, 111–110 v Chr ) Chaniotis 1996, Nr 59, Z 73 (=SEG 26–1049, 111/110 v Chr ) Siehe auch: Sporn 2002, 66 IC II xxviii 1 (2 /1 Jh  v Chr )/2 (2 Jh ) Chaniotis 1996, Nr 61 [=CIG 2554, IC I xvi 5, (110–108 v Chr )] Ptol 3, 15, 2 Die Kultpraxis breitete sich bis nach Halikarnassos aus, wo von Vitruv (2, 8, 11) ein Heiligtum beider Gottheiten erwähnt wird Chaniotis 1996, Nr 14 (227/221 v Chr ) Chaniotis 2006, 201, Chaniotis 1996, 129 Vgl zuletzt Chaniotis 2010, 294–297 und zentral Chaniotis 1988, 21–39 Sporn 2002, 52/59 IC I xvi 7 (2 /1 Jh  v Chr ) Zum Beinamen: Bile 1988, 140 Anm 268, Voutiras 1984, 142–144

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ten Hellenismus wird das Heiligtum baulich ausgestaltet149 Ebenfalls erst in dieser Periode werden in Kato Symi neue Kultbauten errichtet Als letzter Beleg soll der Bündnisvertrag zwischen Gortyn und Hierapytna mit Priansos angeführt werden Dieser sieht vor, dass jede Vertragspartei ihren eigenen Eid schwören musste, wobei jeweils dieselben Gottheiten angerufen wurden Unter ihnen taucht Hermes Δακύτιος150 (der aus Dakytos) wiederholt auf Da die Inschrift in Gortyn gefunden wurde und schon eine ebenfalls dort gefundene Gesetzesinschrift aus dem frühen 5 Jh  v Chr Hermes als Schwurgott nennt, war Hermes eine lokal bedeutsame Gottheit der Polis Gortyn151 Der Sinn des Beinamens kann leider nicht mehr geklärt werden, aber Angelos Chaniotis schlägt vor, dass es sich um eine Ableitung von einem Ortsnamen Dakytos beziehungsweise Dakyton handele152 Die Heiligtümer dieser lokalen Gottheiten waren zumeist Grenzheiligtümer, sodass durch die Anrufung gleichzeitig Gebietsansprüche geklärt werden konnten Aus dem bisher Gesagten lässt sich folgern, dass den Heiligtümern für Hermes in den zahlreichen Gebietsstreitigkeiten der kretischen Poleis immer wieder eine wichtige Rolle zukam und dass ihre Bedeutung im Hellenismus noch zunahm Deshalb wurden die Heiligtümer baulich ausgestaltet, denn „die Pflege extraurbaner Heiligtümer an der Grenze des Territoriums [wurde] instrumentalisiert, um den Anspruch auf das benachbarte Gebiet zu demonstrieren und zu legitimieren“153 Dabei übernahm Hermes nicht nur die allgemeine Schutzfunktion für die Verträge, sondern speziell die der darin verankerten Vereinbarungen zu den Gebietsgrenzen Als Gott der Grenze bleibt er bis in die spätere Kaiserzeit präsent Auch seine besondere Rolle für Gortyn besteht fort, namentlich im Stadtteil Hermaion, der auf der Akropolis lag154 Neben den einfachen Götterbildern und Altären war bei den Hermaia seltener eine großzügige bauliche Gestaltung möglich Aus der Landschaft Argolis ist der älteste Beleg dafür überliefert Am Passübergang von Anemomilo wurde das Fundament eines Tempels aus dem späten 6 oder frühen 5 Jh  v Chr gefunden155 Möglicherweise lässt sich dieser Ort mit der von Pausanias beschriebenen Grenze zwischen Argos, Lakonien und Tegea identifizieren156: 149 SEG 60–996 (2 Jh  v Chr )/54–866 (spätes 2 /frühes 1 Jh  v Chr ), Sandstein-Tafel, die oben mit Giebel abschließt, Inschrift vorne und auf einer schmalen Seite Inschrift: „A: δίτας | καὶ Ἀφρο- | vacat | Ἑρμᾶι | Ε vv Σ, B: ΕΠΙΔΙΤΕΛΙΟ [––]“ Dazu: Sporn 2002, 58, 332 150 Chaniotis 1996, Nr 27, Z 56–61/71–77 (=IC IV 174, kurz nach 205 v Chr ) Zum Beinamen: Chaniotis 1996, Nr 27, Bile 1988, 135, Anm 245, Willets 1962, 288, Maiuri 1909/1910, 434 151 Hierzu: 2 6 3 1 Vermittler des Rechts und Schwurgott 152 Chaniotis 1996, 74/254 153 Chaniotis 2006, 198 Für eine Zusammenstellung der wichtigsten Publikationen siehe: Chaniotis 2014, Chaniotis 2006 mit älterer Literatur 154 IC IV 36 (249/250 n Chr ), Sporn 2002, 168 155 Baumer 2004, 37–38, Jost 1990, 212–213 mit Anm 32, Jost 1985, 108, Taf 27, 1–4/454, Meyer 1939, 38–39 Abmessung des Tempels: 5,9 × 11 m 156 Paus 2, 38, 7 (Übersetzung Meyer 2001): „ἀνατείνει δὲ ὑπὲρ τὰς κώμας ὄρος Πάρνων, καὶ Λακεδαιμονίων ἐπ᾽ αὐτοῦ πρὸς Ἀργείους ὅροι καὶ Τεγεάτας εἰσίν· ἑστήκασι δὲ ἐπὶ τοῖς ὅροις Ἑρμαῖ λίθου, καὶ τοῦ χωρίου τὸ ὄνομά ἐστιν ἀπ᾽ αὐτῶν “

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„Über den Dörfern erhebt sich das Parnongebirge, und darauf sind die Grenzen der Lakedaimonier gegen die Argiver und die Tegeaten An der Grenze stehen Hermen aus Stein, und die Stelle heißt nach ihnen “

Wiederum lag die Grenze mehrerer Polisterritorien in den Bergen und wurde von einem Hermaion bestehend aus mehreren Hermen markiert Möglicherweise sind diese Hermen auch in einer Inschrift aus Argos gemeint, die eine Neuregelung der westlichen Grenzen enthält157 Offenbar bedurfte diese in den Bergen gelegene Grenze eines besonderen Schutzes durch den Gott Der historische Kontext dieser Neuregelung konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden, am naheliegenden ist die Vereinbarung mit Philipp II von Makedonien (circa 338 v Chr ), die Polybios beschreibt158 Vor Ort gab es aber noch weitere Einrichtungen So wurden Steinhaufen (1,20–1,50 Meter) mit einem Durchmesser von zehn bis zwölf Metern gefunden, die an die bei Pausanias erwähnten symbolischen Grabmale für die Gefallenen einer Schlacht zwischen den Argivern und den Spartanern erinnern159 Es ist denkbar, dass jede Polis ihren Grabhügel bei den Hermen an der Grenze errichtete und pflegte160 Daneben wurden zwei Mauern (6–6,5 Meter), die Teil einer Stoa waren, freigelegt Da in diesem Bereich auch Fragmente von Aryballoi und Terrakotten gefunden wurden, fand die Halle wahrscheinlich zur Aufbewahrung der Votivgaben Verwendung161 Im Gegensatz zu den bisherigen Beispielen handelte es sich hier um ein Hermaion mit einer reichen Ausstattung Weiterhin spricht die Errichtung einer Stoa zur Aufbewahrung der Weihgaben für regelmäßige Kulthandlungen im Hermaion Aufgrund der Lage und der weiteren Befunde kann davon ausgegangen werden, dass das Heiligtum sowohl von den Bürgern der einzelnen Poleis, die zwischen den Städten oder im Grenzgebiet unterwegs waren, genutzt wurde, als auch dass vor Ort der Toten einer weit in der Vergangenheit liegende Schlacht gedacht wurde In der Umgebung wurden weitere Passheiligtümer beispielsweise für Artemis gefunden, die wohl ebenfalls als Marker für die Grenzen fungierten162 Vorstellbar ist, dass Hermes bei diesen gemeinsam mit anderen Gottheiten verehrt wurde, wie es aus Thebai bekannt ist Auf einen ähnlichen Bezirk könnte ein dunkler Grenzstein hinweisen, der östlich von Sparta in Chrysapha am Hang eines Hügels gefunden wurde und die Aufschrift

157 158 159 160 161 162

SEG 59–356, Z 16 (340–330 v Chr ) Siehe Neulesung bei: Pikoulas 2010, 279–296 Pol 9, 28 Paus 2, 38, 5 Baumer 2004, 120 Phaklaris 1990, 194–195 Anm 613 Vgl Passhöhe zwischen Kleitor und Thelpousa (Maher 2017, 199–213, Baumer 2004, 75), Tempel von Divritsa (Baumer 2004, 119–120), Grenzheiligtum der Artemis Pyronia in Pheneos (Baumer 2004, 125, Erath 1999)

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„Ἑρμᾶνος [τὸ τέμενος]“ trägt163 Dieser Stein verwies entweder auf die Grenze des heiligen Bezirks oder ein Hermaion an der Grenze von Chrysapha Durch die Formulierung wird ausgedrückt, dass es sich um den Besitz des Gottes handelte, wie parallele Beispiele aus Pheneos zeigen164 2.1.1.3 Grenzbefestigungen Wenn natürliche Grenzen und göttlicher Besitz als Schutz der Gemeinschaft nicht als ausreichend wahrgenommen wurden, errichteten die Gemeinschaften zusätzliche Grenzsicherungen wie Festungen oder Hafenanlagen165 Die ununterbrochene Kontrolle und Besetzung dieser Anlagen unterlagen der Verantwortung der Poleis Auch die benötigen Waffen wurden aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt166 An diesen Orten waren dauerhaft Wachposten im Einsatz, um eine mögliche Gefahr durch äußere Feinde zügig zu erkennen und bekämpfen Daher wird in diesem Abschnitt auch die Verbindung von Hermes zu im militärischen Bereich tätigen Individuen behandelt Dazu gehören sowohl die städtischen Oberbefehlshaber, in Athen die Strategen, als auch die in der Ausbildung befindlichen jungen Männer und andere mit dem Schutz der Grenzen beauftragte Personen An den Grenzen sollten Gefahren und Bedrohungen abgewehrt werden, bevor die Gemeinschaft Schaden nahm Demnach war eine verlässliche Grenzsicherung die Garantie für die Unversehrtheit von Asty und Chora Gleichzeitig boten diese Orte, wie bereits bei den Heiligtümern ausgeführt, Möglichkeiten des wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Austauschs zwischen benachbarten Gemeinschaften Anhand des Götterkampfes im 21 Gesang der „Ilias“ kann illustriert werden, wie Hermes in Bezug auf den Krieg bewertet wurde In dem mythischen Kampf standen sich die Olympier paarweise gegenüber, wobei Hermes und Leto eine Gruppe bildeten167 Hermes verzichtete auf den Kampf und gestand Leto sogar zu, sich des Siegs zu rühmen Deswegen sollte Hermes jedoch nicht als pazifistischer Gott bezeichnet werden, wie es Gérard Siebert vorschlug168 Vielmehr beteiligte sich Hermes nur an Schlachten, um Menschen zu unterstützen und nicht um seine Stärke zu demonstrieren

163

IG V 1, 371 (5 Jh  v Chr ) Dazu: Raingeard 1934, 84 Es handelt sich nicht um eine Grabmakierung (so noch Johansens 1951, 84) 164 IG V 2, 360 (5 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ἑρμᾶνος Φενεοῖ“ 165 Zur Problematik, dass Festungen nicht immer an Grenzen liegen mussten: Sommerey 2012, 56–57, Chaniotis 2005, 29/245 166 Daveria Rocchi 1994, 109 167 Hom Il 21, 497–501 168 Siebert 2005, 267

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Im Folgenden werden zuerst die militärischen Amtsträger untersucht Dabei spielt vor allem Hermes mit dem Beinamen Ἡγεμόνιος (der Anführer) eine größere Rolle Anschließend werden gemeinsam die von den „Grenzsoldaten“ durchgeführten Kultpraktiken für Hermes und die der Experten für den wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Austausch näher untersucht 2.1.1.3.1 Strategen und Phylarchen: Ἡγεμόνιος Da Hermes ein Gott der Grenze war, fühlten sich diejenigen Magistrate ihm verbunden, die mit dem militärischen Schutz beauftragt waren Als Strategen konnten entweder Polismagistrate, Beauftragte eines Bundes oder Heerführer der hellenistischen Könige bezeichnet werden169 Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die städtischen Magistrate In Athen waren die Strategen und Phylarchen mit dem Schutz der Polis betraut Diese übernahmen in Kriegszeiten die Heeresleitung, doch auch in Friedenszeiten erfüllten sie für den Stadtstaat wichtige Aufgaben Die Amtskollegen führten Entscheidungen der Volksversammlung in den wesentlichen politischen Fragen, das heißt in allen Konflikten, aus170 Folglich standen sie in Kontakt mit anderen Gemeinschaften und waren Vertreter ihrer Polis nach außen, womit Hermes ganz selbstverständlich zu ihrem Schutzgott wurde171 Während andere städtische Ämter durch das Losverfahren im Wechsel theoretisch von allen Bürgern ausgeübt werden konnten, wurden die Strategen gewählt und waren vom Verbot der Wiederwahl ausgeschlossen172 Demnach wurden sie genauso wie ihre Vertretung, die zwölf Taxiarchen, nach Kompetenz ausgesucht173 Somit war die Strategie nicht nur in Athen das wichtigste Amt zur Selbstprofilierung174 Wieviel Einfluss die Strategen bei der Bildung der öffentlichen Meinung hatten und wie hoch angesehen ihre Erfolge waren, zeigt sich nicht zuletzt an den Vorwürfen gegen Alkibiades im Rahmen der Hermenverstümmelung, von denen Thukydides berichtet175 Der Geschichtsschreiber hebt explizit hervor, dass zwischen dem frevelhaften Verhalten, für das Alkibiades später verbannt worden sei, und seinen herausragenden militärischen Leistungen unterschieden werden müsse176 Im gesamten griechischen Raum waren die meisten Weihungen von oder für Strategen an Athena, Zeus und Aphrodite gerichtet Es sind jedoch auch zahlreiche Beispiele für Hermes belegt, die im Folgenden ausführlich besprochen und auf ihren Aussagege169 170 171 172 173 174 175 176

Wallensten 2003, 55 Zur Veränderung des Amtes in hellenistischer Zeit: Habicht 1995, 142 Bleicken 1986, 273 Welwei 1998, 194 Develin 1989, 3–4 McAuley 2013, 182 Vgl z B zur Strategie in Kyrene: Cary 1928, 222–238 Hierzu: 1 1 Die Zerstörung der Ordnung? Thuk 6, 15, 4 Antonis Tsakmakis weißt darauf hin, dass Thukydides als gescheiterter Stratege das Amt nicht gänzlich neutral bewerte (Tsakmakis 2006, 162)

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halt in Hinblick auf Hermes als Gott der Polis interpretiert werden sollen177 Wenn dabei von Strategenweihungen in Rede ist, sind alle Weihungen gemeint, die von einem Strategen, dem Strategenkollogium oder zu Ehren dieser aufgestellt wurden Ebenfalls im Vorfeld ist zu betonen, dass die Hermen gleichzeitig als Weihgabe für den Gott und Ehrenbezeugung für den Menschen dienen konnten Das älteste und gleichzeitig bekannteste Beispiel einer Weihung des Demos, welche die Verdienste von Strategen nennt, sind die in der modernen Forschung so genannten „Kimon-Hermen“ Dieser Begriff ist aber in mehrfacher Hinsicht so irreführend, dass diese eher als „Eion-Hermen“ bezeichnet werden könnten Für die Einnahme der Stadt Eion 475 v Chr , die in der Amtszeit des Strategen Kimon gelungen war, wurde von der Volksversammlung Athens bestimmt, dass auf der Agora drei Hermen in der Stoa Poikile zur Erinnerung an den Sieg und die athenischen Soldaten aufzustellen seien178 Die Säulenhalle wird von John Mackenzie Camp II als „most public building“ 179 und als eine Erinnerungsstätte der athenischen Stärke bezeichnet, da hier zum Beispiel auch die Gemälde, welche die athenischen Siege behandelten, angebracht waren180 Dies hebt den repräsentativen Charakter der Hermen als Mnema der von der Polis Athen errungenen Siege zusätzlich hervor Über diese Hermen sind wir gut informiert, da sowohl die athenischen Redner Demosthenes und Aischines als auch der kaiserzeitliche Parallelbiograph Plutarch davon berichten Es muss jedoch auf den zeitlichen Abstand zwischen dem Ereignis und der Abfassung der Texte hingewiesen werden Der antiken Auseinandersetzung mit den Strategenweihungen wird an dieser Stelle trotz der zahlreichen Vorarbeiten etwas Raum eingeräumt, wobei die Zeugnisse in chronologischer Reihenfolge behandelt werden181 Das zeitnächste Zeugnis ist die „Rede gegen Leptines“ (355/354 v Chr ), in der sich Demosthenes wie folgt zu den Hermen äußert182:

177 178 179 180 181 182

Wallensten 2003, 57–58 Thuk 1, 98, 1, Demosth or 20, 112 Dazu: Stein-Hölkeskamp 1999, 145–164 Mackenzie Camp II 2014, 100–101 Dazu: Paus 1, 15 Zu den wichtigsten Quellen und den archäologischen Funden: Ath Agora 3, 31–45 Siehe auch: Jung 2006, 109–122 Rückert 1998, 100–103, Wrede 1986, 10, Kron 1976, 235, Ath Agora 3, 102–108 Demosth or 20, 112: „ἔστι τοίνυν τις πρόχειρος λόγος, ὡς ἄρα καὶ παρ᾽ ἡμῖν ἐπὶ τῶν προγόνων πόλλ᾽ ἀγάθ᾽ εἰργασμένοι τινὲς οὐδενὸς ἠξιοῦντο τοιούτου, ἀλλ᾽ ἀγαπητῶς ἐπιγράμματος ἐν τοῖς Ἑρμαῖς ἔτυχον· καὶ ἴσως τοῦθ᾽ ὑμῖν ἀναγνώσεται τοὐπίγραμμα ἐγὼ δ᾽ ἡγοῦμαι τοῦτον τὸν λόγον, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, κατὰ πόλλ᾽ ἀσύμφορον εἶναι τῇ πόλει λέγεσθαι, πρὸς δὲ καὶ οὐδὲ δίκαιον “ Ob das Fragment der Pelike des Panmalers die Hermen des Kimon darstellt, muss offenbleiben (so: Osborne 2010, 361 Anders z B : Clairmont 1983, 151–153) Der Vorschlag Robin Osbornes, dass der Betrachter durch die Aufstellung der Hermen in einem Reigen, sozusagen zur vierten Herme wurde und damit noch mal der demokratische Gedanke unterstützt worden sei, soll hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden: Die drei gleichaussehenden Hermen dienten der Repräsentanz der Polis an sich, die aus gleichen Bürgern bestanden habe, die zu gleichen Teilen an den Magistraturen teilhaben konnten und deren Streben immer das Wohl der Gemeinschaft sein sollte (dagegen überzeugend: Rubel 2000, 194–195)

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„Natürlich gibt es das auf der Hand liegende Argument, dass es in der Zeit unserer Vorfahren üblich gewesen wäre, dass einige Männer, die gute Dienste getan hatten, niemals nach solcher Belohnung gefragt hätten, sondern zufrieden mit einem Gedenken auf den Hermen waren Vielleicht wird er euch die Aufschrift vorlesen Ich aber denke, dass dieses Argument, Männer Athens, in vielerlei Hinsicht nicht im Sinne der Polis ist, und außerdem ist es falsch “

Anlass der Rede war ein von Leptines eingebrachter Gesetzesentwurf, wonach unter anderem die Ateleia abgeschafft werden sollte Mit der Ateleia, die Demosthenes als Belohnung bezeichnet, war die Befreiung von Abgaben oder Leiturgien für Bürger und deren Familien nach Einsätzen im Krieg gemeint183 Demosthenes spricht sich dezidiert gegen den in seiner Wahrnehmung gesetzwidrigen Entwurf aus, da aus seiner Sicht damit die Entscheidungsfreiheit des Demos eingeschränkt würde184 Mit seiner Argumentation dekonstruiert Demosthenes die vorausgesetzte Argumentation seiner Gegner, welche die Hermen als Beleg für die Bescheidenheit der Vorfahren anführen könnten Es sei nicht korrekt, dass die Vorfahren keine großen Ehrungen für verdiente Söhne der Stadt vergeben hätten Diese seien jedoch Ergebnis einer Entscheidung der Volksversammlung gewesen und hätten stets die Verdienste der Bürgergemeinschaft hervorgehoben, wie die Eion-Hermen beweisen würden Weiterhin sei es nicht im Sinne der Polis, einzelne Bürger über andere zu erheben, da der Erfolg von vielen errungen worden sei Folglich negiert Demosthenes keinesfalls die große Ehrung, welche die Hermen darstellten Aus der Rede wird außerdem deutlich, dass die Hermen zur Abfassungszeit als traditionelle Erinnerungsmale für militärische Erfolge wahrgenommen wurden Etwa 20 Jahre später greift Aischines in seiner „Rede gegen Ktesiphon“ (330 v Chr ) das Thema der Eion-Hermen wieder auf185: „Es gab zu dieser Zeit einige, Männer Athens, die viele Mühen und große Gefahr überstanden und die Meder am Fluss Strymon besiegt hatten Als diese nun zurückkehrten, baten sie den Demos um eine Belohnung, und die Volksversammlung bewilligte ihnen nach damaligen Begriffen eine große Auszeichnung, nämlich drei steinerne Hermen in der Hermes-Stoa aufzustellen, doch ohne ihre Namen daraufzuschreiben, damit die Aufschrift als eine Sache des Demos und nicht der Strategen erscheint Ihr werdet die Wahrheit dessen,

183 Vgl DNP s v Ateleia 184 Harris 2008, 18, Rubenstein 2000, 138–140 185 Aischin Ctes 183–185: „ἦσάν τινες, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, κατὰ τοὺς τότε καιρούς, οἳ πολὺν πόνον ὑπομείναντες καὶ μεγάλους κινδύνους ἐπὶ τῷ Στρυμόνι ποταμῷ ἐνίκων μαχόμενοι Μήδους· οὗτοι δεῦρο ἀφικόμενοι τὸν δῆμον ᾔτησαν δωρεάν, καὶ ἔδωκεν αὐτοῖς ὁ δῆμος τιμὰς μεγάλας, ὡς τότ᾽ ἐδόκει, τρεῖς λιθίνους Ἑρμᾶς στῆσαι ἐν τῇ στοᾷ τῇ τῶν Ἑρμῶν, ἐφ᾽ ᾧτε μὴ ἐπιγράφειν τὸ ὄνομα τὸ ἑαυτῶν, ἵνα μὴ τῶν στρατηγῶν, ἀλλὰ τοῦ δήμου δοκῇ εἶναι τὸ ἐπίγραμμα ὅτι δ᾽ ἀληθῆ λέγω, ἐξ αὐτῶν τῶν ποιημάτων γνώσεσθε […] ἔστι που τὸ τῶν στρατηγῶν ὄνομα; οὐδαμοῦ, ἀλλὰ τὸ τοῦ δήμου “

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

was ich sage, aus den Werken selbst erkennen […] Ist irgendwo der Name des Feldherrn? Nirgendwo; aber der des Demos “

Ktesiphon hatte einen Ehrenkranz für Demosthenes beantragt, sodass diese Rede als ein Angriff auf Demosthenes selbst zu lesen ist Aischines benutzt nicht zufällig genau die Argumentation, die Demosthenes seinen Gegnern unterstellt hatte, und greift die von Demosthenes geforderte Gleichbehandlung aller Bürger auf Seine Argumentation baut darauf auf, dass es unrecht wäre, einen Amtsträger für die Ausführung seines Amtes vor Ablauf der Zeit zu bekränzen und ihn damit über die anderen Bürger zu erheben186 Als gleichsam historischen Beleg führt er die Eion-Hermen an Damals seien nicht Kimon und seine Kollegen geehrt worden, die ihrem Amt entsprechend handelten, sondern es sei der Tapferkeit und der Sieghaftigkeit der Bürger gedacht worden Weil die Hermen als Weihung der ganzen Polis verstanden worden seien, stünden keine Namen auf diesen, so der Redner weiter187 Anhand der Ausführungen zeigt sich deutlich, dass die gemeinsam geweihten Hermen im 4 Jh   v Chr zum Sinnbild für das Funktionieren der Polis stilisiert wurden Gleichzeitig wurde Demosthenes in die Schranken gewiesen, da seine Leistungen für die Gemeinschaft in keinem Fall überragender waren als die von Kimon und seinen Kollegen Damit wäre eine Kranzverleihung vor dem Amtsende, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen, „nicht im Sinne der Polis“188 gewesen Bei Aischines folgt eine Wiedergabe der Epigramme, die der des Plutarch in seiner Kimon-Vita ähnelt189 Das erste Epigramm erinnert allgemein an den Kampf um Eion (475 v Chr ) und die tapferen Bürger Das Zweite ehrt ohne persönliche Namensnennung besonders das Gremium der Strategen, welches als Vorbild für nachfolgende Generationen gelten sollten, für die Gemeinschaft nützliche Dinge zu tun Das dritte Epigramm nimmt Bezug auf den homerischen Heros Menestheus, der für Athen nach Troja zog190 Da ein Redner nur bestimmte Freiheiten genoss, wenn er über Ereignisse und Personen sprach, die allen Zeitgenossen bekannt gewesen sein dürften, ist an den Aussagen beider Autoren nicht zu zweifeln191 Die Epigramme stellen den Kampf der Athenischen Bürger in der mythischen und historischen Vergangenheit ins Zentrum und fordern die kommenden Generationen zu ähnlichem Handeln auf Alle drei Autoren – Demosthenes, Aischines und Plutarch – bezeichneten das Gewährte als große Ehre, die auf herausragende Leistungen der Bürgergemeinschaft 186

Vgl Harris 1994, 140–148 Demosthenes reagierte mit seiner „Kranzrede“ (Demosth or 18) auf diesen Vorwurf 187 Flashar/Schubert 2018, 29–30, Quinn 2007, 85, Rückert 1998, 101 188 Demosth or 20, 112 189 Plut Kimon, 7, 3–5, [Plut ] X orat 834 Zur Einordnung der Epigramme: Rückert 1998, 101–102 mit älterer Literatur, Ath Agora 3, 104 190 Hom Il 2, 546–556, Paus 2, 25, 6 191 Ath Agora 3, 104

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oder für diese zurückzuführen sei192 Weiterhin wird betont, dass Umfang und Ausmaß der Ehrung eine gemeinsame Entscheidung der Bürgergemeinschaft gewesen und dabei die Gleichbehandlung der Bürger immer gewahrt worden sei193 Mindestens seit 475 v Chr wurden Hermen demnach mit militärischen Verdiensten der Gemeinschaft verbunden Daneben konnten auch Amtsträger oder Gremien mit Hermen belohnt werden Wichtig war jedoch, dass es nur bei herausragenden Verdiensten und eine namentliche Nennung erst nach Ablauf der Amtszeit geschah Die Weihung von Hermen war zum Sinnbild einer funktionierenden Bürgergemeinschaft geworden, die sich selbst verteidigen konnte Daher hält Tonio Hölscher fest, dass „die Hermen symbolisch der wichtigsten Aufgabe der Politik, der Verteidigung der Stadt gegen äußere Feinde“194 entsprachen Folglich wurden die Hermen zunächst als öffentliche Weihungen der Polisgemeinschaft verwendet und entwickelten erst allmählich ihre doppelte Funktion als Repräsentanten öffentlicher und persönlicher Interessen Einige Jahre später, im Jahr 460 v Chr , stiftete der gewesene Stratege Leokrates eine Herme, die mit einem Epigramm des Dichters Simonides versehen ist195 Die Herme wurde gemeinsam mit einer anderen in der attischen Deme Angele gefunden, wobei dies nicht der ursprüngliche Standort war196 Das Götterbild galt lange Zeit als eines der frühen Zeugnisse für den Hermeskult im Gymnasion Wie Andrej Petrovic aber abschließend nachweisen konnte, stand die Herme nicht in der Akademie, sondern muss im Zusammenhang von Ein- und Ausgängen der Polis betrachtet werden197 Das Epigramm lautet198: „Leokrates, Sohn des Stroibos, als du Hermes dieses Standbild geweiht hast, | bliebst du den schöngelockten Chariten nicht verborgen  | Auch der heiteren Akademeia nicht, in deren Schoß | ich dem Passanten von deinem Verdienst berichte “

Die Inschrift bestand ursprünglich nur aus den ersten beiden Versen, wurde aber später um zwei weitere Verse ergänzt, was auch anhand des Perspektivwechsels deutlich wird199 Während anfangs der Dichter die Erzählung gestaltet, spricht im zweiten Teil der Gott Für eine neue Interpretation müssen sowohl der soziale und kulturelle Hintergrund des Stifters als auch der Inhalt der ersten beiden Verse betrachtet werden 192 193 194 195

Plut Kimon 8, 1 Osborne 2010, 358–359 Hölscher 2013, 57 IG I3 983 (460 v Chr ) Dazu: Petrovic 2007, 137 Leokrates: Stratege in der Schlacht von Plataiai 479 v Chr (Plut Aristides 20, 1), 459/458 v Chr Stratege bei Seeschlacht um Aigina (Thuk 1, 105, 2–3, Diod 11, 78, 3–4) 196 Die andere Herme ist unpubliziert 197 Vgl Petrovic 2007, 132–143 Anders: z B Marchiandi 2003, 34–37 198 IG I3 983 (ca 460 v Chr , Übersetzung nach Petrovic 2007) Inschrift: „Στροίβου παῖ, τόδ᾽ ἄγαλμα, Λεώκρατες, εὖτ᾽ ἀνέθηκας | Ἑρμῇ, καλλικόμους οὐκ ἔλαθες Χάριτας  | οὐδ᾽ Ἀκαδημίαν πολυγαθέα, τῆς ἐν ἀγοστῷ | σὴν εὐεργεσίην τῷ προσιόντι λέγω “ 199 Vgl Petrovic 2007, 133–136

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Wie jedem Athener dürften Leokrates die Eion-Hermen vertraut gewesen sein, welche zur Erinnerung an einen Sieg der Polisgemeinschaft aufgestellt wurden In dem Epigramm ist jedoch keine Rede von seinem Amt oder Sieg Weiterhin heißt es, dass Leokrates die Weihung aufgestellt habe Dementsprechend handelte es sich nicht um ein Geschenk der Polisgemeinschaft Dennoch kann die Herme als ein Erinnerungsmal des wichtigen Siegs bei Plataiai (479 v Chr ) gewertet werden, den Leokrates als damaliger Stratege mitherbeigeführt hatte Dafür sprechen auch die auf Antrag seines ehemaligen Amtskollegen Aristeides eingeführten, alle vier Jahre stattfindenden Freiheitsfestspiele (Eleutheria), zu denen Abgesandte aus dem gesamten griechischen Raum eingeladen wurden200 Darüber hinaus erklärten sich die Plataier dazu bereit, die jährlichen Totenfeiern für die Gefallenen zu übernehmen, wovon Plutarch in seiner „Vita des Aristeides“ ausführlich berichtet Zwar handelt es sich dabei um ein vergleichsweise spätes Zeugnis, Plutarch griff aber auf ältere Quellen zurück und kann somit auch in Bezug auf das 5 Jh  v Chr als relevant bezeichnet werden In Bezug auf die Totenfeiern hält er fest201: „Das tun sie noch heute auf folgende Weise Im Monat Maimakterion, der bei den Boiotiern der Alalkomenios ist, am 16 veranstalten sie eine Prozession, die früh morgens ein Trompeter mit kriegerischen Signalen eröffnet Es folgen Wagen voll von Myrtenzweigen und Kränzen, ein schwarzer Stier und freie Jünglinge, die Opfergaben an Milch und Wein in Krügen und Gefäße mit Öl und Salben tragen; denn kein Sklave darf mit irgendetwas, das zu diesem Dienst gehört, zu tun haben, weil die Männer für die Freiheit gefallen sind Zuletzt kommt der Archon der Plataier, dem es zu anderer Zeit nicht gestattet ist, Eisen zu berühren oder ein anderes als ein weißes Kleid zu tragen, der jetzt aber ein Purpurgewand angelegt hat Er holt einen Wasserkrug aus dem Archiv und schreitet schwertumgürtet durch die Stadt zu den Gräbern Dann schöpft er Wasser aus der Quelle und wäscht selbst die Grabpfeiler ab und salbt sie mit Myrrhenöl, schlachtet den Stier über dem Opferherd, betet zu Zeus und Hermes, den Göttern der Erdtiefe, und ruft die tapferen Männer, die für Griechenland gefallen sind, zum Mahl und zum Blutschmaus Zuletzt mischt er einen 200 Plut Aristides 21, 1 201 Plut Aristides, 21, 3–6 (Übersetzung Ziegler 1954): „καὶ τοῦτο μέχρι νῦν δρῶσι τόνδε τὸν τρόπον· τοῦ Μαιμακτηριῶνος μηνός, ὅς ἐστι παρὰ Βοιωτοῖς Ἀλαλκομένιος, τῇ ἕκτῃ ἐπὶ δέκα πέμπουσι πομπήν, ἧς προηγεῖται μὲν ἅμ᾽ ἡμέρᾳ σαλπιγκτὴς ἐγκελευόμενος τὸ πολεμικόν, ἕπονται δ᾽ ἅμαξαι μυρρίνης μεσταὶ καὶ στεφανωμάτων καὶ μέλας ταῦρος καὶ χοὰς οἴνου καὶ γάλακτος ἐν ἀμφορεῦσιν ἐλαίου τε καὶ μύρου κρωσσοὺς νεανίσκοι κομίζοντες ἐλεύθεροι· δούλῳ γὰρ οὐδενὸς ἔξεστι τῶν περὶ τὴν διακονίαν ἐκείνην προσάψασθαι διὰ τὸ τοὺς ἄνδρας ἀποθανεῖν ὑπὲρ ἐλευθερίας· ἐπὶ πᾶσι δὲ τῶν Πλαταιέων ὁ ἄρχων, ᾧ τὸν ἄλλον χρόνον οὔτε σιδήρου θιγεῖν ἔξεστιν οὔθ᾽ ἑτέραν ἐσθῆτα πλὴν λευκῆς ἀναλαβεῖν, τότε χιτῶνα φοινικοῦν ἐνδεδυκὼς ἀράμενός τε ὑδρίαν ἀπὸ τοῦ γραμματοφυλακίου ξιφήρης ἐπὶ τοὺς τάφους προάγει διὰ μέσης τῆς πόλεως εἶτα λαβὼν ὕδωρ ἀπὸ τῆς κρήνης αὐτὸς ἀπολούει τε τὰς στήλας καὶ μύρῳ χρίει, καὶ τὸν ταῦρον εἰς τὴν πυρὰν σφάξας καὶ κατευξάμενος Διῒ καὶ Ἑρμῇ χθονίῳ παρακαλεῖ τοὺς ἀγαθοὺς ἄνδρας τοὺς ὑπὲρ τῆς Ἑλλάδος ἀποθανόντας ἐπὶ τὸ δεῖπνον καὶ τὴν αἱμοκουρίαν ἔπειτα κρατῆρα κεράσας οἴνου καὶ χεάμενος ἐπιλέγει· »προπίνω τοῖς ἀνδράσι τοῖς ὑπὲρ τῆς ἐλευθερίας τῶν Ἑλλήνων ἀποθανοῦσι« ταῦτα μὲν οὖν ἔτι καὶ νῦν διαφυλάττουσιν οἱ Πλαταεῖς “

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Krug Wein, gießt ihn aus und spricht dazu: »Ich trinke den Männern zu, die für die Freiheit der Griechen gestorben sind « Dies halten die Plataier bis heute aufrecht “

Zum Gedenken an die Toten sollte eine Prozession, eine Waschung und Bekränzung der Grabsteine sowie das Opfer eines schwarzen Stieres und eine anschließende Libation vorgenommen werden Wahrscheinlich wurden die Rituale an ein bereits bestehendes Fest angegliedert, da nur so der Termin im Spätherbst und das schwarze Opfertier zu erklären sind202 Wie zeitnah zur Schlacht diese Tradition tatsächlich eingeführt wurde, kann nicht bestimmt werden, die Erwähnung bei Thukydides spricht aber für die Durchführung schon im 5 Jh  v Chr 203 Die Feier schloss die Beteiligung aller Bürger sowie möglicherweise von Gesandtschaften anderer Poleis ein204 Nach der Schlacht errichteten die einzelnen Poleis Grabmonumente, die an die eigenen Soldaten erinnern sollten205 Somit waren die Gräber neben letzten Ruhestätten auch ein Beweis dafür, dass die entsprechenden Poleis am Kampf gegen die Perser teilgenommen hatten Das Purpurgewand und der Schwertgurt führten allen Anwesenden vor Augen, wie wichtig der Festakt war206 Außerdem wurde der Anlass genutzt, um der Taten der Gefallenen und ihres Kampfes für die Freiheit zu gedenken Gleichzeitig sollten diese als Vorbild für künftige Generationen dienen207 Daher wurden die Epheben fest in den Ablauf integriert Höhepunkt der Zeremonie war sicher das Opfer an Zeus und Hermes Zeus war in der antiken Vorstellungswelt eng mit der Befreiung von den „Barbaren“ verbunden, was sich unter anderem in dem Epitheton Eleutherios (der Befreier) widerspiegelt So war als Reaktion auf den Sieg bei Plataiai zum Beispiel in Athen ein Opfer für Zeus Eleutherios eingeführt worden208 Hermes dagegen war mit dem Schutz der Grenzen und der Sicherheit der Polisgemeinschaft betraut, die Strategen und Bürgerheer in militärischen Auseinandersetzungen sicherstellten Seine Bilder wurden als Erinnerungsmale siegreicher Schlachten aufgestellt Anhand des Beispiels in Plataiai kann darüber hinaus festgestellt werden, dass der Gott nicht mehr nur bei der Verteidigung des Polisterritoriums, sondern auch bei der Befreiung der griechischen Staatenwelt hilfreich zur Seite stand Nicht außer Acht gelassen werden darf zudem der Beiname Χθόνιος Dieser kann sowohl „der Unterwelt zugehörig“ als auch „der Erde/dem Erdboden zugehörig“ meinen209 Beide Aspekte dürften zur Wahl des Epithetons geführt 202 203 204 205 206 207 208

Jung 2006, 264 Thuk 3, 58, 3–4 Dazu: Beck 2009, 62–63, Jung 2006, 262–265 Beck 2009, 67 Hdt 9, 85 Dazu: Jung 2006, 259–262 Zur „Zeichenhaftigkeit der Gewänder“: Reuthner 2006, 169–182 Beck 2009, 77 Thuk 2, 71, 2, Sim frg 520 (Page) Zu anderen Gedenkfeiern: Athen (Plut mor 349f), Sparta [IG V 1, 18/660 (röm ), Paus 3, 14, 1], Megara [IG VII 53 (4 /5 Jh n Chr )] Siehe auch: Beck 2009, 67–68 209 Hierzu: 2 4 1 2 Kult

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haben Einerseits war mit Hilfe der Götter das „griechische“ Land verteidigt und gesichert worden Andererseits diente das Fest dazu, eine Gemeinschaft von Lebenden und Toten zu erzeugen, die durch ein gemeinsames Mahl symbolisiert wurde Demnach sollte Hermes als Vermittler zu den Toten auftreten Diese Aufgaben wurden ihm auch in anderen Kontexten zugeschrieben In den Tragödien „Die Weihgußträgerinnen“ (458 v Chr ) von Aischylos und „Elektra“ (413 v Chr ) von Sophokles zum Beispiel überbringt Hermes Χθόνιος dem verstorbenen Agamemnon die Nachricht von seinen Kindern Orestes und Elektra210 Leokrates ließ in Athen eine Weihgabe aufstellen, die wenigstens indirekt an seinen Sieg bei Plataiai (479 v Chr ) erinnern sollte Zu diesem Zweck wählte er eine Herme aus, da Bilder des Hermes spätestens seit 475 v Chr als Sinnbild der funktionierenden Polisgemeinschaft und ihres erfolgreichen militärischen Schutzes etabliert waren Leokrates konnte wenige Jahre später, etwa 460 v Chr , auf die vorhandenen Assoziationen mit dem Götterbild zurückgreifen und ein Erinnerungsmal seiner Person errichten, wobei seine öffentlichen Verdienste und seine herausragende Persönlichkeit hervorgehoben wurden Gleichzeitig griff der gewesene Stratege auf diese Bildform zurück, da Hermes Χθόνιος bei den Totenfeiern in Plataiai eine große Rolle spielte und zwar als derjenige, der bei der Verteidigung der griechischen Einflusssphäre gegen die „Barbaren“ hilfreich zur Seite stand, und als derjenige, der die Kommunikation mit den Toten ermöglichte Offen ist noch die Frage, wo die Herme des Leokrates ursprünglich aufgestellt war Mithilfe der Eion-Hermen konnte verdeutlicht werden, dass Sieges-Hermen in der Stoa Poikile oder am Zugang zur Agora standen Entsprechend ist es möglich, dass die Herme des Leokrates dort errichtet wurde Dafür spricht auch, dass auf der Agora der Kult des Zeus Eleutherios, der ebenfalls in Erinnerung an den Sieg bei Plataiai eingerichtet wurde, stattfand211 Betrachtet man die gemeinsame Nennung von Hermes und den Chariten in dem Epigramm, eröffnet sich daneben eine weitere Möglichkeit Hermes und die Chariten wurden in Athen und in anderen griechischen Poleis an den Ein- und Ausgängen der Stadt, der Agorai oder der Akropoleis verehrt Gemeinsam sicherten sie den entsprechenden Bereich ab und schützten diesen vor Übergriffen In Athen fand sich die Kultgemeinschaft in den Propyläen der Akropolis, sodass die Herme des Leokrates’ auch hier gestanden haben könnte Um auf seine Leistungen zum Schutz der Polis hinzuweisen, wäre es denkbar, dass er die Herme entsprechend prominent am Zugang zu einem politischen oder sakralen Raum aufstellen durfte Welche Wirkung die Eion-Hermen in Athen entfalteten, zeigt sich auch an den sich schnell wandelnden Vasendarstellungen In den Jahren vor und nach der Einnahme der Stadt Eion treten häufiger Abbildung des Hermes in Begleitung von Kriegern so-

210 211

Aischyl Choeph 3/1126–1128/1138/1145, Soph El 111 Thuk 2, 71, 2, Sim frg 15 (Page)

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wie von Kriegern, die Kulthandlungen an Hermen vollführen, auf212 Außerdem kann Paul Zanker zeigen, dass Hermes in Abschiedsszenen von Kriegern die Rolle des Vaters übernahm So tritt der Gott zum Beispiel auf einer rotfigurigen Strickhenkelamphore einem als Krieger dargestellten Mann entgegen, hinter dem eine trauernde Frau steht213 Durch die Vasen fand die Vorstellung von Hermes als einem Gott der Strategen und Bürgersoldaten, die spätestens seit Kimons Strategie verbreitet war, ihren Weg von dem öffentlichen Ort der Agora in die Privathäuser der Bürger Auf der Grundlage der ausführlichen Überlieferung zu den Eion-Hermen wurden auch bei anderen Monumenten, mit denen des Sieges der athenischen Bürgerschaft in wichtigen Auseinandersetzungen gedacht wurde, Hermen als möglicher Schmuck rekonstruiert So wird die Marmorsäule, die in situ im heiligen Bezirk der Athena auf der Akropolis in Athen gefunden wurde, mit der Schlacht von Marathon (490 v Chr ) in Verbindung gebracht214 Diese ist mit folgendem Weihepigramm versehen215: „Kal(l)imachos aus Aphidna hat aufgestellt der Athena mich, | den Boten der Unsterblichen, die olympische Häuser bewohnen, | – - – der [Archon] Polemarchos der Athener den Kampf | in Marathon – - – | den Kindern der Athener zur Erinnerung- – - “

Der Stadtgöttin Athena wurde das Bild eines Götterboten als Geschenk dargebracht, wie der Akkusativ anzeigt Bei dem Götterboten handelte es sich trotz der maskulinen Form nicht um Hermes, sondern um Nike, was auch die in der Nähe der Marmorsäule gefundene Figur einer weiblichen geflügelten Gottheit bestätigt216 Der Neuuntersuchung der Inschrift durch Michael Jung ist der Hinweis zu verdanken, dass hier eine persönliche Weihung eines Verwandten oder Amtskollegen des Archon Polemarchos Kallimachos vorliegt, die nach seinem Tod aufgestellt wurde217 Ein zweites Beispiel ist das Marathonmonument in Delphi Birgit Rückert legt dar, dass sich darauf Bilder des Gottes Hermes befunden haben könnten218 Das Monu212 213 214 215 216 217 218

Osborne 2010, 359 Vasen: ARV2 654 9/553 33, Louvre, Inv -Nr G 515 (ca 380–370 v Chr ) Vgl LIMC s v Hermes 862 (ca 475–425 v Chr ) Dazu: Zanker 1965, 108 Zum Athenakult in Athen: Meyer 2017 IG I3 784 (um 490–485  v Chr ) Inschrift: „[Καλίμαχος μ’ ἀν]έθεκεν Ἀιδναῖο[ς] τἀθεναίαι :  | ἄν[γελον ἀθ]ανάτον hοὶ Ὀ[λύνπια δόματα] ἔχοσιν  | vacat [¯ ˘ ˘ ¯ πολέ]μαρχος Ἀθεναίον τὸν ἀγôνα : | τὸν Μα[ραθον ˘ ˘]ΕΛΕΝΟΝΟ[– – – –c 11– – – :] | παισὶν Ἀθεναίον μν[εμ ¯ ˘ ˘ ¯ ˘ ˘ ¯ ˘] “ Vgl Thöne 1999, 18–20, Raubitschek 1940, 53–56 Vgl Jung 2006, 72–84 Dazu: Hdt 6, 114 Rückert 1998, 102–103 Siehe auch: Jung 2006, 84–96 Ein mögliches, weiteres Beispiel ist der „Hermes Ludovisi“ (Mitte des 5 Jh  v Chr ), der von Semni Karusu als Bildschmuck eines Grabes für die Gefallenen der Niederlage der Athener bei Koroneia 447  v Chr (Thuk 1, 113) interpretiert wurde (Karusu 1961, 91–106, Simon 1985, 312–314, Clairmont 1983, 163–164, Felten 1975, 56) Durch den Bericht von Pausanias ist bekannt, dass diesem Ereignis mit einem öffentlichen Grabmal gedacht wurde (Paus 1, 27, 5) Zwar war es möglich, statuarischen Schmuck auf Gräbern aufstellen zu lassen (Polyandrion in Thespiai), Götterbilder auf Grabmälern sind für das 5 Jh  v Chr jedoch nicht belegt Beachtet man zusätzlich, dass zur Zeit der Eroberung Eions und des Sieges bei Marathon Hermen als Siegeszeichen aufgestellt wurden, erscheint es verwunderlich, dass eine Statue des Hermes so kurze Zeit später an eine Niederlage erinnern soll Da die Statue zu den ersten

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ment wurde zur Erinnerung an den Sieg bei Marathon in kimonischer Zeit errichtet219 Dabei handelt es sich um eine Marmorbasis, die mit 16 Figuren (Athena, Apollon, Miltiades, zehn attische Phylenheroen, Kodros, Theseus und Philaios) und einer Inschrift geschmückt ist220 Sowohl Miltiades als auch Philaios waren Mitglieder der Familie des Kimon So galt Philaios, ein Sohn des Ajax des Großen, als Stammvater der Philaiden zu denen Kimon gehörte Miltiades wiederum war der Vater von Kimon Demnach kann das Marathonmounment auch als Ehrung für die Familie des Kimon und deren Verdienste für die Stadt Athen sowie die Freiheit der Griechen interpretiert werden Sollte dies korrekt sein, wären die Eion-Hermen Auslöser oder Ergebnis einer Tradition von Siegesweihungen für Hermes, die in der Ära Kimons in Athen institutionalisiert wurden Im Laufe der Zeit übernahm Hermes in Athen offenbar eine Schutzfunktion für die Reiterei Dies hängt einerseits damit zusammen, dass die für den Oberbefehl über die Reiterei gewählten Hipparchen und die ihnen unterstehenden Phylarchen ebenfalls städtische Ämter bekleideten und im Kriegsfall das Polisgebiet verteidigen mussten221 Andererseits lagen die Treffpunkte und Übungsplätze der Hipparchen und Phylarchen bei den sogenannten „Hermen“ auf der Agora222 Daher finden sich in unmittelbarer Umgebung mehrere Ehrendekrete auf Marmorstelen von Kavalleristen, die ihre Verdienste an prominenter Stelle verewigen durften und dabei Hermes dankten223 Die intendierten Adressaten dieser Weihungen waren sowohl die Alters- und Kampfgenossen als auch die gesamte Bürgerschaft der Polis224 Daher wurden an diesem Ort Siegesweihungen beispielsweise in Hermenform von Phylarchen in hippischen Agonen errichtet225 Die Strategen in Athen weihten nicht nur aufgrund von Siegen oder anderen militärischen und diplomatischen Erfolgen, sondern waren mindestens seit dem 4 Jh  v Chr zu einem jährlichen Opfer an Hermes Ἡγεμόνιος verpflichtet Über den Kontext und den Ablauf des Opfers informiert das Fragment eines Gesetzes, welches auf einen Vorschlag von Lykurg aus Athen zurückgeht226 Dieser Text wurde auf der Athener Akropolis gefunden und beinhaltet unter anderem einen Opferkalender Der Kalender

219 220 221 222 223 224 225 226

jugendlichen Darstellungen des Gottes in der Plastik gehört, spricht meiner Meinung nach jedoch nichts dagegen, die Statue in die Tradition der erinnernden und erziehenden Feste der Polis Athen einzuordnen Paus 10, 9, 1–2 Später wurden noch Antigonos, Demetrios und Ptolemaios hinzugefügt Habicht 1995, 142, Develin 1989, 5 Mnesimachus frg 4, 3–4 (Edmonds) SEG 21–525, Z 44 (282/281 v Chr )/21–357, Z 9 (=IG II3 4, 949, 280–270 v Chr ), IG II3 4, 328 (3 Jh  v Chr ), SEG 21–435, Z 11 (187/6 v Chr ) Vgl Weihung eines Archehipparchen aus Abiai: IG V 1, 1351 (2 Jh  v Chr ) Dazu: Raingeard 1934, 78–79 IG II2 3130 (Mitte 4 Jh  v Chr ), Hesperia 42 (1973), 179 IG II2 1496 (334/333–331/330 v Chr ) Zur Datierung: Tracy 1995, 71/79/84–85/93/107

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nennt insgesamt zwei Opfergaben für Hermes Das erste Opfer sollte im Monat Mounikhion (März/April) an Hermes Ἡγεμόνιος von den Strategen dargebracht werden227 Die konkrete Höhe der Ausgaben und die Art des Opfertieres sind nicht erhalten, es dürfte sich aber sehr wahrscheinlich um Stiere gehandelt haben, wie Vincent Rosivach durch Vergleiche mit anderen Kalendern belegen konnte228 Ein weiteres Opfer erhielt Hermes im Monat Gamelion ( Januar) gemeinsam mit den eleusinischen Göttinnen und Persephone von den Epimeletai, den städtischen Funktionären für die Eleusinischen Mysterien229 Das Opfer an Hermes Ἡγεμόνιος gehörte wie alle im Kalender vermerkten Gaben zu den sogenannten Epithetoi Heortai, den zusätzlichen Opfern, die sich von den Patrioi Thusiai, den von den Vorvätern ererbten Opfern, unterschieden230 Der wesentliche Unterschied bestand in ihrer Finanzierung: Während die alten Opfer aus den Tempeleinnahmen finanziert wurden, wurden die Neuen mit Geldern aus der Staatskasse bezahlt231 Entsprechend hatte auch ein städtischer Amtsträger, der eponyme Archon, die Oberhoheit über diese Opfer232 Der Beiname Ἡγεμόνιος bedeutet ganz allgemein „Wegweiser“, „Anführer“ oder „Leiter“ und taucht bei Anrufungen im politischen oder militärischen Kontext auf233 So wird der Gott nicht nur in dem oben genannten Gesetzestext, sondern auch in vier Inschriften des 4 und 3 Jh  v Chr aus Rhodos und Kreta auf diese Weise angesprochen234 Einer Übersetzung mit „Wegbegleiter“ greift zu kurz, da alle Belegstellen dem militärischen Bereich zuzuordnen sind und Hermes als Schützer der Polisgemeinschaft und der Grenzen adressieren Eine Betrachtung des Beinamens bei anderen Gottheiten kann dies noch unterstreichen So wurde im nach der Befreiung von der makedonischen Vorherrschaft eingerichteten Heiligtum des Demos und der Chariten in Athen ein Weihgeschenk für Aphrodite Hegemone tou Demou (Leiterin des Volkes) aufgestellt235 227 IG II2 1496, Z 84–85/115–116 (334/333–331/330 v Chr ) Inschrift: „[…] ἐκ τῆς θυσ[ίας] τῶι Ἑρμῆι τῶι | Ἡγεμονίωι παρὰ [σ]τρατηγῶν – – –·“ 228 Rosivach 1994, 49/53/58/70 229 IG II2 1496, Z 102–104 (334/333–331/330  v Chr ) Inschrift: „[ἐκ τῆς θυσ]ίας [τῶι Ἐλευσῖνι? καὶ τῶι] | [Ἑρμῆι καὶ] τῆι Δαείρ[αι παρὰ] | [ἐπιμελητ]ῶν? : ΗΗΔΔͰͰͰͰΙ[ΙΙΙ]Ι “ Zu den Epimeletes: Aristot Ath pol 57, 1 230 Isokr or 7, 29–30, Lys 30, 19, Suda/Harpokr s v ἐπιθέτους ἑορτάς 231 Rosivach 1994, 54 232 Aristot Ath pol 3, 3 233 Aristoph Plut 1159, IG II2 1496 (334/333–331/330 v Chr ), IG II2 2873 (95/94 v Chr ) Siehe auch: Harrison 1990, 346 234 Vgl Rhodos: SEG 61–680 (ca 323–310 v Chr ) Die Statuenbasis aus Marmor wurde im Osten der Akropolis von Rhodos-Stadt gefunden Es handelt sich um eine Weihung der neun gewesenen Strategen der Insel Rhodos, wobei jede der drei rhodischen Städte jeweils drei Strategen entsandte Gerichtet ist die Stiftung an Hermes Ἁγεμονίος Kreta: SEG 23–547 (201/200 v Chr ) Es handelt sich um ein Freundschaftsabkommen zwischen der kretischen Polis Olountios und den Rhodiern, wobei Hermes Ἡγεμών als Schwurgott genannt wird (Z 53) Hierzu: 2 1 4 2 Grenzen bewahren 235 IG II2 2798 (197/196 v Chr ) Dazu: Ruggeri/Siewert/Steffelbauer 2007, 47–56, Wellensten 2003, 68–71 mit Quellenbelegen, Harrison 1990

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Es stellt sich nun die Frage, ob die Einführung des Opfers mit einem historischen Ereignis zu verbinden ist, bei dem Hermes als Ἡγεμόνιος in Erscheinung getreten sein soll In der Komödie „Der Reichtum“ (388/387 v Chr ) von Aristophanes sucht Hermes nach einem Platz in der neuen Weltordnung, die von Ploutos bestimmt wird, was Inhalt eines Gesprächs zwischen dem Sklaven Karion und dem Gott ist236 Dabei schreibt der Dichter Hermes nur Aufgabenbereiche zu, die ihn als einen Gott der Polis ausweisen: Στροφαῖος (der Portier an der Tür), Ἐμπολαῖος (der Schützer des Handels), Δόλιος (der Listige/Arglistige), Ἡγεμόνιος237 (der Anführer) und Ἐναγώνιος238 (der zum Wettkampf oder Krieg Gehörige/Taugliche) Im Sinne der räumlichen Gliederung der vorliegenden Arbeit bedeutet dies, dass Hermes als Στροφαῖος an den Ein- und Ausgängen, als Ἐμπολαῖος und Δόλιος auf der Agora, als Ἡγεμόνιος auf der Akropolis und als Ἐναγώνιος im Gymnasion verehrt wurde Das Opfer für Hermes Ἡγεμόνιος ist demnach höchstwahrscheinlich vor 388/387  v Chr eingerichtet worden Eine genaue Datierung kann jedoch nicht vorgenommen werden, wobei Vincent Rosivach überzeugend dargelegt hat, dass das Opfer nicht älter als 566/565 v Chr sein kann239 Zur Beantwortung der Frage nach dem Anlass für die Einführung kann das zugehörige Scholion hinzugezogen werden, in dem es heißt240: „Gemäß einem Orakel hatten die Athener (die Statue von) Hermes Hegemonios aufgestellt “

Demnach ist die Einführung auf einen Orakelspruch zurückzuführen, wobei keine weiteren Informationen gegeben werden Für den Kult von Hermes Ἡγεμόνιος lässt sich daraus ableiten, dass die Opferung nach einem nicht mehr zu bestimmendem Ereignis neu eingeführt wurde Dieses Ereignis muss aber für die gesamte Polisgemeinschaft einschneidend gewesen sein, sodass die finanzielle und organisatorische Verantwortung bei der Polis lag Daher zählt Robert Parker die Donation zu den „polis-supported sacrifices“241 Dies wird noch unterstrichen, wenn die weiteren Gottheiten, die zeitgleich Opfer bekamen, betrachtet werden Neben Hermes erhielten auch Agathê Tychê, Ammon, Demokratia, Eirene und Zeus Soter Zuwendungen Von Ammon und Zeus Soter abgesehen handelt es sich bei allen um bereits etablierte staatliche Opfer, sodass der Kult von Hermes Ἡγεμόνιος in den Kontext der religiösen Erhöhung der Demokratie einzuordnen ist242 Diese Entwicklung begann im 5 Jh  v Chr mit der Einführung des Theseuskultes durch Kimon (475 v Chr ) und fand ihren Höhepunkt im

236 237 238 239 240 241 242

Aristoph Plut 1152–1170 Dazu: Eitrem 1909a Siehe auch: Mikalson 1998, 38 Hierzu: 2 5 3 Training und Wettkampf Rosivach 1994, 56–57 Sch Aristoph Plut 1159: „Κατὰ χρησμὸν οἱ Ἀθηναῖοι ἡγεμόνιον Ἑρμῆς ἱδρύσαντο “ Parker 1996, 238 Siehe auch: Graf 1985, 230 Mikalson 1998, 37

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Kult für den vergöttlichten Frieden 374  v Chr 243 Zudem ist auffällig, dass auch der Kult von Zeus Soter in der Komödie „Der Reichtum“ (388/387 v Chr ) zum ersten Mal erwähnt wird244 Möglicherweise sind die Opfer für Hermes und Zeus auf das gleiche Ereignis zurückzuführen Offen ist noch, wie das Ritual gestaltet war und wer daran teilnahm Es handelte sich um eine Festveranstaltung im Zentrum der Polis Athen, die wahrscheinlich dem Zweck diente, die Polis als Territorium und als Gesamtheit ihrer Bürger zu feiern Ein Aspekt davon war ein Opfer an Hermes Ἡγεμόνιος, welches von den Strategen in Erinnerung an ein heute unbekanntes Ereignis durchgeführt wurde Wegen der zahlreichen Tiere, die geopfert wurden, kann davon ausgegangen werden, dass alle Bürger der Polis als Teilnehmer der Festlichkeiten vorgesehen waren245 Entsprechend dürften viele Bürger, die nicht dauerhaft innerhalb der Stadtmauern ansässig waren, partizipiert haben Dafür spricht auch, dass in dem Kalender in den Wintermonaten die Zahlen der Opfertiere wegen der erschwerten Anreise deutlich zurückgingen Dieses spezielle Opfer an Hermes Ἡγεμόνιος findet in späterer Zeit keine Erwähnung mehr246 Anhand von Ehrendekreten in Hermenform für Strategen aus Rhamnous und Piräus kann aber gezeigt werden, dass die Verbindung der Amtsträger zu ihrem Gott bis in das 1 Jh  v Chr weiter bestand247 Für Athen lässt sich zusammenfassen, dass Hermen als Weihungen der militärisch erfolgreichen Bürgergemeinschaft und ihrer Strategen spätestens seit der Einnahme der Stadt Eion aufgestellt wurden Im 4 Jh  v Chr wurden die Hermen als ein sichtbarer Beweis einer funktionierenden Demokratie wahrgenommen und von Magistraten für besondere Verdienste nach Ablauf von deren Amtszeit und nach der Genehmigung durch die Volksversammlung aufgestellt248 Als Sinnbild der Bescheidenheit und Gleichbehandlung aller Bürger waren sie zu einem literarischen Topos geworden, der sich noch bei Plutarch findet Spätestens im 4 Jh  v Chr wurde sogar ein zentral organisiertes und von den Strategen durchgeführtes Opfer für Hermes mit dem Beinamen Ἡγεμόνιος durchgeführt In der bisherigen Forschung wurde immer wieder argumentiert, dass sich die Rolle von Hermes im militärischen Bereich nicht außerhalb von Athen durchsetzen konnte249 Es gibt jedoch sehr wohl Exempel für Weihgeschenke von Strategen an Hermes,

243 244 245 246 247

Humphreys 2004, 65 Aristoph Plut 1173–1190 Rosivach 1994, 64 Humphreys 2004, 97–98, bes Anm 49 Vgl Rhamnous: SEG 43–71 (342/341  v Chr ); Piräus: IG II2 2872 (97/96  v Chr ), IG II2 2873 (95/94 v Chr ) Zum Wandel des Strategenamtes in hellenistischer Zeit: Mikalson 2016, 66, Habicht 1995, 142 248 Hierzu: 2 5 2 1 Städtische Magistrate und Ausbilder/2 6 1 1 Städtische Magistrate 249 Parker 2005a, 392

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die nicht aus Athen stammen250 Als erster sei ein Beispiel aus Paros angeführt, von dem nur eine Basis mit der folgenden Inschrift erhalten ist251: „Die Strategen der Aphrodite, | dem Zeus Aphrodisias, dem Hermes, | der Artemis Eukleia Zeuxidemos, Sohn von Aristomedes, | Phanis, Sohn von Timagoros, | Prolochos, Sohn von Aristoteles, | Pasikles, Sohn von Euthydikos, | Echekrates, Sohn von Chresidemos, | Andronax, Sohn von Apollodoros, | und der Grammateus | Pasikles, Sohn von Epigonos “

Aufgrund der Schrift wurde dieses Stück in die erste Hälfte des 3 Jh  v Chr datiert Der Erhaltungszustand der Basis ist zu schlecht, um Aussagen über ihre ursprüngliche Verwendung treffen zu können Denkbar ist jedoch, dass sie mit einer Herme geschmückt war Da Aphrodite zuerst genannt ist, war sie die Hauptadressatin der Weihung252 Die anderen Götter sind daher immer in ihrer Beziehung zu Aphrodite zu betrachten So erhielt Zeus einen Beinamen, der auf die Stadt Aphrodisias verwies, während Artemis mit dem Epitheton Eukleia (die Ruhmvolle) bezeichnet wurde Dagegen erhielt Hermes keinen erklärenden Beinamen Weil die Kultverbindung zwischen Hermes und Aphrodite bereits sehr alt ist, war dies wahrscheinlich nicht notwendig253 Im Zusammenhang der Magistratenweihungen galt Aphrodite als Göttin der Eintracht der Polis und Beschützerin der Amtsinhaber Dabei wurde sie von Hermes, der, wie die Ausführungen der Redner über die Eion-Hermen zeigten, den geregelten Ablauf der Ämter und ihre ordnungsgemäße Übergabe überwachte, unterstützt Die gemeinsame Verehrung ist häufig belegt und war bei weitem nicht auf die Strategie beschränkt Die Zusammenkunft von Hermes und Artemis Eukleia ist ebenfalls andernorts greifbar: In Theben wurde Hermes Ἀγοραῖος im Heiligtum der Artemis Eukleia (die Ruhmvolle) gemeinsam mit Apollon Boedromios (der Schlachtenhelfer) verehrt Außerdem stand bei diesen eine von Herakles nach einem Sieg gestifteten Löwenstatue254 Aus dem Kultkontext, der sich in den, dem militärischen Bereich zugehörigen, Beinamen der anderen Götter und im Mythos, dass der Löwe von Herakles nach einem errungenen Sieg aufgestellt worden sei, manifestiert, kann auf eine Verbindung auch des Hermes zu militärischen Konflikten geschlossen werden In den letzten beiden Zeilen der Inschrift aus Paros wird zusätzlich der Grammateus (Schriftführer) Pasikles als Stifter vermerkt255 Da Strategen und Grammateus hier zusammen genannt werden, ist nicht von einem großen militärischen Sieg auszugehen, 250 Vgl spätere Weihungen, die hier nicht berücksichtigt werden: Bernand 1992, Nr 13 (2 Jh  v Chr )/303 (2 Jh  v Chr ) 251 IG XII 5, 220 (1 Hälfte 3 Jh  v Chr ) Inschrift: „στρατηγοὶ Ἀφροδίτηι, | Διῒ Ἀφροδισίωι, Ἑρμῆι, | Ἀρτέμιδι Εὐκλείηι·  | Ζευξίδημος Ἀριστομήδους  | Φάνις Τιμαγόρου  | Πρόλοχος Ἀριστοτέλους | Πασικλῆς Εὐθυδίκου  | Ἐχεκράτης Χρησιδήμου  | Ἀνδρῶναξ Ἀπολλοδώρου   | καὶ ὁ γραμματεύς· | Πασικλῆς Ἐπιγόνου “ 252 Vgl ausführlich: Wallensten 2003, Nr 46 253 Vgl Wallensten 2003, 119–125/135–137, Rückert 1998, 157–159, Anm 574 mit älterer Literatur 254 Paus 9, 17, 2 255 IG XII 5, 220, Z 9–10 (3 Jh  v Chr )

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der Anlass für die Aufstellung bot Vielmehr handelte es sich um eine Weihinschrift nach dem Ende der Amtszeit Wegen der hellenistischen Königreiche war die städtische Politik in Bezug auf die friedliche und kriegerische Außenpolitik gehemmt, sodass die Strategen weniger Einfluss als bisher ausüben konnten256 Die fehlende Macht wurde mit einer Neuausrichtung des Amtes und der damit verbundenen Aufgaben kompensiert, wie anhand des Reglements zum Verkauf des Priestertums für Hermes Ἐναγώνιος (der dem Wettkampf Zugehörige/zum Krieg Taugliche), welches von Kos stammt, gezeigt werden kann257 Im Laufe des Textes heißt es zu den Strategen258: „Die Strategen | sollen aus dem Geld, das ihnen gegeben wurde für das Ausrichten | der Wurf(wettbewerbe) der Katapulte, opfern dem | Hermes in dem Monat Artamitios und dem Panamos und dem Karneios | und dem Kaphisios, in jedem Monat, der geschrieben steht, ein Opfertier | von nicht geringerem Gegenwert als 40 Drachmen “

Das Dekret regelte die Pflichten des Hermespriesters und der städtischen Magistrate im Gymnasion von Kos Wie andere Amtsträger erhielten auch die Strategen Geld aus dem städtischen Etat, das sie entsprechend der Bestimmungen einzusetzen hatten Dabei war vorgesehen, dass sie die Katapultwurfwettbewerbe ausrichteten und die begleitenden Opfer für Hermes durchführten Die Agone waren eine an den Krieg angelehnte Darstellung des männlichen Körpers und in früherer Zeit auch eine Vorbereitung auf den Kriegsdienst Beide Bereiche hingen im Gymnasion eng zusammen und können als ein Grund für die Wichtigkeit von Hermes im dortigen Kult angeführt werden259 Aus den Texten wird deutlich, dass die Strategen im 3 Jh  v Chr repräsentative Aufgaben übernahmen und an der Ausrichtung von Wettkämpfen beteiligt waren Für den Hermeskult der Strategen wiederum bedeutet dies, dass die Verknüpfung von Strategie und dem Gott so tief verwurzelt war, dass sie den Wandel der Institution unbeschadet überstand 2.1.1.3.2 Das Militär, die Seereisenden und Händler: Σωτήρ Erreicht ein Besucher die Stadt, trifft er beispielsweise auf die beschriebenen Heiligtümer oder auf Grenzfestungen Daneben kann er durch Häfen in die Stadt gelangen Heiligtümer, Festungen sowie Häfen gehören ebenfalls zu den Polisinstitutionen260 256 Habicht 1995, 88 257 IG XII 4, 1, 298 (2 H 3 Jh  v Chr ) 258 IG XII 4, 1, 298, Z 69–74 Inschrift: „[…] τοὶ στρα- | ταγοὶ ἀπὸ τοῦ ἀργυρίου τοῦ διδομένου αὐτοῖς ἐς τὰς δια- | τοξείας τῶν βαλλόντων τῶι καταπάλται θυόντω τῶι | Ἑρμᾶι τοῦ μηνὸς τοῦ Ἀρταμιτίου καὶ τοῦ Πανάμου καὶ Καρνεί- | ου καὶ Καφισίου, ἐν ἑκάστωι μηνὶ τῶν γεγραμμένων ἱερεῖον μὴ | ἐλάσσονος ἄξιον δραχμᾶν v ΔΔΔΔ·“ 259 Hierzu: 2 5 1 Hermes als Gott des Gymnasions 260 Zur Beziehung von Häfen und Städten in den literarischen Quellen: Bonnier 2008

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Gleichzeitig waren sie wegen der außenpolitischen Kontakte und der Wirtschaftsbeziehungen Orte der Grenzüberschreitung In Anknüpfung an das vorherige Kapitel werden zuerst die mit der Verteidigung der Bürgerschaft und ihres Eigentums beauftragten Akteure in ihrer Beziehung zu Hermes untersucht Danach wird ebendies im Kontext der Häfen analysiert Anhand der Eion-Hermen konnte gezeigt werden, dass Bilder des Hermes im Andenken an Siege, welche die Bürgergemeinschaft gemeinsam erfochten hatte, aufgestellt wurden Somit waren vor allem die Hermen ein Teil der Erinnerungskultur der Polis, die sich auch über ihre Territoriumsgrenzen definierte Neben den obersten Heerführern wandten sich andere Mitglieder des militärischen Personals der Poleis an Hermes Belege dafür sind vor allem aus den Festungen überliefert, sodass darin häufig um Mithilfe bei der Grenzsicherung gebeten wird Unter „Festung“ wird im Folgenden ein System von Befestigungen, Mauern und Türmen verstanden, welches zum Beispiel in Attika seit dem Ende des 5 Jh   v Chr bestand261 In Attika waren die wichtigsten Grenzfestungen Eleusis, Munichia, Panakton, Phyle, Rhamnous und Sounion262 Diese wurden vor allem von den Epheben, die dem Gott Hermes in besonderer Weise verbunden waren, während ihrer zweijährigen militärischen Ausbildung bemannt263 Entsprechend sind Zeichen ihrer Hermesverehrung auch entlang der Stationen ihrer Ausbildung, wie den Festungen, zu finden Stellvertretend für diesen Befund lässt sich Rhamnous betrachten, wo die meisten Zeugnisse für Hermesverehrung überliefert sind Der älteste Beleg für eine Weihung an Hermes vor Ort, die allerdings noch nicht als Ephebenweihung bezeichnet werden kann, ist eine Marmorherme aus dem 6 Jh  v Chr Diese zählt gleichzeitig zu den ältesten in Athen gefundenen Steinhermen264 Das Götterbild stand am Südtor der Festung und trug eine zweizeilige Inschrift, von der nur noch der Buchstabe „Ε“ zu erkennen ist Somit war die Funktion von Hermes als Schützer der Grenze dort von Anfang an gegeben Seit dem 5 Jh  v Chr wurde Rhamnous zu einer stark befestigten Anlage ausgebaut, die auch über zwei Häfen verfügte Im 4 Jh   v Chr erfolgte als zusätzlicher Schutz der Bau einer Mauer265 Mit der Stationierung der Epheben in ihrem zweiten Ausbildungsjahr, die mindestens seit den 30er Jahren des 4 Jh  v Chr stattfand, stieg die Zahl der Weihungen an Hermes an266 In Rhamnous, wie auch in den anderen Festungen, trainierten die Epheben und wurden als Grenzpatrouille eingesetzt267 Die zahlreichen Weihungen und Ehrendekrete der Gymnasiarchen und anderer, mit der 261 262 263 264 265 266

Vgl Ober 1985, 130–180 Habicht 1995, 28, Ober 1995, 90–91/130–180 Hierzu: 2 5 2 2 Nutzer SEG 41–20 (550–500 v Chr ) Vgl Petrakos 1991 Vgl Ehrendekret für den Gymnasiarchen Theophantos: IG II3 4, 338 (333/332–331/330 v Chr ) Zu Epheben in Rhamnous: Rückert 1998, 116–117 267 Aristot Ath pol 42, 3–4

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Ausbildung der jungen Männer betrauten Personen, werden an entsprechender Stelle in dieser Studie ausführlich besprochen268 Seit dem 4 Jh  v Chr weihten auch die Epheben in Rhamnous während oder nach ihrer Dienstzeit zahlreiche Hermen, die meist nur den Namen der Stifter oder den Götternamen tragen269 Doch auch außerhalb Athens sind vergleichbare Festungssysteme eingerichtet worden, welche von jungen Mitgliedern der Gemeinschaft bewacht wurden270 Dort war der Hermeskult vergleichbar gestaltet, wie das Beispiel Ainaia zeigt Ainaia lag südlich des Stadtkerns von Ephesos an der Küste und ist mit Rhamnous vergleichbar Vor Ort wurde ein blauer Marmorblock gefunden, dessen Inschrift den Stifter und Hermes nennt271 Der Gott erhielt das Weihgeschenk womöglich, weil er dem Stifter bei seiner Aufgabe an der Grenze des Polisterritoriums hilfreich zur Seite gestanden hatte oder dies in Zukunft tun sollte Solche Häfen erfüllten für die Sicherheit der Stadtstaaten eine doppelte Funktion Zum einen waren sie befestigte Grenzen des Polisterritoriums Darüber hinaus wurden sie als Stützpunkt der Flotte genutzt und konnten bei militärischen Auseinandersetzungen angegriffen werden Dies zeigt beispielsweise die Marmorherme von dem Typ des Hermes Προπυλαῖος (der vor den Toren) von Alkamenes, die in Piräus aufgestellt wurde272 Daneben weist der erst bei dem spätantiken Lexikographen Hesychios für die Stadt Sikyon belegte Beinamen Ἐπάκτιος273 (der vom Strand/vom Ufer) in diese Richtung Zum anderen waren Häfen Orte des Handels sowie des Austauschs und somit der Grenzüberschreitung274 Daher weihten Seefahrer oder Händler in den Hafensiedlungen regelmäßig an Hermes Sie baten um Sicherheit für die Reise oder bedankten sich für ein erfolgreiches Unternehmen und die gefahrlose Rückkehr Ein Beispiel ist die Marmorherme der Aeinautai aus Eretria275 Als Aeineutai, die auch in anderen Inschriften erscheinen, konnte eine Vereinigung der „Segler“ identifiziert werden276 Es handelte sich demnach um eine Gemeinschaft professioneller Schiffsfahrer, die für ihren Schutzgott eine Weihung aufstellten Ein weiteres Beispiel ist aus Velia bekannt: In der Stadt, die von Handel und Seefahrt lebte, wurden viele Götter der Navigation und Schifffahrt verehrt277 Zu diesen zählte Hermes, wie mehrere 268 Hierzu: 2 5 2 1 Städtische Magistrate und Ausbilder 269 SEG 26–268 (4 Jh  v Chr )/51–238 (ohne Datierung)/31–185 (ohne Datierung) 270 Vgl Kalyva: Festung, in der Epheben stationiert waren und Hermes und Herakles verehrt wurden (Weissl 1998, 235–236 mit Quellenbelegen, 2 Jh n Chr ) 271 Vgl Weihung: I Ephesos 3137 (hell ) Dazu: Thuk 3, 19/3, 23/4, 75/8, 19/8, 61 272 Vgl Piraeus Mus , Inv -Nr 3858/3859 (ca 100 v Chr ) Hierzu: 2 1 3 2 Öffentliche Räume II Piräus war neben Athen eines der wenigen größeren städtischen Zentren in Attika (Oliver 2006, 285) Außerdem verbrachten die Epheben hier einen Teil ihrer Ausbildung 273 Hesych s  v Ἐπάκτιος 274 Zu Hafenanlagen und ihrem Status innerhalb der Poleis: Hansen 2007b, 38–40, Reden 1995 ͂ ͂ | 275 SEG 34–898 (510–500  v Chr ) Inschrift: „[Τ]ὸ[ν] hερμ εν Ἀειναῦται  | hιδρύραντο έπὶ τ ες  ͂ “ Dazu: Walker 2004, Raingeard 1934, 175–177 Τιμανδρίδεο καὶ Τιμα- | ρχίδεο καὶ Σκύθεο || ἀρχ ες 276 IG XII 9, 909 (3 Jh  v Chr )/923 (ohne Datierung) Dazu: Walker 2004, 127 277 Vgl Morel 2000

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Grenzsteine aus lokalem Sandstein zeigen278 Drei von diesen wurden in unmittelbarer Umgebung zueinander gefunden, sodass sie als zusammengehörig interpretiert werden können279 Der erste war dem Zeus Orios geweiht, der in Velia unter anderem ein Gott der Fischer und Seereisenden war280 Der zweite Grenzstein wurde dem olympischen Kairos zugeschrieben, wobei es sich um den vergöttlichten richtigen Moment handelte, der gleichzeitig der jüngste Sohn des Zeus war281 Auf den dritten Stein wurde nur Πομπαῖος (der Geleiter) geschrieben282 Schon in der Erstpublikation der Inschrift wurde diese Weihung mit Hermes in Verbindung gebracht, was unterstrichen werden muss Nicht nur ist der Beiname für Hermes belegt, sondern auch der Kultkontext spricht dafür Hermes wurde hier gemeinsam mit anderen Göttern der Seefahrt und des Handels in einer Hafenstadt verehrt Dabei sollte er einerseits die Reisen zur See begleiten und andererseits die Stadt vor feindlichen Angriffen beschützen Eine weitere Berufsgruppe, für die Häfen als sicherer Anlaufpunkt und Markt besonders wichtig waren, sind Fischer Laut eines nur fragmentarisch überlieferten Iambos des Dichters Kallimachos waren eben diese an der Einführung des Hermeskults in Ainos beteiligt283 Eine ausführlichere Variante ist durch eine spätere Nacherzählung überliefert284 Ainos wurde als Kolonie von Mytilene und Kyme im 7 Jh  v Chr gegründet und entwickelte sich im 5 Jh  v Chr zu einer florierenden Hafenstadt, da sie an mehreren wichtigen Straßen lag, die unter anderem in das Zentrum des Königreichs der Odrysen führten285 Zudem unterhielt Ainos Handelsbeziehungen mit dem griechischen Festland und trat im Peloponnesischen Krieg als ein zuverlässiger Partner Athens auf286 Der Iambos, welcher an ein Epigramm erinnert, in dem der Ich-Erzähler sich direkt an die Vorbeikommenden wendet, wobei der Gott selbst als Erzähler auftritt und im Dialekt von Ainos spricht, berichtet von der Auffindung eines sehr alten hölzernen Kultbilds287 Das Bild sei durch ein Hochwasser vom Skamander fortgespült worden 278 279 280 281 282

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I Velia 1–12 (5 –3 Jh  v Chr ) SEG 38–1019 (5 Jh  v Chr ) I Velia 2 (ca 450–425 v Chr ) Dazu: Prêteux 2005, 260–264 I Velia 3 (ca 450–425 v Chr ) Dazu: Paus 5, 14, 9 I Velia 4 (5 Jh  v Chr ) Dazu: Aischyl Eum 91, Aischyl Pers 626, Soph Ai 832, Soph Oid K 1548, Eur Med 759, Diog Laert 8, 31 Auf einer weiteren Spitzsäule ist noch die Inschrift „(– –) ίλου“ zu lesen, was zu Hermes Καδμῖλος ergänzt werden könnte und auf einen Kult der Kabiren in Velia hindeutet [SEG 32–1077 (4 Jh  v Chr )] Kall iamb 7 [=Kall frg 197 (Trypanis)] Hermes wird in Iamben sehr häufig erwähnt: z B Archil frg 95 (West) (Hermes habe ihn in einem Kampf gerettet), Hipponax frg 32 (West) (sehr persönliche Bindung zu Hermes, Bitte um Decke, Sandalen und Geld), Hipponax frg 3 (West) (Gott der Diebe), Hipponax frg 35 (West) (Hymnos an Hermes) Dieg 7, 32 Dazu: Allan 2018, 57–58, Petrovic 2010, 222, Asper 2004, 6–14 Hom Il 4, 520, Hdt 4, 90/7, 58, 3, Thuk 2, 29 Zu Handelsbeziehungen in Thrakien: Ath Agora 37, 412–425, Karadima 2004, 155–161, Isaac 1986, 143–144 Isaac 1986, 149–156 Vgl Blakely 2019, 285–286, Petrovic 2010, 205–224, Asper 2004, 237, Acosta-Hughes 2002, 294–300

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und vor der Küste von Ainos wieder zum Vorschein gekommen, wo es in die Netze der Fischer geraten sei288 Da die Fischer in dem hölzernen Gegenstand kein Kultbild erkennen, versuchen sie es vergeblich mit Äxten und Feuer zu zerstören und werfen es schließlich unverrichteter Dinge wieder ins Meer zurück289 Erst als der Gegenstand ein weiteres Mal in ihren Netzen landet, erkennen sie seine Heiligkeit an und richten dem Gott sogar zwei Kultstätten ein290 Zunächst erbauen sie zur Aufbewahrung des hölzernen Kultbilds ein Heiligtum am Meer, in welches künftig der erste Teil des Fanges geopfert werden soll Durch die hölzerne Beschaffenheit, die anikonische Form und die Urheberschaft – als Künstler wird Epeios, der Erbauer des trojanischen Pferdes, genannt – wurde das Bild als sehr alt, ehrwürdig und mit besonderer Kraft ausgestattet charakterisiert291 Tatsächlich handelt es sich um einen der frühesten Hinweise auf ein hölzernes Bild des Gottes Hermes292 Einen Anhaltspunkt für das Aussehen des Bildes liefern die Münzen der Stadt, die schon im frühen 5 Jh  v Chr auf dem Avers den Kopf des Gottes tragen293 Der Revers einiger Tetradrachmen zeigt eine archaische Herme mit Bart und Petasos neben einem Ziegenbock, bei der es sich um das von Kallimachos beschriebene Kultbild handeln könnte294 Zudem legen die Münzbilder nahe, dass die Fischer bei einem gemeinsamen Festakt sehr wahrscheinlich einen Ziegenbock opferten Außerdem, so beschreibt Kallimachos weiter, werde das Kultbild an jenem Fest von einem zum anderen gereicht Dadurch kann der sonst nicht belegte Beiname Περφεραῖος295 erklärt werden Dieser leitet sich von dem Verb περιφέρειν296 (herumtragen, herumgeben) ab Hermes, repräsentiert durch das Götterbild, wurde sozusagen in den Kreis der Fischer aufgenommen Das Nahverhältnis zwischen Gott und Menschen wird noch dadurch unterstrichen, dass das Götterbild berührt werden durfte297 Der Gott Hermes übernahm erneut eine doppelte Funktion Zum einen baten die Fischer Hermes um guten Fang und gute Geschäfte auf dem Markt Zum anderen trat er in einem Hafen, der ein liminaler Raum war, in Erscheinung und war somit gleichzeitig Gott der Grenze und der Grenzüberschreitung 298 Dass Hermes die Grenzen zur See ebenfalls bewachen sollte, zeigt sich ferner an den zahlreichen Erhöhungen entlang der Küsten vor allem auf Inseln, die nach Her-

288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298

Zum Meer als Träger prophetischen Wissens: Rosenberger 2001a, 61–72 Kall iamb 7, Z 3, 25 [=Kall frg 197 (Trypanis)], Dieg 8, Z 7 Kall iamb 7 [=Kall frg 197 (Trypanis)], Dieg 7, 32 Petrovic 2010, 210, Hölscher 2010, 107, Scheer 2000, 84 Pritchett 1998, 264 Isaac 1986, 150–151 Acosta-Hughes 2002, 297–298, Isaac 1986, 157 mit älterer Literatur Petrovic 2010, 210, Asper 2004, 235, Anm 90, Acosta-Hughes 2002, 298 Anders: Isaac 1986, 157 Siehe auch: Acosta-Hughes 2002, 298, der eine Verbindung zu Zeus Perpheretas vorschlägt Vgl Scheer 2000, 60–61 Das zweite Heiligtum wird auf der Agora errichtet, hierzu: 2 6 3 2 Polyfunktionalität

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mes benannt und somit seinem Schutz anempfohlen waren299 Diese Orte dienten der Navigation und Orientierung auf viel benutzten Seewegen300 Denn Hermes war nicht nur der Schutzgott der Reisenden zu Land, sondern auch derjenigen zu Wasser301: „[…] da folgte gehorsam der Διάκτορος und Ἀργειφόντης,  | Band sich unter die Füße sogleich die schönen Sandalen, | Unvergängliche, goldne, die schnell ihn über die Fluten | Und das unendliche Land entführten im Wehen des Windes “

Seine Flinkheit und Mobilität ließen ihn zu einem Schutzherrn der Reisenden werden, wobei jede Art der Fortbewegung eingeschlossen war Da Reisende, zu denen eingeschiffte Soldaten zählten, sich teilweise weit außerhalb des Territoriums ihrer Heimatpolis und damit in einer ungewissen Rechtslage bewegten, versicherten sie sich des göttlichen Schutzes Begleiter und Beschützer bei Seereisen war jedoch nicht der unberechenbare Poseidon, sondern der Menschenfreund Hermes302 Reisen zur See wurden überwiegend zum Zweck des Handels getätigt, der ebenfalls der Fürsorge des Hermes unterstand303 So ist der Hermeskult in Städten, die Seehandel betrieben, häufiger zu finden Um den Gott zu ehren, prägten die Städte beispielsweise vermehrt Münzen mit dem Bild oder Attributen von Hermes Ein Beispiel ist Phokaia, das Hermes bereits auf den Elektronprägungen berücksichtigte304 So berichtet Herodot, dass die Bewohner von Phokaia die ersten gewesen seien, die lange Seereisen, zum Beispiel bis zur Iberischen Halbinsel, unternommen hätten und aus diesem Grund auch unter den ersten gewesen waren, die Münzen als Geld benutzt hätten305 Doch welche Möglichkeiten hatte ein Heimgekehrter, sich bei Hermes zu bedanken? Nach dem Gelingen einer Reise wurde ein Opfer an die Theoi Soteres (die rettenden Götter) vollführt306 Zu dieser Gruppe gehörte neben Zeus und Athena auch Hermes Aus Piräus sind mehrere Weihungen überliefert, die Hermes als Gott der

299 Vgl Sardinien (Ptol 3, 3, 2/3, 3, 8), Kreta [Ptol 3, 15, 2–3/3, 17, Chaniotis 1996, Nr 59/61 (111/110  v Chr )], Thera [IG XII 3, 345, Z 14 (293–305 n Chr )], Keos [IG XII 5, 1076, Z 31 (3 /2 Jh  v Chr )] Zu Küstenbezeichnungen in Ägypten/Punien: peripl m m 13–14/93–95, Ptol 4, 3–5, Pol 1, 29, 2 Dazu: Vella 2004, 38–40 300 Vgl Vella 2004, 45–47 301 Hom Il 24, 339–342 (Übersetzung Rupé 2008): „οὐδ᾽ ἀπίθησε διάκτορος Ἀργεϊφόντης  | αὐτίκ᾽ ἔπειθ᾽ ὑπὸ ποσσὶν ἐδήσατο καλὰ πέδιλα | ἀμβρόσια χρύσεια, τά μιν φέρον ἠμὲν ἐφ᾽ ὑγρὴν | ἠδ᾽ ἐπ᾽ ἀπείρονα γαῖαν ἅμα πνοιῇς ἀνέμοιο “ Siehe auch: Hom Od 5, 43–46 302 Vella 2004, 50 mit Quellenbelegen 303 Hierzu: 2 6 1 1 Städtische Magistrate 304 Vgl Imhoof-Blumer I, 91–93 (5 –2 Jh  v Chr ), BMC Ionia 98/108/207–208/217 (3 Jh  v Chr ) Siehe auch: Raingeard 1934, 223 305 Hdt 1, 163 306 Garland 1987, 104 mit Quellenbelegen

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Reise und der sicheren Rückkehr kennzeichnen So stammt aus dem 5 Jh  v Chr die Weihung des Python307: „Python, Sohn des Hermostratos, aus | Abdera hat dem Hermes das Standbild errichtet, nachdem er viele | Städte gesehen hat Euphron | hat es ausgearbeitet, der nicht unkundige (Bildhauer aus) Paros “

Die Marmorbasis schmückte ursprünglich eine Herme, von der auch der Kopf in der Nähe gefunden wurde Dem Künstler können mehrere andere Weihungen zum Beispiel auf der Akropolis von Athen zugeschrieben werden, weshalb in der Forschung vermutet wird, dass es sich um einen Spezialisten für persönliche Weihungen und Hermen handelte308 Als Stifter tritt der Bürger Python von Abdera auf, der im attischen Piräus ein Mnema seiner Reisetätigkeit aufstellte und sich damit bei Hermes für das glückliche Geleit bedankte Möglicherweise war Python dem Hermes auch besonders verbunden, weil der eponyme Heros von Abdera ein Sohn des Hermes gewesen sein soll309 Abderos wurde im Zusammenhang mit der Zähmung der Stuten von Diomedes gewaltsam getötet, weshalb Herakles zu seinen Ehren die Stadt Abdera anlegte Hermes wurde als schützender Gott wahrgenommen, was sich in den Beinamen Κύριος (der Herr) und Σωτήρ (der Retter) niederschlägt So zählte er in Pautalia zu einer Gruppe von Göttern, welche als Κύριοι bezeichnet wurden310 Ferner stellte eine männliche Einzelperson in Philippopolis dem Κύριος Ἑρμής eine mit einem Relief des Gottes verzierte Marmorstele auf311 Als Σωτήρ wird Hermes ab dem 4 Jh  v Chr bezeichnet und zwar nicht nur in Athen, sondern auch auf der Halbinsel Chersonesos und den Inseln Amorgos und Sizilien312 In Piräus ließ ein Unbekannter als Dank für seine sichere Rückkehr eine Marmortafel für Hermes und Zeus Σωτήρ aufstellen313 Zudem verweist das dreizeilige Graffito auf einer Vase, die auf der Halbinsel Chersonesos gefunden wurde, möglicherweise auf ein Heiligtum für Hermes Σωτήρ314 Denkbar ist, dass das Heiligtum ein Anlaufpunkt für Reisende war, die vor der Fahrt

307 IG I3 1018 (ca 475–450 v Chr ) Inschrift: „Πύθων Ἑρμῆι ἄγαλμα Ἑρμοστρά- | το Ἀβδηρίτης ἔστησεμ πολλὰς | θησάμενος πόλῆας∶ Εὔφρων ἐ- | ξεποίησ’ οὐκ ἀδαὴς Πάριος “ 308 IG I3 856–857 (470–450 v Chr ) Dazu: Raubitschek 1949, 298 309 Apollod 2,97 Siehe auch: Philostr imag 2, 25, Strab 7, 331/frg 44 und 47 (Radt); auch als Sohn von Poseidon (Pind P 2) oder Sohn des Menoitios und Bruder des Patroklos (Ptol Heph V p 192) bezeichnet Mit diesem gleichzusetzen ist möglicherwiese Arabos [Sohn des Hermes und einer lokalen Heroine Thronia, Hes frg 137 (West), Stesich frg 64 (Campbell)] 310 IGBulg IV 2230 (hell ) 311 IGBulg III 1446 (hell ) 312 Aischyl Choeph 2 Zu Sizilien: SEG 57–873 (2 Jh  v Chr ): eiförmiger Kieselstein mit Symbolen und Inschriften auf beiden Seiten: (A) Kaduceus, Pfeil/Bogen/Schlange, Blitz, Keule Inschrift: „θεῶν ὅπλα“ (B) Kithara, Zweig, Inschrift: „ἱερὸς θεῶν σωτήρων“ 313 IG II2 4972 (Ende 4 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ἑρμοῦ καὶ Διὸς Σωτῆρος“ 314 SEG 26–809 (5 /4 /4 Jh   v Chr ) Inschrift: „(Δι)òς Σω(τñρος)  | (Δι)òς Σωτñ(ρος)  | --- Ἱερὰ Ἑρ(μᾶ)“

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um Beistand baten oder sich nach gelungenen Unternehmungen bei dem Gott bedankten Alle bisherigen Beispiele stammen aus städtischen Siedlungen, die an Häfen angeschlossen waren Mit dem Beinamen Σωτήρ wurde Hermes aber auch als Schützer der inländischen Grenzen des Polisterritoriums angesprochen Dabei konnte dem Gott sogar ein eigenes Heiligtum errichtet werden, wie zwei Inschriften auf einem Marmorblock südwestlich von Minoa auf Amorgos nahelegen315 Es handelte sich wahrscheinlich um ein kleines Grenzheiligtum, welches mit den oben beschriebenen Hermaia vergleichbar ist Im Kapitel zu den Höhlen sind darüber hinaus Beispiele aufgezählt, in denen Hermes durch sein persönliches Eingreifen eine Gefährdung der Grenze und der Gemeinschaft verhindert haben soll 2 1 2 Grenzen des Stadtgebiets Die Grenze zwischen Asty und Chora wurde in der Antike als tiefgreifend wahrgenommen Schon bevor Mauern die Stadtgebiete einfassten, war die Trennung für die Bewohner wahrnehmbar316 Daher hält Tonio Hölscher fest, dass die „Konstitution eines zusammenhängenden »städtischen« Raumes […] eines der wesentlichen Merkmale für die Entstehung der Polis überhaupt“ war317 Im 5 Jh   v Chr markierte eine Mauer vielerorts die Grenze des Stadtkerns318 So umgaben beispielsweise die Athener ihre Stadt mit Mauern, die unter dauerhafter Bewachung standen319 Dabei kam den Befestigungen neben der militärischen auch eine symbolische Funktion zu: Wer die Tore durchschritten hatte, befand sich in einem als sicher wahrgenommenen Raum320 Somit waren die Mauern ein Zeichen für die Polis und ihre Sicherheit Hermes wurde schon im Mythos mit den Stadtmauern in Verbindung gebracht: Er trug den Zwillingen Amphion und Zethos auf, Theben mit einer solchen zu versehen und brachte Amphion das Lyraspiel bei, welches den Mauerbau unterstützte321 Zum Dank soll Amphion als Erster einen Altar für Hermes errichtet haben322 315

IG XII 7, 249 (ohne Datierung) Inschrift: „Ἑρμέω ἱερὸν Σωτῆρ[ος]“ Siehe auch: MDAI(A) I 332, Nr 3 (ohne Datierung) 316 Vgl Jaillard 2007b, 131–152 317 Hölscher 2013, 58 318 Kosak 2000, 41–45 mit Quellenbelegen Doch auch Mauerwerke dürfen nicht als absolute Grenzen verstanden werden, wie Gerald Lalonde anhand der Demengrenzen zwischen Melitaia und Kollytos zeigen konnte (Lalonde 2006) 319 Zu Mauertypen: Sokolicek 2010, 226–230 Zur Verteidigung und Stadtplanung: Winter 1971 320 Löbker 2004, 311 321 Hes frg 182/183 (West), Hom Od 11, 260–265, Eur frg 179–228 N (Radt), Eumelos frg 12 (Kink), Apollod 3, 43–44, Paus 9, 5, 6/9, 17, 6, Hyg fab 7/8 Dazu: Scheid/Svenbro 2017, 105–106, Jaillard 2007a, 188–190, Raingeard 1934, 154–155 322 Paus 9, 5, 8 Ebenfalls mit der Patronage über Musik und musikalische Wettbewerbe hängt eine bei der boiotischen Dichterin Corinna überlieferte Erzählung zusammen, wonach Hermes bei ei-

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Tore innerhalb der Mauern ermöglichten den Ein- und Ausgang zu dem innerstädtischen Gebiet, wobei es meist ein Haupttor gab, durch das die Handelsrouten verliefen und das auch für städtische Prozessionen genutzt wurde323 Weil Durchgänge gleichzeitig Schwachstellen waren, bedurften sie besonderen Schutzes324 Vor allem den Torgottheiten, zu denen auch Hermes zählte, oblag diese Aufgabe325 Eine Gottheit konnte als Torwächter agieren, wenn sie in oder bei dem Tor anwesend war, zum Beispiel in Form eines Götterbildes oder eines Reliefs Damit wurden aber nicht nur die Tore, sondern die gesamte Anlage dem göttlichen Schutz unterstellt326 Dementsprechend hatte Hermes an den Toren eine zweigeteilte Aufgabe: Einerseits sollte er den Raum und die Personen innerhalb der Mauern beschützen und andererseits den Personen, die diesen Raum verließen, gutes Geleit geben Entsprechend lässt sich aus den Beinamen, die vom griechischen Begriff für Tor (πύλη/πύλαι) abgeleitet waren, wie zum Beispiel Πυληδόκος327 (der Torhüter/Bewacher der Türen oder Dieb) und Πυλαῖος/Πυλήτης328 (der Wächter in den Toren/bei den Grenzpässen), die Verbindung des Gottes zu den Toren erschließen Auf welche Weise versicherten sich die Bewohner einer Polis der Präsenz des Gottes Hermes in sowie an den Toren und wie gestaltete sich die Kultpraxis? Die Ausgestaltung von Torheiligtümern konnte sehr unterschiedlich sein, wobei vor allem Nischen, Becken (Perirrhanteria) und Altäre genutzt wurden329 Daneben fanden sich Hermen, die häufigste Repräsentationsform von Hermes als Gott der Grenze, als Teil der Torarchitektur Zu den frühesten Beispielen für heilige Bezirke des Hermes in Toren gehören die Kultnischen Kultorte des Hermes werden dann als heilige Bezirke bezeichnet, wenn sie mit einem Altar ausgestattet sind und eine Abgrenzung des göttlichen Raums erkennbar ist So sind die Kultnischen meist durch Treppenstufen zu betreten und bilden einen als abgeschlossen wahrgenommenen Raum Die Kultnischen waren entweder in die Torfront oder seitlich in der Passage eingerichtet und befanden sich auf Kopfhöhe der Passanten oder noch höher330 Geschmückt wurden die Nischen mit Götterbildern oder Reliefs In Thasos sind in gleich drei Stadttoren Beispiele für solche heiligen Bezirke zu finden Zum ersten erschien Hermes auf einem Relief gemeinsam mit den Chariten in

323 324 325 326 327 328 329 330

nem musikalischen Wettstreit zwischen den Brüdern Helikon und Kithairon den Sieger verkündet habe [Corinna frg 654 (Campbell)] Hölscher 2013, 59 Sokolicek 2010, 220, Winter 1971, 205 Abzulehnen sind Aussagen der älteren Forschung, laut denen zu den Torgottheiten „häufig die niederen / nicht zu den Stadtgottheiten gehörenden Götter“ (Weissl 1998, 10) gezählt werden müssten Maier 1961, 102 h Herm 15, Hesych s v Πυληδόκος Diog Laert 8, 31, Sch Hom Il 2, 842 Vgl Seiffert 2006, 68–87 (Perirrhanteria), 88–91 (Altäre) Kousser 2015, 77, Weissl 1998, 10–11

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der sogenannten „Passage der Theoroi“331 Es konnte nachgewiesen werden, dass es sich bei dieser in archaischer Zeit um den Zugang zu der Stadt Thasos handelte In der eben beschriebenen Ausgestaltung jedoch bildete es in späterer Zeit den Zugang zur Agora332 Zum zweiten war in einem Tor in der Hafenmauer von Thasos ein Relief angebracht, welches Hermes in der Gesellschaft von drei Göttinnen zeigt, die in Richtung der Stadt schreiten333 Die Identität der Göttinnen kann auf Grund des schlechten Erhaltungszustands nicht mehr bestimmt werden Vermutlich handelte es sich wie im Fall des Reliefs in der „Passage der Theoroi“ um die Chariten334 Diese Zuschreibung wird umso wahrscheinlicher, da die Chariten in der Stadt ein eigenes Heiligtum besaßen Mutmaßlich durchschritt die Festgemeinschaft bei der Prozession anlässlich des Festes zu Ehren der Göttinnen dieses Tor Durch die Lage des Tores kann erschlossen werden, dass der Festzug vom Hafen zum Heiligtum der Chariten wahrscheinlich in die Stadt führte Diese Interpretation wird auch durch die Bewegungsrichtung der im Relief dargestellten Göttinnen gestützt Während städtischer Prozessionen wurden an den wichtigsten Stationen entlang des Weges, zu denen sicher die Stadttore zählten, Kulthandlungen durchgeführt, sodass auch Hermes und die Chariten vermutlich ein Opfer erhielten Zum dritten war Hermes in einem weiteren Tor der Hafenmauer von Thasos dargestellt Das Relief zeigt einen bärtigen Hermes, der mit einer Chlamys bekleidet ist und möglicherweise ein Kerykeion in der Hand hält335 Mit der anderen Hand greift er das Zaumzeug von zwei Pferden, die einen Wagen hinter ihm ziehen In dem Wagen steht eine weibliche Figur, die nicht mehr eindeutig zu identifizieren ist Michael Weissl hat plausibel gemacht, dass die Göttin Kore dargestellt ist, die von Hermes zu ihrer Mutter zurückbegleitet wird, denn Thasos war eine Gründung von Paros In Paros wiederum war Demeter die Stadtgöttin, sodass dieses Tor bei einem Fest im Kalender von Thasos von der Festgemeinschaft durchschritten worden sein könnte Demnach könnte das Fest dem Austausch zwischen Mutterstadt und Kolonie gedient haben Denkbar ist eine Prozession vom Hafen zum Demeterheiligtum in der Stadt, wobei ein Halt in dem Tor eingelegt wurde Beiden Darstellungen ist gemein, dass Hermes nicht nur als ein Gott der Grenzen und der Stadttore, sondern auch als Geleiter auf allen Wegen aufgefasst wird Neben den Kultplätzen, die direkt innerhalb der Tore angelegt waren, gibt es Hinweise auf solche, die bei den Stadttoren errichtet wurden So wurde an der Innenseite der Akropolismauer von Gortys ein kleines Heiligtum ausgemacht, das seit archai331 332 333 334 335

Vgl Weissl 1998, 221–224 Hierzu: 2 1 3 1 Öffentliche Räume I Vgl École française d’Athènes (1968), fig 105 (ca 480 v Chr ) Weissl 1998, 215–216 Weissl 1998, 216–218 (kurz nach 480 v Chr ) mit älterer Literatur und den enthaltenen anderen Interpretationsmöglichkeiten (z B Artemis)

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scher Zeit in Benutzung war336 Der Bau war direkt in den Stein gehauen, wodurch eine höhlenähnliche Struktur entstand Vor Ort wurde unter anderem ein marmorner Ziegenkopf gefunden, sodass das Heiligtum mutmaßlich Hermes oder Pan geweiht war, die beide in Arkadien verehrt wurden Da zudem besonders in Arkadien zahlreiche Hermaia an den Grenzen nachgewiesen werden konnten, könnte auch diese innerstädtische Grenze von einem Hermesheiligtum beschützt worden sein337 Ein Altar konnte ebenfalls einen Kultplatz in einem Tor kennzeichnen Ein Beispiel dafür wurde in einem der Haupttore Athens, dem Thriasischen Tor oder Dipylontor, gefunden Dieses war nicht nur der wichtigste Weg stadteinwärts zur Agora und stadtauswärts nach Norden und Westen, sondern wurde zum Beispiel auch bei der Prozession während der Panathenäen genutzt338 Wegen seiner Bedeutung und der häufigen Benutzung war es breiter als die anderen Tore, was besonders deutlich aus der Beschreibung des Angriffs von Philipp V auf Athen von Livius hervorgeht339 In der Mitte dieses wichtigen Tores befand sich seit dem 3 Jh   v Chr ein runder Marmoraltar für Zeus Herkaios, Hermes und Akamas340 Da der Altar auf der der Stadt zugewandten Seite stand, war seine Funktion auf den städtischen Raum innerhalb der Mauern ausgerichtet Sowohl Zeus Herkeios (der Beschützer der Stadtmauer) als auch Hermes waren prädestinierte Torwächter Den beiden zur Seite gestellt wurde Akamas, ein Sohn von Theseus und Phylenheros, da die an das Tor anschließende Deme Kerameis zur Phyle Akamantis gehörte341 Folglich wurde zum Schutz dieses Haupttores ein kleines Heiligtum in der Mitte der Straße errichtet, welches nicht übersehen werden konnte Möglicherweise war in dem Torbereich auch eine Herme aufgestellt, die jedoch nicht mehr erhalten ist Wer aber gehörte zu den Kultakteuren an diesem Altar? Theoretisch konnten alle Vorbeikommenden den Altar benutzen Eine genauere Bestimmung wenigstens einzelner Gruppen von Kultteilnehmern ist aufgrund des Kontextes möglich, sodass im Folgenden anhand des vorgestellten Befunds und der bisherigen Überlegungen ein Rekonstruktionsvorschlag wahrscheinlich gemacht werden kann Eine erste Gruppe kann sich aus den Phylenmitgliedern von Akamantis zusammengesetzt haben, die hier einen Teil ihres spezifischen Demen- und Phylenkults absolvierten342 Zu einer zweiten Gruppe können diejenigen zusammengefasst werden, die das Tor benutzten, um 336 Weissl 1998, 147, Martin 1947, 99/105–111 Siehe auch: Maher 2017, 164–186 337 Hierzu: 2 1 1 2 Grenzheiligtümer 338 Vgl Stroszeck 2014, 88–93, Ruggeri/Steffelbauer 2013, 72–88 mit Quellenbelegen, Ruggeri/Siewert/Steffelbauer 2007, 100–101 339 Liv 31, 24, 5 Siehe auch: Ruggeri/Steffelbauer 2013, 120–121 340 IG II2 4983 (3 Jh  v Chr ) Siehe auch: Aristoph frg 245 (Kock) Dazu: Stroszeck 2014, 99, Ruggeri/Steffelbauer 2013, 58, 72–88 mit Quellenbelegen, Weissl 1998, 161, Winter 1971, 210–212, Peek 1942, Nr 127 341 Lawton 2015, 34, Kron 1976, 145 Die Deme Hermos gehörte ebenfalls zu Akamantis (Davies 1971, 37) 342 Ruggeri/Siewert/Steffelbauer 2007, 100

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entweder in die Stadt zu gelangen oder diese zu verlassen Denkbar ist, dass jeder, der in die Stadt ging, hier ein kleineres Opfer, wie beispielsweise eine Libation, vollführte343 Da die Straße, die den Hafen Piräus mit der Agora verband, ebenfalls durch das Dipylontor führte, brachten wohl Händler auf dem Altar einen Anteil ihrer Produkte dar344 Ebenso gab das Verlassen der Stadt Anlass zu einem Opfer So muss wiederum an die Händler gedacht werden, die den Göttern einen Teil ihres Gewinns zukommen ließen Außerdem war Hermes nicht nur ein Schützer der Grenzen, sondern auch ein Gott der Wege, weshalb Reisende an dem Altar um Schutz für eine Unternehmung baten oder sich nach geglückter Rückkehr bedankten Unterwegs, ganz egal wie kurz oder lang der Weg war, war der göttliche Schutz unerlässlich345 Die städtischen Prozessionen, die das Tor und damit den Altar passierten, verliefen sowohl stadtauswärts als auch stadteinwärts Entsprechend legten die Teilnehmer bei den Festumzügen Gaben auf dem Altar ab Doch nicht nur in Friedenszeiten erhielten die Torgötter regelmäßige Opfer, sondern auch in Zeiten der Bedrohung wurde ihre Hilfe erbeten Denkbar ist daher, dass an dem Altar regelmäßige, von der Polis durchgeführte Opferungen stattfanden, die den Schutz der Mauern dauerhaft sicherstellen sollten Es lässt sich folgern, dass der Altar in der Mitte der Straße sehr oft genutzt wurde, wobei die Torgötter sowohl das Innere beschützen als auch auf dem Weg aus der Stadt heraus Hilfestellungen geben sollten Ferner hat die Rekonstruktion der Kultteilnehmenden gezeigt, dass der Hermeskult im Sinne von Esther Eidinow „embedded“346 war, da die Kulthandlungen tief im Alltag verankert waren Darüber hinaus konnte ein Charakteristikum des Hermeskults verdeutlicht werden: Persönliche Interessen, wie der eigene Gewinn oder die sichere Reise, standen bei den Opferungen neben öffentlichen Interessen, wie der Sicherheit der Stadt vor Feinden Für beide konnte eine Kultstätte für den oder eine Weihungen an den Gott Hermes genutzt werden Der Schutz des Hermes konnte aber auch dadurch erreicht werden, dass ihm eine Herme geweiht wurde So waren Stadttore griechischer Poleis mit Hermen geschmückt, die entweder vor oder direkt in dem Tor standen Als ein Gegenstück zu dem eben besprochenen Dipylontor kann das Astytor in der Stadtmauer im Piräus bezeichnet werden347 Auch hier handelte es sich um ein Haupttor, das den Verkehr nach Athen ermöglichte348 Entsprechend war es im Aufbau und in der sakralen Gestaltung dem Dipylontor nachempfunden In einem Fragment des Historikers Philocho-

343 344 345 346 347 348

Maier 1961, 96 Lawton 2015, 35 Schlesier 2000, 130 Hierzu: 1 3 Polis und Religion Ruggeri/Steffelbauer 2013, 72 Garland 1987, 166–167

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ros von Athen (4 /3 Jh  v Chr ) wird berichtet, wie die Wiederbefestigung des Piräus nach dem Peloponnesischen Krieg durchgeführt wurde349: „Als die Athener anfingen, den Piräus zu befestigen, stellten die neun Archonten dieses [die Herme πρὸς τῆι πυλίδι] auf und schrieben darauf: »Diese (Männer), die zuerst mit dem Bau begonnen haben, stellten [den Hermes] auf entsprechend dem Beschluss von Rat und Volk« “

Diese Herme fungierte gleichzeitig als Torhüter und als Mnema der Verdienste der Archonten für die Befestigung der Stadt und wurde von Rat und Volk gebilligt Wie bei den Eion-Hermen handelt es sich hier um eine Ehrung, die während der Amtszeit der Archonten errichtet wurde Entsprechend wird zwar das Gremium der Archonten geehrt, ohne dass jedoch einzelne Namen genannt würden Da der Inschriftentext mit der Rekonstruktion der Mauer zeitlich zusammenfällt, muss dieser um das Jahr 394/393 v Chr datiert werden350 Wo genau die Herme stand, ist nicht überliefert Wegen der Bezeichnung „von/in dem Tor“ kann aber angenommen werden, dass sie in oder bei dem Astytor stand Vergleichbar mit seiner Funktion im Dipylontor sollte Hermes auch in Piräus die Gemeinschaft innerhalb des städtischen Kerns beschützen und das Fremde oder Gefährliche abhalten Weiterhin wurde das Tor des Aigeus in Athen mit einer Herme geschmückt351 Das Portal befand sich in der Nähe des Delphinions und wurde als Tor IX der themistokleischen Mauer identifiziert352 Ob es sich bei diesem tatsächlich um ein Stadttor handelte, ist jedoch noch umstritten353 Darüber hinaus hat George Mylonas nachgewiesen, dass am sogenannten kimonischen Tor des Demeterheiligtums in Eleusis eine Herme stand354 Von dieser ist noch die Basis erhalten und Mylonas vermutet, dass die Herme dem Bild des Hermes Προπύλαιος von der Athener Akropolis nachempfunden war355 Beide Hermen dürften mit derselben Intention wie diejenige im Astytor von Piräus aufgestellt worden sein Aber auch außerhalb Athens fungierte Hermes als Schützer der städtischen Grenze und wurde dafür als Herme in das oder zu dem Tor gestellt So war ein Tor von Messene dem Schutz des Hermes unterstellt, wie Pausanias berichtet356: 349 Philoch FGrH 328 F 40: „Ἀθηναίων ἀρξαμένων τειχίζειν τὸν Πειραιᾶ, οἱ θ ἄρχοντες τοῦτον ἀναθέντες ἐπέγραψαν· »Ἀρξάμενοι πρῶτοι τειχίζειν οἵδ᾽ ἀνέθηκαν βουλῆς καὶ δήμου δόγμασι πειθόμενοι«“ Siehe auch: Demosth or 47, 26, Harpokr s  v Ἑρμῆς ὁ πρὸς τῆι πυλίδι, Suda s v πρὸς τῇ πυλίδι ῾Ερμῆς 350 Vgl Costa 2007, 286–289, Garland 1987, 166 351 Plut Theseus 12, 3 Claude Bérard identifiziert eine Darstellung auf einem Krater in Kopenhagen (ARV2 1156, 11) mit diesem Ort (Bérard 1982, 137–150) 352 Vgl Conwell 2008 mit älterer Literatur 353 Vgl Bérard 1982 354 Vgl Mylonas 1961, 70–72/108–110 mit Abb 19b 355 Hierzu: 2 1 3 2 Öffentliche Räume II 356 Paus 4, 33, 3 (Übersetzung Meyer 2001): „ἰόντι δὲ τὴν ἐπ᾽ Ἀρκαδίας ἐς Μεγάλην πόλιν ἐστὶν ἐν ταῖς πύλαις Ἑρμῆς τέχνης τῆς Ἀττικῆς· Ἀθηναίων γὰρ τὸ σχῆμα τὸ τετράγωνόν ἐστιν ἐπὶ τοῖς Ἑρμαῖς, καὶ

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„Am Weg gegen Arkadien nach Megalopolis steht in den Toren eine Herme nach attischer Art; denn die Athener haben die viereckige Form bei den Hermen, und von ihnen haben es die anderen gelernt “

Das Götterbild stand wahrscheinlich überdacht in einer Nische des Tores357 In seiner Beschreibung weist der Perieget auf zwei Dinge explizit hin Zum einen hält er fest, dass die Herme in dem Tor stand, durch das die Straße führte, welche die Landschaften Messenien und Arkadien miteinander verband Die Messenier wählten die Herme mit Bedacht aus, da der Gott Hermes in Arkadien besonders beliebt war Entsprechend diente die Herme nicht nur dem Schutz der eigenen Polis, sondern auch dazu, Bürger der benachbarten Landschaft willkommen zu heißen Zum anderen hebt Pausanias hervor, dass die Hermen eine athenische Erfindung gewesen seien, die von den anderen Griechen adaptiert worden wären Aufgrund der zahlreichen Hermen in den Stadttoren Athens liegt sogar die Vermutung nahe, dass auch die Tradition, Hermen in Toren aufzustellen, von den Athenern geprägt worden ist Die besprochenen Beispiele verdeutlichen, dass Hermen vielfach zum Schutz von Toren aufgestellt wurden358 Ähnlich wie bei den oben analysierten Heiligtümern hatten auch die Götterbilder meist einen klaren Bezug zu der Stadt und sollten somit den göttlichen Schutz der Polisgemeinschaft sicherstellen Daneben zeigten sie durch ihre frontale Ausrichtung Ankommenden deutlich die Grenze des Stadtgebietes auf Bei den Hermen können Altäre gestanden haben, auf denen die Weihgaben abgelegt wurden Ebenfalls denkbar ist, dass eigene, transportable Altäre benutzt wurden Daher können die für die Torheiligtümer skizzierten Gruppen von Kultteilnehmern und die an die Gottheit entrichteten Gaben auch auf die Situation der Hermen an den Toren übertragen werden 2 1 3 Grenzen öffentlicher und nichtöffentlicher Räume in der Stadt Der Gott Hermes war ebenfalls für den Schutz kleinerer Einheiten zuständig, weshalb er Grenzen öffentlicher und nichtöffentlicher Räume innerhalb der Stadt beschützte359 Den Beginn der folgenden Untersuchungen bilden die Räume der Menschen, wie die Agorai und Gymnasia, die von Hermesbildern begrenzt und somit von dem Gott bewacht wurden Es folgt eine Betrachtung der Räume der Götter, wobei zwischen Anlagen mehrerer Tempel, wie der Akropolis, und einzelnen Tempeln von Gottheiten oder Gruppen von Göttern unterschieden wird Am Schluss stehen die παρὰ τούτων μεμαθήκασιν οἱ ἄλλοι “ 357 Weissl 1998, 232–234, Maier 1961, 98 358 Seiffert 2006, 106 359 Sokolicek 2010, 225, Daverio Rocchi 1988, 26–27

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nichtöffentlichen Räume, das heißt das Eigentum oder die Pachtgebiete der Bürger in Form von Grundstücken und Häusern 2.1.3.1 Öffentliche Räume I: Agorai und Gymnasia Hermes beschützte nicht nur die Territoriumsgrenzen, sondern auch die den städtischen Institutionen zugewiesenen Räume, die das Funktionieren der Polis ermöglichen und gewährleisten sollten360 Zu diesen Orten gehörten beispielsweise die Agorai Für gewöhnlich waren deren Grenzen durch Horossteine gekennzeichnet361 Mancherorts wurde die Grenze zusätzlich durch eine Weihung an Hermes sakralisiert So wurde im vorangegangenen Abschnitt die Polis Thasos angesprochen, in der Hermes gleich in drei Toren abgebildet war362 Im Zentrum dieses Abschnittes steht das Tor in der „Passage der Theoroi“ in Thasos, das ebenfalls in das 5 Jh  v Chr datiert363 Die Bezeichnung ergab sich aus den Listen der Theoroi, die dort vermerkt waren Am Ende einer innerstädtischen Straße, die von dem Heraklesheiligtum zur südöstlichen Seite der Agora führte, war dieser Durchgang gelegen und auf beiden Seiten mit Reliefs ausgestattet Die linke Seite zeigte Apollon Nymphagetes, was die inschriftlich festgehaltene Kultvorschrift für ihn bestätigt364 Auf der rechten Seite führten vier Stufen in eine Exedra mit zwei Reliefs und einem Altar Das Relief im Norden, das ebenfalls mithilfe einer Inschrift zugeordnet werden konnte, stellt die drei Chariten dar, die ihren Blick auf den Altar und die Weihenden richteten365 Auf dem Relief im Süden ist Hermes in Begleitung einer jungen Frau mit Kranz abgebildet366 Der Gott trägt Chlamys und Pilos und hält in der linken Hand ein Kerykeion Die andere, geöffnete Hand war den Besuchern zugewandt Am hinteren Ende der Passage war außerdem ein Altar für Athena Propylaia aufgestellt367 Der Zugang zur Agora wurde durch ein aufwendig gestaltetes Torheiligtum mit zwei Kultnischen markiert, wobei die eine Apollon dem Nymphenführer und die andere Hermes dem Charitenführer geweiht war Weiterhin ist auffällig, dass die Blicke und Gesten aller Gottheiten auf die Opfernden bei dem Altar ausgerichtet waren Doch wer brachte an dieser Stelle Opfer dar? Einen Hinweis liefert die Liste der Theoroi Theoroi waren städtische Gesandte, die beispielsweise damit beauftragt wur360 Zografou 2010, 154 361 Hölscher 2013, 56–58, Seiffert 2006, 20–67 Zur Begriffsgeschichte von ὅρος und zu verwandten Begriffen: Gschnitzer 1994, 21–28 362 Hierzu: 2 1 2 Grenzen des Stadtgebiets 363 Larson 2001, 170–171, Weissl 1998, 215 364 Vgl Louvre, Inv -Nr MA 696 A, IG XII 8, 358 a (5 Jh  v Chr ) 365 Vgl Louvre, Inv -Nr MA 696 B, IG XII 8, 358 b (5 Jh  v Chr ) 366 Vgl Louvre, Inv -Nr MA 696 C (5 Jh  v Chr ) Dazu: Weissl 1998, 221–224 367 Pouilloux/Dunant 1958, Nr 404

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den, in anderen Poleis für die Teilnahme an Festen oder Spielen zu werben oder umgekehrt die eigene Polis bei solchen diplomatisch zu vertreten368 Sie wurden ebenfalls entsandt, wenn ein Orakel befragt werden sollte oder Opfer in größeren Heiligtümern fällig waren Diese städtischen Gesandten und Boten fühlten sich Hermes, dem Götterboten, besonders verbunden Es ist denkbar, dass die Theoroi, wenn sie einen Auftrag ausführten, die Nischen zur Darbringung von Opfern vor oder nach einer Reise nutzten, wobei sie vor allem kleinere tragbare Weihgaben auf den Altar gelegt haben dürften Außerdem ist auffällig, dass Hermes wieder in einer Geleitszene zu sehen ist, womit angenommen werden darf, dass dieses Tor ebenfalls bei städtischen Prozessionen durchschritten wurde Folglich wurde Hermes in Thasos einerseits als Tor- und Wegegottheit verehrt; andererseits war er ein Gott derjenigen Magistrate, die ihre Polis nach außen hin vertraten Dies wird noch dadurch bestätigt, dass sowohl die Chariten als auch die Nymphen in Thasos eng mit dem Poliskult verknüpft waren, wodurch Hermes in diesem Sinne zu sehen ist369 Vergleichbar mit der thasischen Stadtentwicklung in Bezug auf die Ausgestaltung der Tore ist diejenige von Athen Auch in Athen wurde der archaische Haupteingang der Stadt in der Nordwestecke der Agora durch die Erweiterung der Stadtmauer im 5 Jh  v Chr in einen Zugang zur Agora umgewandelt370 Schon in archaischer Zeit war der Eingang mit Hermen markiert Ab dem 5 Jh  v Chr wurden dann in dieser Ecke der Agora unzählige weitere Hermen aufgestellt, sodass der Ort in den Quellen als „die Hermen“ bezeichnet wird Tonio Hölscher fasst den Prozess treffend zusammen: „Hier wird also ein Denkmal der politischen Wehrkraft an den Zugang zur Agora gestellt, das den symbolischen Schutz des politischen Raumes der Bürgerschaft gegen Bedrohungen von außen leisten soll “371 Der Schutzgott Hermes, repräsentiert in Form der Hermen, fand demnach seinen Weg von den Grenzen in die Städte hinein Weiterhin ist durch ein Fragment des Historikers Armenidas (5 Jh  v Chr ) bekannt, dass ein Bereich der Agora von Theben ebenfalls als „die Hermen“ bezeichnet wurde Der Historiker beschreibt den Ort, wo die Scheiterhaufen für die „Sieben gegen Theben“ errichtet wurden und erwähnt die Hermen in diesem Zusammenhang als eine Ortsangabe Demnach fungierten die Hermen auch in Theben in klassischer Zeit als Markierung des Eingangs zu der städtischen Agora372 Außerdem wurde die Agora von Messene durch einen Horosstein in Hermenform begrenzt373

368 369 370 371 372 373

Vgl Gehrke 2013 Larson 2001, 171 Ath Agora 11, 114, Rückert 1998, 109, Mackenzie Camp II 2014, 98 Hölscher 2013, 57 Armenidas FGrH 378 F 6 Dazu: Schachter 1986, 50 SEG 45–319 (ohne Datierung)

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Ferner standen Hermen oder andere Bilder des Hermes seit dem Hellenismus an den Zugängen zu der städtischen Institution des Gymnasions374 Zur Illustration soll die Herme im Gymnasion von Las dienen, welche Pausanias auf seinen Reisen sah375 Die Bewohner von Las hatten dem Periegeten gegenüber das hohe Alter des Götterbildes betont, wodurch einerseits die Heiligkeit des Bildes hervorgehoben und andererseits die Stadt in einem guten Licht gezeigt wurde, da diese schon früh über ein Gymnasion verfügte376 Entsprechend soll hier nicht das Alter des Bildes bestritten werden, sondern nur die Tatsache, dass es ursprünglich in dem Gymnasion gestanden hat Wahrscheinlich wurde das Bild zuerst als Markierung einer innerstädtischen Grenze, zum Beispiel der Akropolis, verwendet und später in das Gymnasion transferiert377 Der Zutritt zu der städtischen Institution war beschränkt Der Raum des Gymnasions, der symbolisch für das Funktionieren der Erziehungspraxis stand, wurde der Kontrolle und dem Schutz des Hermes unterstellt Entsprechend beschützte Hermes nicht nur den öffentlichen Raum, sondern auch die darin tätigen Bürger sowie die Institutionen der Polis Die Kultpraxis ist mit der bei anderen Toren vergleichbar So könnten sich die jungen Männer beim Betreten und Verlassen des Gymnasions mit Opfern und Gebeten an Hermes gewandt haben Dabei dürfte es sich vor allem um kleinere tragbare Weihgaben wie Kränze und Flüssigkeiten gehandelt haben Außerdem wurde den Hermen bei Festen im Gymnasion Aufmerksamkeit zuteil378 2.1.3.2 Öffentliche Räume II: Heiligtümer Der Besitz einer Gottheit, soweit diese eigenen Grund und Boden beanspruchte, wurde von der profanen Welt durch sichtbare Markierungen wie Periboloi und Horoi abgegrenzt Innerhalb der sakralen Räume galten spezifische Regeln, die für alle Besucher bindend waren Um Regelübertretungen – wie dem Zutritt von unreinen Personen – entgegen zu wirken, wurden die Grenzen der Bezirke wiederum von spezifischen Schutzgottheiten bewacht, wobei hier vor allem Hermes und Hekate zu nennen sind379 Als Schützer der Grenzen eines Heiligtums oder Tempels konnte Hermes 374 Das Weihepigramm auf einer Herme, die am Zugang zu einem Gymnasion stand, wurde fälschlicherweise Anakreon zugeordnet (Anth Gr 6, 143, hell ) Hierzu: 2 5 1 Hermes als Gott des Gymnasions 375 Paus 3, 24, 7 Siehe auch: Raingeard 1934, 79 376 Lupu 2005, 261–262 377 Pritchett 1998, 265–266 378 Hierzu: 2 5 4 Feste in der Polis 379 Allan 2018, 59–60, Hölscher 2013, 53–55, Guggisberg 2013, 131–132, Zografou 2010, 154 Zu Hermen: Seiffert 2006, 93–114, Rückert 1998 Zu Hekateia: Seiffert 2006, 115–133 Hermes und Hekate wurden in Athen gemeinsam mit Kybele verehrt, da ihr in Bezug auf den Schutz von Eingängen und abgetrennten Bereichen eine ähnliche Funktion zukam (Güntner 1994, 30–31) Siehe auch: IG  I3 406, Z 5–6 (420–405  v Chr )/409 (420–405  v Chr ): Abrechnungsbelege von der Athe-

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mit den Beinamen Πρόναος (der vor dem Naos) und Προπυλαῖος (der vor den Toren) angesprochen werden Beide verwiesen sowohl auf die Aufgabe des Gottes als auch auf den Standort des Götterbildes: Die Hermen standen vor dem Tempel oder am Zugang zu dem Heiligtum und bewachten den Eingang Gerade der Eingang zu sakralen Räumen bedurfte des besonderen Schutzes, da durch ihn der Übergang von der menschlichen zur göttlichen Sphäre gekennzeichnet wurde Um zu ergründen, wie Hermes als Gott dieser Grenzen inszeniert wurde, werden zuerst heilige Bezirke, in denen sich mehrere Heiligtümer befanden, analysiert Dies soll exemplarisch anhand der Akropolis von Athen geschehen380 Darauf folgt eine Untersuchung von einzelnen Tempeln im griechischen Mittelmeerraum Im Rahmen seiner Beschreibung des Hermenfrevels hält Thukydides fest, dass Hermen in Athen „im Torbau vieler Wohnhäuser und in heiligen Bezirken“381 standen Einer der größten heiligen Bezirke in Athen war die Akropolis382 Der gesamte Bereich war außerdem durch eine Mauer von der übrigen Stadt getrennt383 Hierbei handelte es sich um eine prächtige Form der Ausgestaltung einer Toranlage, was die Heiligkeit des Ortes noch hervorhob384 Von dem Zugang zu der Akropolis berichtet auch Pausanias bei seinem Rundgang durch Athen385: „Am Eingang in die Akropolis selbst soll den Hermes, den man Προπυλαῖος nennt, und die Chariten Sokrates, der Sohn des Sophroniskos, gemacht haben, dem die Pythia Zeuge ist, dass er der weiseste der Menschen gewesen sei […] “

Das Bild des Hermes Προπυλαῖος (der vor den Toren) sei laut Pausanias von Sokrates angefertigt worden, was jedoch nicht korrekt ist Durch Kopien des Kunstwerks aus Pergamon, Ephesos und Delos konnte belegt werden, dass es sich um ein Werk von Alkamenes handelte386 Diese Kopien erlauben eine Beschreibung des Aussehens: Alkamenes fertigte eine archaische Herme mit Lockenfrisur und Bart an387 Tatsächlich

380 381 382 383 384 385

386 387

ner Agora, die Ankäufe von kostbaren Weihgaben wie goldene Ketten für Hekate und silbernen Schmuck für Hermes auflisten Vgl z B Selinunt: kleine Hermen (Doepner 2002, 137 Anm 570) Thuk 6, 27, 1 (Übersetzung Weißenberger 2017): „[…] πολλοὶ καὶ ἐν ἰδίοις προθύροις καὶ ἐν ἱεροῖς […] “ ͂ Vgl Hermen auf der Akropolis: IG I3 750 (Anfang 5 Jh  v Chr ) Inschrift: „[Φιλο]ν τὸν hερμ εν θεõ ραδ[αῖσιν] [hείσ]ατο“ Akropolis Mus , Inv -Nr ΜΑ 7355 (=SEG 46–65, 480–470 v Chr ) In͂ [– – – – – –] “ schrift: „Στρόμ[βιχος – – –]| hερμ ει Hölscher 2013, 54 Vgl Guggisberg 2013, 131–134 Paus 1, 22, 8 (Übersetzung nach Meyer 2001): „κατὰ δὲ τὴν ἔσοδον αὐτὴν ἤδη τὴν ἐς ἀκρόπολιν Ἑρμῆν ὃν Προπύλαιον ὀνομάζουσι καὶ Χάριτας Σωκράτην ποιῆσαι τὸν Σωφρονίσκου λέγουσιν, ᾧ σοφῷ γενέσθαι μάλιστα ἀνθρώπων ἐστὶν ἡ Πυθία μάρτυς, […]“ Siehe auch: IG I3 383, Z 192–194 (429/428 v Chr ) Zu den Propyläen des Mnesikles: Dinsmoor/Dinsmoor 2004, Waele 1990 Vgl LIMC s v Hermes 47 Dazu: Stewart 2003 William Dinsmoor geht davon aus, dass es schon vorher an dieser Stelle ein Kultbild des Hermes gegeben habe (Dinsmoor 1980, 32) Zum Kultbild: Stewart 2003, 101–103, Rückert 1998, 78–87, Wrede 1986, 33, Willers 1967, 37–109

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wurde in der nördlichen Nische der Front am Übergang zum Bau des Nordwestflügels der Propyläen eine Statuenbasis aus Marmor mit der folgenden Inschrift gefunden388: „Dem Hermes Προπυλαῖος (weihte dies) die Stadt“

Das Kultbild, welches als Geschenk der Polis charakterisiert wird, stand innerhalb der Propyläen389 Außerdem wurden in unmittelbarer Umgebung Löcher und Reste von Nägeln gefunden, die darauf hindeuten, dass hier kleine Weihgeschenke wie Pinakes angebracht waren390 Eine Kultvorschrift von der Akropolis aus dem Jahr 343/342  v Chr erwähnt sogar ein Temenos des Hermes, womit wahrscheinlich der heilige Bezirk des Hermes Προπυλαῖος gemeint ist391 An diesem spätestens seit perikleischer Zeit prächtigsten Eingang zum wichtigsten Heiligtum der Athener weihte die Bürgergemeinschaft dem Gott Hermes eine Herme, wodurch die kultische Verehrung des Gottes auch bildnerisch ihren Ausdruck fand Außerdem belegen Rechnungsurkunden über das Vermögen der Athena Polias und der Athena Nike, in denen von Aufwendungen für Hermes die Rede ist, dass für den Hermeskult finanzielle Mittel von der Polis zur Verfügung gestellt wurden392 Aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes des Inschriftentextes an der entsprechenden Stelle bleibt es eine Vermutung, dass es sich hierbei um Hermes Προπυλαῖος handelt Auffällig ist jedoch, dass der Hermeskult mit dem der Stadtgöttin, und zwar in ihrer Form als Göttin der Polis und der Sieghaftigkeit, verknüpft war Somit wurde Hermes ebenfalls in diesem Sinne verehrt Heilige Bezirke des Hermes in Toren wurden häufig besucht und erfreuten sich zahlreicher Opfergaben aus dem Bereich der persönlichen und öffentlichen Religion Dies gilt in besonderem Maße für die Propyläen, durch die beispielsweise alle städtischen Prozessionen zur Akropolis führten Der Zugang wurde außerdem mit einem Geschenk der Polis versehen, da es sich um das religiöse Zentrum der Polis handelte Diese Formulierung ist bereits von den Eion-Hermen bekannt und wurde bei Weihungen und Ehrungen benutzt, die zur Erinnerung an Verdienste der Bürgergemeinschaft aufgestellt wurden393 Die Ausgestaltung der Akropolis ließ sich auf Erfolge der ganzen Polis zurückführen, und deren Schutz war im Interesse aller Entsprechend dürfte Hermes Προπυλαῖος Zuwendungen von städtischer Seite erhalten haben Dies wirkt umso wahrscheinlicher, da Hermes gemeinsam mit den Chariten verehrt wurde, wie einerseits Pausanias ausführt und andererseits das Relief, welches auf der der Statuenbasis

388 389 390 391 392

SEG 48–262 (5 /4 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ἑρμ[ῆι Προπυ]λαίωι ἡ πόλις“ Seiffert 2006, 103–104 Rückert 1998, 84 IG II2 1591, Z 10–11 (343/342 v Chr ) IG I3 369a–n, Z 114–116 (426/425–423/422 v Chr )/376, Z 13 (409/408 v Chr ) Zum Heiligtum: Meyer 2017, 18–28, Mark 1993 393 Hierzu: 2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen

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gegenüberliegenden Seite angebracht war, zeigt394 Die Chariten hatten in der antiken Wahrnehmung nicht nur eine enge Beziehung zur Landwirtschaft, sondern auch zum Frieden und zur Sicherheit der Polis So konstruiert Aristophanes in der Komödie „Der Frieden“ (421 v Chr ) ein Gespräch zwischen Trygaios und dem Chor, welche Gottheit gebeten werden solle, den Frieden zurückzubringen395 Zur Auswahl stehen Hermes, die Chariten, die Horen, Aphrodite und Pothos, die personifizierte Sehnsucht Die Nennung der Gottheiten erfolgt nicht willkürlich oder aus dem Grund, weil sie eine große Rolle im Genre der Komödie spielten, sondern weil sie tatsächlich als verantwortlich für die Sicherheit und den Frieden der Polis galten Die Chariten wurden beispielsweise in dem nordwestlichen Teil der Agora gemeinsam mit dem vergöttlichten Demos verehrt, und auch außerhalb von Athen wurde Hermes gemeinsam mit den Chariten angerufen396 Der Beiname Προπυλαῖος und die damit einhergehende Wahrnehmung des Gottes war eine athenische Erfindung, die eng mit den Propyläen verbunden, aber darüber hinaus im Kult kaum verbreitet war397 Nach seiner Etablierung in Athen wurde der Typ des Hermes Προπυλαῖος vielerorts adaptiert Neben den schon benannten Kopien aus Pergamon und Ephesos sind Beispiele aus Megiste und Delos bekannt, die im folgenden Abschnitt besprochen werden Insbesondere wurden Hermen auch als Wächter einzelner Tempel und Heiligtümer aufgestellt Dabei muss zwischen solchen unterschieden werden, die einzeln an den Temenosgrenzen standen und solchen, die in eine bauliche Struktur eingefügt waren Im Folgenden werden die Zeugnisse für Hermen als Wächter von Heiligtümern in chronologischer Ordnung behandelt, um die Institutionalisierung von Hermes als Wächter herauszuarbeiten Im 5 Jh   v Chr wurden zumeist einfache Hermen auf Basen zur Markierung der Grenzen aufgestellt Dabei konnten die Götterbilder heilige Bereiche mit und ohne Tempel anzeigen Ein Beispiel für einen heiligen Bezirk, der nicht mit einem Tempel versehen war, ist aus Theben belegt Pausanias berichtet von dem heiligen Hügel des Apollon Ismenios rechts vor dem Tor der Elektra Der Eingang zu dem heiligen Bezirk sei durch Marmorstatuen von Athena und Hermes gekennzeichnet gewesen, die den Beinamen Pronaoi (die vor dem Tempel) trugen398 Demnach standen die Götterbilder an der Grenze zwischen profanem und sakralem Raum und beschützten diese Pausanias berichtet weiter, dass der Hermes von Pheidias angefertigt worden sei, so394 Vgl Athen Nat -Mus , Inv -Nr 1377 (2 H 4 Jh   v Chr ) Außerdem erhielt Hermes gemeinsame Opfergaben mit Hekate Epipyrgidia [IG I3 383, Z 124–129r (429/428 v Chr )] Zum Kultbild von Artemis Hekate am Eingang zur Akropolis: Zografou 2010, 155–156 395 Aristoph Pax 455–456 Siehe auch: Mikalson 1998, 175–176 396 Habicht 1995, 183 Weihung an Hermes, Apollon und die Chariten in Elateia [BCH 11 (1887) 341, ohne Datierung] Dazu: Raingeard 1934, 168 397 Weissl 1998, 226 398 Paus 9, 10, 2

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dass er ins 5 Jh  v Chr datiert werden kann399 Daneben soll das Bild von Athena ein Werk von Skopas sein und somit dem 4 Jh   v Chr entstammen Entsprechend war der Bereich ursprünglich wahrscheinlich mit einer Herme begrenzt, der eine Statue der Athena zur Seite gestellt wurde Dagegen sind Hermen als Grenzmarkierungen von Heiligtümern mit Tempeln zum Beispiel aus dem Poseidonheiligtum in Thasos, dem Eleusinion auf der Agora von Athen und dem Artemision in Ephesos bekannt400 Allen Beispielen ist gemein, dass die Hermen den Besuchern entgegenblickten Bei den Heiligtümern mit Tempeln ist außerdem auffällig, wie häufig mehrere Hermenbasen in unmittelbarer Umgebung zueinander gefunden wurden Hierin ist eine Parallele zu den Hermaia zu sehen, bei denen ebenfalls mehrere Hermen gemeinsam errichtet worden sein konnten Im 4 Jh  v Chr wurden in den außerstädtischen Heiligtümern von Athen verstärkt Hermen als Wächter aufgestellt So befanden sich sowohl beim Nemesisheiligtum als auch beim Heiligtum des Apollon Lykeios in Rhamnous mehrere Hermen401 Die Bilder im Apollonheiligtum dienten aber nicht nur dazu, die Grenzen des Heiligtums zu markieren, sondern wurden auch aufgestellt, um die Pachtgebiete des Heiligtums voneinander abzugrenzen402 Daneben wird Hermes in einer Opfervorschrift des Asklepiosheiligtums in Piräus erwähnt403 Die Stele mit den Vorschriften weihte der Priester Euthydemos In dem Text ist zu lesen, dass jeder, der das Heiligtum betritt, den Göttern Maleatas, Apollon, Hermes, Iasos, Akesos, Panakeia, den Hunden und den Jägern jeweils drei Kuchen opfern möge404 Somit gewährt die Kultvorschrift einen Einblick in die Opferpraxis: Bei jedem Eintritt in das Heiligtum sollten den zuständigen Göttern kleinere mitgebrachte Gaben dargebracht werden Bis auf Hermes standen alle genannten Götter mit Asklepios in einer familiären und kultischen Beziehung405 Zwar hatten auch Hermes und Asklepios eine lockere Verbindung zueinander, im Fall des Heiligtums in Piräus sollte Hermes offenbar den Eingang bewachen, da die Opfer beim Betreten verrichtet wurden Auch eine Grenze des Asklepiosheiligtums auf der Akropolis wurde durch eine Herme markiert, die ein gewisser Philon weihte406

399 Vgl Davison 2009 400 Vgl Thasos: IG XII 8, 357 (ca 500 v Chr ); Athen: Ath Agora 11, 121–122; Ephesos: Stewart 2003 Zum Bau des Artemisions: I Ephesos 515 (=SEG 53–1282/45–1584, ca 350 v Chr ) 401 Vgl Nemesis: IG II3 4, 350 (2 H 4 Jh  v Chr ) Inschrift: „---- E [ ] ἀνέθηκεν ----ήσαν ---- “ Zur Struktur des Heiligtums: Knittlmayer 1999, Miles 1989, 309–325 Apollon: IG II2 2493–2494, Z 4–5 (339/338 v Chr ) Inschrift: „[…] τὸ τέμενος τὸ τῆ[ς θ]εοῦ τὸ ἐν Ἕρμει […]“ Siehe auch: IG II2 1591 (343/342 v Chr ), in der auch die Formulierung mit dem Temenos „ἐν Ἕρμει“ vorkommt 402 Hopper 1979, 161, Behrend 1970, 75–76, Nr 23 403 IG II2 4962 (Anfang 4 Jh  v Chr ) 404 Zur Interpretation der Hunde und Jäger: Parker 1996, 181–183 405 Vgl Edelstein/Edelstein 1945, Bd 1, 292, Bd 2, 88–89/99/227 406 IG I3 750 (um 500–480 v Chr )

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Bereits im 4 Jh  v Chr ist eine zunehmende bauliche Ausgestaltung der Heiligtümer zu beobachten So wurden diese zum Beispiel mit Toren versehen407 Die vorher frei stehenden Hermen wurden nun in die Torarchitektur integriert, wie schon für die Athener Akropolis beschrieben408 Im Torbereich des Apollontempels auf Delos zum Beispiel wurde eine Herme in situ gefunden409 Das Götterbild, dass dem Typ des Hermes Προπυλαῖος nachempfunden ist, stand auf der rechten Seite unterhalb der Stufen des südlichen Propylons Die zugehörige Inschrift gibt an, dass es sich um eine Weihung der fünf Amphiktyonen des Jahres 341/340 v Chr und ihres Grammateus handelt410 Demnach wurde auch diese Herme von zentraler Stelle in Auftrag gegeben und finanziert Hermes sollte hier das Heiligtum von Delos bewachen, das gleichzeitig das Hauptheiligtum des Delisch-Attischen Seebundes war Im 3 Jh   v Chr wurden weiterhin Hermen zur Markierung von Grenzen sakraler Räume aufgestellt Ebenfalls in Anlehnung an den Hermes Προπυλαῖος aus Athen stiftete der Kommandant Sosikles in der Stadt Megiste eine Herme, von der weder der Fund- noch der Aufstellungskontext rekonstruiert werden können411 Außerdem standen auf der rechten Seite des Tores zum Artemisheiligtum in Lousoi mehrere Basen, wobei auf einer noch die rechteckige Auslassung für eine Herme erkennbar ist412 2.1.3.3 Nichtöffentliche Räume: Minen, Nutzflächen und Bürgerhäuser Die Schutzfunktion von Hermes an den Grenzen galt auch für die nichtöffentlichen Räume Darunter werden im Folgenden einerseits Bereiche gefasst, die im Besitz der Polis oder eines Heiligtums waren und an Bürger zur Nutzung und Bearbeitung verpachtet wurden413 Hierbei wird nochmals zwischen Flächen unterschieden, die dem Bergbau und Silberabbau oder der landwirtschaftlichen Nutzung dienten Andererseits zählten zu dieser Gruppe die Privathäuser von Bürgern, die zum Abschluss analysiert werden Durch die reichen Silbervorkommen im Lauriongebiet war die Polis Athen in klassischer Zeit zu großem Wohlstand gelangt Der Abbau des Edelmetalls erfolgte durch

407 Zur Inszenierung von Eingängen zu Heiligtümern: Guggisberg 2013, 137–147 408 Auch im Prothyron des Eleusinions auf der Agora in Athen wurde eine Basis aus dem 5 Jh  v Chr gefunden, die für eine Herme genutzt worden sein könnte (Ath Agora 11, 121–122) 409 Vgl Hermary 1979, 137–149, Marcadé 1951, 188 Zur Nutzung des Apollonheiligtums als athenische Militärbasis im Peloponnesischen Krieg: Nevin 2017, 37–47 410 I Delos 42 (341/340 v Chr ) 411 I Rhod Per App 6 (=CIG 4301, 3 Jh  v Chr ) Auch ein frühhellenistisches Marmorköpfchen mit dreifachem Kranz aus Buckellocken über der Stirn und lange Schulterlocken aus Loryma erinnert sehr an den Typ [Brit Mus , Inv -Nr 1872 6–10 35 (frühhell ) Dazu: Held 2010, 355–378, bes 375] 412 Seiffert 2006, 105 413 Vgl Scheer 2012, 526–534, Horster 2004, 139–191

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Pächter, wobei es meist nur Bürgern gestattet war, ein Gebiet zu pachten414 Jedem Pächter wurde ein genau abgestecktes Gebiet zugewiesen415 Gerade dessen Grenzen mussten bewacht werden, um sicherzustellen, dass der erhoffte Gewinn ausschließlich dem Pächter vorbehalten blieb Zu diesem Zweck wurden Weihgeschenke für Hermes aufgestellt, welche zum einen der Markierung von Grundstück und Eigentum dienten Zum anderen hatte die enge Verbindung des Gottes zum Bergbau und zur Silbergewinnung einen weiteren Grund, der beispielsweise anhand der Tragödie „Die Eumeniden“ (458 v Chr ) von Aischylos sichtbar wird416: „Bäumen Leid schaffe nie des Sturms Geschnauf! – | Das sei mein Geschenk für euch – | Brand auch, Pflanzen Augenknospen raubend, | Such nicht heim des Landes Flur, | Noch mit Mißwachs, jammerbringend, schleiche Krankheit her!  | Schafe, wohl gedeihend, nähr  | Mit der Zwillingslämmer Frucht  | Das Land zu der gesetzten Zeit! Ertrag mögs stets | Aus des Bodens Reichtum | Lohnen gottgegebnen Fund (ἕρμαιον)!“

In diesem letzten Teil der Orestie können die Erinyen überzeugt werden, ihre Rache gegen Orestes aufzugeben und stattdessen als Eumeniden (die Wohlgesonnenen) in Athen große Ehren zu erfahren Der Ausschnitt ist dem Dialog zwischen Athena und den Eumeniden am Ende des Stücks entnommen, in dem die Eumeniden versprechen, zukünftig für den Schutz der Athener zu sorgen Neben anderem wollen sie das Land und die Tiere vor Elend bewahren Außerdem wird der Boden erwähnt, der bei glücklichem Fund (ἕρμαιον) Reichtum bringen könne Der Begriff ist von dem Götternamen Hermes abgeleitet und kann mit „Geschenk von Hermes“ übersetzt werden417 Gleichzeitig spiegelt sich darin die Vorstellung wider, dass Hermes unvorhersehbare und unerwartete Glücksfunde ermöglicht, durch die der Finder zu Wohlstand gelangen kann Solche Funde wünschten sich die Pächter der Silberminen wohl, weshalb sie sich Hermes verbunden fühlten Um den Gott wohlgesonnen zu stimmen, wurden daher einzelne Bergwerksgelände „Hermaikon“ genannt418 Tatsächlich war dies unter allen bekannten Bezeichnungen die zweithäufigste419 Die Angabe findet sich nicht nur in den Pächterlisten, sondern wurde ebenso in Form von Grenzinschriften festgehal-

414 Goette 2000, 106–107 415 Vgl z B Pachturkunde aus Karthaia [IG XII 5, Add 1076, Z 31 (4 –3 Jh  v Chr )] und eine Abrechnung der Poletei [SEG 16–125–126 (=Ath Agora 19, P19, 340/330 v Chr )] Dazu: Osborne 1985a, 111–126 416 Aischyl Eum 938–948 (Übersetzung Werner 2011): „δενδροπήμων δὲ μὴ πνέοι βλάβα, | τὰν ἐμὰν χάριν λέγω· | φλογμός τ᾽ ὀμματοστερὴς φυτῶν, τὸ | μὴ περᾶν ὅρον τόπων, | μηδ᾽ ἄκαρπος αἰανὴς ἐφερπέτω νόσος, | μῆλά τ᾽ εὐθενοῦντα γᾶ | ξὺν διπλοῖσιν ἐμβρύοις | τρέφοι χρόνῳ τεταγμένῳ· γόνος δ᾽ ἀεὶ | πλουτόχθων ἑρμαίαν | δαιμόνων δόσιν τίνοι “ Dazu: Lloyd-Jones 1990, Spahn 1980, 562–564 417 Hesych s v ἕρμαιον Dazu: Beta 2019, 104, Anm 35, Allan 2018, 108, RE s v Hermaion 2) 418 Vgl z B IG II2 1588, Z 4 (Anfang 3 Jh  v Chr ) 419 Goette 2000, 106–107 Dazu: Crosby 1950, 193, Index „Names of Mines“

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ten So markierte eine graue Kalkstein-Platte mit Inschrift beispielswiese die Grenze einer Hermaikon genannten Mine in Laureotike420 Um sowohl den Schutz der Grenzen als auch den wirtschaftlichen Erfolg des Pächters zu erbitten, wurden Weihungen an Hermes aufgestellt Dank der ausführlichen archäologischen Erschließung des Lauriongebiets sind in der so genannten Cliff-Farm oder Farm des Timesios mehrere Weihungen entdeckt worden, die Aufschluss über den Kult des Gottes geben Das Landgut befand sich im Sourizo-Tal direkt an der Straße, die das Kap Sounion mit Athen verband421 Dort lebte ab circa 430–400 v Chr die Familie eines Pächters, die neben der Silbergewinnung landwirtschaftlich tätig war und den am Berg befindlichen Marmor verkaufte Auf der Farm wurden zahlreiche Inschriften gefunden, von denen die Kalenderinschrift, die an der Grenze zwischen dem Farmbereich und dem Steinbruch angebracht war, die bekannteste ist Direkt neben dieser sind die folgenden Anrufungen an Hermes in den Fels geschrieben422: „Hermes, der Gute Hermes vor Sounion  | Hermes (---) der Götter “

Hermes wird in dieser Inschrift mit gleich drei Beinamen charakterisiert, wobei der dritte nicht mehr lesbar ist Zum Ersten wird er als ἀγαθός (gut/freundlich) beschrieben, wodurch seine helfende Seite hervorgehoben wird Immer wieder sprachen die antiken Zeitgenossen Hermes als wohlwollenden und großzügigen Gott an, der Glücksfunde ermöglichte So bezeichnete der Dichter des homerischen Hymnos ihn beispielsweise als Δώτωρ ἐάων423 (der Geber von guten Dingen/gutem Geschick) Außerdem wurden auf der Akropolis von Athen zwei Marmorsäulen mit Weihinschriften an Hermes gefunden, von denen eine den Gott als χρήστης (glückverheißend, gnädig, Gesundheit/Reichtum spendend) charakterisiert424 Ebenfalls in diese Richtung weisen die Epitheta ἀκάκητα425 (wohlwollend), Ἐριούνιος426 (der Segensreiche/Wohltäter), Χαριδώτης427 (der Glücksbringer), Φίλος (der Freund), Φίλανδρος (der Männerfreund) und Φιλάνθρωπος (der Menschenfreund)428 Zum Zweiten war Hermes der Gott πρὸ Σουνίου (der vor Sounion) Aletta Seiffert hat herausgearbeitet, dass es sich hierbei um eine Bezeichnung handelte, welche paral420 SEG 55–269 (=Mus Laurion, Inv -Nr 60, frühes 4 Jh  v Chr ) Inschrift: „[Ἑρ] | μαϊκ | όν“ 421 Goette 2000, 81–82/86 422 SEG 26–137 (5 /4 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ἑρμῆς Ἀγαθός Ἕρμα πρὸ Σουνίου  | Ἑρμ( ) θεοῦ (---)“ Dazu: Seiffert 2006, 100, Goette 2000, 106 423 Hom h 18, 12 Siehe auch: Allan 2018, 16 424 IG II2 11312–11314 (3 Jh  v Chr ) 425 Hes frg 137 (West), Hom Il 16, 185 mit Sch , Hom Od 24, 10, Nik Alex 559–561, Strab 1, 2, 34, Ariston Hom Il 16, 184/185, Corn Theol Graec 16, 3, Herakl 72, 12, Hesych s  v ἀκάκητα 426 Hom Il 20, 34/20, 72/24, 360/24, 440/24, 457/24, 679, Hom Od 8, 322, h Herm 3/28/145/551 Hom h 2, 407/18, 3/19, 28 und 40, Soph Ichn 28, Aristoph Ran 1144, I Thessalien 69 (Mitte 5 Jh  v Chr ), SEG 34–497 (250–200 v Chr ), Orph h 28, 8, Orph Lith 2, 69 Siehe auch: Reece 1999 427 Hom h 18, 12, Plut mor 303d 428 h Herm 576–577, Aischyl Ag 515, Aristoph Pax 392–393/602, Aristoph Plut 1134, Aristoph Nub 1478, Hipponax frg 32 (West) Dazu: Versnel 2011, 318–319

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lel zu den Beinamen Προπυλαῖος (der vor den Toren) oder Πρόθυρος (der vor der Tür) gebildet wurde429 Entsprechend hielt Hermes vor Sounion Wache, womit das Demenzentrum oder das Kap gemeint sein könnte Da vor der Inschrift Auslassungen für zwei Hermen erkennbar sind, von denen sich eine zu dem etwa zwei Kilometer entfernten Kap wandte, war dieses sehr wahrscheinlich der Bezugspunkt Durch die Hermen sollte das Wohlwollen des freundlichen Gottes Hermes für die Belange der Farm erworben werden Dazu gehörte sowohl der erfolgreiche Abbau und Verkauf von Silber und Marmor als auch der Schutz des Farm- und Pachtgebietes vor unbefugtem Zutritt Daher war die Herme in Richtung der Straße und des Kaps ausgerichtet Weitere Fragmente von archaischen Hermen im Sourizo-Tal deuten darauf hin, dass andere Grenzen ebenfalls mit Hermen markiert waren Etwa sechs Meter südlich dieser Inschrift wurde zudem ein Phallos-Graffito entdeckt, wobei von der zugehörigen Inschrift nur noch der Buchstabe „H“ zu lesen ist430 Hans Goette hat auch diese als eine Weihung an den Gott Hermes interpretiert, weil die ebenfalls auf der Felswand angebrachte Inschrift auf den Verwalter des Landes verweise431 Das Gesagte kann noch dadurch unterstrichen werden, dass Hermes in Bezug auf die Grenzen und das Eigentum ein Gott der Bürger war Besonders deutlich tritt dies zutage, wenn zusätzlich eine Gruppe von Nicht-Bürgern betrachtet wird, für die eine enge Beziehung zu Hermes immer wieder unterstellt wird: die Sklaven Siegfried Lauffer konnte für die Bergwerkssklaven von Laurion nachweisen, dass diese nicht an Hermes, sondern vor allem an Herakles, Men oder Artemis weihten432 Demnach dürfte der Phallos als Grenzmarkierung eines Pachtbezirks zu interpretieren sein, die mit eben diesem Attribut und dem Namen von Hermes nach außen hin sichtbar gemacht wurde Außerdem lässt sich anhand der vorgestellten Funde bei der Cliff-Farm die historische Entwicklung der Grenzmarkierung nachzeichnen Während die Pächter im 5 Jh  v Chr noch einfachere Formen wie Felsinschriften und Graffiti wählten, stellten sie im 4 Jh  v Chr mehrere Hermen auf Neben den Minen konnten auch die Grenzen von Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung dem Gott zum Schutz anempfohlen werden433 Dies geschah auf gleiche Weise wie bei den Minen: Entweder wurden Feldstücke nach dem Gott benannt oder die Grenzen wurden mit Bildern des Hermes gekennzeichnet Beispiele für Feldstücke, die mit theophoren, von Hermes abgeleiteten Namen bezeichnet wurden, sind aus Thera und Keos bekannt434 Denkbar ist, dass diese Bereiche zusätzlich mit einem 429 430 431 432 433

Seiffert 2006, 100 SEG 26–137 (5 /4 Jh  v Chr ) Goette 2000, 84 Anm 536 Vgl Lauffer 1979, 176–185 Hes theog 444, h Herm 491–494/516–517, Anth Gr 16, 11 (3 Jh   v Chr )/16, 193 (um 40 n Chr )/16, 255 (3 Jh  v Chr ) Dazu: Parker 2005a, 391 434 Vgl Thera: IG XII 3, 345, Z 14 (ohne Datierung) Inschrift: „[…] χω(ρίον) Ἑρμῆς […]“ Keos: IG XII 5, 1076, Z 31 (4 /3 Jh  v Chr ) Inschrift: „[…] | Ἀριστόμαχος τὰ | παρ’ Ἑρμῆι ∶ ΔΔ | […]“

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Kultplatz des Hermes ausgestattet waren, wie eine Herme, die in einem Weingarten auf Lesbos stand, nahelegt435 Auf diese Weise baten die Weihenden den Gott um eine ertragreiche Ernte Wenn die Grenzen mit Hermen markiert waren, lagen die Grundstücke zumeist in direkter Nachbarschaft zu einem anderen Grundstück oder zu öffentlichen Flächen wie Straßen436 Besonders an den belebten Straßen scheinen die Grundstücksbesitzer Interesse an göttlichem Schutz gehabt zu haben, wie mehrere Epigramme zeigen, von denen hier eines exemplarisch zitiert werden soll437: „Setz dich Wanderer, hier in den Schatten der dichten Platane, | deren grünendes Laub zärtlich der Zephyr umspielt  | Sieh, Nikagoras stellte mich Hermes, der Maja berühmten | Sprössling, hier auf, dem Gut wie seinen Saaten zum Schutz “

Das Epigramm von Hermokreon (3 Jh  v Chr ) war auf einer Herme angebracht, welche die Grenze zwischen der Straße und dem Grundstück von Nikagoras kennzeichnete Solche im Epigramm beschriebenen kleinen Kultplätze entlang von Straßen waren weit verbreitet438 Zu den Kultteilnehmern gehörten Reisende genauso wie der Wohltäter selbst Dieser hatte den potentiellen Kultplatz eingerichtet und dafür um Schutz sowohl für sein Grundstück als auch für die Ernte auf diesem gebeten Aus vergleichbaren Weihungen kann gefolgert werden, dass der Gott regelmäßig einen Anteil an der Ernte, zum Beispiel Milch und Gemüse, bekam439 Einige dieser Hermen erfüllten sogar eine doppelte Funktion, wie die Weihung von Kallistratos zeigt440: „Kallistratos stellt dir, oh Geleitsmann des Zeus, | ein Bild auf, das dem Aussehen seines Alters gleicht, | der Knabe aus Kephisia Dich erfreuend, Herr, | schütze das Kind und das Heimatland von Apollodoros “

Das Epigramm, welches auf einer Herme angebracht war, erinnert an den Jüngling Kallistratos, der die Herme möglicherweise als Dank für Erfolge im Gymnasion geweiht hatte441 Gleichzeitig verweist der letzte Teil der Inschrift darauf, dass die Herme auch zum Schutz der Heimat von Apollodoros aufgestellt wurde 435 IG XII 2, 475 (=Epigr Gr 812, 3 Jh  v Chr ) 436 Sokolicek 2010, 222, Wrede 1986, 39 437 Anth Gr 16, 11 (3 Jh   v Chr , Übersetzung nach Beckby 1968): „ἵζευ ὑπὸ σκιερὰν πλάτανον, ξένε, τάνδε παρέρπων,  | ἇς ἁπαλῷ Ζέφυρος πνεύματι φύλλα δονεῖ,  | ἔνθα με Νικαγόρας κλυτὸν εἵσατο Μαιάδος Ἑρμᾶν,  | ἀγροῦ καρποτόκου ῥύτορα καὶ κτεάνων“ Siehe auch: Anth Gr 6, 346 (4 Jh  v Chr )/9, 314/9, 316/9, 318 (alle 3 Jh  v Chr ) 438 Hierzu: 2 3 Chora II 439 Anth Gr 9, 318 (Leonidas von Tarent, 3 Jh  v Chr ) Siehe auch: Anth Gr 9, 316 (3 Jh  v Chr ) 440 Anth Gr 13, 2 (Übersetzung Mikalson 1998, 202): „Καλλίστρατός σοι, Ζηνὸς ὦ διάκτορε, | ἔθηκε μορφῆς ξυνὸν ἥλικος τύπον| Κηφισιεὺς ὁ κοῦρος· ᾧ χαρείς, ἄναξ, | Ἀπολλοδώρου παῖδα καὶ πάτραν σάω “ 441 Hierzu: 2 5 2 2 Nutzer/2 5 2 3 Sieger

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Darüber hinaus wurden Hermen errichtet, um die Grenzen zwischen kultiviertem und unkultiviertem Land zu verdeutlichen, was wiederum der reichen Epigrammüberlieferung entnommen werden kann442: „Steh ich so einsam und hoch, o Fremdling, ich tat es nicht selber, | sondern Archelochos wies hier diese Stelle mir an  | Mir, dem Hermes, gefällt kein Berg, kein Höhenbewohner, | mehr behagt mir ein Weg, der schon gebahnt ist, mein Freund  | Aber Archelochos selbst lebt einsam und menschenentfremdet, | darum gab er auch mir, Wanderer, solch Plätzchen bei sich “

Dieses in Ich-Form geschriebene Epigramm stammt aus der Feder von Leonidas aus Tarent (3 Jh  v Chr ) Die Ich-Form findet sich in vergleichbaren Texten immer wieder443 Der Gott beklagt sich darüber, dass er einsam auf einem Berg stehe, obwohl er sich an einer belebten Straße wohler fühlen würde Er erklärt dies jedoch damit, dass der Weihende selbst entfernt von den Menschen lebe Archelochos hatte die Herme auf der Anhöhe aufgestellt, die wahrscheinlich die Grenze seines Grundstücks bildete Durch die Beschreibung des Kultorts liegt die Vermutung nahe, dass sich sein Grundstück am Rand eines Polisterritoriums befand Daher war die Aufgabe des Hermes eine doppelte: Er sollte nicht nur das Grundstück von Archelochos und dessen Ertrag vor Dieben und ungebetenen Gästen schützen, sondern auch vor den Gefahren der Wildnis Hermes bewachte im antiken Verständnis ebenfalls die Eingänge von Privathäusern444 Eine besondere Verbindung zu den Türen wurde ihm schon in den homerischen Epen zugeschrieben, wo es heißt, dass er Türen und Tore öffnen könne445: „Gleich aber schüttete allen der geleitende Argosbesieger | Schlaf in die Augen und öffnete rasch das Tor und die Riegel, | Führte den Priamos ein und die Prachtgeschenke im Wagen  | […] ein einziger Pfosten vom Holze der Tanne | Sperrte die Tür; es konnten nur drei Achaier ihn schieben; | Drei auch pflegten zu öffnen den mächtigen Riegel des Tores, | Nur Achilleus vermochte allein zurück ihn zu schieben  | Jetzt aber öffnete nun der geschmeidige Hermes dem Alten, | […] “ 442 Anth Gr 16, 256 (Leonidas von Tarent, 3 Jh  v Chr , Übersetzung Beckby 1968): „Ὀχθηρὸν τὸν χῶρον ἔχω καὶ ἔρημον, ὁδῖτα· | οὐκ ἐγώ, ὁ στάσας δ᾽ αἴτιος Ἀρχέλοχος  | οὐ γὰρ ὀρειοχαρὴς ὡρμᾶς, οὐδ᾽ ἀκρολοφίτας, | τὸ πλεῦν δ᾽ ἀτραπιτοῖς, ὦνερ, ἀρεσκόμενος  | Ἀρχέλοχος δ᾽, ὡς αὐτὸς ἐρημοφίλας καὶ ἀγείτων, | ὦ παριών, τοῖον κἀμὲ παρῳκίσατο “ 443 IG I3 840 (um 470 v Chr ) Inschrift: „[hερμείαι Ἐν]αγωνίο[ι – – –]| [– – –]“ Siehe auch: Anth Gr 9, 314 (um 300 v Chr )/9, 316 (um 280 v Chr )/16, 188 (Ende 5 Jh  v Chr )/16, 191 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr )/16, 192 (420–330 v Chr )/16, 255 (3 Jh  v Chr )/16, 256 (um 280 v Chr ) 444 Zografou 2010, 154 Zur Religion in Haushalt und Familie: Faraone 2008, 210–228 Siehe auch: Aisop 88 (Perry) 445 Hom Il 24, 445–447/453–457 (Übersetzung Rupé 2008): „τοῖσι δ᾽ ἐφ᾽ ὕπνον ἔχευε διάκτορος Ἀργεϊφόντης | πᾶσιν, ἄφαρ δ᾽ ὤϊξε πύλας καὶ ἀπῶσεν ὀχῆας, | ἐς δ᾽ ἄγαγε Πρίαμόν τε καὶ ἀγλαὰ δῶρ᾽ ἐπ᾽ ἀπήνης  | […] θύρην δ᾽ ἔχε μοῦνος ἐπιβλὴς | εἰλάτινος, τὸν τρεῖς μὲν ἐπιρρήσσεσκον Ἀχαιοί, | τρεῖς δ᾽ ἀναοίγεσκον μεγάλην κληῗδα θυράων | τῶν ἄλλων· Ἀχιλεὺς δ᾽ ἄρ᾽ ἐπιρρήσσεσκε καὶ οἶος· | δή ῥα τόθ᾽ Ἑρμείας ἐριούνιος ᾦξε γέροντι“

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Hermes führt im letzten Gesang der Odyssee den greisen Priamos unbemerkt in das Lager der Griechen, um Achilleus zu bitten, die Leiche Hektors herauszugeben Zeus wählte Hermes für diese Aufgabe aus, da er den Menschen freundlich gesonnen und für seine Heimlichkeit berühmt war Selbstverständlich konnte er die besonders gesicherte Tür zu der Wohnstätte von Achilleus öffnen Diese Idee wurde im homerischen Hymnos aufgegriffen, als Hermes nach dem ebenfalls in der Nacht stattfindenden Rinderdiebstahl unbemerkt durch das Schlüsselloch zurück in die Höhle seiner Mutter gelangte446 Das Türöffnen war entsprechend nicht ausschließlich positiv konnotiert, sondern ließ Hermes gleichzeitig zum Patron der Diebe werden447 Daher erhielt er Beinamen wie Θυραῖος448 (der bei der Tür/Türschwelle), Πρόθυρον449 (der vor der Tür/Türschwelle), Πυληδόκος450 (der Torhüter/Bewacher der Türen oder Dieb), Στροφαῖος451 (der Portier an der Tür) oder Σωτήρ τῶν οἴκων452 (der Retter der Häuser), die auf seine Ambivalenz verwiesen In der Polis sollte Hermes als der Gott der Bürger vor allem deren Oikoi bewachen Der Haushalt war ein Zeichen des bürgerlichen Status: „Das Haus wies einen Bürger als integrierbares Mitglied der Gesellschaft aus und war Sinnbild für das zivilisierte Leben einer Bürgerschaft “453 Der Oikos unterstand einer ganzen Reihe von Gottheiten, die jeweils spezifische Funktionen übernahmen Hermes behütete genauso wie Apollon Agyieus und Hekate vor allem die Eingänge, das heißt die Grenze zwischen der privaten und öffentlichen Sphäre454 In der archaischen Zeit war diese Grenze sehr streng, da das Haus Sicherheit und Schutz versprach, während außerhalb potentielle Gefahren lauerten Die abgeschlossene Sphäre des Hauses wurde jedoch in der Klassik aufgebrochen Zwar symbolisierte das Haus immer noch einen Zufluchtsort für die darin lebende Gemeinschaft, das Draußen wurde aber durch die politische Beteiligung der Bürger an der Demokratie, durch die sie mehr Zeit außerhalb der eigenen vier Wände verbrachten, positiver wahrgenommen In Athen standen die Hermen vor der Tür der Häuser, wie die literarische Überlieferung beweist455 Ein bekanntes Beispiel war diejenige vor dem Haus des Andokides, welche ihm den Vorwurf einbrachte, am Hermenfrevel beteiligt gewesen zu sein In 446 447 448 449 450 451 452 453 454

h Herm 146 Siehe auch: Aisop 89 (Perry), Anth Gr 11, 159 Doty 1997, 36 I Pergamon II 325 (röm ) Thuk 6, 27 h Herm 15, Hesych s v Πυληδόκος Aristoph Plut 1153, Suda s v Ἑστροφαῖον, Phot s  v Ἑρμῆς στροφαῖος Aischyl Choeph 2, IG II2 4603 (4 Jh  v Chr ), Cornutus Theol Graec 16, 3 Hartmann 2002, 116 Hartmann 2002, 117 für die folgenden Ausführungen, Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 81 Belege für Hermen und Hermesverehrung im Haus: Soph El 1374, Timaios FGrH 566 F 158, Theophr char 16, 10, Theop FGrH 115 F 334, Lys 6, 11–12, Lukian nav 20 Dazu: LIMC s v Hermes 157–159, Seiffert 2006, 107–108, Rückert 1998, 177–178/182–183, Lullies 1931, 58 455 Bis heute wurde keine Herme in situ gefunden, jedoch viele Basen ( Jameson 1990, 194)

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der Komödie „Die Wolken“ (423 v Chr ) von Aristophanes ist sogar ein Dialog zwischen einem Hausbesitzer und seiner Herme enthalten456: „Oh, meines Unverstands! Wie war ich nur verrückt, | Als ich verwarf die Götter wegen Sokrates! (Zu der Hermessäule an seiner Haustür)  | Doch, lieber Hermes, zürne du mir nimmermehr | Und plage mich nicht, sondern Nachsicht hab mit mir, | Dass mir der Kopf verwirrt von deren Humbug war  | Und gib mir einen Rat, ob ich gerichtlich sie | Verfolgen sollte oder was dir sonst gut dünkt  | (Nach kurzem Lachen) Dein Rat ist gut, Prozesse nicht zu nähen erst, | Vielmehr das Haus der Schwadroneure gleich in Brand | Zu stecken “

Schauplatz der Komödie ist der Raum zwischen dem Haus der Hauptfigur Strepsiades und dem des Sokrates Symbolisiert werden die Häuser jeweils durch eine Tür Vor der Tür von Strepsiades steht eine Herme, an die er sich wendet, als er an dem besagten Abend nach Hause kommt Da Strepsiades die Herme berührt und direkt anspricht, ist die Beziehung zwischen Hausherr und Hausherme sehr eng457 Nachdem Strepsiades sich für sein Verhalten in jüngster Zeit entschuldigt hat, bittet er Hermes um Rat in seiner aktuellen Situation und erhält prompt eine Antwort458 Denkbar ist daher, dass bei der täglichen Rückkehr ein kleineres Opfer dargebracht und ein Gebet gesprochen wurde Bezeichnenderweise erhielt Hermes auch den Beinamen Κυνάγχης459 (der Hundeflüsterer), weil er in der Lage sei, Wachhunde zu beeinflussen und zum Schweigen zu bringen Außerdem ist aus der Charakterbeschreibung in „Der Abergläubische“ (4 /3 Jh   v Chr ) von Theophrast zu entnehmen, dass die Hausgemeinschaft am vierten und siebten Tag jedes Monats die Hermen vor und im Haus mit Kränzen schmückte und Gaben wie Räucherwerk, Kuchen und Wein opferte460 Der vierte Tag des Monats war dem Hermes heilig, weil es sein Geburtstag war461 456 Aristoph Nub 1476–1485 (Übersetzung Rau 2016): „οἴμοι παρανοίας· ὡς ἐμαινόμην ἄρα,  | ὅτ᾽ ἐξέβαλλον τοὺς θεοὺς διὰ Σωκράτη  | ἀλλ᾽ ὦ φίλ᾽ Ἑρμῆ μηδαμῶς θύμαινέ μοι | μηδέ μ᾽ ἐπιτρίψῃς, ἀλλὰ συγγνώμην ἔχε  | ἐμοῦ παρανοήσαντος ἀδολεσχίᾳ·  | καί μοι γενοῦ ξύμβουλος, εἴτ᾽ αὐτοὺς γραφὴν | διωκάθω γραψάμενος εἴθ᾽ ὅ τι σοι δοκεῖ  | ὀρθῶς παραινεῖς οὐκ ἐῶν δικορραφεῖν, | ἀλλ᾽ ὡς τάχιστ᾽ ἐμπιμπράναι τὴν οἰκίαν | τῶν ἀδολεσχῶν […]“ 457 Vgl LIMC s v Hermes 141–185 Dazu: Versnel 2011, 337–343, Scheer 2000, 234–239, Lauter-Bufe/ Lauter 1971, 109–124 Zur Interaktion mit Götterbildern auf Vasen: Klöckner 2017, McNiven 2009, Oenbrink 1997, Kassel 1983 458 Gespräche mit Hermen in der Vasenmalerei: LIMC s v Hermes 143–152 459 Hipponax frg 1/3 (West) Vasendarstellung von Hermes mit einem Hund: LIMC s v Hermes 820 (um 500 v Chr ) Dazu passt, dass Argos in späterer Zeit ein verbreiteter Hundename war, weil Hunde als Wächter des eigenen Besitzes eingesetzt wurden, so wie der vieläugige Argos als Wächter der Io eingesetzt und dann von Hermes getötet worden war (RE s v Argos 27), 796) 460 Theophr char 16, 10 Wegen der schlechten Überlieferung sind für diesen Teil des Textes verschiedene Ergänzungen vorgeschlagen worden Am überzeugensten ist die Deutung von Hermann Diels (Diels 1909): „[…] στεφανῶν τοὺς Ἑρμᾶς ροδίνοις ὅλην τήν ἡμέραν“ („[…] er bekränzt die Hermen mit Rosenkränzen den ganzen Tag“) Die Stelle ist kein Beleg für eine Verehrung von Hermaphroditen im 4 Jh  v Chr , für die es keine Parallelüberlieferung gibt 461 Hes erg 770 mit Sch , h Herm 19, Philoch FGrH 328 F 88a, Theophr char 16, 10, Plut symp 9, 3, 2, Sch Aristoph Plut 1126

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Folglich beschützte Hermes in der Wahrnehmung der Athener nicht nur den Oikos, sondern hieß auch die Heimkehrenden willkommen Diese Vorstellung war außerhalb Athens und mindestens bis in das 3 Jh  v Chr verbreitet, wie ein Text von Kallimachos illustriert In seinem „Hymnos an Artemis“ beschrieb der hellenistische Dichter, wie die Göttin von der Jagd in ihr Haus auf dem Olymp zurückkehrte und noch im Flur von Hermes begrüßt wurde462 Eine weitere Möglichkeit, für eine Einzelperson die besondere Aufmerksamkeit einer Gottheit zu beanspruchen, war das Tragen eines theophoren Namens463 Fabio Mora hat nachgewiesen, dass theophore Namen „als Urkunden lokaler Religion“464 gelesen werden können, sodass eine zeitliche oder räumliche Häufung Rückschlüsse auf die Kultpraxis erlaubt Von Hermes konnten weibliche und männliche Vornamen abgeleitet werden Aus der archaischen Zeit sind überdurchschnittlich viele von Hermes abgeleitete Namen überliefert, was die Bedeutung des Gottes unterstreicht Ab dem 5 Jh   v Chr nehmen Namen, die von den vier Gottheiten Zeus, Hera, Hermes und Apollon abgeleitet sind, drei Viertel und später zwei Drittel der Gesamtheit der theophoren Namen ein Da im Hellenismus theophore Namen immer beliebter wurden, wurden auch in dieser Zeit weiterhin zahlreiche Menschen nach Hermes benannt 2 1 4 Feste in der Polis: Grenzen bewahren und Grenzen überschreiten Am Ende des Abschnitts zu den Ein- und Ausgängen stehen die von der Polisgemeinschaft durchgeführten Feste und Rituale, die entweder zu Hermes Ehren stattfanden oder bei denen er mitverehrt wurde und die ihn als Gott der Grenze sowie der Grenzüberschreitung adressieren Dabei spiegelten die Rollen, die dem Gott während der Feste zugewiesen wurden, seine Aufgabenbereiche in der Polis wider Gerade Feste trugen „zu einer regelmäßigen Selbstvergewisserung der Bürgerschaft und zur Pflege ihrer kollektiven Erinnerung bei“465 und können im Sinne von Peter Berger und Thomas Luckmann als Institutionen bezeichnet werden Zuerst werden im Folgenden die Feste analysiert, welche der Bestätigung der Grenzen dienen sollten Danach stehen die Feste im Mittelpunkt, bei denen Grenzen im Raum und in der Vorstellungswelt mit Hilfe des Gottes Hermes bewusst überschritten wurden

462 Kall h 3, 142–144 463 Theophore Namen nehmen, wie die Onomastik gezeigt hat, durchschnittlich nur etwa ein Drittel aller Namen ein (Mora 1994, 179) Dazu: Sittig 1911, 11–116 464 Mora 1995, 101/181–183/186 465 Beck 2009, 57 Siehe auch: Blok 2017, 57–79, Chaniotis 1995, 147, Burkert 1985, 254–260, Calame 1982–1983, 3–23

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2.1.4.1 Monatsnamen: Ἑρμαιών, Ψυδρεύς, Εὐαγγελιών Die grundsätzliche Verbreitung des Hermeskults im griechisch sprachigen Raum kann an den Monatsnamen abgelesen werden Die von dem Gott Hermes abgeleiteten Monatsnamen Ἑρμαιών (ionisch), Ἑρμαῖος (dorisch) und Ἑρμάνιος466 sind für zahlreiche Poleis belegt: Argos467, Bargylia468, Elis469, Epidauros470, Halikarnassos471, Hierapytna472, Keos473, Priansos474, Skarpheia475, Thaumakoi476 und Theangela477 Diese Bezeichnungen wurden ebenfalls in Landschaften mit einem einheitlichen Kalender verwendet, so in Aitolien478, Boiotien479, Bithynien480, Thessalien481 und Thrakien482 Zudem war ein Monat, der nach dem Gott Hermes benannt war, Teil des nachklassischen Zwölfgötterkalenders, wie das Beispiel des thessalischen Magnesia zeigt483 Demnach war der Monatsname im gesamten Mittelmeerraum verbreitet und es können keine geographischen Schwerpunkte ausgemacht werden Der Monat Hermaion gehörte sehr wahrscheinlich zu den Wintermonaten und lag in der Zeit zwischen Oktober und März484 Dementsprechend dürften auch viele Hermesfeste in dieser Zeit stattgefunden haben Weiterhin sind Monatsnamen, die scheinbar von Beinamen oder Charakteristika des Hermes abgeleitet worden sind, überliefert Ein Beispiel ist der Monatsname Ψυδρεύς, der möglicherweise auf Hermes als hervorragenden Lügner Bezug nimmt

466 Weitere Schreibweisen nach dem TLG: Ἕρμαιον, Ἑρμαῖον, Ἕρμαιος, Ἑρμαῖος 467 SEG 17–143 (3 Jh  v Chr ), IG IV 557 (=SEG 40–325, hell ), Plut mor 245e, Plut mor 245c–f, Polyain 8, 33 Dazu: Trümpy 1997, 143–147 468 SEG 45–1508 (2 /1 Jh  v Chr ) 469 GDI II 1745/1855/2042/2053/2059/2087/2119–2120 (alle Anfang 2 Jh  v Chr ) 470 IG IV2 1, 103 (4 /3 Jh   v Chr )/105  A, Z 10 und 14 (335/325  v Chr )/108 (4 /3 Jh   v Chr )/112 (4 /3 Jh  v Chr )/114–115 (4 /3 Jh  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 140–143 471 Effenterre/Ruzé 1994, Nr 19 (475–450 v Chr ), Syll 4 45 (vor 453/452 v Chr )/1044 (3 Jh  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 113–114 472 IC III iii 4 (Anfang 2 Jh  v Chr ), Chaniotis 1996, Nr 28 (kurz nach 205 v Chr ) 473 IG II2 1128, Z 34 (ca 350 v Chr), IG XII Suppl 235, Z 7 (3 Jh  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 55/58 474 IC III iii 4 (Anfang 2 Jh  v Chr ), Chaniotis 1996, Nr 28 (kurz nach 205 v Chr ) 475 I Delphi III 4, 159, Z 2 (1 Jh  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 207 476 IG IX 2, 221, Z 1 (3 Jh  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 235–236 477 SEG 29–1089, Z 21 (1 Jh  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 278 478 Trümpy 1997, 201–203 479 IG VII 400 (3 Jh   v Chr ), SEG 37–100, Z 96 (ca 330  v Chr )/43–205 (3 Jh   v Chr )/28–447 (3 /2 Jh  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 244–246 480 SEG 26–1346 (134 n Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 276–277 481 SEG 32–604 (3 /2 Jh   v Chr )/35–600 (2 /1 Jh   v Chr )/43–311  A, Z 2 (197–185  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 216–224 (Bundeskalender spätestens seit der Gründung des thessalischen Bundes 196 v Chr ) 482 Vgl Minchev 2011, 15–39, Minchev 2007 483 Trümpy 1997, 266–267, Long 1987, 216–217 484 Vergados 2013, 238, Trümpy 1997, 58

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Die Bezeichnung ist für die Poleis Ambrakia485, Bouthrotos486, Byllis487, Charadra488, Mygdonia489 und Korkyra490 belegt Ein weiteres Beispiel ist der Monat Εὐαγγελιών Dieser in Smyrna verwendete Monatsname könnte von dem Beinamen Εὐάγγελος (der gute Bote) abgeleitet sein und fand seit dem 3 Jh  v Chr Verwendung491 Im Gegensatz zum Hermaion handelte es sich jedoch um einen Sommermonat, der etwa mit dem athenischen Thargelion (Mai/Juni) zusammenfiel Darüber hinaus war vor allem der vierte Tag eines jeden Monats dem Hermes heilig, da dieser als sein Geburtstag galt492 2.1.4.2 Grenzen bewahren Zur Bestätigung der Grenzen fanden sowohl Feste in Heiligtümern an der Grenze des Polisterritoriums als auch innerhalb des Gebietes statt Um den Weg des Besuchers nicht zu verlassen, wird an den Grenzen begonnen Ein Beispiel dafür ist das am Berghang der Kyllene gelegene Heiligtum für Hermes, welches die Grenze der Poleis Pheneos und Stymphalos bildete493 Pausanias sah und hörte bei seinem Besuch das Folgende494: „Nach dem Grab des Aipytos kommt das höchste der Gebirge in Arkadien, die Kyllene, auf dem Gipfel des Gebirges befindet sich ein zerstörter Tempel des Hermes Kyllenios Offenbar stammt der Name des Gebirges von Kyllen, dem Sohn von Elatos, wie auch der Beiname des Gottes Die Menschen hatten ursprünglich, soweit auch ich erfahren konnte, folgende Holzarten, aus denen sie Holzbilder herstellten: Ebenholz, Zypresse, die Wacholderarten, die Eichenarten, die Eibe und die Dattelpalme; für den Hermes Kyllenios ist die

485 486 487 488 489 490 491 492

SEG 35–665 B, Z 25 (160 v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 155–156 SEG 32–623 (150–50 v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 156–157 SEG 38–521, Z 2 (2 Jh  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 157 BCH 109 (1985) 499–544 Dazu: Trümpy 1997, 157 SEG 40–542, Z 25 (Herrschaftszeit Philipps II ) IG IX 1, 682/684 (beide 4 Jh  v Chr ) Dazu: Trümpy 1997, 157, Raingeard 1934, 171 BCH 60 (1936) 187, Anm 2, Rev Et Ant 38/1 (1936), 23–26 Dazu: Trümpy 1997, 101–102 h Herm 17–19 Dazu: Mikalson 1975, 16–18 Zu Wochentagen in der Spätantike (u a ἡμέρα Ἑρμοῦ): Worp 1991, 221–230 493 Hom h 19, 31, Pind O 6, 77–80, Paus 6, 26, 5/8, 17, 1–2 Dazu: Allan 2018, 15, Pretzler 1999, 41, Raingeard 1934, 50–52 494 Paus 8, 17, 1–2 (Übersetzung Meyer 2001): „μετὰ δὲ τοῦ Αἰπύτου τὸν τάφον ὄρος τε ὑψηλότατον ὀρῶν τῶν ἐν Ἀρκαδίᾳ Κυλλήνη καὶ Ἑρμοῦ Κυλληνίου κατερριμμένος ναός ἐστιν ἐπὶ κορυφῆς τοῦ ὄρους· δῆλα δέ ἐστιν ἀπὸ Κυλλῆνος τοῦ Ἐλάτου τῷ τε ὄρει τὸ ὄνομα καὶ ἡ ἐπίκλησις γεγενημένη τῷ θεῷ τοῖς δὲ ἀνθρώποις τὸ ἀρχαῖον, ὁπόσα καὶ ἡμεῖς καταμαθεῖν ἐδυνήθημεν, τοσάδε ἦν ἀφ᾽ ὧν τὰ ξόανα ἐποιοῦντο, ἔβενος, κυπάρισσος, αἱ κέδροι, τὰ δρύινα, ἡ μῖλαξ, ὁ λωτός· τῷ δὲ Ἑρμῇ τῷ Κυλληνίῳ τούτων μὲν ἀπὸ οὐδενός, θύου δὲ πεποιημένον τὸ ἄγαλμά ἐστιν, ὀκτὼ δὲ εἶναι ποδῶν μάλιστα αὐτὸ εἰκάζομεν “

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Statue aber aus keiner dieser Holzarten, sondern aus Zitrusholz gearbeitet Ich schätze sie auf etwa acht Fuß “

Im 2 Jh n Chr konnte Pausanias nur noch die zerstörten Reste des Tempels sehen, dessen Bauzeit nicht mehr zu bestimmen ist Da sich das Heiligtum auf dem Gipfel befunden habe, handelte es sich nicht um ein Höhlenheiligtum, sondern wiederum um ein Hermaion auf einem Bergrücken, der Platz für einen Tempel bot495 Das Kultbild sei aus sehr kostbarem Zitrusholz gefertigt, so der Bericht weiter496 Hölzerne Bilder gelten als Vorgänger der steinernen Hermen und sind auch sonst für Hermes belegt, wobei sie aufgrund ihres hohen Alters eine besondere Nähe des Gottes zu einer Gemeinschaft ausdrückten497 Es verwundert nicht, dass gerade am Geburtsort des Gottes ein solch archaisches Bild aufgestellt wurde Geburtsmythen waren integraler Bestandteil der griechischen Religion, weil sie suggerierten, dass der Gott einem Ort entstammte, wo auch Menschen geboren wurden und der von Menschen besucht werden konnte498 Dabei zählte Hermes zu der kleinen Gruppe der olympischen Götter, deren Geburtsstätten auf Erden lagen Vom homerischen „Hymnos an Hermes“ über ein Satyrspiel des Sophokles bis in die römische Zeit erzählen mehrere Autoren Geburtsmythen, wobei nur in einer Erzählung aus dem 2 Jh n Chr die Geburt im Kreis der Götter auf dem Olymp stattfindet499 Nach der verbreitetsten Variante wurde Hermes als jüngster Sohn von Zeus in der Höhle seiner Mutter Maia im Kyllenegebirge geboren und trug seither den Beinamen Κυλλήνιος500 (der vom Berg Kyllene) Da das Epitheton bereits in den homerischen Epen auftaucht und ab dem frühen 6 Jh  v Chr überregionale Verwendung fand, wie die Inschrift einer Amphore aus Etrurien belegt, 495 Hierzu: 2 2 1 Höhlen 496 Hermippos (=PCG 5, p 591–594) erwähnt die Importgüter der Athener, wobei er unter anderem Zitrusholz aus Kreta für die Herstellung von Götterbildern nennt 497 Hölscher 2010, 107, Mylonopoulos 2010a, 9 mit Quellenbelegen, Petrovic 2010, 210, Pretzler 1999, 48–49 Beispiele: Ainos [Kall iamb 7 (=Kall frg 197, Trypanis)], Athen (Plato Com 204 K–A), Argos (Paus 2, 19, 3–7), Elis (Artem 1, 45, Lukian Iupp trag 42) Siehe auch: Hesperia 16 (1947), 99–100 498 Nielsen 2002, 84 499 Geburtsstätten des Hermes: Kyllene (h Herm 1–16/142/228, Hom h 18, 2, Soph Ichn 99–101/252, Apollod 3, 112, Ant Lib Met 23), Kerykeion (Paus 9, 20, 3), Akakesion (Paus 8, 36, 10), Olymp (Philostr imag 1, 26) Stelle, an denen er aufgewachsen sein soll: Kyllene, Tanagra, Trikrena (Paus 8, 16, 1), Akakesion (Paus 8, 36, 10) 500 Hes frg 64/66/169–170 (West), Hom Od 24, 1–5 mit Sch , h Herm 1–16/142/228/304/318/387/408, Hom h 18, 1–2/19, 31, Hipponax frg 1/3/32/35 (West), Soph Oid T 1099–1109/1104–1105, Soph Ichn 99–101/252, Alk 308, 1/frg 2–5 (Edmonds), Apollod 3, 112, Anth Gr 6, 92 (röm )/11, 274 (2 Jh n Chr ), Lukian Dial D 22, 1, Ant Lib Met 23, Nonn Dion 13, 227/48, 710, Sch Lukian Icar 34 Pausanias schlug vor, dass der Beiname mit dem arkadischen Heros Kyllen zusammenhing (Paus 8, 17, 1) Dazu: Schenk zu Schweinsberg 2017, Vergados 2013 mit älterer Literatur Aufgrund fehlender Quellenbelege muss die von Raoul Baladíe (Baladíe 1980, 17–24) vorgeschlagene Interpretation, dass der Beiname eine enge Verbindung zu seiner Funktion als Ψυχοπομπός habe, da der Fluss Styx in einigen Überlieferungen als ein arkadischer Fluss gelte, der in der Nähe des Berges gelegen haben soll, abgelehnt werden

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dürfte die Erzählung älter sein501 Daneben hieß es, Hermes sei auf dem ebenfalls arkadischen Berg Akakesion oder dem Berg Kerykeion bei Tanagra in Boiotien geboren Dass mehrere Poleis für sich beanspruchten, die Geburtsstätte eines Gottes auf ihrem Territorium zu haben, ist nicht ungewöhnlich und wertet die Heiligkeit der einzelnen Stätten keinesfalls ab502 Trotz der Lage des Heiligtums an der Grenze unterstand es der Vormundschaft einer Polis, die für die Pflege des Heiligtums zuständig war und das jährliche Fest ausrichtete, von dem eine frühere Quelle berichtet Im 17 Kapitel seines astronomischen Lehrbuchs (um 70 v Chr ), welches sich mit Wetterzeichen beschäftigt, schreibt Geminos503: „So finden z B die (Prozessionen), welche auf das Kyllenegebirge, das höchste Gebirge im Peloponnesos, hinaufziehen, um dem auf dem Gipfel verehrten Hermes zu opfern, wenn sie nach Jahresfrist wieder hinaufkommen, um ihre Opfer darzubringen, Opferfleisch und die von dem Brandopfer herrührende Asche in genau demselben Zustand, in welchem sie diese Gegenstände verlassen hatten, und weder durch Wind noch Regen verändert, weil alle Wolkenbildung und das Auftreten von Winden nur unterhalb des Gipfels des Berges stattfinden “

Für die Kultpraxis lässt sich festhalten, dass einmal im Jahr eine Prozession zu dem Tempel, der im 1 Jh  v Chr noch aufrecht stand, durchgeführt wurde Der Berg gehört zu den höchsten in Griechenland und ist der höchste in der Landschaft Arkadien, sodass diese Prozession mit einiger Anstrengung verbunden gewesen sein dürfte504 Zweifel an der Verortung des Tempels auf dem Berg sind unnötig, da in Arkadien auch kleine, entlegene Heiligtümer häufig mit einem Tempel ausgestattet waren, um das Gebiet zu erschließen und Identität zu stiften505 Dies gilt in besonderer Weise für Hermaia, die vielfach in entlegenen Gebieten auf hohen Bergen lagen Die Festgemeinschaft bestand aus den Bürgern der Stadt (wahrscheinlich Pheneos), die mit der Prozession zum Hermestempel den Raum ihrer Polis durchschritten und 501 502 503

504 505

Vgl ABV 14 (=Mus Berlin-Charlottenburg, Inv -Nr F 1704) Dazu: Halm-Tisserant 2005, 49, Grimm 2004, 65–70 Vgl z B Geburtsorte des Zeus: Hes theog 477–480, Apollod 1, 5, Kall h 1, 15, Verg georg 4, 153, Ov fast 4, 207 Geminus Elementa Astronomiae 17, 3 (Übersetzung Manitius 1974): „οἱ γοῦν ἐπὶ τἠν Κυλλήνην ἀναβαίνοντες, ὄρος δὲ τῇ Πελοποννήσῳ ὑφηλότατον, καὶ θύοντες τῷ καθωσιωμένῳ ἐπὶ τῆς κορυφῆς τοῦ ὄρους Ἑρμῇ, ὅταν πάλιν δι᾽ ἐνιαυτοῦ ἀναβαίωοντες τὰς θυσίας ἐπιτελῶσιν, εὑρίσκουσι καὶ τὰ μηρία καὶ τὴν τέφραν τὴν ἀπὸ τοῦ πυρὸς ἐν τῇ αὐτῇ τάξει μένουσαν, ἐν ᾗ καὶ κατέλιπον, καὶ μηθ᾽ ὑπὸ πνευμάτων μηθ᾽ ὑπὸ ὄμβροων ἠλλοιωμένα διὰ τὸ πάντα τὰ νέφη καὶ τὰς τῶν ἀνέμων συστάσεις ὑποκάτω τῆς τοῦ ὄρους κορυφῆς συνίστασθαι “ Die Beschreibung der Kulthandlungen wird von Alkman bestätigt, der von einer Prozession zu einem Heiligtum auf einem Berggipfel berichtet [Alkm frg 56, 8 (Campbell)] Strab 8, 8, 1, Paus 8, 17, 1, Steph Byz s v Κυλλήνη, Eust Hom Il 2, 603 Der Berg hat eine Höhe von 2374 Metern Jaillard 2007a, 59, Baumer 2004, 41

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eine Einheit zwischen Asty und Chora beziehungsweise Eschatia herstellten Höhepunkt für die Festgemeinschaft war das gemeinsame Tieropfer, für das Schafe oder Ziegen gedient haben dürften, die in der gebirgigen Region gehütet wurden Sowohl bei Geminos als auch bei Pausanias ist von erstaunlichen Phänomenen die Rede, von denen der Ort umgeben sein soll: Entweder durchschritt man die Wolken und befand sich damit in der Sphäre der Götter, denn diese lebten auf dem Olymp oberhalb der Wolken, oder man begegnete dort besonderen weißen Amseln506 Diese Wundererzählungen dienten dazu, die Heiligkeit des Ortes hervorzuheben und somit den Standort des Tempels zu begründen Ferner wird berichtet, dass Hermes einzelnen Polisgemeinschaften in Krisen beigestanden hätte, weshalb sie ihm Tempel im Stadtgebiet errichteten und dort Feste zu seinen Ehren veranstalteten Zu diesen Krisen, in denen die Bürgergemeinschaft des göttlichen Schutzes und der göttlichen Verteidigung bedurfte, zählten Krankheit und Krieg Weil Hermes zu den Stadtgöttern gehörte, stand er den Bewohnern der boiotischen Stadt Tanagra gemäß der antiken Texte in mehreren Krisen bei507 Schon die Geburt des Gottes habe sich nach eigenen Angaben der Bewohner auf dem Berg Kerykeion, der zum Gebiet der Stadt gehörte, zugetragen508 Mit der Benennung des Berges nach dem wichtigsten Attribut des Gottes, dem Kerykeion, wurde die mythische Begebenheit topographisch in der Landschaft verankert Eine Bronzeschale für Libationen, welche eine Gruppe von Thebanern an Hermes Καρυκεϝίος (der vom Berg Kerykeion) weihte, deutet auf ein Heiligtum am Berg hin509 Da die Fundumstände nicht genauer dokumentiert sind, bleibt die Existenz des Heiligtums eine Mutmaßung Außerdem hätten die Nymphen, so eine weitere mythische Erzählung, den Götterknaben unter dem heiligen Erdbeerbaum aufgezogen510 Darauf nimmt eine Figurine aus Tanagra, welche Hermes gemeinsam mit zwei Nymphen in einem Naiskos präsentiert, Bezug511

506 Paus 8, 17, 3–4 Zu Bergheiligtümern: Mylonopoulos 2008, Langdon 2000, Buxton 1992 507 Vgl Allan 2018, 61, Jaillard 2007a, 44–49, Hansen/Nielsen 2004, 453–454, Jeammet 2003, 23/30, Schachter 1986, 44–50 mit Katalog der Münzen, Raingeard 1934, 155–159 Hermesverehrung in anderen boiotischen Poleis: Chaironeia (Paus 9, 40, 11), Koroneia (Paus 9, 34, 3), Korseia (Paus 9, 24, 5), Lebadeia [Paus 9, 39, 7, IG VII 3093 (ohne Datierung)/3095 (1 Jh  v Chr )], Mykalessos (Thuk 7, 29, 3, Liv 35, 50), Onchestos (h Herm 88/186/190), Orchomenos [IG VII 3218 (ohne Datierung)], Oropos (Paus 1, 34, 3–5, Schachter 1986, 43), Tanagra (siehe unten), Theben (Paus 9, 5, 8/9, 10, 2/9, 17, 2, Apoll Rhod 4, 1137), Thespiai [IG VII 1793 (Ende 3 Jh  v Chr ), SEG 32–504 (400–350 v Chr )/36–482 (frühes 4 Jh  v Chr )/36–485 (ca 400–350 v Chr ), Thisbe [IG VII 2235 (röm )] und am Berg Helikon (Paus 9, 30, 1) Siehe auch: Raingeard 1934, 151–165 508 Paus 8, 36, 10/9, 20, 3 Die Erzählung wurde in mehreren hellenistischen Terrakotten aufgegriffen, die Hermes auf einem Felsen sitzend zeigen (Lullies 1931, 16–20) Siehe auch: Jaillard 2007a, 43–44 Albert Schachter schlägt vor, den Geburtsmythos bis in die Archaik zurückzudatieren (Schachter 1986, 45–46) 509 Effenterre/Ruzé 1994, Nr 70 (610–550 v Chr ), Schwyzer 1960, 440, Nr 10–11 [Beiname für Apollon auf Vaseninschriften aus Boiotien (4 Jh  v Chr )] Zu Libationen im Kult: Graf 1980, 209–221 510 Paus 9, 22, 2 Zum Erdbeerbaum: Allan 2018, 75–76, Jaillard 2007a, 44–48/62 511 Staatl Mus Berlin, Inv -Nr 6678 (ca 400–350 v Chr ) Siehe auch: Jeammet 2003, Kat 63

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Ebenso als erwachsener Gott blieb Hermes mit der Stadt verbunden, wie seine Beziehung zu der eponymen Heroine der Stadt im Mythos zeigt Tanagra war eine Tochter des boiotischen Heros Asopos, dem ein Orakel offenbarte, dass seine Töchter ausgewählt wurden, eine Generation von Heroen hervorzubringen512 Davon berichtet die aus Tanagra stammende Dichterin Corinna (6 Jh  v Chr )513: „Und von deinen Töchtern nahm Vater Zeus, Herrscher von allen, drei; und Poseidon, Herrscher der Meere, heiratete drei; und Phoebus (Apollon) beherrscht die Betten von zwei deiner Töchter, und eine von ihnen gehört Hermes, dem prächtigen Sohn der Maia Und so überredeten sie Eros und Cypris, dass sie heimlich in dein Haus gehen und deine neun Töchter nehmen sollten Eines Tages werden sie eine neue Generation halb-göttlicher Heroen gebären, und sie werden fruchtbar und alterslos sein Auf diese Weise wurde es mir beim Dreifuß geweissagt […]“

Bei der Lektüre des Textes fällt sofort die klare Hierarchisierung unter den Göttern auf: Während Zeus und Poseidon je drei Töchter besuchen, erhält Apollon zwei Frauen und für Hermes ist nur eine Tochter, Tanagra, bestimmt Der Gott wird hier, wie oft in den dichterischen Zeugnissen, als παῖς Μή[ας] (der Sohn der Maia) und als ἀγαθός (gut/freundlich) angesprochen Neben dem heiligen Bezirk, der am Berg Kerykeion vermutet wird, gab es in Tanagra zwei Heiligtümer des Hermes Damit ist die Polis das einzige Beispiel für mehr als ein Hermesheiligtum im Inneren einer griechischen Stadt Mit dem Kultort des Hermes Κριοφόρος hing ein Fest zusammen, welches auf eine Epiphanie des Gottes zurückging Pausanias berichtet Folgendes514: „In Bezug auf die Heiligtümer des Hermes, des Kriophoros […] und dessen, den sie Promachos […] nennen, erzählen sie über den einen Beinamen, dass Hermes ihnen eine Epidemie abwehrte, indem er einen Widder um die Mauer herumtrug, und deshalb schuf Kalamis eine Kultstatue des Hermes mit einem Widder auf den Schultern Wer aber von 512 513

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Zum Besuch von Zeus, Hermes und Poseidon bei dem Witwer Hygrieus, dem sie den Sohn Orion schenken: Pind frg 73 (Maehler/Snell), Ov fast 5, 495–536 Dazu: Flückiger-Guggenheim 1984, 45–50 Corinna frg 654 (Campbell): „[…] | τᾶν δὲ πήδω[ν τρῖς μ]ὲν ἔχι | Δεὺς πατεὶ[ρ πάντω]ν βασιλεύς, | τρῖς δὲ πόντ[ω γᾶμε] μέδων  | Π[οτιδάων, τ]ᾶν δὲ δουῖν  | Φῦβος λέκτ[ρα] κρατούνι,  | τᾶν δ᾿ ἴαν Μή[ας] ἀγαθὸς  | πῆς Ἑρμᾶς· οὕ[τ]ω γὰρ Ἔρως  | κὴ Κούπρις πιθέταν, τιὼς  | ἐν δόμως βάντας κρουφάδαν | κώρας ἐννί᾿ ἑλέσθη· | τή ποκ᾿ εἱρώων γενέθλαν | ἐσγεννάσονθ᾿ εἱμ[ιθί]ων, | κἄσσονθη π[ο]λου[σπ]ερίες | τ᾿ ἀγείρω τ᾿· ἐς [μ]α[ντοσ]ούνω | τρίποδος ὥιτ [……] “ Zu weiteren Beziehungen mit Göttinnen oder Frauen: Allan 2018, 26–28 Paus 9, 22, 1 (Übersetzung nach Meyer 2001): „ἐς δὲ τοῦ Ἑρμοῦ τὰ ἱερὰ τοῦ τε Κριοφόρου καὶ ὃν Πρόμαχον καλοῦσι, τοῦ μὲν ἐς τὴν ἐπίκλησιν λέγουσιν ὡς ὁ Ἑρμῆς σφισιν ἀποτρέψαι νόσον λοιμώδη περὶ τὸ τεῖχος κριὸν περιενεγκών, καὶ ἐπὶ τούτῳ Κάλαμις ἐποίησεν ἄγαλμα Ἑρμοῦ φέροντα κριὸν ἐπὶ τῶν ὤμων· ὃς δ᾽ ἂν εἶναι τῶν ἐφήβων προκριθῇ τὸ εἶδος κάλλιστος, οὗτος ἐν τοῦ Ἑρμοῦ τῇ ἑορτῇ περίεισιν ἐν κύκλῳ τὸ τεῖχος ἔχων ἄρνα ἐπὶ τῶν ὤμων “ Siehe auch: Sch Lykophr 680, Louvre, Inv Nr CA 806 (ca 490–460 v Chr ), BMC 8, 64, Nr 50–51, Visser 1903, Nr 270/279, Imhoff-Blumer/ Gardner 1887, 9–12 Dazu: Schachter 1986, 47

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den Epheben als der Schönste erklärt wird, dieser läuft am Fest des Hermes rings um die Mauer, mit einem Schaf auf den Schultern “

Zur Erinnerung an den Besuch des Hermes wird ein Heiligtum eingerichtet, welches eine Kultstatue des bekannten Bildhauers Kalamis beherbergt Da Kalamis um die Mitte des 5 Jh  v Chr wirkte, könnte dieser Komplex mindestens in diese Zeit zurückdatieren515 Daneben veranstalten die Bewohner der Stadt seitdem jährlich ein Fest, bei dem der schönste Ephebe mit einem Widder auf den Schultern die Stadtmauer entlang schreitet516 Es würde zu kurz greifen, erklärte man diesen Brauch mit der Rolle von Hermes als dem Gott der Hirten Wird Hermes jedoch als ein Gott der Polis betrachtet, kann dies zu einem umfassenderen Verständnis beitragen Im bisherigen Verlauf des Kapitels wurde dargelegt, dass Hermes nach antiker griechischer Vorstellung die verschiedenen Grenzen der Polis bewachte Eine wichtige Grenze innerhalb der Polis war die Stadtgrenze, durch welche Asty und Chora voneinander abgetrennt wurden, im Allgemeinen durch eine Stadtmauer Während andernorts der Schutz des Gottes durch Heiligtümer, Götterbilder oder Altäre erbeten wurde, veranstalteten die Tanagraier für Hermes ein besonderes Ritual In jedem Jahr versammelte sich die Stadtgemeinschaft, um in einer gemeinsamen Prozession entlang der Außenseite der Stadtmauer an das persönliche Erscheinen des Gottes zu erinnern Gleichzeitig handelte es sich dabei um ein Reinigungs- und Sühneritual, welches den göttlichen Schutz stets erneuerte517 Demnach beschützte Hermes nicht nur die Grenze, sondern vor allem die Stadtgemeinschaft, die innerhalb der Stadtmauern Zuflucht suchte Entsprechend war der institutionalisierte Festablauf an die Bürgergemeinschaft gerichtet und diente der kollektiven Identitätsbildung, indem mit diesem eine Erinnerung an vergangene Ereignisse und Erfolge evoziert wurde Dabei wurden die Epheben in den Festablauf integriert, weil diese als Zielgruppe herausstachen So schritt der Schönste unter ihnen nicht nur voran, um den Gott zu erfreuen, sondern auch, damit den jungen Männern während der Festlichkeiten die Geschichte und die Sitten ihrer Stadt vor Augen geführt wurden Außerdem kann aus den Schilderungen geschlossen werden, dass es in Tanagra eine von der Polis organisierte Ausbildung der jungen Männer gab, wie sie für Athen belegt ist Während der Ausbildung lernten die Bürgersöhne die Grenzen ihrer Polis kennen und beschützen Entsprechend viele und qualitätvolle 515

516

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Vgl DNP s v Kalamis Auch die Terrakotten beginnen um diese Zeit: Zu den ältesten Weihungen an Hermes gehört eine bärtige, phallische, mit Pilos geschmückte Terrakotta-Herme aus der 1 Hälfte des 5 Jh   v Chr [Athen Nat -Mus , Inv -Nr unbekannt, ähnliches Stück: Gießen Uni Samml , Inv -Nr T I–15 (Alte Inv -Nr 164)] Zu den Terrakotten aus Tanagra: Jeammet 2010, Jeammet/Becq 2007, Jeammet 2003, Bilde/Krogh 1996, Higgins 1986, Belov 1968 Jaillard 2007a, 62 Zu Episoden von Mimesis in hellenistischer Literatur: Pirenne-Delforge 2010, 130–132 Nach Georgia Petridou handelte es sich bei dem Fest um eine Aufführung der Epiphanie, wobei der Gott nicht nur erschienen sei, sondern auch Heilung gebracht habe (Petridou 2015, 44, 172) Zu Epiphanien: Petridou 2015, Alroth 1987 Nilsson 1995, 392–393

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Zeugnisse für Ephebenweihungen, wie ein Bronzespiegel mit einer Darstellung des Hermes und Terrakotten, die Hermes von Knaben umgeben zeigen, sind in Tanagra gefunden worden518 Darüber hinaus wurden in mehreren griechischen Poleis Heiligtümer errichtet oder Feste veranstaltet, die daran erinnerten, dass Hermes in mythischer oder historischer Vergangenheit die Bürgergemeinschaft persönlich bei einer militärischen Auseinandersetzung unterstützt hatte Die Vorstellung von Hermes als einem mutigen und ruhmreichen Kämpfer findet sich schon in dem homerischen „Hymnos an Hermes“, in dem der Gott wiederholt als ἄλκιμος519 (kühn, mutig, stark) und κύδιμος520 (Ruhm/ Ansehen bringend) beschrieben wird Jene Facette spiegelt sich in Beinamen wie Πρόμαχος, Ἀγήτωρ und Σύμμαχος wider, wobei mit jedem Epitheton eine spezifische Form der Beteiligung des Gottes am Leben der Polisbürger bezeichnet ist Das Epitheton Πρόμαχος521 (der Vorkämpfer/Sieger), welches Hermes als denjenigen charakterisiert, der im Kampf voranging sowie die Kämpfenden anführte, erinnert an Ἡγεμόνιος Das zweite Heiligtum in Tanagra soll, so berichtet Pausanias, dem Hermes Πρόμαχος (der Vorkämpfer/Sieger) gewidmet gewesen sein522: „Von dem Promachos aber erzählen sie, er habe, als die Eretrier mit Schiffen aus Euboia gegen das Land der Tanagraier fuhren, die Epheben zur Schlacht geführt und selber als Ephebe mit dem Schaber gekämpft und am meisten zur Niederlage der Euboier beigetragen Im Heiligtum des Promachos liegt noch der Rest des Andrachnosbaums (Erdbeerbaum), und unter diesem Baum soll nach ihrer Meinung Hermes aufgewachsen sein “

Wiederum erfuhr der Perieget von den Bewohnern, wie es zur Einrichtung des Heiligtums gekommen sei: Bei einer Auseinandersetzung mit den Eretriern habe Hermes selbst in das Geschehen eingegriffen und somit den Sieg herbeigeführt Darüber hinaus, so Pausanias weiter, sei das Heiligtum an der Stelle errichtet worden, wo ursprünglich der Baum gestanden habe, unter dem der Gott geboren und aufgewachsen sei Gleichzeitig wird durch die Betonung des Geburtsmythos erklärt, warum Hermes eingegriffen haben soll Demnach wurde Hermes in der Polis Tanagra nicht nur als Stadtgott verehrt, sondern auch als Anführer und Beschützer in militärischen Auseinandersetzungen523 Dies wird von der boiotischen Dichterin Corinna, die aus Tanagra stammte, bestätigt In einem Fragment heißt es beispielsweise, dass Hermes für das 518 519 520 521 522

523

Athen Nat -Mus , Inv -Nr 12074 Zu Terrakotten: Strocka 2007, 131–139, Lullies 1931, 16–20 h Herm 101 Hes theog 938, h Herm 46/84/96/130/150/253/298/316/404/571, Pind O 14, 24 Siehe auch: RE s v Promachos, 642–646 Paus 9, 22, 2 (Übersetzung Meyer 2001): „τὸν δὲ Ἑρμῆν λέγουσι τὸν Πρόμαχον Ἐρετριέων ναυσὶν ἐξ Εὐβοίας ἐς τὴν Ταναγραίαν σχόντων τούς τε ἐφήβους ἐξαγαγεῖν ἐπὶ τὴν μάχην καὶ αὐτὸν ὅτε ἔφηβον στλεγγίδι ἀμυνόμενον μάλιστα ἐργάσασθαι τῶν Εὐβοέων τροπήν κεῖται δὲ ἐν τοῦ Προμάχου τῷ ἱερῷ τῆς τε ἀνδράχνου τὸ ὑπόλοιπον· τραφῆναι δὲ ὑπὸ τῷ δένδρῳ τὸν Ἑρμῆν τούτῳ νομίζουσιν “ Eine Münze aus traianischer Zeit fängt diese Szene ein [BMC Central Greece, 66, Nr 59] Allan 2018, 63, Jeammet 2003, 23

2 1 Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge

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Wohl der Gemeinschaft gegen den Kriegsgott Ares gekämpft habe524 Entsprechend wird die Verbindung der Stadt mit Hermes sehr weit in die Geschichte der Stadt zurückprojiziert Der Beiname Πρόμαχος ist für Hermes exklusiv in Tanagra überliefert Ansonsten wurde das Epitheton vor allem bei Schutzgottheiten von Poleis verwendet, wie beispielsweise für Athena in Athen525 oder Herakles in Theben526 Auffällig ist, dass Letzterer als Schutzgott der benachbarten und gleichzeitig konkurrierenden Stadt Theben nicht nur den gleichen Beinamen wie Hermes in Tanagra trug, sondern dass sich zwischen den beiden Göttern und ihrer Verbindung zu der jeweiligen Polis auch weitere Parallelen finden lassen527 So soll Herakles in Theben geboren worden sein, während die Geburtsstätte von Hermes sich auf dem Gebiet von Tanagra befunden habe528 Außerdem konnte zum Beispiel der Angriff der Stadt Orchomenos auf Theben durch die herausragenden Taten des Herakles zu Gunsten der Polis entschieden werden, während der Überfall der Eretrier mit der Hilfe von Hermes abgewehrt werden konnte Demnach könnte die Wahl von Hermes als Beschützer Tanagras ihren Ursprung in der Auseinandersetzung der beiden boiotischen Städte gehabt haben, die sich auch in den Mythen niederschlug Angela Kühr schlug vor, dass die Stilisierung des Hermes zum Beschützer Tanagras mit der Konkurrenz der beiden boiotischen Städte Theben und Tanagra zu begründen sei529 Dementsprechend stelle Hermes Πρόμαχος einen bewussten Gegenentwurf zum gleichnamigen Herakles in Theben dar Eine solche Wahl kann nicht willkürlich erfolgt sein, sondern setzt die Wahrnehmung von Hermes als Gott des Kampfes und der militärischen Auseinandersetzung voraus Die Parallelität und Wechselwirkung der Heiligtümer für Herakles in Theben und für Hermes in Tanagra führte schon in der Antike zu Verwechslungen So ist in dem Scholion zu Lykophron aus Chalkis (circa 320–280 v Chr ) von einem Heiligtum des Hermes Λευκός (der Weiße) zu lesen530 Der Scholienschreiber gibt an, dass die Bewohner von Tanagra, um von der Belagerung durch die Eretrier befreit zu werden, einem Orakelspruch entsprechend, einen Knaben und ein Mädchen geopfert und im Anschluss dem Hermes Λευκός (der Weiße) ein Heiligtum errichtet hätten531 Un524 Corinna frg 666 (Campbell) 525 Vgl z B Alki 3, 51 Athena soll bei Marathon (490 v Chr ) gemeinsam mit dem Heer der Athener gekämpft haben und erhielt zum Dank eine weithin sichtbare, bronzene Statue von Pheidias (Paus 1, 28, 2/9, 4, 1, Sch Aristeid 17, 20, Sch Demosth or 22, 597, Ov Pont 4, 1, 31) Zur Darstellung der Athena: Meyer 2017, 345–349 526 Paus 9, 11, 4 Siehe auch: Polyain 2, 3, 8, Cic div 1, 74 527 Vgl Kühr 2006, 186–192/204, Schachter 1986, 46–47, Curtius 1867, 371 528 Hom Il 19, 96–99 529 Kühr 2006, 294–295 530 Sch Lykophr 679–680 Zur Diskussion des Beinamens: Schachter 1986, 49 531 Die Verbindung von Hermes mit dem Begriff Λευκός findet sich ebenfalls bei Cornutus, wobei er hier „hell“ und „leuchtend“ in Bezug auf die Weisheit meint (Corn Theol Graec 16, 4) Siehe auch: Macarius Paroemiographus 5, 53 (15 Jh ), der eine Verbindung zum Gott der Diebe herstellt

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

schwer ist zu erkennen, dass es sich bei diesem um das von Pausanias beschriebene Heiligtum des Hermes Πρόμαχος handelt Der abweichende Beiname resultiert aus einer Übertragung thebanischer Verhältnisse auf Tanagra In Theben gab es nämlich ein Kultbild des Herakles Promachos, das aus weißem Marmor (λίθος λευκός) gefertigt war und daher wurde der Heros auch als Λευκός angesprochen532 Fälschlicherweise wurde diese Beschreibung dann auf das Hermesbild in Tanagra übertragen In welcher Form die Polisgemeinschaft des Ereignisses gedachte, erwähnt Pausanias nicht Bei einem Fest für Hermes Πρόμαχος dürfte den Epheben sicher eine wichtige Rolle zugekommen sein, weshalb es möglich ist, dass bei demjenigen zu Ehren von Hermes Κριοφόρος (der Widderträger) in Tanagra auch dem Hermes Πρόμαχος geopfert wurde533 Dafür spricht, dass bei den Kulthandlungen die Sicherung der Gemeinschaft und ihrer Grenzen im Zentrum standen Aufgrund der Namensverwandtschaft soll außerdem auf das aus Sparta bekannte Fest Promacheia hingewiesen werden534 Die spärliche Überlieferung lässt erkennen, dass die Teilnahme sowohl Bürgern als auch Periöken gestattet war535 Teil der Festlichkeiten war eine Prozession sowie die Inszenierung von Aufbruch und Kampf Bei beiden kam den jungen Männern eine Schlüsselrolle zu536 Für ein mögliches Fest in Tanagra lässt sich daraus ableiten, dass die Epheben für dessen Ablauf wichtig gewesen sein könnten Vermutlich gab es auch in Tanagra Kampfinszenierungen, und den Epheben, in deren Rolle Hermes geschlüpft war, kam in der Prozessionsordnung eine ehrenvolle Stellung zu Mithilfe der Feierlichkeiten könnte die Erinnerung an die göttliche Unterstützung bei der Verteidigung der Stadt jedes Jahr erneuert worden sein, wobei vor allem Epheben die Zielgruppe bildeten Sie sollten mit der Geschichte und den Sitten ihrer Polis vertraut gemacht werden und das vorbildhafte Handeln ihrer Vorfahren nachahmen Vergleichbar mit der Einführung des Kultes in Tanagra ist die Errichtung eines Kultbilds für Hermes in Megalopolis Pausanias berichtet bei seinem Rundgang durch die Stadt das Folgende537:

532 Paus 9, 11, 4 533 Paus 9, 22, 1 Hierzu: 2 1 4 2 Grenzen bewahren 534 Vorgeschlagen wurde, dass das Fest zu Ehren eines spartanischen Heros gefeiert wurde (RE s v Promachos) Möglicherweise gibt eine Statue der Athena Promachos von der spartanischen Agora Aufschluss Dazu: Palaggia 1993, 167–175, Niemeyer 1960 535 Athen 15, 674a–b Dazu: Nilsson 1995, 470, RE s v Promacheia, 641 536 Während der Ausbildung der Knaben in Sparta wurden sie zum Diebstahl animiert (Plut Lykurgos 17, 3–4) Möglicherweise war diese Praktik ebenfalls mit Hermes verknüpft, obgleich Quellen dafür fehlen 537 Paus 8, 31, 7 (Übersetzung Meyer 2001): „κεῖται δὲ ἐντὸς τοῦ περιβόλου θεῶν τοσάδε ἄλλων ἀγάλματα τὸ τετράγωνον παρεχόμενα σχῆμα, Ἑρμῆς τε ἐπίκλησιν Ἀγήτωρ καὶ Ἀπόλλων καὶ Ἀθηνᾶ τε καὶ Ποσειδῶν, ἔτι δὲ Ἥλιος ἐπωνυμίαν ἔχων Σωτὴρ δὲ εἶναι καὶ Ἡρακλῆς “ Dazu: Kahn 1979, 202

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„Es stehen innerhalb des Bezirks auch noch folgende Götterbilder in der viereckigen Form, Hermes mit Beinamen Agetor (der Anführer) und Apollon und Athena und Poseidon, ferner Helios mit dem Beinamen Soter (der Retter) und Herakles “

In dem Heiligtum der Großen Göttinnen auf der Agora waren mehrere Tempel untergebracht Wohl frei innerhalb des heiligen Bezirks standen die Hermen für die aufgezählten Götter Neben Apollon, Athena, Poseidon, Helios Soter und Herakles erhielt auch Hermes Ἀγήτωρ (der Anführer) an dieser Stelle eine Herme Dieses Epitheton ist sonst vor allem für Zeus überliefert Xenophon berichtet in seiner „Verfassung der Spartaner“ (4 Jh  v Chr ) von den Kulthandlungen der Lakedaimonier für den Göttervater538: „Aber ich will nun zum Anfang zurückkehren und mich damit befassen, wie der König mit dem Heer ausrückt Zunächst nämlich opfert er in der Heimat dem Zeus Agetor (=dem Führer) und den mit ihm verehrten Göttern; wenn dort günstige Vorzeichen empfangen werden, so nimmt der Feuerträger Feuer von dem Altar und trägt es sodann zu den Grenzen des Landes Dort opfert der König wiederum dem Zeus und der Athene “

Zeus Agetor wurde angerufen, wenn Sparta in den Krieg ziehen wollte Dafür erbat der König die Zustimmung und Mithilfe des Götterkönigs, indem zuerst ein Opfer innerhalb der Stadt vollführt wurde und die Opfergemeinschaft anschließend zu den Grenzen ging, um dort ein weiteres Opfer an Zeus und Athena darzubringen Für das Gelingen des Unternehmens war sowohl das Opfer im Zentrum der Stadt, möglicherweise auf der Agora, als auch die Prozession zu den Grenzen des Territoriums und das dortige Opfer ausschlaggebend Diese Kulthandlungen zeigen Parallelen zu der Hermesverehrung in Megalopolis Wie in Sparta standen die Bilder von Hermes Ἀγήτωρ und den anderen Schutzgottheiten der Stadt gemeinsam auf der Agora und ihnen zugeordnet war sicher ein Altar Neben Helios trug auch Kore, der das Heiligtum auf der Agora geweiht war, in Arkadien den Titel Soteira (die Retterin)539 Entsprechend meint der Beiname Ἀγήτωρ in Bezug auf Hermes nicht das Geleit auf einer Reise, sondern die Zustimmung zu einem Kriegszug und das Anführen bei diesem540 Das konkrete Ereignis, welches zur Aufstellung des Kultbildes führte, kann allerdings nicht mehr rekonstruiert werden Möglicherweise fand ebenfalls jeweils ein Opfer im Zentrum und an den Grenzen der Polis statt, die in Megalopolis von Heiligtümern des Hermes markiert waren541 Der Gott Hermes, der in Arkadien ohnehin eine große 538

Xen Lak pol 13, 2 (Übersetzung Rebenich 1998): „ἐπαναλήψομαι δὲ ὡς ἐξορμᾶται σὺν στρατιᾷ ὁ βασιλεύς θύει μὲν γὰρ πρῶτον οἴκοι ὢν Διὶ Ἀγήτορι καὶ τοῖς σιοῖν αὐτῷ· ἢν δὲ ἐνταῦθα καλλιερήσῃ, λαβὼν ὁ πυρφόρος πῦρ ἀπὸ τοῦ βωμοῦ προηγεῖται ἐπὶ τὰ ὅρια τῆς χώρας· ὁ δὲ βασιλεὺς ἐκεῖ αὖ θύεται Διὶ καὶ Ἀθηνᾷ “ Dazu: Jameson 1994, Popp 1957, 41–58 539 Paus 8, 31, 1 540 So z B Pritchett 1998, 131 mit älterer Literatur, Jost 1985, 452 541 Hierzu: 2 1 1 2 Grenzheiligtümer

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Rolle spielte, war für den Schutz der Polisgemeinschaft und die Sicherheit der Grenzen verantwortlich Daher könnte er auch erster Ansprechpartner gewesen sein, wenn die Zustimmung zu und die Unterstützung bei einer militärischen Unternehmung der Stadt oder in diesem Fall sogar des Arkadischen Bundes nötig war Dies wird dadurch unterstrichen, dass alle Götterbilder in dem Heiligtum auf der Agora die Form einer Herme hatten; Letztere waren, wie bereits gezeigt werden konnte, zugleich ein Zeichen der Magistrate und eine Grenzmarkierung Beide bisher behandelten Beinamen – Πρόμαχος und Ἀγήτωρ – beschreiben Hermes als denjenigen, der bei einer Bedrohung vorausging, das Heer anführte und damit den Schutz der Polisgemeinschaft sicherstellte Eine weitere Facette des Gottes in Bezug auf das Militärische spiegelt sich in dem Epitheton Σύμμαχος (der Verbündete/Mitkämpfer) wider, das in literarischen Texten des 5 Jh  v Chr und in Inschriften des 4 Jh  v Chr auftaucht Am Beginn der Tragödie „Die Weihgussträgerinnen“ (458 v Chr ) von Aischylos bittet Orestes, der gerade nach Mykene zurückgekehrt ist, Hermes um Hilfe542: „O Hermes Χθόνιος, väterlicher Macht Betreuer, | Werd Retter du, Mitkämpfer mir, der zu dir fleht! | Komm ich doch in dies Land und kehre wieder heim “

Der verzweifelte Heros ruft Hermes an, damit dieser ihn bei seiner Rache unterstützt In seinem Gebet nennt Orestes Hermes Χθόνιος (der Unterwelt/der Erde zugehörig), Σωτήρ (der Retter) und Σύμμαχος (der Verbündete/Mitkämpfer) Jeder dieser Beinamen steht für eine spezifische Funktion des Gottes Während Hermes Χθόνιος gleichzeitig den Besitz und das Land beschützte und als Bote zwischen Orestes und dem verstorbenen Agamemnon fungierte, wurde Hermes Σωτήρ für die sichere Rückkehr nach einer langen Reise gedankt543 Dagegen war Hermes Σύμμαχος der Verbündete von Orestes bei seiner Mission und stand ihm bei dem Kampf gegen seine Mutter Klytaimnestra und deren Liebhaber Aigisthos bei Hermes konnte bei gewalttätigen Auseinandersetzungen demnach nicht nur die führende Rolle einnehmen, sondern auch gemeinsam mit einer Partei kämpfen Diese Wahrnehmung beschränkt sich jedoch nicht auf die Tragödien und die darin vermittelten mythischen Kontexte, sondern lässt sich auch in den Inschriften greifen So erscheint Hermes in einem Symmachievertrag zwischen Philipp II von Makedonien und den Chalkidiern gegen Athen544 Laut Inschriftentext geht das Bündnis auf einen Orakelspruch des pythischen Apollon zurück, der hier zitiert wird545: 542 Aischyl Choeph 2 (Übersetzung nach Werner 2011): „Ἑρμῆ χθόνιε, πατρῷ᾽ ἐποπτεύων κράτη, | σωτὴρ γενοῦ μοι ξύμμαχός τ᾽ αἰτουμένῳ· | ἥκω γὰρ ἐς γῆν τήνδε καὶ κατέρχομαι “ 543 Hierzu: 2 4 1 2 Kult/2 1 1 3 2 Das Militär, die Seereisenden und Händler 544 Zum Begriff Symmachie: Dreher 2003, 27–28 545 Vgl TAPhA 65 (1934), 105, Z 12–16 (=Tod 1950, Nr 158, 357/356 v Chr ) Inschrift: „[ἔχρησεν ὁ θεὸς Χαλκιδεῦσι κ]αὶ Φιλίππωι λώ[ι]όν τε κα[ὶ ἄμει]νον εἶμεμ φίλους τε καὶ | [συμμάχους γίνεσθαι κατὰ τὰ ὡμο]λογημένα· θῦσαι δὲ καὶ [καλ]λιερῆσαι Διὶ Τελέοι καὶ | [Ὑπάτωι, Ἀπόλλωνι Προστατηρίωι],

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„Der Gott hat verkündet den Chalkidiern und Philipp: Es ist vorzuziehen und besser Freunde und Verbündete zu werden in Einvernehmen mit der Vereinbarung Opfert und erhaltet gute Omen von Zeus Teleos und Hypatos, Apollo Prostaterios, Artemis Orthosia, Hermes Und betet, dass das Bündnis mit gutem Geschick sein wird Und gebt Geschenke dem pythischen Apollon und erinnert euch des Gegebenen “

Der Vertrag wurde auf einer Kalksteinstele westlich von Olynthos gefunden Da Olynthos die Hauptstadt des Chalkidischen Städtebundes war, wurde eine Abschrift des Vertrages an der Grenze des Polisterritoriums aufgestellt546 Nachdem Philipp den Olynthiern zusätzlich das Gebiet von Anthemus übergeben hatte, waren beide sogar direkte Nachbarn547 Der Orakelspruch sagt aus, dass der Zusammenschluss im Sinne der Götter sei und die Parteien für das Gelingen desselben an eine festgelegte Gruppe von Göttern zu opfern haben Außerdem sollte der Orakelgott Geschenke erhalten Bestandteil des Orakelspruchs ist auch eine Mahnung, den Vertrag einzuhalten Werden die Beinamen der Götter analysiert, fällt auf, dass diese entweder dem militärischen Bereich – Zeus Teleos (der Allmächtige), Apollon Prostaterios (der Beschützer) – oder dem Bereich von Aufrichtigkeit und Treue – Artemis Orthosia (die Aufrechte) – zugeordnet sind Eine Ausnahme ist Zeus Hypatos (der Höchste), bei dem es sich um ein Epitheton handelte, mit dem die makedonischen Könige Zeus ansprachen548 Mit den Opfern an eben diese Götter verpflichteten sich die Vertragsparteien zur Einhaltung der Bestimmungen Somit kann auch die Rolle von Hermes, der keinen Beinamen trägt, innerhalb dieser Bereiche gesucht werden Einerseits sollte er den Vertragsparteien im Falle eines gemeinsamen Feldzuges gegen Athen beistehen Andererseits tritt Hermes hier als Schwurgott auf, der die Einhaltung der Vertragsbestimmungen kontrollieren und sicherstellen sollte549 So wurde Hermes auch in einem Freundschaftsabkommen zwischen der kretischen Polis Olountios und den Rhodiern von 201/200 v Chr unter den Schwurgöttern genannt und erhielt dabei den Beinamen Ἡγεμών550 (der Anführer) Diese Funktion ist aber bereits in einer Inschrift aus Gortyn aus dem 5 Jh  v Chr fassbar, in der Hermes als Schutzgottheit der Polis und ihrer Normen in Erscheinung tritt551 Überträgt man das Gesagte auf den Symmachievertrag zwischen Philipp II und den Chalkidiern, kann festgehalten werden, dass die Opfer an die genannten Götter

546 547 548 549 550 551

Ἀρτέμιδι {[ο]ρ} Ὀρθ[ω]σίαι, Ἑρμ[ῆι], καὶ κατὰ τύχαν ἀγαθὰν | [ἐπεύχεσθαι τὰν συμμαχίαν] ἐσσεῖσθαι, καὶ Πυθ[ώδ]ε τῶ[ι Ἀ]πόλλωνι χαριστήρια vacat | [ἀποδιδόναι, καὶ μνασιδωρ]εῖν vacat“ Dazu: Zahrnt 1971, 104–106 Vgl Zahrnt 1971, 80–111, bes 104–106 Demosth or 2, 1/6, 20, Lib Hypothesis Demosth or 1 Vgl Mitchell 1999 Hierzu: 2 6 3 Hermes und das Recht SEG 23–547, Z 53 (201/200 v Chr ) IC IV 51 (5 Jh  v Chr ) Hierzu: 2 6 3 1 Vermittler des Rechts und Schwurgott

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dem Erfolg der Allianz zuträglich sein sollten Hermes sollte in seiner Funktion als „Symmachos“ die Einhaltung der Vertragsbestimmungen überwachen und den Parteien im Kriegsfall zur Seite stehen Im Gegensatz zu seiner Funktion als Πρόμαχος oder Ἀγήτωρ soll Hermes hier nicht als Anführer auftreten, sondern den Verbündeten helfen 2.1.4.3 Grenzen überschreiten Jedes Fest kann als Gegenteil des Alltags bezeichnet werden, da zum Beispiel nicht gearbeitet und bestimmte Kleidung getragen wurde552 Bei einigen Festen war der Unterschied zum Alltäglichen aber deutlicher wahrnehmbar als bei anderen Zu Letzteren zählten Feierlichkeiten, bei denen Grenzen von einer Stadt- oder Festgemeinschaft bewusst überschritten wurden Dabei sind nicht länger die Abmessungen von Territorien gemeint, sondern vielmehr Grenzen im sozialen und politischen Gefüge der Polis Für den Hermeskult sind diese besonders aufschlussreich, da Hermes in den Mythen als Grenzgänger charakterisiert wird553 Jedoch unterscheidet er sich in vielerlei Hinsicht von anderen göttlichen Grenzgängern, denn er überschreitet die Grenzen häufiger und immer ein bisschen weiter als andere Gottheiten Außerdem verkehrt er nicht nur zwischen dem Olymp und der Erde, sondern auch im Hades Der Gott galt als Patron von Verhaltensweisen, die der Ordnung in jeder Hinsicht entgegenstanden: Lügen und Stehlen554 Der lügende Gott taucht schon in den frühesten Zeugnissen auf, wenn Hermes im homerischen Hymnos vor Zeus einen Meineid leistet555 Der unehrliche Schwur entwickelte sich zu einem literarischen Topos und wurde beispielsweise in der Komödie „Die Ritter“ (424  v Chr ) von Aristophanes aufgegriffen, wenn ein Würstchenverkäufer unter Verweis auf Hermes einen falschen Eid leistet556 Ebenfalls in der Fabelliteratur ist von Hermes als demjenigen die Rede, der die Lüge in der Welt verbreitet557 Im Gegensatz zu den anderen Olympiern galt Hermes als besonders schlau, was vor allem dann zum Tragen kam, wenn List und Täuschung gefragt waren558 Diese Fähigkeiten gab er auch an seine Nachkommen, wie beispielsweise Autolykos, weiter559 Autolykos wiederum, ein Sohn von Hermes 552 553 554 555 556 557 558 559

Chaniotis 1995, 148 Burkert 1985, 157–158, Kahn 1978, 177–180, Bérard 1974, 25–26 Aisop 103/309 (Perry) Vgl Allan 2018, 23–25, Kahn 1978, 75–100 h Herm 368–386 Sie auch: Anth Gr 9, 317 (3 Jh  v Chr ) Aristoph Equ 296–298 mit Sch Babr 57 (Perry), Phaedr 103 Allan 2018, 23–24, Schenk zu Schweinsberg 2017, 75, Vergados 2013, 65–67 Hes frg 64, 15–18 (West), Hom Il 10, 266–267, Hom Od 19, 395, Apollod 1, 112, Ov met 11, 301–317, Hyg fab 200, Eust Hom Il 3, 65, P Herc 243, 3 (Philodem p euseb ) Pausanias bestreitet als einer der wenigen Autoren, dass Autolykos ein Kind des Hermes sei Er nennt Daidalion als Vater (Paus 8, 4, 6) Dazu: Clay 2019, 70–71

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und Chione, war selbst Vater und Großvater mehrerer mythischer Gestalten, die sich alle durch Gerissenheit und herausragende Intelligenz auszeichneten560 Von diesen wurde Odysseus am detailliertesten beschrieben und für seine Listigkeit gerühmt561 Jener wurde als einziger neben Hermes mit Beinamen wie Ποικιλομήτης562 (der voll von verschiedenen Listen), Πολύμητις563 (der von vielen Ratschlägen), Πολυμήχανος564 (der Erfindungsreiche) oder Πολύτροπος565 (der Vielgereiste/Vielgewandte) versehen Der stehlende Gott erscheint ebenfalls bereits in den frühen Zeugnissen, wobei besonders im homerischen „Hymnos an Hermes“ der Diebstahl der Rinder Apollons ausführlich beschrieben wird566 Sarah Iles-Johnston weist aber darauf hin, dass das an mehreren Stellen in der frühgriechischen Literatur belegte Rinderraubmotiv als ein Übergangsritual der jungen Männer in das Erwachsenenalter zu lesen ist, welches in archaischer Zeit mit Raubzügen zusammenhing567 Entsprechend stand in den archaischen Quellen nicht der Diebstahl im Zentrum, sondern die Aufnahme in die Gemeinschaft der erwachsenen Männer Diese formierte sich durch die Veränderung in der gesellschaftlichen Struktur und das Aufkommen der Polis zu der geschlossenen Gruppe der Bürgerschaft Für den geregelten Übergang der jungen Männer von der Kindheit in das Erwachsenenalter war wiederum Hermes zuständig Somit wird auch deutlich, warum die Vorstellung von Hermes als Dieb und Herr der Diebe nur sehr bedingt Einzug in den Kult hielt, während Hermes als Helfer an den Schwellensituationen des Lebens in den griechischen Poleis allgegenwärtig war568 Obwohl die beschriebene Form der Initiationsrituale in klassischer Zeit nicht mehr durchgeführt wurde, blieb Hermes als zuständiger Gott weiterhin präsent 560 Hom Il 10, 267, Hom Od 19, 395, Hom Od 21, 219–220, Pherec frg 63 (Schibli), Apollod 1, 112, Hyg fab 200 Kinder: Antikleia (Hyg fab 201, Sch Soph Ai 190), Polymede (Apollod 1, 107) 561 Jaillard 2007a, 39, Raingeard 1934, 165–166 Zu Übereinstimmungen zwischen der „Odyssee“ und h Herm : Vergados 2013, 66, Shelmerdine 1986, 49–63, Shelmerdine 1984, 201–208, Shelmerdine 1981 562 Hermes [h Herm 155/514, Soph frg 592, 5 (Radt)], Odysseus (Hom Il 9, 308–314/11, 482, Hom Od 3, 163/7, 168/13, 293/22, 115/22, 202/22, 281) 563 Hermes (h Herm 319), Odysseus (Hom Il 1, 311, Hom Od 21, 274, Antisth 15, 14, Eust Hom Il 1, 311) 564 Hermes (h Herm 319), Odysseus (Hom Il 2, 173, Soph Phil 1135) 565 Hermes (h Herm 13–14/439), Odysseus (Hom Od 1, 1/10, 330, Plat Hipp min 365b) 566 Hermes als Rinderdieb [Louvre, Inv -Nr E 702, Caere, (550 v Chr ), CVA Louvre, Taf 8, 3–4, 10 (520 v Chr ), Beazley, ARV 369, 6 (ca 490–480 v Chr ), LIMC, s v Hermes 241 (480–470 v Chr )], Entführung der Io (CVA München, Staatliche Antikensamml 6, Taf 299–300] und Widderdieb [ABV 450, 3 (515–510 v Chr )] Siehe auch: Yalouris 1953–1954, 162–18, bes 147 567 Nestor, Rinderdiebstahl in seiner Jugend (Hom Il 11, 670–686), Diebstahl der Rinder des Helios (Hom Od 12, 333–396), von Apollon beauftragte „Spurensucher“ sollen Hermes und die gestohlenen Rinder finden [Soph Ichn 314/318] Dazu: Johnston 2002a, 109–132 Siehe auch: Allan 2018, 87–89, Schenk zu Schweinsberg 2017, 66 mit Anm 139 mit Aufzählung des Motives in anderen Kulturkreisen, Nobili 2011, 23–70, Sick 1996, 70–102 (Kulturvergleich) 568 Vgl z B Aristoph Plut 1139–1140 Hermes als Betrüger und Dieb im Mythos: Hermes soll die Leiche von Hektor stehlen (Hom Il 24, 24), Hermes befreit Ares (Hom Il 5, 390), Pandora (Hes erg 77–78)

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Figuren, die Ordnung und Chaos in sich vereinen, sind aus verschiedenen Religionen bekannt, weshalb für diese eine gemeinsame Bezeichnung gefunden wurde: Trickster569 Der Religionswissenschaftler William Hynes hat sechs Charakteristika, die von vielen Tricksterfiguren geteilt werden, entworfen570: Zum Ersten haben sie einen mehrdeutigen oder ungewöhnlichen Charakter, der von Extremen geprägt ist Zum Zweiten treten die Figuren als „Trickbetrüger“ auf, welche sich durch Lüge und Betrug einen eigenen Vorteil verschaffen Zum Dritten sind sie Formwandler, die entweder ihren Körper oder aber äußere Merkmale, wie die Kleidung, verändern können Viertens agieren sie als „Situation-Invertor[s]“ und Improvisationstalente, welche die Fähigkeit besitzen, jede Situation, Person oder jeden Ort in das Gegenteil zu verkehren Zum Fünften sind sie als Götterboten dafür prädestiniert, zwischen Menschen und Göttern zu vermitteln Zum Sechsten können sie als Alleskönner, die zwischen Heiligkeit und Frevelhaftigkeit schwanken, bezeichnet werden Gemeinsam mit William Doty unterstreicht Hynes weiterhin, dass es nicht ausreiche, herauszustellen, dass es sich bei einem Gott um einen Trickster handelte Vielmehr müssen die damit verbundenen spezifischen historischen und religiösen Rahmenbedingungen untersucht werden571 Ihrer Meinung nach würden die Figuren dafür benutzt, um die Regeln und Normen innerhalb einer Gesellschaft zu institutionalisieren Daher sind sie nicht antisozial oder antireligiös, sondern ein Modell für die Regeln der Gemeinschaft, da sie in ihrem schlechten Verhalten von der Gemeinschaft sozial sanktioniert würden Auf diese Weise können die Figuren ordnungsstiftend und gemeinschaftsbildend sein Aus diesem Grund würden die Geschichten von Trickstern immer wieder erzählt und aufgeführt werden, weil sie nicht nur unterhaltsam, sondern auch instruktiv seien Athanassios Vergados hat den Hermes des homerischen Hymnos auf die Charakteristika eines Tricksters hin untersucht572 Er kommt zu dem Schluss, dass die Figur im Hymnos mit seinen Handlungen festgelegte Muster der Gesellschaft und Ordnung – Opfer, Symposion, Musik, Vorhersagen, Sprache, Beweisführung – infrage stellt Doch findet sich dieses Infragestellen von sozialen Grenzen und gesellschaftlicher Ordnung auch in der Kultpraxis wieder? Zur Beantwortung dieser Frage soll im Folgenden zwischen einer dauerhaften und einer kurzzeitigen Überschreitung von Grenzen unterschieden werden, die in einem Fest vollzogen wurden Diese Differenzierung ist wichtig, da die dauerhafte Überschreitung meist im Rahmen des geregelten gesellschaftlichen Ablaufs geschah, wäh569 Zum historischen Überblick der Forschung zum Thema: Allan 2018, 89–91, Vergados 2013, 38–39, Fletcher 2008, 30–33, Hyde 1999, Hynes/Doty 1997a, 16–26 570 Hynes 1997, 28–34 für die folgenden Ausführungen 571 Hynes/Doty 1997b, 9–12 für die folgenden Ausführungen 572 Vergados 2013, 38, Hynes 1997 Zum Anti-Opfer: Stocking 2017, 90–92, Versnel 2011, 309–319, Jaillard 2007a, 101–108, Larson 2005, 1–16, Burkert 2002, 18–19, Haft 1996, 29/39, Clay 1989, 118–127, Burkert 1984, 835–845, Kahn 1978, Brown 1947, 107–108/126 Zu Hermes als Trickster: Allan 2018, 89–91/96–98/100–102

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rend die kurzzeitige Überschreitung eine bewusste Umkehrung der Ordnung mit anschließender Rückkehr zur Normalität darstellte Hermes tritt demnach nur bei Festen der kurzzeitigen Überschreitung als Trickster in Erscheinung Zu der Gruppe der Festveranstaltungen, bei denen Hermes eine dauerhafte Grenzüberschreitung begleitete, gehörten vor allem diejenigen, bei denen einzelne Mitglieder oder Gruppen innerhalb der Gemeinschaft von einer vorgesehenen Entwicklungsstufe zur nächsten übergingen und dabei des göttlichen Schutzes bedurften Dazu zählte die wichtige Transformation der jungen Männer von Kindern zu vollwertigen Bürgern oder der Übergang lediger Bürger und Bürgerinnen in die Ehe573 Dagegen werden Feste, bei denen es zu einer kurzzeitigen Grenzüberschreitung kam, in der Forschung als „Ventilfeste“, „Feste der verkehrten Welt“ oder „karnevaleske Feste“ bezeichnet574 Dieses aus der Soziologie übernommene Konzept wurde für die Altertumswissenschaften von Christoph Auffarth nutzbar gemacht575 Mithilfe seiner kulturwissenschaftlichen Herangehensweise konnte er herausstellen, dass in der frühen griechischen Religion Chaos und Ordnung eng nebeneinander lagen576 Um dem dauerhaft drohenden Untergang begegnen zu können, wurden unter anderem Feste in die Gemeinschaft integriert, durch welche die Ordnung bewusst verkehrt und nach einer festgelegten Zeit wieder hergestellt wurde577 Auffarth führt aus, dass zur Erhaltung der Ordnung innerhalb einer Gemeinschaft die Regeln ritualisiert und institutionalisiert gebrochen würden, um dann wieder hergestellt werden zu können578 Voraussetzung dafür sei, dass die Teilnehmer der Feste auch außerhalb der tatsächlichen Festdauer einer sozialen Gruppe zugehörig seien und dass die Rolle, die sie als Gruppe bei den Festen einnähmen, meist die einer Gegengruppe ist, wie beispielsweise Sklaven und Herren oder Männer und Frauen, so Auffarth weiter Darüber hinaus sei an diesen Festen das Besondere, dass neben den Bürgern auch Gruppen, die in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung traten, wie Frauen und Sklaven, zu Hauptakteuren werden konnten Als Gründe für solche Festpraktiken nennt Christoph Auffarth zum einen, dass die Ordnung an die jüngeren Mitglieder der Gemeinschaft weitergegeben werden sollte579 Zum anderen sei dieselbe durch die Umkehrung immer wieder auf den Prüfstand gestellt worden580 Entsprechend waren diese Feste nicht modernisierend, sondern konservativ sowie darauf ausgelegt, die Ordnung zu bewahren581 Als Beispiele für solche Feste und Rituale im griechischen Kulturraum nennt Christoph 573 574 575 576 577 578 579

Hierzu: 2 3 3 2 Der Weg in die Ehe Vgl Fugger 2013, 25–38 Vgl Auffarth 1991, Kap 1 Siehe auch: Gordon 2013 Vgl Auffarth 1991, 6–15 Gordon 2013, 46 Auffarth 1991, 22–28 für die folgenden Ausführungen Vgl z B das Fest der Kinder während der Anthesterien in Athen: Dreijährige erhielten einen Kranz [IG II2 1368, Z 130 (2 Jh n Chr )] Dazu: Neils/Oakley 2003, 145–149 580 Auffarth 1991, 31 Siehe auch: Parker 2011, 205–213 581 Fugger 2013, 35

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Auffarth die Totenrückkehr, das ritualisierte Verspotten oder den Rollentausch Nach der begrenzten Zeit der Unordnung kehrte die Gemeinschaft in ihren normalen Zustand zurück582 Der Gott Hermes konnte sowohl Patron solcher Feste sein als auch bei Festen anderer Götter als Ansprechpartner für ordnungsverkehrende Praktiken fungieren Zur Analyse solcher Feste und Rituale arbeitete der Ethnologe Victor Turner in seinen vergleichenden Studien drei Phasen heraus: Bruch, Krise und Neukonstruktion583 Dabei unterstreicht er, dass diese Feste zwar der Bestätigung der Ordnung dienten, aber in beschränktem Maße Raum für Veränderungen ließen, ohne dabei Kritik an der bestehenden Ordnung zu äußern Hermes löste in der Vorstellungswelt der Kultteilnehmenden den Bruch aus, war aber auch stets an der Neukonstruktion beteiligt584 Nachfolgend stehen Feste des Hermes oder anderer Götter im Zentrum, bei denen Hermes in Bezug auf die Verkehrung der Ordnung eine Rolle spielte585 Am Beginn steht das Fest für Hermes Χαριδώτης586 (der Spender von Freude/ Glück), das auf Samos begangen wurde In seiner Sammlung „Griechischer Fragen“ (1 /2 Jh ) berichtet Plutarch von dem Brauch587: „»Was ist das bei den Samiern, dass sie jedes Mal, wenn sie Hermes Charidotes opfern, jedem, der möchte, erlauben zu stehlen und Kleidung zu stehlen?« Weil sie, einem Orakelspruch gehorchend, ihren Wohnsitz von Samos nach Mykale verlegten und dort zehn Jahre von Piraterie lebten: und nach dieser Zeit segelten sie zurück nach Samos und besiegten die Feinde “

Für die sichere Rückkehr dankten die Samier nicht dem Orakelgott, sondern Hermes Χαριδώτης und richteten ein Fest für ihn ein, in dessen Verlauf das Stehlen erlaubt war Es kam demnach zu einer bewussten Verkehrung der Ordnung, welche auf die Dauer des Festes beschränkt war Weiterhin betont Plutarch, dass nicht nur das Stehlen, sondern auch der Diebstahl von Kleidung gestattet gewesen sei, was zu einer älteren Quelle führt, die weitere Aussagen zu dem Hermesfest zulässt In einer Inventarliste des Heraions von Samos wird Kleidung für den Gott Hermes erwähnt588:

582 583 584 585 586 587

Vergados 2013, 38 Vgl Turner 2009 Kahn 1978, 56 Vgl für weitere Beispiele: Gordon 2013, 44–51 Hom h 18, 12, Plut qu Gr 55 Plut qu Gr 55: „»διὰ τί τοῖς Σαμίοις, ὅταν τῷ Ἑρμῇ τῷ χαριδότῃ θύωσι, κλέπτειν ἐφεῖται τῷ βουλομένῳ καὶ λωποδυτεῖν;« ὅτι κατὰ χρησμὸν ἐκ τῆς νήσου μεταστάντες εἰς Μυκάλην ἀπὸ λῃστείας δέκα ἔτη διεγένοντο· καὶ μετὰ ταῦτα πλεύσαντες αὖθις εἰς τὴν νῆσον, ἐκράτησαν τῶν πολεμίων “ Dazu: Allan 2018, 14 588 IG XII 6, 1, 261, Z 31–33 (346/345 v Chr ) Inschrift: „ἱμάτια Ἑρμέω ∶ κιθῶνες ΔΔΔΓΙΙΙ, τ[ο]- | ύτων ὁ Ἑρμῆς ἕνα ἔχει ∶ ἱμάτια ∶ ΔΔΔΔΓΙΙΙ· τούτων ὁ Ἑρμῆς ἔχει ἕν· ἀπὸ | τούτων τῶν ἱματίων ὁ Ἑρμῆς ὁ ἐν Ἀφροδίτης ἔχει δύο·“

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„Gewänder des Hermes: 38 Chitone, von diesen | trägt Hermes einen; 48 Himatia, von diesen trägt Hermes einen Von | diesen Gewändern trägt der Hermes (in dem Tempel) der Aphrodite zwei “

Der Inschrift ist zu entnehmen, dass Hermes in Samos verschiedene Gewänder als Weihgaben erhielt und diese im Heratempel aufbewahrt wurden Da Gewänder nicht zu den bevorzugten Weihgaben für den Gott gehörten, dürfte es sich um die Kleidung handeln, die bei dem von Plutarch beschriebenen Fest eine Rolle spielte Einer der wenigen weiteren Belege für solche Weihgabe an Hermes findet sich in einer Abrechnung der Hieropoioi aus dem Apollontempel in Delos589 Hier heißt es, dass Hermes und Hera Leinengewänder geweiht bekamen Ebenfalls besonders ist, dass die Standbilder des Hermes in Samos tatsächlich mit den Gewändern bekleidet wurden590 Mithilfe der Inschrift lässt sich das Fest für Hermes Χαριδώτης nicht nur mindestens in das 4 Jh  v Chr zurückdatieren, sondern es können auch Aussagen über die Kultpraxis getroffen werden Während der Festlichkeiten war Diebstahl toleriert, wobei vor allem Kleidung entwendet wurde Die gesellschaftlichen Normen wurden bewusst gebrochen, um wieder hergestellt werden zu können, denn das Stehlen war eine Sühnehandlung für die Beute, welche die Samier während ihres zehnjährigen Exils mithilfe der Piraterie machten Die Inventarliste legt nahe, dass die Gewänder am Ende des Festes dem Hermes geweiht wurden Überdies kann das Fest in die drei Phasen nach Victor Turner eingeteilt werden, in denen Hermes jeweils eine herausragende Position einnahm Der Gott begleitete die Menschen, nachdem es zum Bruch – zur Vertreibung von Samos – gekommen war Außerdem stand dieser den Samiern in der Krisenzeit des Exils zur Seite Bei der Neukonstruktion der Ordnung, die sich in der Rückkehr nach Samos manifestierte, half Hermes ebenfalls und erhielt dafür eine Ehrung Während der Festlichkeiten wurden die Vertreibung, die Piratentätigkeit und die Rückkehr nachgespielt, die damit in die kollektive Erinnerung eingingen Die Neukonstruktion der Ordnung wurde mit dem gemeinsamen Opfer, bei dem die Gewänder dem Gott übergeben wurden, abgeschlossen Somit diente die Institution des Festes zum einen dazu, das Wissen um regelkonformes Verhalten an die jüngere Generation weiterzugeben, zum anderen, die Regeln immer wieder zu prüfen und als aktuell und gültig zu bestätigen Warum aber wurde ausgerechnet Hermes auf diese Weise verehrt? Die Erklärung, dass er der Gott der Diebe war, greift zu kurz, da sich diese Funktion zwar häufig in den Mythen findet, in die Kultpraxis aber kaum Eingang gefunden hat Vielmehr muss in die Überlegung einbezogen werden, dass Hermes ein Gott der Reisenden zu Land und zu Wasser war, der den vertriebenen Samiern beistand Ihm verdankten sie auch

589 IG XI 2, 154, frg A, Z 22 (296 v Chr ) 590 Reuthner 2006, 275/280

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die glückliche Rückkehr591 Außerdem wurde Hermes der wirtschaftliche Erfolg zugeschrieben, den die Vertriebenen durch die Piraterie verzeichneten Nur so erklärt sich der sonst kaum belegte Beiname Χαριδώτης, der mit „Spender von Freude oder Glück“ zu übersetzen ist In Samos wurde er aber nicht als Bringer von unverhofftem Gewinn angesehen, sondern als Retter aus einer für die Gemeinschaft bedrohlichen Situation Eine größere Gruppe von Festen, bei denen Hermes als Patron der Grenzüberschreitung auftrat, bildeten diejenigen, bei denen es zu einem Rollentausch kam Dabei kann nochmals unterschieden werden zwischen Ritualen, bei denen Bürger und Nichtbürger ihre Rollen wechselten, und denjenigen, bei denen Männer und Frauen in die Rolle des jeweils anderen Geschlechts schlüpften592 Für die griechische Antike sind mehrere Feste oder Rituale belegt, bei denen Freie und Unfreie für einen festgelegten Zeitraum ihre Rollen tauschten593 In zwei überlieferten Fällen war dieser Rollentausch mit einem Fest oder einem Opfer zu Ehren von Hermes verbunden Für einen dritten Fall kann eine Beteiligung von Hermes wenigstens vermutet werden Zum einen fand im kretischen Kydonia ein solches Fest statt, worüber zwei antike Texte Auskunft geben594 Beide Texte sind aufgrund ihrer Entstehungszeit und fragmentarischen Überlieferung mit Vorsicht zu behandeln Der ältere Text stammt aus der Feder von Ephoros von Kyme (4 Jh  v Chr ), der festhielt595: „[…] Die Kreter nennen Sklaven Klarotai nach dem Los, welches ihnen zuteilgeworden ist Es werden mehrere Feste zu ihren Ehren in Kydonia gefeiert, zu denen die Freien nicht innerhalb der Stadt erlaubt sind, aber die Sklaven über alles herrschen und die Befugnis haben, die Freien zu schlagen “

Die Bürger mussten sich zur Festzeit außerhalb der Stadtmauern aufhalten, während der Bereich innerhalb der Mauern von den Unfreien beherrscht wurde596 Demnach handelte es sich um einen Rollentausch zwischen Herren und Sklaven, der auch in räumlicher Hinsicht vollzogen wurde Zur Zeit des Ephoros galten die Feste bereits als alt, sodass diese entweder archaische Wurzeln hatten oder solche auf Grund des unge-

591 Hierzu: 2 1 1 3 2 Das Militär, die Seereisenden und Händler 592 Vgl Parker 2011, 207–211 593 Zu den Pithoigia: Sch Hes erg 368–369 Dazu: Parker 2011, 211–213, Nilsson 1995, 371–374, Graf 1984, 249–250, Willetts 1959, 503–506, Farnell 1909, 8–9 594 Sporn 2002, 271 595 Ephor FGrH 70 F 29: „κλαρώτας […] Κρῆτες καλοῦσι τοὺς δούλους ἀπὸ τοῦ γενομένου περὶ αὐτῶν κλήρου, τούτοις δ᾽ εἰσὶ νενομισμέναι τινὲς ἑορταὶ ἐν Κυδωνίᾳ, ἐν αἷς οὐκ εἰσίασιν εἰς τὴν πόλιν ἐλεύθεροι, ἀλλ᾽ οἱ δοῦλοι πάντων κρατοῦσι καὶ κύριοι μαστιγοῦν εἰσι τοὺς ἐλευθέρους “ Siehe auch: Paus 8, 53, 4 596 Zu Besonderheiten der sozialen Gruppe der Sklaven auf Kreta: Gordon 2013, 46–48

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wöhnlichen Festablaufs unterstellt wurden Dass es sich bei einem dieser Feste um ein Hermesfest handelte, überliefert Karystios von Pergamon (2 Jh  v Chr )597: „Auf Kreta ereignete sich bei einem Fest für Hermes Gleiches, wie Karystios in seinen Historischen Erinnerungen sagt: »Die Herren mit einem grob gewebten Gewand [bekleidet] servierten, während die Sklaven des Haushaltes speisten« “

Bei einem Hermesfest bedienten die Herren ihre Sklaven Die kurzzeitig veränderte soziale Rolle wurde zusätzlich durch die Kleidung, welche die Herren trugen, betont Außerdem ist dem Text zu entnehmen, dass die Rituale im Kreis der Angehörigen eines Haushaltes durchgeführt wurden Die sozialen Regeln innerhalb der Stadt- und der Hausgemeinschaft wurden bewusst gebrochen, um unter Beteiligung aller wieder hergestellt zu werden Dabei bildeten die Hausherren und Sklaven auch im Alltag Gegengruppen Beide Texte erlauben die Rekonstruktion des Festablaufs Zunächst wurde ein Bruch im sozialen Gefüge herbeigeführt, indem die Freien und Unfreien ihre Rollen tauschten Der Bruch führte in eine Krise, welche durch die räumliche Trennung der Gruppen versinnbildlicht wurde, die entlang der Grenze zwischen Asty und Chora verlief Diese Grenze, die den Gegensatz zwischen städtischem und politischem Leben sowie ländlichem Leben symbolisierte, unterstand dem Schutz des Gottes Hermes Während der Phase der Krise, die zeitlich beschränkt war, versuchten die Bürger wiederholt, unbemerkt in die Stadt zu gelangen, um diese zurückzugewinnen So erklärt sich der Hinweis, dass die Sklaven ihre Herren bei Bedarf schlugen Nach Ablauf der Frist wurde die Ordnung in mehreren Schritten neukonstruiert Zuerst kehrten die Herren in die Stadt zurück, wodurch die räumliche Trennung überwunden wurde Der Höhepunkt des Festes war dann das gemeinsame Opfer an Hermes, wobei das Opferfleisch bei einem gemeinsamen Mahl verzehrt wurde Bei diesem Festessen bedienten die Herren, in Dienergewänder gekleidet, die Sklaven ihres Haushaltes Das Bedienen war auf Kreta eine Form der Respektsbekundung598 Erst nach dem Festmahl wurde in einem zweiten Schritt auch die soziale Ordnung wiederhergestellt, indem jeder die ihm zugewiesene Rolle wieder übernahm Hermes als Schirmherr des Festes überwachte den geregelten Ablauf und die Rückkehr zur Ordnung, wobei er als Schützer der Bürger und ihres Status sowie der Grenze auftrat Zum anderen können die Anthesterien als Paradebeispiel eines Festes der verkehrten Welt angeführt werden599 Laut Thukydides wurden die Anthesterien von allen Ioniern gefeiert, was durch die häufige inschriftliche Bezeugung noch unterstrichen

597 Karystios FHG IV, p 358–359, frg 13: „ἐν Κρήτῃ γοῦν τῇ τῶν Ἑρμαίων ἑορτῇ τὸ ὅμοιον γίνεται, ὥς φησι Καρύστιος ἐν Ἰστορικοῖς Ὑπομνήμασιν: εὐωχουμένων γὰρ τῶν οἰκετῶν οἱ δεσπόται ὑπηρετοῦσιν πρὸς τὰς διακονίς “ 598 Ephor FGrH 70 F 149 Siehe auch: Strab 10, 4, 20 599 Vgl Gordon 2013, 57–65

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wird600 Die Quellenlage erlaubt den ausführlichsten Einblick in die athenischen Feierlichkeiten, die wenigstens teilweise als Vorbild für andere Städte gedient haben dürften Es handelte sich um ein jährliches Fest, welches zu Ehren des Gottes Dionysos veranstaltet wurde601 Dabei standen vor allem die Weinernte und der Frühling im Zentrum Weil die Anthesterien jedoch ein Konglomerat aus ursprünglich alleinstehenden Ritualen mit verschiedenen Adressaten waren, müssen die einzelnen Elemente und ihre „Plots“ auch von diesem losgelöst betrachtet werden602 Das Fest erstreckte sich über drei Tage, wobei die einzelnen Tage nach den an diesen durchgeführten Praktiken und den dafür benötigten Gefäßen benannt waren603 Am ersten Tag (Pithoigia604) wurden die Vorratsbehältnisse, die Pithoi, geöffnet und der neue Wein erstmals probiert Damit einher gingen Libationen und Gebete an Dionysos sowie Gesänge und Tanz beim Heiligtum des Dionysos605 Der zweite Tag (Choen606) war nach den Choenkännchen benannt Diesen Festtag dominierte eine Prozession, welche die Epiphanie von Dionysos nachstellte und bei der die Umstehenden verspottet wurden, die Heilige Hochzeit mit der Basilinna sowie ein sich anschließender Trinkwettbewerb607 Christoph Auffarth betont die chaotischen Züge des Festes mit dem Wetttrinken am ersten Tag und dem Spott während der Wagenprozession und der Heiligen Hochzeit am zweiten Tag608 Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf den dritten Tag (Chytren), an dem besondere Riten für Hermes durchgeführt wurden609 Dieser Tag war nach dem Kessel benannt, in dem die Opfergabe zubereitet wurde, wie Theopompos von Chios (4 Jh  v Chr ) berichtet610: 600 Thuk 2, 15, 4 Belege für Anthesterien in Teos [CIG 3044 (469/459 v Chr )], Kyzikos [CIG 3655 (3 Jh  v Chr )], Rhodos (Hesych s v Ἀνθεστήρια), Smyrna (Nilsson 1995, 268–287 mit Quellenbelegen), Olbia (Hamilton 1992, 33–35); für Choes-Tag in Magnesia am Mäander (Possis FGrH 4 F 483), Syrakus [Hekat FGrH 1 F 225 (=Timaios FGrH 566 F 28)] und Herakleia ad Pontos (Athen 10, 437e) 601 Christoph Auffarth bezeichnet es als attisches Neujahrsfest (Auffarth 1991, 202) Zu den Anthesterien im Hellenismus: Köhler 1996, 25–27 602 Johnston 2007, 63, Hamilton 1992, 3 Zu „Plots“ von Festen: Parker 2011, Kap „The experience of festival“ 603 Hamilton 1992, 1 Zur Diskussion über die Chronologie der Festtage: Pickard-Cambridge 1991, 13, Parke 1977, 107–124 604 Plut symp 3, 7, 1 605 Athen 11, 465a, Phanod FHG I, p 368, frg 13, Alki 2, 3, 11 606 Harpokr s  v Χόες 607 Zur Prozession: Nilsson 1995, 270 Einige Forschende lehnen das Stattfinden einer Schiffsprozession aufgrund fehlender literarischer Quellen ab: Kapparis 1999, 326, Rumpf 1961, 211–212 Zu Hieros Gamos: Demosth or 59, 73–78, Aristot Ath pol 3, 5 Zum Trinkwettbewerb: Aristoph Ach 1000/1087 Siehe auch: Hamilton 1992 608 Vgl Auffarth 1991, 202–209 609 Vgl Lekythos des Tymbos-Malers (LIMC s v Hermes 630, ca 460 v Chr ), die Hermes mit Kerykeion und Zauberstab zeigt (Harrison 1900, 101–103) 610 Theop FGrH 115 F 347a: „Θεόπομπος τοὺς διασωθέντας ἐκ τοῦ κατακλυσμοῦ ἑψῆσαί φησι χύτραν πανσπερμίας, ὅθεν οὕτω κληθῆναι τὴν ἑορτήν· »καὶ θύειν αὐτοῖς ἔθος ἔχουσι ῾Ερμῆι Χθονίωι·« τῆς

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„Theopompos sagt, dass diejenigen, welche die Flut überlebten, (in einem) Kessel (einen Brei) aus allen Samen kochten, nach dem das Fest benannt ist Und sie hatten auch den Brauch dem Hermes Χθόνιος zu opfern, aber niemand kostete den (Brei aus dem) Kessel Dies taten die Überlebenden, damit Hermes besänftigt ist, und auch für die Toten Das Fest wurde abgehalten am 13 Tag des Anthesterion […] “

Nach der Deukalionischen Flut, die Zeus den Menschen wegen ihres frevelhaften Verhaltens gesandt und damit das Eherne Zeitalter beendet habe, hätten sich die Überlebenden versammelt, um ein gemeinsames Dankopfer darzubringen611 Dieses wurde dem Hermes geweiht, weil er, wie oben gezeigt wurde, den Menschen in Krisensituationen beistand Außerdem sollte Hermes in seiner Funktion als Bote in der Unterwelt die Todesopfer der Flut besänftigen und so die Lebenden beschützen Daher hätten die Opfernden mit Χθόνιος (der Unterwelt zugehörig oder der Erde/dem Erdboden zugehörig) auch einen Beinamen gewählt, der diese Facette des Gottes adressiert612 Weil den Menschen nach der Katastrophe nur wenig zur Verfügung stand, opferten sie einen aus den noch vorhandenen Samen gekochten Getreide-Gemüse-Brei (πανσπερμία), der ausschließlich dem Hermes vorbehalten war613 Zur Erinnerung an dieses Ereignis in mythischer Vorzeit wurde in Athen jährlich ein solches Opfer vollzogen Der Ablauf ist an einem weiteren Fragment von Theopompos abzulesen, welches im Scholion zu Aristophanes „Die Frösche“ (405 v Chr ) überliefert ist614: „»Sie haben den Brauch für sich keinem von den Olympischen Götter zu opfern, aber dem Hermes Χθόνιος Und von (dem Brei in) der Chytra, die alle in der Stadt kochen, kostet keiner der Priester Sie tun dies an genau dem Tag « Und er sagt: »Dies (tun) sie, um Hermes zu besänftigten um der Toten willen […] «“

In diesem Text heißt es ebenfalls, dass diejenigen, die vor der Flut gerettet wurden, an dem Tag, als sie sich ihrer Rettung sicher waren, das spezielle Opfer vollführten und in Erinnerung daran den Chytren genannten Brauch einführten Ein deutlicher Unterschied zum vorangegangenen Text liegt in der Beschreibung des Gottes: Zwar wird auch hier Hermes Χθόνιος als Empfänger genannt, dieser wird aber als im Gegensatz zu den olympischen Göttern stehend beschrieben, womit auf die Sphären von Olymp und Hades Bezug genommen wird Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der δὲ χύτρας οὐδένα γεύσασθαι τοῦτο δὲ ποιῆσαι τοὺς περισωθέντας ἱλασκομένους τὸν ῾Ερμῆν καὶ ὑπὲρ τῶν ἀποθανόντων ἤγετο δὲ ἡ ἑορτὴ ᾽Ανθεστηριῶνος τρίτηι ἐπὶ δέκα […] “ Siehe auch: Philoch FGrH 328 F 84a, Aristoph Ach 1076–1077 mit Sch , Aristoph Ran 211–219, Suda, s v Χύτροι 611 Apollod 1, 46–48 612 Hierzu: 2 4 1 2 Kult 613 Vgl Spineto 2004, 141–146, Immerwahr 1946, 245–260, Nilsson 1927, 128–130 614 Theop FGrH 115 F 347b: „»θύειν αὐτοῖς ἔθος ἔχουσι τῶν μὲν ᾽Ολυμπίων θεῶν οὐδενὶ τὸ παράπαν, ῾Ερμῆι δὲ Χθονίωι καὶ τῆς χύτρας ἣν ἕψουσι πάντες οἱ κατὰ τὴν πόλιν, οὐδεὶς γεύεται τῶν ἱερέων τοῦτο δὲ ποιοῦσι τῆι ἡμέραι « καὶ· »τοὺς τότε περιγενομένους ὑπὲρ τῶν ἀποθανόντων ἱλάσασθαι τὸν ῾Ερμῆν […]« “

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Brei von den Weihenden, nicht aber von den Priestern, gegessen werden durfte615 Beide Texte zeigen, dass das Ritual im Laufe seiner Geschichte verschiedene Anpassungsvorgänge durchlief Weiterhin berichten spätere Quellen, dass das Opfer nicht mehr nur Hermes Χθόνιος, sondern auch Dionysos galt616 Dass der Gott Dionysos eine Verbindung zur Unterwelt und zu den Toten hatte, konnte nochmals anhand der Goldtäfelchen, welche in Gräbern gefunden wurden, herausgestellt werden617 Möglicherweise ergänzten sich die Aufgabenbereiche der beiden Gottheiten bei den Anthesterien: Während Dionysos die Toten in die Unterwelt begleitete, sollte Hermes die sich bereits in der Unterwelt befindlichen Toten besänftigen und die Lebenden vor ihnen beschützen618 Die drei Phasen der Ventilfeste nach Victor Turner können auch in den Riten an den Chytren wiedererkannt werden Die Flut löste den Bruch aus, der die Gemeinschaft in eine Krise stürzte Zur Überwindung der Krise und Neukonstruktion der Ordnung opferten die Menschen dem Gott Hermes, der sie während der lebensbedrohlichen Situation begleitet hatte und sie auch zukünftig vor den Übergriffen der Toten beschützen sollte619 Weiterhin können die Vorgänge während der Chytren als Ventilsitte bezeichnet werden, da die Ordnung bewusst verkehrt wurde, indem nicht den olympischen Göttern, sondern den chthonischen Gottheiten geopfert wurde Das Ritual diente dazu, die Erinnerung an die Deukalionische Flut im kollektiven Gedächtnis zu erhalten und an die jüngere Generation als ständige Mahnung weiterzugeben Diese Umkehrung der olympischen Ordnung währte nur eine festgelegte Zeit und wurde durch ein weiteres, gemeinsam von der Festgemeinschaft durchgeführtes Ritual wieder vollständig aufgehoben Von diesem Ritual, welches gleichzeitig das Ende der Anthesterien bedeutete, berichten allerdings nur Autoren, die außerhalb des Untersuchungszeitraums wirkten Wegen seiner Ausführlichkeit und der breiten Quellenbasis soll hier der Text des mittelalterlichen Gelehrten Photios (9 Jh ) zitiert werden620: 615

Zum generellen Speiseverbot: Sch Aristoph Ach 1076, Suda s v πανσπερμία; Verbot für Priester: Theop FGrH 115 F 347a–b, Sch Aristoph Ran 218 HdAW 5/2, 181 (Brei für Tote), Parke 1977, 116 (Brei für Hermes), Simon 1983, 93 (Brei für Hermes), Johnston 2007, 64 (Brei für Hermes), Boehringer 2001, 41 (Brei für Tote), Ekroth 2002, 278 (Speiseverbot für Fleisch, Brei für FestteilnehmerInnen), Humphreys 2004, 251–252 (Brei für Priester verboten), Auffarth 1991, 237 (Speiseverbot für Priester der olympischen Götter) 616 Theop FGrH 115 F 347a–b, Sch Aristoph Ach 218/1076 Siehe auch: Parker 2005a, 295–296, Sourvinou-Inwood 1996, 304–305, Camps-Gaset 1994, 98/117, Hamilton 1992, 33–36/161–163, Farnell 1909, 11–15, Nilsson 1995, 508–509 617 Vgl Graf/Johnston 2013, Bernabé/Jiménez San Christóbal 2008 In den dionysischen Riten für den Übergang ins Jenseits spielte Hermes jedoch keine Rolle 618 Parker 2005a, 296 619 Auffarth 1991, 240, Burkert 1972, 223 Zu Bohnenbrei bei den Pyanopsien: Plut Theseus 22, 4–5 620 Phot s v Θύραζε Κᾶρες, οὐκέτ Ἀνθεστήρια (Übersetzung Isidor Brodersen): „»θύραζε Κᾶρες, οὐκ ἔτ Ἀνθεστήρια {ἦ}·« οἱ μὲν διὰ πλῆθος οἰκετῶν Καρικῶν εἰρῆσθαι φασιν, ὡς ἐν τοῖς Ἀνθεστηρίοις εὐωχουμένων αὐτῶν καὶ οὐκ ἐργαζομένων· τῆς οὖν ἑορτῆς τελεσθείσης λέγειν ἐπὶ τὰ ἔργα ἐκπέμποντας αὐτούς· »θύραζε Κᾶρες, οὐκ ἔτ Ἀνθεστήρια {ἦ}·« τινὲς δὲ οὕτως τὴν παροιμίαν φασί· »θύραζε Κᾶρες, οὐκ ἔνι Ἀνθεστήρια·« ὡς κατὰ τὴν πόλιν τοῖς Ἀνθεστηρίοις τῶν ψυχῶν περιερχομένων “

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„»Karer hinaus, nicht mehr Anthesterien«: Die einen sagen, es sei wegen der Menge der karischen Sklaven gesagt worden, weil diese an den Anthesterien festlich bewirtet wurden und nicht arbeiteten: Wenn das Fest also vorbei sei, sage man, indem man sie zur Arbeit schicke: »Karer hinaus, nicht mehr Anthesterien«: Manche aber sagen das Sprichwort so: »Karer hinaus, nicht in die Anthesterien«: Weil über der Stadt an den Anthesterien die Seelen umherziehen “

Mit dem benannten Ausspruch wurde die Phase des Chaos, die während der Anthesterien vorherrschte, für beendet erklärt, und die Neukonstruktion der Ordnung abgeschlossen Schon in der Antike wurde darüber diskutiert, wer mit den „Karern“ gemeint sein könnte621 Auch in der Forschung wurden verschiedene Erklärungsansätze vorgeschlagen, wobei antike und moderne Autoren sich darüber einig sind, dass die Anwesenheit der Karer die Unordnung symbolisierte Dem gelehrten Photios waren zwei Erklärungen bekannt, welche die Grundlage der folgenden Ausführungen bilden: Entweder waren die Karer Sklaven oder sie hatten eine Verbindung zum Jenseits Für die Sklaven-These spricht nicht nur, dass es tatsächlich viele karische Sklaven in Athen gab, sondern auch, dass es Sklaven erlaubt war, an den Anthesterien mitzufeiern622 Für die Dauer des Festes waren die Unfreien von ihren Pflichten befreit und nahmen an dem Polisfest teil623 Außerdem heißt es bei Photios, dass die Sklaven während der Feiertage festlich bewirtet wurden Zudem ist auffällig, dass die Karer nur am dritten Tag, der dem Hermes galt, erwähnt werden All dies erinnert an das oben besprochene Hermesfest in Kydonia, bei dem Freie und Unfreie die Rollen für eine festgelegte Zeit tauschten Entsprechend könnte es auch während der Anthesterien in Athen zu einem solchen Rollentausch gekommen sein, dessen Ende mit dem Ausspruch von der Festgemeinschaft gemeinsam vollzogen wurde624 Die Sklaven sollten die Häuser, in denen das Festmahl stattfand, verlassen und die Arbeit wiederaufnehmen Für die Jenseits-These dagegen wurden verschiedene historische und philologische Argumente vorgebracht Folgt man dem hadrianischen Gelehrten Zenobios, waren die Karer die früheren Bewohner Attikas, die für die Athener eine vergangene, chaotische Welt symbolisierten625 Dieses Chaos hielt während des Festes einmal im Jahr

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Zenob s v Θύραζε Κᾶρες, οὐκ ἔτ Ἀνθεστήρια, Phot s v Θύραζε Κᾶρες, οὐκέτ Ἀνθεστήρια Siehe auch: Hamilton 1992, 50–51/166–167 Zum Mythos der Erigone, die mit diesem Festtag ebenfalls verknüpft ist: Johnston 2007, 219–226 Sch Hes erg 368, Antigonos von Karystos bei Athen 10, 437e, Phot s v Θύραζε Κᾶρες (Missverständnis) Gordon 2013, 59 Auffarth 1991, 234 Zenob s v Θύραζε Κᾶρες Es folgen chronologisch Hesych (ca 5 Jh ) und Phot (9 Jh ) Dazu: Auffarth 1991, 234

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Einzug, um dann wieder zurückgedrängt zu werden626 Daneben ist bis heute die von Martin Nilsson vertretene These einflussreich: Seiner Meinung nach leitet sich der Begriff von dem griechischen Wort Κῆρες ab, welches er mit den Seelen der Toten gleichsetzt627 Diese Seelen besuchten angeblich an den Anthesterien die Häuser der Bürger Diese Deutung ist aus verschiedenen Gründen unwahrscheinlich Da die Einführung des Festes auf ein Ereignis in der mythischen Frühzeit zurückgeht, handelte es sich auch bei dem Ausspruch um einen Text, der entweder tatsächlich von hohem Alter war oder dem ein solches zumindest unterstellt wurde Dass der Text als jambischer Trimeter verfasst ist, unterstreicht dies noch628 Jenes Versmaß wurde vor allem in poetischen Texten verwendet, die häufig Themen der mythischen Vergangenheit behandelten Wird das Wortfeld Κᾶρες/Κῆρες nun unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, kann festgestellt werden, dass entgegen dem Eintrag bei Hesychios das Wort bis in die Klassik nicht für Seelen benutzt wurde629 Vielmehr waren damit zum Beispiel in den Epen Homers oder in den Tragödien die Keren genannten Göttinnen des Todes gemeint630 Diese symbolisierten den gewaltsamen Tod und ihr Erscheinen ging mit martialischen Handlungen einher631 Außerdem wurden sie oft zusammen mit den Moiren oder den Erinyen genannt Denkbar ist daher, dass in der antiken griechischen Vorstellung mit der Flut auch die Keren über die Menschen hereinbrachen Demnach erschienen während der Anthesterien nicht die Seelen der Toten, sondern die Göttinnen selbst und verbreiteten Angst und Schrecken632 So erklärt sich auch, warum gerade Hermes Χθόνιος um Hilfe gebeten wurde: Er war der Bote, der in den Hades geschickt wurde, um mit den Gottheiten der Unterwelt zu kommunizieren Er sollte den geregelten Ablauf der Wiederkehr der Keren sicherstellen, damit die Lebenden nicht zu Schaden kamen633 Dem zusätzlichen Schutz vor diesen Göttinnen könnte auch das Bestreichen der Türen mit Pech und das Kauen von Weißdorn gedient haben, was wiederum erst bei Photios erwähnt wird634 Weiterhin spricht für diese Interpretation, dass die Riten am Choentag, der den Chytren vorausging, mit der Ankunft des Orestes in Athen verknüpft waren635 Orestes war der mythischen Erzählung nach we-

626 Zu anderen Festen, bei denen Ureinwohner zurückkehren: Samos (Graf 1985, 93–96, Kipp 1974, 157–209), Massalia [Pomp Trog (Iustinus) 43, 4, 6], Smyrna (Philostr soph 1, 25, Aristeid 17, 6) 627 Nilsson 1927, 4 Dazu: Zenob /Phot s v Θύραζε Κᾶρες 628 Auffarth 1991, 233 629 Hesych s v Κᾶρες 630 Hom Il 2, 302/2, 834/9, 411/18, 535–538/23, 78–79, Hom Od 11, 171 Siehe auch: Hes theog 217, Aischyl Sept 777/1060, Soph Oid T 472, Soph Trach 133, Eur El 1252, Eur Herc 870 Boehringer spricht sich dagegen für ein Verständnis als „anonyme Seelen“ aus (Boehringer 2001, 42) 631 Hes theog 211–217, [Hes ] Ἀσπὶς Ἡρακλέους 244–253 632 Möglicherweise spielen die Masken, die auf den Vasen in großer Zahl überliefert sind, eine wichtige Rolle für die performative Wiederkehr der Toten (Auffarth 1991, 236) 633 Johnston 2007, 55, Otto 1929, 145 634 Phot s  v ῥάμνος 635 Eur Iph T 942–960, Athen 10, 437c–d

2 1 Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge

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gen des Muttermords auf der Flucht vor den Erinyen, die Verwandte der Keren sind, und wurde dabei von Hermes begleitet636 Wie Jan Bremmer sehr treffend formulierte, ist eine endgültige Bestimmung des Begriffs und der damit verbundenen Kultpraktiken aufgrund der schlechten Quellenlage nicht möglich637 Festzuhalten bleibt jedoch, dass das zentrale Moment der Rituale die Aufhebung der Ordnung für eine begrenzte Dauer war, sei es durch den Einbezug der Sklaven oder den Besuch der Göttinnen des Todes, und die anschließende Rückkehr zu dieser Ordnung Dabei wurden die Menschen von Hermes unterstützt, der genauso wie Dionysos gleichzeitig ein Gott der Polis und ihrer Ordnung sowie ihres Chaos war638 Als drittes Fest können die Promacheia in Sparta angeführt werden, bei denen die Söhne der Bürger und die der Periöken ihre Rolle wechselten Die Gottheit, zu deren Ehren das Fest veranstaltet wurde, lässt sich nicht mehr bestimmen; es kann jedoch vermutet werden, dass Hermes mitverehrt wurde639 Der Rollentausch wurde allen Festteilnehmenden vor Augen geführt, indem bei der das Fest begleitenden Prozession und den Wettkämpfen nur die Söhne der Periöken bekränzt und herausgehoben waren640 Dagegen nahmen die Bürgersöhne ohne jeglichen Schmuck teil Somit erfuhren die Periöken, die zum Kriegsdienst verpflichtet waren, während des Festes, das die Wehrhaftigkeit der Stadtgemeinschaft aufzeigte, durch die Bekränzung eine Ehrung, wie sie sonst den Bürgern vorbehalten war Nach dem Ende der Feier wurde die hierarchische Ordnung wiederhergestellt Auch in diesem Fall sind Merkmale eines Ventilfestes zu erkennen So bilden die Gruppe der Bürgersöhne und die Gegengruppe der Periökensöhne außerhalb der Festzeit ebenfalls eine jeweils in sich abgeschlossene Einheit Weiterhin tritt die erzieherische Funktion sehr deutlich hervor, da das Fest besonders den jungen Männern galt Durch den Festakt wurden die sozialen Regeln erprobt und als gültig anerkannt Dabei könnte Hermes, der Trickster, für den Festablauf eine nicht mehr näher zu bestimmende Rolle gespielt haben Zum Abschluss wird ein Hermesfest untersucht, bei dem ein Rollentausch zwischen den Geschlechtern stattfand In seiner Beschreibung tugendhafter Frauen kommt Plutarch auf die weibliche Bevölkerung von Argos zu sprechen641:

636 Aischyl Eum 89–92 637 Ekroth 2002, 278, Bremmer 1996, 57–58 Siehe auch: Sarah Humphreys arbeitet sechs historische Entwicklungsphasen der Anthesterien von der Archaik bis in die römische Zeit heraus (Humphreys 2004, 223–275) 638 Vgl Auffarth 1991, 254–257 639 Hierzu: 2 1 4 2 Grenzen bewahren 640 Athen 15, 674a–b Siehe auch: Nilsson 1995, 470, RE s v Promacheia 641 Plut mor 245c–f: „οὕτω δὲ τῆς πόλεως περιγενομένης, τὰς μὲν πεσούσας ἐν τῇ μάχῃ τῶν γυναικῶν ἐπὶ τῆς ὁδοῦ τῆς Ἀργείας ἔθαψαν, ταῖς δὲ σωθείσαις ὑπόμνημα τῆς ἀριστείας ἔδοσαν ἱδρύσασθαι τὸν Ἐνυάλιον τὴν δὲ μάχην οἱ μὲν ἑβδόμῃ λέγουσιν ἱσταμένου μηνός, οἱ δὲ νουμηνίᾳ γενέσθαι τοῦ νῦν μὲν τετάρτου, πάλαι δ᾿ Ἑρμαίου παρ᾿ Ἀργείοις, καθ᾿ ἣν μέχρι νῦν τὰ Ὑβριστικὰ τελοῦσι, γυναῖκας

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

„Nachdem auf diese Weise die Stadt gerettet worden war, begruben sie die Frauen, die in dem Kampf gefallen waren, nahe der Argeischen Straße, und den Überlebenden wurde das Privileg zuteil, eine Statue des Ares aufzustellen als Erinnerung an ihre bewiesene Tapferkeit Manche sagen, dass der Kampf am siebten Tag des Monats stattfand, der jetzt als vierter Monat bekannt ist, aber seit alters her bei den Argivern Hermaios heißt; andere sagen, es war am ersten Tag dieses Monats An diesem Tag feiern sie noch bis zum heutigen Tage das Fest Hybristika, bei dem die Frauen die Chitone und den Chlamys der Männer tragen, und die Männer die Peploi und Schleier der Frauen “

Zwar schrieb Plutarch erst im 1 /2 Jh  v Chr , er nimmt aber Bezug auf Ereignisse in der Mitte des 5 Jh  v Chr , von denen schon bei Herodot zu lesen ist642 Laut Plutarch soll die Dichterin Telesilla, als Kleomenes, der König von Sparta, gegen Argos zog, um die Stadt einzunehmen, die Frauen motiviert haben, zu den Waffen zu greifen und ihre Stadt zu verteidigen Als Anerkennung ihrer Leistungen wurde es den Frauen gestattet, eine Statue des Ares aufzustellen, und ein Fest namens Hybristika eingerichtet, bei dem Männer und Frauen in die Kleidung des jeweils anderen Geschlechts schlüpften643 Der Gott, dem das Fest gewidmet war, ist nicht überliefert, weshalb Zuweisungen an Ares, Aphrodite und Hermes vorgenommen wurden644 Für Hermes als Hauptgott oder wenigstens seine Mitverehrung spricht, dass das Fest im Monat Hermaios stattfand, was Plutarch eigens betont645 Ferner sind in den Ritualen Parallelen zu anderen Hermesfesten erkennbar So war Hermes der Patron mehrerer Ventilfeste, bei denen die soziale Ordnung für eine festgelegte Zeit aufgehoben und anschließend neu konstruiert wurde Darüber hinaus erinnert der Hermes der Hybristika in Argos an den Hermes Πρόμαχος in Tanagra Dort stand Hermes der Stadt ebenfalls gegen eine übermächtige Bedrohung bei und nahm an den Kampfhandlungen teil Eine intendierte Ähnlichkeit liegt auch deswegen nah, weil Plutarch, der aus Boiotien stammte, mit dem Kult in Tanagra vertraut gewesen sein dürfte Letztendlich spricht auch dafür, dass die Frauen die Stadtmauern verteidigten, welche besonders dem Schutz des Hermes unterstanden646 Schon der Name Hybristika verdeutlicht, dass es sich um ein Ventilfest handelte, bei dem bewusst die Rollen von Männern und Frauen vertauscht wurden, um schlechte Verhaltensweisen beider Geschlechter aufzuzeigen und zu sanktionieren „Hybristika“ leitet sich nämlich von dem griechischen Wort ὕβρις ab, was verschiedene Formen von unangemessenem und frevelhaftem Verhalten bezeichnete So stellte es eine

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μὲν ἀνδρείοις χιτῶσι καὶ χλαμύσιν, ἄνδρας δὲ πέπλοις γυναικῶν καὶ καλύπτραις ἀμφιεννύντες“ Siehe auch: Paus 2, 20, 8–10 Hdt 6, 77 Vgl Graf 1984, 284–295, Pirenne-Delforge 1994, 168–169 Chiaiese 2011, 200 mit älterer Literatur Sporn 2002, 271 Hierzu: 2 1 2 Grenzen des Stadtgebiets

2 1 Von der Eschatia zu den Bürgerhäusern: Ein- und Ausgänge

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Codeverletzung dar, wenn Frauen an Kampfhandlungen teilnahmen und Männer bei der Verteidigung der Stadt untätig waren647 Dieses und vergleichbare Feste waren eine Möglichkeit der sozialen Kontrolle, indem falsches Verhalten vor aller Augen vorgeführt und so das Gefühl von Scham evoziert wurde648 Somit diente die Veranstaltung, bei der Hermes eine größere Rolle gespielt haben dürfte, der Prüfung und Bestätigung der sozialen Regeln innerhalb der Bürgergemeinschaft von Argos 2 1 5 Resümee – Ein- und Ausgänge Hermes war prädestiniert, die gefährlichen Randzonen eines festgelegten Gebietes zu bewachen Daher war der Hermeskult an den Grenzen der Polis und in der Polis immer von Bedeutung Ein Besucher der antiken Stadt traf zunächst auf die Außengrenzen des Polisterritoriums, die als Institutionen bezeichnet werden können Zu diesen zählten zum Ersten natürliche Grenzen, die als Markierungen innerhalb der Landschaft erkennbar waren Zum Zweiten gehörten die Grenzheiligtümer, die gleichzeitig als Grenzen und Begegnungszonen fungierten, dazu Hier genoss Hermes als Gott der Grenze und der Grenzüberschreitung besondere Aufmerksamkeit Die zunächst einfachen Hermaia wurden ab hellenistischer Zeit zunehmend baulich ausgestaltet, was sich auf eine Instrumentalisierung in außenpolitischen Auseinandersetzungen zurückführen lässt Den Kult betrieben vor allem die in der Grenzregion lebenden Akteure Zum Dritten wurde der Hermeskult in befestigten Grenzanlagen, zu denen die Häfen zählen, praktiziert Als Kultteilnehmer konnten militärische Amtsträger bestimmt werden Ausgehend von den Eion-Hermen wurden Weihungen in Athen analysiert, die ein Zeichen militärischer Verdienste waren und erst nach Ablauf der Amtszeit geweiht werden durften Dabei handelte es sich aber nicht um eine athenische Besonderheit, sondern die Strategen von Paros und Kos weihten ebenso an Hermes Die Verehrung durch die obersten Heerführer zeigt einmal mehr, dass Hermes kein Gott der „kleinen Leute“ war Daneben dankten Mitglieder des Bürgerheeres und die in der militärischen Ausbildung befindlichen Epheben regelmäßig dem Hermes Der Gott war somit Schützer des Polisterritoriums und derer, die mit der Sicherung ihrer Grenzen betraut waren In den Häfen, die gleichzeitig der Befestigung und dem wirtschaftlichen und kulturellen Austausch dienten, wurde Hermes als Gott des Handels und der Reisen zu Land und Wasser verehrt Eine weitere Grenze, welche der Besucher auf seinem Weg in die antike Polis passiert, ist diejenige zwischen Asty und Chora Als Torgottheit erfüllte Hermes zwei Funktionen: Auf der einen Seite sollte er den Raum innerhalb der Mauern bewachen und den darin befindlichen Personen Schutz zusichern Auf der anderen Seite sollte er 647 Gordon 2013, 41 648 Parker 2011, 208

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

denjenigen, die diesen geschützten Raum verließen, sicheres Geleit geben Demzufolge erhielt Hermes in den Toren regelmäßig kleinere Weihgaben wie Libationen und fand bei von der Polisgemeinschaft organisierten Festen Beachtung Ferner konnte der Besucher auf von Hermes bewachte Grenzen öffentlicher und nichtöffentlicher Räume treffen So standen Bilder des Gottes an den Eingängen zu den städtischen Agorai und Gymnasia In beiden Fällen beschützte Hermes der antiken Vorstellung gemäß nicht nur die öffentlichen Räume, sondern stellte auch das Funktionieren der Polis und ihrer Institutionen sicher Daneben taucht Hermes als Wächter an den Grenzen von Heiligtümern auf Diese Grenzen trennten die menschliche und göttliche Sphäre voneinander Bei größeren Tempelbezirken bestand der Kult sowohl aus regelmäßigen Zuwendungen, welche die Bürger beim Passieren der Tore hinterließen, als auch aus von der Polis finanzierten Opfergaben Hermen dienten zudem der Kennzeichnung von Grenzen einzelner Tempel Während im 5 Jh  v Chr auf diese Weise vor allem Heiligtümer im Stadtkern oder in der Nähe der Stadtmauer geschmückt waren, finden sich Gruppen von Hermen ab dem 4 Jh  v Chr eher in außerstädtischen Heiligtümern Ein- und Ausgänge nichtöffentlicher Räume unterstanden ebenfalls Hermes Hierzu gehörten Minen und landwirtschaftliche Nutzflächen Der Gott sicherte in der  Vorstellung der Polisbürger sowohl deren Grenzen als auch deren Wirtschaftlichkeit Weiterhin unterstanden die Türen der Bürgerhäuser dem Schutz des Hermes  Als Gott der Bürger war es seine vorrangige Aufgabe, den Oikos zu bewachen, wobei vor allem der Grenze zwischen öffentlicher und privater Sphäre als schützenswert galt In einem letzten Schritt wurden die Feierlichkeiten zum Schutz der Grenzen untersucht Bei Festen konnte um deren Bewahrung gebeten werden, wobei an ein vergangenes Ereignis, bei dem Hermes der Bürgergemeinschaft zur Hilfe geeilt war, erinnert wurde Solche Feierlichkeiten dienten der kollektiven Identitätsbildung, weshalb die jungen Männer in besonderer Weise in den Festablauf integriert waren Auf diese Weise sollten sie die Grenzen, die Geschichte und die Normen ihrer Heimatpolis kennenlernten und verinnerlichen Dabei trat Hermes als Vermittler des Wissens um die richtige Lebensführung der Bürger auf In diesem Sinne ist auch die Beteiligung von Hermes an Festen, bei denen Grenzen des sozialen und politischen Zusammenlebens bewusst überschritten wurden, zu interpretieren Die dauerhafte Grenzüberschreitung, wie der Übergang der jungen Männer in das Erwachsenenalter oder die Hochzeit, war im Sinne der gesellschaftlichen Ordnung der Polis Bei diesen Festen unterstützte Hermes die Individuen an einem Wendepunkt in ihrem Leben Die institutionalisierte kurzzeitige Grenzüberschreitung, wie bei Ventilfesten oder -sitten, dienten dagegen der Prüfung, Bestätigung und Weitergabe innergesellschaftlicher Normen Es lässt sich festhalten, dass die griechische Vorstellung von Hermes als Beschützer von Grenzen ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis vieler Verehrungspraktiken ist:

2 2 Chora I: Heiligtümer extra urbem

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Hermes ist ein Vermittler zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen den Sphären des Eigenen und Fremden sowie des Göttlichen und Menschlichen 2.2 Chora I: Heiligtümer extra urbem „Ohne Territorium ist die Polis weder praktisch lebensfähig noch konzeptionell denkbar“649 In eben diesen außerstädtischen Gebieten lebte und arbeitete der Großteil der Bevölkerung650 Diejenigen Mitglieder der Gemeinschaft, die durch landwirtschaftliche Tätigkeit für den eigenen Lebensunterhalt und die Versorgung der Polis Sorge trugen, würden als „die besten und ergebensten Bürger“651 wahrgenommen, wie Xenophon in seinem Dialog „Oikonomikos“ (4 Jh v Chr ) ausführt Entsprechend ist ein tatsächliches Außerhalb kaum zu fassen, denn die heiligen Stätten gehörten doch zumeist zu einer Polis In diesem Kapitel sollen daher die Orte der Hermesverehrung besondere Beachtung finden, die ein Besucher außerhalb der Stadtmauern und entfernt vom Stadtzentrum in Höhlen und Hainen antreffen konnte Die Analyse orientiert sich an den von Albert Henrichs für den Dionysoskult festgehaltenen Beobachtungen, die hier für den Hermeskult fruchtbar gemacht werden In seiner Studie stellt Henrichs heraus, dass es für jede Gottheit sehr verschiedene Kultpraktiken je nach Region und nach Funktion der Adoranten gab und es nötig ist, diese zu unterscheiden, um das Konzept einer jeden Gottheit zu verstehen652 Außerdem, so Henrichs weiter, müsse dem großen Unterschied zwischen den mythischen Erzählungen und dem praktischen Kult Rechnung getragen werden Im Falle des Gottes Dionysos konnte er zeigen, dass ihm im Mythos eine enge Verbindung zur Natur und zu einer ländlichen Umgebung nachgesagt wurde Zum Beispiel in Athen lagen allerdings die wichtigsten und am häufigsten besuchten Heiligtümer innerhalb der Stadtmauern Ganz ähnlich, so die These dieser Studie, verhält es sich in Bezug auf den Gott Hermes653 Vor allem in den dichterischen Zeugnissen wird dieser häufig als ein bukolischer Gott beschrieben, was allerdings nicht bedeutet, dass seine Hauptkultstätten dort zu suchen sind Bei den Votivinschriften fällt nämlich das fast völlige Fehlen von solchen an Hermes als pastoralem Gott auf654 Um diese These zu untermauern, werden im Folgenden extraurbane Heiligtümer des Gottes Hermes untersucht, die sich zwar außerhalb der

649 Hölscher 2013, 60 650 Thuk 2, 16 Siehe auch: Osborne 1987 651 Xen oik 6, Zitat 6, 10: „διὰ ταῦτα δὲ καὶ εὐδοξοτάτη εἶναι πρὸς τῶν πόλεων αὕτη ἡ βιοτεία, ὅτι καὶ πολίτας ἀρίστους καὶ εὐνουστάτους παρέχεσθαι δοκεῖ τῷ κοινῷ “ 652 Henrichs 1990, 257–259 653 Zur „Hermesverehrung im Bereich des Dionysos“: Reggiani 2019, 326–327, Allan 2018, 60–61, Rückert 1998, 160–167 654 Wallensten 2019, 249–250

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Stadtmauern befanden, die aber trotzdem als städtische Institutionen zu bezeichnen sind, wie die Inschriften zeigen Heilige Stätten außerhalb der urbanen Zentren waren in der Antike viel verbreiteter, als die heutigen archäologischen Funde vermuten lassen Schon der antike Geograph Strabon stellte fest, dass das ganze Land buchstäblich übersät gewesen sei mit solchen Heiligtümern655 Der spätantike Rhetor Libanios postuliert als Anhänger der paganen Kulte noch für die christlich geprägte Zeit, dass diese Tempel für die menschliche Durchdringung der Landschaft von unschätzbarem Wert gewesen seien Entsprechend kritisierte er in seiner Schrift „Für den Erhalt der Tempel“ (385–387) die Zerstörung und Plünderung von heidnischen Tempeln durch Mönche Denn besonders die ländlichen Heiligtümer galten ihm als schützenswert, da sie die Seele der Gebiete seien656 Derartige Tempel seien die ersten Anzeichen von Zivilisation in den ländlichen Regionen gewesen und bis in seine Gegenwart für die Identität der dort Lebenden von unschätzbarem Wert657 Für den Gott Hermes wurden extraurbane Heiligtümer einerseits auf Bergen und Anhöhen, die als Grenzmarkierungen zwischen zwei Gebieten fungierten, eingerichtet658 Dies ist in Gemeinschaft mit Zeus, Apollon, Herakles und im speziellen Fall von Kreta zusammen mit Aphrodite bezeugt Andererseits sind in Gebirgen auch andere Orte des Hermes bekannt: Gemeinsam mit Pan und den Nymphen wurde Hermes in Höhlenheiligtümern verehrt Eine dritte Form der außerstädtischen Heiligtümer für Hermes sind die Plätze an Quellen und in Hainen unter freiem Himmel Die extraurbanen Heiligtümer lagen zumeist an infrastrukturell relevanten Orten oder entlang von Straßen, sodass sie im Rahmen städtischer Prozessionen immer wieder besucht werden konnten659 Eingerichtet wurden die Heiligtümer von einer Gruppe oder von Einzelakteuren, um die Gemeinschaft, zu der sie gehörten, zu beschützen Bei dieser Gemeinschaft konnte es sich genauso um einen kleineren Familienkreis handeln wie um einen Berufsverband oder die Bürgerschaft einer Polis Wie Lorenz Baumer in seiner vergleichenden Studie zu den ländlichen Heiligtümern herausgearbeitet hat, waren die Kulthandlungen an diesen Orten sehr spezifisch660 Erstens waren die Heiligtümer kleiner und weniger baulich ausgestaltet als die innerstädtischen, sodass sie sich in die Landschaft einfügten Statt der großen Altäre, wie sie in den Heiligtümern der Stadtgottheiten üblich waren, wurden überdurchschnittlich viele Altäre in

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Strab 8, 3, 12 Lib or 30, 9–10, hier: 9 Zur Einordnung der Rede: Kommentar zu Lib or 30 von Heinz-Günther Nesselrath Hierzu: 2 1 1 1 Natürliche Grenzen Hölscher 2013, 62, Baumer 2004, 4 mit älterer Literatur Vgl Baumer 2004 Zu Einzelstudien bestimmter Regionen: Arkadien ( Jost 1992, Jost 1985), ländlichen Regionen Attikas (Bultrighini 2015a/2015b)

2 2 Chora I: Heiligtümer extra urbem

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Naïskosform gefunden661 Zweitens brachten die Kultteilnehmer kleinere tragbare Opfergaben und Weihgeschenke dar, deren Empfänger zumeist Pan, die Nymphen, Hermes oder Priapos waren662 So weihten die Vorbeikommenden etwa Nahrungsmittel, Alltagsgegenstände oder zufällige Funde Dies bestätigen die antiken Quellen auch für den Gott Hermes Ein von dem Dichter Phanaias (circa 250 v Chr ) wahrscheinlich für ein außerstädtisches Heiligtum verfasstes Epigramm zählt folgende Weihgaben auf663: „Hermes, Schirmer der Wege, dies Endchen der herrlichen Traube, | fetten Kuchens ein Stück, treffliches Opfergebäck, | bring ich dir samt einer Feige, schon dunkel und eßreif, und Gaumens | Lust, die Olive, den Rand rundlichen Käses, das Mehl | kretischer Herkunft, ein Häuflein wohlgemahlener (Erbsen) | und ein bakchischen Trunk, der dich beim Nachtisch erquickt  | Auch meine Göttin Kythere [Κύπρις] mag daran sich erfreuen! Doch eine | Ziege mit schimmerndem Fuß weih ich euch später am Strand “

Als Weihgaben für die Gottheiten Hermes Ἐνόδιος664 (der von den Wegen/Kreuzungen) und Aphrodite Kypris werden in diesem Epigramm jeweils Anteile an verschiedenen Lebensmitteln, Speisen und Getränke, aufgezählt, welche die Person wohl mit sich führte Somit könnte es sich um einen vorbeikommenden Reisenden gehandelt haben, was durch das für einen späteren Zeitpunkt versprochene Ziegenopfer unterstrichen wird Erst wenn dieser am Strand angekommen war, von wo aus er seine Reise möglicherweise zu Wasser fortsetzte, wollte er sich mit einem größeren Opfer für das Geleit auf dem Landweg bedanken Da Hermes zudem mit dem Beinamen Ἐνόδιος angesprochen wird, liegt die Vermutung nahe, dass die Weihinschrift unmittelbar an einer Straße aufgestellt war Daran schließt sich eine dritte von Lorenz Baumer für ländliche Heiligtümer beobachtete Besonderheit an: Innerhalb dieser waren Epigramme nicht nur zahlreich, sondern auch besonders topisch gestaltet665 Entsprechend sind die ausführlichen Beschreibungen von Kulthandlungen für den Gott Hermes in extraurbanen Heiligtümern der reichen Epigrammüberlieferung zu verdanken Die meisten dieser Texte, die 661 Vgl Votivaltar für Pan und Apollon [SEG 40–201 (späthell )]: Auf diesem ist in einer Grotte Apollon mit Lyra und Pan mit einem Logobolon zu sehen Zwischen ihnen findet sich eine Herme An den Wänden der dargestellten Grotte hängen Syrinx und eine Tafel, an den Seiten befinden sich zwei tanzende Frauen Inschrift: „[Πα]νὶ καὶ Ἀπόλλωνι | [Ἕρ]μος Ἄνθου εὐχήν“ Dazu: Bultrighini 2015b, 27 662 Anth Gr 9, 314/335/744 (3 Jh  v Chr ) Dazu: Allan 2018, 119, Best 2015, 104 Hélène Collard hat kürzlich herausgearbeitet, dass Hermen in Vasenbildern keine Landschaftsmarker seien, sondern das Zentrum der Darstellung, um das herum sich die Szenen aufbauen (Collard 2019, 233) 663 Anth Gr 6, 299 (Phanias, um 250 v Chr , Übersetzung Beckby 1965): „φάρσος σοὶ γεραροῦ τόδε βότρυος, εἰνόδι᾽ Ἑρμᾶ, | καὶ τρύφος ἰπνεύτα πιαλέου φθόιος | πάρκειται, σῦκόν τε μελαντραγές, ἅ τε φιλουλὶς | δρύππα, καὶ τυρῶν δρύψια κυκλιάδων, | ἀκτά τε Κρηταιὶς, ἐυτριβέος τε ῥόειπα | θωμὸς, καὶ Βάκχου πῶμ᾽ ἐπιδορπίδιον | τοῖσιν ἅδοι καὶ Κύπρις, ἐμὰ θεός· ὔμμι δὲ ῥέξειν | φημὶ παρὰ κροκάλαις ἀργιπόδαν χίμαρον “ Siehe auch: Aisop 178 (Perry) 664 Theokr 25, 4 (Εἰνοδίος) Zu Ὅδιος: IG ΧΙΙ 8, 240 (2 Jh  v Chr ) 665 Baumer 2004, 10

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sich mit Hermes beschäftigen, fallen in die Zeit des 3 Jh  v Chr Gerade aus dieser Zeit sind auch durch andere Quellen mehrere heilige Plätze des Hermes in Hainen belegt Sicher gab es solche Orte zumindest entlang von Verkehrswegen schon früher, aber im Laufe des 3 Jh  v Chr wurden sie verstärkt besucht und mit dauerhaften Weihgaben ausgestattet Dies hing sowohl mit der steigenden Mobilität der Menschen als auch mit dem zunehmenden religiösen Individualismus der hellenistischen Epoche zusammen666 Da es sich um dichterische Zeugnisse handelt, die zudem topisch überformt sind, müssen die Aussagen kritisch geprüft werden, um tatsächliche Kulthandlungen eruieren zu können Damit die Institutionalisierung dieser Facette des Hermeskultes deutlich wird, sollen erst die Höhlenheiligtümer, die bereits in klassischer Zeit eine Rolle spielten, behandelt werden Der folgende Abschnitt widmet sich dann den Kultorten des Hermes bei Quellen unter freiem Himmel, die im 3 Jh  v Chr ihre größte Verbreitung fanden 2 2 1 Höhlen Zu den Höhlen, die in der griechischen Antike häufig mit Kultstätten von Göttern verbunden wurden, hatte Hermes wegen seiner Mutter, die eine Nymphe war, eine besondere Beziehung Nach der mythischen Überlieferung gebar Maia den Gott in ihrer Höhle im Kyllenegebirge auf der Peloponnes667 Seine Amme war die Bergnymphe Kyllene und weitere arkadische Nymphen zogen den kleinen Hermes auf668 Höhlenheiligtümer unterstanden fast immer der Kontrolle einer Polis, waren oft mit einem städtischen Priester ausgestattet und wurden sehr regelmäßig von den Bürgern besucht, wie die zahlreichen Terrakotten zeigen Dies kann anhand der Landschaft Attika verdeutlicht werden Jene lässt sich grob in einen stärker urbanisierten Teil und einen Teil, in dem solche urbanen Strukturen weniger ausgeprägt waren, unterteilen Hieran hat Ilaria Bultrighini in ihrer Analyse der attischen Demen und ihrer Kulte herausgestellt, dass in den urbanisierten Regionen Attikas auch die Heiligtümer „städtischer“ und näher an den Zentren der Demen lagen, weil Athen als Mittelpunkt die Umgebung religiös prägte669 Dagegen waren im restlichen Teil der Landschaft die 666 Schlesier 2000, 129–130 667 h Herm 1–5 Siehe dazu: Shapiro 2019 mit schriftlichen und bildlichen Quellenbelegen 668 Die Nymphe Maia ist Hermes Mutter [z B Hes theog 938, Hes frg 169/170/217 (West), Hom Od 14, 434–435/19, 482/19, 500/23, 171, h Herm 89/408/424/430/439/498/514/521/567/ 574, Hom h 29, 7, Sim frg 20 (West)/555 (Page), Hipponax frg 32 (West), Corinna frg 654, 12–26 (Campbell), Eur Hel 243/1670, Eur El 461–462, Eur Med 759–763, Anth Gr 6, 346 (4 Jh  v Chr )/16, 11 (3 Jh  v Chr ), Phot Bibl 144a] Die Nymphe Kyllene ist seine Amme (Soph Ichn 99–101/252) Die Nymphen Kyllene und Helike waschen den neugeborenen Gott am Berg Trikena (Paus 8, 16, 1, Philostephanus von Kyrene FHG 3 F 9, p 28–34) Dazu: Jaillard 2007a, 31–33/43–48/57–62 669 Bultrighini 2015b, 27–29 Dazu ausführlich: Bultrighini 2015a

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Kulte, die aufs Engste mit dem Außerurbanen verbunden waren, stärker ausgebildet, sodass hier vor allem Apollon, Pan, Hermes und Göttergruppen wie die Nymphen oder die Chariten verehrt wurden Es wäre jedoch vorschnell, diese Orte wegen ihrer Lage und der Kultempfänger als ursprünglich rustikale Heiligtümer abzutun, denn die frühesten Zeugnisse für die Verehrung der Nymphen sind ausnahmslos aus den städtischen Zentren überliefert: Seit der ersten Hälfte des 6 Jh  v Chr wurden Hermes und die Nymphen beispielsweise auf der Akropolis von Athen verehrt670 Dabei überwog seit der Archaik die Form der Weihreliefs, welche den Gott im Verbund von zwei oder drei Göttinnen und einem Kultdiener zeigen Entsprechend waren die Weihungen weder primitiv noch kostengünstig, sondern zeugen von der finanziellen Potenz der Weihenden671 Die früheste Form der Nymphen- und Hermesverehrung fand demnach im Zentrum der Städte statt, sodass davon auszugehen ist, dass die Gottheiten als Polisgottheiten angesehen wurden Sie galten als Beschützer des Landes und der naturräumlichen Begebenheiten, die zur Bildung einer städtischen Gemeinschaft nötig waren und zu deren Wohlstand beitrugen Seit dem späten 6 Jh  v Chr sind auch Funde aus den Höhlenheiligtümern belegt, wodurch die These von Ilaria Bulthrighini, dass die außerurbanen Heiligtümer sich parallel zu den urbanen entwickelten und auf ähnliche Erfordernisse zurückzuführen seien, weiter untermauert wird672 Die Einrichtung der Höhlenheiligtümer gründet sich auf das Bedürfnis derjenigen Menschen, denen es nicht möglich war, täglich in die städtischen Zentren zu gehen Sie dürften sich Orte gewünscht haben, an denen sie ihre religiösen und sozialen Anliegen befriedigen konnten, denn Heiligtümer waren auch institutionalisierte Orte der Begegnung und der Selbstdarstellung Besonders interessant ist, dass sich die städtischen und außerstädtischen Kultteilnehmer anfänglich derselben Bildsprache in Form der Nymphenreliefs mit Hermes bedienten Ilaria Bultrighini kommt zu dem Ergebnis, dass neben diesen kleineren Heiligtümern in den weniger urbanisierten Regionen vor allem die panhellenischen und „staatlichen“ Kulte im 4 Jh   v Chr sehr verbreitet gewesen seien Die Koexistenz der verschiedenen Kultformen muss unbedingt betont werden, da nur so die religiöse Landschaft verständlich wird Denn die in den außerstädtischen Gebieten lebenden Menschen sahen sich nicht weniger als Bürger der Polis an, sodass den „staatlichen“ Kulten besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde Daher erklärt sich auch die Figur des Hermes: In der Bildsprache der Reliefs übernahm er oft die Funktion des Vermittlers zwischen

670 Zu Reliefbruchstücken aus Athen [Akr Mus , Inv -Nr 586, 587, 622 (um 570 v Chr )]: Zwei Göttinnen (Nymphen/Chariten) und Hermes, Relief Athen [Akr Mus , Inv -Nr 702 (um 500 v Chr )]: drei Göttinnen mit Hermes und kleiner nackter Gestalt Dazu: Larson 2001, 259, Güntner 1994, 10/13, Kat A 38 Siehe auch: Laferrière 2019, 31–33 671 Larson 2001, 259 672 Vgl Bultrighini 2015a/2015b

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Göttern und Menschen673 Außerdem wurde durch Hermeskult die Verbindung zwischen dem urbanen Zentrum und den außerstädtischen Bereichen institutionalisiert Ab dem 4 Jh   v Chr und vor allem im Hellenismus wurde die Gattung der Nymphenreliefs aus ihren ursprünglichen Ortskontexten und dem festgelegten ikonographischen Schema gelöst und in großer Zahl anlassbezogen aufgestellt674 So tauchte zum Beispiel auf den athenischen Stücken immer wieder der Flussgott Acheloos auf675 und auch aus anderen Regionen wie Kreta sind Nymphenreliefs, auf denen Hermes die Nymphen führt und von Silen oder Flussgöttern begleitet wird, bekannt676 Diese spätklassischen Weihungen wurden von Gruppen oder Einzelpersonen gestiftet, die ihre Beteiligung durch eine Inschrift fixierten, während die älteren Beispiele keine Personennamen und damit Hinweise auf individuelle Weihungen enthielten677 Es wird deutlich, dass auch bei Weihungen in außerstädtischen Heiligtümern öffentliche neben privaten Interessen standen Das Bedürfnis nach persönlicher Selbstdarstellung und zwar als guter Bürger und als großzügiger Adorant, welches bei den frühen Beispielen noch kaum greifbar ist, nahm mit der Zeit deutlich zu Im Folgenden sollen die wichtigsten Höhlen, in denen Hermesverehrung vermutet wird oder belegt werden kann, vorgestellt und daraus Überlegungen zur Kultpraxis in diesen abgeleitet werden678 Zunächst wird kurz auf die „Hermeshöhle“ im Kyllenegebirge eingegangen Die Beschreibungen von Maias Höhle im homerischen „Hermeshymnos“ weisen darauf hin, dass sich am mythischen Geburtsort des Gottes ein 673 Laferrière 2019, 42/44 674 Larson 2001, 264 Vgl Nymphenreliefs mit Hermes, Pan und Acheloos: Staatl Mus Berlin, Inv -Nr 709 a K 83 (ca 400  v Chr )/711 K 88 (4 Viertel 4 Jh   v Chr ), LIMC, s v Acheloos 173 (3 Viertel 4 Jh   v Chr ), IG II2 4886 (3 Viertel 4 Jh   v Chr ), Athen Nat -Mus , Inv -Nr 1447 (3 Viertel 4 Jh   v Chr )/2008 (=IG II2 4651, ca 340–330  v Chr )/2009 (=IG II2 4650, ca 330– 320  v Chr )/1446 (ca 330–320  v Chr )/2007 (4 Viertel 4 Jh   v Chr )/1859 (=IG II2 4832, ca 300 v Chr )/1448 (=IG II2 4646, kurz nach 300 v Chr )/3835 (kurz nach 300 v Chr ), Edwards 1985, Nr 87 (ca 340–330 v Chr ), Barracco Mus , Inv -Nr 176 (ca 300 v Chr ); Göttergruppe: Güntner 1993, 16; Hermes und Pan: Athen Nat -Mus , Inv -Nr 4465 (kurz nach Mitte 4 Jh  v Chr )/2011 (ca 340–330  v Chr )/1443 (ca 330  v Chr )/4466 (kurz vor 300  v Chr ), Edwards 1985, Nr 43 (kurz vor 300  v Chr ), Wien KHM, Inv -Nr I 683 (ca 300  v Chr ); Pan und Acheloos: Athen Nat -Mus , Inv -Nr 2012 (ca 330–320 v Chr )/3874 (ca 300 v Chr )/1445 (kurz nach 300 v Chr ), Kerameikos Mus , Inv -Nr K 170 (kurz nach 300 v Chr ); Hermes und Acheloos: Athen Nat -Mus , Inv -Nr 2646 (Anfang 4 Jh  v Chr ), Athen Akr Mus , Inv -Nr 3704 (nach Mitte 4 Jh  v Chr )/2744 (Mitte 4 Jh  v Chr )/2743 (Mitte 4 Jh  v Chr ), New York Metr Mus , Inv -Nr 25 78 59 4 (4 Viertel 4 Jh  v Chr ), Eleusis Mus , Inv -Nr 5259 (4 Viertel 4 Jh  v Chr ) 675 Güntner 1994, 12 Zu Acheloos: DNP/RE s v Acheloos 676 Zu Rhytion: Sporn 2005, 1104–1107, Sporn 2002, 187; Gortyn: Mus Herakleion, Inv -Nr 6639 (4 /3 Jh  v Chr ) 677 Zu Einzelpersonen: Barracco Mus , Inv -Nr 176, Staatl Mus Berlin, Inv -Nr 709 a K 83; zu Familien: Staatl Mus Berlin, Inv -Nr 711 K 88; zum Kollegium: IG II2 4650 (4 Jh   v Chr )/4832 (4 Jh  v Chr ) 678 Vgl Varihöhle (Bultrighini 2015b, 30 mit älterer Literatur und Quellenbelegen), Hymettos [IG I3 981 (5 Jh  v Chr )], Pharsalos [I Thessalien 73 (4 Jh  v Chr )], Themisonion (Paus 10, 32, 4), Rhytion (Sporn 2005, 1104–1107), Idäische Grotte (LIMC s v Kouretes, Korybantes 41)

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Höhlenheiligtum befunden haben könnte679 Tatsächlich wurde und wird eine im Berg befindliche Höhle als „Hermeshöhle“ bezeichnet680 Die speläologischen und archäologischen Untersuchungen der mehrteiligen Höhle ergaben, dass im ersten zugänglichen Teil eine Brandstelle, Tierknochen, Keramikfragmente und Terrakottafigurinen (erste Hälfte 6 Jh bis 4 Jh  v Chr ) auf eine menschliche Benutzung schließen lassen681 Hinzukommen Inschriften und Graffiti, von denen einige in das 4 Jh  v Chr datieren könnten, während die meisten modernen Ursprungs sind682 Die Zusammenschau der Funde legt nahe, dass hier weibliche Gottheiten, möglicherweise die weibliche Hauptgöttin der zuständigen Polis Demeter, verehrt wurden683 Zwar taucht Hermes in spätarchaischer und frühklassischer Zeit durchaus gemeinsam mit den Nymphen, Pan oder Apollon in Höhlenheiligtümern auf, dies ist aber dann durch Inschriften oder den Bildschmuck deutlich greifbar684 Ferner konnte Lorenz Baumer zeigen, dass Höhlenheiligtümer in Arkadien für weiblichen Gottheiten üblich waren685 Da zudem ein antiker, literarischer Beleg für eine Hermeshöhle fehlt, ist die Identifikation unsicher Ebenfalls im homerische „Hermeshymnos“ wird davon berichtet, dass Apollon seinem Bruder Hermes das Bienenorakel übertragen habe686: „Drei ehrwürdige Schwestern, edle Jungfrauen, die mit | Flügeln geschmückt und stets zu schnellem Fluge bereit sind, | alle auf ihren Köpfen bestreut mit dem Mehl weißer Gerste, | leben abgeschieden unter den Höh’n des Parnassos  | Von diesen Dreien lernt’ ich als Knabe die Kunst der Weissagung | als ich noch Rinderhirt war – mein Vater scherte sich nicht drum  | Jene pflegen jeweils bald dahin, bald dorthin zu fliegen, | um sich an Honig zu laben – dann sind sie fähig zu allem  | Nämlich sie fallen im Taumel, sobald sie satt sind 679 h Herm 23/246–251 Siehe dazu: Schenk zu Schweinsberg 2017, 104, Vergados 2013, 126–127, Baumer 2004, 33, Erath 1999, 242–246, Tausend 1999, 358–362, Pritchett 1998, 266–271 mit Quellenbelegen, Jost 1985, 35/444–449, Immerwahr 1891, 73–78 Charles Stocking interpretiert die Beschreibung als Wunsch des Hermes, später gemeinsam mit seiner Mutter in einem Tempel verehrt zu werden (Stocking 2017, 115) 680 Vgl Kusch 1999, 253–261 681 Baumer 2004, 33/120–121, Erath 1999, 242–246, Kusch 1999, 259–261/357–362, Tausend 1999, Taf 17–18 Eine Untersuchung von Speläologen wurde 1980 im athenischen Vierteljahres Heft „Korinthiaka“ veröffentlicht 682 IG V 2, 362–366 (4 /3 Jh  v Chr ) Siehe dazu: Erath 1999, 242–246, Kusch 1999, 254–257 683 Erath 1999, 244–245, Kusch 1999, 258, Tausend 1999, bes 358–362 684 Hierzu: 2 2 1 Höhlen 685 Neben der sogenannten Hermeshöhle wurde z B ein Höhlenheiligtum für Demeter Melaina erschlossen (Baumer 2004, 40) 686 h Herm 552–566 (Übersetzung Bernays 2017): „σεμναὶ γὰρ τινες εἰσί, κασίγνηται γεγαυῖαι,  | παρθένοι, ὠκείῃσιν ἀγαλλόμεναι πτερύγεσσι, | τρεῖς· κατὰ δὲ κρατὸς πεπαλαγμέναι ἄλφιτα λευκά, | οἰκία ναιετάουσιν ὑπὸ πτυχὶ Παρνησοῖο, | μαντείης ἀπάνευθε διδάσκαλοι, ἣν ἐπὶ βουσὶ | παῖς ἔτ᾽ ἐὼν μελέτησα· πατὴρ δ᾽ ἐμὸς οὐκ ἀλέγιζεν, | ἐντεῦθεν δὴ ἔπειτα ποτώμεναι ἄλλοτε ἄλλη | κηρία βόσκονται καί τε κραίνουσιν ἕκαστα   | αἳ δ᾽ ὅτε μὲν θυΐωσιν ἐδηδυῖαι μέλι χλωρόν,  | προφρονέως ἐθέλουσιν ἀληθείην ἀγορεύειν· | ἢν δ᾽ ἀπονοσφισθῶσι θεῶν ἡδεῖαν ἐδωδήν, | ψεύδονται δὴ ἔπειτα δι᾽ ἀλλήλων δονέουσαι  | τάς τοι ἔπειτα δίδωμι· σὺ δ᾽ ἀτρεκέως ἐρεείνων | σὴν αὐτοῦ φρένα τέρπε, καὶ εἰ βροτὸν ἄνδρα δαείῃς, | πολλάκι σῆς ὀμφῆς ἐπακούσεται, αἴ κε τύχῃσι “ Dazu: Larson 1995b

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vom Honig | und sie berichten dann gern und ausführlich, was wirklich und wahr ist  | Nimmt man jedoch diesen Göttinnen weg die köstliche Speise, | dann erzählen sie Lügen und widersprüchlichen Unsinn  | Diese drei gebe ich dir in Obhut; du magst sie befragen | und dich selbst an der Wahrheit erfreuen oder auch einen | Sterblichen unterrichten, der auf deine Stimme wird hören “

In der mythischen Erzählung erhielt Hermes von seinem Bruder in beschränktem Maße die Kunst, Weissagungen die Zukunft betreffend an die Menschen weiterzugeben Der Text gibt jedoch keinen Hinweis darauf, welche Fragen an das Orakel gestellt werden Deutlich hervorgehoben wird aber, dass, sofern die Opfer korrekt ausgeführt werden, das Orakel die Wahrheit verkünde Dies fügt sich in das Bild des den Menschen freundlich gesonnenen Gottes Hermes, der keine trügerischen Weissagungen macht, damit die Menschen auch zukünftig seiner Stimme lauschen Bezüglich des Opfers ist nur zu erfahren, dass es sich um eine Honigspende handelt Bei den Prophezeiungen sollte Hermes durch drei Bergnymphen, die in anderen Quellen als Thriai bezeichnet werden und deren Behausungen im Parnass liegen soll, unterstützt werden687 Empfänger der Orakelsprüche dürften die Hirten der Region sein, da Apollon berichtet, er habe das Orakel gefunden, während er seine Tiere in der Umgebung weidete688 Auf dieses mythische Bienenorakel bezieht sich möglicherweise eine Weihinschrift in einer Höhle am Berg Hymettos, welcher zum athenischen Einflussgebiet gehörte und für seine Bienen und seinen qualitätvollen Honig bekannt war Da sie nur die Götternamen Hermes und Apollon enthält, ist lediglich belegt, dass im 5 Jh  v Chr diese Stelle als den beiden heilig wahrgenommen wurde689 Inwiefern dieser Mythos tatsächlich Einfluss auf die Kultpraxis am Hymettos hatte, muss offenbleiben Ebenfalls in das athenische Gebiet gehörte eine Pan, Apollon und den Nymphen geweihte Höhle bei Vari690 Die frühesten Zeugnisse, die ein Kultgeschehen vor Ort bezeugen, stammen aus dem 5 Jh  v Chr Anhand dieses Beispiels kann eine weitere häufige Kultverbindung in außerstädtischen Heiligtümern in den Blick genommen werden: Hermes, Pan und die Nymphen691 Die Beziehung zwischen Pan und Hermes war sowohl im Mythos als auch im Kultus sehr eng So berichtet beispielsweise der

687 Antike Belege für die Zuordnung der Thriai: Pherec FGrH 3 F 49, Philoch FGrH 328 F 195, Kall h 2, 45 mit Sch , Suda/Hesych s  v θριαί; andere Variante des Mythos: Steph Byz s  v Θρία, Etym m s v θριαί Jennifer Larson (Larson 2001, 12) brachte in die Diskussion ein, dass die angesprochenen Nymphen die korykischen Nymphen seien, deren Höhle/Grotte sich in der Nähe von Delphi befunden haben soll 688 h Herm 557 689 IG I3 981 (5 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ἀπόλλωνος ⋮ Ἑρμοῦ“ 690 Vgl Bultrighini 2015b, 30 mit älterer Literatur und Quellenbelegen Zum Hermeskult in der Höhle erstmals: Raingeard 1934, 136–137 691 Vgl Laferrière 2019

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homerische „Hymnos an Pan“, dass er ein Sohn des Hermes und einer Heroine sei692 Daneben gibt es nur wenige Zeugnisse für den Pankult vor 500  v Chr Sobald aber dem Gott nach der Schlacht von Marathon (490 v Chr ) eine Grotte am Nordhang der Akropolis von Athen geweiht wurde, erfreute er sich alsbald erheblicher Beliebtheit693 Trotz der engen Verbindung der Gottheiten im Mythos, ist die Art ihrer Kultgemeinschaft nicht immer genau beschreibbar Gemeinsam waren Hermes und Pan ihre Beziehung zu den Bergen, den Bergnymphen sowie Hirten und ihren Herden, die über die Berge zogen694 So finden sich zahlreiche Reliefs und Kleinfunde, die Hermes, Pan und die Nymphen zeigen695 Aus der Varihöhle sind ebenfalls mindestens fünf solcher Reliefs bekannt696 Keine Hinweise auf eine Verehrung von Hermes in dieser Höhle geben jedoch die literarischen und epigraphischen Zeugnisse Lediglich eine Weihinschrift für die Nymphen unter einem der Reliefs könnte in diese Richtung interpretiert werden697 Die Inschrift enthält neben der Weihformel eine Liste der an ihrer Aufstellung beteiligten Personen, wobei mindestens eine Person einen theophoren, von Hermes abgeleiteten Namen trägt Entsprechend war Hermes in der in Athen verbreiteten Bildsprache des 4 /3 Jh   v Chr fast immer als Begleiter des Pan und der Nymphen dargestellt Daraus lassen sich jedoch keine Aussagen zur tatsächlichen Kultpraxis an den einzelnen Orten ableiten, womit nicht ausgeschlossen werden soll, dass der Gott im Gebet mitbedacht wurde und die Opfer ihn einschlossen698 Daher lässt sich lediglich zusammenfassen, dass die Höhle bei Vari Pan, Apollon und den Nymphen geweiht war Mit diesen in enger mythischer Verbindung stand Hermes Die Gottheiten traten besonders häufig gemeinsam auf, wenn sich ihre Aufgabenbereiche, wie im vorliegenden Fall die Fürsorge für die Berge und die dort lebenden Menschen und Tiere, überschnitten Von den Adoranten wurde die Gruppe der Gottheiten als Einheit wahrgenommen, wie auch das folgende Beispiel zeigt Eine weitere Höhle, in der Hermes mitverehrt wurde, war jene in der Nähe des Heiligtums der Bendis in Piräus699 Durch eine Kultverordnung aus dem Heiligtum erfahren wir, dass bei den Feierlichkeiten zu Ehren von Bendis Waschungen in einem nahegelegenen Nymphaion vorgesehen waren700 Diese Waschung bildet ein zwei692 Hom h 19, 1–3/19, 32–36 Dazu: Farell 2019, 131 Andere Geburtsmythen bezeichnen ihn als Sohn von Zeus und Kallisto [Epimenides frg 16 (Diels-Kranz)], von Apollon [Pind frg 100 (Maehler/ Snell)], von Kronos und Amaltheia [Aischyl frg 25b (Radt)] 693 Vgl DNP s v Pan 694 Hom h 19 Vasen: LIMC s v Hermes 164/172/179 Dazu: Allan 2018, 74–75, Laferrière 2019, 37–40 695 Vgl z B Hübinger 1990 696 Laferrière 2019, 31, Wallensten 2019, 249, Larson 2001, 242–245 mit Quellenbelegen, Thallon 1903, Weller 1903 Zu Inschriften: Dunham 1903 697 Athen Nat -Mus , Inv -Nr 2009 (=IG II2 4650, ca 330–320 v Chr ) 698 Für Carolyn Laferrière war Hermes im 4 Jh  v Chr integraler Bestandteil des Nymphenkults in Attika Als Quellengrundlage nutzt sie vor allem die Votivreliefs (Laferrière 2019, 44) 699 Zum Heiligtum: Plat rep 327a, Xen hell 2, 4, 11 Siehe auch: Dragatsis 1925/26 700 IG II2 1361 (2 H 4 Jh  v Chr )

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teiliges Relief ab, welches gemeinsam mit einem Ehrendekret für verdiente Kultanhänger in das Bendisheiligtum gestiftet wurde701 Im Hauptteil treten zwei Adoranten vor Bendis und einen bärtigen männlichen Gott, bei dem es sich wahrscheinlich um den ebenfalls thrakischen Heros Deloptes handelt Links über der Szene wurde ein Nymphenrelief eingeritzt, welches die bekannte Darstellung eines von Hermes angeführten Nymphenreigens und eines Syrinx blasenden Pans zeigt Wie schon für die Varihöhle festgestellt werden konnte, wurde Hermes auch hier automatisch zur Gruppe der Gottheiten hinzugezählt und als anwesend gedacht Um den Kultkontext noch zu unterstreichen, konnten die Gottheiten in einer Höhle dargestellt werden, wie ein Relief aus der Idäischen Grotte verdeutlicht702 Ungewöhnlich ist, dass der Gott im Relief aus Piräus entgegen der verbreiteten Tradition nicht sein Kerykeion, sondern ein Füllhorn in den Händen hält Damit wird er als reichtum- und fruchtbarkeitsspendender Gott charakterisiert und, wenn er im Nymphaion angerufen wurde, wohl als solcher um Unterstützung gebeten beziehungsweise ihm als solcher gedankt Bei den Nymphenreliefs fällt auf, dass Hermes zwar in der Spätklassik sehr oft gemeinsam mit Pan und den Nymphen abgebildet ist, in den Inschriften dieser Gruppe aber nur zweimal erwähnt wird703 Weiterhin fehlen Hinweise auf Altäre dezidiert für Hermes Als helfender und wohltätiger Gott wurde er im Kontext von Höhlen auch in anderen Regionen der griechischen Welt angerufen, wie ein Höhlenheiligtum bei Pharsalos, welches Chiron, Asklepios und Hygieia geweiht war, aber auch als Kultstätte für die Nymphen, Pan, Hermes, Apollon, Herakles und deren weibliches Gefolge galt, beweist704 Pharsalos war ein wichtiger Ort für den Handel sowie die Infrastruktur innerhalb Thessaliens Das Heiligtum lag an der Grenze des städtischen Territoriums, weshalb es von den Bürgern der Stadt, aber auch von Händlern und anderen Reisenden besucht wurde705 Diese Annahme wird gestützt durch ein Weihepigramm, das dezidiert alle Willkommen heißt, Männer und Frauen sowie Knaben und Mädchen706 Sowohl die Inschriften vor Ort als auch der archäologische Befund gestatten einen Einblick in die Struktur des Heiligtums So war das Weihepigramm am unteren Ende einer in den Felsen gehauenen Treppe angebracht, die zu einer ebenen Fläche und der angrenzenden Höhle führte Über die Kultpraxis vor Ort geben einerseits die zahlreichen Terrakotten Auskunft, andererseits das genannte Epigramm, welches in mehreren Versionen in situ an der Felswand und noch gut lesbar überliefert ist707 Die erste Variante stammt aus dem 701 Vgl Ny Carlsberg Glyptothek, Inv -Nr 231 (1043a) (=IG II2 1256, 329–328 v Chr ) Den Zusammenhang stellte erstmals Güntner her (Güntner 1994, 78) 702 Vgl LIMC s v Kouretes, Korybantes 41, Sporn 2005, 1108–1112 Vor Ort fand in späterer Zeit im Rahmen eines größeren Festaktes ein jährliches Opfer für Hermes statt [SEG 33–736 (2 Jh )] 703 Athen, Nat -Mus Inv -Nr 1783, New York, Inv -Nr 25 78 59 Dazu: Laferrière 2019, 31–33 704 I Thessalien 73, Z 5–7 (4 Jh  v Chr ) 705 Wagman 2015, 1/11–17 706 I Thessalien 73, Z 3–4/20–21 (4 Jh  v Chr ) 707 Vgl Hermes-Terrakotten: Wagman 2015, Nr 19/36/51

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5 Jh  v Chr , während die zweite in das 4 Jh  v Chr datiert Aufschlussreich ist vor allem die zweite, ausführliche Version, da diese über den Ausbau des Heiligtums berichtet und Hinweise auf die rituelle Praxis vor Ort gibt708: „Gott   | Tyche   | Seid gegrüßt, ihr Vorbeikommenden, jede weibliche und männliche Person, | Männer und Frauen und auch Knaben und Mädchen, | an diesem Ort, der den Nymphen und Pan und Hermes, | dem Herrn Apollon und Herakles und deren [weiblichem] Gefolge heilig ist, | und in dieser Höhle von Chiron, Asklepios und Hygieia: | Ihnen gehören der Ort und alle heiligen Dinge darin, | die Pflanzen und die Tafeln, die Statuen und auch die vielen Geschenke  | Einen Mann Pantalkes und zwar einen tugendhaften haben gemacht die Nymphen, | welche diesen Ort durchstreifen, dass er Wächter ist, | er ist derjenige, der dieses angepflanzt und angelegt hat mit seinen Händen; | und sie belohnten ihn im Austausch dafür mit einem reichhaltigen Leben für alle Tage  | Herakles gab ihm Stärke, Tugend und auch Kraft, | mit denen er diese Steine behauen und einen Weg nach oben machen konnte; | Apollon, dessen Sohn und Hermes gaben ihm | Gesundheit und Wohlstand für sein ganzes Leben; | Pan [gab ihm] Lachen, Heiterkeit und rechtschaffende Hemmungslosigkeit; | Chiron gab ihm Weisheit und Musikalität  | Ihr aber geht hinauf mit gutem Glück, lasst alle opfern, | beten und sich feiern Vergessen aller schlechten Dinge ist hier [möglich], | aber auch Geschenk der guten Dinge und Sieg im Kampf “

Der Text ist im daktylischen Hexameter verfasst und auf Augenhöhe am Zugang zum Heiligtum direkt in den Felsen gehauen Damit war er für jede Besucherin und jeden Besucher beim Betreten desselben unmittelbar einsehbar Entsprechend liest sich der Text wie eine Beschreibung des Ortes und eine Anleitung für den Besuch Da die wenigsten Inschriften aus ländlichen Regionen an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort gefunden wurden und noch seltener Teil eines Gebäudes oder eines Kunstwerkes waren, sind die Fundumstände hier besonders glücklich709 Das Epigramm, wie schon die erste Version aus dem 5 Jh  v Chr , enthält eine Ehrung für einen Wohltäter des Heiligtums namens Pantalkes710 Die wahrscheinlich nicht historische Person Pantalkes soll708 I Thessalien 73 (4 Jh  v Chr , Text nach Wagman 2015): „θεός  | τύχ[α]  | Χαίρετε τοὶ προσιόντες, ἅπας θῆλύς τε καὶ ἄρσην,  | ἄνδρες τε ἠδὲ γυναῖκες ὁμῶς παῖδές τε κόραι τε,  | χῶρον δ’ εἰς ἱερὸν Νύμφαις καὶ Πανὶ καὶ Ἑρμῆι, | Ἀπόλλ⟨ω⟩νι ἄνακτι, ⟨καὶ⟩ Ἡρακλεῖ καὶ ἑταίραις, | Χίρωνος τ’ ἄντρον καὶ Ἀσκλαπιοῦ ἠδ’ Ὑγιείας· | τούτων ἐστὶ τ[ὸ δ]ῶ[μα] ἅπαν ἱαρώτα τ’ ἐν αὐτῶι | ἔμφυτα καὶ πίνακες καὶ ἀγάλματα δῶρά τε πολλ[ά]·  | ἄνδρα δ’ ἐποιήσα⟨ν⟩τ’{α} ἀγαθὸν Παντάλκεα Νύμφαι  | τῶνδ’ ἐπιβαινέμεναι χώρων καὶ ἐπίσσκοπον εἶναι,  | ὅσπερ ταῦτ’ ἐφύτευσε καὶ ἐξεπονήσατο χερσσίν,  | ἀντίδοσαν δ’ αὐτῶι βίον ἄφθονον ἤματα πάντα·  | Ἡρακλέης μὲν ἔδ⟨ω⟩κ’ ἰσχὺν ἀρετήν τε κράτος τε,  | ὧιπερ τούσδε λίθους τύπτων ἐπόησ’ ἀναβαίνειν,  | Ἀπόλλων δὲ δίδωσι καὶ υἱὸς τοῦδε καὶ Ἑρμῆς  | αἰῶν’ εἰς τὸν ἅπαντα ὑγίειαν καὶ βίον ἐσθλόν,  | Πὰν δὲ γέλωτα καὶ εὐφροσύνην ὕβριν τε δικαίαν,  | Χίρων δ’ αὐτῶι δῶκε σοφόν τ’ ἔμεν[αι] καὶ ἀοιδόν   | ἀλλὰ τύχαις ἀγαθαῖς ἀναβαίνετ[ε], θύετε πάν⟨τ⟩ες | εὔχεσθε, εὐφραίνεσθε· κακῶν ἐπίλησις ἁπάν⟨των⟩ | ἐνθάδ’ ἔνεστ’, ἀγαθῶν δὲ [δόσις] πολέμοιό τε νίκη “ Ausführlicher Kommentar: Wagman 2015, 57–65 (ältere Variante), 66–93 (jüngere Variante), Larson 2001, 16–17 709 Mitchell 2014, 272 710 Vgl LGPN III B s v Παντάλκης

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te womöglich als Vorbild für die Besucher des Heiligtums dienen, sich gleichsam als Wohltäter zu erweisen, und dafür von den Göttern die aufgezählten Gaben zu erhalten sowie für die Dauer des Aufenthalts von allen Sorgen befreit zu sein711 Daneben erklärt der Text ausführlich, was die Götter den Wohltätern im Austausch für ihren Dienst an ihnen schenken würden712 Die große Zahl der Götter und die Auswahl der Gaben, die in der Formulierung gipfelt, dass die Besuchenden die guten Dinge hier als Geschenk erhielten, zeigt, dass das Heiligtum ein Ort war, an dem um ganzheitlichen Schutz für das Leben gebeten werden konnte Hierbei handelt es sich aber keinesfalls um irgendwelche Geschenke der Götter, sondern um die am häufigsten formulierten Wünsche von Adoranten nämlich um Gesundheit, Wohlstand und Erfolg im Krieg713 In diese Richtung deutet auch die Aufzählung derjenigen, die willkommen waren Welche Rolle spielte aber nun Hermes innerhalb dieser großen Kultgemeinschaft? Von allen genannten Göttern wurden Hermes, Apollon und Asklepios als diejenigen gepriesen, die den Menschen Gesundheit und ein gutes Leben garantierten714 Der Wunsch nach Gesundheit wurde in dieser Reihung enger mit den Heilgöttern Apollon und Asklepios verknüpft, während Hermes als Garant eines angenehmen Lebens, das sich zum Beispiel in Reichtum ausdrückte, erschien715 Hermes wurde hier als helfender, glückbringender Gott angesehen An ihn wandten sich in Pharsalos Menschen beider Geschlechter, was in Anbetracht der Tatsache, dass der Gott üblicherweise von Frauen und Männern verehrt wurde, nicht weiter verwundert Um ihre Anfragen an den Gott zu unterstützen oder sich für Gewährtes zu bedanken, konnten sie, so der Text des Epigramms, Pflanzen, Tafeln, auf denen möglicherweise die Wünsche vermerkt wurden, und Götterbilder an diesen weihen Die zahlreichen gefundenen Terrakotten sprechen dafür, dass mit dem Begriff ἄγαλμα (Götterbild) kleinere Weihgaben gemeint waren Allgemein fällt auf, dass im Heiligtum im 4 Jh  v Chr nicht nur sehr verbreitete Wünsche vorgebracht und erfüllt werden konnten, sondern dass dafür der Besuch nur einer heiligen Stätte genutzt werden konnte Der Gott Hermes war in dieser Gruppe besonders für den Wohlstand Einzelner zuständig716 Gemeinsam mit den anderen erhielt er regelmäßige Weihgaben

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I Thessalien 73, Z 21–22 (4 Jh  v Chr ) Zur Historizität der Person: Wagman 2015, 60 Wagman 2015, 81 I Thessalien 73, Z 14–19 (4 Jh  v Chr ) Die ungewöhnliche Formulierung „Ἀπόλλων δὲ δίδωσι καὶ υἱὸς τοῦδε καὶ ῾Ερμης“ kann nicht als „Apollo and his son Hermes“ (Larson 2001, 16–17) übersetzt werden, viel wahrscheinlicher ist Asklepios gemeint (Wagman 2015, 81, Mili 2015, 144–145) Schon in den Zeilen 5–6 werden die Götter in Dreier-Gruppen aufgezählt, was hier wieder aufgegriffen wird Zum Kult von Apollon und Asklepios: Graf 2009, 94–98 Auch im Asklepiosheiligtum im Piräus wurde Asklepios gemeinsam mit Apollon, Hermes und anderen Gottheiten verehrt: IG II2 4962 (Anfang 4 Jh  v Chr ) Hierzu: 2 2 1 Höhlen Vgl Versnel 2011, 119–122

2 2 Chora I: Heiligtümer extra urbem

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Die Hermes darstellenden Terrakotten lassen keinen tieferen Einblick in die Kultpraxis zu; anders verhält es sich mit dem oben zitierten Epigramm Laut diesem war das Heiligtum, das an der Grenze der Polis entlang einer wichtigen Verkehrsader lag und entsprechend viel besucht wurde, ein Ort, an dem geopfert, gebetet und gefeiert werden durfte beziehungsweise sollte Ob die Handlungen allein oder in Gesellschaft durchgeführt wurden, hing von der und dem Einzelnen ab Dass es sich um einen Begegnungsort handelte, an dem Menschen zusammenkamen und für längere Zeit verweilten, bestätigt das gemachte Versprechen, dass man für die Dauer des Aufenthalts von Sorgen befreit sein sollte717 Betrachtet man zusätzlich die Ausstattung solcher Kultplätze, wird deutlich, dass die häufig hochwertigen Weihgaben nicht allein mit einer Nutzung durch die lokale Elite zu erklären sind718 Entsprechend wurden diese Heiligtümer einerseits von den Anwohnern, andererseits von mobilen Bevölkerungsschichten, wie Hirten, Handeltreibenden und Reisenden, besucht Beide Gruppen identifizierten sich in besonderer Weise mit Hermes, weil er der Gott der Wege, der Hirten und des Handels war Dabei wurde er sowohl bei den die Gemeinschaft betreffenden Bitten als auch bei den individuellen Anliegen als Ansprechpartner gewählt Im Kontext des sakralen Schutzes von Grenzen sind die kretischen Höhlenkulte zu sehen Mit der Idagrotte liegt sogar ein Heiligtum vor, das in der gesamten griechischen Welt bekannt war Im Rahmen eines größeren Festakts erhielt Hermes hier ein jährliches Opfer719 Neben dem Kultort am Berg Ida nahe Rhithymna ist Hermesverehrung zudem in einer dem Hermes Κραναῖος bei Patsos geweihten Höhle und in der Grotte Geros Spilios auf dem Gebiet von Axos nachweisbar, wobei Zeugnisse für Letztere nicht in den Behandlungszeitraum fallen720 Die Höhle von Hermes Κραναῖος (der vom Kornelgewächs) befand sich auf 450 Meter Höhe am Berg Soros und unterlag der Kontrolle der Polis Sybrita721 Zwar ist der Beiname erst durch die private Weihung von Doros aus dem 1 Jh  v Chr bekannt, es ist aber davon auszugehen, dass der gemeinsame Kult von Hermes, Pan und den Nymphen vor Ort älter ist722 Auf Kreta wurden diese Gottheiten häufiger als Grenzgötter angerufen723 Katja Sporn schlug aufgrund der reichen Münzprägung der Stadt, die oft Hermes als Motiv wählte, vor, dass es ein weiteres Hermesheiligtum auf dem Gebiet der Polis Sybrita gegeben habe724 Dafür spricht auch der inschriftliche Befund, denn in einem Bündnisvertrag zwischen Gortyn und Sybrita erscheint Hermes als Schwurgott725 717 718 719 720 721 722 723 724 725

I Thessalien 73, Z 21–22 (4 Jh  v Chr ) Vgl Baumer 2004, 64, Hübinger 1990, 203–206 CIG 2569 (ohne Datierung) Chaniotis 1988, 21–39, IC II xxviii 1 (2 /1 Jh  v Chr )/2 (2 Jh n Chr ) Vgl Chaniotis 1988, 21–39 IC II ix 1 (1 Jh v /n Chr ) Vgl Chaniotis 2006, 198, Chaniotis 1988 Sporn 2002, 249, LIMC s v Hermes 959 Siehe auch: Svoronos 314–315 Chaniotis 1996, Nr 32 (=IC IV 183, ca 216/204 oder 200/189 v Chr )

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Daneben zählte Hermes in Laodikeia zu einer nicht näher bestimmten Gruppe der Spilaïten (Höhlengötter), die für ihre Region und die dortigen Menschen in Kriegsund Friedenszeiten von großer Wichtigkeit waren Dafür ist die Höhle beim phrygischen Themisonion oberhalb der Stadt ein aufschlussreiches Beispiel726 Der Einrichtung des Höhlenheiligtums soll eine Epiphanie der Götter Herakles, Apollon und Hermes vorausgegangen sein, wie Pausanias zu berichten weiß727 Als die Themisoner von den Galatern angegriffen wurden (275 v Chr ), seien die Götter den Herrschenden im Traum erschienen und hätten bestimmt, dass die Einwohner in die vorher unbekannte Höhle, die über einen Frischwasserzugang verfüge, gehen sollten Da sie dort dem göttlichen Schutz unterstanden hätten, seien die Themisoner gerettet worden Als Dank hätten die Geretteten vor der Höhle Statuen der Götter Herakles, Apollon und Hermes aufgestellt, denen der Ort seither geweiht sei Für den Hermeskult bedeutet dies, dass der Gott hier in einer Höhle gemeinsam mit Apollon und Herakles verehrt wurde Sowohl die Verbindung zu Apollon als auch zu Herakles ist aus anderen Höhlenheiligtümern belegt Gleichzeitig soll Hermes hier, wie schon in Tanagra, bei einer militärischen Auseinandersetzung eingriffen und die Bewohner gerettet haben728 Im Unterschied zu Tanagra hat er sich in der antiken Vorstellung nicht selbst an den Kampfhandlungen beteiligt, sondern den Bürgern einen Ausweg gezeigt Zur Erinnerung und zum Dank wurden Götterstatuen aufgestellt und ein jährlicher Festzug ist denkbar729 Ein deutlicher Anstieg an literarischen und archäologischen Zeugnissen, die Hermes in extraurbanen Kontexten erwähnen, ist ab dem 3 Jh  v Chr zu beobachten Mit der zunehmenden Verherrlichung des Hirtenlebens in der Dichtung werden die Zeugnisse, die Hermes als Schützer der Herden und Hirten benennen, häufiger Die Aufgabe, die Herden zu beschützen (ἐπαμοίβιμα ἔργα), hatte Zeus laut dem homerischen „Hymnos an Hermes“ diesem persönlich übertragen730 Im weiteren Verlauf des Textes heißt es dann, dass Hermes der Herr über die häuslichen und wilden Tiere sei731 Entsprechend traten neben die thematischen Beinamen, die schon aus den homerischen Schriften bekannt sind, eine Vielzahl neuer, eher allgemeiner Bezeichnungen Bei Hesiod und im homerischen Hymnos wird Hermes vor allem mit Schafen732 oder Ziegen assoziiert, wie die Beinamen Οἰοπόλος733 (der Schafhirt, abgelegen/einsam),

726 727 728 729

Zur Verortung der Höhle: Nollé 2009, 55 Paus 10, 32, 4–5 Hierzu: 2 1 4 2 Grenzen bewahren Vgl ein weiteres nicht datiertes Beispiel aus Pergamon, wo Hermes und Herkales als Retter aus der Not auftreten: MDAI(A) 32 (1907), Nr 26 730 h Herm 516 Dazu: Vergados 2013, 8, Athanassakis 1989 731 h Herm 567–571 Dazu: Vergados 2013, 578, Chittenden 1947b, 104–105 Zu Einzeluntersuchungen wie z B zu Hermes und dem Wolf: Pisano 2011, 87–98 732 Hes theog 445, h Herm 314/498, Aristoph Ran 1625 733 h Herm 314

2 2 Chora I: Heiligtümer extra urbem

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Πολύμηλος734 (der mit vielen Schafen/Ziegen, der Herdenreiche) und Μηλοσσόος735 (der Schützer der Schafe) zeigen Seit dem homerischen „Hermeshymnos“ und vor allem in der Tragödie „Die Spürhunde“ (Mitte 5 Jh  v Chr ) von Sophokles wird die Verbindung von Hermes zu den Rindern hervorgehoben, wobei er diese nicht nur hütet, sondern auch stiehlt, was die Beinamen Βοηλάτης736/Βοῦκλεψ737 (der Rinderdieb), Ἐλατήρ βοῶν738 (der Rindertreiber) und Βούφονος739 (der Rindermörder) verdeutlichen Die spezifische Fürsorge für Gruppen von Tieren wurde dann seit den Werken von Sophokles und Aristophanes zu einer allgemeinen Schutzfunktion für die Hirten und deren Herden umgedeutet, die sich im verbreiteten Beinamen Νόμιος/Νόμαιος740 (der Hirte/Schäfer) widerspiegelt Daneben waren aber gerade in der Textgattung der Epigramme Rückbezüge zu den traditionellen Beinamen immer gegeben, wie zum Beispiel ein Weihepigramm des Leonidas von Tarent, das um 280 v Chr datiert, zeigt741: „Grotten und heiliger Hain der Nymphen, die Quellen unter dem Berg, | und die Pinie dem Wasser eine Nachbarin seiend, | und du Vierkantiger, Schützer der Schafe, Sohn der Maia, Hermes, | der du, Pan, ziegenweidende Hügel beschützt, | heilige Kuchen und auch die Kanne voller Wein | nehmt gütig, Geschenke des Neoptolemos, Sohn von Aiakos “

Der Ort war ein heiliger Hain der Nymphen, der eine Wohnstatt derselben in Höhlenform und eine Quelle, die von Pinien umgeben war, umfasste und mit einer Herme geschmückt war Daneben wurden hier auch Hermes und Pan verehrt Noch im 3 Jh  v Chr gehörte diese Gruppe demnach aufs Engste zusammen und wurde weiterhin in ihrer Funktion als Schützer der Berge und der Hirten sowie der dort weidenden Tiere angerufen Die ebenfalls typische Lage dieser Heiligtümer bei Quellen wird noch genauer besprochen Wiederum findet sich hier der Hinweis auf die schon am Beginn des Kapitels angesprochenen kleineren Weihgaben, im vorliegenden Fall Kuchen und Wein In dem zitierten Text, der wahrscheinlich inschriftlich in einem Nymphenheiligtum festgehalten war, erhielt Hermes drei Beinamen, aus denen sich Hoffnungen der Wei734 Hom Il 14, 490 Auch Münzen zeigen Ziegen gemeinsam mit Hermes und/oder seinen Attributen: z B LIMC s v Hermes 5a/258–259; Vasen: LIMC s v Hermes 244/252/ 257 735 Anth Gr 6, 334 (um 280 v Chr ) 736 Soph Ichn 123, Anth Gr 11, 176 (neronisch) Siehe auch: Hdt 1, 114, 1 Vasen: LIMC s v Hermes 241–242/246–247/248/255; Münzen: LIMC s v Hermes 250/253 737 Soph frg 318 (Radt) 738 h Herm 14 (modifiziert in 265/377) 739 h Herm 436 740 Hes theog 444–447, Hom Il 14, 490–491, h Herm 492/497/567, Sim frg 591 (Page), Soph Ichn 492, Aristoph Thesm 977, Babr 23, 4 (Perry), Paus 2, 3, 4, Corn Theol Graec 16, 17, IG II2 3977 (2 Jh n Chr ), P Oxy 7, 1015, 7 741 Anth Gr 6, 334 (um 280 v Chr ): „αὔλια καὶ Νυμφέων ἱερὸς πάγος, αἳ θ᾽ ὑπὸ πέτρῃ | πίδακες, ἥ θ᾽ ὕδασιν γειτονέουσα πίτυς,  | καὶ σὺ τετραγλώχιν, μηλοσσόε, Μαιάδος Ἑρμᾶ,  | ὅς τε τὸν αἰγιβότην, Πάν, κατέχεις σκόπελον,  | ἵλαοι τὰ ψαιστὰ τό τε σκύφος ἔμπλεον οἴνης  | δέξασθ᾽, Αἰακίδεω δῶρα Νεοπτολέμου “

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

henden ableiten lassen Zum Ersten war er der Gott des viereckigen Götterbildes, das in diesen Kontexten besonders häufig aufgestellt wurde und sicher auch als Inschriftenträger für dieses Epigramm fungierte Neben ihrer Rolle als Inschriftenträger dienten Hermen in außerstädtischen Heiligtümern der Orientierung innerhalb der Landschaft, ganz besonders aber der Abgrenzung von Territorien742 Zum Zweiten wird er in Anlehnung an die Ilias als Schützer der Schafe charakterisiert743 Die vorliegende Herme dürfte demnach in einem Gebiet gestanden haben, indem Schafzucht betrieben wurde Zum Dritten wird er als Kind der Maia und somit als Sohn einer Nymphe angerufen Durch seine Abstammung war Hermes aufs Engste mit den Nymphen verbunden und wurde daher häufig gemeinsam mit diesen verehrt Folglich lassen sich aus dem Epigramm einige Bemerkungen zur Kultpraxis des 3 Jh  v Chr ableiten Allen Gottheiten wurde ein gemeinsames Opfer bestehend aus Kuchen und Wein dargebracht Die Gaben wurden wahrscheinlich auf einem kleinen Altar abgelegt, denn mehrere Vasenbilder zeigen außerstädtische Heiligtümer, die mit von Bäumen umgebenen Hermen und dazugehörigen kleinen Altären ausgestattet sind744 Zwar ist der Weihende Neoptolemos nicht näher bekannt, denkbar wäre aber, dass es sich bei ihm um einen regelmäßigen Besucher des Heiligtums handelte, der über ein gewisses Vermögen verfügte Durch die Berichte des Pausanias entsteht das Bild, dass im Hermeskult vor allem die Beinamen Κριοφόρος745 (der Widderträger) und Ἐπιμήλιος746 (der Beschützer der Herden) Verwendung fanden Bei der Zusammenschau der Beispiele fällt jedoch auf, dass Ἐπιμήλιος nur im Zentrum der Poleis als Beiname des Hermes auftaucht747 Dagegen wurde das Epitheton Κριοφόρος sowohl im innerstädtischen Bereich, wie das bereits ausführlich besprochen Heiligtum des Hermes Κριοφόρος in Tanagra zeigt748, als auch im Extraurbanen benutzt Pausanias beschreibt ein Heiligtum des Hermes Κριοφόρος an der Straße von Korinth nach Lechaion: „Geht man die gerade Straße nach Lechaion weiter, ist dort ein bronzener Hermes sitzend, und neben ihm steht ein Widder, weil Hermes besonders die Herden bewacht und ihnen Gedeihen verleiht, wie Homer in der Ilias dichtet: »Dessen Vater war der mit Herden begüterte Phorbas, den Hermes unter den Troern in Liebe am meisten mit Gütern ausstattete« “749 742 Wrede 1986, 39–40 743 Hes theog 445, h Herm 314/498, Aristoph Ran 1625 744 Vgl LIMC s v Hermes 94/97a/104–105/107/115 Dazu: Collard 2019, 229–232, Rückert 1998, 128/145–148/160–16 Siehe auch: Straten 1995 745 Paus 2, 3, 4/4, 33, 4/5, 27, 8/9, 22, 1 Bildliche Quellen: LIMC s v Hermes 255–297 746 Paus 9, 34, 3, Anth Gr 6, 334, 3 (μηλοσσόος, 3 Jh  v Chr ), Ant Lib Met 31 747 Hierzu: 2 6 2 3 Polyfunktionalität 748 Paus 9, 22, 1 Hierzu: 2 1 4 2 Grenzen bewahren 749 Paus 2, 3, 4: „αὖθις δ᾽ ἰοῦσιν ἐπὶ Λεχαίου τὴν εὐθεῖαν χαλκοῦς καθήμενός ἐστιν Ἑρμῆς, παρέστηκε δέ οἱ κριός, ὅτι Ἑρμῆς μάλιστα δοκεῖ θεῶν ἐφορᾶν καὶ αὔξειν ποίμνας, καθὰ δὴ καὶ Ὅμηρος ἐν Ἰλιάδι ἐποίησεν υἱὸν Φόρβαντος πολυμήλου, τόν ῥα μάλιστα Ἑρμείας Τρώων ἐφίλει καὶ κτῆσιν ὄπασσε ”

2 2 Chora I: Heiligtümer extra urbem

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Entlang einer wichtigen Straße wurde demnach eine Bronzestatue des Gottes aufgestellt Diese Statue ist in vielfacher Hinsicht auffällig: Hermes wurde nicht wie gewöhnlich in Form der Herme, sondern als anthropomorph gestaltete Figur dargestellt Weiterhin stand der Widder zu seinen Füßen und wurde nicht, wie der Beiname Κριοφόρος nahelegt und andere Darstellungen ihn zeigen, auf den Schultern des Gottes getragen Zwar wurde das Epitheton hier nicht dezidiert benannt, trotzdem sind Wortwahl und Kontext eindeutig Durch vergleichende Studien konnte die archäologische Forschung zeigen, dass die Figur des Hermes Κριοφόρος am Anfang des 4 Jh  v Chr eine Neuinterpretation erfuhr750 Die starre, archaisierende Form wurde zugunsten einer dynamischeren Gestaltung aufgebrochen Ein Beispiel für diese Neugestaltung ist der sogenannte Hermes von Troizen: Der stehende Gott, der mit geflügeltem Petasos und Kerykeion ausgestattet ist, hält den neben ihm sitzenden Widder bei den Hörnern751 Daher kann festgehalten werden, dass das Kultbild an der Straße nach Lechaion vermutlich erst zu Beginn des 4 Jh  v Chr oder später aufgestellt wurde Zudem zitiert Pausanias einige Homerverse, wohl einerseits um zu bekräftigen, wie alt der Glaube an die Fürsorge von Hermes für die Herden war, andererseits um zu erläutern, wer mit welchen Bitten an Hermes Κριοφόρος herantrat Folglich wandten sich sowohl die Herdenbesitzer, die gleichzeitig die Hirten sein konnten, aber nicht mussten, als auch einfache Hirten und deren Familien an Hermes Diesem Personenkreis gewährte Hermes das gewünschte Wachstum (αὔξειν), das sich auf die Weideflächen, die Zahl der Tiere, den daraus resultierenden Reichtum und auf die Familien selbst beziehen konnte 2 2 2 Haine, Quellen und Flüsse Die Mythen berichten, dass Hermes ebenfalls seit seinen ersten Lebenstagen aufs Engste mit den Nymphen, die bei den Quellen wohnen, vertraut gewesen sei Noch Pausanias hörte zum Beispiel von den arkadischen Pheneaten die Aitiologie, dass Hermes bei den Quellen auf dem Berg Trikrena von drei Nymphen gebadet worden sein solle752 An diesem Ort, der gleichzeitig die Grenze der Poleis Pheneos und Stymphalos markierte, wurde ein Hermesheiligtum eingerichtet753 Ebenfalls als Grenze fungierte sicher der bei Thukydides erwähnte Hermeshain an einer Quelle an der Grenze der Polis Mykalessos Er beschreibt, dass die Thraker vor der Eroberung der Stadt 750 Despinis 1981, 243 751 Vgl BCH 16 (1892) 165–174 Siehe auch: Paus 2, 31, 10, der eine Statue des Hermes Polygios in Troizen erwähnt 752 Paus 8, 16, 1 Andere Mythen überliefern, dass hier der ursprüngliche Wachstumsort des Molykrauts oder der Geburtsort des Pan sei (Hom h 19, 31) 753 Hierzu: 2 1 4 2 Grenzen bewahren

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

413 v Chr bei den 16 Stadien von der Stadt entfernten „Hermen“ ihr Nachtlager aufgeschlagen hätten754 In dieser Weise ist auch das Hermaion in der Nähe von Koroneia zu interpretieren, das von Aristoteles erwähnt wird755 Wenn diese Haine und Quellen nicht die Grenze eines Territoriums markierten, waren sie ähnlich wie das Höhlenheiligtum bei Pharsalos entlang von Straßen oder anderen Verkehrswegen gelegen Somit dienten sie Reisenden aller Art als Anlaufstellen und vor allem als Rastplätze, wie gleich mehrere Quellen bezeugen756 Als Beispiel kann ein Weihepigramm der arkadischen Dichterin Anyte von Tegea, die um 300 v Chr tätig war, gelten, welches in der Anthologia Graeca überliefert ist757: „Leg dich, Wanderer, hier ins Grüne der Wiese und ruhe  | deinen ermüdeten Leib aus vom beschwerlichen Marsch! | Sieh, hier säuselt die Pinie, hier streichelt der Atem des Zephyrs | über dich hin, es zirpt leise die Grille ihr Lied, | und am Mittag erklingt vom Bergquell die Syrinx des Schäfers, | der unters schattige Dach einer Platane sich setzt  | Dann entgehst du im Sommer des Sirius Hitze und kommst doch | zeitig zum Hügel Sei klug! Tue, was Hermes dir rät!“

Der Text ist, wie Lorenz Baumer für die Quellen über die ländlichen Heiligtümer im Allgemeinen beobachtet, besonders topisch gestaltet758 Weiterhin werden, wie es für griechische Epigramme nicht ungewöhnlich ist, die Adressaten direkt angesprochen und zum Bleiben aufgefordert Zu der Zielgruppe gehörten vor allem Wanderer (ὁδῖται) und andere auf dem Weg befindliche Menschen, sodass Hermes in den entsprechenden Epigrammen auch als Wegegott angerufen wird759 Die im Epigramm enthaltene Beschreibung des Kultplatzes kann stellvertretend für solche an Quellen befindliche Heiligtümer stehen Es gab meist eine Quelle oder einen anderen natürlichen Zugang zu Süßwasser760 Daneben befanden sich im heiligen Bezirk Bäume, die den Besuchern Schatten spendeten Dies wird bestätigt, wenn zum Beispiel Pausanias über den karnasischen Hain berichtet761:

754 Thuk 7, 29, 3, Liv 35, 50 Zu Nachtlagern in Heiligtümern: Nevin 2017, 47–48 755 Aristot eth Nic 1116b mit Sch Siehe auch: Ephor FGrH 70 F 94a, Kephisodoros FGrH 112 F 1 Dazu: Schachter 1986, 40 756 Vgl Anth Gr 6, 299 /9, 314/9, 316/9, 335/9, 744/10, 12/16, 11/16, 191/16, 227/16, 254/16, 255/16, 256 (alle 3 Jh  v Chr ) Siehe auch: Allan 2018, 56–57/74 757 Anth Gr 16, 227 (um 300 v Chr , Übersetzung Beckby 1968): „τᾷδε κατὰ χλοεροῖο ῥιφεὶς λειμῶνος, ὁδῖτα, | ἄμπαυσον μογεροῦ μαλθακὰ γυῖα κόπου, | ᾗχί σε καὶ Ζεφύροιο τινασσομένη πίτυς αὔραις | θέλξει, τεττίγων εἰσαΐοντα μέλος,  | χὠ ποιμὴν ἐν ὄρεσσι μεσαμβρινὸν ἀγχόθι παγᾶς  | συρίσδων, λασίας θάμνῳ ὕπο πλατάνου· | καῦμα δ᾽ ὀπωρινοῖο φυγὼν κυνὸς αἶπος ἀμείψεις | ὥριον Ἑρμείῃ τοῦτ᾽ ἐνέποντι πιθοῦ “ 758 Baumer 2004, 10 759 Vgl Διάκτορος (Anth Gr 13, 2), Ἐνόδιος (Anth Gr 6, 299/10, 12), Φύλαξ Ὁδοῦ (Anth Gr 10, 12) 760 Anth Gr 10, 12, Z 5 (3 Jh  v Chr ) 761 Paus 4, 33, 4 (Übersetzung Meyer 2001): „εἶναι δὲ ἥρωα Στενύκληρον λέγουσι τοῦ πεδίου δέ ἐστιν ἀπαντικρὺ καλουμένη τὸ ἀρχαῖον Οἰχαλία, τὸ δὲ ἐφ᾽ ἡμῶν Καρνάσιον ἄλσος, κυπαρίσσων μάλιστα

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„Gegenüber der stenyklerischen Ebene liegt das ehemalige Oichalia, zu meiner Zeit karnasischer Hain genannt, voll besonders von Zypressen Da stehen an Götterstatuen solche des Apollon Karneios und eine Hagne und ein Hermes, der einen Widder trägt Hagne ist ein Beiname der Kore, der Tochter der Demeter, und neben der Statue fließt Wasser aus einer Quelle “

Außer den Bäumen gab es in diesem Heiligtum eine Quelle, deren Wasser für den Kult wichtig war762 Der Text verdeutlicht zusätzlich, dass in solchen Hainen oder Quellheiligtümern oft mehrere Gottheiten gemeinsam verehrt wurden So tauchen neben den Nymphen immer wieder die Götter Hermes, Pan und Apollon auf Entsprechend standen im karnasischen Hain die Statuen von Apollon und Hermes dicht beieinander Auch das Musenheiligtum am Helikon sollen Bronzestatuen von Hermes und Apollon geschmückt haben, die an den Streit der Brüder um die Lyra, der sich hier zugetragen haben soll, erinnerten763 Die bisherigen Beispiele verdeutlichen, dass diese extraurbanen Heiligtümer von Hermes nicht durch Bauwerke gekennzeichnet waren Wohl fanden sich aber häufiger Gruppen von Hermen, die den Kultplatz markierten, wie die „Hermen“ an der Grenze von Mykalessos zeigen 764 Neben den Epigrammen, die zwar in diese Richtung deuten, aber nicht in situ gefunden wurden, begegneten solche Heiligtümer auch Pausanias auf seinen Reisen durch Griechenland In Korseia sah er beispielsweise ein Standbild von Hermes „unter freiem Himmel […] in einem Hain wildwachsender Bäume [Stechplamen]“765 Sein Bericht wird durch den Fund einer Herme, die bei Korseia stand, bestätigt766 Ferner gewähren sowohl die Epigramme als auch die Beschreibungen von Pausanias Einblicke in die Kultpraxis Zu den Kultteilnehmern dürften vor allem Reisende und Wanderer gehört haben Diese kamen einerseits zur Mittagszeit und ruhten sich von der Reise oder der Arbeit aus Zu Reinigungs- und Erfrischungszwecken war das Quellwasser von großer Wichtigkeit Am Ende der Rast erhielten Hermes und die anderen Gottheiten für Schatten und Ruhe einen Dank in Form kleinerer Weihgaben, etwa einen Anteil an der mitgebrachten Verpflegung, oder ihnen wurde ein Opfer zu einem späteren Zeitpunkt versprochen767 Hermes sorgte demnach nicht nur für die Sicherheit der mobilen Bevölkerungsschichten, sondern seine Heiligtümer luden

762 763 764 765 766 767

πλῆρες θεῶν δὲ ἀγάλματα Ἀπόλλωνός ἐστι Καρνείου καὶ Ἁγνῆς καὶ Ἑρμῆς φέρων κριόν ἡ δὲ Ἁγνὴ Κόρης τῆς Δήμητρός ἐστιν ἐπίκλησις· ὕδωρ δὲ ἄνεισιν ἐκ πηγῆς παρ᾽ αὐτὸ τὸ ἄγαλμα “ Gawlinski 2012, 43–44 Paus 9, 30, 1 Dazu: Raingeard 1934, 162 Thuk 7, 29, 3, Liv 35, 50 Paus 9, 24, 5 (Übersetzung Meyer 2001): „[…] ὑπὸ δὲ αὐτῷ δένδρων ἄλσος οὐχ ἡμέρων· πρῖνοι τὸ πολύ εἰσιν ” Dazu: Raingeard 1934, 164–165 Schachter 1986, 40 Anth Gr 6, 299/10, 12, Z 7 (beide 3 Jh  v Chr )

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

auch zum Ausruhen und Pausieren ein Andererseits sprechen die zum Teil kostbaren Weihgaben wie zum Beispiel die Statue des Hermes Κριοφόρος (der Widderträger) dafür, dass entweder Kultbilder eines verlassenen Ortes wiederverwendet wurden oder wohlhabende Verehrer das Heiligtum regelmäßig besuchten768 Daneben wurde Hermes als Gefährte der Quellnymphen in Heiligtümern verehrt, in denen das Wasser der Quelle notwendiger Bestandteil der Kultpraxis sein konnte Solche Orte waren beispielweise Heiligtümer von Heilgottheiten wie Asklepios So wurde Hermes zum Beispiel im Kontext des Asklepios-Heiligtums im kretischen Lebena gemeinsam mit den Nymphen und Acheloos an einer Quelle verehrt und hatte wahrscheinlich seinen eigenen Altar769 Die enge Verbindung zwischen Pan, den Nymphen, Hermes und Acheloos in Attika wurde oben bereits ausgeführt Aber auch mit anderen Flussgöttern wurde Hermes gemeinsam gezeigt: Ein Relief bei der Kallirhoe-Quelle im Ilissos-Gebirge zeigt Herakles, der von Hermes zu dem gleichnamigen sitzenden Flussgott geleitet wird, hinter dem die Nymphe Kallirhoe steht770 Hermes wurde demnach mindestens in Attika mit den Gottheiten der Binnengewässer wie Flüssen und Quellen im Allgemeinen verbunden, wofür mehrere Gründe angeführt werden können Zum einen ähneln sich die Gruppen der Kultakteure Über die Wanderer und Hirten wurde im Rahmen dieses Kapitels ausführlich gesprochen, sodass an dieser Stelle nur noch auf den Mythos hingewiesen werden soll, nach dem Hermes die von Apollon gestohlenen Rinder am Fluss Alpheios tränkte und fütterte771 Entsprechend waren die Ruhestätten, die über einen Süßwasserzugang verfügten, für Mensch und Tier gedacht Zur Ergänzung des Bildes können weitere Interessengruppen ausgemacht werden, für die Flüsse wichtig waren Eine dieser Gruppen, die sogar als Berufsgemeinschaft bezeichnet werden könnte, waren die Wäscherinnen und Wäscher Athens, die ein Relief weihten und dieses am Ufer des Ilissos aufstellten772 Das Relief ist in zwei Bildfelder unterteilt: Im oberen Abschnitt führt Hermes die Nymphen, während Pan und Acheloos dabeistehen; im unteren Teil sind Demeter und Kore abgebildet, denen sich ein Heros mit Pferd nähert773 Demnach wurde Hermes, wie im Fall der Höhlenheiligtümer, in dauerhafter Gemeinschaft mit Pan und den Nymphen gesehen, wobei die Gruppe noch um den Flussgott erweitert werden konnte Die Inschrift enthält neben den Namen der Weihenden die Information, dass es sich um ein Geschenk für die Nymphen und alle Götter handelt774 In der Forschung wird betont, dass das Relief 768 769 770 771 772 773 774

Paus 4, 33, 4 IC I xvii 10, Z 11 (2 Jh  v Chr )/15, Z 9 (2 /1 Jh  v Chr ) Dazu: Sporn 2002, 192 Vgl Athen Nat -Mus , Inv -Nr 1778 (3 Jh  v Chr ) Siehe auch: Güntner 1994, 70 h Herm 101/139/398 IG II2 2934 (=Staatl Mus Berlin, Inv -Nr 709 K 87, ca 340–330 v Chr ) Budin 2013, 289–290, Larson 2001, 128–129, Löhr 2000, Nr 116, Güntner 1994, 23 IG II2 2934, Z 1 (340–330 v Chr ): „οἱ πλυνῆς ∶ Νύμφαις ∶ εὐξάμενοι ∶ ἀνέθεσαν ∶ καὶ θεοῖς πᾶσιν “

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sowohl bei Kulthandlungen für die Nymphen einbezogen wurde als auch als Anlaufpunkt für die Anwärter bei den kleinen Mysterien diente, die sich im Fluss wuschen Wiederum gehörte Hermes eng zu dem Kreis der Götter, ohne das wir Kenntnis von expliziten Kulthandlungen für ihn hätten Zum anderen waren die heimischen Fluss- und Quellgötter von großer Wichtigkeit und wurden in den alltäglichen Kult eingebunden775 Weil auch Hermes als Schützer der naturräumlichen Gegebenheiten der Heimatpolis und ihrer Individuen galt, wurde er im Kult den Wassergottheiten zur Seite gestellt 2.3 Chora II: Straßen und Wege Hermes spielte im Leben derjenigen, die unterwegs waren und reisten, eine große Rolle, weshalb Hermesheiligtümer entlang von Straßen oder an wichtigen Verkehrspunkten lagen Die antiken Menschen waren außerordentlich mobil und unternahmen aus zahlreichen Gründen Reisen776 Dieses Kapitel widmet sich der Rolle von Hermes als Geleiter auf allen Wegen, wozu einerseits Straßen und Wege, die in die Polis hinein, aber ebenso herausführten, beleuchtet und andererseits abstrakte Strecken untersucht werden sollen Das Kapitel wird von der Frage geleitet, ob Hermes als Schutzgottheit für die Wege außerhalb und innerhalb der Polis angesehen werden kann, wobei die Bewegung sowohl auf ein Ziel ausgerichtet sein als auch von einem Ziel wegführen konnte777 2 3 1 Hermes als Geleiter und Führer auf allen Wegen Die Grundlage für diese Charakterisierung von Hermes ist im Mythos zu suchen Als Götterbote bereiste er im Auftrag von Zeus oder der Götterversammlung unzählige Male die griechische Welt Er führte in der Vorstellung der antiken Griechen die Heroen wie Priamos genauso wie die Menschen oder stand ihnen geleitend zur Seite778 Denn im Gegensatz zu seinen göttlichen Kollegen wurde Hermes als sehr mobil wahrgenommen, was durch seine Attribute wie die Flügelschuhe und den geflügelten Hut noch unterstrichen wurde779 Zur Erschließung der Kultfunktionen müssen daher 775 Vgl Taylor 2009, 36–40 776 Schlesier 2000, 129–130 777 Schenk zu Schweinsberg 2017, 99 Diese Interpretation des göttlichen Wirkungsbereiches wurde schon von Walter Otto überzeugend vertreten (Otto 1929, 132–159) 778 Hom Il 24, 153/24, 182/24, 437/24, 461 Dazu: Allan 2018, 55 779 Allan 2018, 53 Massimo Osanna stellte in seiner Untersuchung zum Kult von Hermes Ἀγοραῖος (der von der Agora) in Athen die Bewegung sogar als das wichtigste Charakteristikum des Gottes heraus (Osanna 1992, 215, siehe auch: Reggiani 2019, 325)

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zunächst die wichtigsten mythischen Erzählstränge, die auf die Gestaltung der tatsächlichen Kultpraxis Einfluss hatten, nachgezeichnet werden Begonnen werden soll mit der gleichzeitig ältesten und einflussreichsten Erzählung Immer wieder geschildert und rezipiert wurde die Geschichte des sogenannten Urteils des trojanischen Heros Paris, welche hier in der ausführlichen Version des Apollodor zitiert wird780: „Apollodor sagt, dass Eris einen Apfel (als Preis) um die Schönheit unter Hera und Athena und Aphrodite wirft und Zeus Hermes befiehlt, sie in den Ida zu Alexandros zu führen, damit sie von jenem beurteilt würden Die aber erbieten sich, Alexandros Gaben zu geben: Hera, wenn ihr vor allen (Göttinnen) der Vorzug im Urteil zugestanden werde, das Königtum über alle, Athena aber den Sieg im Krieg, Aphrodite aber die Heirat mit Helena Der aber gesteht Aphrodite den Vorzug im Urteil zu, und sobald Phereklos Schiffe gebaut hatte, segelt er nach Sparta aus “

In der „Bibliothek“ des Apollodor (1 Jh ) heißt es, dass die Göttin der Zwietracht Eris, sich auf die beschriebene Weise gerächt hätte, weil sie als einzige von den Göttern nicht zu der Hochzeit von dem Heros Peleus und der Meeresnymphe Thetis eingeladen worden sei Der Ausgang des Urteils ist hinlänglich bekannt: Paris wählt Aphrodite als schönste der Göttinnen aus und macht sich auf den Weg, um seine Braut Helena zu holen Da diese aber bereits mit Menelaos, dem König von Sparta, verheiratet ist, löst die Liebe von Helena und Paris den Trojanischen Krieg aus Dieser Mythos wurde aber nicht erst zur Entstehungszeit der „Bibliothek“ erzählt, sondern war bereits dem Dichter der „Ilias“ bekannt, obgleich die Thematik von ihm nicht ausführlich behandelt wird781 Weiterhin deuten Fragmente des archaischen Epos „Kypria“ daraufhin, dass der Erzählstrang hier eine größere Rolle spielte782 Daneben ist das Motiv in den bildlichen Zeugnissen seit dem Ausgang des 7 Jh  v Chr fassbar783 So gehören in Athen die Darstellungen von Hermes beim Parisurteil zu den ersten des Gottes überhaupt784 Hermes übernahm im Auftrag des Zeus die Aufgabe, die drei Göttinnen zu dem Heros zu geleiten, damit dieser im Beisein aller sein Urteil sprechen konnte Wiederum erscheint der Gott als ausführende Kraft der vom Göttervater beschlossenen Problemlösung Dabei fungierte Hermes nicht nur als Geleiter oder Anführer der Göttinnen,

780 Apollod E 3, 2 (Übersetzung nach Dräger 2005): „Ὅτι μῆλον περὶ κάλλους Ἔρις ἐμβάλλει Ἥρᾳ καὶ Ἀθηνᾷ καὶ Ἀφροδίτῃ, καὶ κελεύει Ζεὺς Ἑρμῆν εἰς Ἴδην πρὸς Ἀλέξανδρον ἄγειν, ἵνα ὑπ᾽ ἐκείνου διακριθῶσι αἱ δὲ ἐπαγγέλλονται δῶρα δώσειν Ἀλεξάνδρῳ, Ἥρα μὲν πασῶν προκριθεῖσα βασιλείαν πάντων, Ἀθηνᾶ δὲ πολέμου νίκην, Ἀφροδίτη δὲ γάμον Ἑλένης ὁ δὲ Ἀφροδίτην προκρίνει καὶ παξαμένου Φερέκλου νῆας εἰς Σπάρτην ἐκπλέει “ 781 Hom Il 24, 28–30 782 Cypria frg 4–5 (Evelyn-White), Eur Andr 274–792 783 Vermeule 1979, 65 mit Quellenbelegen 784 Vgl ABV 58, 122 (570 v Chr )/76, 1 (570 v Chr ), LIMC s v Hermes 453–480bis Dazu: Nobili 2011, 178

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sondern sicherte mit seiner Anwesenheit auch die Rechtmäßigkeit der Handlung zu785 Erst durch die Gegenwart des Hermes, der von Zeus gesandt wurde, wird das Urteil rechtskräftig Gleichzeitig war Hermes in den mythischen Erzählungen ein komischer Gott, der bei Streitsituationen, gerade innerhalb der olympischen Familie, vermittelte So gelang es ihm durch eine humorvolle Bemerkung die angespannte Situation zu entspannen, nachdem Hephaistos seine Frau Aphrodite beim Ehebruch mit Ares ertappt hatte786 Daher war es nachvollziehbar, dass Hermes zur Beilegung des Konfliktes zwischen den drei Göttinnen ausersehen war: In dieser Situation würde zwar kein Witz helfen, wohl aber Verhandlungsgeschick vonnöten sein Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass in Anlehnung an den Göttinnenzug zum Parisurteil Hermes seit dem 6 Jh  v Chr sehr häufig mit Triaden von Göttinnen abgebildet wurde787 Neben der Trias Hera, Athena und Aphrodite konnte Hermes auch an der Seite festgelegter Gruppen von Göttinnen wie den Chariten oder den Naiaden als Συνοπάων (der Begleiter/Gefährte) erscheinen788 Aus dieser Darstellungskonvention entwickelten sich, wie Jennifer Larson überzeugend nachweisen konnte, die Nymphenreliefs, die ebenfalls drei Göttinnen unter der Führung von Hermes zeigen789 Auf den zahlreichen Reliefs und Vasen aus dem gesamten griechischen Raum war Hermes entweder zu sehen, wie er die Nymphen zu einer Opferszene führte oder wie er – zeitweise in Gesellschaft von Apollon und Pan – ihr Begleiter im Tanz war790 Eng mit seinen Aufgaben beim Parisurteil und den Themenbereichen Hochzeit und Götterzug verbunden war ein weiterer Weg, der in einen neuen Lebensabschnitt führte und von Hermes begleitet wurde: Der Hochzeitstag mit dem Zug der Braut in den Haushalt des Ehemannes791 Bei der Mehrzahl der Darstellungen von der Prozession der Götter zum Haus von Peleus führt Hermes die Festgemeinschaft an792 Anhand der alternativen Variante zu Helenas Rolle im trojanischen Krieg, welche die gleichnamige Tragödie von Euripides (412 v Chr ) bereithält, wird deutlich, dass Hermes nach antiker Vorstellung nicht nur die Bräute führt, sondern auch getrennte Paare wieder 785 Hierzu: 2 6 3 Hermes und das Recht 786 Hom Od 8, 266–366, bes 334–343 787 Vgl Laferrière 2019, 31, Larson 2001, 260, Clairmont 1951, 26, K32 (575–550  v Chr )/K115 (575– 550 v Chr ) Für die Darstellung von Urteilen in Kunst und Literatur ab dem 7 Jh  v Chr : Gantz 1993, 567–571 788 z B Chariten in Athen: Akr Mus , Inv -Nr 586/587/622 (um 570  v Chr ), I Eleusis 13 (=IG I3 5, ca 500  v Chr ), IG I3 983 (ca 460  v Chr ), Athen Nat -Mus , Inv -Nr 1377 (nach der Mitte d 4 Jh  v Chr ), Aristoph Thesm 295–300, Paus 1, 22, 8; in Elateia: BCH 11 (1887) 341 (ohne Datierung); auf Thasos: IG XII 8, 358 (5 Jh  v Chr ); in Delphi: Brinkmann 1994, Raingeard 1934, 167; Naiaden: IG II2 4728 (1 Jh n Chr ) 789 Larson 2001, 260 Jane Harrison hat vorgeschlagen, dass die Darstellung des Parisurteils aus der Darstellung von Hermes und den Chariten entstanden ist (Harrison 1955, 294, fig 77) 790 Vgl Larson 2001, 96–98/297, Kron 1976, 253 Siehe auch: Aristeid 53, 4, MDAI(A) 3 (1878), 407 (4 Jh  v Chr ) Dazu: Schachter 1986, 42 791 Scheer 2011a, 21 792 Vgl Brit Mus , Inv -Nr 1971 11–1 1 (=SEG 35–37, 580–570 v Chr ), I Lindos 2631 (525–400 v Chr )

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vereint In der Tragödie bringt Hermes, anders als in der „Ilias“ überliefert, die Heroine nach Ägypten, damit sie dort frei vom Vorwurf des Ehebruchs darauf warten kann, von Menelaos abgeholt zu werden, so wie Hermes es ihr weissagte793 Noch deutlicher ausformuliert ist die Rolle von Hermes als Anführer bei Hochzeitszügen auf einem archaisierenden Rundaltar aus Brauron (420–410 v Chr ), der den Hochzeitszug des Dionysos zu seiner Gattin Ariadne zeigt794 Der Götterbote führt die Prozession an; ihm folgt der Bräutigam Dionysos, und noch erkennbar ist die dahinter schreitende Eirene Diese heilige Hochzeit wurde am zweiten Tag der Anthesterien in Athen nachgespielt, sodass von einem direkten Einfluss des Mythos auf die Festpraxis in Athen gesprochen werden kann795 Durch einen Altar ist belegt, dass Dionysos in Brauron einen Kult besaß, der mindestens in einem jährlichen Fest bestand796 Bei diesem Fest wurde ebenfalls der Hochzeitszug nachgeahmt, wobei Hermes als Teilnehmer gedacht war797 Zunächst kann festgehalten werden, dass Hermes den antiken Vorstellungen nach bei Festprozessionen im Allgemeinen und bei denen anlässlich einer Hochzeit beteiligt war Neben den bisher beschriebenen spezifischen Situationen war Hermes schon im Mythos eng mit dem Reisen verbunden Als Herakles beispielsweise bei den olympischen Göttern aufgenommen wird, begleiten Athena und Hermes ihn zu seinem neuen Wohnsitz798 Der Gott Hermes scheint in der antiken Wahrnehmung die Reise als Ganzes, aber auch ihre einzelnen Stationen zu überwachen Der Beginn einer Reise wurde oft von einem Abschied begleitet So zeigen mehrere Vasenbilder wie Hermes entweder selbst Abschied nimmt oder eine Abschiedsszene begleitet799 Desgleichen stellen die literarischen Quellen Hermes bei Abschiedsszenen in das Zentrum So wünscht der Chor im pseudoeuripideischen Drama „Rhesos“ (frühes 4 Jh   v Chr ) dem Heros Dolon zum Abschied mit den folgenden Worten Glück für seine Unternehmung800: „Nun denn! Mag dich Hermes, Majas Sohn, zumal er | der Herr der Diebe ist, gut dorthin und zurückgeleiten  | Den Auftrag hast du Erfolgreich musst du nur noch sein “

793 Eur Hel 44–48/56–59 Dazu: Lefkowitz 2016, 156–157 794 IG I3 1407bis (ca 420–410 v Chr ) Siehe dazu: Vikelas/Fuchs 1985, 45–48 795 Vgl Kolumnenkrater in Bologna: Hermes führt die Basilinna bei der Prozession zur heiligen Hochzeit [ARV2 532, 44 (Mitte 5 Jh  v Chr )] Zur Interpretation: Simon 1983, 97 796 Vikelas/Fuchs 1985, 46 797 Hierzu: 2 3 3 1 Prozessionen und Fackelläufe 798 Vgl z B LIMC s v Hermes 2847 (um 500 v Chr ) Zur Verbindung von Hermes und Athena: Pisano 2016 799 Vgl LIMC s v Hermes, 858–862, Zanker 1965, 108–109 800 [Eur ] Rhes 216–218 (Übersetzung nach Feickert 2005): „ἀλλ᾽ εὖ σ᾽ ὁ Μαίας παῖς ἐκεῖσε καὶ πάλιν | πέμψειεν Ἑρμῆς, ὅς γε φηλητῶν ἄναξ  | ἔχεις δὲ τοὔργον· εὐτυχεῖν μόνον σε δεῖ “ Dazu: Kommentar zum Text von Fries 2014, 198

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Dolon ist von Hektor beauftragt worden, unbemerkt in das Lager der Griechen zu gelangen, um zu erkunden, ob diese tatsächlich nach Hause zurück segeln wollen Gelingen solle dies durch eine List: Als Wolf verkleidet will Dolon auf allen Vieren in das Lager der Griechen schleichen, diese belauschen und dann nach Troja zurückkehren801 Für diesen lebensgefährlichen Auftrag bittet der Chor Hermes um gutes Geleit und sichere Rückkehr Hermes wird hier nicht als Gott der Wege angerufen, sondern als Sohn der Maia und als Herr der Diebe Eine kurze Einordnung der Epitheta zeigt, dass beide auf die konkrete Situation abgestimmt sind Da die Begegnungen von Hermes Eltern Maia und Zeus nachts und heimlich stattfanden, symbolisiert der Beiname Μαίας παῖς802 (das Kind von Maia) eben diese Eigenschaft, etwas unbemerkt und in aller Heimlichkeit tun zu können Als Hermes in der Tragödie des Euripides Helena heimlich nach Ägypten bringt, wird er auch als ὁ Παῖς ὁ Διός τε καὶ Μαίας803 (das Kind von Zeus und Maia) bezeichnet Zusätzlich beschreibt das Epitheton Ἄναξ Фηλητῶν (der Herr der Diebe) Hermes als Beschützer derjenigen, die sich listig fremdes Eigentum aneignen Beides hätte Dolon genützt, beides verwehrt Hermes ihm jedoch, sodass die Mission misslingt Wenige Verse später ist es Apollon, der Stadtgott Trojas, den der Chor als Retter auf dem Weg anruft, womit der Auftrag als für die gesamte Stadtgemeinschaft charakterisiert wird804 Im vorangegangenen Kapitel ist deutlich geworden, dass Hermesheiligtümer an wichtigen Verkehrswegen lagen und Reisende diese zur Rast nutzten805 Außerdem berichten die antiken Quellen wiederholt von Begegnungen zwischen Menschen und Göttern in mythischer Vorzeit auf einsamen Reisen Für Hermes liegen gleich mehrere solcher Berichte vor, die davon erzählen, wie er außerhalb der Städte und oft auch fern der offiziellen Straßen den Menschen begegnet und mit ihnen Gespräche führt Da der Gott selbst als mobil und als Reisender galt, fügte es sich in die antike Vorstellung, ihm unterwegs zu begegnen Bei den Menschen in den Erzählungen handelt es sich in der Regel um im landwirtschaftlichen Bereich tätige Personen, wie Landwirte oder Hirten, die in den Bergen und auf den Feldern unterwegs sind oder dort ihre Arbeit verrichten Ein Beispiel ist die Begegnung von Hermes und einem Menschen nach dem Diebstahl der Rinder des Apollon Wie Athanasios Vergados zuletzt herausarbeitete, ist im homerischen Hymnos noch allgemein von einem greisen Weinbauern

801 [Eur ] Rhes 219–223 802 ὁ Παῖς ὁ Μαίας [Aischyl Choeph 812, Eur Med 759, Eur frg 223, 66 (Radt), [Eur ] Rhes 216], Μαιάδος/Μαίης/Μαιάς υἱὸς [Hes theog 938, Hes frg 169, 3/170/217, 2 (West), Hom Od 14, 434– 435, h Herm 89/408/424/430/439/498/514/521/567/574, Hom h 29, 7, Sim frg 20 (West)), Corinna frg 654 (Campbell), Eur Med 759, Eur Hel 243/1670, Eur El 461–462, Hipponax frg 32 (West), Anth Gr 6, 346, 1 (5 Jh  v Chr )/6, 334 (um 280 v Chr )/16, 11 (Hermokreon), Phot Bibl 144a], Μαιάδος (τε καὶ Διὸς) τόκος (Eur Andr 275–276, Eur Hel 1670) 803 Eur Hel 670 804 [Eur ] Rhes 224–232 Dazu: Kommentar zum Text von Feickert 2005, 152 805 Hierzu: 2 3 2 Straßen

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die Rede, während in einem Hesiod-Fragment der Name Battos überliefert ist806 Die Geschichte wurde dann aber vor allem in den „Metamorphosen“ des Ovid ausformuliert807 Ebenfalls in den Bereich von Landwirtschaft und Reisen gehört der Mythos von Triptolemos808 Der Heros hatte von Demeter den Getreideanbau erlernt und sollte dieses Wissen an die Menschen weitergeben Auf seinen Reisen wurde Triptolemos nach griechischer Vorstellung von Hermes geführt oder begleitet, wie mehrere Vasenbilder belegen809 Der Titel dieses Kapitels deutet bereits an, dass Hermes den Heroen auch bei schwierigen Reisen zur Seite stand Viele zukunftsweisende Entscheidungen werden im Mythos an Scheidewegen getroffen, deren Sicherung Hermes gemeinsam mit Hekate übernahm810 So soll sich zum Beispiel der Vatermord des Ödipus an einem Dreiweg im Parnass ereignet haben, der zur Zeit des Pausanias noch von den aus Feldsteinen bestehenden Gräbern des Laios und seiner Begleiter markiert gewesen sei811 Dem Ödipus wiederum stand Hermes nicht nur am Dreiweg bei Ein mit Namensinschriften versehener Relief-Skyphos beispielsweise zeigt die Auslieferung von Ödipus an den König Polybos812 Deutlich lesbar sind noch die Namen „Οἰδίπους“, „Περίβοια“ und „Ἑρμῆς“ Entsprechend zeigt das Vasenbild, wie Hermes gemeinsam mit der Ziehmutter Periboia Ödipus begleitet Ein anderes Beispiel liefert die Tragödie „Ödipus auf Kolonos“ (401 v Chr ) des Sophokles Am Ende seines Lebens erfleht Ödipus das Geleit von Hermes zu der Stelle, wo er sterben soll – und die danach als Garant für die Sicherheit seiner Heimatstadt galt813 Darüber hinaus griff der Autor des homerischen „Hymnos an Hermes“ die Rolle des Gottes an Scheidewegen in karikierender Form auf Nachdem es Hermes gelungen war, den wegen des Diebstahls seiner Rinder wütenden Apollon zu bewegen, ihre Sache vor Zeus zu verhandeln, führt Hermes die Expedition zum Olymp selbst an814 Das Komische daran ist, dass dem neugeborenen Hermes der Weg zum Götterberg eigentlich noch unbekannt war815 Der Hymnos nimmt hier wie auch an vielen anderen Stellen die künftigen Aufgaben im Götterkosmos vorweg Wie oben bereits gesagt, begleitet Hermes die Heroen wie die Menschen auf ihren Wegen vom Beginn bis zum Ziel mit schützender Hand Zu der Fürsorge für die Abschiednehmenden, die Reisenden und die von der Reise Ermüdeten kam demnach 806 Hes frg 16 (West), h Herm 87–93 Dazu: Schenk zu Schweinsberg 2017, 150–154, Vergados 2013, 101–103/297–307 807 Ov met 2, 676–707 808 Hom h 2, 470–482, Apollod 1, 32, Paus 1, 14, 2/1, 38, 6/7, 18, 2/8, 4, 1 809 Vgl Compiègne Mus Vivenel, Inv -Nr L 975 (um 510 v Chr ) Dazu: Junker/Strohwald 2012, 19 810 Zografou 2010, 154–155 Siehe auch: Vernant 1963 811 Paus 10, 5, 3 812 SEG 56–519 (frühes 2 Jh  v Chr ) 813 Soph Oid K 1547–1548 814 h Herm 320 815 Schenk zu Schweinsberg 2017, 221

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noch die Sorge für die Ankommenden Eines der wohl bekanntesten Beispiele für eine Heimkehr nach einer langen Irrfahrt ist die des Odysseus in dem Epos „Odyssee“ Gleichzeitig handelt es sich hierbei um einen der ersten Belege dafür, dass Hermes am Ende einer Reise mit einer Opfergabe gedankt wurde Zur Feier der sicheren Wiederkehr von Odysseus nach Ithaka schlachtet der Schweinehirte Eumaios nämlich seinen besten Eber und weiht den göttlichen Teil an Hermes und die Nymphen816 Diese homerische Erzählung entfaltete ihre Wirkung auf die spätere Kultpraxis, denn mehrere Bildquellen, allen voran die Weih- und Grabreliefs, zeigen Opfer für Hermes bei der Rückkehr von Kriegern817 Es bleibt festzuhalten, dass Hermes schon im Mythos mit dem Reisen in Verbindung gebracht wurde Ebenfalls bereits in den Göttergeschichten begleitete Hermes alle Etappen von Anfang bis zum Ende, wobei er besonders um Hilfe bei heimlichen, einsamen oder widrigen Reisen gebeten wurde Durch diese Erzählstränge werden Kultpraktiken zu Ehren des Gottes Hermes, die sich entweder auf tatsächliche Straßen und Wege oder auf eher abstrakte Reisen beziehen, erklärbar 2 3 2 Straßen Hermes sollte die Reisenden geleiten und für ihre Sicherheit entlang der Straßen und an Kreuzungen sorgen, wobei er vor allem mit den Beinamen Διάκτορος818 (der Geleitsmann), Διάκτορος ἡγεμονεύων819 (der Gesandte, der auf dem Weg leitet), Ἐνόδιος820 (der Gott am Weg/bei Kreuzungen), Ὅδιος821 (der Hüter der Wege), Πομπαῖος822 (der Geleiter) oder Συνοπάων823 (der Begleiter) angesprochen wurde Seiner Funktion als Wächter und Kundschafter wurde durch die Epitheta Φύλαξ824 (der Wächter), 816 817 818

819 820 821 822 823 824

Hom Od 14, 414–456, bes 435–438 Vgl Kuhle 2018 Hes erg 68 (mit Argeiphontos)/77 (mit Argeiphontos), Hom Il 2, 103 (mit Argeiphontos)/21, 497 (mit Argeiphontos)/24, 339 (mit Argeiphontos)/24, 378 (mit Argeiphontos)/24, 389 (mit Argeiphontos)/24, 410 (mit Argeiphontos)/24, 432 (mit Argeiphontos)/24, 445 (mit Argeiphontos), Hom Od 1, 84 (mit Argeiphontos)/5, 43 (mit Argeiphontos)/5, 75 (mit Argeiphontos)/5, 94 (mit Argeiphontos)/5, 145 (mit Argeiphontos)/8, 335/8, 338 (mit Argeiphontos)/12, 390/15, 319/24, 99 (mit Argeiphontos), h Herm 392/514, Hom h 18, 12/5, 147 und 213 (mit Argeiphontos), Anth Gr 13, 2 (späthell /röm ); Inschriften: IG XII 5, 911 (2 Jh  v Chr ), SEG 26–1301 (späthell ), I Pergamon I, 183 (3 /2 Jh  v Chr ) Abbildungen von Geleit: LIMC s v Hermes 329–356 Soph Ichn 392 Anth Gr 6, 299 (um 250 v Chr )/10, 12 (3 Jh  v Chr ), Theokr 25, 4, Arr cyn 35 Der Beiname Ἔννιος (Hesych s  v Ἔννιος) kann vielleicht als Abwandlung von Ἐνόδιος interpretiert werden (Santoro 1974, 91) IG ΧΙΙ 8, 240 (2 Jh  v Chr ), Hesych s  v Ὅδιος Aischyl Eum 91, Aischyl Pers 626, Soph Ai 832, Soph Oid K 1548, Eur Med 759, Diog Laert 8, 31 IG II2 4728 (1 Jh n Chr ), Sim frg 20 (West) Aischyl Eum 90

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Ἐπίσκοπος825 (der Wächter/Kundschafter), Ἐύσκοπος826 (der gute Späher) und Νυκτός ὀπωπητήρ827 (der nächtliche Späher) Ausdruck verliehen Daneben wurde Hermes mit Adjektiven beschrieben, die ihn als πολύτροπος828 (viel gereist/viel gewandt) und vor allem als ταχύς/ταχινός829 (schnell, hurtig), ὠκύς830 (schnell, flink) oder ὠκύπους831 (schnellfüßig) charakterisierten Entsprechend wurden Sicherheit und Schnelligkeit auf der Reise von Hermes erbeten Wenn hier von Straßen und Wegen die Rede ist, sind mitnichten nur die außerstädtischen Routen gemeint, sondern auch die Straßen innerhalb einer Polis müssen einbezogen werden Im Sinne des Weges unseres Besuchers werden in einem ersten Schritt die Straßen außerhalb der Städte und in einem zweiten Schritt die innerstädtischen untersucht 2.3.2.1 Straßen außerhalb der Stadt Straßen und Wege sind ein Zeichen von Infrastruktur in einer natürlichen Umgebung832 Durch sie kann der Raum erschlossen und begehbar gemacht werden Daneben suggerieren von Menschen angelegte Wege in einem Gebiet, welches sich außerhalb des vertrauten Umfeldes befindet, Sicherheit und Schutz, denn das „Außen“ war potentiell mit Gefahr verbunden Das Reisen in allzu entfernte Länder oder Regionen wird in einer Schrift des Hippokrates sogar als gesundheitsgefährdend eingestuft833 Mobilität war auch deshalb riskant, weil der Schutz durch das Bürgerrecht nur innerhalb der eigenen Polis galt und ein Verlassen derselben mit einem unsicheren Rechtstatus einherging834 Um diesen Gefahren zu begegnen, wurde einigen Göttern die Aufgabe zugesprochen, als Schutzpatrone der Straßen zu fungieren Weil Hermes einerseits als mobiler Gott galt und andererseits die Grenzen bewachte, um das Fremde und Gefährliche fernzuhalten, war er für diese Aufgabe prädestiniert835 Demnach war er nicht bloß Gott des Ländlichen und der Fruchtbarkeit836, sondern für das „kontrollierbare Draußen“ zuständig Hermes wurde als Garant und Bewahrer der Ordnung 825 826 827 828 829 830 831 832 833 834 835 836

P Oxy 7, 1051, Prakt 1990 (1993) Nr 13 (6 Jh  v Chr ) Hom Il 24, 24, Hom Od 1, 38/7, 137, h Herm 73, Hom h 3, 200/5, 262 Hom Il 24, 679–681, h Herm 15, IG XIV 2557 (röm) h Herm 13, Orph Lith 54 Julia-Maria Schenk zu Schweinsberg interpretiert es als „verständig“ (Schenk zu Schweinsberg 2017, 96) Hes erg 85, Parthen 14 (Milet) Hom h 2, 407, Anth Gr 16, 186 (1 Jh  v Chr ) Eur Hel 243 Vgl Pikoulas 1995 Zu außerstädtischen Straßen in Attika: Fachard/Pirisino 2015 Hippokr Int 48, 7, 286 Schlesier 2000, 130–131 Osborne 2010, 349–350 So z B Stroszeck 2004, 231–240, Borgeaud 1998, 66, Herter 1967, 228, Crome 1935/1936, 307

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in den wilden und wenig besiedelten Gebieten außerhalb der Stadtgrenzen wahrgenommen Somit erschien er als ein Gott, der Personengruppen, die dort unterwegs waren, besonders zugeneigt war Vor allem Reisende, Händler und Hirten besuchten die Hermesheiligtümer extra urbem Betrachtet man zusätzlich die Vasendarstellungen des 5 und 4 Jh  v Chr und die Bronzebleche aus dem Heiligtum Kato Symi muss die Gruppe noch um den Personenkreis der Jäger erweitert werden837: Auf den Vasen werden vermehrt Jäger in unmittelbarer Nähe zu einer Herme dargestellt und die Bronzebleche zeigen junge Männer bei der Einweisung in die Jagd Entsprechend wurden Hermesheiligtümer an Straßen wahrscheinlich auch von Jägern für Ruhepausen in der Mittagszeit genutzt838 Gerade im 3 Jh  v Chr kam es zu einer baulichen Erweiterung der Kultorte extra urbem Entlang der außerstädtischen Straßen begann diese Entwicklung schon im 4 Jh  v Chr , worauf Belege aus Attika und der Troas hinweisen Durch den Fund eines Architekturfragments mit einer Inschrift darf auf einen Bau geschlossen werden, der entlang der Straßen Hodoi Anonymos und Daidalou in Athen stand und als „die Hermen“ benannt war839 Ebenfalls aus dem 4 Jh  v Chr stammen andere am selben Ort gefundene architektonische Reste, die alle zu einem baulichen Komplex gehörten840 Genaue Aussagen lässt die archäologische Fundsituation nicht zu; denkbar wäre jedoch, dass es sich um eine einfache Überdachung für „die Hermen“ oder um einen kleinen Tempel handelte Als Vergleich dazu kann die längliche, mit einer Inschrift versehene Marmorplatte oder der -balken, der in der Nähe von Lampsakos gefunden wurde und heute in einem Haus wieder verbaut ist, angeführt werden841 Der Text verrät außer den Namen der Weihenden und dem Götternamen nichts, sodass wiederum nur vermutet werden kann, dass es sich um den Bestandteil eines kleineren Gebäudes für den Hermeskult handelt Damit vergleichbar ist das auf Korassiai in der Kapelle Hagios Georgios, die auf der ehemaligen Akropolis errichtet wurde, wiederverbaute Architekturfragment mit einer stark zerstörten Inschrift842 Diese Inschrift enthält ebenfalls nur den Namen des Weihenden mit der Angabe des Patronymikons und den Götternamen im Dativ Ein viertes Beispiel einer Inschrift, die ursprünglich über dem Eingang eines Gebäudes angebracht war, ist aus Karthaia überliefert843 Neben diesen kleinen Heiligtümern kann die Anzahl der Hermen, die entlang der Straßen aufgestellt wurden, nicht zu hoch eingeschätzt werden So hebt beispielsweise Strabon hervor, dass es in Olympia und den umliegenden Gebieten sehr viele Her-

837 838 839 840 841 842 843

Vgl zu Vasen: Wrede 1986, 32 Anth Gr 10, 12 (3 Jh  v Chr )/16, 11 (3 Jh  v Chr )/16, 227 (um 300 v Chr ) SEG 29–196 (4 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ε τοὺς Ἑρμάς“ Arch Delt 29 (1973–1974), 158 I Lampsakos 25 (4 Jh  v Chr ?) Inschrift: „[ὁ δεῖνα Ἀπο]λλοφάνεω Ἠπειροκλής Κλεομπόρο Ἑρμῆι“ SEG 38–848 (3 /2 Jh  v Chr ) Inschrift: „[- -]νοδοτο[ς] | [- - -]αίσκου | [- - -] ΕΡΜΗΙ“ IG XII 5, 553 (ohne Datierung) Inschrift: „ἱερὸν Ἑρμοῦ“

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men entlang der Straßen gegeben habe844 Bestätigt wird dies durch die vielen Weihepigramme, die Hermes als Wegegott adressieren845 Ferner betont Pausanias, dass in Arkadien die Straßen mit vielen Hermen geschmückt gewesen seien846 Diese Aussage kann ebenfalls durch mehrere Epigramme der arkadischen Dichterin Anyte, welche diese um 300 v Chr verfasste, belegt werden Zur Illustration soll ein Beispiel zitiert werden847: „Ich, Hermes, wurde hier aufgestellt neben dem Garten im Wind | innerhalb der Kreuzung von drei Wegen, nahe dem grauen Ufer, | den müde gewordenen Männern gewähre ich eine Ruhepause vom Weg: | Die Quelle ertönt kalt und rein “

Der Text war sehr wahrscheinlich auf einer Herme zu lesen, die an einer Straßenkreuzung stand, wobei die Worte dem Gott in den Mund gelegt wurden An der beschriebenen Stelle kreuzten sich drei Wege Daher ist anzunehmen, dass es sich um einen für den Handel wichtigen Verkehrsknotenpunkt handelte Es verwundert folglich kaum, dass zur Aufstellung der Herme eine Wegkreuzung mit einer natürlichen Quelle ausgewählt wurde, an der die Vorbeikommenden trinken und sich erfrischen konnten Weiterhin aufschlussreich ist der Garten neben dem Weg: Es ist von einem privaten Grundstück auszugehen, dass sich direkt an einen der Wege anschloss Die Hermen auf den Kreuzungen erfüllten demgemäß sowohl eine schützende als auch eine helfende Funktion Daneben konnten sie zur Markierung der Grenzen von Privatgrundstücken aufgestellt werden848 Desweiteren dienten die Hermen zur Orientierung in der Landschaft So erwähnt Aristoteles einen Ort namens Hermaion in der Nähe von Koroneia849 An diesem Platz seien mehrere Hermen aufgestellt worden, die als Orientierungspunkte für Reisende gedacht gewesen seien850 Weiterhin konnten mit Hilfe der Hermen die städtischen Grenzen markiert und somit die territoriale und rechtliche Ordnung der Polis für alle sichtbar gemacht werden Im Zentrum des folgenden Abschnitts stehen konkrete Beispiele für Hermesstatuen entlang von Wegen, wobei neben dem Aussehen vor allem die Kultpraxis untersucht wird851 Den Anfang macht das am Weg in die Polis Pellene stehende Götterbild, von dem Pausanias berichtet852 Dem Autor zufolge sei die Herme bärtig gewesen und

844 845 846 847 848 849 850 851 852

Strab 8, 3, 12/8, 3, 33 Vgl z B Anth Gr 9, 314 (3 Jh  v Chr )/9, 316 (3 Jh  v Chr ) Paus 4, 33, 3 Anth Gr 9, 314 (um 300 v Chr ): „Ἑρμᾶς τᾷδ᾽ ἔστακα παρ᾽ ὄρχατον ἠνεμόεντα | ἐν τριόδοις, πολιᾶς ἐγγύθεν ἀιόνος, | ἀνδράσι κεκμηῶσιν ἔχων ἄμπαυσιν ὁδοῖο· | ψυχρὸν δ᾽ ἀχραὲς κράνα ὑποϊάχει “ Hierzu: 2 1 3 3 Nichtöffentliche Räume Aristot eth Nic 1116b mit Sch Siehe auch: Ephor FGrH 70 F 94a, Kephisodoros FGrH 112 F 1 Herter 1967, 208, Schachter 1986, 40 Hierzu: 2 1 1 2 Grenzheiligtümer Paus 2, 3, 4 Paus 7, 27, 1

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habe einen Hut getragen Zudem habe der Gott zwar den Beinamen Δόλιος853 (der Listige/Arglistige) getragen, sei „aber doch bereit, Bitten der Menschen zu erfüllen“854, so Pausanias weiter Das Epitheton, mit dem Hermes seit dem homerischen Hymnos immer wieder angesprochen wurde, war bewusst zweideutig angelegt855 Auf der einen Seite konnten die Schläue und Listigkeit des Gottes, die er zu seinem eigenen Wohle oder zum Nutzen der Menschen einsetzen konnte, betont werden Auf der anderen Seite war der Beiname eine Warnung vor dem trügerischen und hinterlistigen Charakterzug des Gottes Insofern verwundert es nicht, einem Hermes Δόλιος entlang einer Straße zu begegnen, denn Reisen waren in der Antike gleichzeitig lohnenswert und gefährlich Über den Kult an diesem Bild verrät Pausanias nur, dass der Gott trotz des eher negativen Beinamens bereitwillig Wünsche erfüllte Eine ausführlichere Beschreibung der Kulthandlungen an den Wegehermen, wie sie im 4 /3 Jh  v Chr ausgeübt wurden, findet sich in der Charakterbeschreibung „Der Abergläubische“ von Theophrast Trotz des satirischen Textcharakters sollten die Aussagen nicht als bloße Übertreibung abgetan werden, da auch andere Autoren der klassischen Zeit von übertriebenem religiösem Verhalten berichten So lesen wir in Xenophons „Erinnerungen an Sokrates“ von gutem und schlechtem Verhalten die heiligen Dinge betreffend856 Als schlecht galt es, wenn Menschen weder Tempel noch Altäre respektierten Genauso falsch war es aber, Stöcke, Steine oder wilde Tiere als göttlich zu verehren Letzteres spiegelt sich auch bei Theophrast wider, sodass angenommen werden kann, dass die beschriebenen Praktiken betrieben wurden Gleichzeitig muss aber eingeschränkt werden, dass der Aufwand von den Zeitgenossen als lächerlich wahrgenommen wurde Die entsprechende Passage lautet857: „Kommt er bei den geölten Steinen an einer Wegkreuzung vorbei, gießt er aus seinem Ölfläschchen etwas darüber, fällt auf die Knie, küsst den Stein, und erst dann entfernt er sich “

Der fiktive Charakter zückt, sobald er die Kreuzung betritt, die zu diesem Zwecke mitgeführte Ölflasche und gießt Öl über Steine, die dort liegen Um dies zu unterstreichen, werden die Steine als „vor Öl glänzend“ (λιπαροὶ λίθοι) beschrieben Auf den ersten Blick scheint dieser Text nicht auf einen Hermeskult hinzuweisen, weil die dezidierte Nennung des Götternamens oder des Götterbildes fehlt Durch den Einbezug 853

h Herm 66 (δόλον)/76 (δολίης τέχνης)/245 (δολίῃς ἐντροπίῃσι)/405 (δολομήτης) /282/361 (δολοφραδής), SEG 59–1911 (spätes 6 Jh   v Chr ), Soph Phil 133, Soph El 1395–1397, Aristoph Thesm 1203 mit Sch , Aristoph Plut 1157, TheDeMa 113 (4 Jh  v Chr )/235 (4 Jh  v Chr ), Hippias von Erythrai FGrH 421 F 1, Paus 7, 27, 1, Phaedr 133, Corn Theol Graec 16, 16 854 Paus 7, 27, 1 (Übersetzung Meyer 2001): „ἐπίκλησιν μὲν Δόλιος, εὐχὰς δὲ ἀνθρώπων ἕτοιμος τελέσαι “ 855 Pritchett 1998, 130 856 Xen mem 1, 1, 14 857 Theophr char 16, 5 (Übersetzung nach Klose 2010): „καὶ τῶν λιπαρῶν λίθων τῶν ἐν ταῖς τριόδοις παριὼν ἐκ τῆς ληκύθου ἔλαιον καταχεῖν καὶ ἐπὶ γόνατα πεσὼν καὶ προσκυνήσας ἀπαλλάττεσθαι “

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von Parallelquellen wird aber deutlich, dass es sich hierbei um ein sehr verbreitetes Ritual für den Gott Hermes handelt: In der bisherigen Forschung ist die Meinung vertreten worden, dass sich die Herme aus den am Wegesrand aufgeschichteten Steinen entwickelt habe, wozu anthropologische und kulturvergleichende Methoden herangezogen wurden858 Tatsächlich legen bereits die antiken griechischen Quellen nahe, dass wenigstens im 4 /3 Jh   v Chr die Vorstellung von einem Zusammenhang zwischen an Wegkreuzungen und Straßen aufgehäuften Steinen und Hermen herrschte Neben dem Auszug von Theophrast belegen dies ein anonymes Epigramm des 3 Jh  v Chr sowie eine Fabel des Babrius (1 /2 Jh ), die möglicherweise auf einen älteren Text zurückgeht Der unbekannte Autor des Epigramms, das wohl ursprünglich eine Herme zierte, lässt den Gott selbst zu den Vorbeikommenden sprechen859: „Wanderer haben mich einst zum Haufen von Steinen geschichtet, | den man dem Hermes geweiht; für den bescheidenen Dienst | danke ich ihnen auch nur in bescheidener Weise; ich sage: | Sieben Stadien von hier sind’s bis zur Geißquelle noch “

Das Epigramm spiegelt die zeitgenössische Wahrnehmung von Hermen als Weg- und Grenzmale wider Durch die ersten Verse wird eindeutig klar, dass für den antiken Autor die frühste Form der Hermesverehrung ein von Vorbeikommenden aufgeschichteter Haufen von Steinen am Wegrand war Diese einfache Markierung eines heiligen Ortes oder eines temporären Aufenthaltsortes eines Gottes wurde sakralisiert, indem sie Hermes zugesprochen wurde Weiterhin wird deutlich, dass es üblich war, die Bitte um Unterstützung an den Gott beziehungsweise den Dank für das bisherige Geleit mit einer Weihgabe zu verknüpfen, die noch so klein sein konnte Im Zweifel bestand sie aus dem, was am Wegrand zu finden war Der Gott des Epigramms, der mittlerweile Wertvolleres gewöhnt zu sein scheint, bezeichnet den Dienst als bescheiden, gewährt aber trotzdem Auskunft Somit zeigt das Epigramm ferner, dass die Hermen oft mit Inschriften versehen wurden, um Entfernungen oder eine andere Orientierung in der Landschaft anzugeben Dass die Tradition der Steinhaufen für Hermes nicht völlig verschwand, nachdem sich die Herme als Kultbild in den Poleis durchgesetzt hatte, sondern parallel im Kult weiter existierte, lässt sich in einer Fabel des Babrius fassen860:

858 Reggiani 2016, 328, Seiffert 2006, 93–94, Doepner 2002, 150–153 mit Quellenbelegen, Kron 1992, Visser 1903 Zu den ältesten sicher datierbaren Bildern zählt eine Herme aus Siphnos [Athen Nat Mus , Inv -Nr 3728 (ca 520  v Chr )], daneben Funde im archaischen Lindos (Blinkenberg 1931, 566–567, Nr 2338–2340, Taf 109–110), Arkadien (Wrede 1986, 50–52) und Selinunt (Doepner 2002, 133/137) Siehe auch: [Plat ] Hipparch 228d-e 859 Anth Gr 16, 254 (3 Jh   v Chr , Übersetzung Beckby 1968): „ἱερὸν Ἑρμείῃ με παραστείχοντες ἔχευαν | ἄνθρωποι λίθινον σωρὸν ὁ δ᾽ ἀντ᾽ ὀλίγης | οὐ μεγάλην αὐτοῖς ἔγνων χάριν, ἀλλ᾽ ὅτι λοιπὰ | Αἰγὸς ἐπὶ κρήνην ἑπτὰ λέγω στάδια “ 860 Babr 48 (Perry): „Ἐν ὁδῷ τις ἑρμῆς τετράγωνος εἱστήκει,  | λίθων δ᾽ ὑπ᾽ αὐτῷ σωρὸς ἦν κύων τούτῳ  | εἶπεν προσελθών »χαῖρε πρῶτον, Ἑρμεία·  | ἔπειτ᾽ λεῖψαι βούλομαί σε, μηδ᾽ οὕτω   | θεὸν

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„Am Wegesrand stand eine viereckige Statue des Hermes, an deren Basis ein Haufen Steine geschichtet war Ein Hund näherte sich der Statue und sagte zu ihr: »Zuerst grüße ich dich, Hermes! Dann will ich dich einölen, weil ich nicht an einem Gott vorbeigehen kann ohne ihn einzuölen, erst recht nicht am Gott der Athleten « Hermes aber sagte: »Wenn du mich nicht mit diesem Öl einreibst und nicht gegen mich urinierst, wäre ich dir dankbar Weiter musst du mich nicht ehren« “

In der Fabel wird ein fiktiver Dialog zwischen einer Herme und einem vorbeikommenden Hund wiedergegeben Die Herme steht an einer Straße und neben der Basis des Götterbildes liegen Steine aufgeschichtet Wie bei den vorherigen Beispielen ist der Platz des Hermes an einem Weg mit Steinen markiert Wegen der Anspielung auf das Gymnasion liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem „Hund“ um ein Mitglied der Oberschicht handelt, denn der Besuch und die sportliche Ausbildung waren den reichen Bürgern vorbehalten Entsprechend waren die Weihungen an den Straßen nicht ausschließlich ein Ritual der Reisenden und Hirten, sondern wurde auch von reichen Bürgern praktiziert Sehr deutlich fällt dann die Antwort des Gottes auf den Wunsch des Hundes aus, die an den zu Anfang zitierten Text von Theophrast erinnert, in dem von den „vor Öl glänzenden Steinen“ die Rede ist861 Entsprechend bestand die Markierung heiliger Orte für Hermes zunächst aus einem aufgeschichteten Haufen von Steinen und möglicherweise einem Götterbild aus vergänglichem Material wie Holz862 Nun darf aber unter dem Begriff Stein nicht jedes Geröll verstanden werden, das herumlag Betrachtet man nämlich die Belegstellen für das Wort λίθος, ist auffällig, dass es in zwei verschiedenen Kontexten Verwendung findet Zum einen bezeichnete es in den frühen Texten das Material Stein, das heißt unbearbeiteten Stein oder Felsen863 Zum anderen waren damit in der Klassik vor allem Gegenstände und Bauelemente aus bearbeitetem Stein gemeint, die politische und religiöse Bedeutung besaßen und mit dem Hermeskult in Verbindung stehen konnten864 Ein Beispiel ist der Heroldstein von der Athener Agora, der schon in solonischer Zeit in Gebrauch war865 Dieser wurde von den städtischen Boten genutzt, um Nachrichten und Beschlüsse einem breiteren Publikum zu übermitteln Aus Rhodos hören wir ab

861 862 863

864 865

παρελθεῖν, καὶ θεὸν παλαιστρίτην « | ὁ δ᾽ εἶπεν »ἤν μου τοῦτο μὴ πιλιχμήσῃς  | τοὔλαιον ἐλθών, μηδέ μοι προσουρήσῃς, | χάριν εἴσομαί σοι· καὶ πλέον με μὴ τίμα« “ Theophr char 16, 5 Eine Herme aus Holz wird zum Beispiel erwähnt bei: Aisop 99/285 (Perry) Hom Il 4, 509–511 (Übersetzung nach Rupé 2008): „ὄρνυσθ᾽ ἱππόδαμοι Τρῶες μηδ᾽ εἴκετε χάρμης | Ἀργείοις, ἐπεὶ οὔ σφι λίθος χρὼς οὐδὲ σίδηρος  | χαλκὸν ἀνασχέσθαι ταμεσίχροα βαλλομένοισιν “ „Tummelt euch, reisige Troer, und räumt den Argeiern mitnichten | Hier das Feld; denn ihr Leib ist weder von Stein noch von Eisen | Dass sie den Wurf des leibdurchbohrenden Erzes ertrügen!“ Bei Schwüren spielt der Begriff eine wichtige Rolle: Aristoph Ach 683, Aristoph Pax 680, Aristoph Eccl 87, Aristot Ath pol 7, 1 (Zeus Agoraios)/55, 5 Ähnliches könnte für das Bema der Pnyx gelten Plut Solon 8, 2 Siehe auch: Plut Solon 25

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dem frühen 4 Jh  v Chr von einem öffentlichen Stein, auf dem Herolde die Beschlüsse des Rates und der Volksversammlung verkündeten866 Als Götterbote diente Hermes dieser Gruppe besonders als Identifikationsfigur und Schutzgottheit Ebenfalls auf der Athener Agora dürfte sich der von Iulius Pollux beschriebene „ὁ πρατὴρ λίθος“ (Verkäuferstein) befunden haben, welcher dem Herold, der gleichzeitig Auktionsleiter beim Sklavenverkauf war, als Bühne diente867 Ähnliches ist für Sparta überliefert, wo ebenfalls ein Herold die Sklavenauktion durchführte868 Als Gott des Handels war Hermes für den gewinnbringenden Verkauf jedweder Güter zuständig Wie die Beispiele zeigen, wurde Hermes in mehrfacher Hinsicht mit Steinen in Verbindung gebracht, die bearbeitet und politisch sowie religiös aufgeladen waren Kehren wir jedoch zurück zu den Kultplätzen entlang der Straßen: Ab dem späten 6 Jh   v Chr wurden statt der Steinhaufen zunehmend steinerne Hermen aufgestellt Die Steinhaufen verschwanden aber nicht aus dem Hermeskult, sondern waren mancherorts, etwa in Athen, weiterhin präsent869 Kultische Handlungen für Hermes haben demnach auch stattgefunden, wenn kein Götterbild in den Quellen explizit benannt wird Natürlich war aber nicht jeder Geröllhaufen ein Sitz des Hermes, sondern bestimmte Voraussetzungen mussten erfüllt sein Zum Ersten war die Anhäufung der Steine nicht auf natürliche Weise geschehen, sondern von Menschenhand aufgeschichtet worden Zum Zweiten lag der Ort oft an einer Wegkreuzung Zum Dritten wurde dieser von den Vorbeikommenden als heilig wahrgenommen, weil er durch die Steine als ein einem Gott zugesprochener Ort markiert und die vor Ort dem Gott entgegengebrachte kultische Verehrung für jeden sichtbar war Der Ablauf der Kulthandlungen könnte sich etwa so gestaltet haben: Wer sich einem dem Hermes heiligen Ort näherte, grüßte zuerst den Gott Anschließend wurde ein Opfer dargebracht, welches zumeist aus Dingen bestand, die der Reisende bei sich führte oder die ihm unterwegs zur Verfügung standen Oft waren es Lebensmittel, aber auch Libationen aus Öl spielten eine große Rolle870 Wer mit leeren Händen kam, konnte noch auf die am Weg liegenden Steine zurückgreifen oder künftige Opfer versprechen Mit dem Opfer verbunden waren sicher ein Gebet und die Bitte um gutes Geleit und Schutz vor den Widrigkeiten einer Reise Eine Inschrift aus Knidos legt nahe, dass Hermes in den benannten Funktionen bis in das 3 Jh  v Chr an den Straßen außerhalb der Städte verehrt worden ist In dem Text wird Hermes gleichzeitig als ein Gott der Wege, Grenzen, Nekropolen und Gymnasien charakterisiert Der Kalksteinblock wurde an der Straße östlich der antiken Stadt gefunden Entlang dieser lag die Nekropole, wie der Text nahelegt Nach Angaben des

866 867 868 869 870

Hell Oxyrh 10, 2 Poll 3, 78 Plut mor 242d Theophr char 16, 5 Siehe auch: Allan 2018, 56, Goldman 1942 Vgl z B Anth Gr 6, 299 (um 250 v Chr )

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Finders war der Block ehemals in der Wand eines Gebäudes verbaut Dazugehörig wurde eine Basis für eine Herme gefunden Der Text der Inschrift lautet871: „Ein Stück der Wegstrecke ist noch übrig, aber | Du wirst zur Höhe gelangen, wenn Du dem | kurzen Pfad zu meiner Linken folgst, Fremder; und wenn Du | mich gegrüßt hast, betrittst Du den Bezirk des freundlich gesonnenen | Heros Antigonos Wenn Dir die Musen aber eine besondere Begabung zugeteilt haben, | weihe den Verstorbenen eine Probe deiner Kunst   | Denn es gibt für die Sänger eine Thymele und einen heiligen Bezirk in der Talmulde | für den Sohn des Epigonos zusammen mit seiner Frau  | Dazu gibt es eine Laufbahn für die Jünglinge und eine Palästra, | ein Bad und einen Pan, der auf der Flöte spielt  | Aber gehe nun wohlbehalten weiter und Du wirst nicht | Hermes aus Arkadien vom rauen Pheneos tadeln, der diesen Bezirk beschützt “

Die Inschrift hatte den Zweck, den Weg zum Grabbezirk von Antigonos und seiner Frau zu weisen Doch es handelte sich nicht um einen einfachen Grabbezirk, sondern Antigonos zu Ehren wurde ein Gymnasion gebaut, in dem sich ein Bezirk zum Gedenken an ihn und seine Frau befand Das Grabepigramm enthält eine Beschreibung der Anlage und ihrer Kultplätze Entsprechend muss Antigonos, Sohn von Epigonos, ein sehr wohlhabender knidischer Bürger und Wohltäter gewesen sein, dem von seinen Erben oder sogar von der Stadt Knidos diese Ehre erwiesen wurde Eine Darlehensinschrift aus Milet, die Antigonos als den großzügigsten Geber nennt, bestätigt dies872 In Bezug auf den Hermeskult hält der ausführliche Text eine Fülle an Informationen bereit Wiederum wurde die Gattung der Epigramme gewählt, um die Vorbeikommenden zu informieren, wobei der Gott gleich mehrere Funktionen erhielt Zu diesem Zweck wird auf mehrere Hermen verwiesen, die als Orientierung für die Lesenden dienen sollten Ein Götterbild stand neben der Inschrift direkt an der Hauptstraße und wies den Weg zum Grabbezirk Ein zweites Götterbild befand sich am Zugang zum Bezirk des Heros Antigonos, wodurch Hermes als Schützer des heiligen Bezirkes auftrat Somit wurde er in seiner Funktion als Gott der Grenze angesprochen Wichtig zu betonen ist, dass Hermes hier als Wächter eines Bezirkes aufgestellt wurde, der gleichzeitig Gymnasion und Grab war Deshalb sollte er jedoch nicht als Gott der Toten missverstanden werden873 Vielmehr wurde Hermes von den Erbauern, zu denen auch die Stadt Knidos zählte, als Beschützer der Anlage eingesetzt Die Kultpraxis erinnert 871

I Knidos 301 (nach 282 v Chr , Übersetzung Blümel 1992): „βαιὸν ὁδοιπορίης ἔ[τ]ι λείπεται, ἀλλὰ πρὸς αἶπος | τὴν ὀλίγην ἀνύσεις ἀτραπιτὸν διέπων | χειρὸς ἀφ’ ἡμετέρης λαιῆς, ξένε· κἀμὲ προσείπας | χαίρειν εἰστείχεις πρὸς φιλίου τέμενος  | ἥρωος Ἀντιγόνου· Μοῦσαι δέ σοι εἴ τι νέμουσιν  | ἐσθλόν, ἀπάρχεσθαι δαίμοσιν ἐγ μελέτης·  | καὶ γὰρ ἀοιδοῖσιν θυμέλη καὶ σηκὸς ὑπ’ ἄγκει  | τῶι Ἐπιγόνου κούρωι ξυνὸς ὁμευνέτιδος·  | καὶ δρόμος ἠϊθέοισιν ἱδρύεται ἠδὲ παλαίστρη,  | λουτρά τε καὶ ταρσῶι Πὰν ὁ μελιζόμενος· | ἀλλ’ ἀσινὴς ἔρχευ καὶ ἀπ’ Ἀρκαδίης τεμενουρὸν | Ἑρμῆν οὐ μέμψει τρηχέος ἐχ Φενέου “ 872 I Milet 138, Z 73 (282 v Chr ) 873 Hierzu: 2 4 Proastion I

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an die Beschreibung aus der Fabel des Babrius: Zuerst sollte der Gott gegrüßt werden und dann eine Libation erhalten Ebenfalls bereits bei Babrius ist zu lesen, dass Hermes als ein Gott der Athleten und als Schützer der Institution des Gymnasions galt In dieser Funktion war er vor allem für die militärische und sportliche Ausbildung der jungen Männer im Gymnasion und deren Übergang in die Bürgerlichkeit zuständig Darüber hinaus war Hermes auch im Gymnasion ein Gott der Wege, da er besonders bei der Disziplin des Wettlaufes helfend zur Seite stand und seine Bilder Start- und Zielpunkte der Laufbahn markierten Erstaunlich ist, wie durch die Wahl des Gottes als Schutzpatron von den Weihenden mehrere Bereiche miteinander verwoben wurden: die Straßen, die Grenzen, das Gymnasion und die Gräber Da die Anlage vermutlich von Bürgern der Stadt oder der Stadt selbst errichtet wurde, verwundert es nicht, dass Hermes, dem diese für die Polisbürger wichtigen Institutionen unterstellt waren, zum Schutzpatron bestimmt wurde Da alle Bereiche in gleicher Weise gesichert werden sollten, erhielt Hermes keinen Beinamen, der nur eine Funktion betont hätte, sondern wurde als Ἀρκαδίης874 (der Arkader) und Φενεεύς875 (der Gott von Pheneos) angesprochen Wolfgang Blümel schlug vor, dass damit die kürzere und in der Dichtung oft verwendete Form Κυλλήνιος876 (der vom Berg Kyllene) ersetzt worden sei877 Entsprechend griff der Verfasser des Epigramms auf eine schon bei Homer und auch sonst in der Dichtung beliebte Tradition zurück, die Hermes als Schützer einer ganzen Landschaft oder einer Polis darstellte Hermes war der Gott, dem ein festgelegter Bereich anvertraut wurde, dessen Bewohner er förderte und den er vor Fremden und Gefahren beschützen sollte 2.3.2.2 Straßen innerhalb der Stadt Die Straßen, die zum Beispiel zwei Poleis miteinander verbanden oder von einer Deme in das Stadtzentrum führten, endeten nicht an der Stadtmauer, sondern liefen an einem zentralen Punkt der Stadt, meist der Agora, zusammen Es bleibt folglich noch zu untersuchen, ob Hermes auch entlang der innerstädtischen Wege präsent war und falls ja, ob sich seine Aufgaben mit den außerstädtischen deckten oder ob weitere hinzukamen Zu diesem Zweck werden im Folgenden nichtsakrale Straßen, also solche für den Personen- und Güterverkehr, und heilige Straßen unterschieden878 Diese Unterteilung kann aber lediglich ein Analysekonstrukt sein, da es sich in der Praxis zumeist 874 I Knidos 301, Z 11 (nach 282 v Chr ) Weitere Belegstellen: h Herm 2, Hom h 19, 30 875 I Knidos 301, Z 12 (nach 282 v Chr ) Weitere Belegstellen: IG V 2, 360 (5 /4 Jh  v Chr ), Steph Byz s  v Φενεός 876 Paus 8, 17, 1–2 und 5, Geminus Elementa Astronomiae 17, 3 (Kyllene) 877 Vgl Kommentar zu I Knidos 301 (nach 282 v Chr ) 878 Bekker-Nielsen 2009, 9 Zur Heiligen Straße in Athen: Ruggeri/Steffelbauer 2013, 269–274 mit Quellenbelegen; zur Heiligen Strasse der Pythaïs nach Delphi: 275–276 mit Quellenbelegen

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um dieselben Wege, aber um verschiedene Gründe der Wegbeschreitung handelte879 Um eine bloße Aufzählung und unnötige Doppelungen zu verhindern, wird in diesem Abschnitt Athen stellvertretend für die griechischen Poleis untersucht Weil die ältesten Quellen die Hermesverehrung an nichtsakralen Wegen beschreiben, bilden diese den Beginn der Untersuchung Seit dem 6 Jh   v Chr waren die wichtigen Straßen Athens von Hermen gesäumt waren Diese Entwicklung ist auf die Initiative des Tyrannen Hipparchos zurückzuführen, der die Götterbilder entlang aller wichtigen Verkehrswege aufstellen ließ880 Hipparchos war der jüngere Sohn des Peisistratos, der ab 528/527 v Chr gemeinsam mit seinem Bruder Hippias die Tyrannis in Athen übernahm881 Im Gegensatz zu seinem Bruder trat er politisch wenig in Erscheinung, galt aber als Kulturförderer Trotzdem wurde er nach seiner Ermordung 514 v Chr zum Tyrannen par excellence stilisiert882 Die damit einhergehende Legendenbildung um seine Person wurde bereits von Thukydides kritisch beurteilt883 Schon früher wurde in der Forschung im Zusammenhang mit der Aufstellung der Hermen zur Zeit der Tyrannenbrüder der pseudoplatonische Dialog „Hipparchos“ herangezogen Dieser soll auch hier die Grundlage der Analyse bilden, wobei besonders die ordnungstiftende und -bewahrende Funktion des Gottes Hermes berücksichtigt wird In dem Text wird Hipparchos teilweise als historische Person beschrieben, teilweise werden ihm „typische“ Verhaltensweisen von Tyrannen zugeschrieben Der betreffende Abschnitt lautet884:

879 Bekker-Nielsen 2009, 9–10 mit älterer Literatur 880 [Plat ] Hipparch 228c–229b, Harpokr /Suda s v Ἑρμαῖ, Hesych s   v Ἱππάρχειος Ἑρμῆς Dazu: Hölscher 2010, 110, Parker 1996, 81–83, Sheedy, 1992, 112–113, Wrede 1986, 6, Osborne 1985b, 48–51, Kron 1976, 236 Ältere Beispiele aus: Siphnos [Athen Nat -Mus , Inv -Nr 3728 (ca 520  v Chr )], Sounion [Arch Delt 32  A 1977 (1982), 119, Pl 47–49, Ergon 1983 (1984), 54 Fig 69, SEG 22– 87 (550/525  v Chr ), Prakt 1990 (1993) Nr 13, IG I3 1023 (=Athen Nat -Mus, Inv -Nr 4864, 525/514 v Chr )], Selinunt (Doepner 2002, 133/137) Aus dem 6 /5 Jh  v Chr sind nur acht Hermen überliefert: Kousser 2015, 80 mit Anm 30 Siehe auch: Archaische Votivhermes aus Terrakotta aus dem Athenaheiligtum in Lindos (Blinkenberg 1931, 566–567, Nr 2338–2341, Taf 109–110) 881 De Libero 1996, 116 Siehe auch: Allan 2018, 7 882 Thuk 6, 54/56/59, Aristot Ath pol 18, 2 883 Thuk 1, 20 884 [Plat ] Hipparch 228c–229b: „ἐπειδὴ δὲ αὐτῷ οἱ περὶ τὸ ἄστυ τῶν πολιτῶν πεπαιδευμένοι ἦσαν καὶ ἐθαύμαζον αὐτὸν ἐπὶ σοφίᾳ, ἐπιβουλεύων αὖ τοὺς ἐν τοῖς ἀγροῖς παιδεῦσαι ἔστησεν αὐτοῖς Ἑρμᾶς κατὰ τὰς ὁδοὺς ἐν μέσῳ τοῦ ἄστεος καὶ τῶν δήμων ἑκάστων, κἄπειτα τῆς σοφίας τῆς αὑτοῦ, ἥν τ᾽ ἔμαθεν καὶ ἣν αὐτὸς ἐξηῦρεν, ἐκλεξάμενος ἃ ἡγεῖτο σοφώτατα εἶναι, ταῦτα αὐτὸς ἐντείνας εἰς ἐλεγεῖον αὑτοῦ ποιήματα καὶ ἐπιδείγματα τῆς σοφίας ἐπέγραψεν, ἵνα πρῶτον μὲν τὰ ἐν Δελφοῖς γράμματα τὰ σοφὰ ταῦτα μὴ θαυμάζοιεν οἱ πολῖται αὐτοῦ, τό τε »γνῶθι σαυτόν« καὶ τὸ »μηδὲν ἄγαν« καὶ τἆλλα τὰ τοιαῦτα, ἀλλὰ τὰ Ἱππάρχου ῥήματα μᾶλλον σοφὰ ἡγοῖντο, ἔπειτα παριόντες ἄνω καὶ κάτω καὶ ἀναγιγνώσκοντες καὶ γεῦμα λαμβάνοντες αὐτοῦ τῆς σοφίας φοιτῷεν ἐκ τῶν ἀγρῶν καὶ ἐπὶ τὰ λοιπὰ παιδευθησόμενοι “ Siehe auch: Artem 2, 37, Hesych s  v Ἱππάρχειος Ἑρμαῖ, Suda/Phot s  v Ἑρμαῖ Zur Autorenschaft des Dialoges: Schubert 2018, 38–42, Osborne 2010, 344–346; zur Forschungsgeschichte: Rückert 1998, 58–63

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

„Dann aber, als ihm [Hipparchos] die Bürger in der Stadt gebildet erschienen und ihn für seine Weisheit bewunderten, stellte er, weil er vorhatte, auch diejenigen auf den Feldern zu bilden, ihnen Hermen längs der Straßen in der Mitte der Stadt und aller Demen auf; und dann, nachdem er von seiner eigenen Weisheit, sowohl was er erlernte, als auch, was er selbst herausfand, ausgewählt hatte, was für ihn das Weiseste war, brachte er selbst dieses in elegisches Maß und schrieb es als von sich Gemachtes und als Beispiele der Weisheit auf, damit zuerst seine Bürger nicht die geschriebenen Dinge aus Delphi bewundern, wie »Erkenne dich selbst« oder auch »Nichts zu viel« und auch andere wie diese, sondern die Sprüche des Hipparchos für mehr sachkundig gehalten würden Dann, während sie auf und ab gehen und lesen und auf den Geschmack seiner Weisheit kommen, wiederholt aus den Feldern kommen würden, um künftig gebildet zu werden “

Hipparch wird nicht als Erfinder der Hermen bezeichnet, sondern als derjenige, der diese in großer Zahl in Athen aufstellen ließ885 Der unbekannte Autor des Dialogs gibt zwei Gründe an, weshalb Hipparchos diesen Schritt unternahm Zum einen sollten die Hermen eine ordnende Funktion übernehmen, indem durch sie die politische und räumliche Struktur innerhalb der Stadt für alle sichtbar gemacht wurde886 Deshalb wurden entlang wichtiger Straßen und im Zentrum der Stadt sowie den jeweiligen Demenzentren Hermen aufgestellt Dies wird auch durch die archäologischen Funde von Hermen und deren Bildnisse auf Vasen bestätigt887 So wurde eine marmorne, hipparchische Herme gefunden, die „auf halbem Weg zwischen Kephale und der Stadt“ stand, wie die sie zierende Inschrift verrät888 Obgleich der Autor diese erste Funktion nur kurz erwähnt, ist sie für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung, denn die Hermen waren zur Strukturierung und Verwaltung von Boden und Steuern errichtet worden889 Die Aufstellung lässt sich mit dem peisistratidischen Ausbau des Straßensystems von dem Zentrum des Zwölf-Götter-Altars aus in Verbindung bringen, sodass sich eine Datierung von 522/521–514 v Chr ergibt890 Somit bestätigen die Hermen, dass „eine planerische Gesamtkonzeption“891 anzunehmen ist Durch die Hermen wurde nicht nur das städtische Zentrum als solches markiert, sondern auch eine sichtbare Verbindung zwischen Stadt und Land hergestellt, welche die Zusammengehörigkeit der Bürgerschaft Athens unterstrich

885 886 887 888

Jaillard 2007b, 95–96, Sheedy 1992, 112–113 Quinn 2007, 95, Seiffert 2006, 102, Rückert 1998, 63–64/221 Schubert 2018, 125–126 Vasen: Collard 2019, 227–228, Zanker 1965, 91–103 ͂ τε καὶ ἄστεος ἀγλαὸς hερμες ͂ / ⌊μνεμα ͂ IG I3 1023 (ca 525–514 v Chr ) Inschrift: [ἐ]ν μhέσοι Κεφαλες τόδε hιπ(π)άρχο·⌋ [–˘˘ –˘˘ –] “ Dazu: Harrison 1965, 129–134 889 Schubert 2018, 90/130–132 890 Schubert 2018, 129, Flashar/Schubert 2018, 23–25, Rückert 1998, 60, Wrede 1986, 6, Herter 1976, 208 Zweifel daran äußern: Lavelle 1985, 416–417, Whitehead 1986, 14 891 Schubert 2018, 129/132

2 3 Chora II: Straßen und Wege

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Daneben waren die Hermen ein Mittel der Selbstdarstellung für Hipparchos892 Der Autor des Dialoges hielt fest, dass es ihm darum gegangen sei, die Bürger in der Stadt und auf den Feldern Weisheit zu lehren und Denkmäler seiner eigenen Gelehrsamkeit in Athen zu errichten, denn Hipparchos war für seine aufklärerischen Bemühungen bekannt In seiner Selbstwahrnehmung war Hipparchos ein philosophischer Souverän und kein Tyrann Nur so können die Sinnsprüche, die mit der Angabe „μνῆμα Ἱππάρχου“ versehen sind, erklärt werden Hierbei tritt die oben angesprochene Tyrannentopik deutlich zu Tage Erstmals wurden von Hipparchos die Hermen mit einer allgemeinen erzieherischen Funktion verbunden, was nicht folgenlos blieb, sondern in der Institution des Gymnasions wieder aufgegriffen wurde Außerdem sollten die Verdienste der Familie der Peisistratiden für die Stadt dauerhaft im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung verankert werden Um diesen Akt der Verwaltung und Sicherung der Polis Athen zu legitimieren, wurde der Gott Hermes mit seinem spezifischen Götterbild ausgewählt Dies ist nicht allein auf die praktikable Form der Herme als Götterbild und Inschriftenträger zurückzuführen Vielmehr stand die Entscheidung mit den Aufgabenbereichen von Hermes in Zusammenhang Hermen müssen schon vorher entlang von Straßen gestanden haben, sodass die Bürger Athens mit dem Götterbild vertraut waren Ebenfalls bereits bekannt gewesen sein muss, dass Hermes festgelegte Einheiten begrenzte, wobei das Eigene geschützt und das Fremde ferngehalten wurde Aus diesen Gründen wurden die Hermen ausgewählt, denn Hipparchos und seine Familie standen in Konkurrenz zu den Alkmaioniden und mussten ihre eigene Macht immer wieder demonstrieren Da Hipparchos die vom Vater ererbte Herrschaft über das Gebiet der Polis Athen nicht verlieren wollte, ging der bisher als politisch wenig interessiert geltende Tyrann in die Offensive Tatsächlich gelang es ihm durch den geschickten Einsatz des vielschichtigen Götterbildes, die „Herme als Symbol des Einflussbereiches eines Mannes beziehungsweise einer politischen Institution“893 zu etablieren, sodass in der Folge die Ordnung der Polis und ihrer Institutionen neben anderen Gottheiten auch Hermes unterstand Die Hipparch-Hermen verdeutlichen ein weiteres Mal, dass in der griechischen Antike nicht von einem Gegensatz von öffentlicher und nichtöffentlicher Religion gesprochen werden kann Der Aufstellung der Hermen lag das persönliche Interesse des Tyrannen zugrunde, seine Weisheit kund zu tun Gleichzeitig muss die herrschaftspolitische Dimension der Götterbilder unterstrichen werden Hinzukommt, dass die Athener sich selbst als Erfinder der Hermen ansahen894 Durch die Aufstellung und Omnipräsenz der Hermen wurde die Polis als Einheit

892 Vgl zu folgenden Ausführungen: Schubert 2018, 93/140, Jaillard 2007b, 95–96, Quinn 2007, 94–95, Rückert 1998, 58–64/93–94, De Libero 1996, 128–130, Parker 1996, 81, Shapiro 1989, 126–128, Wrede 1986, 6, Lavelle 1985, 419–420, Osborne 1985b, 47–48, Simon 1985, 307 893 Rückert 1998, 63 894 Hdt 2, 51 (von den Pelasgern übernommen), Thuk 6, 27, 1, Paus 1, 24, 3/4, 33, 3

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

wahrgenommen: Sie durchwoben das Gebiet der Polis Athen und hoben den Gegensatz zwischen Stadt und Land auf und stellten die Einheit in den Mittelpunkt Hieran zeigt sich, dass dem Hermeskult bei der institutionalisierten Verbindung zwischen Zentrum und Peripherie wichtige Funktionen zugeschrieben wurden So erklärt sich auch, warum die Male des Tyrannen nach dessen Ermordung nicht entfernt wurden Einerseits waren sie ein Götterbild, dessen Zerstörung bedeutet hätte, einen Frevel an dem Gott zu begehen Andererseits wurden die Götterbilder, deren Zahl mit der Zeit weiter zunahm, zu Symbolen der Polis, ihrer Magistrate und Institutionen umgewertet Dieser Prozess fand laut Uta Kron seinen Höhepunkt in den kleisthenischen Reformen, für welche die hipparchischen Hermen eine Grundlage bildeten895 Die daraus resultierende Beliebtheit der Hermen zeigt sich unter anderem darin, dass diese in der Vasenmalerei sowie Plastik einen sprunghaften Anstieg erlebten und zunehmend auch in privaten Kontexten aufgestellt wurden896 Von weiteren Bildern des Hermes, die an innerstädtischen Straßen und Kreuzungen in Athen standen, berichten die Quellen ab dem 4 Jh  v Chr So wurde ein Marmorcippus, der Hermes geweiht war, im Umfeld der Stoa, die laut Pausanias entlang der Straße zur Agora stand, gefunden897 Dieser diente den Eintreffenden zur Markierung des Eintritts in das Marktgebiet Mit der Durchdringung der Landschaft, die eine Folge der hipparchischen Hermenpolitik war, hängt die Aufstellung drei weiterer Hermen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten in Athen zusammen Die Erste war diejenige des Hermes Ἀγοραῖος (der von der Agora) am Zwölf-Götter-Altar auf der Agora898 Beide, Herme und Altar, bildeten gemeinsam das Zentrum des Straßen- und Verwaltungssystems im klassischen Athen Als Zweites kann die Herme des Hermes Τετρακέφαλος899 (der Vierköpfige) an einer Kreuzung im Kerameikos genannt werden, die beweist, dass Hermes auch an den innerstädtischen Kreuzungen Wache hielt Die Dritte in diesem Zusammenhang wichtige Herme war die des Hermes Τρικέφαλος900 (der Dreiköpfige), die sehr wahrscheinlich am itonischen Tor, welches sich im Süden der Stadtmauer befand, stand901 Wie schon anhand der außerstädtischen Götterbilder gezeigt wurde, waren die Aufgabenbereiche des Wege- und Grenzgottes eng verbunden und konnten sogar miteinander verschmelzen Die letztgenannten Beinamen illustrieren, wie Hermes gleichzeitig zum Gott des idealen Bürgers stilisiert wurde Einerseits bedeuten 895 896 897 898 899

Kron 1976, 23/236, Crome 1935/1936, 311 Vgl Rückert 1998, 61–67 Paus 1, 2, 4–5 Zum Marmorcippus: IG II2 11313 (4 /3 Jh  v Chr ) Thuk 6, 54, 6–7 Siehe auch: Ath Agora 14, 129 Anth Gr 6, 334 (3 Jh   v Chr ), Apollod FGrH 244 F 129, Eust Hom Il 23, 334, Phot s   v τετρακέφαλος Laut Eustathios habe das Bild eine Inschrift getragen („Ἑρμῆ τετρακάρηνε, καλὸν Τελεσαρχίδον ἔργον, πανθ᾽ ὁράας “) und sei damit als Bild des Künstlers Telesarchides anzusprechen, weshalb es erst in hellenistische Zeit zu datieren sei (RE s v Telesarchides) 900 Lykophr 679–680, Hesych /Harpokr /Suda/Etym m s  v Τρικέφαλος Zur Bedeutung von Dreiwegen im Kult von Hekate: Zografou 2010, 154–155 901 HdAW III, II, 2, 131

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die Beinamen, dass er alle Richtungen überblicken und damit allumfassenden Schutz gewähren konnte Andererseits hatte wenigstens das Adjektiv τετράγωνος schon in der Spätarchaik auch die Bedeutung „richtig, wahrhaftig“ So spricht der Dichter Simonides von dem idealen Mann als „ἀνὴρ τετράγωνος“902 Daphni Doepner hielt daher fest, dass die Herme mit „ordnungsstiftenden und erzieherischen Maßnahmen“903 zusammenhing, was schon bei der Besprechung der Hipparchhermen angeklungen ist Durch den Transfer von Hermes in die Institution des Gymnasions wurde ihm neben der geistigen Bildung die körperliche Erziehung vor allem der künftigen Polisbürger anvertraut Die Zahl vier spielt auch sonst im Hermeskult eine große Rolle, da Hermes am vierten Tag geboren wurde904 Es bleiben für die Untersuchung noch die sogenannten heiligen Straßen, also jene, die von den Stadtzentren zu den großen Heiligtümern in Eleusis, aber auch nach Olympia, Delphi oder Didyma führten Diese wurden nicht nur für den Personenverkehr, sondern auch für Prozessionen genutzt An welchen Stationen des Weges Hermes verehrt wurde, lässt sich an der Prozession zum Heiligtum der Nemesis in Rhamnous nachzeichnen905 Sie dient hier als Beispiel, da einerseits entlang der Strecke archäologische Zeugnisse, die einen Hermeskult belegen, gefunden wurden und andererseits das Heiligtum laut Brigitte Knittlmayer „ein staatliches Grenzheiligtum“ war Der Festzug begann im Stadtzentrum, wahrscheinlich auf der Agora, wo Hermes omnipräsent war und die Polis sowie ihre Institutionen repräsentierte Nachdem die Prozession sich in Bewegung gesetzt hatte, begegnete sie spätestens beim Durchqueren der Stadttore dem nächsten Hermesbild906 Ein drittes Hermesbild, von dem mehrere Fragmente gefunden wurden, stand am Südende der heiligen Straße nach Rhamnous und damit an der Grenze zum Heiligtumsbezirk907 Vollzieht man den Weg einer Prozession nach, wird deutlich, dass Hermes mindestens an deren Start- und Zielpunkt in Form eines Götterbildes präsent war908 In der Vorstellungswelt der griechischen Antike war Hermes jedoch nicht nur an diesen Fixpunkten gegenwärtig, sondern begleitete die Teilnehmer auf dem gesamten Weg Dabei wurde er in Athen besonders als Begleiter von Prozessionen zu anderen, häufig regionalspezifischen Göttern dargestellt Entsprechend unterstanden nicht nur die städtischen Prozessionen entlang der Hauptstraßen dem Schutz des Gottes, sondern jeder Weg, der zu einem heiligen Bezirk führte Dafür ist das Xenokrateia-Relief, welches in Echelidai, einem Ort in der Mündungsebene des Flusses Kephisos, gefun902 Sim frg 542 (Page) 903 Doepner 2002, 157 Siehe auch: Schubert 2018, 136–138 904 Hes erg 770, Theophr char 16, 10, IG XII 4, 1, 298 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ), Sch Hes erg 800b, Sch Aristoph Plut 116a–c Dazu: Vergados 2013, 238–239 905 Knittlmayer 1999, 17 mit Quellenbelegen 906 Hierzu: 2 1 2 Grenzen des Stadtgebiets 907 SEG 34–195 (ohne Datierung) 908 Hierzu: 2 3 3 1 Prozessionen und Fackelläufe

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

den wurde, ein besonders aussagekräftiges Beispiel909 Das Hauptbild zeigt eine Prozession, in der die Hauptpersonen Xenokrateia und ihr Sohn Xeniades von Hermes zu dem Flussgott Kephisos begleitet werden Durch die zugehörige Inschrift erfuhren Vorbeikommende, dass das Heiligtum von Xenokrateia begründet wurde und welche Kultvorschriften vor Ort galten910 Die Inschrift sollte sicherstellen, dass den Göttern auf die richtige Weise geopfert wurde911 Denn obgleich das Heiligtum dem Flussgott Kephisos geweiht war, wurden dort auch andere, lokale Gottheiten wie die Nymphen und Heroen verehrt912 Dagegen spiegelt das Relief die Beziehung von Xenokrateia und ihrem Sohn zu den Göttern wider913 Durch das Geleit von Hermes sollte einerseits zum Ausdruck gebracht werden, dass die Götter der Einrichtung des Heiligtums zugestimmt hatten Andererseits war es den Stiftenden offensichtlich wichtig, ihre gesellschaftliche Stellung und ihre religiöse Tadellosigkeit zu demonstrieren, indem sie den Gott als Teilnehmer ihres Zuges abbildeten Ein zweites Relief mit Inschrift, welches von Kephisodotos in das neu gegründete Kephisosheiligtum gestiftet wurde, zeigt, dass Hermes als ein Gott des Heiligtums wahrgenommen wurde, obwohl die Xenokrateia-Inschrift ihn nicht nennt914 Dieses Weihrelief besteht aus zwei Bildfeldern Auf der einen Seite ist die Entführung der Heroine Iasile durch Echelos dargestellt, wobei Hermes das Viergespann führt915 Auf der gegenüberliegenden Seite sind sechs Figuren abgebildet (Artemis?, Echelos?, Kephisos?, drei Nymphen), gefolgt von der Inschrift916: „(A) Kephisodotos, Sohn des Demogenes | aus Butadai hat (dies) errichtet | und den Altar (Ba) Dem Hermes und den Nymphen hat | Alexo diese (Herme) geweiht (b) Hermes Echelos Iasile “

Damit werden jeweils verschiedene Rollen des Hermes angesprochen Einerseits ist er dargestellt, wie er beim Brautraub das Gespann führt Diese Abbildung ist parallel zu den Darstellungen des Raubes der Persephone gestaltet Hermes geleitet die mythischen Personen, wobei nicht ersichtlich ist, ob er Echelos unterstützt oder Iasile zur 909 Vgl Athen Nat -Mus , Inv -Nr 2756 (ca 410  v Chr ), IG I3 987 (405–400  v Chr ), IG II2 4547 (4 /3 Jh  v Chr ), Larson 2001, Fig 4 3 In späteren Quellen wird Echelidai als Deme beschrieben: Steph Byz s  v Ἐχελίδαι, Etym m s v Ἔχελος 910 Vgl Versnel 2011, 130–131, Purvis 2003, 15–32 911 Vgl Larson 2001, 132–134, hier: 133 912 Vgl Williams 2015, 67–81 913 Jenny Wallensten stellt heraus, dass nur wenige Votivinschriften von Frauen an Hermes überliefert sind und die Frauen sich dabei meist in Beziehung zu ihren männlichen Familienmitgliedern setzen (Wallensten 2019, 249–251) 914 IG II2 4546 (=Athen Nat -Mus , Inv -Nr 1783, Ende 5 Jh  v Chr ) Dazu: Güntner 1994, A 52, Larson 2001, 132–134 915 Larson 2001, 133–134, Larson 1995a, 38–39 916 IG I3 986 (=Athen Nat -Mus , Inv -Nr 1783, ca 410–400  v Chr ): „(A) Κηφισόδοτος Δεμογένος  | Βουτάδες ἱδρύσατο  | καὶ τὸν βωμόν (Ba) Ἑρμῆι καὶ Νύμφαισιν Ἀεξὸ [τήνδ’ ἀνέθηκεν] (b) hερμῆς Ἔχελος Ἰασίλη “

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Seite steht Im weiteren Sinne wurde Hermes hier im Kontext von Heirat verortet Andererseits ist Hermes zwischen den Göttern nicht auszumachen, dafür ist die Inschrift umso aussagekräftiger Der erste Teil der Inschrift bezieht sich auf die Stiftung von Kephisodotos, welche das Relief und einen Altar umfasste Der zweite Teil beschreibt die Weihung von Alexo, die zusätzlich eine Herme aufstellte und den Altar der Göttertrias Hermes, Echelos und Iasile zusprach Somit wird verständlich, warum Hermes von Xenokrateia nicht gesondert erwähnt wurde: Er hatte einen eigenen Altar im Heiligtum des Kephisos Demgemäß verehrten die Besucher des Heiligtums einerseits den Götterboten gemeinsam mit den regionalen Gottheiten Echelos und Iasile Dafür wurde allen gemeinsam ein Altar errichtet, auf den Opfergaben niedergelegt werden konnten Andererseits wurde er gemeinsam mit den Nymphen verehrt, deren Geleiter er war Um dieser Facette des Gottes Rechnung zu tragen, stellte Alexo eine Herme auf, an deren Basis ebenfalls Weihgaben abgelegt werden konnten Entsprechend wurde Hermes in diesem von einer Bürgerin und ihrem Sohn gestifteten Heiligtum als Begleiter und Schützer von Prozessionen entlang von heiligen Wegen dargestellt und wahrgenommen 2 3 3 Feste in der Polis: Geleiter und Begleiter Bis hierher konnte gezeigt werden, dass Hermes als Geleiter im Mythos und Kult der Griechen stets präsent war Ein Weg, den die Polisgemeinschaft gemeinsam beschritt, war die Route bei Prozessionen, die im Rahmen von Polisfesten abgehalten wurden und als Reisen im Kleinen bezeichnet werden können Diese Festumzüge, an denen auch Nichtbürger teilnahmen, folgten einem geregelten Aufbau und waren somit „Spiegelbild der Polis“917 Außerdem wurde mit den Prozessionen eine Bewegung im Raum vollzogen, mithilfe derer eine Verbindung von Innen und Außen hergestellt und die Polis sowie ihre einzelnen Bereiche neu erschlossen wurden918 Es überrascht daher nicht, dass Hermes als Begleiter der Umzüge angesehen wurde Daher ist im Folgenden zu klären, wie sich diese Rolle von Hermes im Kult widerspiegelte Zuerst werden dafür die städtischen Prozessionen in den Blick genommen Anschließend werden die Fackelläufe, anhand derer die Funktion von Hermes als Geleiter ebenso deutlich hervortritt, untersucht Schließlich wird ein Weg im übertragenen Sinne analysiert, bei dem Hermes den Betreffenden hilfreich zur Seite stand: derjenige in die Ehe

917 918

Chaniotis 1995, 157 Vgl Hölscher 2013, 62–64

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2.3.3.1 Prozessionen und Fackelläufe Im homerischen „Hymnos an Hermes“ bezeichnet Apollon seinen göttlichen Bruder als Δαιτὸς Ἑταῖρος919 (der Begleiter beim Fest) und benennt damit eine weitere Eigenschaft von Hermes, die ihren Niederschlag im Kult des Gottes fand Hermes begleitete die Menschen bei den Festen und in deren Zusammenhang besonders bei den Prozessionen, wozu er als Gott der Wege geeignet war Die Prozession war integraler Bestandteil sowohl von städtischen als auch von panhellenischen Feierlichkeiten920 Bei mehreren Festumzügen, die im Rahmen von Polisfesten für verschiedene Götter oder Gruppen von Gottheiten veranstaltet wurden, sind Opfergaben an Hermes belegt Der Gott konnte dabei zu Beginn, während des Weges oder am Ende geehrt werden Durch ihre Form und gute Sichtbarkeit markierten die Hermen zudem Treffpunkte oder Etappen bei Prozessionen und Agonen921 Startpunkt mehrerer Prozessionen zum Beispiel in Athen war bei Bildern und Altären des Hermes So begann der Umzug der Panathenäen entweder bei den Hermen auf der Agora oder am Dipylontor, in dem ein Altar für Zeus Herkeios, Hermes und Akamas stand922 Betrachtet man die Prozessionen als Reisen im Kleinen, ist es sehr wahrscheinlich, dass zu Beginn an den Bildern des Hermes Weinlibationen dargebracht wurden, um den göttlichen Beistand für den Festumzug zu erbitten Ferner berichtet Xenophon, dass die Hipparchen von Athen bei einer regelmäßigen Prozession alle Gottheiten, die auf der Agora verehrt wurden, beehrten, wobei sie bei den Hermen begannen923 Am Ende der Prozession führte die Kavallerie ihr Können noch mit einem Galopp von den Hermen zum Eleusinion vor924 Außerdem begann auch die Prozession bei den Mysterienfeiern von Eleusis an einem dem Hermes heiligen Ort: Der Umzug führte vom Dipylontor bis zum Demeterheiligtum925 Hier wurden entweder von der ganzen Festgemeinschaft oder von einzelnen Festteilnehmenden kleinere Opfer, wie beispielsweise Libationen, dargebracht926 Doch nicht nur in Athen gedachte man Hermes zu Beginn einer Prozession In Thasos könnten bei städtischen Prozessionen zu Ehren der Nymphen in den Kultnischen der Stadttore Opfer für Hermes niedergelegt worden sein927 919 920 921 922

923 924 925 926 927

h Herm 436 Vgl Schlesier 2000, 137–140 Vgl z B Gymnasiongesetz aus Beroia: LGBeroia (=SEG 27–261, ca 180 v Chr ) IG II2 4983 (3 Jh  v Chr ) Startpunkt auf der Agora: An der Stelle, wo die Prozessionstraße der Panathenäen auf die Agora trifft, wurden die meisten Hermenfragmente gefunden (Mackenzie Camp II 2014, 99) Startpunkt Dipylontor: Burkert 1985, 232 ohne Quellenbelege Hierzu: 2 1 2 Grenzen des Stadtgebiets Xen hipp 3, 2 Bei Ausgrabungen konnten eine Startlinie im Nordwesten der Agora, östlich vom Peribolos der Zwölf-Götter nachgewiesen werden (Shear 1975, 362–365 ) Rückert 1998, 94 Maier 1961, 96 mit Quellenbelegen Hierzu: 2 1 2 Grenzen des Stadtgebiets

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Stadttore stellten jedoch nicht nur Ausgangspunkte der Festumzüge dar, sondern markierten auch einen Teil der Wegstrecke Für Thasos konnte eine Prozession, die vom Hafen zum Heiligtum der Chariten in die Stadt führte und dabei jenes Stadttor passierte, in dem sich ein Relief von Hermes und den Chariten befand, plausibel gemacht werden928 Eine weitere Prozession führte möglicherweise vom Hafen zum städtischen Demeterheiligtum, wobei die Teilnehmenden ein anderes Tor, welches ebenfalls dem göttlichen Schutz von Hermes unterstand, passierten929 Inschriftlich belegt ist darüber hinaus ein Opfer an Hermes entlang der Wegstrecke bei der jährlichen Prozession der Molpoi von Milet zum Apollonheiligtum in Didyma Im Tempel des Apollon Delphinios wurde eine Vorschrift der Kultvereinigung, die besonders für Tanz und Gesang zuständig war, gefunden930 Das Dokument enthielt neben Festlegungen zu der Wahl von Kultverantwortlichen auch Bestimmungen bezüglich der jährlichen Prozession entlang der heiligen Straße An sieben Stationen während des Weges wurde die Prozession an Kultstätten verschiedener Gottheiten unterbrochen, um einen Paian zu singen und dabei zu opfern931 Verehrt wurden Hekate, Dynamis, die Nymphen, Hermes Ἐγκελάδος, Phylios, Keraïtes und die Chares932 Der Beiname von Hermes deutet auf die Existenz einer Statue des Gottes im Heiligtum des Flussgottes oder lokalen Heros Kelados hin933 Dieses Heiligtum befand sich sehr wahrscheinlich an einem Wasserlauf und war an einer Kreuzung gelegen, wo die heilige Straße auf eine Küstenstraße traf934 An diesem Kultbild veranstaltete die Festgemeinschaft ein kleines, vegetarisches Opfer, welches von Gesang begleitet wurde Zwar war der Paian Apollon gewidmet, es ist aber durchaus denkbar, dass er auch Passagen für die Götter entlang des Weges enthielt und somit auch eine Preisung für Hermes935 Dieser wurde hier im Heiligtum des regionalen Flussgottes verehrt und erhielt ein Kultbild, das direkt an der heiligen Straße stand Entsprechend wurde Hermes als Wegegott angerufen, bildete aber auch eine Kultgemeinschaft mit dem lokalen Flussgott936 Beide waren für den bürgerlichen Nachwuchs der Polis zuständig Ein zweites Beispiel dafür, dass Hermes entlang der Wegstrecke einer Prozession geehrt wurde, ist aus Athen überliefert In der Nähe des Stadions am ehemaligen Ufer des Flusses Ilissos wurde ein Relief mit Inschrift gefunden, das den Nymphen von den Wäscherinnen und Wäschern Athens gestiftet wurde937 Das Relief ist in zwei Bildfel928 929 930 931 932 933 934 935 936 937

Vgl École française d’Athènes (1968), fig 105 (ca 480 v Chr ) Weissl 1998, 216–218 (kurz nach 480 v Chr ) I Milet 133 (5 Jh  v Chr ) Zu den Molpoi: RE s v Molpoi I Milet 133, Z 31–32 (5 Jh  v Chr ) Dazu: Käppel 1992, 59–60 Vgl Herda 2006, 279–315 I Milet 133, Z 29–30 (5 Jh  v Chr ) Dazu: Herda 2006, 302–310 Herda 2006, 309 Vgl DNP s v Miletos 1), 60 Herda 2006, 309–310 IG II2 2934 (Staatl Mus Berlin, Inv -Nr 709 K87, ca 340–330 v Chr ) Hierzu: 2 2 2 Haine, Quellen und Flüsse

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der unterteilt: Im oberen Abschnitt führt Hermes die Nymphen, während Pan und Acheloos dabeistehen; im unteren Teil sind Demeter und Kore abgebildet, denen sich ein Heros mit Pferd nähert938 Das Relief befand sich an einem Ort, an dem sowohl Kulthandlungen für die Nymphen als auch bei den kleinen Mysterien stattfanden Am Ziel einer Prozession wurden ebenfalls häufig Opfer für Hermes dargebracht Wiederum können die Umzüge als Reisen im Kleinen betrachtet werden, denn nach der sicheren und erfolgreichen Rückkehr von einer solchen erhielt Hermes Dank939 Außerdem, so die Vorstellung, bewachte der Gott die Grenzen von Heiligtümern, welche wiederum Ziel der Prozessionen waren, sodass Bilder des Hermes die Festgemeinschaft oft beim Betreten des Heiligtums begrüßten940 Als ein idealisiertes Beispiel kann der auf dem Parthenonfries dargestellte Festumzug zu Ehren der Panathenäen, der zum Athenatempel auf der Akropolis führte, genannt werden Zu sehen sind die letzten Vorbereitungen für die große Prozession und die Übergabe des Peplos941 Auf der Ostseite bewegt sich der Zug auf die in der Mitte dargestellten Götter zu Von diesen sitzt Hermes den Menschen am nächsten und begrüßt somit die Prozessionsteilnehmer bei ihrer Ankunft am Ziel ihres Weges Hermes ist unzweifelhaft an seinen Attributen Petasos und Sandalen zu erkennen Die Darstellung spiegelt die Kultpraxis wider, da die Prozession die Propyläen der Akropolis durchschritt, in denen die Statue von Hermes Προπυλαῖος942 (der vor den Toren) aufgestellt war Ein weiteres Hermesbild stand am Südende des Wegs nach Rhamnous und damit an der Grenze zum Heiligtumsbezirk der Nemesis943 Ferner markierten Bilder des Hermes die Grenze sowie den Anfang und das Ende der heiligen Straße zum Demeterheiligtum von Eleusis So befand sich am kimonischen Tor eine Herme vom Typus des Προπυλαῖος944 Sowohl bei den kleinen als auch bei den großen Mysterienfeiern von Eleusis wurden Prozessionen zum Demeterheiligtum durchgeführt, an deren Ende Bilder des Hermes standen945 Sehr wahrscheinlich erhielt Hermes für das sichere Geleit Dankesopfer946 Es lässt sich demnach konstatieren, dass Hermes bei den Mysterien in Eleusis anlässlich der irdischen Reise, der Prozession, eine wichtige Rolle spielte

938 939 940 941 942 943 944 945

Budin 2013, 289–290, Larson 2001, 128–129, Löhr 2000, Nr 116, Güntner 1994, 23 Hierzu: 2 1 1 3 2 Das Militär, die Seereisenden und Händler Hierzu: 2 1 3 2 Öffentliche Räume II Neils 2001, 161–171, Simon 1983, 70–71 h Herm 384 SEG 34–195 (ohne Datierung) Mylonas 1961, 70–72/108–110 mit Abb 19b Zu Mysterien: Cosmopoulos 2015, Bremmer 2014, Bowden 2010, Cosmopoulos 2003, Burkert 1990, Mylonas 1961 946 Für das Heiligtum der Großen Götter in Samothrake ist ebenfalls die Verehrung von Hermes am Eingang nachweisbar, die Zeugnisse stammen jedoch erst aus dem 2 Jh  v Chr [IG XII 8, 188/237 (2 Jh  v Chr )]

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Aus einer das Heiligtum der Großen Götter in Andania betreffenden Kultvorschrift ist ersichtlich, in welchem Umfang Hermes am Ziel des Festumzuges geehrt wurde947 Die überlieferte Fassung stammt zwar erst aus dem 1 Jh  v Chr , neue Untersuchungen der Inschrift haben aber ergeben, dass die erwähnten Kulthandlungen auf ältere Traditionen zurückgehen948 Dieser Befund wird durch die Aussage von Pausanias untermauert, dass die Mysterien in Andania schon seit der Gründung von Messene in der mythischen Vorzeit gefeiert wurden949 Für die vorliegende Untersuchung sind vor allem die Bestimmungen über die öffentlichen Opfer und die Prozession von der Stadt zum Heiligtum im karnasischen Hain von Bedeutung950: „Bezüglich der Prozession: In der Prozession soll Mnasistratos anführen, dann der Priester der Götter, | für die die Mysterien gefeiert werden, gemeinsam mit den Priesterinnen, danach die Agonotheten, die Hierothytai und die Auletai Nach diesen aber die heiligen Jungfrauen, wie angewiesen die Wagen, | auf denen eine Kista mit den Hiera Mystika liegt, anführend Dann die Thoinarmostria für das Heiligtum der Demeter und die assistierenden Thoinarmostriai, | nachdem sie in das Amt eingetreten sind, dann die Priesterin der Demeter im Hippodrom, dann die Priesterin der Demeter in Aigila Danach die heiligen Frauen, eine nach der anderen wie angewiesen, dann die heiligen Männer, | wie das Zehn-Männer-Kollegium angeordnet hat Der Gynaikonomos soll die Plätze der heiligen Frauen und Jungfrauen zuteilen | und ist verantwortlich, dass sie so voranschreiten, wie angeordnet Die heiligen Tiere sollen auch in der Prozession mitgeführt werden, und sie sollen opfern eine schwangere Sau für Demeter, für Hermes | einen Widder, ein Ferkel für die Großen Götter, einen Eber für Apollon Karneios und ein Schaf für Hagna “

Beschrieben wird die jährliche Prozession bei den Mysterien in Andania, die laut Pausanias die Zweitwichtigsten nach den Mysterien in Eleusis waren951 Zuerst werden Stellung und Aufgaben einzelner Kultfunktionäre geregelt Es folgen Bestimmungen für die öffentlichen Opfer am Ziel des Festumzuges So heißt es, dass die Tiere bereits im Opferzug mitzuführen seien Außerdem werden die Opfer mit Tanz und Musik beglei-

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IG V 1, 1390 (91 v Chr ) Vgl Gawlinski 2012, Deshour 2006 mit älterer Literatur Paus 4, 1, 5–9/2, 6/26, 6–8 Siehe auch: Pol 5, 92, 6, Strab 8, 4, 5, Steph Byz s v Ἀνδανία IG V 1, 1390, Z 28–34 (91 v Chr ): „πομπᾶς. ἐν δὲ τᾶι πομπᾶι ἁγείστω Μνασίστρατος, ἔπειτεν ὁ ἱερεὺς τῶν θεῶν, οἷς | τὰ μυστήρια γίνεται, μετὰ τᾶς ἱερέας, ἔπειτα ἀγωνοθέτας, ἱεροθύται, οἱ αὐληταί· μετὰ δὲ ταῦτα αἱ παρθένοι αἱ ἱεραί, καθὼς ἂν λάχ- | ωντι, ἄγουσαι τὰ ἅρματα ἐπικείμενα {ς} κίστας ἐχούσας ἱερὰ μυστικά· εἶτεν ἁ θοιναρμόστρια ἁ εἰς Δάματρος καὶ αἱ ὑποθοιναρ- | μόστριαι αἱ ἐμβεβακυῖαι, εἶτεν ἁ ἱέρεα τᾶς Δάματρος τᾶς ἐφ’ ἱπποδρόμωι, εἶτεν ἁ τᾶς ἐν Αἰγίλᾳ· ἔπειτεν αἱ ἱεραὶ κατὰ μίαν, καθώς κα λάχωντι, ἔπειτεν οἱ ἱεροί, κα- | θώς κα οἱ δέκα διατάξωντι ὁ δὲ γυναικονόμος κλαρούτω τάς τε ἱερὰς καὶ παρθένους καὶ ἐπιμέλειαν | ἐχέτω, ὅπως πομπεύωντι, καθώς κα λάχωντι ἀγέσθω δὲ ἐν τᾶι πομπᾶι καὶ τὰ θύματα, καὶ θυσάντω τᾶι μὲν Δάματρι σῦν ἐπίτοκα, Ἑρμᾶ- | νι κριόν, Μεγάλοις Θεοῖς δάμαλιν σῦν, Ἀπόλλωνι Καρνείωι κάπρον, Ἅγναι οἶν “ Dazu: Graf 2003, 244 Paus 4, 33, 5 Dazu: Gawlinski 2012, 17, Harter-Uibopuu 2002

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tet952 Geopfert wurde in der genannten Reihenfolge für Demeter, Hermes, die Großen Götter, Apollon und Hagna, und zwar die jeweils aufgezählten Tiere Laura Gawlinski hat auf die prominente Stellung von Hermes in der Aufzählung hingewiesen, der an zweiter Stelle und noch vor den Großen Göttern genannt wird953 Somit zeigt sich, welch hohen Stellenwert Hermes als Geleiter genoss, wofür er einen Widder erhielt Die Opfer wurden sehr wahrscheinlich bei den entsprechenden Götterbildern dargebracht, denn Pausanias berichtet von Statuen des Apollon, des Hermes und der Hagna954 Das Bild des Hermes trug den Beinamen Κριοφόρος (der Widderträger), sodass es sich um eine Darstellung des Gottes als Widderträger gehandelt haben dürfte955 Wegen des Götterbildes wurde auch der Widder als Opfertier ausgewählt Für die Verehrung von Hermes im oder am Eingang zum Heiligtum in Andania spricht zudem ein Weihepigramm, welches Pausanias im Rahmen seiner Beschreibung der mythischen Geschichte Messeniens zitiert Das Epigramm lautet folgendermaßen956: „Gereinigt habe ich die Häuser des Hermes und die Wege | der erhabenen Demeter und der erstgeborenen Kore, dort wo gesagt wird, | dass Messene den Großen Göttinnen ein Fest gegeben hat, | wie es des ruhmreichen Phlyos Nachfahre Kaukon tat  | Ich bewundere, wie der Sterbliche Lykos, Sohn des Pandion, | die heiligen Werke aus Attika in das noble Andania gab “

Laut Pausanias hatte der Athener Methapos den Ablauf der Mysterien in Andania geordnet und zur Erinnerung daran Hermes ein Standbild gestiftet957 Dieses stand in der attischen Deme Phlya im Haus des Priestergeschlechts der Lykomiden, die in enger Verbindung zu verschiedenen Mysterien standen Methapos und der ebenfalls genannte Kaukon galten als Bringer, Reiniger und Ordner der Mysterien in verschiedenen Poleis958 Methapos soll auch den Kult der Kabiren in Theben eingeführt haben Die ersten Zeilen des Epigramms zeigen Parallelen zu den Praktiken, die in der Kultvorschrift geregelt sind So nehmen die „Wege der Demeter und Kore“ Bezug sowohl auf die öffentliche Prozession als auch auf die geheimen Riten Außerdem ist gleich von mehreren Häusern des Hermes die Rede Dies verweist ebenfalls auf die oben genannte Inschrift: Am Ende der Prozession wurde am Kultbild des Hermes Κριοφόρος 952 IG V 1, 1390, Z 73–74 (91 v Chr ) Bei den Mysterien in Eleusis spielte der Tanz auch eine Rolle: Mylonas 1961, 241 953 Gawlinski 2012, 22, Graf 2003, 244 954 Hagne ist entweder ein Beiname der Persephone, der Name einer lokalen Nymphe oder Quellgottheit (Gawlinski 2012, 17) 955 Paus 4, 33, 4–5 956 Paus 4, 1, 8: „ἥγνισα δ᾽ Ἑρμείαο δόμους σεμνῆς τε κέλευθα | Δάματρος καὶ πρωτογόνου Κούρας, ὅθι φασὶ  | Μεσσήνην θεῖναι Μεγάλαισι θεαῖσιν ἀγῶνα  | Φλυάδεω κλεινοῖο γόνου Καυκωνιάδαο   | θαύμασα δ᾽ ὡς σύμπαντα Λύκος Πανδιόνιος φὼς | Ἀτθίδος ἱερὰ ἔργα παρ᾽ Ἀνδανίῃ θέτο κεδνῇ “ 957 Vgl RE s v Methapos von Athen 958 Paus 4, 1, 5–9

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ein Opfer dargebracht Dem von Pausanias zitierten Epigramm ist darüber hinaus zu entnehmen, dass es entweder entlang des Weges oder im Heiligtum selbst weitere Kultorte des Hermes gab, an denen Reinigungen unbekannter Art durchgeführt wurden Wie diese Kultorte gestaltet waren, muss offenbleiben Im Laufe der Zeit nahm allgemein die Bedeutung der Prozessionen für den Festablauf zu: Während in der Archaik und Klassik noch das Opfer der wichtigste Teil des Festes war, wurden im Hellenismus die Prozessionen, die Wettkämpfe und das gemeinsame Opfermahl bedeutender959 Entsprechend erhielt auch der für die Prozessionen und Wettkämpfe zuständige Hermes immer häufiger Zuwendungen Ein Beleg dafür ist das folgende Epigramm des Dichters Philoxenos960: „Des Polykrites Sohn von Myra, Tlepolemos, stellte | mich, den Hermes, hier auf, dass ich zu heiligem Lauf | Startpunkt sei und waltend ob zwanzig Stadien gebiete  | Auf drum, müht euch und streift Schlaffheit und Trägheit vom Knie!“

Tlepolemos weihte eine Herme, welche den Startpunkt einer Laufbahn kennzeichnete Götterbilder des Hermes konnten demnach auch als Markierung von Startpunkten oder Etappen von Agonen fungieren Das Epigramm lässt den Gott in der Ich-Form sprechen, sodass er die Teilnehmer anfeuert Als eine Verschmelzung von Wettkämpfen und Prozessionen kann der Fackellauf bezeichnet werden, dessen Teilnehmer besonders häufig an Hermes weihten Bei dem Fackellauf handelte es sich im Gegensatz zu anderen Laufagonen um einen Mannschaftswettbewerb961 Ziel war es, eine brennende Fackel möglichst schnell ins Ziel zu bringen962 Dieser Wettkampftyp war im gesamten griechischen Raum verbreitet, wobei aus Athen die meisten Zeugnisse überliefert sind Dort wurden Fackelläufe an den Panathenäen, den Hephaisteia, den Prometheia, den Anthesterien, den Aianteia, den Epitaphia und den Theseia veranstaltet963 Daneben gab es Läufe zu Ehren einzelner Gottheiten oder zur Erinnerung an historische Ereignisse wie den Sieg bei Marathon Ein Fackellauf, der dem Hermes möglicherweise gemeinsam mit Apollon gewidmet war, ist aus Delos bekannt964 Jeder Fackellauf begann an einem Altar und führte entlang einer festgelegten Strecke zu einem zweiten Altar In Athen gilt ein Opfertisch für Eros oder Prometheus bei der Akademie als gesicherter Ausgangspunkt der Wettbewerbe bei den Panathenäen965 Von dort aus wurde in einem Staffellauf eine Strecke von etwa 2500 Metern 959 Chaniotis 1995, 154 960 Anth Gr 9, 319 (um 256  v Chr , Übersetzung Beckby 1968): „Τληπόλεμος ὁ Μυρεὺς Ἑρμᾶν ἀφετήριον ἕρμα  | ἱροδρόμοις θῆκεν παῖς ὁ Πολυκρίτεω,  | δὶς δέκ᾽ ἀπὸ σταδίων ἐναγώνιον ἀλλὰ πονεῖτε, | μαλθακὸν ἐκ γονάτων ὄκνον ἀπωσάμενοι “ 961 Vgl DNP/RE s v Lampadedromia 962 Vgl z B Plat rep 328a 963 Zu den Fackelläufen bei den Panathenäen: Ruggeri/Steffelbauer 2013, 224–225, Bentz 2007 964 IG XI 4, 1155–1162 (3 Jh  v Chr ) Zu Athen: IG II2 2980 (2 Jh  v Chr ) 965 Bentz 2007, 73

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zurückgelegt966 Der Läufer, der als erster das Ziel erreichte, entzündete mit der Fackel ein Feuer auf dem Altar Somit dienten die Fackelläufe zwei Hauptaufgaben: Zum einen sollten mit ihnen die Feuer in der Stadt erneuert werden, nachdem sie verunreinigt worden waren967 Antike Autoren sehen den Ursprung des Festes im Mythos von Prometheus, nach dem dieser den Menschen das Feuer gebracht haben soll968 Zwischen Prometheus und Hermes bestehen zahlreiche Parallelen, weshalb Hermes selbst als Bringer von Feuer und Zivilisation charakterisiert wurde969 Zum anderen dienten die Fackelläufe der städtischen Selbstvergewisserung, denn sie fanden hauptsächlich bei Festen statt, an denen nur die Bürgergemeinschaft teilhatte970 Auch bei Festen, die ein breiteres Publikum adressierten, war die Partizipation an den Fackelläufen auf die Bürgerschaft beschränkt971 Zugelassen waren die verschiedenen männlichen Altersklassen, wobei vor allem der aktuelle Jahrgang der Epheben im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, da deren Schönheit und Wehrhaftigkeit zur Schau gestellt werden sollte972 Demnach waren die Fackelläufe eine Möglichkeit, sich innerhalb der athenischen Bürgerschaft zu profilieren, wofür auch die zahlreichen Vasendarstellungen sprechen973 Hinzukommt die gemeinschaftsbildende Funktion der Läufe, da zu diesen Mannschaften antraten, die sich zum Beispiel aus den Knaben einer Phyle oder denjenigen, die in einem bestimmten Gymnasion gemeinsam trainierten, zusammensetzten974 Der Sieg galt dann ebenfalls der Gruppe und nicht dem Einzelnen Dadurch bot sich den jungen Männern eine doppelte Identifikationsmöglichkeit: Einerseits waren sie Bürgersöhne und andererseits Mitglieder einer Phyle Warum aber weihten die Siegermannschaften ihre Fackeln975 oder Kränze Hermes? Hermes war nicht nur der Gott der Epheben, sondern für alle Altersklassen der Bürgergemeinschaft ein Ansprechpartner Weiterhin war er Gott der Agone, zu denen die Fackelläufe zählten Als solcher gewährte er, in der antiken Vorstellung, Glück und den Sieg im Wettkampf Darüber hinaus war er Gott der Wege, der bei den Prozessionen und bei anderen Laufwettbewerben eine wichtige Rolle spielte Schließlich erwies sich Hermes in den Fackelläufen, einer Institution, die für die Bürgerschaft reserviert waren, ein weiteres Mal als Gott der Polis und ihrer Bürger

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Kyle 2014, 163 Plut Aristides 20, 4 Jüthner 1968, 135–136 mit Quellenbelegen Yona 2015, 369–370 mit Quellenbelegen, Jaillard 2007a, 108–113 mit Quellenbelegen, Kahn 1978, 50–56 Golden 1998, 168–169, Jüthner 1968, 137 Kyle 2014, 163, Bentz 2007, 73 Hierzu: 2 5 2 3 Sieger Vgl Bentz 2007 Jüthner 1968, 144–146/149 Anth Gr 6, 100 (1 Jh  v Chr )

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2.3.3.2 Der Weg in die Ehe Zu den Reisen im übertragenen Sinne, welche griechische Bürger und Bürgerinnen in ihrem Leben zurücklegten, gehörte sicher der Weg in die Ehe Die Eheschließung war zudem mit einer Prozession verbunden und sowohl für die Bürgergemeinschaft als auch für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger von höchster Wichtigkeit976 Wie oben gezeigt wurde, spielte Hermes im Mythos bei der Brautführung und bei Hochzeitszügen eine Rolle und übernahm außerdem im Bildprogramm des Grabschmucks für zu jung verstorbene Mädchen die Rolle des Bräutigams977 In diesem Kapitel wird den Fragen nachgegangen werden, inwiefern sich Bezüge zu dieser Rolle des Hermes in der Kultpraxis finden und welche Rückschlüsse sich daraus für das Verständnis des Gottes als einer Polisgottheit ziehen lassen In Athen war die Heirat neben der Geburt und dem Eintritt in die Bürgerschaft einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zu einem erfüllten und anerkannten bürgerlichen Leben Die Hochzeit wurde öffentlich begangen und so viele Zeugen wie möglich wurden daran beteiligt Dabei folgte die Eheschließung einem von der Polis und ihren Bürgern festgelegten Muster, wie die überlieferten Regelungen aus Athen bezeugen978 Die institutionalisierte Form der Eheschließung hatte zum Ziel, den wirtschaftlichen und personalen Erhalt der Polis sicherzustellen979 Hermes, der als Gott der Polis und deren Institutionen die rechtmäßigen Abläufe überwachte und vor allem das Eigene vor fremdem Zugriff schützte, war auch bei diesem Akt präsent Um die Rolle des Hermes in dieser für die Reproduktion der Bürgerschaft so zentralen Institution zu erklären, ist es wichtig, deren Hauptelemente zu verstehen: Im Zentrum stehen die aus Athen bekannten gesetzlichen Regelungen und die nicht fixierten Vorschriften für den Ablauf der Zeremonie980 Infolge des perikleischen Bürgerrechtsgesetzes (451/450 v Chr ) konnten aus einer Ehe nur legitime Kinder hervorgehen, wenn beide Eltern athenische Bürger waren981 Somit wurde die Ehe zu einer staatlichen Institution, durch die nicht mehr nur die Weitergabe von familiärem Besitz, sondern auch die des Bürgerstatus endgültig geregelt wurde Dass diese Institution Sache der Polis war, zeigt sich nicht zuletzt an den Regelungen in Athen, Sparta und Kreta, nach denen der Staat dafür Sorge trug, dass vormundlose Mädchen eine Ehe eingingen982 Damit ging eine veränderte Wahrnehmung der athenischen Frauen einher, die nun eine ebenbür976 977 978 979 980

Zur politischen Dimension der Ehe erstmals: Vernant 1980, 45–70 Schmidt 2005, 58 Hierzu: 2 4 1 Jenseitsvorstellungen der Griechen Zu Ritualen anderer Poleis: Vérilhac/Vial 1998, Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 186 Foxhall 2013, 33, Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 71 Keine griechische Stadt verfügte über eine rechtliche Definition von Ehe (Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 68) 981 Aristot Ath pol 26, 3, Plut Perikles 37, 2–3 Dazu: Blok 2017, 1–2, Schmitz 2007, 28, Hartmann 2002, 52–57, Dreher 2001, 98, Waldner 2000, 58–59 982 Foxhall 2013, 34

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tige Rolle bei der Erzeugung von legitimen Nachkommen einnahmen983 Weil die Ehe immer wichtiger wurde, unterlag die Hochzeit festgelegten Abläufen und Riten, die öffentlich und unter Einbeziehung von Zeugen stattfanden984 Elke Hartmann hat den „Aspekt der öffentlichen Anteilnahme“ in ihrer Untersuchung zur Heirat in Athen als grundlegend herausgestellt985 Erst durch die korrekte Ausführung der Opfer und Rituale, die von den Hochzeitsgästen bezeugt werden mussten, erlangte die Ehe ihre Rechtmäßigkeit986 Der Eheschluss fand im Hochzeitsmonat Gamelion ( Januar) statt987 Zunächst wurde das Haus der Familie der Braut geschmückt, damit die Nachbarn und Vorbeikommenden von der bevorstehenden Zeremonie Kenntnis erlangten Die Hochzeitsgesellschaft verbrachte den ganzen Tag dort, wobei der Höhepunkt das Festmahl war, bei dem die Übergabe der Braut an den Bräutigam (ἔκδοσις) stattfand Am Abend wurde die Braut im Rahmen eines aufwendigen Hochzeitszuges zum Haus des Bräutigams begleitet, wo das Zusammenleben in einem Haushalt (συνοικεῖν) begann Die Prozession, die mit viel Aufwand und zahlreichen Teilnehmenden betrieben wurde, war der bei weitem öffentlichste Akt der gesamten Hochzeit988 Durch sie wurden neben den geladenen Gästen auch alle Anwohner zu Zeugen der Hochzeit989 Sehr oft sind die Fackelzüge auf Gefäßen, vor allem solchen aus dem kosmetischen Bereich, schmuckvoll ausgestaltet990 Als Teilnehmer der Prozessionen erscheint dabei immer wieder Hermes mit Kerykeion, meist am Anfang des Zuges und auf die Menge zurückblickend Mithilfe der bildlichen Zeugnisse kann demnach belegt werden, dass die mythischen Vorlagen, die Hermes bei göttlichen Hochzeiten erwähnen, bis mindestens in die klassische Zeit präsent waren Ebenfalls aus dem Mythos übernommen ist die Darstellung mit Kerykeion, welches den Gott als ausführendes Organ der Götter und deren Ordnung für alle kenntlich machte, denn neben der rechtlichen und sozialen Seite war die Hochzeit auch religiös aufgeladen Indem die Götter mittels der Opfer und Rituale in die Feierlichkeiten integriert wurden, waren sie Zeugen für die Eheschließung und ihr Wohlwollen wurde erbeten Im gesamten griechischen Raum galten Zeus, Hera, Aphrodite, Peitho und Artemis als Götter der Ehe Daneben traten in einzelnen Poleis die Nymphen, Demeter, die Grazien, Hermes, die Moiren oder Athena in Erscheinung, wobei jede Gottheit eine spezifische Funktion erfüllte991

983 King 2002, 80 Zur Diskussion über das Bürgerrecht von Frauen: Blok 2017, 2–3, Dreher 2001, 118– 121 984 Zu den einzelnen Stationen des Hochzeitstages: Vérilhac/Vial 1998, 296–326 985 Hartmann 2002, 78 986 Schmitz 2007, 29, Vérilhac/Vial 1998, 229–265 987 Vgl Parke 1977, 104–106 988 Vgl Vérilhac/Vial 1998, 312–326 989 Hartmann 2002, 87–88 990 Reinsberg 1989, 59 mit Quellenbelegen 991 Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 68/186–188

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Schriftliche Quellen bestätigen, dass Hermes beim Eheschluss eine wichtige Rolle zukam Plutarch erwähnt in seinen „Ratschlägen für Braut und Bräutigam“, dass Hermes und Aphrodite zum Schutz der Ehe und der Eheleute bestimmt waren992: „[…] und ich wünsche, die Musen sollen bei Aphrodite hilfreich zugegen sein, in der Überzeugung, dass nicht nur die Harmonie der Lyra und der Kithara ihr Werk und ihre Aufgabe ist, sondern ebenso die Harmonie in Ehe und Haus, die durch das vernünftige Wort, Übereinstimmung im Wesen und eine auf Philosophie gegründete Lebensweise entsteht In früheren Zeiten gab man ja der Aphrodite Hermes zur Seite, weil man meinte, die ehelichen Freuden bedürften in besonderer Weise einer Steuerung durch die Vernunft, dazu Peitho, die Göttin der Überredung, und die Grazien, damit die Eheleute das, was sie jemals vom anderen wünschen, durch sanfte Überredung erlangten und nicht durch Kampf und Streit “

Der Autor erscheint nicht als größter Verfechter der Ehe, wenn er leicht spöttisch festhält, dass neben Aphrodite auch Hermes als Gott der Ehe ausgewählt wurde, weil in dieser göttliche Unterstützung nötig sei993 Seiner Meinung nach ist Harmonie, die von den Musen und Aphrodite sichergestellt werden solle, in einer Ehe grundlegend Unüberlesbar sind die im Folgenden bei Plutarch immer wieder angestellten Vergleiche mit Musik und Dichtkunst, durch welche die benannten Götter (Musen, Aphrodite, Peitho und Grazien) zusätzlich als Einheit verstanden werden können Obgleich Plutarch erst im 1 /2 Jh n Chr schrieb, erlaubt der Text Rückschlüsse auf die in der vorliegenden Arbeit behandelte Zeit, denn der berichtet über Praktiken „der Alten“ (οἱ παλαιοί) Entsprechend wurde Hermes in einer Gesellschaft, die für Plutarch in der Vergangenheit lag, als vernunftbringende Kraft in der Ehe wahrgenommen Wie immer interpretierte der Schriftsteller die in seiner Zeit noch gebräuchliche Tradition vor dem Hintergrund des eigenen Erfahrungshorizontes, sodass Hermes Aphrodite zur Seite gestellt wurde, um das Vergnügen innerhalb der Ehe im rechten Maß zu halten und für ein ausgeglichenes Miteinander zu sorgen Im Zusammenhang mit dem Parisurteil wurde oben bereits angesprochen, dass Hermes als Vermittler auch bei ehelichem Streit auftreten konnte994 Bringt man die mythische Überlieferung, die veränderte Gesetzeslage in der Zeit von Perikles und die Aussage Plutarchs zusammen, wird deutlich, dass Hermes in Bezug auf die Hochzeitsbräuche „der Alten“ mehrere Funktionen erfüllte: Zum Ersten 992 Plut mor 138c–d (Übersetzung nach Giebel 2000): „εὐχόμενος τῇ Ἀφροδίτῃ τὰς Μούσας παρεῖναι καὶ συνεργεῖν, ὡς μήτε λύραν τινὰ μήτε κιθάραν μᾶλλον αὐταῖς ἢ τὴν περὶ γάμον καὶ οἶκον ἐμμέλειαν ἡρμοσμένην παρέχειν διὰ λόγου καὶ ἁρμονίας· καὶ φιλοσοφίας προσῆκον καὶ γὰρ οἱ παλαιοὶ τῇ Ἀφροδίτῃ τὸν Ἑρμῆν συγκαθίδρυσαν, ὡς τῆς περὶ τὸν γάμον ἡδονῆς μάλιστα λόγου δεομένης, τήν τε Πειθὼ καὶ τὰς Χάριτας, ἵνα πείθοντες διαπράττωνται παρ᾽ ἀλλήλων ἃ βούλονται, μὴ μαχόμενοι μηδὲ φιλονεικοῦντες “ 993 Zur Rolle der Aphrodite in der Ehe: Brut Zaidmann/Schmitt Pantel 1992, 71/187–188 994 Hierzu: 2 3 1 Geleiter und Führer

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war er hier der Gott der Wege, wobei mit dem Begriff sowohl eine tatsächliche Distanz als auch Wege im übertragenen Sinne gemeint sein konnten Der Gott wurde als Führer und Geleiter der Hochzeitsprozession angesehen, durch die der tatsächliche Übergang von einem Haushalt in den anderen für alle sichtbar vollzogen wurde995 Zum Zweiten zählte Hermes zu denjenigen Göttern, die das Haus und die im Haus lebende Gemeinschaft vor Übeln bewahren sollten996 Wenn die junge Frau nun die Schwelle des eigenen Hauses überschritt, um in einen anderen Haushalt aufgenommen zu werden, musste sie die Türhermen beider Häuser passieren, womit Hermes wiederum einbezogen war Hervorzuheben ist außerdem, dass die Ehe in Athen als patrilokal bezeichnet werden muss, das heißt, dass die neue Hausgemeinschaft in dem Haushalt des Ehemannes begründet wurde Ebenfalls über die männliche, väterliche Linie wurde der Besitz des Haushaltes vererbt, wodurch Hermes eine weitere wichtige Rolle innerhalb der ehelichen Hausgemeinschaft zukam Hatte sich doch der Gott selbst im homerischen Hymnos an der väterlichen Linie (Zeus) und nicht an dem älteren Göttergeschlecht, dem seine Mutter entstammte, orientiert Entsprechend konnte er auch bei dem patrilokalen Eheschluss in Athen wichtig werden Als Schützer des väterlichen Erbes war Hermes für die Ehe, durch welche die Nachkommen überhaupt erst legitim und damit erbberechtigt waren, ein wichtiger Gott997 Drittens wurde Hermes gleichermaßen von Frauen und Männern verehrt und stand als Gott der Polis Bürgerinnen und Bürgern bei Den Frauen aber scheint er besonders in schwierigen Situationen, wie der Ehe oder dem Tod, zur Seite zu stehen Louise Brut Zaidmann und Pauline Schmitt Pantel haben die Hochzeitsprozession als „rite de passage“ beschrieben Immer wieder ist in den Quellen zu lesen, dass Parallelen zwischen Hochzeit und Tod gesehen wurden, da beide einschneidende Erlebnisse darstellten und die Veränderung unumkehrbar war998 Ein mythisches Beispiel, bei dem Ehe und Tod zusammenfallen, ist der Raub der Persephone Die unfreiwillig mit dem Unterweltsgott Hades geschlossene Ehe hat zur Folge, dass die Göttin die Hälfte des Jahres in der Unterwelt verbringen muss Hermes ist vor allem auf Vasendarstellungen oft als Beobachter des Geschehens dargestellt, greift aber selbst nie ein999 Auch die reiche literarische Überlieferung lässt keine Teilnahme des Gottes erkennen1000 Sehr wohl spielte Hermes allerdings eine Rolle bei den Verhandlungen mit Hades und der Wiederkehr von Persephone Nachdem von der Götterversammlung über das Schick995 Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 63–64/68–69/188 für die folgenden Ausführungen 996 Thuk 6, 27, 1 Arlene Allan interpretiert die Eheschließung als „Gabentausch“ (Allan 2018, 80) Ihre These, dass Hermes nur beteiligt ist, weil er das Eigentum schützt, zu dem die Tochter zählt, greift zu kurz 997 Hierzu: 2 4 1 2 2 „der Erde/dem Erdboden zugehörig“ 998 Hartmann 2002, 77–78 mit Quellenbelegen 999 Vgl LIMC s v Hades 82–120/Persephone Hierzu: 2 4 Proastion I 1000 Im homerischen Hymnos an Demeter ist es Gaia, welche Hades auf Geheiß des Zeus unterstützt: Hom h 2, 8–9

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sal von Persephone entschieden worden war, wurde Hermes beauftragt, den Beschluss bekannt zu geben, die Bedingungen zu überbringen und die Göttin zurückzubegleiten Somit kann Hermes als ausführendes Organ der olympischen Entscheidung bezeichnet werden Dieser Stellung wurde durch das Kerykeion Ausdruck verliehen1001 Viertens war die Teilnahme von Hermes an der Hochzeitsprozession ein Zeichen, dass die Ehe rechtmäßig und mit Zustimmung der Götter geschlossen wurde Der Götterbote nahm an Schwellensituationen im Leben der Bürgerinnen und Bürger eine Schlüsselposition ein Gemeinsam mit Aphrodite war Hermes zuständig für die zukünftigen Generationen sowie das Fortbestehen der Bürgerschaft und erwies sich als Gott der Polis1002 Die Hochzeit symbolisierte für die Frau den Eingang in die Erwachsenenwelt, was auch dadurch verdeutlicht wurde, dass die Bräute ihre Spielsachen Artemis weihten1003 Die Begleitung der jungen Bräute am Hochzeitstag durch Hermes war vergleichbar mit seiner Unterstützung für die Epheben Genau wie die Ephebie für die jungen Männer bedeutete die Ehe im Leben der jungen Frau einen Einschnitt, aber auch einen unumgänglichen Schritt auf ihrem Weg zu einer idealen Bürgerin Eine weitere Parallele zwischen der Ephebie und der Heirat war die Voraussetzung, dass die jungen Menschen einer Ehe entstammen und legitime Nachkommen sein mussten Elke Hartmann stellt daher fest, dass das „bekennende Zeugnis der Väter für den athenischen Status ihrer Töchter, wie es im Rahmen der engye gegeben wurde, […] eine Parallele […] zu dem Schwur, den Väter bei der Vorstellung ihrer Söhne in die Phratrien leisteten, um deren athenische Herkunft zu beeiden“1004, darstellte Um gerade Letzteres zu unterstreichen, soll darauf hingewiesen werden, dass der Vater oder der männliche Vormund die Hochzeit ebenfalls im Rahmen seiner Phratrie bekannt gab, indem er ein Opfer und ein Festmahl veranstaltete1005 Dies geschah beim Apatourienfest im Monat Pyanopsion, der neun Monate nach dem Hochzeitsmonat Gamelion lag1006 Am dritten Tag des Festes wurde neben dem Opfer zur Bekanntgabe der neuen Ehen ein Opfer für neugeborene Söhne und eines für die Söhne, die in die Phratrienlisten eingetragen wurden, abgehalten1007 An diesem Tag, der mit einem Festmahl in kleinerem Kreis abschloss, vertrat der Ehemann zum ersten Mal die Interessen seiner Frau und war nun Bürge ihrer freien, athenischen Herkunft1008 Im klassischen Athen mussten junge Frauen und Männer im Augenblick der Eheschließung eine gesell1001 1002 1003 1004 1005 1006

Vgl Pisano 2014, 194–198 Hierzu: 2 5 2 1 Städtische Magistrate und Ausbilder Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 65/68 Hartmann 2002, 82 Hartmann 2002, 76, Deubner 1969, 234 Vgl Vérilhac/Vial 1998, 330–332, Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 65–67, Parke 1977, 88–92, Deubner 1969, 232–234 Die einzelnen Festtage wurden wie bei anderen athenischen Festen nach den an den Tagen stattfindenden Kulthandlungen bezeichnet: Δοπρία, Ἀνάρρυσις, Κουρεῶτις Dazu: IG II2 1237 (396/395 v Chr ), Sch Aristoph Ach 146 1007 Hartmann 2002, 91–92 1008 Isaios 3, 76/3, 79/8, 18/8, 20, Harpokr s  v γαμηλία

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schaftliche Position einnehmen, für die sie zwar erzogen wurden, die aber trotz allem für sie zunächst neu und fremd war Genau an diesem sowohl für einzelne Personen als auch für die Gesamtheit der Polisgemeinschaft wesentlichen Lebensabschnitt wurde Hermes um Beistand angerufen1009 Die Quellen aus hellenistischer Zeit sind weniger ergiebig, sodass die Forschung davon ausgeht, dass die vorgestellten Regeln weiter Bestand hatten1010 Die Werke der Neuen Komödie legen allerdings die Vermutung nahe, dass der Einfluss des Hausvaters bei der Wahl des Ehepartners und der Planung der Zeremonie zugunsten mehrerer, beratender und entscheidender Personen eingeschränkt wurde Für die vorliegende Arbeit ist wichtig, dass das System der Stadtstaaten weiterhin Bestand hatte und die Poleis an ihren stadtstaatlichen Regelungen festhielten Somit waren in Athen die Bürgerrechtsgesetze weiterhin in Kraft und die Bedeutung von Hermes bei Eheschlüssen blieb unverändert 2 3 4 Resümee – Chora I und II Durch die Mythen war Hermes mit den Höhlen, Quellen, Flüssen und Hainen sowie den dort lebenden Gottheiten verbunden All diese Orte gehörten in den Bereich der außerstädtischen Kulte, die jedoch nicht losgelöst von der verwaltenden Polis betrachtet werden können Extraurbane Heiligtümer wurden parallel zu den urbanen Kulten von lokal ansässigen Bürgern eingerichtet Dafür griffen sie auf natürliche Begebenheiten zurück und statteten diese nur verhalten mit baulichem und statuarischem Schmuck aus Zu den Kultakteuren zählten vor allem mobile Personen wie Hirten, Handeltreibende und Reisende, die über unterschiedliche finanzielle Mittel verfügten In der Chora trat Hermes einerseits als wohltätig und freigiebig, andererseits als Gott der Grenze auf Häufig wurde er gemeinsam mit einer Gruppe anderer Götter verehrt, denen jeweils spezifische Aufgaben zugewiesen waren Seit dem 5 Jh  v Chr bildeten Hermes, die Nymphen und Pan eine enge Gemeinschaft, die in der Bildsprache gewissermaßen kanonisch geworden war Eine Bedeutungsverschiebung erhielten die außerstädtischen Heiligtümer ab dem 3 Jh  v Chr , da sich die Wahrnehmung des Hirtenlebens wandelte, was zu einer gesteigerten Popularität dieser Kultorte und des Gottes Hermes führte Außerdem wurden Hermesheiligtümer entlang von Straßen und Wegen eingerichtet, wobei der Gott sowohl schützende als auch ordnungsstiftende Funktionen übernehmen sollte Markiert waren diese Plätze anfänglich lediglich durch Steinhaufen, de1009 Hermes wurde auch in einigen Liebesflüchen um Hilfe gebeten: TheDeMa 104 (=SEG 37–218, 4 Jh  v Chr )/185 (=SEG 37–389, 4 –1 Jh  v Chr ) Spätere Beispiele: TheDeMa 110 (=SEG 26–1717, 3 –4 Jh )/182 (=SEG 34–952, 2 –1 Jh  v Chr )/298 (=SEG 41–1844, 2 –3 Jh )/322 (=SEG 8–574, 2 –3 Jh )/323 (2 –3 Jh )/324 (=SEG 38–1837, 2 –3 Jh ) 1010 Vgl Schmitz 2007, 59–61

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nen Heiligkeit zugesprochen wurde Im Laufe der Zeit wurden sie zunehmend durch steinerne Hermen und später auch kleinere Bauwerke gekennzeichnet Die Herme mit Altar blieb allerdings die bei weitem häufigste Form der Hermesverehrung an Straßen Außerhalb der Stadt dienten die Orte der Erholung und der Verpflegung von Mensch und Tier, woraus sich der oft ähnliche Aufbau der Heiligtümer – Süßwasserzugang, schattenspendende Bäume sowie Kultbilder und Altäre für die Gottheiten des Ortes – erklärt Die Adoranten weihten, was sie auf der Reise mitführten oder was ihnen im direkten Umfeld zur Verfügung stand Innerhalb der Stadt wurden die Hermen zur Gliederung des Stadtgebiets und zur Markierung von öffentlichen Institutionen aufgestellt Die Fürsorge für die Wege erstreckte sich ferner auf die zahlreichen Prozessionen im öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich Aus der Untersuchung der Umzüge bei Polisfesten ergab sich, dass Hermes die Festgemeinschaft begleitete und den korrekten Ablauf überwachte, wozu sowohl die Wegstrecke als auch die Gliederung des Festzuges entsprechend der sozialen und politischen Normen zählte Daneben wurde Hermes als Teilnehmer bei kleinen, familiären Umzügen gedacht Dabei symbolisierte die Anwesenheit des Gottes die Rechtmäßigkeit des Aktes, beispielsweise die Einrichtung eines Heiligtums, genauso wie die Vorbildhaftigkeit der Stiftenden Zwischen den Bereichen von Öffentlichkeit und Familie anzusiedeln sind die Hochzeitszüge in Athen Eheschließungen dienten dazu, den wirtschaftlichen und personellen Erhalt der Polisgemeinschaft sicherzustellen Gleichzeitig war die Hochzeit eine Schwellensituation im Leben der jungen Bürgerinnen und Bürger an denen ihnen Hermes helfend zur Seite stand Daher wurde Hermes, der Gott der Bürgerinnen und Bürger, als Brautführer und Geleiter von Hochzeitszügen wahrgenommen Hermes war in der antiken Vorstellung für die künftigen Generationen sowie das Fortbestehen der Bürgerschaft zuständig und damit ein Gott der Polis 2.4 Proastion I: Nekropolen Mit den Nekropolen ist der Besucher im Proastion angelangt, denn die Begräbnisstätten lagen außerhalb der Stadtmauern entlang der wichtigen Straßen Der Tod ist ein allgegenwärtiges Phänomen, sodass jede Gesellschaft eigene Umgangsformen damit gefunden hat Zumeist wurde der Tod als Grenze wahrgenommen, bei deren Überschreitung göttliche Hilfe nötig war1011 Weiterhin wurde den Toten sowohl im Diesseits als auch im Jenseits ein fester Platz zugewiesen, um einerseits den Sterbenden und andererseits den Lebenden Sicherheit zu suggerieren1012 Nach der am weitesten verbreiteten Vorstellung der griechischen Antike gelangten die Menschen nach 1011 Vgl z B Krauskopf 2013, 71, Kahn 1979, 201 1012 Graf/Johnston 2013, 96

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dem Tod in eine Unterwelt, die von dem Gott Hades beherrscht wurde1013 Die Unterwelt war aber nur einer von drei Bereichen, in welche der Kosmos räumlich gegliedert wurde Neben dieser unteren, dunklen, göttlichen existierte eine obere, helle, göttliche Sphäre Dazwischen lag die Welt der Menschen Jeder Bereich war mit Barrieren versehen, die von göttlichen Mächten erschaffen und geschützt wurden und deren Aufrechterhaltung die Sicherheit der Lebenden garantierte Die Lebenden glaubten über die räumliche Aufteilung informiert zu sein und kannten die mit den Grenzen einhergehenden Regeln So trat jeder Mensch irgendwann den Weg in die Unterwelt an, während niemand von dort zurückkehren sollte Um dem Sterben etwas von seinem Schrecken und der Unvorhersehbarkeit zu nehmen, baten die Griechen göttliche Mächte darum, ihnen zu assistieren und sie zu führen Zu diesen Gottheiten zählte auch Hermes, wobei in der Forschung bisher keine Einigkeit über seine Rolle und Funktion herrscht Zum einen taucht Hermes in der Forschungsliteratur als eine Schwellenfigur neben Charon und den Brüdern Hypnos und Thanatos auf1014 Zum anderen wird er gemeinsam mit Dionysos oder Demeter und Kore behandelt1015 In beiden Fällen beziehen sich die Publikationen auf wenige literarische oder ausgesuchte archäologische Belege, die zumeist von athenischer Provenienz sind1016 Einzeln betrachtet vermögen diese zu keinem einheitlichen Bild zu führen, weshalb im Folgenden systematisch die literarischen und epigraphischen Zeugnisse zusammengestellt und um die Ergebnisse der archäologischen Forschungsliteratur ergänzt werden Dabei stehen die Akteure und Praktiken im Fokus der Analyse Infolge dieser Zusammenschau unterschiedlicher Quellengattungen stellt sich die Frage nach einer möglichen Neubewertung der Funktion und Rolle von Hermes im Grab- und Totenkult 2 4 1 Jenseitsvorstellungen der Griechen In der griechischen Antike existierten mehrere Vorstellungen des Jenseits nebeneinander, weshalb im Folgenden stets von Vorstellungen im Plural die Rede ist Um die Funktionen von Hermes innerhalb dieser beschreiben zu können, werden die Beinamen analysiert, die auf eine Verbindung des Gottes zum Jenseits hindeuten Zunächst wird der wenig verbreitete Beiname Ψυχοπομπός untersucht Es folgt eine Betrachtung des in Mythos und Kult sehr häufig verwendeten Epithetons Χθόνιος Am Ende werden die Quellen zusammengestellt, die Rückschlüsse auf die Rolle von Hermes im Jenseits zulassen, ohne dass die bekannten Beinamen verwendet wurden Die klare Trennung 1013 1014 1015 1016

Vgl Erasmo 2012, Ogden 2009/2008, Johnston 2007, Morris 1996 Vgl Oakley 2004 mit älterer Literatur, Willinghöfer 1996 Vgl Graf/Johnston 2013 mit älterer Literatur, Bowden 2010 mit älterer Literatur Vgl Graf/Johnston 2013, 74 mit älterer Literatur, Rückert 1998, Wrede 1986, Zanker 1965, Brown 1947

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und ausführliche Behandlung ist nötig, um die Institutionalisierung des Gottes und seiner Aufgaben im Kontext der Nekropolen zu verstehen und die uneinheitliche, oft synonyme Verwendung der Begriffe in der Forschung, die sich nicht mit den Quellenaussagen deckt, zu dekonstruieren1017 Da in der vorliegenden Arbeit nach der bürgerlichen Kultpraxis gefragt wird, müssen die Mythen, in denen Hermes Heroen und Heroinen bei der Rückkehr aus dem Hades behilflich ist, deutlich davon abgegrenzt werden In allen Fällen wird Hermes lediglich im Kontext der Heimkehr, nicht aber bei ihrem Abstieg in die Unterwelt genannt Dies leuchtet im Sinne der oben skizzierten Regeln für die Sphären ein, da es zwar problemlos möglich war, dorthin zu gelangen, nicht aber, den Hades wieder zu verlassen Daher gelang es nur wenigen mythischen Personen und auch nur mit göttlicher Unterstützung, die Grenze zu überschreiten Die bekannten Heroen und Heroinen sind Herakles, Orpheus und Eurydike sowie die Göttin Kore oder Persephone1018 Dabei handelt der Götterbote nicht selbstständig, sondern sein Eingreifen ist immer auf einen Befehl von Zeus oder der Götterversammlung zurückzuführen1019 Herakles war der griechische Heros par excellence, dessen zwölf Heldentaten die am meisten rezipierten Mythen in Antike und Moderne sind1020 In der „Odyssee“ berichtet Herakles von seinem leidvollen Leben1021: „Sohn des Zeus, des Kroniden, war ich; dennoch erfuhr ich  | Unermeßliches Leid; ich mußte viel schlechterem Manne  | Frondienste tun; der trug mir auf die schwierigen Kämpfe; | Selbst hier sandt er mich her, den Hund zu holen, er dachte, | Dass es darüber hinaus kein stärkeres Wagnis mehr gebe  | Aber ich bracht ihn herauf und führte den Hund aus dem Hades, | Hermes geleitete mich und mit strahlenden Augen Athene “

Herakles, ein unehelicher Sohn von Zeus, den Hera aus diesem Grund hasste, erfreute sich der Unterstützung mehrerer Olympier Eine der beinahe unlösbaren Heldentaten war die Entführung des Kerberos aus dem Hades1022 Dabei standen ihm Athena und Hermes zur Seite1023 Ihre Tätigkeit wird mit dem Verb πέμπω umschrieben, was einerseits „entsenden/schicken“, anderseits auch „geleiten“ bedeuten kann Weil die 1017 So betont auch: Versnel 2019, 347 1018 Odysseus überschreitet die Grenze bei seiner Unterweltsfahrt in der „Odyssee“ nicht (Hom Od 11, 20–36/11, 56–627) 1019 Allan 2018, 13/39 Siehe auch: Aisop 179 (Perry) 1020 Vgl Stafford 2012, Heinrich 2006, Blanshard 2005, Riha/Zelle 1989 1021 Hom Od 11, 620–626 (Übersetzung nach Hampe 2010): „Ζηνὸς μὲν πάϊς ἦα Κρονίονος, αὐτὰρ ὀïζὺν | εἶχον ἀπειρεσίην μάλα γὰρ πολὺ χείρονι φωτὶ | δεδμήμην, ὁ δέ μοι χαλεποὺς ἐπετέλλετ᾽ ἀέθλους  | καί ποτέ μ᾽ ἐνθάδ᾽ ἔπεμψε κύν᾽ ἄξοντ᾽· οὐ γὰρ ἔτ᾽ ἄλλον | φράζετο τοῦδέ γέ μοι κρατερώτερον εἶναι ἄεθλον | τὸν μὲν ἐγὼν ἀνένεικα καὶ ἤγαγον ἐξ Ἀίδαο· | Ἑρμείας δέ μ᾽ ἔπεμπεν ἰδὲ γλαυκῶπις Ἀθήνη “ 1022 Hes theog 311–315, Hom Od 11, 623–624 Dazu: Bremmer 1994, 103 1023 Vgl z B Metr Mus , Inv -Nr 08 258 21 (um 440 v Chr ), ABV 184 (um 560 v Chr ), ABV 144, 9/278, 49/312, 4, Louvre, Inv -Nr A 481, Mus Edinburgh, Inv -Nr 1881 44 27 Dazu: Vermeule 1979, 26, Zanker 1965, 104 In der „Ilias“ ist von einer göttlichen Beteiligung keine Rede (Hom Il 8, 362– 369)

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Gottheiten nicht nur hier gleichberechtigt nebeneinander stehen, bezeichnete Wassiliki Felten diese als „die spezifischen Beistandsgötter des 6 Jahrhunderts“1024 Beide unterstützen die Heroen und haben darüber hinaus eine enge Beziehung zu Herakles1025 Somit erscheint Hermes gemeinsam mit Athena als Helfer der Heroen und nicht als Seelengeleiter1026 Dass Hermes nicht zwangsläufig so wahrgenommen wurde, bestätigen auch spätere Quellen So wird die Katabasis des Herakles in der Komödie „Die Frösche“ (405  v Chr ) von Aristophanes parodiert, wobei Charon den Heros beim Übergang in das Totenreich unterstützt und Hermes nicht einmal genannt wird1027 Außerdem erwähnt Pausanias bei seiner ausführlichen Beschreibung des Bildprogramms des Throns des Apollon Amyklaios zwar die Entführung von Kerberos, von einer Beteiligung des Hermes ist jedoch nicht die Rede1028 Für den Künstler des Thrones scheint Hermes nicht in diese Szenerie gehört zu haben Es muss daher festgehalten werden, dass Hermes weder in der literarischen noch in der bildlichen Tradition bei der Katabasis des Herakles beteiligt ist Hermes erscheint erst als Helfer, nachdem Herakles den Höllenhund bereits von Hades entwendet und somit seine Aufgabe selbstständig gelöst hatte Während der männliche Heros von Athena und Hermes unterstützt wird, fällt auf, dass den Heroinen nur Hermes Geleit gibt1029 Das erste Beispiel ist die Liebesgeschichte von Orpheus und Eurydike Zwar wird der Mythos erst bei Vergil und Ovid ausformuliert, er ist aber bereits in den literarischen und bildlichen Quellen des 5 Jh  v Chr greifbar1030 Eurydike war auf der Flucht vor einer Vergewaltigung durch einen Schlangenbiss zu Tode gekommen Voller Trauer folgte Orpheus ihr in den Hades und versuchte, seine Ehefrau durch sein virtuoses Leierspiel zurückzugewinnen Lori-Ann Touchette konnte bei ihrer Analyse des mythischen Stoffes zeigen, dass ihm dies nach der ursprünglichen Version des 5 Jh  v Chr gelang1031 Dagegen sei die Version, nach der Persephone Orpheus nur unter einer Bedingung gestattete, mit seiner Frau in die Welt der Lebenden zurückzukehren, auf den Text von Vergil zurückzuführen1032 In dieser jüngeren Version ist Orpheus nicht erfolgreich, weil er sich nach Eurydike umsieht und sie zurück in den Hades muss

1024 1025 1026 1027 1028 1029 1030

Felten 1975, 13–14 Sourvinou-Inwood 1996, 105, Anm 271 Allan 2018, 110, Matijević 2015, 74, Felten 1975, 14 mit Quellenbelegen Aristoph Ran 180–208 Paus 3, 18, 13 Vgl LIMC s v Hermes 553–559 Eur Alc 357, Isokr or 11, 8, Plat symp 179d, [Herakl ] Incred 21 Dazu: Scheid/Svenbro 2017, 109–117, Graf/Johnston 2013, 174 1031 Vgl Touchette 1990, 81–84 So auch: Scheid/Svenbro 2017, 113 mit älterer Literatur 1032 Verg georg 4, 453–527, Ov met 10, 1–147/11, 1–66, Hyg fab 164

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Die römische Kopie eines Reliefs, welches ursprünglich am Zwölf-Götter-Altar auf der Athener Agora angebracht war, zeigt Hermes, Eurydike und Orpheus1033 Ganz links steht Hermes, der die vor ihm gehende Eurydike am Handgelenk greift In der Mitte ist Eurydike zu sehen, die Orpheus zugewandt ist und ihre Hand auf dessen Schulter legt Auf der rechten Seite hat Orpheus sich zu seiner Frau umgedreht und schaut sie an Wenn die Szene vor dem Hintergrund der mythischen Erzählung betrachtet wird, in der es Orpheus gelang, Eurydike zurückzubringen, ist auf dem Relief die Wiedervereinigung der Eheleute zu sehen, der Hermes einerseits als Sphärenwechsler und anderseits als Brautführer beiwohnt1034 Wird das Relief dagegen im Sinne der Erzählung Vergils interpretiert, ist dargestellt, wie Hermes als Götterbote und Schützer des göttlichen Willens und Rechts in dem Moment, als Orpheus gegen die Bedingung verstößt, eingreift1035 Demnach war Hermes nur die ausführende Gewalt, welche die bereits getroffene Entscheidung der Unterweltsgötter durchsetzte Zudem bedurften weder Eurydike noch Orpheus eines Seelengeleiters, da sie beide den Weg in die Unterwelt bereits zuvor ohne Hilfe gefunden hatten In keiner der beiden Versionen fungiert Hermes als Psychopompos und kann folglich auch nicht als solcher bezeichnet werden Ein anderes Beispiel ist der Mythos um den Raub der Kore1036 Die jungfräuliche Tochter von Demeter, der Schutzgöttin des Getreides und der Ernte, wird von Hades gewaltsam entführt1037 In der Unterwelt konsumiert sie etwas, sodass sie nicht mehr problemlos auf die Erde oder auf den Olymp zurückkehren konnte Demeter wiederum zieht sich in Trauer zurück, sodass den Menschen eine Hungersnot droht Daraufhin entsendet Zeus den Götterboten Hermes zu Hades, um einen Kompromiss auszuhandeln, nach dem die Göttin einen Teil des Jahres bei ihrem Ehemann im Hades und den anderen Teil gemeinsam mit ihrer Mutter auf dem Olymp verbringen soll Um die Funktion von Hermes in diesem Mythos deutlicher herausstellen zu können, muss zwischen den zwei Teilen der Handlung unterschieden werden: dem Raub und der Rückkehr Literarisch ist die Teilnahme von Hermes bei der Entführung nicht belegt, auf zahlreichen Vasenbildern ist Hermes jedoch als Beobachter des Geschehens dargestellt, der selbst aber nie eingreift1038 Dass er in einem tatsächlich leitenden Gestus oder auch nur in einer Interaktion mit Kore befindlich ist, dafür ist kein Beispiel überliefert An1033 Vgl LIMC s v Hermes 589 (um 420 v Chr ) Dazu: Graf/Johnston 2013, 174 Siehe auch: LIMC s v Hermes 590 1034 Touchette 1990, 79 Hierzu: 2 3 3 2 Der Weg in die Ehe 1035 Maderna 2011, 47–48, Felten 1975, 57, Zanker 1965, 110–111, Speier 1932, 30–31, Otto 1929, 145 1036 Hom h 2, 16–37 Vasen: z B Metr Mus , Inv -Nr 28 57 23, ARV 1056, 95 Dazu: Lindner 1984, Zanker 1965, 104 1037 Hes theog 913–914, Hom h 2, Eur Hel 1301–1307 1038 Vgl LIMC s v Hades 82–120, LIMC s v Persephone Im homerischen „Demeterhymnos“ unterstützt Gaia auf Geheiß des Zeus Hades (Hom h 2, 8–9)

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sonsten erscheint Hermes durchaus häufiger im Kontext des Brautraubs So steht er beispielsweise Zeus bei, als dieser Europa entführt1039 Daneben wird die Beteiligung von Hermes bei der Entführung der Basile durch Echelos auf einem attischen Relief durch eine Inschrift hervorgehoben1040 An der Rückkehr allerdings ist Hermes sowohl in den literarischen als auch den bildlichen Zeugnissen häufig beteiligt1041 Hermes handelt hier als Götterbote im Auftrag des Zeus und der Götterversammlung1042 Zuvor war Iris erfolglos zu Demeter gesandt worden und alle Götter hatten sie auf Geheiß von Zeus einzeln besucht, ohne etwas zu erreichen1043 Demeter weigerte sich, auf den Olymp zurückzukehren, ehe sie nicht ihre Tochter wiedersehen würde Erst als Hermes die Vermittlung aufnimmt, kann der Konflikt gelöst werden, denn Hermes ist nicht nur ein geschickter Verhandlungsführer, sondern hat auch eine engere Beziehung zu Hades als so mancher Olympier1044 Im homerischen „Hymnos an Hermes“ ist zu lesen1045: „Du allein aber sollst der ausführende Bote in den Hades sein, | der, so wenig er selber geehrt ist, dir Ehre verleihen wird “

Hermes handelt im Sinne der von Zeus und der Götterversammlung vorgegebenen Ordnung und setzt diese um1046 Er ist folglich der Götterbote, der auch Nachrichten in die Unterwelt übermittelt, sowie die ausführende Kraft der Befehle von Zeus, und kein Seelengeleiter1047 Ob bei einer Göttin überhaupt von Seelengeleit die Rede sein kann, ist ohnehin fraglich Demnach war Hermes zum einen ein Gott, der Heroen und Heroinen in schwierigen Situationen, zu denen eine Rückkehr aus dem Hades gezählt werden kann, unterstützend und wohlwollend zur Seite stand Zum anderen erscheint Hermes als ausführendes Organ der Götterversammlung Ferner ist bei den Mythen von Herakles und Kore der Diebstahl ein bestimmendes Thema, sodass Hermes, der in den homerischen Epen und Hymnen als Meisterdieb charakterisiert wird, als der geeignetste Helfer erschien1048 Bei den Brautraubdarstellungen kommt noch Hermes Funktion als Führer der Braut zu der von Vater und Bräutigam beschlossenen Hochzeit hinzu1049 1039 Vgl LIMC s v Europa 47 Dazu: Heldmann 2016 1040 Vgl MDAI(A) 18 (1893), 212–213 (2 H 5 Jh  v Chr ), Kekule von Stradonitz 1905, 9–12, Taf II–III Dazu: Raingeard 1934, 136 1041 Hom h 2, 375–388 Dazu: Zanker 1965, 81–83 1042 Hom h 2, 3 Siehe auch: Hom h 2, 77–80 1043 Hom h 2, 314–328 1044 Hom h 2, 334–339/407–410 Dazu: Allan 2018, 41 1045 h Herm 572–573 (Übersetzung nach Bernays 2017): „οἶον δ᾽ εἰς Ἀΐδην τετελεσμένον ἄγγελον εἶναι, | ὅς τ᾽ ἄδοτός περ ἐὼν δώσει γέρας οὐκ ἐλάχιστον “ 1046 Eur frg 646a (Radt), Sch Pind O 1, 97 (Sisyphos) 1047 Zuletzt fälschlicherweise: Schenk zu Schweinsberg 2017, 289 1048 Hierzu: 2 1 4 3 Grenzen überschreiten 1049 Hierzu: 2 3 3 2 Der Weg in die Ehe

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2.4.1.1 Mythos: Ψυχοπομπός Der Beiname Ψυχοπομπός bedeutet „Seelengeleiter“ oder „Seelenführer“ und wurde in der griechischen Antike für Charon und Hermes verwendet Obgleich Belege für Hermes rar sind, wird der Gott in der Forschung immer wieder als Seelengeleiter bezeichnet1050 Dafür werden zumeist die Schlussgesänge der homerischen Epen sowie die Nekyia des Odysseus im elften Gesang der „Odyssee“ herangezogen1051 Bisher fehlt eine kritische Zusammenschau aller schriftlichen Zeugnisse zu diesem Beinamen für Hermes Im Fokus der folgenden Quellenbetrachtungen stehen die Fragen, welchen Wandel der Beiname im Laufe der Antike erfuhr und von welchen Quellenaussagen das moderne Verständnis geprägt worden ist Die Untersuchung beginnt bei den homerischen Epen, die gemeinsam behandelt werden, da nur so die intra- und intertextuellen Bezüge sichtbar werden Dabei folgen die Ausführungen der Chronologie der Epen Anschließend erfolgt eine Betrachtung weiterer Quellen der griechischen Antike, wie die Tragödien, die Historikerfragmente und die Scholia 2.4.1.1.1 „Ilias“ und „Odyssee“ Den jüngsten Beitrag zur Rekonstruktion der „Homerischen Jenseitsvorstellungen“ leistete Krešimir Matijević1052 In seiner Monographie legt er dar, dass die Vorstellung eines Seelengeleits in den homerischen Epen noch nicht greifbar, sondern frühestens in der ausklingenden Archaik entstanden sei, wo sie zuerst in den bildlichen Zeugnissen sichtbar werde Im Verlauf des folgenden Kapitels soll diese These überprüft werden, wobei die Frage im Zentrum steht, welche Rolle Hermes in Bezug auf den Tod und die Seelen spielte Die erste Szene spielt im letzten Gesang der „Ilias“1053 Priamos bricht, von einem Herold begleitet und mit vielen Geschenken beladen, zum Lager der Griechen auf, um die Leiche seines Sohnes Hektor zu erbitten1054 Zuvor hatte die Götterversammlung zugestimmt, dem Wunsch des trojanischen Königs zu entsprechen und ihm Hermes als Helfer zur Seite zu stellen1055 Der Auszug des Priamos aus der Stadt wird folgendermaßen beschrieben1056:

1050 Vgl z B Versnel 2019, 347, Allan 2018, 113–114, Vergados 2013, Budin 2013, 307, Versnel 2011, 316, Nesselrath 2010, 147, Bevilacqua 2009, 228, Johnston 2007, 15, Cremer 1991–1992, Rückert 1998, Garland 1985, 54, Vermeule 1979, 25 1051 Vgl zuletzt Clay 2019 1052 Vgl Matijević 2015, 71–79 mit älterer Literatur Siehe auch: Sourvinou-Inwood 1996, 103, Willinghöfer 1996, 2, Kurtz/Boardmann 1985, 129 1053 Clay 2019, 68–69, Matijević 2015, 73, Anm 32 mit älterer Literatur 1054 Hom Il 24, 322–333 1055 Hom Il 24, 104–119/332–338 1056 Hom Il 24, 327–328 (Übersetzung Rupé 2008): „[…] φίλοι δ᾽ ἅμα πάντες ἕποντο  | πόλλ᾽ ὀλοφυρόμενοι ὡς εἰ θάνατονδὲ κιόντα ”

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„[…] Zugleich aber gaben ihm alle | Freunde mit lautem Geheul das Geleit, als ging er zum Tode “

Der Plan des Trojaners wird mit einem königlichen Totenzug verglichen, da es unmöglich erscheint, dass Priamos lebend aus dem Lager der Griechen zurückkehrt Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist List nötig, die Hermes in hervorragender Weise beherrscht Mehrere Aspekte sprechen dagegen, dass hier ein Seelengeleit intendiert ist Das wohl auffälligste Problem ist das Fehlen von Seelen (ψυχαί), denn weder Priamos noch sein Herold sind tot Weiterhin werden die Wachen im Lager der Griechen von Hermes lediglich in den Schlaf versetzt1057 Zwar ist die enge Verwandtschaft von Hypnos und Thanatos bereits in den homerischen Hymnen präsent, aber ihre Aufgabenbereiche – Schlaf und Tod – werden nicht gleichgesetzt1058 Dies wird dadurch bestätigt, dass der Schlaf auch die Götter im Olymp erreicht1059 Hermes wird einerseits als Götterbote charakterisiert, da er Priamos die Nachricht von Zeus überbringt, andererseits ist er der Gott, der den Menschen in besonderem Maße wohlgesonnen ist1060 Weiterhin könnte die Leiche Hektors einen Hinweis auf die Notwendigkeit eines Seelengeleiters geben Es handelt sich jedoch um den Körper, der adäquat bestattet werden soll, während von der Seele Hektors zu keiner Zeit die Rede ist Entsprechend wird Hermes ausgesandt, um das Bestattungsgebot durchzusetzen Dieses Gebot ist von großer Wichtigkeit, was sich daran zeigt, dass auch in historischer Zeit die im Krieg Unterlegenen um die Bestattung ihrer Toten bitten1061 Zudem ist Hermes an der Verhandlung über die Herausgabe des Leichnams nicht beteiligt, sondern begleitet den lebenden Priamos als Gott der Wege auf seiner Route aus der Stadt hinaus und nicht den toten Hektor1062 Nachdem er Priamos geleitet hat, kehrt Hermes unmittelbar auf den Olymp zurück Damit in engem Zusammenhang steht die Leichenbergung von Sarpedon, die in mehreren Stücken der Vasenkunst thematisiert wird1063 Im homerischen Epos ist die Beteiligung des Götterboten bei der Bergung von Sarpedon nicht benannt In der „Ilias“ sendet Zeus Apollon, um die Leiche zu reinigen und für die Beerdigung vorzubereiten1064 Durch die Vasenmaler erfuhr das Schicksal von Sarpedon eine Renaissance Die meisten Abbildungen zeigen die Brüder Hypnos und Thanatos, wie sie die Lei-

1057 Hom Il 24, 433–439 Dazu: Matijević 2015, 72 Zu Hermes Ἡγήτωρ ὀνείρων (Führer der Träume): h Herm 14, Apollod FGrH 244 F 129, Apoll Rhod 4, 1732–1733, Hld 3, 5, 1 1058 Vgl z B Hom Il 14, 231/16, 682 Dazu: Willinghöfer 1996 mit Quellenbelegen 1059 Hom Il 24, 677–679 1060 Hom Il 24, 334–335 1061 Rubel 2000, 323–324 mit Quellenbelegen Hierzu: 2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen 1062 Hom Il 24, 339–349/24, 468 1063 Vgl LIMC s v Thanatos 13 (um 480 v Chr )/28 (um 450 v Chr ) Dazu: Willinghöfer 1996, 163, Anm 360 1064 Hom Il 16, 663–683

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che tragen1065 Die Figur des Thanatos ist in den homerischen Epen noch längst nicht ausgebildet und kommt nur bei der Leichenbergung des Sarpedon vor1066 In einigen Vasenbildern erscheint auch Hermes, wobei er nie in das Geschehen eingreift, indem er zum Beispiel den Weg weist, sondern nur als Beobachter auftritt1067 Wiederum soll durch die Anwesenheit von Hermes der Wille des Zeus und der Götterversammlung ausgedrückt werden, da Hermes einerseits den Heroldsstab in der linken Hand hält und andererseits die Rechte in einem Gestus der Bekanntgabe erhebt Die dritte Szene im Epos ist die Unterweltsfahrt des Odysseus im elften Gesang der „Odyssee“ Die Götterversammlung hatte entschieden, dass der Heros nach Ithaka zurückkehren könne1068 Um Kirke die Nachricht zu überbringen, sendet Zeus Hermes, der nach der Erledigung des Auftrags auf den Olymp zurückkehrt1069 Von Kirke wird Odysseus danach an die Schwelle der Unterwelt geschickt, um den verstorbenen Seher Teiresias zu befragen, wie er seine Irrfahrt beenden kann1070 Von Kirke wird ihm auch der Weg zur Unterwelt genau beschrieben und sie ist es, welche die guten Winde sendet1071 An der Grenze zum Reich von Persephone angekommen, verrichtet Odysseus die notwendigen Opfer, um mit den Seelen der Verstorbenen kommunizieren zu können, und führt mehrere Gespräche1072 Wo ist Hermes in dieser Situation? Er spielt keine Rolle, da er dem Helden weder den Weg zeigt noch ihm mitteilt, welche Opfer nötig sind Hermes wird weder benötigt, um die Reise an die Grenze des Totenreichs zu unternehmen, noch um die Seelen aus der Unterwelt zu holen oder sie zum Sprechen zu bringen Da Hermes aber als Helfer der Heroen galt, zeigen einige Vasenbilder Hermes als Beobachter der Szenerie Auf einer rotfigurigen Pelike wird das Gespräch von Odysseus mit dem verstorbenen Elpenor an der Grenze zur Unterwelt gezeigt1073 Auf der linken Seite taucht Elpenor aus der Unterwelt auf, was dadurch kenntlich gemacht wird, dass er nur bis zu den Knien zu sehen ist Die Art der Darstellung versinnbildlicht, dass Elpenor unabänderlich in die Unterwelt gehört, aber, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ordnungsgemäß bestattet wurde, zeitweise für ein Gespräch an die Oberfläche gelangen kann Vor ihm sitzt Odysseus, der das Schwert in der Hand hält, mit dem er das vor ihm liegende Opfer tötete Hermes steht – mit Flügelhut, Flügelschuhen und Chlamys bekleidet sowie dem Kerykeion in der Hand – hinter dem Helden und befindet sich damit auf der Seite der Lebenden, denn jede Figur ist einer Sphäre zugeordnet Elpenor befindet sich in der Unterwelt, Odysseus 1065 1066 1067 1068 1069 1070 1071 1072 1073

Vgl z B Brit Mus Cat Vases, D56 (ca 440 v Chr ), Louvre, Inv -Nr F 388 (500–490 v Chr ) Hom Il 16, 673 Siehe dazu: Vermeule 1979, 37 Vgl LIMC s v Thanatos 3 (ca 515 v Chr )/4 (510–500 v Chr ) Dazu: Kurtz/Boardman 1985, 129 Hom Od 5, 3–27 Dazu: Clay 2019, 69–73 Hom Od 5, 28–42/5, 148 Siehe auch: Lykophr 678–680 Hom Od 10, 488–540 Hom Od 11, 6–8 Hom Od 11, 20–36/11, 56–627 Vgl LIMC s v Hermes 631 (ca 440 v Chr ) Dazu: Peifer 1989, 131–133, Felten 1975, 53

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auf der Erde und Hermes gehört der göttlichen Sphäre an1074 Daher geleitet Hermes nicht die Seele Elpenors aus der Unterwelt, die durch das blutige Opfer angelockt wurde1075 Vielmehr steht Hermes seinem Urenkel Odysseus bei der schwierigen Aufgabe unterstützend zur Seite Das auffällige Fehlen des Gottes in der Nekyia des Polygnotos in Delphi und anderen Darstellungen von Odysseus zum Beispiel im Gespräch mit Teiresias bestätigen diese These1076 Die vierte Szene findet sich im 24 Gesang der „Odyssee“ Dieser letzte Gesang unterscheidet sich sprachlich und inhaltlich vom restlichen Epos, sodass eine spätere Datierung vorgeschlagen wurde1077 Möglicherweise gehören der homerische „Hymnos an Hermes“ und dieser Gesang der „Odyssee“ in dieselbe Zeit, da es im Hymnos erstmals heißt, dass Hermes der Bote zu Hades sei1078 Weiterhin ist auffällig, dass die Unterwelt von einem neutralen Erzähler und nicht von einem handelnden Charakter beschrieben wird1079 Der 24 Gesang setzt unvermittelt mit den folgenden Worten ein1080: „Hermes von der Kyllene holte der freienden Männer | Seelen, indem er sie rief; er trug in der Hand seinen schönen | Goldenen Stab, womit er die Augen von Menschen bezaubert; | Wo er es will, und andere wieder erweckt, wenn sie schlafen; | Setzte sie so in Bewegung: ein schwirrendes, ganzes Gefolge  | Wie wenn Fledermäuse im Eck einer göttlichen Grotte | Schwirren und flattern, so oft sich nur eine der Ketten am Felsen | Loslöst, dass sie herabfällt – hängen doch alle zusammen – | Grad so schwirrten sie drängend heran und folgten dem Führer | Hermes, dem Retter, entlang den Pfaden im dämmrigen Düster; | Gingen vorbei an Okeanos Strömung, am Felsen Leukas, | Gingen vorüber an Helios Toren, am Ort, wo die Träume | Wohnen, und kamen dann schnell an ihr Ziel, zur Asphodeloswiese  | Diese ist Raum und Behausung der Seelen, der Masken der Müden  | […] | Ihnen nahte sich jetzt der Geleiter, der Töter des Argos, | Mit den Seelen der Freier, die von Odysseus bezwungen; | Und die liefen hinzu und staunten, als sie es sahen “

1074 Peifer 1989, 132 1075 Zur Nekromantie: Ogden 2009, 179–182 1076 Paus 10, 28–31 Siehe auch: Plin nat 35, 59; Vase: Paris, Cabinet de Médailles, Inv -Nr 422 (400– 375 v Chr ) Dazu: Stansbury-O’Donnell 1990, 213–235 1077 Vgl Garland 1985, 49 1078 h Herm 572–573 Dazu: Matijević 2015, Kap 9, Sourvinou-Inwood 1996, 103 mit Literatur Zur Datierung: Vergados 2013, 130–147 1079 Sourvinou-Inwood 1996, 99 1080 Hom Od 24, 1–14/24, 99–101 (Übersetzung Hampe 2010): „Ἑρμῆς δὲ ψυχὰς Κυλλήνιος ἐξεκαλεῖτο | ἀνδρῶν μνηστήρων ἔχε δὲ ῥάβδον μετὰ χερσὶν | καλὴν χρυσείην, τῇ τ᾽ ἀνδρῶν ὄμματα θέλγει | ὧν ἐθέλει, τοὺς δ᾽ αὖτε καὶ ὑπνώοντας ἐγείρει   | τῇ ῥ᾽ ἄγε κινήσας, ταὶ δὲ τρίζουσαι ἕποντο   | ὡς δ᾽ ὅτε νυκτερίδες μυχῷ ἄντρου θεσπεσίοιο | τρίζουσαι ποτέονται, ἐπεί κέ τις ἀποπέσῃσιν | ὁρμαθοῦ ἐκ πέτρης, ἀνά τ᾽ ἀλλήλῃσιν ἔχονται, | ὣς αἱ τετριγυῖαι ἅμ᾽ ἤισαν ἦρχε δ᾽ ἄρα σφιν | Ἑρμείας ἀκάκητα κατ᾽ εὐρώεντα κέλευθα   | πὰρ δ᾽ ἴσαν Ὠκεανοῦ τε ῥοὰς καὶ Λευκάδα πέτρην,  | ἠδὲ παρ᾽ Ἠελίοιο πύλας καὶ δῆμον ὀνείρων | ἤισαν αἶψα δ᾽ ἵκοντο κατ᾽ ἀσφοδελὸν λειμῶνα, | ἔνθα τε ναίουσι ψυχαί, εἴδωλα καμόντων   | […]  | ἀγχίμολον δέ σφ᾽ ἦλθε διάκτορος ἀργειφόντης,  | ψυχὰς μνηστήρων κατάγων Ὀδυσῆϊ δαμέντων, | τὼ δ᾽ ἄρα θαμβήσαντ᾽ ἰθὺς κίον, ὡς ἐσιδέσθην “

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Nachdem die Freier, die das Haus und die Familie des Odysseus bedroht hatten, mit göttlicher Hilfe getötet wurden, fliehen Odysseus und Telemachos aus der Stadt Hermes erscheint, um die Seelen der gewaltsam Getöteten zu der Asphodeloswiese zu bringen1081 Als Beiname ist Κυλλήνιος1082 (der von dem Berg Kyllene) und nicht Ψυχοπομπός (der Seelengeleiter) gewählt worden1083 Das erstgenannte Epitheton war eines der häufigsten, welches besonders in literarischen Texten und solchen mit mythischen Inhalten verwendet wurde Darüber hinaus wird der Gott mit den Beinamen Ἀκάκητα1084 (der Erretter/Helfer), Διάκτορος1085 (der Geleitsmann) und Ἀργειφόντης1086 (der Argostöter) angesprochen, von denen ebenfalls keiner eine Verbindung zum Seelengeleit hat Zwar meint Διάκτορος Geleitsmann, damit war aber kein besonderes Seelengeleit gemeint, sondern die Begleitung von Heroen und Menschen auf der Erde wurde so bezeichnet Ἀργειφόντης ist in der literarischen Überlieferung ein häufiger Beiname, der an eine Heldentat des Gottes erinnert Beide kommen oft gemeinsam vor1087 Die Seelen – Eidola oder die Psychai – gehen im Rahmen der homerischen Jenseitsvorstellung selbstständig in den Hades oder sie werden von den Keres, weiblichen Totengöttinnen, fortgeschleppt1088 Da die Freier noch nicht verbrannt und bestattet wurden, verharren sie in einem uneindeutigen Stadium und ihre Seelen können nicht endgültig die Grenze zum Hades überschreiten, sodass für die Lebenden noch keine Sicherheit vor den Toten gewährt ist1089 Dafür spricht das vollständige Fehlen eines Publikums In anderen Situationen, in denen die Götter in das Geschehen eingreifen, werden zumindest die Umstehenden oder Betroffenen genannt oder das göttliche Wirken wird durch Nebel verhüllt1090 In den Anfangsversen des 24 Gesangs der 1081 Zu „Okeanos Strömung“: Baleriaux 2016, 103–121, bes 110–117 1082 Raoul Baladié erklärte dies damit, dass der Beiname Κυλλήνιος eine enge Verbindung zu der Unterwelt habe, da der Fluss Styx in einigen Überlieferungen als ein arkadischer Fluss galt, der in der Nähe des Berges entlang geflossen sein soll (Baladié 1980, 17–24) Für diese Annahme gibt es keinen Beleg in den antiken Quellen 1083 Heinz-Günther Nesselrath verdanke ich den Hinweis, das metrische Überlegungen bei der Wortwahl eine wichtige Rolle gespielt haben dürften 1084 Hes frg 137 (West), Hom Il 16, 185 1085 Hierzu: 2 3 2 Straßen 1086 Hes erg 77, Hom Il 16, 181/24, 345, Hom Od 1, 38/5, 148/24, 99, h Herm 73/84/294/387/414, Hom h 2, 346/2, 377/5, 129, Hom h 18, 1 Dazu: Burkert 1983, Carpenter 1950 1087 Hes erg 68/77, Hom Il 2, 103/21, 497/24, 339/24, 378/24, 389/24, 432/24, 445, Hom Od 1, 84/5, 43/5, 75/5, 94/5, 145/8, 338/24, 99, h Herm 387–392, Hom h 5, 213 Dazu: Schenk zu Schweinsberg 2017, 139, Chittenden 1947a Zur mittelalterlichen Rezeption der Argos-Tötung: Siebert 2000, 441–449 1088 Zum selbstständigen Übergang: Hom Il 7, 328–330/16, 855–857/22, 361–363, Hom Od 6, 11/10, 559–560; Κῆρες: Hom Il 2, 302, Hom Od 14, 207–210 Dazu: Cheyns 1985, 15–73, Garland 1981, 44–45, Rohde 1925 Vasen: Bardel 2000, Peifer 1989 1089 Matijević 2015, 72, Krauskopf 2013, 73, Johnston 2007, 14/83, Sourvinou-Inwood 1996, 103/304 1090 Hom Il 15, 243–262/15, 306–310 (Apollon zeigt sich Hektor), Hom Od 10, 573–574 (göttliche Streitwagen)

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„Odyssee“ sind jedoch nur die Seelen und Hermes beschrieben Nur weil der „normale“ Übergang in den Hades nicht gelingen kann, greift Hermes ein1091 Die Wortwahl des Dichters bestätigt dies: Um Hermes Tätigkeit zu beschreiben, heißt es nicht πέμπειν (geleiten, führen), wie zum Beispiel als er Herakles führt, sondern ἐκκαλεῖν (herausrufen) Mit einem goldenen Stab in der Hand ruft er die Seelen heraus und führt sie zur Asphodeloswiese1092 Demnach ist der Stab eine nähere Beschreibung seines göttlichen Wesens1093 Hermes wurde bereits im 2 Viertel des 7 Jh  v Chr mit einem Stab dargestellt, der im Laufe der Zeit die charakteristische Form des Kerykeions annahm1094 Der Begriff Kerykeion für den Hermesstab taucht aber erst bei Pausanias auf1095 Dieser Stab, so das Epos weiter, ist in der Lage, Menschen zum Schlafen und Erwachen zu bringen Wie oben erwähnt, ist die vermeintliche Gleichheit von Schlaf und Tod ein Irrtum, da „θέλγω ὄμματα“1096 eine idiomatische Wendung für „einschläfern“ ist Weiterhin handelt es sich nicht um einen Zauberstab, sondern um ein Attribut des Gottes1097 Wortgleich werden der Stab und seine Wirkung an früherer Stelle in der „Odyssee“ mit ein und demselben Wort, nämlich ῥάβδος, beschrieben, wenn Hermes zu Kirke aufbricht, um ihr die Botschaft zu überbringen1098 Außerdem findet sich dieselbe Beschreibung beim Aufbruch des Hermes zu Priamos am Ende der „Ilias“1099 Werden ferner weitere Belegstellen für ῥάβδος1100 in den homerischen Epen untersucht, wird ersichtlich, dass der Begriff in seiner Bedeutung vielschichtig ist In der „Ilias“ kommt das Wort nur zweimal vor: Zum einen wird es im Plural zur Bezeichnung von Drähten, die zur Herstellung des Schildes von Sarpedon genutzt wurden, und zum anderen für den Stab des Hermes, verwendet1101 In der „Odyssee“ ist die Bedeutung des Begriffs bereits weiter ausdifferenziert1102: Viermal wird das Wort im zehnten Gesang in Verbindung mit Kirke gebraucht, wobei hier nicht ihre Funktion als Zauberin im Zentrum steht, sondern ihre Fähigkeit, Schweine zu treiben Der Stab, oder besser die 1091 1092 1093 1094 1095 1096 1097 1098 1099 1100 1101 1102

Bremmer 1983, 15 Pisano 2014, 113–118, Sourvinou-Inwood 1996, 105–106, Waele 1927, 224 Vergados 2013, 559 Chittenden 1947, Tafel XXa, Waele 1927, 48–50 Paus 5, 27, 8 Kerykeion als Heroldstab: Hdt 9, 100, 1, Thuk 1, 53, 1, Soph frg 784 (Radt), Aristoph frg 518 (Kock), Xen an 5, 7, 30, Timaeus FGrH 566 F 59, Sch Demosth or 18, Pol 4, 52, 4/24, 12, 1 Erfindung des Stabes durch Hermes: P Oxy 34, 2688, 14–20/2689, frg 2, 18–22 Jaillard 2007a, 208–209, Kahn 1978, 136–142/193 Arlene Allan schlägt eine Übersetzung mit „nicht mehr deutlich sehen können“ vor (Allen 2018, 94) Vgl z B Kahn 1978, 13/111–112 Dazu: Jena, Universität, Inv -Nr V 225 (ca 460 v Chr , Hermes mit Kerykeion und Zauberstab) Hom Od 5, 47–48 Hom Il 24, 343–344 (Übersetzung Hampe 2010): „εἵλετο δὲ ῥάβδον, τῇ τ᾽ ἀνδρῶν ὄμματα θέλγει, | ὧν ἐθέλει, τοὺς δ᾽ αὖτε καὶ ὑπνώοντας ἐγείρει “ Beispiele außerhalb der homerischen Epen: Vergados 2013, 393 mit Quellenbelegen Hom Il 12, 297/24, 343 Hom Od 5, 47/10, 238/10, 293/10, 319/10, 389/12, 251/13, 429/16, 172/16, 456/24, 2

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Gerte, dient immer dem Schlagen der Tiere1103 An einer weiteren Stelle bezeichnet er eine Fischerrute1104 Nur in Verbindung mit der Göttin Athena könnte man ῥάβδος als Zauberstab übersetzen1105, da sie auch wirklich mit seiner Hilfe einen Zauber bewirkt: „Sprach’s, und mit goldenem Stab berührte ihn Pallas Athene,  | Legte ihm einen Leibrock und gut gewaschenen Mantel | Um seine Brust und machte zugleich ihn größer und jünger “1106

Der Unterschied zwischen dem Stab des Hermes und einem Zauberstab ist deutlich erkennbar: Ein Zauberstab muss das Objekt berühren, um zu wirken Dagegen trägt Hermes das Kerykeion lediglich bei sich und berührt keine der Seelen Die Verwendungsweise erinnert viel mehr an die eines Heroldstabes oder königlichen Zepters (σκῆπτρον): Es ist Symbol seiner Macht und seiner Aufgaben im Kosmos der olympischen Götter1107 Dies wird umso deutlicher, da Hermes immer dann, wenn er den Willen von Zeus ausführt, mit Kerykeion beschrieben ist1108 Der Stab war zum Zeichen des Götterboten, wie der Beiname Χρυσόρραπις (der mit dem goldenen Stab) zeigt, und zum Symbol der Rechtmäßigkeit von Hermes Handlungen im Namen des Zeus geworden1109 Weil den Epen keine ausdifferenzierte oder einheitliche Vorstellung von einem Seelengeleiter zugrunde liegt, verwundert es auch nicht, dass die Seelen der Freier den Gott nicht erwarten, sondern Hermes sie im Gegenteil sogar erst herausrufen muss1110 Wie die anderen Erwähnungen von Hermes in den homerischen Epen zeigen, ist der Gott nicht nur viel deutlicher in der Welt der Lebenden zu verorten1111, sondern auch sein Fehlen bei den zahlreichen Todesszenen ist auffällig Durch das unerwartete Auftauchen des Gottes und den gewaltsamen, unfreiwilligen Übergang lässt sich das panische Verhalten der Seelen erklären, deren einziger Bezugspunkt in dem Chaos der Gott ist Deswegen reagieren die anderen Seelen in der Unterwelt bei ihrer Ankunft überrascht: Dass Hermes die Seelen Verstorbener in die Unterwelt geleitet, haben sie noch nie erlebt1112 Entsprechend wird kein gewöhnlicher Übergang in das Totenreich

1103 1104 1105 1106 1107 1108 1109 1110 1111

1112

Hom Od 10, 238/10, 293/10, 319/10, 389 Hom Od 12, 251 Hom Od 13, 429/16, 172/16, 456 Hom Od 16, 172–174 (Übersetzung Hampe 2010): „ἦ καὶ χρυσείῃ ῥάβδῳ ἐπεμάσσατ᾽ Ἀθήνη   | φᾶρος μέν οἱ πρῶτον ἐϋπλυνὲς ἠδὲ χιτῶνα | θῆκ᾽ ἀμφὶ στήθεσσι, δέμας δ᾽ ὤφελλε καὶ ἥβην “ Vgl Pisano 2014 Hom Il 24, 333–345, Hom Od 5, 43–49 Vgl LIMC s v Hermes 380–381 Dazu: Vergados 2013, 558 Willinghöfer 1996, 62, Vermeule 1979, 35 Hom Il 5, 390 (Befreiung des Ares)/16, 181–186 (Sex mit einer Sterblichen)/21, 497–501 (Götterschlacht)/24, 327–328 (Geleit des Priamos), Hom Od 5, 55–148 (Hermes bei Kalypso)/8, 296– 343 (Ehebruch Aphrodite und Ares)/10, 275–309 (Übergabe des Molykrauts an Odysseus)/24, 1–14 und 99–101 (Freier des Odysseus) Dazu: Clay 2019 Hom Od 24, 99–101

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geschildert, bei dem die Seelen selbstständig in den Hades gehen, sondern ein besonderer Fall, bei dem Hermes stellvertretend für die Götterversammlung auftritt Warum aber greift Hermes ein? Hermes steht Odysseus während seiner Irrfahrt bei, nicht nur, weil er sein Urenkel, sondern auch, weil Hermes ein wohlwollender und hilfreicher Gott ist, der in verschiedenen Situationen führt und assistiert1113 Diese Hilfe gewährt er Odysseus am Ende seiner Reise, weshalb er, um weitere Kämpfe zu verhindern, die Seelen der Toten überführt Dies geschieht aber keineswegs, um die Seelen der Freier zu erlösen, sondern um die Lebenden zu beschützen Das Ende der „Odyssee“ ist eine Aporiesituation: Nach dem gewaltsamen Tod der Freier müsste von den Verwandten der Getöteten Vergeltung gefordert werden1114 Odysseus und Telemachos müssten für ihr falsches Verhalten aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, weshalb Vater und Sohn bereits aus der Stadt geflohen sind1115 Um dem Konflikt ein Ende zu bereiten, greifen die Götter als Vermittler ein, wobei den einzelnen Göttern verschiedene Aufgaben zukommen Während Athena die Streitenden auf der Erde trennt1116, bringt Hermes die unruhigen Seelen in die Unterwelt, damit von ihnen keine Bedrohung mehr ausgeht Zwar fehlt die übliche Formel „Zeus entsendet Hermes“, trotzdem ist diese Situation parallel zu den anderen Einsätzen des Götterboten im Rest der Epen gestaltet Entsprechend greift Hermes nur ein, weil der eigentlich vorgesehene Übergang in den Hades scheitert Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den Epen Homers der Beiname Ψυχοπομπός für den Gott Hermes nicht verwendet wird Außerdem hat sich gezeigt, dass auch das Konzept der göttlichen Hilfe beim Übergang zwischen Leben und Tod noch nicht ausgereift war Demnach tritt Hermes nicht als Seelengeleiter, sondern als Helfer in einer Notsituation und als Geleiter von in Notgeratenen auf, was seiner sonstigen Charakterisierung in den Epen entspricht Dementsprechend kann auch für die Kultpraxis der Archaik kein Bezug zum Seelengeleiter abgeleitet werden 2.4.1.1.2 Nachhomerische Zeugnisse Die wenigen anderen archaischen Quellen, wie die Werke Hesiods oder die homerischen Hymnen, erwähnen ebenso keinen Hermes Ψυχοπομπός1117 Wiederum erscheint Hermes lediglich als Bote, der in den Hades entsandt wird1118 Somit ist weder der Beiname noch diese Funktion für Hermes vor dem 5 Jh  v Chr in den Quellen zu belegen

1113 1114 1115 1116 1117 1118

Clay 2019, 86–69 Krauskopf 2013, 73 Hom Od 23, 366–372 Hom Od 24, 528–548 Johnston 2007, 142, Sourvinou-Inwood 1996, 304 Garland 1985, 54

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Die früheste Nennung des Begriffs Ψυχοπομπός findet sich in der Tragödie „Alkestis“ (438  v Chr ) des Euripides1119 Das Stück behandelt das Schicksal von Admetos, dem König von Pherai, der dem Tod entkommen möchte Daher sucht er jemanden, der bereit ist, an seiner Stelle mit Thanatos zu gehen Weder seine Eltern noch seine Freunde und politischen Wegbegleiter erklären sich dazu bereit, nur seine Frau Alkestis erweist ihm diesen Dienst In seinen Abschiedsworten an seine Frau heißt es1120: „Besäße ich des Orpheus Stimme und Gesang, | dass ich Demeters Tochter oder ihren Gatten | bezauberte mit Liedern, dich herauf vom Hades | zu holen – nieder stiege ich, nicht Plutons Hund | noch Charon, der am Ruder fährt die Seelen, könnten | mich hemmen, eh’ ich lebend dich ans Licht gebracht!“

Admetos versichert, dass er, wenn er könnte, seine Frau aus der Unterwelt zurückholen würde, wie es vor ihm Orpheus und Herakles gelungen sei Dabei erwähnt er Charon, dessen Aufgabe mit dem Beinamen Ψυχοπομπός näher bestimmt wird1121 Entsprechend ist der Fährmann die erste mythische Person, die eine Seele in die Unterwelt geleitet, und nicht Hermes Dies spiegelt sich auch in den Vasendarstellungen wider, in denen Charon ab dem 5 Jh  v Chr an Übergängen in das Totenreich beteiligt ist1122 Zwar wird er in keinem Beispiel mit einer Inschrift eindeutig gekennzeichnet, aber seine Ikonographie ist sehr charakteristisch: Er ist stets als älterer Mann mit einem Boot dargestellt Dagegen erscheint Hermes erst ab dem 3 Jh   v Chr in Darstellungen des mythischen Stoffs von Alkestis als Teil der Szenerie, wie beispielsweise auf einer Säulentrommel des jüngeren Artemisions von Ephesos1123 Demnach ist die Idee des regelmäßigen Seelengeleits von Anfang an exklusiv mit Charon verknüpft Dieser übernahm nicht die Rolle von Hermes, sondern mit seinem Auftauchen entstand der Aufgabenbereich erst Zunächst scheint das Konzept ausschließlich auf den mythischen Bereich beschränkt gewesen zu sein, denn ein Kult für Charon konnte nicht nachgewiesen werden Im weiteren Verlauf der Handlung der Tragödie überschreitet Alkestis tatsächlich die Schwelle zur Unterwelt, bevor sie von Herakles gerettet werden kann1124 Die mythischen Personen, die mit dem Übergang in das Totenreich verbunden werden, sind Thanatos, der personifizierte Tod, Charon, der Fährmann, und Herakles, der Thanatos besiegt Hermes findet in dieser Schwellensituation keine Erwähnung

1119 Vgl LIMC s v Hermes 586 (540–520 v Chr )/591 (ca 340 v Chr ) 1120 Eur Alc 357–362 (Übersetzung Ebener 2010): „εἰ δ᾽ Ὀρφέως μοι γλῶσσα καὶ μέλος παρῆν, | ὥστ᾽ ἢ κόρην Δήμητρος ἢ κείνης πόσιν | ὕμνοισι κηλήσαντά σ᾽ ἐξ Ἅιδου λαβεῖν, | κατῆλθον ἄν, καί μ᾽ οὔθ᾽ ὁ Πλούτωνος κύων | οὔθ᾽ οὑπὶ κώπῃ ψυχοπομπὸς ἂν Χάρων | ἔσχον, πρὶν ἐς φῶς σὸν καταστῆσαι βίον “ 1121 Zu weiteren Beinamen des Charon: Waser 1898, 26–27 1122 Vgl Willinghöfer 1996, 2, Kurtz/Boardmann 1985, 129, Hoffmann 1984, 65–69, Felten 1975, 86 1123 Willinghöfer 1996, 102 mit Literatur, Karusu 1961, 100 1124 Eur Alc 1136–1150

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Weiterhin werden Seelengeleiter im Plural von Empedokles erwähnt, wenn er ägyptische Gottheiten und Rituale beschreibt, wobei Hermes nicht als Teil dieser Gruppe genannt wird1125 Entsprechend scheint die Vorstellung des Seelengeleits als eine ägyptische Tradition wahrgenommen worden zu sein, die ihren Weg in die griechischen Jenseitsvorstellungen fand Dies wird auch durch einen Auszug aus der fragmentarisch überlieferten „Geschichte Ägyptens“ von Hekataios von Abdera (4 /3 Jh  v Chr ) bestätigt, die bei Diodor überliefert ist1126: „In Ägypten nämlich sei es Brauch gewesen, dass Hermes, der Seelengeleiter, die Leiche des Apisstieres hinführte bis zu einem, der die Maske des Kerberos trug Nachdem Orpheus aber dies bei den Griechen zur religiösen Vorstellung gemacht hatte, konnte ein Homer dichten: »Hermes von der Kyllene holte der freienden Männer | Seelen, indem er sie rief; er trug in der Hand seinen schönen | Goldenen Stab« “

Laut Hekataios ist die Vorstellung der Seelengeleiter von den Ägyptern übernommen und von Orpheus zu den Griechen gebracht worden, woraufhin Homer den letzten Gesang der „Odyssee“ dichtete Zur Bekräftigung dieser Aussage schließt der Autor ein direktes Zitat aus dem Epos an Erstmals wird in diesem Text der Beiname Ψυχοπομπός für Hermes verwendet, wobei er mit der Einschränkung versehen ist, dass er auf ägyptischen Traditionen basiert Bei der Beschreibung ägyptischer Rituale durch klassische Autoren ist Vorsicht geboten, da diese meist als Gegenbild zu den griechischen stilisiert werden1127 Entsprechend wird die Idee eines Seelengeleiters als fremd charakterisiert und mit Hermes verbunden, der mit dem ägyptischen Gott Thot identifiziert wurde1128 Es handelt sich um eine nachträgliche Erklärung scheinbar besonders alter Rituale für eine griechische Leserschaft Somit findet eine Vermischung verschiedener im Umlauf befindlicher religiöser Vorstellungen, Stereotypen und Zuschreibungen statt1129 Dies wird gerade an der Aufgabenteilung zwischen Hermes und „dem, der die Maske des Kerberos“ trägt, deutlich: Hermes führe den Körper (σῶμα) bis zu einem Wächter in der Unterwelt Die Vorstellung einer Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Schwellenfiguren ist auch bei Charon und Hermes greifbar: Hermes geleitet die Verstorbenen aus der Welt der Lebenden zu der Grenze der Unterwelt, an welcher der Fährmann sie erwartet1130 Dessen ungeachtet war Hekataios der Erste, der 1125 Emp frg 120 (Nauck) 1126 Hekat FGrH 264 F 25, 96, 6: „τὸν μὲν γὰρ ψυχοπομπὸν Ἑρμῆν κατὰ τὸ παλαιὸν νόμιμον παρ᾽ Αἰγυπτίοις ἀναγαγόντα τὸ τοῦ Ἄπιδος σῶμα μέχρι τινὸς παραδιδόναι τῷ περικειμένῳ τὴν τοῦ Κερβέρου προτομήν τοῦ δ᾽ Ὀρφέως τοῦτο καταδείξαντος παρὰ τοῖς Ἕλλησι τὸν Ὅμηρον ἀκολούθως τούτῳ θεῖναι κατὰ τὴν ποίησιν | »Ἑρμῆς δὲ ψυχὰς Κυλλήνιος ἐξεκαλεῖτο | ἀνδρῶν μνηστήρων, ἔχε δὲ ῥάβδον μετὰ χερσίν« “ Das Zitat bei Hekataios weicht im letzten Vers vom homerischen Text ab, in dem es heißt: „ἀνδρῶν μνηστήρων, ἔχε δὲ ῥάβδον μετὰ χερσί καλὴν χρυσείην“ 1127 Parker 2017, 38, Isaac 2004, 352–370, Schlesier 2000, 131, Waser 1898, 13 („Aigyptomanie“) 1128 Vgl Aufrère 2007 1129 Vgl Fritze 2016 1130 Hierzu: 2 4 2 1 Mythische Wege ins Jenseits

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den Beinamen Ψυχοπομπός für Hermes gebrauchte, wobei er diesen mit ägyptischen Bräuchen in Zusammenhang brachte1131 Demnach muss noch einmal hervorgehoben werden, dass es sich nicht um eine archaische Vorstellung handelt, sondern um einen mindestens von den zwei genannten Autoren unterstellten Kulturtransfer, welcher sich im Laufe der Zeit zu einem Topos wandelte Eine tatsächliche Kultpraxis sowohl für die griechische als auch für die ägyptische Religion lässt sich daraus nicht ableiten Daher hält Erika Simon fest, dass die „heute oft gebrauchte Bezeichnung Psychopompos, »Seelengeleiter«, […] nur literarisch und für Hermes überdies erst in der Literatur der römischen Zeit gebraucht“1132 wurde Daher hatte diese nur in der literarischen und bildlichen Überlieferung vorkommende Bezeichnung keinen Einfluss auf den Hermeskult, wie sich auch an dem auffälligen Fehlen inschriftlicher Belege zeigt1133 Das bisher Gesagte kann durch die Aussagen der Scholienliteratur zu den homerischen Epen und den Oden Pindars unterstrichen werden Der Begriff Ψυχοπομπός wird in den Scholia ausschließlich mit direktem Bezug zu den ersten Versen des letzten Gesangs der „Odyssee“ benutzt1134 Die im 4 /3 Jh  v Chr beginnende Erweiterung des Repertoires der literarischen Hermesgestalt zu einem Seelengeleiter war zum Abfassungszeitraum der Scholienliteratur bereits abgeschlossen Daher werden auch die Beinamen Ψυχοπομπός und Χθόνιος in dieser gleichgesetzt Anhand der Scholia wird ebenfalls deutlich, dass es sich um eine ausschließlich literarische Auseinandersetzung mit Homer handelte, die nicht losgelöst von dem Text der „Odyssee“ existierte, wie das aus christlicher Zeit stammende Scholion zu der achten olympischen Ode Pindars zeigt1135 Die Ode wurde für Alkimedon aus Aigina, dem Sieger im Ringkampf der Knaben, verfasst1136 Als Gott des Gymnasions war Hermes für die männliche Jugend verantwortlich1137 Die frohe Botschaft wird jedoch nicht von Hermes selbst, sondern von seiner nirgendwo sonst belegten Tochter Angelia überbracht1138 Daraufhin wird im Scholientext besonders hervorgehoben, dass Hermes Ἄγγελος1139 (der Bote) und Διάκτορος1140 (der Geleitsmann) sei Anschließend werden weitere Eigenschaften von Hermes aufgezählt, wie etwa, dass er der Bote der Götter sowohl im Himmel als auch 1131 1132 1133 1134 1135

1136 1137 1138 1139 1140

Vgl Aufrére 2007 mit Literatur, Fowden 1986 Simon 1985, 302 Spätere Quellen: Corn Theol Graec 16, 7, Plut am 758b, Artem 2, 37 Mili 2015, 274 Sch Hom Od 24, 1–2, Ariston Hom Od 24, 1–2, Porph Hom Od 24, 1–3, Sch Pind O 8, 106 g Sch Pind O 8, 106  g: „ὅτι δὲ ὁ Ἑρμῆς καὶ ἐπουράνιος καὶ ἐπίγειος καὶ ὑποχθόνιος δηλονότι καὶ κῆρυξ θεῶν ἐν οὐρανῷ καὶ ἐν γῇ· καὶ ὅτι ὑποχθόνιος, μαρτυρεῖ Ὅμηρος· Ἑρμῆς δὲ ψυχάς Κυλλήνιος ἐξεκαλεῖτο Ἀγγελία δὲ ὄνομα κύριον τῆς θυγατρὸς Ἑρμοῦ “ Die verwendeten Begriffe zur Beschreibung des Götterboten legen eine sehr späte, christliche Datierung des Textes nahe Gerade die Beschreibung der göttlichen Sphäre bedient sich der Begriffe, die erst im Neuen Testament häufiger Verwendung finden Pind O 8 Hierzu: 2 5 2 3 Sieger Jaillard 2007a, 192, RE s v Angelia, 2188 Sch Pind O 8, 106b/g/i Sch Pind O 8, 106b

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auf der Erde sei, was mit dem bekannten Homerzitat verbunden wird Der Scholiast erwähnt dabei zwar den Beinamen Ψυχοπομπός, bezieht diesen aber auf die Fähigkeit von Hermes, sich zwischen den Sphären bewegen und Nachrichten übermitteln zu können und nicht auf das Seelengeleit 2.4.1.2 Kult: Χθόνιος Im Gegensatz dazu stand der Beiname Χθόνιος, der in den literarischen und epigraphischen Zeugnissen seit dem 5 Jh  v Chr regelmäßig belegt ist Da dieser in Grab- und Weihinschriften, auf Fluchtafeln und im Rahmen von Festen gebraucht wurde, hatte er hohe kultische Relevanz Für einen allgemeinen Überblick zu den sogenannten chthonischen Gottheiten kann auf die zahlreichen Vorarbeiten verwiesen werden1141 So hielt Christoph Auffarth fest, dass die Unterscheidung zwischen olympischen und chthonischen Göttern im Sinne der Forschung des 19 Jh für die Antike unbrauchbar sei1142 Weder die wenigen Belegstellen in den Tragödien noch die Texte Platons vermögen eine kanonische Teilung der Bereiche oder einen Einfluss auf die Kultpraxis zu belegen1143 In der Vergangenheit wurden die Beinamen Χθόνιος und Ψυχοπομπός in der Forschung wiederholt als Synonyme verwendet1144 Eine solche Vorgehensweise deckt sich nicht mit den Aussagen in den antiken Quellen, weshalb weder in Bezug auf den Mythos noch den Kult von einer Bedeutungsgleichheit gesprochen werden darf Das Epitheton Χθόνιος war für Hermes mehrdeutig Zum einen wurde Hermes mit diesem als ein Gott der Unterwelt angesprochen1145 So agierte er als Bote, der in den Hades entsandt wurde, um dem Herrscher der Unterwelt Nachrichten zu überbringen Zum anderen impliziert der Beiname eine Verknüpfung mit der lebensfördernden und -erhaltenden Erde1146 Die Beziehung zur Erde betraf aber nicht nur deren Fruchtbarkeit, sondern auch deren Symbolkraft als Heimat (πατρίς), womit ein Ort gemeint ist, zu dem man sich zugehörig fühlt Beide Bedeutungsebenen sind nicht immer klar voneinander zu trennen und können durchaus gleichrangig nebeneinander stehen Um zu verdeutlichen, welche Facette des Gottes gemeint war, riefen die Adoranten entweder gleichzeitig andere Götter an, über deren Zugehörigkeit Klarheit herrschte, oder der Kontext war entscheidend Wurde Hermes beispielsweise gemeinsam mit den Erinyen 1141 Vgl Hägg/Alroth 2005 mit älterer Literatur, Ekroth 2002, Scullion 1994 1142 Auffarth 2005, 11 1143 Vgl z B Aischyl Ag 89–90, Aischyl Suppl 24–25, Soph Ant 1070–1073, Eur frg 912, 6–8 (Radt), Isokr or 5, 117, Plat leg 717a6–7, PMG 1018, 3, Artem 2, 34, Porph De antr nymph 6 Dazu: Henrichs 2005, 47, Ekroth 2002, 17, Boehringer 2001, 38–39, Henrichs 1991, 162 1144 Vgl z B Allan 2018, 114–118, Sourvinou-Inwood 1996, 314, Simon 1985, 302 1145 Schlesier 1991–1992, 38–51 1146 h Herm 423–433

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verehrt, stand seine Verbindung zur Unterwelt im Zentrum1147, während eine gemeinsame Nennung mit Gaia seine Fürsorge für die Fruchtbarkeit des Landes betonte 2.4.1.2.1 „der Unterwelt zugehörig“ Hermes hielt sich nach Aussage der schriftlichen und bildlichen Zeugnisse im Gegensatz zu den anderen Olympiern auch in der Unterwelt auf Dort übernahm er spezifische Aufgaben, wie die Tragödie „Die Perser“ (472 v Chr ) von Aischylos zeigt1148 Die Tragödie ist am Hof des persischen Großkönigs angesiedelt, sodass die Aussagen nur bedingt eine griechische Kultrealität widerspiegeln Vielmehr spielt der Autor mit Stereotypen von „Barbaren“1149 Nachdem die persische Königin Atossa vom Tod ihres Sohnes Xerxes erfahren hat, wendet sich der Chor an sie1150: „Frau Königin, Hoheit des Perserlands, | Sende du nun den Guß in der Erde Gemach, | Indes wir in frommen Gesängen erflehn | Ein gnädig Geleit | Von den Führern der Toten im Hades! | Der Unterwelt Götter, ihr heiligen, hört: | Du, Erde, du, Hermes, du, Totenfürst, | O sendet von drunten die Seele zum Licht! | Wenn fürs Unheil er noch Heilung weiß, | Tut er nur das Ende des Leids kund!“

Der Chor fordert die Königin auf, eine Kulthandlung für die Unterweltsgötter (Χθόνιοι Δαίμονες) durchzuführen, um die Seele von Dareios für eine begrenzte Zeit aus dem Totenreich zu rufen und bezüglich der ungewissen Zukunft des Perserreiches zu befragen1151 Dies erinnert an die Nekyia des Odysseus, die oben besprochen wurde Damit das Anliegen gelingt, erhalten die in der Mehrzahl angesprochenen Götter eine Trankspende, die von Gesängen begleitet wird Zu der Gruppe gehören Gaia, Hermes und Hades, wobei jeder Gottheit eine eigene Aufgabe obliegt Während der Unterweltsgott die Erlaubnis erteilt, dass die Seele den Hades verlassen kann, garantiert Gaia die ungehinderte Durchreise1152 Hermes, der auch in der Aufzählung zwischen den beiden steht, fungiert als Vermittler zwischen der Unterwelt und der Erde Eine vergleichbare Situation ist in der fragmentarisch erhaltenen Tragödie „Psychagogoi“ desselben Autors geschildert1153 Aussagekräftig ist die sogenannte Beschwörungsszene, die ebenfalls an der Nekyia des Odysseus orientiert ist1154 Wiederum richtet sich das Gebet an mehrere Götter: einerseits an die personifizierte Erde und 1147 1148 1149 1150

1151 1152 1153 1154

Zu Erinyen: Johnston 2007, 250–262 Vgl Siebert 2005, 266–268 Siehe auch: Allan 2018, 114 Johnston 2007, 118 Aischyl Pers 623–632 (Übersetzung Werner 2011): „βασίλεια γύναι, πρέσβος Πέρσαις, | σύ τε πέμπε χοὰς θαλάμους ὑπὸ γῆς,  | ἡμεῖς θ᾽ ὕμνοις αἰτησόμεθα  | φθιμένων πομποὺς  | εὔφρονας εἶναι κατὰ γαίας  | ἀλλά, χθόνιοι δαίμονες ἁγνοί, | Γῆ τε καὶ Ἑρμῆ, βασιλεῦ τ᾽ ἐνέρων, | πέμψατ᾽ ἔνερθεν ψυχὴν ἐς φῶς· | εἰ γάρ τι κακῶν ἄκος οἶδε πλέον, | μόνος ἂν θνητῶν πέρας εἴποι “ Vgl Rose 1950, Eitrem 1928 Aischyl Pers 649–651 Siehe auch: Aisop 102 (Perry) Aischyl frg 273 a 8 (Radt) Dazu: Henrichs 1991, 188 Hom Od 10, 488–540 Dazu: Henrichs 1991, 187 Zu Totenorakeln: Ogden 2009/2008/2001

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Hermes Χθόνιος, anderseits an Zeus Chthonios1155 Während Letzterer die Erlaubnis erteilen soll, eine Seele zur Befragung aus der Unterwelt hervortreten zu lassen, sind Hermes und die Erdgöttin nur ausführende Organe In beiden Fällen wird eine Seele aus dem Hades herausgesandt, um von den Lebenden befragt zu werden Weder in der einen noch in der anderen Situation findet eine Unterstützung durch Hermes beim Übergang der Seelen von der Unter- zur Oberwelt Erwähnung, da der Gott nicht als Seelengeleiter fungiert, sondern als Bote zu Hades, der den Wunsch der Lebenden überbringt In diesem Sinne ist auch die Anrufung von Hermes Χθόνιος auf Fluchtafeln zu verstehen, die als ein Medium der direkten Kommunikation mit den angesprochenen Gottheiten fungierten1156 Als Beispiel kann eine Bleitafel aus Attika dienen1157: „[…] Ich binde Theon herab und | seine Mädchen und seine Profession | und sein Kapital und sein | Gewerbe und seine Worte und | Taten Hermes Χθόνιος, halte | du diese Dinge zurück und lies | diese (Worte), solange sie noch am Leben sind […] “

Zu Hermes’ Aufgaben gehörte es, einerseits den Gottheiten der Unterwelt die Botschaften zu überbringen und andererseits selbst für die Erfüllung der von den Defigentes geforderten Strafen zu sorgen1158 Eine weitere, dem Hermes Χθόνιος anvertraute Aufgabe ist in der Tragödie „Ajax“ (449 v Chr ) von Sophokles greifbar Vor seinem Selbstmord betet der Heros zu Zeus, Hermes und den Erinyen1159 Von Zeus erbittet er, dass sein Bruder Teukros seine Leiche finden und beerdigen möge1160 Von Hermes, der gleichzeitig als Πομπαῖος (der Geleiter) angesprochen wird, wünscht er sich, dass der Tod schnell und schmerzfrei kommen möge1161 Die Erinyen bittet er um Rache an den Atriden Demnach soll Hermes keine Seele geleiten, sondern dem Heros beistehen und ihm die persönliche Bitte eines möglichst angenehmen Todes erfüllen Alle Wünsche beziehen sich auf die letzten Minuten seines Lebens und den Fortgang der Ereignisse in der Welt der Lebenden, auf die Ajax keinen Einfluss mehr hat So sorgt er sich um seine Leiche und die Rache an den Atriden Es handelt sich um den Ausdruck von Hoffnung und Wunschdenken, während das Jenseits nicht thematisiert wird Eine letzte Facette wird in der Tragödie „Alkestis“ (438 v Chr ) von Euripides präsentiert Hermes, der in der Unterwelt zugegen ist, erwartet gemeinsam mit Hades die 1155 Henrichs 1991, 189 1156 Vgl Versnel 2019, Rieß 2012, Eidinow 2007, Garland 1985, 6 Zu magischen Experten: Dickie 2001, 60–78 1157 TheDeMa 213 (4 /3 Jh  v Chr ): „Θέωνα καταδῶ, αὐτὸν καὶ τὰς | παιδίσκας αὐτοῦ καὶ τὴν τέχνη- | ν καὶ τὴν ἀφορμὴν καὶ τὴν | ἐργασίαν αὐτοῦ καὶ λόγους καὶ | ἔργα αὐτοῦ Ἑρμῆ χθόνιε, ταῦτα | σὺ κάτεχε καὶ ἀνάννωθι | ταῦτα τέως ἄν οὗτοι ζῶσιν […]“ 1158 Rieß 2012, 187–188 Hierzu: 2 6 3 2 Persönliche Verfluchungen 1159 Soph Ai 824–844 1160 Garland 1985, 14 1161 Hierzu: 2 4 1 3 Weitere Beinamen und Funktionen

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Ankommenden1162 Vergleichbare Szenen finden sich auf Grabvasen aus Apulien und Athen1163 In der antiken griechischen Jenseitsvorstellung hält sich Hermes auch in der Unterwelt auf und wird in unmittelbarer Nähe zu Hades dargestellt, wodurch die enge Beziehung zwischen den beiden Gottheiten visualisiert wird Wenn Hermes Χθόνιος als Gott der Unterwelt angesprochen wurde, dann um die Bitten der Lebenden an Hades und die anderen Götter der Unterwelt weiterzuleiten, da die Lebenden selbst nicht folgenlos in die Unterwelt gehen konnten Darüber hinaus sollte er bei den Verhandlungen unterstützend einwirken Die Lebenden richteten ihre Gebete an Hermes, weil er als Gott galt, der im Vergleich zu den Olympiern leichter zu erreichen war1164 Entsprechend geleitete Hermes Χθόνιος nicht die Seelen der Toten, sondern übernahm im Hades ähnliche Funktionen wie in der Welt der Lebenden: Er war der Götterbote und der Geleiter auf allen Wegen1165 2.4.1.2.2 „der Erde/dem Erdboden zugehörig“ Der Beiname Χθόνιος impliziert ebenso eine Verbindung zur Erde und zwar sowohl im Sinne ihrer Fruchtbarkeit als auch des konkreten eigenen Besitzes, der sich in Form von Landbesitz sowie Herrschaft, und somit der Heimat (πατρίς), ausdrückte In der griechischen Antike konnte dies das Polisterritorium oder den eigenen Grund und Boden umfassen Wie ist es aber zu erklären, dass gerade dem Gott Hermes diese Aufgabe anvertraut wurde? Im homerischen „Hymnos an Hermes“, der ausführlichsten Version des Mythos, werden die Geburt und die Aufnahme des Gottes in den Olymp geschildert Dieser Weg verläuft jedoch nicht so geradlinig wie bei anderen Gottheiten, und Hermes ist gezwungen seine Rolle im olympischen Kosmos erst zu finden Zwar ist sein Vater Zeus der Götterkönig, seine Mutter aber ist die Nymphe Maia, eine Tochter von Atlas, der wie seine Brüder Menoitios und Prometheus die aktuelle olympische Ordnung in Frage gestellt hatte und dafür von Zeus bestraft wurde1166 Mit einem solchen Stammbaum konnte der junge Gott in der innermythischen Logik zu einer Bedrohung für den Olymp werden Mit dieser Idee spielt der Dichter, wenn er Hermes im Gespräch mit seiner Mutter sagen lässt, dass er in der Lage sei, Zeus herauszufordern, wenn dieser 1162 Eur Alc 743–744 1163 Vgl LIMC s v Hermes 588 (460 v Chr ), Toledo Mus of Arts, Inv -Nr 1994 19 (=SEG 46–1358, 340–330  v Chr ) Dazu: Bernabé/Jiménez San Christóbal 2008, 291, Garland 1985, 51 Auf einer apulischen Loutrophoros gibt die Inschrift ein persönliches Gespräch zwischen Hermes und dem jungen Mann wieder: „Hermes: Auf in den Hades! | Jüngling: Nein, ich komme nicht mit!“ [SEG 34–994 (4 Jh  v Chr ) Inschrift: „ἄστα ἐς hαΐδα  | οὐκ ἀνhίσταμαι ] Dazu: Schmidt 1984, Batschelet-Massini 1984 1164 Scheer 2000, 72 1165 Kahn 1978, 12 1166 Hes theog 938, Hom h 18, 3–4 Dazu: Allan 2018, 33–35/103–104, Stocking 2017, 93–94, Vergados 2013, 5, Vergados 2011, 17–19, Jaillard 2007a, 29–31 Zu Darstellungen von Hermes und Maia: Shapiro 2019

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ihm nicht die gewünschten Ehrungen und Anteile an den Opfern zugestehen sollte1167 Da im Laufe der Handlungen die meisten seiner Wünsche gewährt werden und er als einer der zwölf olympischen Götter anerkannt wird, entscheidet er sich für die patrilineare Genealogie Nach dem Machtwort des Zeus akzeptiert Hermes die gegebene Ordnung und füllt die ihm zugewiesenen Aufgabenbereiche aus Diese Ambivalenz zwischen dem Infragestellen der Ordnung und deren folgender Akzeptanz spielt nicht nur im Mythos, sondern auch im Hermeskult eine wichtige Rolle1168 In dieser mythischen Erzählung enthalten ist die Vorstellung, dass Hermes als Sohn für seinen rechtmäßigen Anteil am väterlichen Erbe eintritt und damit erfolgreich ist Daher bezeichnete Charles Stocking Hermes als „the god of patriarchal transition“1169 Zwar wird diese Funktion des Gottes im homerischen Hymnos erstmals explizit herausgestellt, greifbar ist sie aber bereits in der „Odyssee“ Dort setzt sich Hermes gemeinsam mit Athena für die Rückkehr von Odysseus ein Die Erklärung, dass Hermes lediglich als Bote der Götter den Willen der Götterversammlung ausführt, greift zu kurz Vielmehr handelt er durchaus eigennützig, was ihn von anderen Botengestalten unterscheidet Da Odysseus ein Nachkomme von Hermes ist1170, entspricht es dem Willen des Gottes, wenn der Held in seine Heimat zurückkehrt und die ihm rechtmäßig zustehende Herrschaft übernimmt Dafür spricht, dass der Schweinehirte Eumaios für den Zurückgekehrten ein Opfer an Hermes und die Nymphen durchführt1171 Durch die Verehrung chthonischer Mächte konnte in der antiken Vorstellung Sicherheit für die Gemeinschaften und deren Grundbesitz hergestellt werden, wie zum Beispiel der Heroenkult zeigt1172 Zu diesen Mächten zählten auch autochthone Urkönige, die bis in historische Zeit hinein große Ehrungen erfuhren Durch die Abstammung von einem autochthonen Vorfahren konnte eine Gemeinschaft als solche manifestiert und für diese ein seit langer Zeit bestehender Anspruch auf ein gewisses Gebiet institutionalisiert werden1173 Damit hatten die Mythen und Kulte zu ihren Ehren neben der religiösen vor allem eine machtpolitische Funktion Hermes trat in den Mythen häufiger zusammen mit solchen Gestalten in Erscheinung und auch im Kult wurden sie gemeinsam verehrt1174 So stand der Gott mit gleich zwei autochthonen Königen von Athen in Verbindung: Der Überlieferung nach soll Hermes zum einen bei der Geburt des mythischen Urkönigs Erechtheus behilflich ge1167 1168 1169 1170 1171 1172 1173 1174

h Herm 162–175 Hierzu: 2 1 4 3 Grenzen überschreiten Stocking 2017, 118 Hom Od 19, 395–398 (Odysseus Großvater mütterlicherseits war Autolykos) Dazu: Stocking 2017, 150–155 Zum Beiwort πολύτροπος (vielgereist oder vielgewandt), der exklusiv für Odysseus und Hermes verwendet wird: Stocking 2017, 148–149 Hom Od 14, 418–439, bes 434–436 Dazu: Stocking 2017, 128–137, Petropoulou 1987, 145 Anders: Newton 2015, 276 Vgl Ekroth 2002 Scheer 2019, 270/280–281, Blok 2009, 251–252/271 Vgl Reggiani (im Druck), Reggiani 2019, 332, Reggiani 2015

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wesen sein, wie mehrere bildliche Zeugnisse nahelegen1175 Dass Hermes bei diesem Ereignis als anwesend gedacht wurde, verwundert nicht weiter, da Hermes der antiken Vorstellung gemäß zu den Mächten der Erde und der Unterwelt eine besondere Beziehung pflegte Dieses Ereignisses gedenkend richteten die Athener dem Gott Hermes eine Kultstätte im Erechtheion auf der Akropolis ein, wodurch gleichzeitig das besondere Alter des Kults hervorgehoben wurde1176 Noch aus der Mitte des 3 Jh  v Chr sind Opfervorschriften für Hermes beim Erechtheion belegt1177 Zum anderen war Hermes mit Kekrops, einem weiteren mythischen, autochthonen Urkönig von Athen assoziiert1178 Hermes soll mit mehreren Töchtern des Kekrops eine Liebesbeziehung eingegangen sein: Mit Herse habe er Kephalos gezeugt, nach dem später die Insel Kephallenia im ionischen Meer benannt worden sei1179; mit Aglauros habe er einen Sohn namens Keryx, den Stammvater der Keryken1180 Somit behaupteten die Athener, Hermes schon seit Beginn ihrer Stadtgeschichte zu verehren, wie Pausanias zu berichten weiß1181: „In dem Tempel der Polias steht ein hölzerner Hermes, angeblich ein Weihgeschenk des Kekrops, ganz verdeckt durch Myrtenzweige “

Der Tempel der Athena Polias auf der Akropolis bildete eine architektonische Einheit mit dem Erechtheion, indem sich ebenfalls eine sehr alte Kultstätte des Hermes befand Sowohl das Kultbild der Athena als auch die Herme standen wahrscheinlich im östlichen Raum des Gesamtkomplexes1182 Der Perieget gibt an, dass das Kultbild wegen der Myrtenzweige nicht mehr zu sehen sei1183 Kendrick Pritchett schlug vor, dass es sich hierbei um eine ungewöhnliche Form der Bekränzung gehandelt haben könnte, da Kränze im Hermeskult eine große Rolle spielten1184 Außerdem wird schon im homerischen „Hymnos an Hermes“ die besondere Verbindung des Gottes zu dieser Pflanze angesprochen, indem es heißt, dass die Sandalen aus Myrtenzweigen gefertigt seien1185 Überdies war das Amtszeichen des Altarpriesters der eleusinischen Mysteri-

1175 Parthenonfries E 42/E 43; Vasen: SEG 37–61 (=Virginia Mus , Inv -Nr 81, 70, ca 410  v Chr ), ARV2 1346, 1, SEG 35–50 (keine Datierung) Dazu: Scheer 2019, 275/281–282, Meyer 2017, 99–107, Blok 2009, 258–263 1176 Zu Kulten im Erechtheion: Allan 2018, 58, Meyer 2014, 212–239 mit Quellenbelegen Siehe auch: ARV2 1346 1 (420–440 v Chr ) Dazu: Kron 1976, 61–63 1177 IG II2 819 (Mitte 3 Jh  v Chr ) Siehe auch: IG I3 1423 (um 480 v Chr ) 1178 Blok 2009, 258 1179 Hyg fab 160, Apollod 3, 181 Siehe auch: Raingeard 1934, 172 1180 Hierzu: 2 4 3 Feste in der Polis 1181 Paus 1, 27, 1 (Übersetzung Meyer 2001): „κεῖται δὲ ἐν τῷ ναῷ τῆς Πολιάδος Ἑρμῆς ξύλου, Κέκροπος εἶναι λεγόμενον ἀνάθημα, ὑπὸ κλάδων μυρσίνης οὐ σύνοπτον “ 1182 Rubel 2000, 276 1183 Vgl Baumann 1993, 51–55 1184 Pritchett 1998, 263 1185 h Herm 81 Dazu: Cursaru 2011/2012a

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en, der zur Familie der Keryken gehörte, eine Krone aus Myrtenzweigen1186 Daneben galt die Myrte als heilige Pflanze der Aphrodite, sodass sich eine Verbindung zu den Liebesgeschichten von Hermes zu den Kekropstöchtern findet In Bezug auf die Kultnachbarschaft von Hermes und Athena lässt sich sagen, dass beide für den Schutz der Polis Athen zuständig waren und dabei spezifische Aufgabenbereiche übernahmen: Während Athena für das politische Gerüst der Polis zuständig war, bewachte Hermes deren Territorium1187 Dies wird durch seine enge Verbindung zu den autochthonen Königen und deren Nachkommenschaft unterstrichen Doch nicht nur die Athener beanspruchten für sich, schon seit der Vorzeit aufs Engste mit Hermes verbunden gewesen zu sein, sondern auch die Familie der Skopaden, die zu der oligarchischen Führungsschicht in Thessalien gehörte, propagierte eine enge Beziehung zu dem Gott Die Skopaden waren eine der ältesten Familien vor Ort und von ihnen leiteten sich über die weibliche Linie die Echekratiden ab, deren Familienmitglieder Aischines als „Könige der Thessaler“1188 bezeichnete Diese Familie beanspruchte für sich, von Hermes Χθόνιος abzustammen1189 Warum aber wählten die Skopaden Hermes mit jenem Beinamen und nicht beispielsweise mit dem naheliegenden Beiwort εὔσκοπος1190 (mit scharfem Blick, wachsam) als Ahnherrn aus? Thessalien blieb trotz der in der Mitte des 5 Jh  v Chr eingerichteten Bundesstruktur ein von wenigen einflussreichen Familien kontrolliertes Gebiet, indem es zahlreiche Rivalitäten und Machtkämpfe gab Die Rückführung auf Hermes Χθόνιος sollte die Macht der Skopaden sichern: Da er als Stammvater dieser Dynastie galt, war deren Herrschaft von einem Gott gegeben und somit seit jeher gültig Der wichtigste Teil der Herrschaft bestand im Besitz von Land, weshalb die Skopaden den ungewöhnlichen Beinamen Χθόνιος wählten Damit verknüpft war eine Vorstellung von Heimat (πατρίς), die nicht nur den eigenen Besitz, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe einschloss In der griechischen Antike zählten dazu beispielsweise ganze Landschaften, Poleis, deren Untereinheiten oder die Familie Diese Wahrnehmung von Hermes als einem Gott der Heimat spiegelt sich auch in den zahlreichen lokalen Beinamen wider, die für den gesamten griechischen Raum belegt sind Unterstrichen wird diese These, da ebenfalls bei den autochthonen Königen der Anspruch auf die heimatliche Erde und die Herrschaft existentiell für die Gemeinschaft war Darüber hinaus war Hermes, wie anhand des „Hymnos an Hermes“ gezeigt wurde, für den geregelten Übergang der Herrschaft – auf den Vater folgt der Sohn – zuständig, weshalb er für die Skopaden eine doppelte Identifikationsfigur war Demnach war die Hermesverehrung in den höchsten Gesellschaftsschichten fest verankert Der dem Kult der 1186 Clinton 1974, 82 1187 Athen Nat -Mus , Inv -Nr Akr 2547 (ca 520 v Chr) Siehe dazu: Meyer 2017, 166/173 1188 Zum Zitat: Aischin frg 22 (Diels) Zur Machtübernahme durch die Echekratiden: Thuk 1, 102, 4 Darstellungen des Gottes auf Münzen fehlen bisher für Thessalien: Moustaka 1983, 45–46 1189 MacUrdy 1921, 179–182 1190 Hom Il 24, 24, Hom Od 1, 38/7, 137, h Hom 3, 200, h Herm 73, h Hom 5, 262

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herrschenden Familien entstammende Beiname Χθόνιος fand schließlich Eingang in die städtische Praxis, wie die ungewöhnlich zahlreichen Anrufungen von Hermes als Χθόνιος in Thessalien belegen1191 Die Charakterisierung von Hermes als Schutzherr des Besitzes und der Herrschaft lässt sich besonders deutlich in den Mythen um den aus der Heimat vertriebenen Orestes greifen, die in den Tragödien des 5 Jh  v Chr ausformuliert sind Tragödien dürfen jedoch nicht als mythisches Gedankenspiel abgetan werden, sondern sie enthalten oft Aufforderungen, die Polisnormen und -ordnung einzuhalten1192 Im zweiten Teil der „Orestie“ (458  v Chr ) von Aischylos bitten die Geschwister Orestes und Elektra darum, dass die rechtmäßige Herrschaft in Mykene wieder hergestellt werden möge Dafür wenden sie sich an ihren verstorbenen Vater und König Agamemnon sowie an Hermes Beide tun dies am Grab des Vaters außerhalb der Mauern von Mykene Orestes ist nach seiner Wanderschaft am Ziel angelangt und betet beim Grab seines Vaters1193: „O Hermes, Χθόνιος, Wächter der väterlichen Macht | Werde du Retter und Mitkämpfer mir, der zu dir fleht! | Komm ich doch in dies Land und kehre wieder heim; | Und am Grabhügel hier ruf ich dem Vater zu, | Mein Wort zu hören “

Orestes wendet sich einerseits an Hermes und bittet um Unterstützung für die Rückkehr nach Mykene Diese Rückkehr umfasst sowohl das Wiederbetreten des Territoriums als auch die Wiederaufnahme in die soziale Struktur1194 Andererseits ersucht er die Seele seines Vaters um Rat, wofür der Tote ein Opfer erhält, während für Hermes keine Gabe erwähnt wird 1195 Entsprechend ist Hermes nicht an der Wiederkehr der Seele beteiligt, weshalb eine andere Erklärung für die Anrufung von Hermes Χθόνιος gefunden werden muss Zuerst erkannte Scott Scullion im Hermes der „Orestie“ einen Beschützer des väterlichen Rechts, da sich die Helden, wenn sie väterlichen Beistand suchen, an Hermes wenden1196 Die bisherigen Ausführungen haben bereits gezeigt, dass sich dies mitnichten auf die „Orestie“ beschränkt Ein Teil dieses Rechts bestand in der Königswürde und der Herrschaft über Mykene Hermes wird hier in seiner Rolle als Wächter des Besitzes, also des fruchtbaren Bodens und der rechtmäßigen Herrschaft, angesprochen1197 Diesen geraubten Besitz möchte Orestes mit der Hilfe

1191 Hierzu: 2 4 2 2 Verdienste im Leben 1192 Dreher 2019, 20 mit Quellenbelegen, Spahn 1980, 553–564 1193 Aischyl Choeph 1–5 (Übersetzung nach Werner 2011): „Ἑρμῆ χθόνιε, πατρῷ᾽ ἐποπτεύων κράτη, | σωτὴρ γενοῦ μοι ξύμμαχός τ᾽ αἰτουμένῳ· | ἥκω γὰρ ἐς γῆν τήνδε καὶ κατέρχομαι  | τύμβου δ᾽ ἐπ᾽ ὄχθῳ τῷδε κηρύσσω πατρὶ | κλύειν, ἀκοῦσαι “ Siehe auch: Aristoph Ran 1126–1128/1138/1146 1194 Aischyl Eum 89–92, Eur El 111, Aristoph Ran 1146 Dazu: Scullion 2005, 23–30 Siehe auch: Pisano 2014, Johnston 2007, 45, Siebert 2005, 264 1195 Aischyl Choeph 6–7 1196 Vgl Scullion 2005, 23–30 Dazu: Aristoph Ran 1146 1197 Johnston 2007, 45

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von Hermes und Agamemnon zurückerlangen Bekräftigt wird dieses Motiv durch das später von Orestes durchgeführte Opfer an den lokalen Flussgott Inachos1198 Im Laufe der Handlung wendet sich Elektra ebenfalls an Hermes Χθόνιος1199: „Du höchster Herold über- wie unterirdischer Welt | O hilf mir, Hermes, Χθόνιος, durch dein Heroldswort, | Dass in der Erde Schoß die Götter hören mein | Gebet, die Götter, die über das väterliche Haus wachen, und die Erde selbst […]  | Und ich, gießend dieses heilige Nass den Toten aus, | Ich sag und rufe: Vater! Ach, erbarm dich mein, | Des lieben Orestes, dass wir werden Herr im Haus!“

In ihrem Gebet betont Elektra beide Funktionen, die dem Beinamen Χθόνιος innewohnen: Einerseits ist er der Götterbote auch in den Hades und soll ihren Wunsch an die zuständigen Götter der Unterwelt sowie die Toten übermitteln Andererseits zählt er zu den Gottheiten, welche über das „väterliche Haus“ wachen, weshalb sich das Gebet und die Libation an alle göttlichen Mächte richten1200 Ein letztes Mal wird Hermes Χθόνιος in der Tragödie vom Chor angerufen, der wünscht, dass Hermes dem Schwert den Weg weist und das Gelingen der Mordtat garantiert, wodurch die Brücke zur ersten besprochenen Stelle geschlagen wird1201 Orestes hatte wie der Chor darum gebetet, dass er als rechtmäßiger Herrscher eingesetzt werde und der Chor fleht nun ebenfalls dafür Da die List gelingt und Klytaimnestra sowie Aigisthos getötet werden, hat Hermes die Gebete erhört Auf diese Weise erklärt sich auch, warum Hermes von Apollon beauftragt wird, Orestes bei seiner Flucht vor den Rachegöttinnen zu beschützen: Erst wenn Orestes die Herrschaft über Mykene inne hat, ist die Ordnung wieder hergestellt1202 Diese beschriebene Wahrnehmung von Hermes ist ebenso in der späteren Tragödie „Elektra“ (413 v Chr ) von Sophokles präsent1203 Neben den genannten sind weitere Aufgaben des Hermes greifbar, welche seine Rolle als Schützer der Heimat untermauern So fungiert Hermes auch als Geleiter auf allen Wegen, der Orestes während seiner Reise unterstützen soll1204 Außerdem ist er ein Gott der Grenzen, durch die das Eigene vor dem Fremden geschützt werden soll Die unzähligen Hermesbilder an den Grenzen zeigen eine Übernahme des Konzepts

1198 Aischyl Choeph 6 1199 Aischyl Choeph 123–131 (Übersetzung nach Werner 2011): „κῆρυξ μέγιστε τῶν ἄνω τε καὶ κάτω, | ἄρηξον, Ἑρμῆ χθόνιε, κηρύξας ἐμοὶ | τοὺς γῆς ἔνερθε δαίμονας κλύειν ἐμὰς | εὐχάς, πατρῴων δωμάτων ἐπισκόπους, | καὶ Γαῖαν αὐτήν, […]  | κἀγὼ χέουσα τάσδε χέρνιβας βροτοῖς | λέγω καλοῦσα πατέρ᾽, ἐποίκτιρόν τ᾽ ἐμὲ | φίλον τ᾽ Ὀρέστην· πῶς ἀνάξομεν δόμοις “ 1200 Henrichs 1991, 168 1201 Aischyl Choeph 727–729: „[…] χθόνιον δ᾽ Ἑρμῆν | καὶ τὸν νύχιον τοῖσδ᾽ ἐφοδεῦσαι | ξιφοδηλήτοισιν ἀγῶσιν “ Siehe auch: Aischyl Choeph 812–813 1202 Aischyl Eum 89–92 1203 Soph El 110–120 1204 Hierzu: 2 3 Chora II

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in den Kult: Hermes galt als Schützer des eigenen Landbesitzes1205 Ferner ist Hermes ein Gott von Stadtgemeinschaften, wie im vorliegenden Fall Mykene, und ihren Institutionen Der Beiname Χθόνιος für den Gott Hermes war zweideutig Zum einen konnte die Verbindung von Hermes zur Unterwelt und den dort herrschenden Mächten betont werden, zum anderen wurde Hermes auf diese Weise als Garant und Schützer der heimatlichen Erde angesprochen Beide Facetten existierten häufig nebeneinander, was bereits als ein Charakteristikum für den Hermeskult ausgearbeitet werden konnte: Mit einem Gebet oder einer Weihung konnten mehrere, zum Teil sogar gegensätzliche Wünsche ausgedrückt werden 2.4.1.3 Weitere Beinamen und Funktionen Direkt mit der Unterwelt und den Seelen, die dorthin gelangen, hängt das Bedienen der Schicksalswaage zusammen, welches von mehreren Gottheiten durchgeführt wurde Auf wenigen Vasenbildern der späten Archaik und Klassik ist Hermes bei diesem Vorgang dargestellt1206 Außerdem wurde das Wiegen auch in der nur fragmentarisch überlieferten Tragödie „Psychostasia“ von Aischylos aufgegriffen, die das Schicksal von Achilleus behandelt1207 Werden alle Beispiele gemeinsam betrachtet, fällt auf, dass Hermes diese Aufgabe ausnahmslos für Achilleus übernimmt Wiederum handelt es sich nur um eine einmalige mythische Begebenheit, die für die tatsächliche Kultpraxis keine Relevanz hatte Neben den bereits besprochenen Beispielen ermöglichen auch andere Epitheta Rückschlüsse auf die Rolle von Hermes in den Jenseitsvorstellungen So erhielt Hermes die Beinamen Πομπαῖος1208 (der Geleiter) und Πομπός1209 (der Geleiter oder Bote) Wegen der Wortverwandtschaft mit Ψυχοπομπός wurden diese in der Forschung oft gleichgesetzt, was die Quellen nicht bestätigen1210 Beide Beinamen kommen ausschließlich bei den griechischen Tragödiendichtern vor, wobei an keiner Stelle ein Seelengeleit gemeint ist Vielmehr tritt Hermes wortwörtlich als Geleiter in Erscheinung, der den Heroen bei der Erledigung ihrer Aufgaben beisteht1211 Das Epitheton 1205 Hierzu: 2 1 3 3 Nichtöffentliche Räume 1206 Vgl z B Brit Mus , Inv -Nr B 639 (frühes 5 Jh  v Chr ), LIMC s v Hermes 622–629 Dazu: Allan 2018, 116, Willinghöfer 1996, 61, Garland 1985, 55, Vermeule 1979, Kap 5, Fig 14, Anm 22 1207 Aischyl frg 279–280 (Radt) Siehe auch: Hom Il 22, 210–213, Aristoph Ran 1365–1367 1208 Aischyl Eum 91, Soph Ai 832, Eur Med 759, Diog Laert 8, 31 Beinamen wie Ψυχαγωγός (der Seelenführer, Hesych s v ψυχαγωγός), Καταιβάτης (der, der hinabführt, Hesych s  v καταιβάτης, Sch Aristoph Pax 650) oder Νεκυαγωγός [der Führer der Toten, TheDeMa 61 (3 Jh )] sind erst in nachchristlicher Zeit belegt 1209 Aischyl Pers 626, Soph Oid K 1548/1661 1210 Vgl z B Garland 1985, 54 1211 Vgl LIMC s v Hermes 481–585

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Πομπαῖος wird dann verwendet, wenn um Beistand für einen Heros gebeten wird Dabei können einerseits andere Gottheiten Hermes um Mithilfe ersuchen Ein Beispiel dafür findet sich in der Tragödie „Die Eumeniden“ (458 v Chr ) von Aischylos1212: „Du, brüderliches Blut vom gleichen Vater her, | Hermes, beschütz ihn, sei, wie dein Beiname sagt, | Geleiter nun, führ hütend ihn, der mir genaht | Schutzflehend!“

Apollon bittet in diesem letzten Teil der „Orestie“ seinen Bruder Hermes, dem verfolgten Orestes beizustehen und ihn nach Athen zu geleiten, wo ihn sein Urteil erwartet Dabei soll Hermes den Heros, der von den Rachegöttinnen verfolgt wird, auch in gefährlichen Situationen beschützen Andererseits erflehen die Heroen selbst die Hilfe von Hermes, was vor allem in den Tragödien von Sophokles und Euripides greifbar ist So bittet Ajax in der gleichnamigen Tragödie (etwa 449 v Chr ) von Sophokles Hermes um einen schnellen Tod, wobei er die Beinamen Χθόνιος und Πομπαῖος verwendet1213 Gerade durch die Nennung der beiden Epitheta wird deren gegensätzliche Bedeutung unterstrichen Wie oben ausgeführt, ist Hermes Χθόνιος der Bote in den Hades, der den Unterweltsgöttern die Bitte überbringt Dagegen ist Hermes Πομπαῖος der Geleiter der Heroen auf der Erde, welcher Ajax bis zum Ende beistehen soll Eben diesen Beistand erfleht der athenische König Aigeus in der Tragödie „Medea“ (431 v Chr ) von Euripides Aigeus bittet Hermes Πομπαῖος, ihn sicher nach Athen zurückzubringen1214 Dem Ansuchen um Unterstützung wird auch mit dem Beinamen Πομπός Ausdruck verliehen Ein Beispiel dafür findet sich in der Tragödie „Ödipus auf Kolonos“ (401 v Chr ) des Sophokles1215: „Berührt mich nicht im Gehen, sondern lasst mich selbst | auffinden die geweihte Grabstätte, wo | mein Leib in diesem Land geborgen werden soll! | Kommt diesen – hierher – diesen Weg! Denn diesen führt | Geleiter Hermes und auch die Göttin drunten mich “

Nach vielen leidvollen Jahren in der Verbannung kommt Ödipus zu dem Kolonos genannten Hügel bei Athen und bittet die Götter, ihn von seinem Leben zu erlösen Schlussendlich wird ihm sein Wunsch gewährt und Ödipus begibt sich zu einer nur Theseus bekannten Stelle, an der sein Grab errichtet werden soll In dieser Situation ruft Ödipus einerseits Hermes als Πομπός, anderseits Persephone (ἥ θεός νερτέρα) an Abermals wird die Funktion des Hermes für die Lebenden von jener der Unterweltsgötter deutlich getrennt: Als Geleiter soll Hermes dem Heros auf dem Weg zu 1212 Aischyl Eum 89–92 (Übersetzung Werner 2011): „σὺ δ᾽, αὐτάδελφον αἷμα καὶ κοινοῦ πατρός,  | Ἑρμῆ, φύλασσε· κάρτα δ᾽ ὢν ἐπώνυμος | πομπαῖος ἴσθι, τόνδε ποιμαίνων ἐμὸν | ἱκέτην […] “ 1213 Soph Ai 832 1214 Eur Med 759–763 1215 Soph Oid K 1544–1548 (Übersetzung nach Willige 2007): „χωρεῖτε καὶ μὴ ψαύετ᾽, ἀλλ᾽ ἐᾶτέ με | αὐτὸν τὸν ἱερὸν τύμβον ἐξευρεῖν, ἵνα | μοῖρ᾽ ἀνδρὶ τῷδε τῇδε κρυφθῆναι χθονί  | τῆδ᾽ ὧδε τῇδε βᾶτε· τῇδε γάρ μ᾽ ἄγει | Ἑρμῆς ὁ πομπὸς ἥ τε νερτέρα θεός “

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der Stelle, an der er sterben wird, beistehen, während Persephone ihn in der Unterwelt erwartet Dies wird auch im folgenden Chorlied noch einmal dadurch bestätigt, dass es wiederholt heißt, Ödipus müsse den Weg gehend oder wandernd allein zurücklegen1216 Hermes taucht in der damit verbundenen Liste der Unterweltsgötter nicht auf, sondern wird erst wieder im Botenbericht über den Tod des Helden indirekt erwähnt1217: „Doch welchen Tod jener starb, das wüsste wohl | kein Sterblicher zu sagen außer Theseus’ Mund  | Denn weder hat des Gottes feuersprühender Blitz | ihn weggenommen noch ein Wirbelsturm, der sich | zu dieser Zeit vom Meer her erhoben hat; | ein Götterbote vielmehr war es, vielleicht auch tat | wohlwollend sich das dunkle Tor der Unteren auf  | Denn ohne Seufzer, auch von Krankheit nicht geplagt, | ward dieser Mann hinweggenommen, wunderbar | wie sonst kein Mensch […] “

Der Tod des Helden war so friedlich über ihn gekommen, dass der Bote sich den Umstand nur mit göttlichem Einwirken erklären kann Dafür werden zwei Möglichkeiten eröffnet: Entweder sei ein Götterbote gekommen oder die Erde habe sich aufgetan Beide Formen werden als wunderlich beschrieben und stellen keine gewöhnliche Todesart dar Mit dem Götterboten (θεῶν πομπὸς) kann nur Hermes gemeint sein, der schon früher in der Tragödie so bezeichnet wurde1218 Gleichzeitig fungiert Hermes als Bote, denn im Gegensatz zu dem Beinamen Πομπαῖος, meint der Begriff Πομπός Geleiter und Bote Somit wird veranschaulicht, dass Hermes zum einen als Götterbote den Auftrag der Götterversammlung ausführt und zum anderen den Helden auf seinem letzten Weg geleitet Die in allen Tragödien nachweisbare Wahrnehmung von Hermes als Gott der Wege und der Reisenden findet sich in der Kultpraxis wieder1219 Es ist bereits deutlich geworden, dass Hermes sich gemäß den antiken Vorstellungen gemeinsam mit den anderen Göttern in der Unterwelt aufhalten konnte Diese Eigenschaft konnte ebenso mithilfe des nur einmal belegten Beinamens Ἔγγαιος (der in/unter der Erde) ausgedrückt werden Das zugehörige Adjektiv wurde vor allem in Verträgen verwendet, wenn es um den Kauf und die Zuteilung von Land ging1220 Somit impliziert dieser Beiname eine Verbindung zur Unterwelt und zur Erde, wie in einem Epigramm des Leonidas von Tarent zu lesen ist1221: 1216 Soph Oid K 1556–1578 1217 Soph Oid K 1656–1665 (Übersetzung nach Willige 2007): „μόρῳ δ᾽ ὁποίῳ κεῖνος ὤλετ᾽, οὐδ᾽ ἂν εἷς | θνητῶν φράσειε, πλὴν τὸ Θησέως κάρα  | οὐ γάρ τις αὐτὸν οὔτε πυρφόρος θεοῦ | κεραυνὸς ἐξέπραξεν οὔτε ποντία  | θύελλα κινηθεῖσα τῷ τότ᾽ ἐν χρόνῳ,  | ἀλλ᾽ ἤ τις ἐκ θεῶν πομπὸς ἢ τὸ νερτέρων | εὔνουν διαστὰν γῆς ἀλύπητον βάθρον  | ἀνὴρ γὰρ οὐ στενακτὸς οὐδὲ σὺν νόσοις | ἀλγεινὸς ἐξεπέμπετ᾽, ἀλλ᾽ εἴ τις βροτῶν | θαυμαστός […] “ 1218 Aischyl Pers 626, Soph Oid K 1548/1661 1219 Hierzu: 2 3 2 Straßen 1220 P Elph 1, 13 (4 Jh  v Chr ), IG IX 2, 338, Z 9 (2 Jh  v Chr ) 1221 Anth Gr 7, 480 (um 280  v Chr , Übersetzung nach Beckby 1968): „ἤδη μευ τέτριπται ὑπεκκεκαλυμμένον ὀστεῦν | ἁρμονίᾐ τ᾽, ὦνερ, πλὰξ ἐπικεκλιμένη· | ἤδη καὶ σκώληκες ὑπὲκ σοροῦ

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„Halb schon liegt es zutage, mein Gebein, aus den Fugen geriet schon | oben die Platte, man trat, Wanderer, darauf und zertrat es  | Sichtbar auch werden bereits die Würmer, die unten aus meinem | Sarge sich winden Was hilft es, dass mich die Erde bedeckt? | Siehe, es hat nun das Volk einen nie noch betretenen Fußweg | sich gebahnt; man geht über dem Kopf mir hin  | O, ich beschwöre euch jetzt bei den Göttern unter der Erde, | Hades, Hermes und Nacht: geht von dem Pfad hier weg!“

Das in Ich-Form verfasste Epigramm berichtet aus der Perspektive des Verstorbenen, dass seine Grabstätte unsachgemäß behandelt wurde So liegen Teile des Skeletts ungeschützt auf der Erde, die Grabmarkierung ist verschoben und die Vorbeikommenden gehen über das Grab hinweg Das Epigramm fordert einerseits die Vorbeikommenden auf, die Grabstätte zukünftig respektvoll zu behandeln, andererseits werden die Götter angerufen und darum gebeten, das Grab und die Gebeine zu beschützen Zu den Göttern „unter der Erde“ gehören Hades, Hermes und die Nacht, welchen jeweils eine spezifische Aufgabe zugewiesen ist Hades war der Herrscher der Unterwelt, sodass seine Anrufung der drohenden Mahnung an die Vorbeikommenden wohl Nachdruck verleihen sollte Dagegen war Hermes nicht nur ein Gott der Unterwelt, sondern galt auch als Beschützer des eigenen Besitzes Somit wird Hermes hier als Gott der Grenze angerufen, um zu verhindern, dass die Grenzen der Grabstätte übertreten werden Die Anrufung der Nyx erklärt sich schließlich damit, dass in der poetischen Tradition die Verbindung zwischen der Nacht und dem Chthonischen sehr eng ist1222 2 4 2 Grabkontext Für die sich anschließenden Betrachtungen werden unter „Grabkontext“ alle mit dem Sterben in Verbindung stehenden Kultpraktiken und Institutionen gefasst, was die Auseinandersetzung mit dem Sterben, das Begräbnis, die Riten für die Toten und die Erinnerung an die Verstorbenen einschließt1223 Zusätzlich muss betont werden, dass im Totenkult die Verstorbenen Ziel der Ehrung waren, wohingegen die Götter nur angerufen wurden, um den Toten zu helfen oder die Lebenden vor den Toten zu beschützen1224 Zum Gedenken an die Verstorbenen hielt die Polisgemeinschaft jährliche Feste ab und auch kleinere soziale Einheiten sorgten für eine regelmäßige Hinwendung an die Toten Jede Weihung und Ehrung im Grabkontext lässt ein Zusammenspiel aus αὐγάζονται  | ἡμετέρης· τί πλέον γῆν ἐπιεννύμεθα;  | ἦ γὰρ τὴν οὔπω πρὶν ἰτὴν ὁδὸν ἐτμήξαντο  | ἄνθρωποι, κατ᾽ ἐμῆς νισσόμενοι κεφαλῆς   | ἀλλὰ πρὸς ἐγγαίων, Ἀϊδωνέος Ἑρμεία τε  | καὶ Νυκτός, ταύτης ἐκτὸς ἴτ᾽ ἀτραπιτοῦ “ 1222 Siebert 2005, 267 1223 Vgl Johnston 2002b, 710–711, Bremmer 1983, 89 Zum Ablauf der Begräbnisfeierlichkeiten: Johnston 2007, 39–43 1224 Scholl 1996, 88/91–92

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dem öffentlichen und privaten Andenken für die Toten sowie der subjektiven Vergewisserung für das Leben nach dem Tod erkennen Daher werden zum Teil individuelle Lösungen gefunden Als Quellengrundlage für diesen Abschnitt dienen die verschiedenen Formen der Grabmarkierung, wie Gefäße oder Stelen, die durch Bild oder Schrift einen Bezug zu Hermes herstellen1225 Da sich die meisten Illustrationen auf die Toten und ihre Familien konzentrieren, sind Jenseitsvorstellungen oder Götterdarstellungen selten1226 Die Verstorbenen sind meist sehr prominent dargestellt und werden in eine Scheinwelt versetzt, welche dem Betrachter vermitteln soll, was die oder der Verstorbene für ein Mensch gewesen ist1227 Zur Unterstützung des Totengedenkens wurden ab dem 6 Jh  v Chr auch Epigramme angebracht, welche einerseits die Vorzüge des Verstorbenen lobten, andererseits die Trauer der Hinterbliebenen beschrieben1228 Diese waren direkt an die Betrachtenden gerichtet und begannen meist mit einer direkten Anrede wie „ξένε“ (Fremder!) Da Hermes innerhalb der Topographie der Unterwelt verortet war, wurde er auch im Grabkontext verehrt, wobei seine Rolle im Einzelfall zu überprüfen ist Der Gott erscheint in den bildlichen Darstellungen entweder in anthropomorpher Gestalt oder in Form der Herme Während die menschliche Gestalt nur selten vorkommt, sind Hermen auf den hellenistischen Grabstelen regelmäßig zu finden1229 Im hier behandelten Zeitraum fungierte die Herme nicht als Grabmarkierung, wie aufgrund einer fehlinterpretierten Aussage von Cicero in der Forschung immer wieder behauptet wurde1230 Birgit Rückert legt dar, dass mit den „hermae“, deren Aufstellung im Rahmen der solonischen Gesetze gegen Grabluxus verboten worden seien, nicht „Hermen“, sondern „Pfeiler, Stelen oder Stützen“ gemeint waren1231 Daher kann auch die von der älteren Forschung vertretene Ableitung des Gottes und seines Bildes aus dem Grabkult verworfen werden1232 Die Herme findet sich lediglich als bildliche Darstellung auf Grabreliefs Um zu verdeutlichen, warum sich Personen im Grabkontext an Hermes wandten, werden die wenigen Zeugnisse, die überliefert sind, in zwei Gruppen unterteilt Dabei umfasst die erste Gruppe jene Quellen, die mythische Jenseitsvorstellungen abbilden 1225 Zu Themen der Grabmäler: Lattimore 1942 Helga Willinghöfer hat in ihrer Untersuchung zu Thanatos-Darstellungen in der archaischen und klassischen Zeit 34 Beispiele für eine Darstellung von Hermes als Seelengeleiter zusammengestellt Davon seien acht aufgrund der schlechten Erhaltung ungeeignet für eine Interpretation Weiterhin entfallen 24 auf weißgrundige und rotfigurige Vasen, neun auf Reliefs und ein Gemälde (Willinghöfer 1996, Katalog) 1226 Krauskopf 2013, 73 1227 Marchiandi 2014, 661 1228 Willinghöfer 1996, 53 1229 Vgl Mili 2015, Avagianou 2002a/2002b, Kurtz/Boardmann 1985, 297 1230 Cic leg 2, 65, Babr 30 (Perry) Zuletzt: Versnel 2011, 336 1231 Rückert 1998, 172–173 1232 Nilsson 1995, 388, Nilsson 1927, 508–509, Curtius 1903

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Dagegen stehen bei der zweiten Gruppe die Verdienste der Verstorbenen zu Lebzeiten im Zentrum 2.4.2.1 Mythische Wege ins Jenseits Sowohl in der bildlichen als auch in der schriftlichen Überlieferung finden sich vereinzelt Darstellungen, die den Weg der Verstorbenen in die Unterwelt nachzeichnen, wobei vor allem auf die homerischen Jenseitsvorstellungen zurückgegriffen wurde Diese Szenen haben keine oder kaum eine Verbindung zu der Lebenswirklichkeit der Menschen und ihrer Kultpraxis1233 So konnte bereits gezeigt werden, dass Hermes in den schriftlichen Quellen erst ab dem späten 4 Jh  v Chr mit der Idee des Seelengeleiters in Zusammenhang gebracht wurde1234 Zu klären bleibt noch, ob diese Vorstellung in den bildlichen Zeugnissen früher greifbar ist An der Wende vom 6 zum 5 Jh  v Chr erscheint Hermes in bildlichen Darstellungen von Tod und Übergang ins Jenseits Als ältestes Bild wurde von Paul Zanker eine weißgrundige Lekythos (ca 550  v Chr ) bezeichnet1235 Diese längliche Gefäßform diente ursprünglich der Aufbewahrung von Öl, welches am Grab als Libation dargebracht wurde1236 In Athen waren die Lekythen bis in die zweite Hälfte des 5 Jh  v Chr sehr beliebt, verschwanden danach jedoch, während die parallel entstandenen Marmorlekythen und Grabstelen unverändert Verwendung fanden1237 Da die Bilder auf den weißgrundigen Lekythen den Tod und die Toten thematisieren, spielen Götter nur auf wenigen Stücken überhaupt eine Rolle1238 Drei Themenbereiche dominieren diesen Gefäßtyp: erstens die Charakterisierung der Toten, zweitens das Andenken der Hinterbliebenen und drittens die Darstellung des Todes1239 Hermes wurde entweder gemeinsam mit anderen Göttern oder allein mit dem Verstorbenen gemalt, sodass er in allen drei Themenbereichen erscheint Der Gott ist meist bärtig sowie mit dem Reisehut bekleidet dargestellt und hält immer das Kerykeion in der Hand1240 Bei dem beliebten Motiv des Besuchs am Grab standen die Verstorbenen und die Hinterbliebenen im Fokus1241 In diesen Szenen wird Hermes nur in Ausnahmefällen 1233 1234 1235 1236 1237 1238 1239 1240 1241

Krauskopf 2013, 74, Kunze-Götte 2009, Sporn 2006, Schmidt 2005, 77 Hierzu: 2 4 1 1 Mythos Zanker 1965, 105 (ca 550 v Chr ) Schmidt 2005, 29–30, Kurtz/Boardmann 1985, 128 Zur chronologischen Ordnung und Formentwicklung: Nakayama 1982, 21–29 Vgl Schmidt 2005, 32–34, Oakley 2004, 4–6, Kurtz 1975, Waser 1898, 43 Zu Hermes: Oakley 2004, 137–141, Willinghöfer 1996, Garland 1985, 56, Zanker 1965 Zur Gattung: Hame 1999, Koch-Bringmann 1999, Reilly 1989, 411–444, Put 1988, Garland 1985, Wehgartner 1983, Nakayama 1982, Vermeule 1979, Felten 1976, 77–113, Kurtz 1975, Fairbanks 1907/1914, Pottier 1883 Schmidt 2005, 35–37/57–59 Simon 1985, 316 Vgl Krauskopf 2013, 74–75, Maderna 2011, 48–61, Oakley 2005, 19–75/145–214, Scholl 1996, 88–89, Kurtz/Boardmann 1985, 129–130

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gezeigt, wobei die vertraute und freundliche Haltung gegenüber den Verstorbenen auffällt Der Gott blickt die Toten direkt an, streckt ihnen die Hand entgegen oder hält ihre Hand1242 Weiterhin bedeutungsvoll ist, dass Hermes nicht allen Menschen beisteht, sondern nur mit Frauen oder Knaben gemeinsam wiedergegeben wird, denen gegenüber er auch sonst als besonders verantwortlich und zugewandt galt1243 Beide Gruppen waren besonders schutzbedürftig, weshalb sie auch im Grabkontext so herausstechen Wie Stefan Schmidt festhielt, waren „diese Bilder für den speziellen Fall des zu frühen Todes gedacht“1244 In den Darstellungen mit Frauen und Mädchen wird Hermes wie der Bräutigam dargestellt, der die junge Braut an der Hand heimgeführt hätte, wäre sie nicht zu jung verstorben1245 Für die Knaben wird eine bürgerliche Erziehung beansprucht1246 Die Darstellungen des Todes beschäftigen sich oft mit dem Übergang in die Unterwelt, der mit „Allegorien des Todes“1247 wie Charon oder Thanatos verknüpft ist Hermes hingegen tritt als Vermittler zwischen der Sphäre der Lebenden und der Toten auf1248 So bringt er die Verstorbenen beispielsweise zu dem Fluss, der die Grenze zur Unterwelt markiert und an dem Charon wartet1249 Dies zeigt sich unter anderem daran, dass Hermes in der Mitte zwischen den Verstorbenen und dem Fährmann dargestellt wird, wobei er immer den Lebenden zugewandt ist1250 Entsprechend war Hermes gleichzeitig der Geleiter auf dem letzten Weg und der Gott der Grenze, jedoch kein Seelengeleiter1251 Daher sind Abbildungen von Hermes ohne Charon im Kontext von Tod extrem selten sind Ebenfalls nehmen zwei Marmorlekythen, die Hermes darstellen, Bezug auf mythische Szenen Bei der einen handelt es sich um die sogenannte Marmorlekythos der Myrrhine1252 Diese soll im folgenden Abschnitt eingehender betrachtet werden Zum anderen ist eine auf der athenischen Akropolis gefundene Basis einer Marmorlekythos

1242 Vgl z B Palermo, Fondazione Banco di Sicilia, Inv -Nr 310, München Staatl Antikensamml , Inv Nr 6248, Athen Nat -Mus , Inv -Nr 1830/1940/1974, Staatl Mus Berlin, Inv -Nr F 2445 Siehe auch: Sourvinou-Inwood 1996, 346, Zanker 1965, 106/109 1243 Vgl z B Staatl Mus Berlin, Inv -Nr F 2445, Athen Nat -Mus , Inv -Nr 12738/1830/1926/1940/1974, München Staatl Antikensamml , Inv -Nr 2777/6248, Palermo, Fondazione Banco di Sicilia, Inv Nr 310 Dazu: Schmidt 2005, 40–44, Willinghöfer 1996, 91, Reilly 1989, Simon 1985, 314 1244 Schmidt 2005, 58 1245 Vgl Peek 1960, Nr 193 Hierzu: 2 3 3 2 Der Weg in die Ehe 1246 Hierzu: 2 4 2 2 Verdienste im Leben Siehe auch: Kuhle 2018 1247 Vgl Oakley 2005, 88–144 Dazu: Schmidt 2005, 58, Felten 1975, 63, Waser 1898, 43 1248 Krauskopf 2013, 80 Siehe auch: Jena Universität, Inv -Nr V 225 (ca 460 v Chr) Dazu: Oakley 2005, 137–138, Peifer 1989, 119–121, Otto 1929, 145 1249 Felten 1975, 63, Waser 1898, 43 In die Aufteilung werden in einem Beispiel auch Hypnos und Thanatos aufgenommen (Athen Nat -Mus , Inv -Nr 1830) 1250 Peifer 1989, 149, Zanker 1965, 105 1251 Vgl Wallensten 2019, 248, Anm 18, Sourvinou-Inwood 1996, 346, Garland 1985, 56, Simon 1985, 31, Burkert 1985, 157–158, Kahn 1978, 177–180, Felten 1975, 88, Bérard 1974, 25–26 1252 Vgl Athen Nat -Mus , Inv -Nr 4485 (ca 420 v Chr )

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von Gisela Richter als Grabschmuck interpretiert worden1253 Auf der Basis ist ein Relief von Hermes und den Chariten angebracht1254 Jennifer Larson hat die besondere Beziehung von Hermes zu Gruppen von weiblichen Gottheiten wie den Nymphen und Chariten herausgestellt1255 Es gilt nochmals darauf hinzuweisen, dass Hermes nach antiker Vorstellung vor allem Frauen auf ihrem letzten Weg beistand, sodass die Basis vor diesem Hintergrund zu deuten ist Die Verstorbene wird durch die weiblichen Gottheiten verkörpert, wie es auch bei Grabmarkierungen von Männern zu beobachten ist, deren Tugenden zum Beispiel durch Darstellungen von Herakles versinnbildlicht werden1256 Daher wurde Hermes hier bewusst als Geleiter der Nymphen dargestellt, weshalb der Gott nicht als Ψυχοπομπός interpretiert werden kann Überdies erlauben die Malereien an den Wänden in hellenistischen Monumentalgräbern einen Einblick in den Diskurs über die Unterwelt Diese aufwendigen und kunstvollen Darstellungen zeigen den Verstorbenen gemeinsam mit den Göttern sowie Szenen der mythischen Vergangenheit1257 Ein besonders kunstvolles Beispiel ist das Grab von Levkadia, dessen Friese mythische und menschliche Kampfszenen präsentieren1258 Der obere Teil des zweistöckigen architektonischen Bauwerks zeigt Türen zwischen ionischen Säulen1259 Im unteren Teil werden vier Bildfelder durch dorische Säulen voneinander geschieden Die Bildfelder zeigen den Verstorbenen selbst als Krieger, Hermes, Aiakos und Rhadamanthys Je zwei Figuren bilden eine Einheit, die durch den Eingang in das Grabmonument voneinander getrennt werden Somit stellen der Verstorbene und Hermes eine Gruppe dar Der Gott, der mit einem kurzen Gewand bekleidet ist und das Kerykeion in der linken Hand hält, streckt den rechten Arm dem Verstorbenen einladend entgegen Damit fordert Hermes den Verstorbenen auf, ihn zu den Totenrichtern Aiakos und Rhadamanthys zu begleiten, die ihn in der Unterwelt erwarten Durch die auch räumliche Trennung der beiden Szenen wird deutlich, dass Hermes dem Toten beistehen soll, wenn dieser vor die Richter tritt Eine letzte Form des Grabschmucks, die nur in Ausnahmefällen Bezüge zur mythischen Unterweltsvorstellung erkennen lässt, sind die Grabstelen Auf einem Exemplar aus Apollonia ist Hermes dargestellt, wie er den Verstorbenen auf einer Treppe erwartet, die zu Charons Boot hinabführt1260 Die aufwendige und kunstvolle Gestaltung deutet auf die wirtschaftliche Potenz der Polis Apollonia im 3 Jh  v Chr und des Verstorbenen hin Die Stele ist in mehrere Bildfelder geteilt Im oberen Feld trauern zwei 1253 1254 1255 1256 1257 1258 1259 1260

Richter 1961, 55–56 Vgl Akr Mus , Inv -Nr 3826 (Ende 6 /Anfang 5 Jh  v Chr ) Vgl Larson 2001 Hierzu: 2 2 1 Höhlen Vgl z B Athen Nat -Mus , Inv -Nr 4502 (ca 410–400 v Chr ) Vgl Kurtz/Boardmann 1985, 331–334 Vgl LIMC s v Hermes 600 (Anfang 3 Jh  v Chr ) Zu Scheintüren und deren Bedeutung und Funktion in Kleinasien: Walkens 1986 Vgl Mus Apollonia, Inv -Nr 5030 (3 Jh   v Chr ) Dazu: Kuhle 2018, 66, Abb 9 (92), Eggebrecht/u a 1988, 408–409

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Frauen, wobei die eine noch die Hand des Verstorbenen hält Dieser befindet sich im mittleren Feld schon auf den Stufen, die zum Boot des Charon hinabführen Die andere Hand des Toten hat Hermes, der eindeutig durch das Kerykeion gekennzeichnet ist, ergriffen und hilft ihm beim Abstieg Am unteren Ende der Treppe ist ein weiterer Verstorbener zu erkennen, der das Boot schon fast erreicht hat Durch die Treppe wird das dritte Bildfeld abgetrennt, welches einen Unterweltsrichter zeigt, der die Toten erwartet Die Elemente wurden genutzt, um den idealen Weg des Toten von der Erde in die Unterwelt nachzuzeichnen Die Trennung zwischen der Welt der Lebenden und dem kürzlich Verstorbenen wird durch den herabhängenden Mantel der trauernden Frau und die im Abschiedsgruß verbundenen Hände aufgebrochen, während die Grenze zur Unterwelt nur mit Charons Hilfe überschritten werden kann Wiederum ist eine gedachte Aufgabenteilung zwischen Hermes und Charon erkennbar: Hermes holt den Toten aus dem Kreis der Familie ab und bringt ihn zu Charon, der ihn in die Unterwelt fährt Abermals fällt auf, dass ein Geleit durch Hermes eine besondere Auszeichnung war, denn der andere Tote, der bereits am Boot angekommen ist, musste den Weg allein gehen Demnach stellt diese Grabstele einerseits das erhoffte weitere Schicksal des Toten dar, andererseits wird an die Verdienste des Verstorbenen zu seinen Lebzeiten erinnert, indem er im Tod ein persönliches Geleit durch Hermes erfährt Dies lässt sich auch in den schriftlichen Quellen greifen, wie ein Epigramm von Hegesippos aus dem 3 Jh  v Chr zeigt1261: „Von dem Holzstoß nach rechts führt Hermes die Guten | (also sagt man) den Weg zu Rhadamanthys hinab  | Ihn ging Chairestratos’ Sohn Aristonoos nun zu der Völker | Führer, zu Hades, ins Haus, reichlich von Tränen gefolgt “

Das Epigramm kann in zwei Teile gegliedert werden Der erste Teil stellt eine Wegbeschreibung zu dem Unterweltsrichter Rhadamanthys dar, die einen deutlichen Bezug zu den dionysischen Mysterien hat1262 Demnach war der verstorbene Aristonoos sehr wahrscheinlich in die Mysterien eingeweiht Wie auf der Stele aus Apollonia ist hier der Gedanke greifbar, dass Hermes ausgewählte Tote (ἀγαθοί) auf ihrem Weg zu dem Richter in der Unterwelt begleitet und ihnen beim Urteil beistand1263 Dass es sich für den Verfasser des Epigramms nur um einen Topos und nicht um eine tatsächliche Vorstellung handelt, wird von dem Einschub „also sagt man“ noch bestätigt Der zweite Teil wiederum spiegelt die tatsächliche Vorstellung des Überganges wider: Aristonoos geht selbstständig in den Hades hinab (καταβαίνω), während die Hinterbliebenen trauern Wie auch bei anderen Beispielen erscheint die Anwesenheit von Hermes als 1261 Anth Gr 7, 545 (3 Jh  v Chr , Übersetzung Beckby 1968): „Τὴv ἐπὶ πυρκαïῆς ἐvδέξιά φασι κέλευθοv | Ἑpμῆv τοὺς ἀγαθοὺs εἰς Ῥαδάμανθυv ἄγειv | ᾗ καί Ἀριστόvοος, Χαιρεστράτου οὐκ ἀδάκρυτοs | παίς, ἡγησίλεω δῶμ᾽ Ἂïδοs κατέβη ” 1262 Vgl Graf/Johnston 2013 mit älterer Literatur 1263 Zur Grabstele aus Apollonia: Hermes führt den Toten eine Treppe zu Charon hinunter (Mus Apollonia, Inv -Nr 5030, 3 Jh  v Chr )

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tröstlich für Verstorbene und Hinterbliebene Die wenigen Darstellungen des Geleits finden sich ausnahmslos auf herausragenden Stücken, die Ergebnis eines individuellen Gestaltungswillens waren Dementsprechend dürfen sie nicht als weit verbreitete oder allgemein anerkannte Vorstellung von Hermes missverstanden werden 2.4.2.2 Verdienste im Leben: Eusebeia, Paideia und Agonistik Diesen wenigen Beispielen mythischer Unterweltsdarstellungen steht eine Vielzahl von Grabmarkierungen gegenüber, auf denen Hermes eine Funktion in Bezug auf die Verdienste der Verstorbenen im Leben einnimmt Darstellungen des Gottes wurden verwendet, um zu zeigen, dass die Verstorbenen sich besonders um religiöse Angelegenheiten (Eusebeia) verdient gemacht oder sich durch ihre Teilhabe in der Polisinstitution des Gymnasions (Paideia und Agonistik) ausgezeichnet hatten Im Folgenden sollen Beispiele für jede der Kategorien analysiert werden, wobei die meisten Zeugnisse der ersten Gruppe zuzuordnen sind Am Ende steht ein Exkurs über die thessalischen Grabstelen Das korrekte religiöse Verhalten gehörte zu den bürgerlichen Tugenden Darüber hinaus bot der religiöse Sektor besonders für Frauen eine der wenigen Gelegenheiten, sich auch öffentlich hervorzutun Dieses Engagement sollte nach dem Ableben der Personen im Gedächtnis bleiben, sodass es häufig auf den Grabmarkierungen thematisiert wurde Eine Möglichkeit, ein besonderes Nahverhältnis zu den Göttern zu präsentieren, war, die Person in direkter Interaktion mit den Göttern zu zeigen, wozu körperliche Berührungen von Gott und Mensch zählten Aus dem 5 Jh  v Chr stammen mehrere Zeugnisse, die eine besondere Beziehung von Hermes zu weiblichen Verstorbenen nahelegen Ein erstes und kunstvolles Beispiel ist die Marmorlekythos zum Totengedenken an Myrrhine1264 Da sich auf den Marmorlekythen im Gegensatz zu den weißgrundigen Lekythen Szenen aus dem alltäglichen Leben finden, sind neben Myrrhine auch drei athenische Bürger abgebildet1265 Die Mitte der Szene nimmt Hermes ein, der mit Chlamys und Flügelschuhen bekleidet ist und kein Kerykeion trägt Mit seiner linken Hand umfasst er diejenige der hinter ihm stehenden Myrrhine, welche durch eine Namensinschrift über ihrem Kopf kenntlich gemacht ist1266 Der Gott ist in einer Vorwärtsbewegung gezeigt, dreht sich aber zu Myrrhine um und blickt sie an Ihnen gegenüber stehen die drei Bürger, welche die Szene beobachten1267 Zu Recht wurde die Lekythos mit dem bekannten Eurydike-Relief verglichen1268 Im Gegensatz zu der Heroine wird 1264 1265 1266 1267 1268

Vgl Athen Nat -Mus , Inv -Nr 4485 (ca 420 v Chr ) Felten 1975, 63 IG II2 12196 (ca 420 v Chr ) Inschrift: „Μυρρίνη“ Dazu: Felten 1975, 55 Garland 1985, 12 Karusu 1961, 92–93

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Myrrhine jedoch von dem vor ihr stehenden und zurückblickenden Hermes geführt Ferner sind Parallelen zu den weißgrundigen Lekythoi erkennbar, auf denen Hermes mit Frauen erscheint Außerdem muss auf die zahllosen Nymphenreliefs, die Hermes als Führer einer Gruppe weiblicher Gottheiten zeigen, hingewiesen werden, da einige Charakteristika auch bei der Lekythos wiederzufinden sind1269 So führt Hermes den Reigen zumeist nach links und die erste Nymphe und der Gott berühren sich an den Händen, wie es auch bei Myrrhine der Fall ist Während sich Männer auf Grabstelen als Heros darstellen ließen, konnten sich Frauen als Nymphen abbilden lassen Warum aber entschieden Myrrhine und ihre Angehörigen sich für einen so einmaligen Grabschmuck? Hermes war zwar ein Gott der Unterwelt, die Vorstellung von Hermes als Seelengeleiter trat aber erst im späten 4 Jh  v Chr in Erscheinung Demnach war zum Todeszeitpunkt der Myrrhine um 420 v Chr noch die Auffassung weit verbreitet, dass die Seelen selbstständig in den Hades hinabgingen oder von Charon in seinem Boot gefahren wurden Dagegen war Hermes als Geleiter auf allen Wegen, der unter bestimmten Voraussetzungen vor allem weibliche Personen auf ihrem letzten Weg begleitete, schon in Ansätzen greifbar, aber noch nicht ausformuliert, wie die athenischen Lekythen zeigen Zwar kann nicht mehr rekonstruiert werden, ob die Athener tatsächlich davon ausgingen, dass Hermes persönlich erschien Die wenigen Beispiele, in denen ein Geleit durch Hermes im Grabkontext dargestellt wird, zeigen jedoch, dass es als individuelle Möglichkeit genutzt wurde, das Ansehen und die Vorbildhaftigkeit der Verstorbenen während des Lebens hervorzuheben Dies ist bei Myrrhine der Fall Sie muss eine einflussreiche Frau gewesen sein, da sie das Privileg hatte, mit einer solchen Lekythos geehrt zu werden1270 Tatsächlich finden sich Hinweise auf ihre Person in anderen zeitgenössischen Quellen So war eine Myrrhine die erste Priesterin der Athena Nike1271 Zusätzlich könnte sie Aristophanes für seine Lysistrata als Vorbild gedient haben In Erinnerung an ihre herausragenden Dienste für die Göttin wurde die Lekythos aufgestellt, mit welcher gleichsam ein persönliches Geleit von Hermes für die Verstorbene beansprucht wurde Da Hermes und Athena Nike in Athen gemeinsam verehrt wurden, war Myrrhine zu Lebzeiten auch für den Hermeskult zuständig gewesen1272

1269 1270 1271 1272

Vgl Larson 2001 Pomeroy 1997, 120 Kähler 2013, 182, Kanavou 2011, 129–134, Clairmont 1983, 160–165 IG I3 369, Z 112–117 (426/425–423/422 v Chr ), IG I3 376, Z 13 (409/408 v Chr ) Hierzu: 2 1 3 2 Öffentliche Räume II

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Eine Nachahmung dieses Kunstwerks war die Grabstele der Aristomache, von der nur noch das untere rechte Fragment auf dem Kerameikos gefunden wurde1273 Weiterhin überliefert ist das zugehörige Epigramm1274: „Als ein Denkmal (ihrer) Frömmigkeit auf dem Grab der Aristomache (stehe ich)  | Wenn doch Hermes die guten Toten heimführe!“

Parallel zu Myrrhine wird bei Aristomache besonders ihre Ehrfurcht vor den Göttern hervorgehoben Sehr wahrscheinlich hatte Aristomache ebenfalls ein Priesteramt inne Außerdem bestätigt der zweite Vers des Epigramms die aufgestellte These, dass Hermes nur die Toten, welche sich im Leben durch bürgerliche Tugenden auszeichneten, geleitete Ähnliches finden sich auch in späteren Grabepigrammen1275 Die Formulierung gleicht guten Wünschen, die Angehörige ihren Verstorbenen mitgaben Auf einem weiteren Grabmal einer unbekannten Frau ist Hermes in vertrauter Weise mit der Toten dargestellt1276 Im Giebelrelief des ebenfalls aus der Zeit um 410 v Chr stammenden Grabmals ist die Verstorbene in der Mitte dargestellt Dahinter steht Hermes, der ihr die Hand auf die Schulter legt Diese Motivik ist zum Beispiel von Reliefs für Demeter und Kore bekannt und drückt Verbundenheit aus1277 Auftraggeber und Künstler dieses Werks orientierten sich bei der Gestaltung demnach an zeitgenössischen Weihreliefs Die Anwesenheit von Hermes und sein vertrauter Umgang mit der Verstorbenen zeigen einmal mehr, dass Hermes nur in besonderen Fällen Menschen im Tod beistand Die besondere Beziehung von Hermes zu Frauen beschränkt sich jedoch nicht auf die genannten Beispiele des späten 5 Jh  v Chr Pausanias berichtet von dem Grabmal der Sibylla Hierophile im Hain des Heiligtums von Apollon Smintheus in Chrysa, welches aufgrund des Epigramms in das 3 Jh  v Chr datiert werden kann Das Epigramm gibt er folgendermaßen wieder1278: „Ich bin des Phoibos Seherin Sibylla, | die unter diesem steinernen Mal verwest, | zuvor eine kündende Jungfrau, nun aber für immer verstummt, | da das harte Geschick mich hier fesselt, | aber den Nymphen und Hermes bin ich hier nahe, | da es mein Schicksal ist, der Herrin hier unten zu folgen “ 1273 Vgl Athen Nat -Mus , Inv -Nr 1680 (um 410 v Chr ) ͂ 1274 IG I3 1287 (ca 410 v Chr ) Inschrift: „[σῆμα τόδ’ εὐσεβί]ας ἐπ’ Ἀριστομάχης τάφωι hεμ[αι]· | [εἴθ’ Ἑρμῆς ἀνάγ]οι τὸς ἀγαθὸς φθιμένος“ 1275 Vgl z B Anth Gr 7, 545 (3 Jh  v Chr ), I Beroia 391 (=SEG 59–655, 4 /3 Jh  v Chr ), Peek 1960, Nr 193 Zu Beispielen für weitere Epigramme mit εἰ-Sätzen: Peek 1955, Nr 505–509 1276 Speier 1932, 45, Taf 12, 1 Siehe auch: Bildfeldstele einer Frau mit Hermes im Handschlag (MDAI(A) 71 (1956), 119, Anm 34) 1277 Speier 1932, 46 1278 Paus 10, 12, 6 (Übersetzung Meyer 2001): „ἅδ᾽ ἐγὼ ἁ Φοίβοιο σαφηγορίς εἰμι Σίβυλλα | τῷδ᾽ ὑπὸ λαϊνέῳ σάματι κευθομένα, | παρθένος αὐδάεσσα τὸ πρίν, νῦν δ᾽ αἰὲν ἄναυδος, | μοίρᾳ ὑπὸ στιβαρᾷ τάνδε λαχοῦσα πέδαν  | ἀλλὰ πέλας Νύμφαισι καὶ Ἑρμῇ τῷδ᾽ ὑπόκειμαι, | μοῖραν ἔχοισα κάτω τᾶς τότ᾽ ἀνακτορίας “ Dazu: Raingeard 1934, 213–214

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Es handelt sich bei der Verstorbenen um die mythische Seherin des Orakelgottes Apollon, die von dem Gott auserwählt war In dem Text wird einerseits der Tod von Sibylla beklagt, andererseits die Nähe zu der Kultstätte von Hermes und den Nymphen hervorgehoben1279 Hermes ist als Führer der Nymphen und nicht als Seelengeleiter angesprochen Dies wird dadurch bekräftigt, dass Persephone, als Herrin der Unterwelt über die Toten gebietet Auf den hellenistischen Grabstelen ab dem 3 Jh  v Chr wird die Darstellung einer engen Beziehung zu dem Gott Hermes auch genutzt, um die Vorbildhaftigkeit von Männern herauszustellen1280 Bei dieser häufigen Form der Grabmarkierung handelt sich meist um längliche Steinmonumente, die mit Reliefs, Malereien und Inschriften geschmückt sein können1281 Die Stelen markierten einerseits die Grabstätte und dienten anderseits der Erinnerung an die Toten1282 Sie können als „erzählerische Darstellung des Verstorbenen und seiner Angehörigen“1283 beschrieben werden Dabei wurden die Verstorbenen in den Kontext ihrer Polis gestellt1284 Außerdem werden sie in idealisierten Posen gezeigt, welche die Normen und Wertvorstellung der Gemeinschaft widerspiegeln Entsprechend sind Grabstelen als „visuelle Vergegenwärtigung […] einer sozialen Rolle“1285 zu verstehen Innerhalb der Gemeinschaft von theoretisch gleichberechtigten Bürgern konnten Einzelne sich durch eine vorbildhafte Lebensführung hervortun Zu dieser gehörte neben der Ehrfurcht vor den Göttern auch politisches Engagement, Wohltätigkeit oder die Ausbildung im Gymnasion Die Verdienste um die Gemeinschaft sollten über den Tod hinaus memoriert und honoriert werden1286 Weil die Toten innerhalb der Gemeinschaft von Lebenden gezeigt wurden, waren Szenen von Mythen und Göttern auf den bürgerlichen Grabstelen selten geworden1287 Die Ehrfurcht vor den Göttern (εὐσέβεια) konnte auf den Grabstelen ausgedrückt werden, indem einerseits ein Opfer dargestellt wurde So zeigt das Relief der Grabstele von Posides aus Miletoupolis beispielsweise den heimkehrenden Posides bei einem Opfer an einem Altar, neben dem eine Herme steht1288 Ferner weiht der zu früh verstorbene Knabe mit dem theophoren Namen Hermios auf dem Relief seiner Grabstele 1279 Hierzu: 2 2 2 Haine, Quellen und Flüsse 1280 Hermesdarstellungen auf Grabstelen sind für die Archaik nicht belegt (Hiller 1975, Richter 1961) Als ein mögliches frühes Zeugnis können drei größere Platten der spätarchaischen Zeit (um 500  v Chr ) gelten, die in Zweitverwendung in der Themistoklesmauer gefunden wurden, über deren ursprüngliche Verwendung allerdings nur gemutmaßt werden kann (Karusu 1969, 32, Nr 89/2823/2826) Die äußeren beiden zeigen Hermes, auf der dritten sind nur noch die Füße der Person zu erkennen Zu Hermes auf Grabstelen des 3 –1 Jh  v Chr : Kuhle 2018 1281 Hölscher 2015, 142–143 1282 Plut Aristides 21 Dazu: Scholl 1996, 88 1283 Scholl 1996, 88 1284 Vgl Fabricius 1999, Bergemann 1997 1285 Scholl 1996, 90 Siehe auch: Marchiandi 2014, 661–662, Zanker 1993, 213 1286 Der Begriff des sozialen Kapitals wird hier im Sinne Bourdieus verstanden (Bourdieu 1983) 1287 Fabricius 1999, 19 1288 Vgl Pfuhl/Möbius 1377 (=I Kyzikos I, 410, 3 Jh v Chr) Dazu: Kuhle 2018, 75–76

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seine Schulsachen an seinen Schutzgott Hermes1289 Anderseits präsentieren gleich mehrere Zeugnisse Hermes als Teilnehmer eines Gastmahls Schon in der „Odyssee“ ist zu lesen, dass Hermes bei jedem Abendessen eine Spende erhielt und dies setzt sich in historischer Zeit fort1290 Dieser Gedanke wurde auf einer Marmorstele aus Korinth aufgegriffen1291 Zwar ist die Stele stark fragmentiert, dennoch ist eine Totenmahlszene mit einem liegenden, nackten Heros erkennbar1292 Hermes, ausgestattet mit Chlamys und Kerykeion, ist als aktiver Teilnehmer des Banketts in der Geste eines Rhetors gezeigt Ebenfalls aktiv nimmt Hermes in der Darstellung eines Banketts zu Ehren eines Verstorbenen aus Apollonia teil1293 Der Gott, der durch das Kerykeion eindeutig zu identifizieren ist, steht hinter der Kline des Verstorbenen und bekränzt ihn mit einem Ehrenkranz Die sonst sehr stereotype Darstellung der Mahlszene wurde hier aufgebrochen, damit der Verstorbene in glänzendem Licht erscheint: Er war reich, ein Mitglied der besten Gesellschaft, Liebling der Götter und wird daher von einem olympischen Gott mit einem Ehrenkranz ausgezeichnet Die Grabstelen dienten vor allem dem individuellen Totengedenken; daneben waren sie ein Mittel der öffentlichen Selbstdarstellung Neben der Frömmigkeit wurde auf den Grabstelen ab dem 4 Jh  v Chr vor allem die tatsächliche oder vorgesehene Teilhabe in der Polisinstitution des Gymnasions betont1294 Dies konnte mithilfe eines Reliefs, das neben anderen Symbolen eine Herme zeigt, geschehen Hermen auf Grabstelen tauchen ab der Wende vom 4 zum 3 Jh   v Chr auf und werden hauptsächlich in Phokis, Thessalien, Makedonien, den ägäischen Inseln sowie Kleinasien verwendet, wohingegen es in Attika nur wenige Beispiele gibt1295 Die verwendeten Götterbilder entsprachen einerseits der zeitgenössischen Darstellungskonvention So bestanden die hellenistischen Hermen aus einem sich nach unten verjüngenden Schaft auf einem Sockel Figürlich ausgeformt waren nur der jugendliche, unbärtige Kopf, der Hals und zum Teil die Schultern der Gottheit1296 1289 Vgl Pfuhl/Möbius 273 (3 /2 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ἑρμία Ἐγνάτιε Αὔλου | χαῖρε “ Zu theophoren Namen: Mora 1995/1994 1290 Hom Od 7, 134–138 1291 Vgl LIMC s v Hermes 616 (4 Jh  v Chr ) Siehe auch: Ridgway 1981, 427–428, Taf 91 1292 Ridgway 1981, 427 Zum „Bürger als Heros“: Schmidt 1991, 141–146, Himmelmann 1999a, 83–84 1293 Vgl Mus Tirana, Inv -Nr 86 (3 Jh  v Chr ) 1294 Zanker 1993, 235 (Response: Brunilde Sismondo Ridgway) 1295 Biesantz 1965, K 53 (4 /3 Jh   v Chr ) Hermendarstellungen finden sich vermehrt auf Samos (Pfuhl/Möbius 1829, Hell Bildwerke auf Samos 121/125), Delos [Couilloud 1974, Nr 167 mit Taf 39 (eine stehende und eine sitzende männliche Figur, im Hintergrund Herme)/296–300 mit Taf 57–58 (junger Mann in bürgerlichem Gewand stützt sich mit der rechten Hand auf die Herme, daneben ein kleiner Diener)], in Byzantion (Fabricius 1999, 261, Anm 201) und in den mysischen Zentren Kyzikos und Miletoupolis (Cremer 1991) Siehe auch: Pfuhl/Möbius 114–115/123/126– 127/130–132/134–135/140/176/267/271/323/731/745/770/804/821/1008–1009/1109/1948 Stücke außerhalb des Betrachtungszeitraums: Pfuhl/Möbius 175/178/1380/1384 Dazu: Zanker 1993, 220, Schmidt 1991, Wrede 1986, 44–47 1296 Wrede 1986, 2

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Andererseits wurde die Darstellung dem Verstorbenen angepasst, sodass neben den jugendlichen Hermen auch archaisierende Götterbilder Verwendung fanden1297 Diese zeichneten sich durch einen gleichmäßigen viereckigen Schaft aus, der direkt auf dem Boden stand und von dem Portrait eines älteren Gottes mit Lockenfrisur und Bart gekrönt war Darüber hinaus gehörten Paideia und Agonistik zu den Themen, die in den wenigen Grabinschriften, die eine Anrufung an Hermes beinhalten, behandelt werden1298 Beispiele dafür stammen aber erst aus dem 2 Jh  v Chr Gerade bei den hellenistischen Grabstelen männlicher Verstorbener steht die Bildung oftmals im Vordergrund Die lesende und schreibende Bevölkerung ließ sich mit Buchrollen, Diptycha und Schreibgeräten darstellen1299 Dabei fällt auf, dass diese Thematik in ländlichen Regionen stärker ausgeprägt ist Als Symbol des Gymnasions und der damit verbundenen bürgerlichen Tugenden wurde seit dem 3 Jh  v Chr und verstärkt im 2 Jh  v Chr die Herme verwendet Besonders betont wurde die Paideia und sportliche Betätigung sowie die erfolgreiche Teilnahme an Agonen1300 Demnach stand das Götterbild in keiner Verbindung zu einer Vorstellung von Tod und Jenseits, weshalb Hermen nur in Darstellungen, die den Toten im Kreis der Lebenden zeigen, erscheinen1301 Auffällig häufig sind junge Männer in Interaktion mit einer Herme abgebildet, wobei sowohl Berührungen, wie bei den thessalischen Beispielen, als auch Libationen erkennbar sind Berührt werden kann das Götterbild zum Beispiel, indem sich der Verstorbene dagegen lehnt, sich mit einer Hand aufstützt oder es Teil einer Opferhandlung wird1302 Auf einem stark zerstörten Beispiel aus Kyzikos schreitet ein Knabe auf eine am linken Bildrand stehende Herme zu, vor der ein kleiner Hund steht1303 In der rechten Hand hält der Jüngling eine Schreibtafel, die er dem Gott weihen möchte Durch die Berührung und die Weihung von Gegenständen der Ausbildung wird die besonders enge Beziehung zum Gott ausgedrückt, die sich auch im Hermeskult der griechischen Gymnasia wiederfindet1304 Solche Bildmotive werden häufig auf den Grabstelen von zu jung verstorbenen Knaben als Entschädigung für den frühen Tod und als Selbstvergewisserung des gesellschaftlichen Ablaufes für die Hinterbliebenen verwendet1305 Eine gute und standesgemäße Erziehung, welche durch die Herme versinnbildlicht wurde, konnte ebenso für Mädchen beansprucht werden Ein Beispiel dafür ist die Grabstele von Hadea aus dem makedonischen

1297 1298 1299 1300 1301 1302

Rückert 1998, 117 Beispielsweise: Pfuhl/Möbius 175/178/1377 Dazu: Kuhle 2018 Peek 1960, Nr 167/202/306/434 Walkens 1986, 12 Pind I 6, 3 Siehe dazu: Pomeroy (1997) 86 Anders: Perriello/Pivoteau-Deschodt/Zachari 2013 Zum Anlehnen (Pfuhl/Möbius 140), zum Aufstützen (Pfuhl/Möbius 134) und zum Weihen (Pfuhl/Möbius 135) 1303 Pfuhl/Möbius 770 Dazu: Kuhle 2018, 62 1304 Wrede 1986, 46 1305 Vgl Kuhle 2018, 72–74 mit älterer Literatur

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Beroia1306 Die Verstorbene ist gemeinsam mit einer Herme dargestellt und die Inschrift enthält eine Anrufung an Hermes Χθόνιος Die besondere Fürsorge des Gottes für die zu jung verstorbenen Kinder spiegelt sich zudem in den wenigen Grabepigrammen aus dem behandelten Zeitraum wider, die Hermes erwähnen1307 Außerdem war die erfolgreiche Teilnahme an Wettkämpfen aller Art ein Teil des bürgerlichen Selbstverständnisses Nach Platon war der Athlet „der Inbegriff bürgerlichen Glückes und Ansehens“1308 Dies konnte zum Ausdruck gebracht werden, indem der siegreiche Sportler, der meist als nackter Jüngling dargestellt war, in Interaktion mit einer Herme trat1309 Hermes wurde als Gott der Agone angesprochen, der den Sieg gewährte1310 Die Verstorbenen wurden im Moment des Opfers nach einem erfolgreichen Wettkampf abgebildet1311 Dabei waren individualisierte Abweichungen von der Darstellungskonvention möglich, wie eine Grabstele aus Smyrna zeigt1312 Das Relief stellt einen sehr beleibten, älteren Mann dar, der eine Siegerbinde hält und sich an eine Herme lehnt Die Vermutung liegt nahe, dass die sportlichen Erfolge des Verstorbenen schon länger der Vergangenheit angehörten An der Bildaussage ändert dies jedoch nichts, da gezeigt werden soll, dass der Verstorbene den bürgerlichen Tugenden gemäß gelebt hatte, zu denen der Besuch des und die Teilnahme an Wettkämpfen im städtischen Gymnasion gehörte Allen Beispielen von Hermesdarstellungen im Grabkontext, die auf Verdienste im Leben hinweisen, ist gemein, dass der Rückbezug auf den Gott stets eine doppelte Funktion hatte: Zum einen wurde die persönliche Zuneigung des Gottes für den oder die Verstorbene beansprucht, zum anderen wurde durch die in Bild und Schrift dargestellten Verdienste im Hermeskult der oder die Verstorbene als Bürger einer Polis dargestellt Weiterhin ist deutlich geworden, dass der Hermeskult als besonders „embedded“ zu bezeichnen ist, da der Gott den Menschen an verschiedenen Stationen im Leben, bis zu dessen Ende und darüber hinaus beistand Den Abschluss der Ausführungen zum Grabkontext bildet ein Exkurs zu den zahlreichen thessalischen Grabstelen mit Hermesnennungen Hermes war im von Viehund Landwirtschaft geprägten Thessalien ein wichtiger Gott, der vor allem wegen seiner Wohltätigkeit verehrt wurde1313 Eines der ältesten Zeugnisse für die Verwendung von Hermesdarstellungen auf Grabstelen stammt aus Larissa: Die aus Marmor

1306 1307 1308 1309 1310 1311

I Beroia 391 (=SEG 59–655, 4 /3 Jh  v Chr ) Dazu: Schmidt 1991, 32 Anders: Palagia 2009 Schmidt 2005, 58 Plat polit 465d/466 a Cremer 1991, 52 Hierzu: 2 5 2 3 Sieger Vgl z B Pfuhl/Möbius 123: Zu sehen ist ein Faustkämpfer neben einer bartlosen Herme, von deren Basispfeiler ein Gewand herabhängt Siehe auch: Wrede 1986, 45 1312 Pfuhl/Möbius 140 1313 Vgl zur Landschaft Thessalien: Mili 2015, Hunold 2009, Moustaka 1983, Biesantz 1965, Philippson 1944, Stählin 1924

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gefertigte Stele bildet einen Mantelträger mit Herme und Schlange ab1314 Im Zentrum des Reliefs lehnt sich der mit einem Himation bekleidete Verstorbene mit dem Ellenbogen auf eine bärtige Herme Ein solches Nahverhältnis zwischen Mensch und Gott ist aus einem anderen Kontext bekannt: In der Komödie „Die Wolken“ (423 v Chr ) von Aristophanes stützt sich Strepsiades vertraulich auf die Herme vor seinem Haus1315 Der vertraute Umgang der Menschen mit den Hermen ist auch in anderen Zeugnissen wie den Terrakotten, die als Geschenke in die Heiligtümer gegeben wurden, greifbar Mehrere Beispiele zeigen junge Männer, die sich an Hermen lehnen oder sich auf sie stützen1316 In Bezug auf die Darstellung in Larissa lässt sich somit vermuten, dass der Verstorbene zu Lebzeiten eine Herme geweiht hatte, an der er regelmäßig opferte Demgemäß handelt es sich um eine Heroisierung des Verstorbenen, was durch die abgebildete Heroenschlange unterstrichen wird1317 Gleichzeitig ist die Herme ein Symbol für die Frömmigkeit der Verstorbenen und seit dem 3 Jh  v Chr auch für den Besuch der städtischen Institution des Gymnasions1318 Ab dem 3 Jh  v Chr wurden in Thessalien zahlreiche Grabstelen mit Anrufungen an Hermes Χθόνιος aufgestellt, die als Massenprodukt bezeichnet werden können1319 Häufig handelt es sich um einfache Werke aus einheimischem, grau-weißem Marmor, die neben einer kurzen Inschrift nur eine als Ritzung oder Relief angebrachte Herme tragen1320 Diese zahlreichen Zeugnisse für die Verehrung von Hermes im Kontext der Nekropolen hat Aphrodite Avagianou in vier Gruppen eingeteilt1321: Die erste umfasst alle Grabstelen, auf denen der Name des Verstorbenen, sein Patronym und eine Anrufung in Form von „Ἑρμάου Χθονίου“ oder „Ἑρμῆι Χθονίωι“ stehen1322 Bei diesen Stücken fehlt eine Darstellung des Götterbildes Die zweite Gruppe vereint die Stelen, die nur die Weihung „Ἑρμάου Χθονίου“ oder „Ἑρμῆι Χθονίωι“ und das darunter befindliche

1314 1315 1316 1317 1318 1319

Vgl Biesantz 1965, K 53 (Ende 4 /Beginn 3 Jh  v Chr ) Aristoph Nub 1480–1487 Hierzu: 2 1 3 3 Nichtöffentliche Räume Vgl I Lindos 2906/2908 (nach 400 v Chr ) Kuhle 2018, 66/76, Himmelmann 1999a, 83 Kuhle 2018, 61–64 Die Darstellungspraxis wurde auch andernorts adaptiert: Grabstein des Kratinos und seines Sohnes Sousikrates aus dem phokischen Elateia [SEG 38–437 (3 /2 Jh  v Chr )] Die graue Marmorstele endet in einer geschwungenen Spitze mit Anthemion, darunter befindet sich das Relief einer Herme und die Anrufung an Hermes Χθόνιος 1320 Vgl Atrax: SEG 34–509 (ca 300  v Chr )/51–678 (3 Jh   v Chr )/43–264 (2 Jh   v Chr )/43–265 (2 Jh  v Chr )/43–257 (150 v Chr ) Evangelismos: SEG 47–735 (3 Jh  v Chr ) Gonnoi: SEG 42–502 (2 Jh  v Chr ) Krannon: SEG 32–602 (ca 200 v Chr ) Larissa: SEG 29–539/29–540/46–649/46– 652/35–624/42–523/45–622 (alle 3 Jh   v Chr ), IG IX 2, 695/698/708/710/715–716/725/736 (alle 4 /3 Jh   v Chr ) Limnaion: SEG 45–630 (frühes 2 Jh   v Chr ) Malloia (erster Hinweis auf einen Kult für Hermes Χθόνιος): SEG 35–636 (=SEG 55–610, ca 450–400  v Chr )/35–638 (ca 200 v Chr ) Mopsion: SEG 40–483 (ohne Datierung) Phytion: SEG 35–660 (ca 300 v Chr ) Skotousa: SEG 45–655 (3 Jh  v Chr ) Siehe auch: Rakatsanis/Tziafalias 1997/2004 1321 Vgl Avagianou 2002a 1322 I Thessalien 11 (2 Jh  v Chr ), I Gonnoi 269 (ohne Datierung)

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Hermenrelief zeigen1323 Dagegen werden in der dritten Gruppe die detaillierteren Zeugnisse zusammengefasst, welche den Namen des Verstorbenen, sein Patronym, eine Anrufung in Form von „Ἑρμάου Χθονίου“ oder „Ἑρμῆι Χθονίωι“, das Relief einer Herme und eine Grußformel wie „χαῖρε“ oder „ἥρως (χρηστέ) χαῖρε“ wiedergeben1324 Auf den Stelen der vierten Gruppe finden sich der Name des Verstorbenen, sein Patronym, das Relief einer Herme und eine Grußformel wie „χαῖρε ἥρως“, „ἡρωΐς (χρηστέ/ χρηστή)“ oder „χαῖρε“, wohingegen der Göttername fehlt1325 Aufgrund der Vielzahl der Grabstelen können auch diese eindeutig Hermes zugewiesen werden Aphrodite Avagianou zeigt, dass in der Religion des ländlich geprägten Thessaliens die Weihung der Grabstele an Hermes Χθόνιος einerseits die Heroisierung des Toten bedeutete und andererseits seine enge Beziehung zum Gott zum Ausdruck brachte Hermes Χθόνιος war demnach nicht der Seelengeleiter, sondern der Schützer des Gemeinwesens1326 Diese Funktion konnte bereits in Bezug auf die Weihungen der thessalischen Oberschicht nachgewiesen werden Die Grabstelen zeigen, dass deren Kultpraktiken und Vorstellungen in Bezug auf den Gott mit der Zeit von einem erweiterten Kreis zumeist bürgerlicher Kultteilnehmer übernommen wurden und dass die Rolle von Hermes als Schützer des Eigentums und der Heimat als allumfassend gewertet wurde Dies wird durch die reich ausgestattete Grabstele aus Larissa, die oben beschrieben wurde, bestätigt Demnach war Hermes Χθόνιος auch in Thessalien ein Gott der Lebenden, der die Menschen und ihre Heimat bewachte und beschützte sowie die Felder und Herden wachsen ließ1327 Zwar dienten Gräber vor allem dem Totengedenken, darüber hinaus konnten sie aber in der wenig städtisch geprägten Region als „Legitimation des Bürgerstatus“1328 und als „Repräsentation von patrilinearer Abstammung“1329 genutzt werden1330 Somit verweisen auch die thessalischen Grabstelen auf die Verdienste der weiblichen und männlichen Verstorbenen während ihres Lebens Dabei standen wegen der Hermenreliefs Verweise auf die Eusebeia und die Teilnahme im Gymnasion im Zentrum Dies wird noch durch das ungewöhnliche Grabmal des Arztes Dikaios und seiner Frau Philista aus Atrax bekräftigt, welches folgende Inschrift trägt1331: 1323 1324 1325 1326 1327 1328 1329 1330 1331

SEG 35–660 (ca 300 v Chr )/46–652 (3 Jh  v Chr ) IG IX 2, 841 (röm ) SEG 46–648 (1 Jh  v Chr ), IG IX 2, 1260 (ohne Datierung) Vgl Mili 2015, MacUrdy 1921, 182 In einem demnächst erscheinen Aufsatz schlagen Jenny Wallensten und Maria Mili eine neue Interpretation der thessalischen Grabstelen mit Weihung an Hermes Χθόνιος vor: Mili/Wallensten (in Vorbereitung) MacUrdy 1921, 182 Breder 2013, 5 Vgl Closterman 2007, 633–652 Himmelmann 1999a, 9–10, Himmelmann 1999b, 21–30 SEG 34–497 (250–200 v Chr ) Inschrift: „Ἰητῆρα Δίκαιον ἀρίγνω[- -] τον τε Φιλίσσταν | κυδαίνων σφετέρους Εὐκρατίδης γονέας, | ξυνὸν ἐπ’ ἀμφοτέροις κτέαρ εἵσατο γᾶν ἀσάλευτον, | τιμῶν ἐν ζωιοῖς ὠγαθὸς εὐσεβίαν· | π[αῖ]δα Ἀγαθόκλειος δὲ τὸν αἰῶνα θανόντα | καὶ τὰν [Εὐ]κρατίδου κυδαλίμαν

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„Dem wohlbekannten Arzt Dikaios und auch Philista, | seinen eigenen Eltern, gab (dies) Eukratides, | er errichtete für die beiden dieses gemeinsame Eigentum auf unbeweglicher Erde, | die Frömmigkeit in ihren guten Leben ehrend  | Das Kind von Agathokles, den das Alter umbrachte, | und die glorreiche Tochter von Eukratides, | nachdem sie gottesfürchtig war, | führt Hermes Ἐριούνιος zu der Insel der Frommen | buntgemischt und siedelt die Guten an, wie es Brauch ist “

Die Inschrift ist auf einer Marmorbasis angebracht auf der noch ein Sockel erkennbar ist, der den Grabschmuck trug Das Grabmal ließ Eukratides errichten, um seiner verstorbenen Eltern zu gedenken, weshalb die Inschrift vor allem die Verdienste der beiden in ihrem Leben aufzählt Während Dikaios erfolgreich als Arzt tätig war, wird bei Philista die hervorragende Lebensführung und ihre Gottesfürchtigkeit betont Dass Hermes als Geleiter tugendhafter Frauen erscheint, ist anhand der athenischen Beispiele bereits deutlich geworden und findet auf diesem thessalischen Grabmal seinen Widerhall Weil sie zu den Guten (ἀγαθοί) gehörte, wurde sie in der antiken Vorstellungswelt mit einem göttlichen Geleit belohnt Zudem führte Hermes sie nicht in die Unterwelt, sondern zu der Insel der Seeligen, die den Tugendhaften vorbehalten war Das Adverb ἄμμιγα (durcheinander, gemischt) scheint Bezug auf den letzten Gesang der „Odyssee“ zu nehmen, in dem Hermes die durcheinander fliegenden Seelen zur Ordnung ruft1332 In diesem spezifischen Fall erhielt Hermes nicht den aufgrund der zahlreichen Parallelüberlieferungen zu erwartenden Beinamen Χθόνιος, sondern wurde als Ἐριούνιος (der Hilfreiche/Wohltätige) bezeichnet 2 4 3 Feste in der Polis: Vermittler zwischen Lebenden und Toten Hermes Χθόνιος wird als Empfänger von Opfern im Zusammenhang von nur wenigen Polisfesten genannt Bereits besprochen wurden das Fest zu Ehren der Toten der Schlacht bei Plataiai (479 v Chr ) und die Anthesterien in Athen1333 Ferner bildeten die Mysterienkulte eine Gruppe von Festen, in denen Jenseitsvorstellungen eine Rolle spielten und Hermes mit Bezug auf seine Unterweltsaktivitäten erschien1334 Walter Burkert hat jedoch treffend festgestellt, dass die Reduktion der Mysterienkulte auf die Jenseitshoffnungen einer „Verarmung“ gleichkäme1335

1332 1333 1334 1335

θυγάτρα | εὐσεβέων εἰς νᾶσον ἂγων Ἐριούνιος Ἑρμᾶς | ἄμμιγα τοῖς ἀγαθοῖς ὡς θέμις ὠκίσατο “ Dazu: Avagianou 2002b Hom Od 24, 1–14/99–101 Hierzu: 2 4 1 1 1 „Ilias” und „Odyssee“ Hierzu: 2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen Pind frg 137a (Maehler/Snell), Soph frg 837 (Radt), Aristoph Ran 440–459 Dazu: Bremmer 2014 Burkert 1990, 85

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Die ältere Forschung nahm an, dass Hermes an allen bekannten Mysterien wie denen für Demeter und Kore in Eleusis, denen für die Großen Götter in Samothrake und Andania, denen für die Kabiren in Theben und auf Lesbos sowie denen für Dionysos beteiligt war1336 Diese Annahme basierte jedoch auf der inzwischen widerlegten Auffassung, dass Hermes in der griechischen Antike als Seelengeleiter wahrgenommen wurde Dagegen betonen die jüngeren Arbeiten, dass entweder nur eine geringe Zahl oder keine Zeugnisse auf eine Hermesverehrung hindeuten, wie das Beispiel Eleusis zeigt1337 Die öffentlichen Praktiken während des neuntägigen Festes sind weitgehend gesichert, wohingegen die geheimen Riten nahezu unbekannt sind Als eine der Hauptquellen für letztere dient der homerische „Hymnos an Demeter“, der sehr wahrscheinlich in Zusammenhang mit den Mysterien entstanden ist und den Raub der Kore behandelt1338 In diesem erscheint Hermes als Verhandlungspartner des Hades und führt Persephone zu ihrer Mutter zurück Christiane Sourvinou-Inwood weist jedoch darauf hin, dass der „Demeterhymnos“ nicht als Drehbuch für die Mysterien gelesen werden könne1339 Daher stellt unlängst Michael Cosmopoulos fest, dass Hermes und Hekate zwar im Hymnos erscheinen, in den bekannten Praktiken der Mysterien, die einen Jenseitsbezug haben, keine Rolle spielten1340 Für Hermes wird dies dadurch gestützt, dass an keinem Tag ein Opfer an ihn oder eine Beteiligung von ihm im Rahmen der geheimen Riten erwähnt wird Sehr wohl wurde Hermes jedoch im Rahmen seiner sonstigen Rollen bei Polisfesten adressiert: Er trat als Gott der Wege und der Grenzen in Erscheinung1341 Weiterhin sahen sich die Mitglieder der athenischen Familie der Keryken, die für den Kultablauf bedeutend waren, als Nachfahren des Hermes an und verehrten ihn entsprechend Ihr Stammvater Keryx sei nach Angabe mehrerer Quellen ein Sohn des Hermes und einer der drei Töchter des Kekrops, Aglauros, Herse oder Pandrosos, gewesen1342 Daneben wird Keryx von manchen Autoren als ein jüngerer Sohn von Eumolpos bezeichnet1343 Außerdem werden mit dem Begriff κῆρυξ Boten und Herolde bezeichnet, sodass die Verbindung des Geschlechts von dem Götterboten noch deutlicher zutage tritt Die Familienzugehörigkeit war für die Selbstwahrnehmung der Einzelnen sehr wichtig, wie die Inschriften nahelegen In 1336 Bowden 2010, 18 mit älterer Literatur, Daumas 1998 Zu den Kabiren in Theben: Schachter 2003, Wolters/Bruns 1940 Zeugnisse für Hermesmysterien sind für den behandelten Zeitraum nicht belegt [TAM III 1, 910–911/922 (röm)] Die oft angeführte Aristophanes-Stelle gibt keinen Hinweis auf Hermesmysterien (Aristoph Pax 420) 1337 Vgl Cosmopoulos 2015, Bowden 2010, Tsochos 2007 1338 Bowden 2010, 26 Hierzu: 2 4 1 Jenseitsvorstellungen der Griechen 1339 Sourvinou-Inwood 2003, 31 1340 Cosmopoulos 2015, 172 mit Anm 25 So schon: Mylonas 1961, 238 1341 Hierzu: 2 3 3 1 Prozessionen und Fackelläufe 1342 Epigr Gr 1046 (ohne Datierung), Paus 1, 38, 3, Poll 8, 103, IG XIV 1389 I, Z 32–33, 54 (röm ), Sch Hom Il 1, 334, Hesych s v κῆρυξ, Harpokr /Suda s v κήρυκες Siehe auch: Getty Mus , Inv -Nr RVAp 1:440, No 22a 1343 Paus 1, 38, 3, Sch Soph Oid K 1053 Dazu: Allan 2018, 55, Meyer 2017, 377–388/394–395

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diesen erscheint einerseits die Selbstbezeichnung als Keryke als fester Bestandteil der Namensformel, andererseits wurden Weihungen Einzelner fast immer im Namen der gesamten Familie dargebracht1344 Dagegen schlägt sich der Bezug auf den göttlichen Vorfahr nur bedingt in der Namensgebung nieder: Von elf namentlich bekannten Hierokeryken trug keiner einen theophoren, von Hermes abgeleiteten Namen und nur zwei von ihnen stammten aus der Deme Hermeios1345 Die Keryken waren neben den Alkmeoniden eines der einflussreichsten athenischen Geschlechter, die wichtige Aufgaben in der Polisverwaltung übernahmen1346 So wurden zum Beispiel Priesterämter für Apollon Delios oder Demeter Eleusinia innerhalb der Familie weitergegeben1347 Da sie bereits in einem solonischen Gesetz erwähnt werden, gehören sie außerdem zu den ältesten Familien Athens1348 Gemeinsam mit der Familie der Eumolpiden kontrollierten und organisierten sie das Demeterheiligtum in Eleusis1349 Dort besetzten Mitglieder der Familie die erblichen Ämter des (Hiero-)Keryx, des Dadouchen und des Altarpriesters1350 Es verwundert kaum, dass diejenigen, welche die heiligen Herolde (Hierokeryken) für die Mysterienkulte in Eleusis stellten, sich als Nachkommen des Hermes verstanden Die Mitglieder der Familie und vor allem der amtierende Hierokeryx genossen hohes Ansehen in Athen: Er durfte später beispielsweise in der ersten Reihe im Dionysostheater sitzen1351 Dass Hermes eher als Gott der Wege und der Grenzen verehrt wurde, kann auf andere Mysterienkulte übertragen werden So wurde Hermes in Samothrake als Καδμῖλος1352 angesprochen, wobei der Beiname entweder von einem Toponym für den Burgberg von Theben oder von einem lokalen Heros abgeleitet sein könnte1353 Ferner soll Samos, ein Sohn von Hermes und einer Nymphe des Gebirges Kyllene, die Polis Samothrake gegründet haben1354 Noch in hellenistischer Zeit wurde Hermes dort als Gründervater neben Athena, Artemis und Demeter verehrt, mit dem erstarkenden römischen Einfluss in der Region gingen die Weihungen an Hermes jedoch deutlich 1344 Vgl z B IG I3 776 (um 500–480 v Chr ) 1345 Clinton 1974, 118, Nr 6/8 Zu nennen sind ein Dadouch Ἑρμότιμος (Mitte–Ende 3 Jh  v Chr , Clinton 1974, 117) und eine Priesterin von Demeter und Kore aus der Deme Ἕρμειος (Clinton 1974, 117) 1346 Parker 1996, 285/300–302, Kron 1976, 94–95 1347 Welwei 1998, 59, Clinton 1974, 77 1348 Sol frg 88 (Ruschenbusch) Dazu: Mylonas 1961, 234 1349 IG I3 78 (ca 422 v Chr ), IG II3 1, 292 (352/351 v Chr ) Dazu: Burkert 1990, 59, Clinton 1974, 8/115 1350 Burkert 1990, 41, Clinton 1974, 8/116 Auch Eleusis wird manchmal als Sohn von Hermes bezeichnet: IG I3 5 (5 Jh  v Chr ), Hyg fab 275, Paus 1, 38, 7, CIG 6280, Z 30–33 (röm ) 1351 IG II2 5043 (röm ) 1352 Hdt 2, 51, SEG 32–1077 (4 Jh  v Chr ), Strab 10, 3, 21, Hesych s  v Κάβειροι, Sch Lykophr 219 (Lesbos, Mytilene), Sch Apoll Rhod 1, 917, Steph Byz s  v Κάβειροι 1353 Toponym: Kühr 2006, 223, Scheer 1993, 316 Heros: Sch Lykophr 219, Steph Byz /Hesych s  v Ἴσσα 1354 Vgl Dion Hal ant 1, 61, Diod 5, 48, Sch Apoll Rhod 1, 917 Dazu: Minchev 2011, 19, Lewis/Lehmann 1985 mit weiteren Quellenbelegen

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zurück1355 Damit erscheint Hermes als regionale Gottheit, die mit lokalen Heroen gemeinsam verehrt wurde Des Weiteren ist aus Velia eine Verbindung von Hermes Καδμῖλος zur Schifffahrt bekannt, welche auch im Heiligtum von Samothrake ihren Niederschlag gefunden haben könnte, denn die Adoranten baten dort um Schutz für die Seefahrt1356 Wiederum zeigt sich deutlich, dass Hermes nicht als Seelengeleiter verehrt wurde, sondern im Rahmen der Funktionen, die er auch sonst in Bezug auf die Polis einnahm Nicht in Zusammenhang mit einem Mysterienkult stand ein Opfer an Hermes, das für die Polis Argos belegt ist In seinen „Griechischen Fragen“ ermittelt Plutarch, was unter dem Enknisma der Argiver zu verstehen sei1357: „Was ist es, was die Argiver Enknisma nennen? Für diejenigen, die einen Freund oder Verwandten verloren haben, ist es Brauch, gleich nach der Trauerphase dem Apollon zu opfern und dreißig Tage danach dem Hermes Denn sie glauben, dass genauso wie Gaia die Körper der Verstorbenen Hermes die Seele aufnimmt Nachdem sie dem Priester des Apollon Gerste gegeben haben, erhalten sie Fleisch eines Opfertieres, und das verunreinigte Feuer löschen sie erst und zünden es wieder an: Dieses gebratene Fleisch nennen sie Enknisma “

Einige der Riten, wie die dreißigtägige Trauerzeit und die Neuentzündung des Feuers, finden sich auch bei Festen und Bräuchen zu Ehren der Verstorbenen in anderen Poleis1358 So diente das Löschen und Wiederentzünden des Feuers dazu, das institutionalisierte Ende einer bestimmten Phase, in diesem Fall der Trauerzeit, anzuzeigen1359 Die Wahl der Götter lässt sich mit der Kultlandschaft innerhalb der Stadt Argos begründen Pausanias berichtet bei seinem Rundgang durch die Stadt, dass dem Hermes im Heiligtum von Apollon Lykeios auf der Agora zwei Statuen geweiht worden seien1360 Apollon war Stadtgott von Argos und sein Heiligtum für die Polisverwaltung zentral, da es laut Thukydides als Archiv fungierte1361 Somit standen die Bilder des Hermes an einem sehr prominenten Ort in der Stadt Zunächst befand sich direkt im Apollon-Tempel eine Statue von Hermes, die ihn dabei zeigt, wie er eine Schildkröte 1355 IG XII 8, 153 (ohne Datierung)/234 (ohne Datierung)/258 (ohne Datierung) Dazu: Rabadijev 2015, 443–456, Tomaschek 1983, 56 1356 SEG 32–1077 (4 Jh   v Chr ) Dazu: Blakely 2019, 271–273, Allan 2018, 78–79, Burkert 1990, 26, Bremmer 1996, 97 Hierzu: 2 1 1 3 2 Das Militär, die Seereisenden und Händler 1357 Plut qu Gr 24: „τί τὸ παρ᾽ Ἀργείοις λεγόμενον ἔγκνισμα; τοῖς ἀποβαλοῦσί τινα συγγενῶν ἢ συνήθων ἔθος ἐστὶ μετὰ τὸ πένθος εὐθὺς τῷ Ἀπόλλωνι θύειν, ἡμέραις δ᾽ ὕστερον τριάκοντα τῷ Ἑρμῇ νομίζουσι γάρ, ὥσπερ τὰ σώματα τῶν ἀποθανόντων δέχεσθαι τὴν γῆν, οὕτω τὰς ψυχὰς τὸν Ἑρμῆν τοῦ δ᾽ Ἀπόλλωνος τῷ ἀμφιπόλῳ κριθὰς διδόντες λαμβάνουσι κρέας τοῦ ἱερείου, καὶ τὸ πῦρ ἀποσβέσαντες ὡς μεμιασμένον παρ᾽ ἑτέρων δ᾽ ἐναυσάμενοι, τοῦτο τὸ κρέας ὀπτῶσιν ‘ἔγκνισμα’ προσαγορεύοντες “ 1358 Hughes 2005, 78 mit Quellenbelegen 1359 Hierzu: 2 3 3 1 Prozessionen und Fackelläufe 1360 Paus 2, 19, 6–7 Plan von Argos: Tomlinson 1972, 16 1361 Thuk 5, 47, 11 Dazu: Tomlinson 1972, 205 mit weiteren Quellenbelegen

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aufhebt1362 Der Perieget liefert die Erklärung dafür gleich mit: Sie nehme Bezug auf die Erfindung und den Bau der Lyra aus einem Schildkrötenpanzer am Geburtstag von Hermes, die im homerischen Hymnos geschildert wird1363 Das Instrument wiederum schenkt Hermes im weiteren Verlauf der Handlung Apollon, um ihn zu besänftigen1364 Weiterhin befanden sich auf dem Gebiet des Heiligtums hölzerne Bilder von Hermes und Aphrodite, wie Pausanias berichtet1365 Hermes und Aphrodite wurden als Eintracht bringende Gottheiten häufig gemeinsam auf der Agora verehrt1366 In den Städten der östlichen Peloponnes aber war Hermes auf der Agora vor allem mit Herakles verknüpft1367 Zudem legt die Beschreibung von Pausanias nahe, dass beide Bilder nicht gleichzeitig und nicht für eine gemeinsame Verehrung aufgestellt wurden So brachte er in Erfahrung, dass das Bild des Hermes von Epeios, dem Erbauer des trojanischen Pferdes, hergestellt worden sei, womit das besondere Alter und die Kunstfertigkeit hervorgehoben wurde1368 Das Bild der Aphrodite dagegen sei von Hypermnestra nach dem erfolgreichen Prozess gegen ihren Vater Danaos geweiht worden und trage entsprechend den Beinamen Nikephoros, so Pausanias weiter Dies fügt sich in die sonstige Verehrungspraxis der Göttin in Argos, denn Richard Tomlinson hat herausgearbeitet, dass die Argiver Aphrodite vor allem als Kriegsgöttin feierten1369 Sehr wahrscheinlich wurde bei einem dieser Hermesbilder das Enknisma genannte Ritual durchgeführt Dennis Hughes schlug vor, dass es bei dem zweiten, hölzernen Bild stattgefunden haben könnte und ergänzt den Beinamen Χθόνιος1370 Für diesen Vorschlag spricht, dass Hermes Χθόνιος in der antiken Wahrnehmung für die Kommunikation mit den Unterweltsgöttern, im vorliegenden Fall Gaia, zuständig war Zwar ist im Text des kaiserzeitlichen Autors Plutarch die Vorstellung des Seelengeleits greifbar, das Ritual könnte aber auf eine ältere Charakterisierung des Gottes Hermes in Argos zurückgehen Somit könnte ein früheres Verständnis des Festes in den Hintergrund getreten oder verloren gegangen sein Diese ältere Vorstellung hing möglicherweise mit der Funktion des Hermes als Gott der Grenze zusammen Hermes konnte der antiken Vorstellung gemäß nicht nur einzelne Menschen bis zur Grenze der Unterwelt begleiten, sondern das Opfer an den Gott zeigte auch das Ende der Trauerzeit an Entsprechend ist das Ritual vor allem als Schutzmechanismus für die lebenden Bürger zu verstehen 1362 Paus 2, 19, 7 Dazu: Marchetti 1993, 212–213 1363 h Herm 25–54 Dazu: Scheid/Svenbro 2017, 94–97 Zu Musikinstrumenten in der antiken Religion: Zschätzsch 2002 1364 h Herm 463–498 Zum Gabentausch: Jaillard 2007a, 91–93 1365 Paus 2, 19, 6 1366 Hierzu: 2 5 2 1 Städtische Magistrate und Ausbilder/2 6 1 1 Städtische Magistrate 1367 Hierzu: 2 6 2 1 Ἀγοραῖος 1368 Paus 2, 19, 6 Auch das Bild des Hermes Περφεραῖος aus Ainos soll von Epeios gefertigt worden sein [Kall iamb 7 (=Kall frg 197, Trypanis)] 1369 Tomlinson 1972, 208–209 Patrick Marchetti dagegen sieht Aphrodite hier als Göttin der Ehe (Marchetti 1993, 214) 1370 Vgl Hughes 2005

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2 4 4 Resümee – Proastion I Die Aussagekraft der Zeugnisse für Hermesverehrung im Grabkontext steht in keinem Verhältnis zu der Überbewertung dieser Funktion des Gottes in der bisherigen Forschung, wie die Analyse der Epitheta Ψυχοπομπός und Χθόνιος zeigen konnte Der Beiname Ψυχοπομπός wurde in der griechischen Antike ohnehin selten und noch seltener für Hermes verwendet Die Zusammenschau aller Belege hat nun gezeigt, dass Hermes Ψυχοπομπός als ein literarisches Phänomen zu bezeichnen ist, welches in den späten Quellen viel Aufmerksamkeit erfuhr, jedoch nicht losgelöst vom 24 Gesang der „Odyssee“ thematisiert wurde Diesem Text lag allerdings keine Vorstellung eines Seelengeleits zugrunde Vielmehr handelt es sich um eine nachträgliche Konstruktion, die rückprojiziert wurde und sich im griechischen Hermeskult nicht niederschlägt Dagegen spielte der Beinamen Χθόνιος im Mythos und Kult eine große Rolle Zum einen charakterisierte dieser Hermes als „der Unterwelt zugehörig“ So fungierte er in der Vorstellungswelt der griechischen Antike als ein Vermittler zwischen den Lebenden, den Göttern der Unterwelt und den Toten Darüber hinaus konnte anhand der Epitheta Πομπαῖος und Πομπός gezeigt werden, dass Hermes der Geleiter auf allen Wegen war Zum anderen meinte der Beiname Χθόνιος „der Erde/dem Erdboden zugehörig“ Damit konnte die Bitte um Fruchtbarkeit von Land und Herden sowie um wirtschaftlichen Erfolg verbunden sein Ferner wurde Hermes als Schützer des Eigentums im Sinne von Grundbesitz und der rechtmäßigen Weitergabe von Land und Herrschaft angesprochen Unser antiker Besucher einer Stadt hätte auf vergleichsweise wenigen Grabmarkierungen Hinwendung an Hermes erkennen können Bei diesen wurden zwei Themenschwerpunkte ausgemacht: Zeugnisse, die mythische Kontexte reflektieren, und solche, die auf Verdienste im Leben der Verstorbenen verweisen Im Rahmen der erstgenannten wurde Hermes als Gott der Grenze in das Totenreich und als Vermittler zwischen der Welt der Lebenden sowie der Toten wahrgenommen, aber nicht als Seelengeleiter Diese Darstellungen verloren ihren deutlichen Bezug zum Mythos allerdings nicht und können auch nicht als allgemeingültige Jenseitsvorstellung bezeichnet werden Allen Formen des Grabschmucks, die Verdienste im Leben darstellen, ist gemein, dass sie die enge Beziehung zwischen Gott und Mensch zeigen, die auch sonst für den Hermeskult auffällig ist Positiv besetzte bürgerliche Felder, die mittels Hermesdarstellungen symbolisiert werden konnten, sind die Eusebeia, die Paideia und die Agonistik Weiterhin charakteristisch für den Hermeskult war die doppelte Funktion der Hermesanrufungen und -darstellungen, die in den Grabstelen, welche dem persönlichen und öffentlichen Andenken dienten, besonders deutlich zu Tage tritt Ferner hat sich bei den Weihungen im Grabkontext gezeigt, dass die Religion tief in die griechische Gesellschaft eingebettet war und besonders der Gott Hermes an wichtigen Schwellensituation im Leben der Menschen um Beistand gebeten wurde

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Zum Abschluss wurden diejenigen Polisfeste in den Blick genommen, die mit dem Sterben und den Toten in Verbindung gebracht wurden In Bezug auf die Mysterienkulte konnte festgestellt werden, dass Hermes im Rahmen der tatsächlichen Mysterienhandlungen eine untergeordnete Rolle spielte Da die Mysterienkulte jedoch auch Polisfeste sein konnten, erschien Hermes während des Festablaufs im Rahmen seiner sonstigen Aufgabenbereiche als Gott der Wege und Grenzen Weitere Polisfeste und öffentliche Opfer für Hermes Χθόνιος bestätigen, dass Hermes als Vermittler zwischen den Lebenden und Toten wahrgenommen wurde Er war bei der Kommunikation mit den Toten einer Schlacht, mit den Toten einer längst vergangenen Zeit oder mit den Toten einer ganzen Polis behilflich Dabei sollte Hermes den Verstorbenen gleichermaßen beistehen wie den Lebenden Demnach wurde Hermes Χθόνιος viel häufiger um Beistand für die Lebenden angerufen wurde und erweist sich ein weiteres Mal als Gott der Polis und ihrer Bürger 2.5 Proastion II: Gymnasia Bevor der Besucher sich in das Stadtzentrum begibt, kann er in den Stadt nah gelegenen Gymnasia Zeuge des Hermeskults werden Die Gymnasia waren, wie die bis hierher besprochenen Orte, öffentliche Einrichtungen, die von öffentlicher Hand verwaltet und von Bürgern besucht wurden1371 Innerhalb der Institution waren die Abläufe streng geregelt und wurden entsprechend überwacht Umstritten ist in der Forschung noch immer, wer das Gymnasion besuchen durfte und was dort getan wurde In Bezug auf die Nutzer herrscht lediglich Einigkeit darüber, dass der Zugang beschränkt war So geht aus den Quellen hervor, dass im 5 Jh   v Chr in Athen die Teilnahme allen männlichen Bürgern gestattet war Aus der abwertenden Aussage des Alkibiades, dass er sich nicht an den Agonen im Gymnasion beteilige, weil dort Bürger mit geringerem Einkommen und geringerer Bildung teilnähmen, lässt sich außerdem ableiten, dass Bürger aus allen Schichten die Stätte tatsächlich besuchten1372 Mit den Veränderungen, welche die hellenistische Staatenwelt mit sich brachte, wurden die Gymnasia eher von den vermögenden Bürgern besucht1373 In der hier behandelten Zeit war die Institution des Gymnasions ausschließlich den Bürgern vorbehalten1374 Auf die zweite Frage nach der Beschäftigung im Gymnasion bietet Mark Golden eine Antwort: Die frühen Gymnasia seien als Reaktion auf die für eine funktionierende Hoplitenarmee nötige Übung im 7 /6 Jh  v Chr entstanden und hätten vor allem der militärischen Ausbildung der Bürger gedient1375 Der übende und sportliche Charakter wurde mit 1371 1372 1373 1374 1375

Bevilacqua 2009, 232 Isokr or 16, 33 Vgl Kuhle 2018, 47–49 Kozak 2013, 314 Golden 1998, 25 Siehe auch: Kah 2007, 47

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dem Wettbewerbsgedanken verknüpft und erst im Laufe der Zeit kamen intellektuelle und musische Betätigungen hinzu1376 Zu der „zweiten Agora“, wie es in der Forschung beschrieben wird, avancierte das Gymnasion erst im Hellenismus1377 Im Folgenden soll zunächst der Frage nachgegangen werden, warum Hermes zu einer der wichtigsten Gottheiten in der Sportstätte avancierte In einem weiteren Schritt wird herausgearbeitet, wer am Kult beteiligt war Es folgt eine Analyse der Kultpraxis für Hermes im Gymnasion am Beispiel der Beinamen Ἀγώνιος und Ἐναγώνιος Am Ende werden die Hermesfeste im Gymnasion untersucht 2 5 1 Hermes als Gott des Gymnasions Mit der Entstehung dieser Institution ging die Benennung eines geeigneten Schutzgottes einher1378 Die Frage, warum Hermes ausgewählt wurde, um im Gymnasion als Schutzgott zu dienen, wurde zwar bereits in der Vergangenheit gestellt, aber noch nicht vollständig beantwortet1379 Zu den Anfängen der Hermesverehrung im Gymnasion führt die These von Lewis Farnell zurück Dieser schlug erstmalig vor, dass Bilder des Hermes zunächst am Eingang der Übungsplätze gestanden und deren Grenzen markiert haben könnten und erst im Laufe der Zeit in die Sportstätte hinein transferiert worden seien Zwar gibt es bereits aus dem 6 Jh  v Chr Belege für Hermen an den Eingängen zu Gymnasia1380, diese Interpretation greift aber zu kurz Die Wahl von Hermes als Schutzgott der neuen Institution geschah nicht willkürlich, sondern war vielmehr Ergebnis seiner mythischen Charakterisierung und Verankerung in der griechischen Kultlandschaft1381 Durch die Neubewertung von Hermes als Gott der Polis treten die Mechanismen dahinter deutlich zu Tage Über die Vorläufer der Gymnasia ist wenig bekannt Wahrscheinlich handelte es sich um offene Übungsplätze im Freien, die außerhalb der Stadtmauern und bei Heiligtümern lagen1382 Außerdem muss es die Möglichkeit gegeben haben, sich umzuziehen und zu waschen, da die Orte als Übungsstätte für die Hoplitenarmee genutzt wurden1383 Diesem Aufgebot gehörten die Bürger an, die ihrer Polis für eine festgelegte Zeit als Soldaten dienten1384 Hermes spielte für die Soldaten und militärischen Amtsträger eine große Rolle1385 Zurückzuführen ist dies auf die Hermes zugeschriebene Auf1376 1377 1378 1379 1380 1381 1382 1383 1384 1385

Vgl Kah 2007 Vgl Gauthier 1995, 7–10 Den Begriff der „zweiten Agora“ prägte Louis Robert (Robert 1950, 96) Parker 2005a, 391 Rückert 1998, 112–113/135–139, Wrede 1986, 34, Herter 1967, 228–229, Farnell 1909, 29 Anth Gr 6, 143 (ca 575–490 v Chr )/16, 188 (5 Jh  v Chr ) Zur Verbindung von Hermes und Ares im Mythos: Allan 2018, 62–63 Fisher 2009, 524/533 Siehe auch: Griffith 2015 Vgl van Wees 2004, 166–197, Golden 1998, 25 Vgl Kagan/Viggiano 2013 Hierzu: 2 1 1 3 Grenzbefestigungen

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gabe als Schützer der Grenzen des eigenen Einflussgebietes, wobei der persönliche Besitz und das Polis- oder Herrschaftsgebiet gemeint waren Zu diesem Zweck wurde auch die Bürgerarmee ausgebildet Außerdem bewachte die Grenzen ebenso in Friedenszeiten militärisches Personal, welches sich mit der Bitte um Mithilfe an Hermes wandte1386 Es verwundert daher nicht, dass Hermes für die Soldaten von herausragender Bedeutung blieb und sie ihren Schutzgott sozusagen mit in das Gymnasion brachten Die ältesten Zeugnisse für eine Verbindung von Hermes zum Sport und Training der Bürger stammen von der Insel Thera Oberhalb der Stadt wurden auf einem Felsvorsprung in der Nähe des Apollontempels zahlreiche Felsinschriften (7 /6 Jh  v Chr ) gefunden, die als Weihungen zu interpretieren sind1387 Einige der Texte enthalten verschiedene Götternamen, während andere Auskunft über erotische Abenteuer oder Erfolge in Wettkämpfen aller Art geben An dieser Stelle, an der später auch das städtische Gymnasion entstand, wurde demnach schon in archaischer Zeit trainiert Drei der Inschriften sind Hermes gewidmet und können in den sportlichen Bereich eingeordnet werden1388 Die erste kann zu dem für Hermes belegten Beinamen Ἐριούνες/Ἐριούνιος1389 (der Hilfreiche/Wohltätige) ergänzt werden und wurde dem Gott wahrscheinlich als Dank für einen errungenen Sieg geweiht Zwei weitere Inschriften enthalten neben dem Götternamen einen Hinweis auf die Stifter, wobei einer seinen Namen Boriskos niederschrieb, während der andere sich als „der Beste“ bezeichnete Die einfachen, von ungeübten Händen in den Felsen gekratzten Inschriften zeigen, dass Hermes schon im 7 /6 Jh  v Chr als Patron des militärischen Trainings wahrgenommen wurde Lange wurde als eines der frühesten Zeugnisse für den Hermeskult im Gymnasion die Herme des gewesenen athenischen Strategen Leokrates angeführt Wie Andrej Petrovic nachweisen konnte, stand diese nicht in der platonischen Akademie, sondern muss im Zusammenhang der Tore Athens betrachtet werden1390 Innerhalb der Akademie, jener Ort, den Platon 387 v Chr als seine Ausbildungsstätte auswählte und der bereits einige Zeit zuvor als Gymnasion bestanden hatte, genossen aber neben dem eponymen Heros Akademos auch Athena, Zeus, Prometheus, Hephaistos, Hermes und Herakles kultische Verehrung1391 Dem Bericht von Pausanias zufolge hatte Hermes dort sogar einen eigenen Altar Dies deckt sich mit dem epigraphischen Befund, 1386 Vgl van Wees 2004, 126–130 mit Quellenbelegen 1387 Vgl Inglese 2008, Hoepfner 1997 1388 IG XII 3, 367 (6 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ἐρι[ ]ες“ IG XII 3, 368 (6 Jh  v Chr ) Inschrift: „Βορίσκο[ς] Ηερμ[ε]ίας“ IG XII 3, 370 (6 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ηερμᾶς [ὁ δεῖνα] ἄριστος“ 1389 I Thessalien 69 (Mitte 5 Jh  v Chr ), SEG 34–497 (2 H 3 Jh  v Chr ) 1390 Vgl Petrovic 2007, 132–143 Anders z B : Marchiandi 2003, 34–37 Hierzu: 2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen 1391 Paus 1, 2, 4–5/1, 30, 2 Zur Geschichte der Akademie: Marchiandi 2003, Wycherley 1978, 219–225, Mikalson 1998, 64 Zu Akademos: Kearns 1989, 157

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der zeigt, dass die Akademie als Trainingsstätte der Kavalleristen der Phyle Antiochis benutzt wurde und die Amtsträger in ihren Ehrendekreten mehrmals den Gott Hermes erwähnen1392 Zu den bislang ältesten Belegen für Hermes in den Gymnasia zählen Darstellungen auf Vasen und ein Epigramm, das fälschlicherweise Anakreon zugeordnet wurde1393 Letzteres lautet1394: „Bete, dass der Bote der Götter freundlich zu Timonax ist, | der mich aufgestellt hat, um das herrliche Tor zu schmücken | und auch dem Herrscher Hermes zu Ehren Die Besucher, | Bürger und Fremde, heiße ich im Gymnasion willkommen “

Der Sprecher des Epigramms ist eine Herme, die in oder bei einem Tor aufgestellt war Der Gott wird mit den Beinamen Κῆρυξ Θεῶν (der Bote der Götter) und Κρείων (der Herrscher) angerufen Die Funktion als Bote und Geleiter im Kontext von Toren ist bereits vielfach angeklungen Dagegen steht die Bezeichnung als Herrscher in der Tradition von Beinamen, die Termini der homerischen Epen aufgreifen1395 Dabei handelt es sich zumeist um Benennungen von Herrschern, die auf die Götter übertragen werden Beispiele solcher Epitheta für Hermes sind: Ἄναξ1396, Δεσπότης1397 und Ὄρχαμος1398 (jeweils der Herr) Das Bild wendet sich direkt an die Vorbeikommenden und erklärt ihnen den Grund für die Aufstellung und seine Funktion Dass Götterbilder des Hermes selbst sprechen, ist nicht ungewöhnlich1399 Verwunderlich sind jedoch die Aussagen, wenn bedacht wird, dass das Epigramm von Anakreon im 6 /5 Jh  v Chr verfasst worden sein soll Zu Recht bezweifelt daher schon Konstantinos Trypanis die Zuweisung und schlägt eine spätere Datierung vor1400 Einerseits weist er auf stilistische Merkmale hin, welche die Autorenschaft unwahrscheinlich machen Andererseits führt er inhaltliche Beweggründe an, denn zu Lebzeiten des Dichters besuchten Bürger und Fremde nicht gemeinsam das Gymnasion Dem kann noch hinzugefügt werden, dass die Herme innerhalb eines Torkomplexes stand und Gymnasia erst in hellenistischer Zeit baulich ausgestaltet wurden Daher ist eine Datierung in die hellenistische Epoche wahr1392 IG II3 4, 327 (=SEG 47–197, 3 Jh  v Chr ) 1393 Zu Vasen: Rückert 1998, 128–132 1394 Anth Gr 6, 143 (hell , Übersetzung Beckby 1965): „εὔχεο Τιμώνακτι θεῶν κήρυκα γενέσθαι | ἤπιον, ὃς μ᾽ ἐρατοῖς ἀγλαΐην προθύροις | Ἑρμῇ τε κρείοντι καθέσσατο τὸν δ᾽ ἐθέλοντα | ἀστῶν καὶ ξείνων γυμνασίῳ δέχομαι “ 1395 Zur homerischen Götterbeschreibungen: Dee 1994 Zur „Terminologie politischer Organisationsformen von der mykenischen Zeit bis zur Älteren Tyrannis“: Müller 2020 1396 Eur Med 759, Ps -Eur Rh 217, Soph Oid T 1105, Aristoph Pax 389, IG XII 8, 67 (4 Jh  v Chr ), Anth Gr 6, 294 (um 250 v Chr )/9, 91 (Zeitgenosse Ciceros) 1397 Aristoph Pax 377/385/389/399/648/711 1398 h Herm 175 1399 Hierzu: 2 1 3 3 Nichtöffentliche Räume /2 6 2 1 Ἀγοραῖος 1400 Trypanis 1951, 33–34

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scheinlicher In diesem Fall ist auch der These von Lewis Farnell zuzustimmen, dass Hermes ein Gott der Grenze gewesen sei und als solcher auch die Grenzen des Gymnasions bewachen sollte1401 Diese Funktion war aber weder die ursprüngliche noch die einzige Obgleich am Beginn der Entwicklung noch alle männlichen Altersgruppen gemeinsam im Gymnasion trainierten, wurde der Ort zu einer Stätte für die jungen Mitglieder der Bürgergemeinschaft umgewidmet1402 Dieser Altersgruppe galt Hermes als besonders zugetan, wie die mythischen Erzählungen zeigen Obwohl Hermes auf Geheiß von Zeus mehrmals Kinder vor dem Tod rettet, war er kein Gott der Kinder, sondern der Altersgruppe, die später als Epheben bezeichnet wurden1403 Denn Hermes war der jüngste Sohn von Zeus und wurde als Jugendlicher dargestellt1404 Ebenfalls auffällig ist, dass Hermes sehr häufig als Knabe und vor allem als Sohn von Zeus beschrieben wird1405 Die Mythen charakterisieren Hermes als den Sohn par excellence, der sich aufgrund seines jungen Alters nicht sicher in der Welt der Erwachsenen bewegt und bei dem Fehler noch verzeihlich sind Wie Athanasios Vergados eindrucksvoll nachweisen konnte, tritt Hermes im homerischen Hymnos als junger Gott auf, der in Analogie zu jungen Männern in der griechischen Gesellschaft dargestellt wurde1406 Außerdem war er, den jungen Männer vergleichbar, schnell und beweglich1407 Diese Altersgruppe und vor allem die Bürgersöhne waren für die Zukunft und den Fortbestand der Gemeinschaft zentral, weshalb deren Ausbildung eine Angelegenheit der Polis war Die Polisgemeinschaft hatte größtes Interesse daran, die Sozialisation der jungen Männer aktiv mitzugestalten, sodass diese im Laufe der Zeit gesetzlich fixiert, durch Festveranstaltungen sakralisiert und damit institutionalisiert wurde Aus dem 7 /6 Jh  v Chr fehlen schriftliche Zeugnisse dazu weitestgehend, daher muss auf die bildlichen Zeugnisse zurückgegriffen werden Diese bestätigen, dass Hermes mindestens seit dem 6 Jh  v Chr in enger Verbindung zu den Knaben stand Birgit Rückert kommt bei ihrer Untersuchung der Vasenbilder, die Kulthandlungen von jungen Männern an Hermen im Gymnasion zeigen zu dem Ergebnis, dass die Abbildungen in Athen vor allem vom Ende des 6 bis zur Mitte des 5 Jh  v Chr auftreten und danach 1401 Weitere Hermen an Eingängen von Gymnasia oder Stadia: SEG 53–541 (ca 350–200 v Chr , Lamia), I Delphi IV, 26 (272–270 v Chr ) Hierzu: 2 1 3 1 Öffentliche Räume I 1402 Vgl Fisher 2011, 192–194 1403 Rückert 1998, 112, Doty 1997, 43 Hans Herter bezeichnete Hermes als Gott der Kinder (Herter 1967, 228–233) 1404 Allan 2018, 9 1405 Vgl Παῖς Διός/Διός πάις [h Herm 214/230, Soph Ichn (Radt), Eur Hel 670], Διὸς τέκνον (h Herm 323/397/504), Μαιάδος/Διὸς τόκος (Eur Andr 275–276, Eur Hel 1670), Διὸς υἱὀς (Hom Il 24, 333/461, h Herm 28/101/145/183/432/455), Διὸς και Μαιάδος υἱός (Hes theog 938, h Herm 1/235/301/446/550–551/579, Hom h 18, 3 und 10, Hom h 29, 7) 1406 Vergados 2013, 11 1407 Vgl πολύμητις/πολυμήχανος [h Herm 319, Orph Lith 54, SEG 50–1637 (156/153 v Chr )]/ταχύς oder ταχινός [Hes erg 85, Parthen 14 (Milet)]/ὠκύς (Hom h 2, 407, Anth Gr 16, 186)/ὠκύπους (Eur Hel 243)

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deutlich abnehmen1408 Die Stücke aus dieser Zeit zeigen darüber hinaus eine Verbindung von Hermes zu adeligen Vorstellungen von Männlichkeit und Schönheit1409 Dieser Befund deckt sich mit Zeugnissen aus Kreta Bereits seit dem 6 Jh  v Chr trat Hermes dort als Schutzgott der jungen Männer auf, wobei er besonders deren Übergang in den Bürgerstatus begleitete1410 Schon während der Ausbildung war es üblich, dass die Bürgersöhne Kretas Hermes kleine Weihgaben darbrachten1411 In einem Votivdepot in Rhaukos zum Beispiel wurde eine Vielzahl an Reliefpinakes entdeckt, von denen die meisten Hermes bei Handlungen zeigen, die mit der sportlichen und militärischen Ausbildung der jungen Männer und deren Übergang in das Erwachsenenalter zusammenhängen, wie dem Wettlauf oder der Jagd1412 Die Exempel aus Athen und Kreta bestätigen, dass die Vorstellung von der Fürsorge des Hermes für die Jünglinge mindestens bis ins 6 Jh  v Chr zurückreicht Diese war aber nicht nur allgemeiner Natur, sondern galt besonders dem als einschneidend wahrgenommenen Übergang von der Kindheit ins Erwachsenalter Die mit dem Übergang verbundenen Rituale wurden daher in der Forschung wiederholt als Initiationsriten oder „rites de passage“ interpretiert1413 Da die Konzepte in den Altertumswissenschaften nicht unumstritten sind, soll für die vorliegende Arbeit ein am Forschungsobjekt orientierter Begriff gewählt werden1414 Im Rahmen der bisherigen Ausführungen wurde Hermes wiederholt als Gott der Grenze und der Grenzüberschreitung bezeichnet, was auf das vorliegende Phänomen übertragen werden kann Der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenleben wurde ebenso als eine Grenze interpretiert, bei deren Überschreitung göttliche Unterstützung gewünscht wurde Dass zu diesem Zweck vor allem Hermes angerufen wurde, illustriert ein Weihepigramm des Dichters Leonidas von Tarent, das um 280 v Chr entstand1415: „Philokles brachte dem Hermes als Weihgeschenke die trefflich | lärmende Klapper aus Buchs, hier diesen Ball seines Ruhms, | Knöchel, die er herzlich geliebt, und endlich den Kreisel, | den er so oftmals gedreht, Spielzeug aus kindlicher Zeit “

1408 Für die Vasenbilder des 4 Jh  v Chr stellt Birgit Rückert fest, dass zwar noch Jünglinge bei Kulthandlungen an Hermen dargestellt werden, diese aber nicht mehr eindeutig im Kontext des Gymnasions zu verorten sind (Rückert 1998, 128–132) 1409 Vgl Mus Stuttgart, Inv -Nr Arch 79/2 (=SEG 32–33, ca 500 v Chr ), SEG 59–96 (ca 450 v Chr ) Zu Göttern und Helden in Kalos-Inschriften: Lissarrague 1999, 359–373, Schauenburg 1969, 49–52 1410 Chaniotis 2006, 200 Hierzu: 2 5 1 Hermes als Gott des Gymnasion 1411 Zur missverständlichen Anwendung des modernen Begriffs und Konzepts von Bildung auf die Antike: Scheer 2011, 13–14/70–71, Scholz 2007,103–104/111–114 1412 Sporn 2002, 143 1413 Allan 2018, 62, Aneziri/Damaskos 2007, 249, Rückert 1998, 136 mit älterer Literatur, Costa 1982 1414 Zu rites de passage: Gennep 2005 Zur Forschungsdiskussion: Bremmer 2014, Dodd/Faraone 2003 1415 Anth Gr 6, 309 (um 280 v Chr , Übersetzung Beckby 1965): „εὔφημόν τοι σφαῖραν, ἐυκρόταλόν τε Φιλοκλῆς | Ἑρμείῃ ταύτην πυξινέην πλατάγην, | ἀστραγάλας θ᾽ αἷς πόλλ᾽ ἐπεμήνατο, καὶ τὸν ἑλικτὸν | ῥόμβον, κουροσύνης παίγνι᾽ ἀνεκρέμασεν “

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Der junge Mann markierte den Übertritt der Grenze von der Kindheit zum erwachsenen Leben mit Geschenken für und Anrufungen an Hermes, weil dieser den problemlosen Übergang in den nächsten Lebensabschnitt sicherstellen sollte Hermes war demnach nicht nur mit dem Sport oder den Wettkämpfen verbunden, sondern ganz konkret mit den Wettbewerben der jungen Männer im Gymnasion In der kritischen Phase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter wurden die Jünglinge seitens der Polis mithilfe eines institutionalisierten Systems unterstützt, an dessen neuralgischen Punkten der Gott Hermes immer präsent war Ab dem Ende des 4 Jh  v Chr kann das öffentliche Training der jungen Männer als ein fester Bestandteil der griechischen Poliskultur angesehen werden1416 Dabei trug es immer regionalen Besonderheiten Rechnung und wurde den aktuellen Gegebenheiten angepasst Mit diesem System in Athen, das für viele griechische Poleis eine Vorbildfunktion einnahm, beschäftigen sich mehrere Quellen Dort wurde die organisierte, zweijährige sportliche und militärische Ausbildung der jungen Männer als Ephebie bezeichnet Das Wort Ephebe beschreibt einen Angehörigen der Altersklasse junger Männer1417 Alle jungen Männer, die das 18 Lebensjahr erreicht hatten und in die Demenlisten eingetragen waren, waren zur Teilnahme an dem zweijährigen Programm verpflichtet1418 Da der Ephebie die Einschreibung in die Bürgerlisten vorausging, stellte die Teilnahme der jungen Männer ihren ersten Dienst für die Polis dar Umgekehrt übernahm die Polis Verantwortung für die zukünftigen Bürger, indem sie beispielsweise ihre Versorgung finanzierte Konkretere Beschreibungen fehlen für die Zeit vor 335/334  v Chr 1419 Mithilfe eines Fragments des attischen Redners Lykurg kann auf ein Gesetz die Ephebie betreffend aus diesem Jahr geschlossen werden1420 Der Erlass muss als Änderung einer bereits bestehenden Regel interpretiert werden, da es Vorformen seit dem 5 Jh   v Chr gab1421 Daneben gibt der auf einer Marmorstele im Demos Acharnai gefundene sogenannte Eid der Epheben Aufschluss über Sinn und Zweck der Institution1422 In beiden Texten findet Hermes keine Erwähnung, was in auffälligem Gegensatz zu den unzähligen Weihungen an den Gott von mit der Ephebie verbundenen Personen steht Um dennoch zu zeigen, an welchen Punkten Hermes eine Rolle spielte, soll hier kurz der Ablauf der Ephebie skizziert werden Die

1416 Kozak 2013, 302–303 Die ersten außerathenischen Zeugnisse sind aus Eretria und Kyrene bekannt (Kennell 2006, x–xi mit Quellenbelegen) 1417 Rhodes 1981, 495 1418 Aristot Ath pol 42, 1–3 Dazu: Seelentag 2015, 456 1419 Rhodes 1981, 494 mit Quellenbelegen Siehe auch: Friend 2009 mit älterer Literatur, Kennell 2006, ix Zur Entwicklung der Ephebie im Hellenismus: Chankowski 2010 1420 Lykurg frg 5, 3 (Sauppe), Harpokr s v Ἐπικράτης 1421 Habicht 1995, 29 1422 Rhodes/Osborne 2007, Nr 88 (Mitte 4 Jh  v Chr ) Die Stele ist vom Priester des Ares und der Athena Areia geweiht (Kozak 2013, 311) Siehe auch: Hdt 8, 53, Demosth or 19, 303, Lykurg 76, Aristot Ath pol 42

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ausführlichste Beschreibung dessen ist im „Staat der Athener“ (etwa 330 v Chr ) von Aristoteles überliefert1423: „Diese [Kosmetes und Sophronistes] versammeln nun die Epheben und gehen mit ihnen zuerst durch die Heiligtümer; dann marschieren die Epheben nach Piräus und leisten dort Wachdienste, die einen in Munichia, die anderen in Akte Das Volk wählt für sie auch zwei Trainer [Paidotribai] sowie Ausbilder [Didaskaloi], die sie im Kampf mit schweren Waffen, im Bogenschießen, Speerwerfen und im Katapultschießen unterweisen […] Ihr erstes Jahr verbringen sie also auf diese Weise Im zweiten Jahr findet eine Volksversammlung im Theater statt, in der die Epheben dem Volk Exerzierübungen vorführen und vom Staat Schild und Lanze erhalten Anschließend leisten sie Patrouillendienst an den Landesgrenzen und halten sich in den Festungen auf “

Zu Beginn der Ausbildung lernten die jungen Männer die wichtigsten Kulte und Feste ihrer Heimatpolis kennen Danach wurden sie für das erste Jahr in die befestigte Hafenstadt Piräus gesandt1424 Dabei übernahmen sie nicht nur Hilfstätigkeiten, sondern mussten den Schutz der Festung Munichia, die der Kontrolle der drei Häfen diente, und der Langen Mauer auf der Halbinsel Akte sicherstellen Somit waren sie direkt dem Befehl der Strategen unterstellt1425 Daneben absolvierten die Epheben einen systematischen Unterricht in den wichtigsten Kampftechniken Das Erlernte präsentierten sie im zweiten Jahr vor der Volksversammlung im Theater Während der verbleibenden Zeit hatte die Bürgerschaft ebenfalls Anteil an den Fortschritten der jungen Männer, da sie einerseits zum Beispiel bei den Dionysien, den Panathenäen, den Eleusinien und den Oschophorien als Einheit auftraten und eine wichtige Rolle spielten1426 Andererseits wurden die wichtigen Schritte auf dem Weg zur erfolgreichen Absolvierung der Ephebie von Opfern und Ritualen begleitet, welche die Bindung der zukünftigen Bürger an ihre Gemeinschaft stärken sollten So nahm beispielsweise am Opfer zum Beginn des neuen Ephebenjahrgangs der Priester des vergöttlichten Demos teil1427 Nach der erfolgreichen, öffentlichen Präsentation erhielten die Epheben die Waffen von der Polis, mit deren Hilfe sie im zweiten Jahr die anderen Festungen 1423 Aristot Ath pol 42, 3–4 (Übersetzung Dreher 2009): „πρῶτον μὲν τὰ ἱερὰ περιῆλθον, εἶτ᾽ εἰς Πειραιέα πορεύονται, καὶ φρουροῦσιν οἱ μὲν τὴν Μουνιχίαν, οἱ δὲ τὴν Ἀκτήν χειροτονεῖ δὲ καὶ παιδοτρίβας αὐτοῖς δύο καὶ διδασκάλους, οἵτινες ὁπλομαχεῖν καὶ τοξεύειν καὶ ἀκοντίζειν καὶ καταπάλτην ἀφιέναι διδάσκουσιν […] καὶ τὸν μὲν πρῶτον ἐνιαυτὸν οὕτως διάγουσι· τὸν δ᾽ ὕστερον ἐκκλησίας ἐν τῷ θεάτρῳ γενομένης, ἀποδειξάμενοι τῷ δήμῳ τὰ περὶ τὰς τάξεις, καὶ λαβόντες ἀσπίδα καὶ δόρυ παρὰ τῆς πόλεως, περιπολοῦσι τὴν χώραν καὶ διατρίβουσιν ἐν τοῖς φυλακτηρίοις “ 1424 Zur Topographie von Piräus: Eickstedt 1991 1425 Habicht 1995, 28, Reinmuth 1971, 80 Zu Munichia: Reden 1995, Garland 1987, 160 Ausführlich zur Geschichte der Langen Mauern: Conwell 2008 1426 Beck 2009, 56, Schuler 2007, 169–170 Die aktive und gestaltende Teilnahme von Epheben an Polisfesten ist auch für die Gymnopaidiai und Karneia in Sparta und die Parparonia in Argos belegt (Beck 2009, 56–57) 1427 Habicht 1995, 28/184, Ober 1985, 90–91/130–180

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Athens – Eleusis, Panakton, Phyle, Rhamnous und Sounion – sicherten und entlang der Grenzen des Staatsgebiets patrouillierten Auf Grundlage der Quellen unterscheidet Hans Beck drei Bereiche, aus denen die Ausbildung der Epheben bestand: das militärische Training, die Unterweisung in Philosophie und Geschichte sowie die Einführung in die wichtigsten Gesetze und Sitten der Polis, zu denen auch die religiösen Rituale zählten1428 Begonnen wird hier mit den beiden Bereichen des Militärischen und des Sports Wie oben ausgeführt, ist die Notwendigkeit einer Übungsstätte für die Hopliten ein Auslöser für die Begründung der Institution des Gymnasions gewesen Daniel Kah stellt fest, dass das Einüben von militärischen Formationen schnell auch als sportliches Training wahrgenommen wurde, in dem sich die Teilnehmer miteinander maßen1429 Mit der militärischen Übung und der sportlichen Betätigung hing die für die Polis und ihre Sicherheit wichtige Aufgabe der Grenzsicherung aufs Engste zusammen Dafür mussten die jungen Männer die Grenzen ihrer Heimatpolis kennenlernen, was bildlich zu verstehen ist Im Eid der Epheben heißt es nämlich, dass jeder Jahrgang die Grenzsteine des Vaterlandes (ὅροι τῆς πατρίδος) besuchte1430 Die Markierung des Eigenen und die Sicherung der Grenzen vor dem Zugriff von Fremden und Feinden war eine der wichtigsten Aufgaben von Hermes in Bezug auf die Polis1431 Somit hatten die jungen Männer, die mit dem Schutz der Grenzen ihrer Heimatpolis betraut waren, eine noch engere Beziehung zum Gott Die Verknüpfung der Ephebie mit dem Grenzschutz ist jedoch kein rein athenisches Phänomen, sondern ist zum Beispiel auch für Kreta und Euboia belegt1432 Ebenfalls im Rahmen des zweiten Bereichs kam Hermes eine wichtige Rolle zu1433 Die Jünglinge sollten Bildung, im Sinne der Weitergabe von Wissen, erhalten Bisher wurde dieser Aspekt bei der Beantwortung der Frage nach möglichen Gründen für Hermes Rolle im Gymnasion in der Forschung außer Acht gelassen Bilder des Hermes wurden aber im Athen des 6 Jh  v Chr durchaus mit der Bildung in Verbindung gebracht Neben der Frage, warum Hermes zum Schützer des Gymnasions avancierte, steht noch im Raum, warum er dort fast ausschließlich in Hermenform verehrt wurde1434 Auf den ersten Blick erscheint das starre Götterbild als Repräsentation des flinken Gottes des Gymnasions denkbar unpassend, was schon in der Antike Grund

1428 Beck 2009, 55 Das Erlernen der wichtigsten Musikinstrumente scheint ebenfalls in dieser Phase geschehen zu sein (Seelentag 2015, 449) 1429 Kah 2007, 50 1430 Rhodes/Osborne 2007, Nr 88, Z 19 (Mitte 4 Jh  v Chr ) Dazu: Versnel 2011, 117 1431 Hierzu: 2 1 1 Grenzen des Polisterritoriums 1432 Zu Kreta: Seelentag 2015, 445/501, Link 2014, 159–176, Seelentag 2009, Link 2009, 89–111, Link 1999, 3–25, Link 1994, 21–28; zu Euboia: IG XII 9, 53 (hell ): „ℎερμῆς(?) | Ζεὺς Σωτ“ Hierzu: 2 2 1 Höhlen 1433 Vgl Beck 2009, 58–61 mit Beispielen 1434 Vgl Rückert 1998, 112–139, bes 112–113, Wrede 1986, 34, Farnell 1909, 29

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zur Verwunderung gab1435 Beide Fragen lassen sich nicht damit beantworten, dass das ehemalige Grenzmal im Laufe der Zeit in das Gymnasion transferiert wurde Vielmehr müssen die hipparchischen Hermen ins Gedächtnis gerufen werden Obgleich die Beschreibung von Hipparchs Bildungsideal für die Bürger Athens topisch ist, enthält der platonische Dialog doch den Hinweis, dass der Tyrann die Möglichkeit erkannt und genutzt habe, Hermen zum Zweck der Bildung und Lenkung der Bürger zu verwenden1436 Schon in der Antike wurden seine Hermen als vorbildhaft wahrgenommen, was bisher nur auf ihre ordnende und markierende Funktion übertragen wurde Tatsächlich dürften aber auch die Sinnsprüche, mit denen sie versehen waren und durch die Wissen sowie Werte der Athener Gemeinschaft weitergegeben wurden, nicht ohne Reaktion geblieben sein Durch die Aktion des Hipparchos wurde der Gott Hermes ganz besonders in Form der Herme mit der Bildung in Verbindung gebracht Dies dürfte die Wahl von Hermes als Gott des Gymnasions befördert haben Das erworbene Wissen sollte in der Volksversammlung präsentiert werden, wobei Hermes in der antiken Vorstellung ebenfalls behilflich war Im Mythos tritt er als Götterbote auf, der Nachrichten von Zeus oder der Götterversammlung überbringt und direkt mit Heroen oder Menschen kommuniziert1437 Weiterhin wird er als eloquenter Gott beschrieben, der ein Meister der Argumentation und Überzeugung ist1438 Daneben galt Hermes als ein Gott, der besonders den Bürgern und Amtsträgern nahestand, die mit dem Reden und Verkünden zu tun hatten, allen voran den Herolden Der in diesem Zusammenhang in der Forschungsliteratur immer wieder genannte Beiname Λόγιος und das damit verbundene Konzept sind jedoch nicht für die hier behandelte Zeit belegt1439 Die Vorstellung von Hermes als zur Kommunikation bereiter Gott hat ihren Eingang in den Hermeskult gefunden, wie beispielsweise die orakelgebende Herme in Pharai oder die Epigramme, in denen der Gott in der Ich-Form spricht, zeigen1440 Auf die Rolle von Hermes im Rahmen der sprachlichen Erziehung weisen Schiefertafeln mit Schreibübungen hin, die auf dem Gebiet der Akademie gefunden wurden und die Inschrift „EPMI“ tragen1441 Außerdem ist auf einer Lekythos aus der Privatsammlung Henry Seyrigs ein junger Mann beim Lesen einer Schriftrolle, auf die „Ἑρμῆ(ν) ἀείδω“ („Ich singe von Hermes“) geschrieben ist, abgebildet1442 Hinter dem 1435 1436 1437 1438 1439

1440 1441 1442

Anth Gr 16, 186 (1 Jh  v Chr ) Hierzu: 2 3 2 1 Straßen außerhalb der Stadt Vgl z B Hes erg 84–89, Hom Il 24, 23–30/24, 333–345, Hom Od 1, 37–43/5, 44–58 Vergados 2013, 30/476, Schenk zu Schweinsberg 2017, Kap VI 3 Hermes als Redner/VII 4 Hermes, der Redner I: Rhetorik in Kyllene (V 142–312) Der Beiname Λόγιος ist für Hermes erst in römischer Zeit belegt (Lukian Apol 2, Gal 2, Iul or 4, 132a, Corn Theol Graec 16, 1–2) Dazu: Van den Kerchove 2012, Rückert 1998, 114 Einzelne Forschende schlagen wenig überzeugend vor, dass dieser bis in das 4 Jh  v Chr zurückdatiert werden könnte: Allan 2018, 49–50/146–151, Luraghi 2009 Hierzu: 2 1 3 3 Nichtöffentliche Räume/2 6 2 1 Ἀγοραῖος SEG 41–37 G (5 Jh  v Chr ) Dazu: Balatsos 1991, 145–154, Taf XII, Abb 7 Beazley 1948, 336

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Jungen an der Wand hängt eine Schreibtafel Das Vasenbild bestätigt nicht zuletzt, dass Texte wie der homerische „Hymnos an Hermes“ regelmäßig gelesen beziehungsweise gesungen wurden Der dritte Bereich der Ausbildung war die Einführung in die Gesetze und Sitten der Polisgemeinschaft, zu denen die Kulte gehörten Dieser Bereich sollte „die soziale Bewusstseinsbildung und die Aneignung sowie die Verinnerlichung der von der Polis als gültig erachteten Sinn- und Orientierungsmuster“ fördern1443 Daher bezeichnete Gunnar Seelentag die Erziehung der Knaben im Gymnasion treffend als „Sozialisation des guten Bürgers“1444 Am Beispiel der kretischen Poleis zeigt er, dass die Paideia als Institution der Polis zu verstehen ist Die von ihm gemachten Beobachtungen können auf andere griechische Poleis übertragen werden, wie das Beispiel Athen belegt Die Epheben lernten die Götter, ihre Einflussbereiche und Feste kennen, und bei dieser Gelegenheit wurden sie mit Hermes als Gott der Polis vertraut gemacht, der für die Amtsträger, aber auch für die Gesetze der Polis verantwortlich war Ein Beispiel ist das Opfer für Hermes, welches im Lykeion stattfand1445 Dort wurden Teile der militärischen Ausbildung der Epheben absolviert, sodass es nicht weiter verwundert, dass hier für Hermes ein zentrales Opfer der Polis vorgesehen war, wofür dreißig Drachmen zur Verfügung gestellt wurden Dabei folgte das Schafopfer an Hermes auf das Opfer für Athena Polias, also an prominenter Stelle Der Eintritt der Epheben in die Welt der Männer war aber nicht nur für die Polisgemeinschaft in ihrer Gesamtheit wichtig, sondern bedeutete für den Einzelnen auch einen Schritt auf dem Weg zum Erbe des väterlichen Besitzes, dessen Sicherung Hermes oblag1446 Es war im Sinne der Väter und Söhne, dass die Jünglinge die von der Polis vorgesehene Ausbildung durchliefen, an deren Ende sie als vollwertige Bürger in die Gemeinschaft aufgenommen wurden 2 5 2 Kultakteure im Kontext der Gymnasia Nach diesen Vorüberlegungen ist der vorliegende Abschnitt der Frage gewidmet, wer sich im Gymnasion an Hermes wandte Dafür soll die von Lucia D’Amore vorgeschlagene Gruppierung der Kultakteure übernommen und geprüft werden, ob diese auf Hermes übertragbar ist1447 Dabei ist keine umfassende Katalogisierung der Dokumente angestrebt, sondern es sollen Tendenzen und Traditionen ausgemacht werden Weil das Gymnasion eine Institution der Polis war, waren städtische Magistrate für die korrekten Abläufe zuständig Somit wird die erste Gruppe von den Amtsträgern, 1443 1444 1445 1446 1447

Beck 2009, 58 Seelentag 2015, 444 IG II2 1357, Col 2, Z 4 (403–399 v Chr ) Hierzu: 2 4 1 2 2 „der Erde/dem Erdboden zugehörig“ D’Amore 2009, 162–163

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deren Aufgaben im Bereich der Verwaltung des Gymnasions lagen, und denjenigen, welche die Ausbildung gestalteten und überwachten, gebildet Zu der zweiten Gruppe gehören die Nutzer des Gymnasions und die Teilnehmer der Wettkämpfe Die dritte Gruppe bilden die Sieger der Wettkämpfe und deren Verwandte1448 Die vierte Gruppe umfasst Bürger, die etwas stifteten, ohne ein Amt innezuhaben oder siegreich gewesen zu sein Zur fünften Gruppe gehören die Mitglieder der hellenistischen Herrscherfamilien, die sich im Gymnasion präsentierten Für den Gott Hermes sind im behandelten Zeitraum Zeugnisse für alle Gruppen mit Ausnahme der vierten belegt, sodass im Folgenden die Gruppen eins bis drei und fünf anhand der literarischen und epigraphischen Zeugnisse behandelt werden Die meisten Weihungen stammen von Angehörigen der ersten beiden Gruppen – den Amtsträgern, Ausbildern und Teilnehmern – also von Menschen, die schon ein Teil der Polisgemeinschaft waren oder es werden sollten 2.5.2.1 Städtische Magistrate und Ausbilder Da die vorliegende Studie den griechischen Raum untersucht und dabei auf Poleis mit unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen eingeht, lassen sich Magistrate und Ausbilder nicht immer eindeutig voneinander trennen und werden daher gemeinsam behandelt Ein erster Abschnitt ist den Gymnasiarchen und Hypogymnasiarchen gewidmet, weil von diesen die meisten Zeugnisse überliefert sind1449 Vorweggenommen werden muss jedoch, dass die Gymnasiarchie „nicht zu allen Zeiten in demselben Staate und nicht in allen Staaten dieselbe“1450 war Für eine vertiefendere Erforschung der Gymnasiarchie sei hier auf den Sammelband von Olivier Curty verwiesen1451 Fast jede griechische Stadt, die ein Gymnasion besaß, wählte einen oder mehrere Gymnasiarchen1452 Für Christof Schuler „zählt der Gymnasiarch zu den charakteristischen Institutionen der hellenistischen Polis“1453 Es handelte sich zu Beginn um eine Leiturgie, die von der vermögenden Oberschicht finanziert werden musste und die dann zu einem jährlichen Wahlamt umgestaltet wurde1454 Wegen der zunehmenden Aufgaben und vor allem aufgrund steigender Nutzerzahlen im Gymnasion, die mit 1448 1449 1450 1451 1452

Wrede 1986, 35 Bevilacqua 2009, 233, Aneziri/Damaskos 2007, 250, Rückert 1998, 115–120 Krause 1841, 183 Vgl Curty 2009 Aristot Ath pol 42 erwähnt keinen Gymniasarchen, was Bleicken zu der Aussage brachte, dass es dieses Amt in Athen nicht gegeben habe (Bleicken 1986, 291) Allerdings sind aus Athen zahlreiche Belege für Gymniasarchen bekannt: z B IG II2 3023 (338/337 v Chr ) Siehe auch: Develin 1989, 5 Grundlegend zur Gymnasiarchie: LGBeroia 1453 Schuler 2007, 164 1454 [Xen ] Ath pol 1, 13, And 1, 132, Demosth or 20, 21 Dazu: Rohde 2019, 203–204, Günther/Weise 2014

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erheblichen Geldaufwendungen verbunden waren, wurde dem Gymnasiarchen mancherorts ein Priester zur Seite gestellt Dabei finden sich Magistrate für die ganze Polis, für einzelne Gymnasia oder für einzelne Altersgruppen1455 Die Gymnasiarchen überwachten den Gymnasionskomplex und stellten den geregelten Ablauf der Veranstaltungen sicher1456 Von allen Obliegenheiten ragt in der Wahrnehmung der Zeitgenossen und in der Selbstdarstellung der Amtsträger die Sorge für die Jugend heraus Somit erklärt sich, warum die Arbeit der Gymnasiarchen für die Polis so grundlegend war: Sie überwachten die Ausbildung der jungen Männer, die sich zu Bürgern entwickeln sollten Da die Amtsträger öffentlich zum Beispiel bei städtischen Veranstaltungen gemeinsam mit den Epheben auftraten, wurden sie als Garanten für den guten Zustand der Jugend wahrgenommen Dabei übernahm der Gymnasiarch stets die Führung der Gruppe, genauso wie es Hermes bei Prozessionen tat Weiterhin fungierten die Amtsträger durch die rechtmäßige Amtsführung und ihren Euergetismus als Vorbild für die künftigen Bürger Die Wichtigkeit des Amtes unterstreicht auch Aristoteles, wenn er darlegt, dass die Gymnasiarchie neben der Gynaikonomie (Aufsicht über die Frauen), Nomophylakie (Überwachung der Gesetze) und Paidonomie (Aufsicht über die Kinder) für die εὐκοσμία (gute Ordnung) und den Wohlstand der Polis sehr förderlich sein1457 Zur Unterstützung ihrer Tätigkeit waren den Gymnasiarchen Hypogymnasiarchen (Untergymnasiarchen) unterstellt1458 Eine ausführliche Inschrift von Kos berichtet über gemeinsame kultische Handlungen des Hiereus von Hermes Ἐναγώνιος und des Gymnasiarchen für Hermes im Laufe eines Amtsjahres1459: „Der Gymnasiarch, der nach | dem Monarchos Menoitios amtiert und die anderen jeweils im Amt folgenden | sollen von dem Geld, das ihnen für die Ausrichtung der Bogen- | und der Speerwettkämpfe gegeben wurde, opfern im Wintersemester | im Theudaisios, Kaphisios, Gerastios, im Sommersemester im Agrianios, Panamos, | Alseios in jedem Monat ein Opfertier im Wert von nicht weniger als | 25 Drachmen Opfern sollen sie auch von dem Geld, das ihnen für die | Schulagone im Artamitios und im Agrianios gegeben wurde, in 1455 1456 1457 1458 1459

Vitale 2014, Schuler 2007, 163–164 Vgl für die folgenden Ausführungen: Schuler 2007, 167–171/178–179/188–189, Wallensten 2003, 41 Aristot pol 6, 1322b–1323a IG IV 753 (4 Jh  v Chr ) IG XII 4, 1, 298, Z 37–47 (2 Hälfte 3 Jh   v Chr , Übersetzung nach Hallof) Inschrift: „ὁ γυμνασίαρχος ὅς κα ἄρχηι  | μετὰ μόναρχον Μενοίτιον καὶ τοὶ ἄλλοι τοὶ ἀεὶ γινόμε-  | νοι ἀπὸ τοῦ ἀργυρίου τοῦ διδομένου αὐτοῖς ἐς τὰς διατοξεύ- | σεις καὶ διακοντισίας θυόντω τᾶς μὲν χειμερινᾶς ἑξαμήνου | Θευδαισίου, Καφισίου, Γεραστίου, τᾶς δὲ θερινᾶς Ἀγριανίου, Πανά- | μου, Ἀλσείου, ἑκάστου μηνὸς ἱερεῖον μὴ ἐλάσσονος ἄξιον | δραχμᾶν v ΔΔΓ· θυόντω δὲ καὶ ἀπὸ τοῦ διδομένου αὐτοῖς εἰς τὰς | διαδρομὰς τοῦ Ἀρταμιτίου καὶ τοῦ Ἀγριανίου ἐν ἑκατέρωι μηνὶ ἱε- | ρεῖον μὴ ἐλάσσονος ἄξιον δραχμᾶν (ΓΔ)· θυόντω δὲ καὶ τοῦ μηνὸς | τοῦ Ἀλσείου τᾶι δεκάται καθὰ καὶ πρότερον ἱερεῖον μὴ ἐλάσσονος | ἄξιον τοῦ ἐν τῶι νόμωι γεγραμμένου δραχμᾶν (ΓΔ)Δ·“ Vgl das ausführliche Gymnasiarchengesetz aus Beroia, das hier auf Grund der späten Datierung nicht berücksichtigt werden kann: LGBeroia (ca 180 v Chr ) Dazu: Lupu 2005

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jedem der beiden Monate | ein Opfertier im Wert von nicht weniger als 50 Drachmen Opfern sollen sie auch im Monat | Alseios am zehnten, wie auch bisher, ein Opfertier im Wert von | nicht weniger als den im Gesetz vorgeschriebenen 60 Drachmen “

Es wird deutlich, dass der Gymnasiarch für die Ausrichtung bestimmter Wettkampfformen Geld aus der städtischen Kasse bekam1460 Daneben hatte er die anderen Einnahmen der Institution wie Einkünfte aus dem Besitz, den Gebühren der Benutzer und den Spenden zu verwalten1461 Einen nicht geringen Anteil des Geldes musste er für Opfer an Hermes Ἐναγώνιος verwenden, deren Anzahl, Umfang und Zeitpunkt genau geregelt waren Somit war der Gymnasiarch der oberste Kultfunktionär der Kultgemeinschaft, die im Gymnasion zusammenkam Im Laufe eines Jahres in Kos, welches in ein Winter- und Sommerhalbjahr unterteilt war, führte der Gymnasiarch neun Tieropfer für Hermes Ἐναγώνιος durch Diese hingen jeweils mit Agonen und anderen öffentlichen Akten im Gymnasion zusammen und umfassten eine Preisspanne von 25–60 Drachmen Im weiteren Verlauf des Textes ist festgelegt, dass der Gymnasiarch gemeinsam mit dem Hiereus einmal im Jahr aus den Jünglingen fünf Monatspriester auszuwählen hatte, die am vierten Hyakinthios nach einem Festzug unter Beteiligung des Priesters, des Gymnasiarchos und des Hypogymnasiarchos ein großes Opfer veranstalten sollten Dieses hatte aus einem Rind im Wert von 250 Drachmen und einem Schwein im Wert von 50 Drachmen zu bestehen1462 Solche häufigen Opfer zeigen, dass der Hermeskult besonders im Gymnasion als „embedded“ zu bezeichnen ist Hermes erhielt nicht nur regelmäßige Opfer und wurde am Gewinn der Einrichtung beteiligt, sondern seine Bilder wurden auch als Zeichen einer korrekten Amtsausübung aufgestellt Ab dem 4 Jh  v Chr sind solche Weihungen überliefert, wobei sie in dieser Zeit noch vergleichsweise selten waren1463 Wie andere verdiente Amtsträger konnten die Gymnasiarchen die Aufstellung einer Weihung nach Ende der Amtszeit beantragen1464 Ein positiv beschiedener Antrag führte zur Errichtung eines für alle sichtbaren Beweises, dass die anvertraute Aufgabe erfüllt und vor allem das anvertraute Geld sinnvoll und rechtmäßig verwendet worden war1465 Als typisch kann folgende Gymnasiarcheninschrift aus dem 4 Jh  v Chr gelten1466: „Diodoros, Sohn von Aristogenos, | (gewesener) Gymnasiarchos, dem Hermes “

1460 1461 1462 1463 1464 1465

Zur Finanzierung der Gymnasien: Schuler 2007, 178–189 Zum Beispiel Kos: Schuler 2007, 181–182 Schuler 2007, 170/179 IG XII 4, 1, 298, Z 93–106 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) Zu Schweinen als Opfertieren: Clinton 2005 Wallensten 2003, 43 Rückert 1998, 116 Rechenschaftsberichte werden z B für Kos [IG XII 4, 1, 298, Z 129–133 (2 Hälfte 3 Jhd  v Chr )] erwähnt Ein tatsächlicher Bericht liegt aus Tauromenion vor [IG XIV 422 (2 /1 Jh  v Chr )] 1466 I Pergamon I, 9 (4 Jh  v Chr ) Inschrift: „Διόδωρος Ἀριστογένους | γυμνασιαρχήσας Ἑρμεῖ “ Siehe auch: Hermenbasis mit Inschrift aus dem Gymnasion in Priene: I Priene 190 (um 300 v Chr )

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Wie das Beispiel zeigt, enthielten die Inschriften selten mehr als den Namen des oder der Weihenden, die Angabe des Amtes und den Götternamen Gymnasiarcheninschriften wurden, wie andere Inschriften von Amtsträgern, nach Ablauf der Amtszeit geweiht und waren eine langlebige Erinnerung an die korrekte Amtsausübung1467 Hermes wurde als Empfänger angegeben, weil er einerseits als Gott der Institution des Gymnasions galt, für welche der Stifter zuständig zeichneten, andererseits waren die Gymnasiarchen städtische Amtsträger Vor allem gewesene Magistrate wählten die Herme als Weihgeschenk aus, um ihr normenkonformes Verhalten und ihren Dienst an der Polis sichtbar zu machen Entsprechend handelte es sich häufig um Hermen, auf deren Basis die Inschrift angebracht war Die von den Gymnasiarchen gestifteten Götterbilder standen wie im vorliegenden Fall auf der Agora, am Eingang zum oder im Gymnasion, im Theater oder in den Festungen1468 Eine besondere Form der Gymnasiarchenweihungen waren die sogenannten Ephebenkataloge, die anhand eines in Rhamnous gefundenen Beispiels illustriert werden sollen Auf einer runden Marmorbasis stand eine bartlose, jugendliche Herme, die mit einem Mantel bekleidet ist1469 Die Inschrift weist sie als Weihung des Sophronisten (Aufseher) und der Gymnasiarchen der Epheben aus der Phyle Erechtheis aus, nachdem die jungen Männer bei einem Fackellauf siegreich waren Es folgen die Namen der Mannschaftsangehörigen Solche Namenslisten erfüllten mehrere Funktionen: Einerseits zeigten sie den Mitgliedern der Gemeinschaft, welche Bürgersöhne die Ephebie durchliefen und sich bei den Wettkämpfen hervorgetan hatten; andererseits war die Liste eine Bitte an den Gott, diese Jünglinge besonders zu schützen, und zugleich Ausdruck des Dankes für den Sieg im Wettkampf Mithilfe der Götteranrufung wurde der Akt zusätzlich sakralisiert Oft enthielten die Kataloge zudem die Namen der Gymnasiarchen, wodurch die enge Beziehung von Gymnasiarchie und Ephebie deutlich wird1470 Obwohl Hermes in dieser Inschrift nicht erwähnt wird, ist die Gabe durch ihre Hermenform als für den Gott bestimmt zu interpretieren Für diese Deutung spricht ebenfalls, dass es sich um Sieger im Fackellauf handelte, der im Kult des Hermes eine bedeutende Rolle spielte1471

1467 Hierzu: 2 6 1 1 Städtische Magistrate/2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen 1468 Zum Eingang zum Gymnasion: SEG 53–541 (350–200 v Chr ), I Pergamon I, 9 (4 Jh  v Chr ); zur Agora: I Ephesos 1102 (hell ); zum Theater: IG II2 3023 (338/337 v Chr ); zu Rhamnous: IG II3 4, 338 (333/332–331/330 v Chr ) 1469 IG II2 3105 (333/330 v Chr ) Zur Diskussion, ob es sich um eine Hermesherme oder um eine Darstellung eines Epheben handelt: Rückert 1998, 117, Harrsion 1961, 378, Kron 1976, 234 Siehe auch: AEphm 127 (1988), 19–21 (333/332 v Chr) 1470 Schuler 2007, 164 1471 Hierzu: 2 3 3 1 Prozessionen und Fackelläufe/2 5 2 3 2 Gymnische und hippische Agone

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Daneben sind immer wieder Fälle belegt, bei denen die Weihenden betonen, dass sie für ihre Verdienste bereits andere Ehrungen erhalten hatten, wie das Beispiel von Autosthenides aus Athen zeigt1472: „Dem Hermes Ἐναγώνιος hat (mich) Autosthenides, | Sohn von Autosthenides, aus dem Demos Xypete, | der Gymnasiarch der Phyle Kekropis, | bei den Großen Panathenäen aufgestellt, nachdem er bekränzt wurde | von den Phyleten im Archontat von Chairondas  | Derjenige, der mich schmückt, wird Glück haben “

Durch die Nennung des Archonten kann die Inschrift in das Jahr 338/337 v Chr datiert werden Die Marmorbasis, welche die Inschrift trägt, wurde in der Umgebung des Dionysostheaters in Athen gefunden Im Gegensatz zu anderen Städten wurden die Gymnasiarchen in Athen zweckbezogen und für einen kurzen Zeitraum gewählt, zum Beispiel wenn Fackelläufe organisiert werden mussten1473 Autosthenides’ Amtsführung hatte ihm demnach nicht nur die Erlaubnis für eine Weihung eingebracht, sondern er war von seinen Mitbürgern bereits mit einem Kranz geehrt worden Erneut bringt ein verdienter Amtsträger seine vorbildliche Tätigkeit mit Hermes in Verbindung Der Gott erhält in diesem Fall den Beinamen Ἐναγώνιος, weil auf eine bestimmte Aktivität des Gymnasiarchen, nämlich den Fackellauf bei den Panathenäen, hingewiesen werden soll Eine vergleichbare Weihung wurde in Rhamnous gefunden1474 Der Gymnasiarch Theophanes errichtete die Stele, nachdem er von den Epheben, den Kosmeten und den Sophronisten mit einem Kranz geehrt worden war Den Ehrenkranz hatte er sogar von drei aufeinanderfolgenden Ephebenjahrgängen erhalten, was eine gewisse personelle Stabilität bei der Gestaltung der sportlichen und militärischen Ausbildung in Rhamnous nahelegt Möglicherweise war Theophanes dem Gymnasion oder den Epheben gegenüber auch als Wohltäter aufgetreten Die Inschrift beweist nicht zuletzt, dass in dem entsprechenden Jahr die Epheben in Rhamnous stationiert waren Im 3 Jh  v Chr nimmt die Anzahl der Weihungen von Gymnasiarchen und Hypogymnasiarchen an Hermes deutlich zu1475 Die häufigste Form bleibt die einfache Nennung des Namens, des Amtes und des Götternamens auf einer Hermenbasis1476 Daneben waren aber auch die Texte, die auf größere Aufwendungen verweisen, verbreitet, wie die Weihung von Nikodromos aus Olbia zeigt, der seine Ausgaben und Erfolge bei den städtischen Hermaia benennt1477 In diese Phase gehören auch die Weihungen, 1472 IG II2 3023 (338/337  v Chr ) Inschrift: „[Ἑ]ρμῆι Ἐναγωνίωι Αὐτοσθε[νίδης]  | Ἀυτοσθε[νί]δου Ξυ[π]εταιὼν ἀνέθη[κε]  | [γυμ]νασιαρχήσας Κεκροπίδι φυλῆι  | [εἰς Πα]ναθήναια τὰ μεγάλα, στεφανωθ- | [εὶς ὑπὸ] τῶν φυλετῶν ἐπὶ Χαιρώνδου | [ἄρχοντος· ὁ δὲ] κοσμῶν με εὐ[τ]υ[χ]ήσε[ι] “ 1473 Schuler 2007, 166 1474 IG II3 4, 338 (333/332–331/330 v Chr ) 1475 Wallensten 2003, 43 1476 Vgl z B IG XII 5, 620–621 (3 Jh  v Chr ) 1477 IOSPE I2 186 (3 Jh  v Chr )

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die auf Bautätigkeiten hinweisen Zwar fiel es in den Aufgabenbereich des Gymnasiarchen, am Baukomplex Renovierungsarbeiten mithilfe des ihm zur Verfügung stehenden Budgets durchzuführen, die Summen reichten aber selten dafür aus1478 Daher finanzierten manche Amtsträger Bau- oder Instandsetzungstätigkeiten mit ihrem Privatvermögen1479 Zum Dank wurden diese Personen entweder von ihren Mitbürgern geehrt oder hielten selbst in Inschriften für die Nachwelt fest, wem die Neubauten zu verdanken waren Ein Beispiel dafür ist aus Kythera bezeugt1480: „Onasipolis (gewesener) Gymnasiarch | (erbaute) das Schwitzbad | und den Raum zum Einstäuben dem Hermes “

Onasipolis hatte während seiner Amtszeit die beiden für den Gymnasionbetrieb nützlichen Anlagen errichten lassen1481 Dabei wurden die Aufwendungen als Geschenk an den Gott betrachtet Tatsächlich war die Gymnasiarchie ein Mittel der vermögenden Bürgerschicht, um sich zu profilieren, da die städtischen Geldmittel für das kostenintensive Gymnasion begrenzt waren1482 Die Weihung sollte verdeutlichen, dass Onasipolis nicht nur sein Amt gut geführt hatte, sondern noch darüber hinaus für die Gemeinschaft tätig geworden und als Euergetes aufgetreten war Aber nicht nur infolge einer Errichtung eines neuen Gebäudes, sondern auch im Falle einer Restaurierung konnte eine Ehrung erfolgen Ein Bericht über das herbstliche Treffen der Hieromnemonen in Pylai enthält den Hinweis, dass die Knidier Archidamos, Pythokles und Sostratos versprachen, die Statue des Hermes Ἐναγώνιος im Stadion im Heiligtum des pythischen Apollons in Delphi auf eigene Kosten zu restaurieren1483 Gymnasiarchen und Hypogymnasiarchen wandten sich nicht nur an Hermes allein, sondern auch an ihn in Gemeinschaft mit anderen Gottheiten, wie Aphrodite, Apollon, Herakles oder vergöttlichten Personifikationen Zu den ältesten Beispielen gehören dabei die Weihungen an Hermes und Aphrodite Beide Gottheiten wurden angerufen, wenn die Eintracht und das Funktionieren der Polis betont werden sollten, weshalb sich vor allem Amtsträger an das Götterpaar wandten1484 Hermes und Aphrodite waren ferner für den geregelten Übergang der Knaben in den Bürgerstatus verantwortlich Besonders anschaulich kann dies anhand des Heiligtums der Aphrodite Parhedros und des Hermes Κεδρίτας in Kato Symi dargelegt werden1485 Der Beiname Κεδρίτας leitet sich von der Zeder oder dem Wacholder ab Zwar wird dieser erstmals 1478 Schuler 2007, 171 Dazu: IG VII 3221 (ohne Datierung) 1479 Meier 2012, 150 1480 IG V 1, 938 (3 Jh   v Chr ) Inschrift: „Ὀνασίπολις γυμνα-  | σιαρχήσας τὸ πυρι-  | ατήριον καὶ τὸ κόνισ- | μα Ἑρμᾶι “ Siehe auch: Raingeard 1934, 80 1481 Zur Hermesverehrung in Schul- und Hygieneräumen im Gymnasion: Rückert 1998, 127–128 1482 Vgl Schuler 2007, 185–187 1483 I Delphi IV 26 (272/271 v Chr ) 1484 Hierzu: 2 6 1 1 Städtische Magistrate 1485 Sporn 2002, 331 Weitere Beispiele: Paros [SEG 48–1137 (ca 400–350 v Chr ), Inschrift: „Εὔτυχος εὐχὴν | Ἑρμῆι καὶ Ἀφροδίτηι“]; Olbia [SEG 30–974 (5 Jh  v Chr )] Zur Rolle von Aphrodite bei

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in einer Inschrift aus dem 2 Jh  v Chr erwähnt, aber bereits auf einem Bronzeblech aus dem 6 Jh  v Chr ist Hermes in einem Baum sitzend dargestellt1486 Vorstellbar ist demnach, dass sich in dem Heiligtum solche Bäume befanden und dass diese im Kult eine Rolle spielten Der heilige Bezirk lag auf einem 1130 Meter hohen Berg im Lasithigebirge1487 Die frühesten Zeugnisse, die dort Kulthandlungen bezeugen, stammen aus dem 11 Jh  v Chr , weshalb Angeliki Lebessi vorgeschlagen hat, dass Rituale, die den Übergang der Knaben in das Erwachsenenalter symbolisierten, vor Ort eine lange Tradition hätten1488 Im 6 /5 Jh  v Chr sei das Heiligtum, so Nanno Marinatos, dann mit einem Altar, einer Feuerstelle und drei terrassierten Plattformen ausgestattet worden, sodass die Kulthandlungen im Freien stattfanden1489 Das Fehlen von Brandopfern im archäologischen Befund für das 5 Jh  v Chr deutet auf eine eingeschränkte Nutzung seit dieser Zeit hin1490 Da das Heiligtum aber in Inschriften aus Arkades, Hierapytna, Lyttos und Priansos weiter erwähnt wird, kann nicht von einem Ende des Kults ausgegangen werden1491 Durch eine Stifterinschrift des 2 /3 Jh n Chr ist zudem ein Tempel bekannt1492 Die Verwaltung des Heiligtums teilten sich wahrscheinlich mehrere Städte, wobei sich ab dem 2 Jh  v Chr Lyttos als Kontrollmacht durchsetzen konnte1493 Die Rituale im Heiligtum von Kato Symi dienten dem institutionalisierten Übergang in das Erwachsenenalter Auf Kreta wurde das Ende der militärischen und sportlichen Ausbildung der jungen Männer mit verschiedenen Festakten gefeiert, mit denen sich die Kultteilnehmer an Hermes als Schützer der Epheben und an Aphrodite als Wächterin über die Jugend wandten1494 So überwachte der Gott der Vorstellung nach einerseits die Erziehung, zu der neben dem militärisch-sportlichen Training auch das Spielen der Musikinstrumente Lyra und Flöte gehörte, die beide den mythischen Erzählungen zufolge von Hermes erfunden wurden1495 Andererseits war er ein Gott des Überganges In den nur fragmentarisch überlieferten Texten des Geschichtsschreibers Ephoros berichtet dieser von einer vor den Augen der kretischen Stadtgemeinschaft inszenierten und in höchstem Maße performanten Entführung des besten Knaben durch einen angesehenen Bürger1496 Der besagte Bürger verbrachte nach der Entfüh-

1486 1487 1488 1489 1490 1491 1492 1493 1494 1495 1496

der Ausbildung der Epheben: Wallensten 2003, 69 Das Heiligtum für Aphrodite und Hermes in Olbia könnte ebenfalls eine Rolle bei der Ausbildung der Jugend gespielt haben (Vianu 1997, 15) SEG 50–937 (200–150 v Chr ) Dazu: Sporn 2002, 86, Anm 516–517 Für den folgenden Absatz: Sporn 2002, 85–88 Chaniotis 2006, 201 (mit ausführlicher Beschreibung der Bronzetafeln und anderer bildlicher Darstellungen der Rituale), Marinatos 2003, 132–137 (mit Abb ), Lebessi 1985 Marinatos 2003, 131 Sporn 2002, 86 Chaniotis 2006, 202, Chaniotis 1996, 124–125 SEG 46–1205 (=SEG 26–1046, 3 Jh n Chr ) Chaniotis 2006, 202, Sporn 2002, 88–89 Marinatos 2003, 131, Sporn 2002, 332 Allan 2018, 48, Scheid/Svenbro 2017, 94–97, Seelentag 2015, 459–495 Ephor FGrH 70 F 149

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rung gemeinsam mit dem Jüngling und seinen Gefährten zwei Monate zurückgezogen außerhalb der Stadt, wobei das Jagen und das gemeinsame Speisen eine wichtige Rolle spielten Hermes galt zwar nicht als Gott der Jagd, in der spezifischen kretischen Ausbildungspraxis übernahm er aber auch diese Funktion, wie wiederum die Reliefpinakes aus Rhaukos illustrieren1497 Die größte Anzahl zeigt nämlich Hermes als nackten Mann mit einem Tierschädel in der rechten Armbeuge und einem Bogen in der linken Hand Zum besseren Verständnis dieser ungewöhnlichen Attribute können Münzbilder aus Tylisos herangezogen werden: Auf Silberstateren um 400 v Chr erscheint der Gott mit Bogen und gehörntem Ziegenkopf auf dem Revers1498 Beide Darstellungen waren an Weihungen aus Kato Symi angelehnt und können nur mit der Unterweisung junger Männer in Verbindung gebracht werden1499 Auf den in das Heiligtum gestifteten Bronzeblechen, die allein aufgrund ihres Materials nur von Mitgliedern der Oberschicht stammen dürften, wurde Hermes in Verbindung mit den wichtigsten aristokratischen Beschäftigungen gezeigt: der Jagd, dem Symposion und der Musik Wohin aber zogen sich diese Gruppen für das Ritual zurück? Wahrscheinlich waren ihre Ziele dem Hermes geweihte Bergheiligtümer wie das von Kato Symi1500 Angelos Chaniotis konnte nachweisen, dass die Berge „als Ort[e] der Liminalität“1501 wahrgenommen wurden Katja Sporn bezeichnete daher die Bergheiligtümer als Plätze eines „Initiationskult(s) der kretischen Epheben“1502 Durch die gemeinsame Ausbildung der Knaben innerhalb der Polisgemeinschaft identifizierten sich diese mit den Regeln und Normen derselben und nahmen sich als Gruppe wahr Innerhalb einer Generation von Knaben bestand jedoch Konkurrenz, wie die Entführung zeigt Der siegreiche Knabe erhielt nach der Rückkehr ein Rind, ein Gewand und einen Becher als Geschenke des Entführers1503 Durch diese konnte er sich auch optisch deutlich von den anderen Altersgenossen abheben Das Ende der Entführung und damit das Ende der Ausbildung eines ganzen Jahrganges wurde mit einem Polisfest, möglicherweise in Heiligtümern wie dem von Kato Symi, markiert Aus einem Isopolitievertrag zwischen Hierapytna und einer unbekannten Stadt können Kultbestimmungen für ein solches Fest abgeleitet werden Der letzte Teil der stark fragmentierten Inschrift lässt noch den Rückschluss zu, dass es ein regelmäßiges gemeinsames Opfer der Städte in einem gemeinsam genutzten Heiligtum gab1504 Es folgen Bestimmungen über das zuständige Kultpersonal und die Finanzierung, sodass es sich nicht um ein einmaliges Opfer bei Vertragsabschluss, 1497 1498 1499 1500 1501 1502 1503 1504

Sporn 2002, 143 BMC Kreta 80, 1–2 Marinatos 2003, 132, Rückert 1998, 137 Seelentag 2015, 472, Chaniotis 2006, 200, Gehrke 1997, 31–35 Chaniotis 2006, 200 Sporn 2002, 332 Ephor FGrH 70 F 149 IC III iii 6, Z 10–14 (=Chaniotis 1996, Nr 35, 3 /2 Jh  v Chr )

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sondern um ein regelmäßiges handeln muss1505 Wenn davon ausgegangen wird, dass der Vertrag zwischen Hierapytna und Biannos geschlossen wurde, ist mit dem Heiligtum höchstwahrscheinlich das Hermes-Aphrodite-Heiligtum von Kato Symi gemeint Weiterhin deutet die Inschrift darauf hin, dass im Heiligtum Epheben mehrerer Poleis gemeinsam ihr Übergangsritual feierten1506 Auch für andere Grenz- und Bergheiligtümer auf Kreta, wie das Zeus-Heiligtum auf dem Ida, sind solche Übergangsrituale und gemeinsame Aufführungen belegt, die wiederum die Epheben mehrerer Städte gemeinsam begingen1507 Das überregional bedeutsame Heiligtum in Kato Symi prägte die Kultlandschaft von Kreta nachhaltig, sodass Hermes auf der gesamten Insel eine herausragende Rolle spielte Seine Verantwortlichkeit für die Epheben auf deren Weg zu vollwertigen Polisbürgern überlagerte die anderen Einflussbereiche, was durch die besondere Münzprägung der Ariaioi noch deutlicher wird Diese Prägungen aus dem 3 Jh  v Chr zeigen auf dem Avers den Kopf eines Jünglings und auf dem Revers eine Herme1508 Die Darstellung von Hermen auf Münzen ist äußerst selten; bisher sind neben den bereits besprochenen thrakischen Stücken nur jene aus den sizilischen Poleis Naxos und Segesta, der italischen Stadt Metapont1509 und die Münzen des Ethnos der Ariaioi von Kreta bekannt1510 Eine Erklärung könnte sein, dass sich die Herme im 3 Jh  v Chr als Repräsentation von Hermes in seiner Rolle als Schützer der Epheben und Hausherr des Gymnasions durchgesetzt hatte Eng mit den jährlichen Festen am Ende der Ausbildung der Knaben hing die jährliche Bestätigung der Verträge – und damit die Vereidigung der künftigen Bürger – zusammen1511 Diese Praxis des jährlichen Verlesens der Verträge ist nur für Kreta überliefert Wahrscheinlich fiel sie mit den Festen zusammen, bei denen die Heranwachsenden in die Bürgerschaft aufgenommen wurden, denn am Ende der Ausbildung mussten die nun zu Bürgern werdenden jungen Männer auf Kreta neben einem Bürgereid auch einen Eid auf alle bestehenden Verträge leisten Diese Praxis lässt sich jedoch nicht mit dem Ephebeneid vergleichen, der vom griechischen Festland bekannt ist Ein ausführliches Zeugnis für die Bestätigung der Verträge ist der zweiteilige Bündnisvertrag zwischen Knossos und Dreros, der zwei Versionen eines Eides beinhaltet, den die jungen Männer von Dreros im Beisein der Kosmoi zu leisten hatten1512 Diese höchsten Magistrate der Stadt mussten entsprechend dafür Sorge tragen, dass 1505 1506 1507 1508 1509 1510 1511 1512

Chaniotis 1996, 129–130 Chaniotis 2006, 202–205 Capdeville 1994b, 187–222, Capdeville 1994a, 265–277, Chaniotis 1996, 128 Sporn 2002, 109, Anm 707 mit Quellenbelegen SNG Copenhagen 1243, SNG München 1014–1015 Sporn 2002, 110, LIMC s v Hermes 138/169bis, Visser 1903, 94 Chaniotis 1996, 124–125/197 IC I ix 1 (=Chaniotis 1996, Nr 7, vor der Mitte des 3 Jh  v Chr ) Teil A datiert ins frühe 3 Jh  v Chr , während Teil B wahrscheinlich erst in das Jahr 220 v Chr gehört

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die künftigen Bürger mit den Verträgen vertraut waren Dies hatte Auswirkungen in die Polis hinein, aber natürlich auch eine Außenwirkung, da sowohl Dreros als auch die Vertragspartner an der Bestätigung der Verträge größtes Interesse hatten, wie die Erneuerung der Eidformel während des gemeinsamen Krieges der Vertragsparteien gegen eine dritte Partei zeigt Nur so lassen sich die Bestimmungen, dass keine Grenzfestungen verraten werden dürfen, erklären1513 Wenn das Ende der Ausbildung und die Erneuerung der Verträge zusammenfielen, fanden auch diese gemeinsamen Aktionen der jungen Männer der verbündeten Poleis in Hermes-Heiligtümern wie dem von Kato Symi statt Dafür sprechen Abbildungen von Männern mit Himation1514, die von Angeliki Lebessi noch allgemein als Magistrate bezeichnet wurden, wohingegen Angelos Chaniotis durch die Zusammenschau der bildlichen und schriftlichen Zeugnisse zeigen konnte, dass es sich hierbei um die Kosmoi in ihrer festlichen Amtstracht handelt1515 Das Heiligtum für Hermes und Aphrodite in Kato Symi spielte für die Vereidigung der Jungmannschaften eine besondere Rolle und wurde überregional genutzt Eine Weihung aus dem Gymnasion von Mytilene zeigt, dass für die Verbindung zur Sportstätte noch ein anderer Grund angeführt werden kann Gefunden wurde ein Altar, dessen Inschrift seine Zugehörigkeit zu Hermes, Aphrodite und Peitho eindeutig klärt1516 Im weiteren Verlauf ist von der Opferung eines Ferkels und eines Hahns zu Ehren der Gottheiten die Rede Im gesamten griechischen Raum galten Zeus, Hera, Aphrodite, Peitho und Artemis als Götter der Ehe1517 Demgemäß kann die Verbindung innerhalb der Sportstätte mit ihrer Fürsorge für die Ehe erklärt werden: Neben der Eintracht in der Ehe oblag Hermes und Aphrodite die eheliche Fruchtbarkeit, also die Erzeugung einer neuen Generation von Bürgern1518 Dass der Altar im Gymnasion aufgestellt worden ist, zeigt, dass auch dort für die eheliche Erzeugung von bürgerlichem Nachwuchs gebetet wurde Zudem wurde die Kultgemeinschaft anhand einer Spezialform des verbreiteten Götterbildes von Hermes zum Ausdruck gebracht Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Herme das wichtigste Agalma des Gymnasiongottes war Etwa seit dem 4 Jh   v Chr traten neben die einfachen Götterbilder auch sogenannte Doppelhermen1519 Die frühesten dieser Bilder zeigen einen ithyphallischen, bärtigen Gott und eine Göttin, wobei diese in der Regel als Hermes und Aphrodite interpretiert werden können1520 Die Doppelhermen wurden wie die einfachen Hermen häufig im Gymnasion aufgestellt1521 1513 1514 1515 1516 1517 1518 1519 1520 1521

Chaniotis 1996, 199 Vgl Lebessi 1985, 145–155, Taf 51 Chaniotis 1996, 68/132 IG XII 2, 73 (ohne Datierung) Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 68/186 Wallensten 2003, 140 Hierzu: 2 3 3 2 Der Weg in die Ehe Vgl Giumlia-Mair 1983, Seiler 1969 Wrede 1986, 52 Vgl z B Vianu 1997, 30–31

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Seltener wurde Hermes von Gymnasiarchen und Hypogymnasiarchen gemeinsam mit seinem Bruder Apollon verehrt1522 Auf der einen Seite spiegelt die Kultgemeinschaft die gesamte Bandbreite der Bildung wider, wobei Apollon die musische Erziehung repräsentiert Auf der anderen Seite wurden die Götter im Kontext der Ausbildung junger Männer dann gemeinsam verehrt, wenn vor Ort der Apollonkult ohnehin eine herausragende Rolle einnahm In diesen Fällen ergänzten sich der Gott der Polis, Hermes, und der Gott der Heimatstadt, Apollon Dafür ist die Stadt Metapont ein Beispiel, in der Apollon einen zentralen Tempel hatte1523 Die städtischen Münzen, die schon im 4 Jh  v Chr Hermesdarstellungen tragen, legen nahe, dass Hermes hier zu den Hauptgöttern zählte1524 Eine Bronzemünze zeigt auf dem Revers einen opfernden Hermes mit Petasos und Kerykeion1525 Die Münzen des späten 4 und beginnenden 3 Jh  v Chr zeigen den Kopf des Gottes mit Petasos1526 Herausragend ist eine Münze, die eine ithyphallische Herme auf dem Revers hat1527 Weiterhin wurden Hermesterrakotten, welche die Münzbilder nachahmen, gefunden1528 Apollon und Hermes wurden hier im Kontext der Paideia verehrt So weihten drei Jünglinge in den Apollontempel eine Kalkstein-Basis in Form einer Kline, die oben eine Auslassung für eine Herme trug1529 Diese ungewöhnliche Weihung kann durch eine Nachricht von Hesychios erhellt werden: Laut dem Lexikographen trug Hermes in Metapont die Beinamen Παιδοκόρης (der Kinderträger) und Εὔκολος (leicht zufriedenzustellen/zufrieden mit jemandes Speisen)1530 Während das erstgenannte Epitheton seine mythische Verbindung zu Kindern hervorhebt und ihn damit in den Kontext der Ausbildung einordnet, betont der zweite Beiname die Freundlichkeit und Genügsamkeit des Gottes, der mit einem Anteil an den Speisen der Menschen zufrieden ist So erklärt sich die Form des Weihgeschenks, die in den Bereich des Symposions verweist Weitere zahlreiche gemeinsame Weihung stammen von der Insel Delos Von diesen soll hier ein Beispiel zitiert werden1531:

1522 1523 1524 1525 1526 1527 1528 1529

Zur Rolle Apollons in Bezug auf die jungen Männer: Graf 2009, 103–129 Vgl Mertens 1985, 654–661 Siehe auch: Langella 2019 Lo Porto 1988, 21, Anm 129–131 SNG Copenhagen 1242, SNG München 1012–1013 Vgl z B SNG München 1042–1044 SNG Copenhagen 1243, SNG München 1014–1015 Lo Porto 1988, 21 SEG 37–780 (3 Jh  v Chr ) Inschrift: „Φίλιος καὶ Ἀγύνα καὶ Ἀγενέα Ἑρμαῖ“ Dazu: Lo Porto 1988, 20–21 1530 Anth Gr 9, 72 (aug ), Hesych s  v Εὔκολος/Παιδοκόρης Felice Gino Lo Porto schlägt als Übersetzung für εὔκολος eher „geneigt/gesellig“ vor und sieht eine Verbindung zu Hermes als Seelengeleiter Zu Εὔκολος und Παιδοκόρης in Metapont: Langella 2019, 23–34/233–236 1531 IG XI 4, 1151 (Ende 3 Jh   v Chr /Anfang 2 Jh   v Chr ) Inschrift: „Μαντίθεος Μαντιθέο[υ]  | γυμνασιαρχήσ[ας],  | Ἀριστέας Μαντιθέου  | ὑπογυμνασιαρχήσας  | Ἀπόλλωνι, Ἑρμεῖ “ Siehe auch: IG XI 4, 1152–1154 (Ende 3 Jh  v Chr /Anfang 2 Jh  v Chr ) Zu den Hermen aus dem Gymnasion in Delos: Michalowski 1930

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„Mantitheos, Sohn von Mantitheos, | (gewesener) Gymnasiarch | und Aristeas, Sohn von Mantitheos, | (gewesener) Hypogymnasiarch, | dem Apollon und dem Hermes “

Es handelt sich um eine gemeinsame Weihung der Brüder Mantitheos und Aristeas auf einer Rundbasis, die im gleichen Jahr ihre Magistraturen innehatten Es war nicht ungewöhnlich, dass Familienangehörige gemeinsam Ämter im Gymnasion bekleideten1532 Der mythischen Überlieferung nach wurde Apollon auf Delos geboren, weshalb er hier besondere Ehrungen genoss1533 Entsprechend weihten die beiden dies zum Dank an den Stadtgott und den Gott der städtischen Ordnung Man könnte vermuten, dass den Magistraten die Parallele, dass sie als menschliche Brüder an die göttlichen weihten, nicht entgangen sein dürfte Im 3 Jh  v Chr kamen zahlreiche Weihungen an Hermes und Herakles hinzu, die aufgrund der schon geleisteten Vorarbeiten zu diesem Thema hier nur kurz erwähnt zu werden brauchen1534 Jenny Wallensten hat herausgearbeitet, dass Hermes bei diesen Weihungen immer zuerst genannt wird1535 Im Gymnasion wurde Herakles als Repräsentant der Athletik und der körperlichen Kraft dem Hermes zur Seite gestellt1536 Wiederum überwiegen einfache Weihungen der Gymnasiarchen oder Hypogymnasiarchen, die Name, Amt und Götter nennen1537 Weiterhin finden sich Dedikationen, die nur die Götternamen enthalten und über die nur wenig ausgesagt werden kann1538 Daneben konnte Hermes im Gymnasion mit anderen, oft lokalen Heroen gemeinsam verehrt werden Ein Beispiel ist aus der boiotischen Polis Orchomenos überliefert1539: Im Gymnasion wurde ein gemeinsames Weihgeschenk des Gymniasarchen für Hermes und den Städtegründer Minyas aufgestellt Das Gymnasion von Messene schmückten laut Pausanias Statuen von Hermes, Herakles und Theseus1540

1532 1533 1534 1535 1536 1537

Schuler 2007, 178–179 Hom h 3 Vgl Larson 2019, Jaillard 2007a, 151–157 Wallensten 2019, 252 Zu Herakles als Erfinder der Athletik: Plin nat 7, 205 Dazu: Aneziri/Damaskos 2007, 248–251 Zu Gymnasiarchen: SEG 37–508 (3 –2 Jh   v Chr ) Inschrift: „Λυκόφρων  | Θευδότου  | γυμνασιαρ-  | χήσας Ἑρμᾶι ‖ Ἡρακλεῖ“ Le Bas II, 240/1009 (3 Jh v Chr), BCH 4 (1880) 521 (3 /2 Jh   v Chr ), SEG 16–649–653 (3 –1 Jh   v Chr ), I Ephesos 1102 (hell ) Hypogymnasiarch: IG XII 3, 1091 (3 /2 Jh   v Chr ) Inschrift: „Βάκχιος Σάτ[τ]ου ὑπογυ[μνασιαρχήσ]ας  | τάν τε ἐξέδραν καὶ τὸ [ἄγαλμα(?)]  | Ἑρμᾶι Ἡρακλεῖ “ Gemeinsame Weihung: IG XII 3 Suppl 1314 (3 /2 Jh  v Chr ) Inschrift: „Προκλείδας Εὐα[γόρα] | γυμνασιαρχήσας καὶ Ἀ[λκιμέδων] | Προκλείδα ὑπογυμνασι[αρχήσας] | τὸ ἀλειπτήριον Ἑρμᾶι κα[ὶ {2spatium}2 Ἡρακ]λεῖ“ SEG 30–1260 (hell ) Inschrift: Ἀριστείδης Νέωνος, καθ’ ὑποθεσίαν δὲ Θρασυμάχου, | γυμνασιαρχῶν Ἑρμεῖ καὶ Ἡρακλεῖ, | ὑπογυμνασιαρχοῦντος Θεοδότου τοῦ Φανία“ IG XII 5, 232 (hell ) 1538 Vgl BCH 13 (1889) 571 (3 Jh   v Chr ), OGIS 230 (3 /2 Jh   v Chr ) Zu griechischen Kulten auf Zypern in der Klassik und im Hellenismus: Anastassiades 2007, 161–171 1539 IG VII 3218 (ohne Datierung) Dazu: Schachter 1986, 42 1540 Paus 4, 32, 1 Hermes wurde im Gymnasion von Messene spätestens ab dem 3 Jh  v Chr verehrt, wie eine wiederverbaute Herme des 3 Jh  v Chr (SEG 54–457) zeigt Die kultische Verehrung reicht

252

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Außer diesen Gottheiten, die ohnehin dem gymnasialen Kontext angehörten, richteten die Gymnasiarchen ihre Wünsche oder ihren Dank an vergöttlichte Personifikationen wie Demos oder Polis1541 Daraus können Rückschlüsse über die Selbstwahrnehmung der Amtsträger gezogen werden: Sie nahmen sich als Repräsentanten der Polis und des Volkes wahr und ihre Aufgabe war ein wichtiger Baustein für den Erhalt und das Wohlbefinden beider Somit erklärt sich auch, warum die Amtsträger Hermes bevorzugten Die Gymnasiarchen wandten sich an Hermes als Gott der Ordnung und als Garanten für den Erhalt der Polis1542 Im Gegensatz zu den zahlreichen Weihungen der Gymnasiarchen und Hypogymnasiarchen an Hermes fällt die Zahl der Dedikationen anderer Amtsträger und der städtischen Beauftragten für die Erziehung deutlich geringer aus So wurden die athenischen Kosmetai und Sophronistai, die für die Leitung eines Jahrgangs zuständig waren, in Ephebenweihungen durchaus benannt, traten selbst aber im hier behandelten Zeitraum nicht als Stifter auf1543 Trotzdem scheint eine Verbindung zwischen den Amtsträgern sowie den Beauftragten und Hermes bestanden zu haben, wie zwei griechische Epigramme nahelegen1544 Wiederum mithilfe des koischen Reglements zum Verkauf des Priesteramtes für Hermes Ἐναγώνιος kann gezeigt werden, dass Hermes regelmäßige Opfer von verschiedensten Amtsträgern erhielt1545 Als Amtsträger, die mit dem Gymnasion verbunden waren, werden der Agonothet (Festspielleiter)1546, die Lampadarchoi (Leiter eines Fackellaufs)1547, der Paidonomos (Knabenerzieher)1548 und die Paidotribai (Erzieher)1549 genannt Gerade aus Delos sind mehrere Weihungen von Lampadarchen aus dem behandelten Zeitraum überliefert1550 Die Lampadarchen mussten zu den Festen Mannschaften für den Fackellauf zusammenstellen und diese trainieren1551 Aus den Amtsaufgaben erklärt sich ihre Hinwendung zu dem Gott, denn letzterem oblag schließlich die Fürsorge über die Wege und Prozessionen

1541 1542 1543 1544 1545 1546 1547 1548 1549 1550 1551

mindestens bis ins 2 /1 Jh  v Chr , wie die zahlreichen Weihinschriften nahelegen, die im Gebiet des Gymnasions gefunden wurden [z B SEG 47–391 (2 Jh  v Chr )/46–410 (2 /1 Jh  v Chr )] Wallensten 2003, 42 mit Quellenbelegen Einen Höhepunkt erleben Weihungen von Gymnasiarchen an Hermes im 2 /1 Jh  v Chr , welche hier jedoch keine Rolle mehr spielen Zu Kosmetai/Sophronistai: Aristot Ath pol 42, 2 Dazu: Habicht 1995, 28/142, Bleicken 1986, 291 Siehe zu Ephebenweihungen: IG II2 4594a (333–330 v Chr ), IG II3 4, 338 (333/332–331/330 v Chr ); zu Kosmetenweihungen späteren Datums: Rückert 1998, 116/118–119/238 Epigr Gr 952/965 (keine Datierung) Zur Praxis des Verkaufs von Priesterämtern: Dignas 2002 IG XII 4, 1, 298, Z 20–26/53–57 (2 H 3 Jh  v Chr ) IG XII 4, 1, 298, Z 26–37 (2 H 3 Jh  v Chr ) IG XII 4, 1, 298, Z 47–57/65–69 (2 H 3 Jh  v Chr ) IG XII 4, 1, 298, Z 79–82 (2 H 3 Jh  v Chr ) IG XI 4, 1155 (300–250 v Chr ) Inschrift: „Διόδοτος Στησίλεω | Ἑρμῆι λαμπαδαρχήσας  | Ἀργαδεῖς ἐνίκων “ Siehe auch: IG XI 4, 1156 (300–250 v Chr ) Dazu: Wallensten 2019, 252 Wörrle 1988, 221–222

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Ein anderer Grund, für Weihungen zum Beispiel von einem Paidonomos (Knabenerzieher) ist, wenn er neben diesem noch andere Ämter bekleidete, wie folgendes Beispiel aus Halikarnassos zeigt1552: „Deinomenes, Sohn von Mython, | (gewesener) Gymnasiarch | und Paidonomos, | dem Hermes “

Deinomenes war im gleichen Jahr Gymnasiarch und Paidonomos gewesen und stellte nach Ablauf seiner Amtszeit eine Weihung für Hermes auf Deinomenes scheint neben der Verwaltung auch Interesse an der Ausbildung gehabt zu haben, weshalb er beide Ämter gleichzeitig besetzte1553 Ebenfalls möglich war, dass Gymnasiarchen die Aufgaben der Paidonomoi übernahmen, sofern letzteres Amt nicht eigens dafür vorgesehen war1554 Weitere Inschriften von Paidonomoi oder Paidotribai unterscheiden sich von den bisher besprochenen Inschriften von Amtsträgern im Gymnasion, wie die auf einer runden Marmorbasis angebrachte Inschrift aus Halikarnassos zeigt1555 Zwar werden auch hier zu Beginn das Amt, der Name des Weihenden und die Götter Hermes und Herakles genannt Im Anschluss wird aber ein Wunsch, hier die Gesundheit der dem Paidonomos Melantas unterstellten Knaben betreffend, geäußert Demnach diente die Weihung nicht mehr nur dazu, die eigenen Verdienste für die Stadt hervorzuheben, sondern enthielt auch eine konkrete Bitte an die Götter oder Ratschläge für die Epheben Schließlich war es die Aufgabe der Paidonomoi, die Jugend im Sinne der Polis zu erziehen Ganz ähnlich strukturiert ist eine Weihung der Palaistriten von Tenos an Hermes und Herakles1556 2.5.2.2 Nutzer Aus der Gruppe der Nutzer und Teilnehmer im Gymnasion stechen die jungen Männer hervor, die zum Beispiel in Athen als Epheben oder auf Kreta als Agelai bezeichnet wurden1557 Einerseits werden Epheben auf Inschriften genannt, wobei sie selbst 1552 SEG 16–649 (3 Jh  v Chr ) Inschrift: „Δεινομένης Μύτωνος | γυμνασιαρχήσας | καὶ παιδονομήσας | Ἑρμῆι“ Siehe auch: Raingeard 1934, 233–234 1553 Schuler 2007, 186 1554 Kah 2007, 49 1555 SEG 16–651 (=30–1260, 3 /2 Jhd  v Chr ) Inschrift: „ὁ παιδονόμος | Μελάντας Ἀντιλόχ[ου] | ὑπὲρ τῆς τῶν παίδ[ων] | ὑγιείας | Ἑρμεῖ καὶ Ἡρα[κλεῖ ] | [οὐ] τὸν ἐπὶ κτεάνοις γαυρο[ύμενον θνητὸν] | [ἐπ]αινῶ μή μοι τοῦτο βάλ[ῃ –]  | [ἀλλὰ] τὸν εὐσεβίαι με[μελημένον ὅς μ’ ἀνέθηκε]  | [ἡ]γητῆρα ἀστῶν παισ[ὶν ἐφήβοισι ] | τοὔνεκ’ ἐπεί με σέβων ε[–] | πᾶν ἔτος αἰνήσω ΠΑ․[–] “ 1556 Epigr Gr 948 (ohne Datierung) Dazu: Raingeard 1934, 242–243 1557 Seelentag 2015, 453–454, Bevilacqua 2009, 233, Aneziri/Damaskos 2007, 250 Die Vereinigung der Hermai, zu denen etwa 13-jährige Bürgersöhne zählen, spielte beim Trophoniosorakel in Lebadeia eine Rolle (Paus 9, 39, 7 Dazu: Schachter 1986, 41) Das Hermaistenkollegium der Insel Lesbos

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nicht oder nur indirekt an der Aufstellung beteiligt waren, wie das oben behandelte Beispiel der Ephebenkataloge veranschaulicht Andererseits sind persönliche Weihungen einzelner Epheben bekannt, die jedoch erst vergleichsweise spät im 3 Jh  v Chr aufkommen Dabei müssen gemeinschaftliche Weihgaben mehrerer junger Männer1558 von Einzelstiftungen unterschieden werden Für die individuellen Geschenke soll ein Weihepigramm von Kalliteles als Beispiel dienen1559: „Dir hat den Petasos, der aus Lammwolle wohlgefaltet gefilzt wurde, | Hermes, der Kalliteles aufgehängt; | und eine zweifache Anstecknadel, und einen Schaber, einen gespannten Bogen, | und eine Chlamys mit Öl vollgesaugt, | und Pfeile, und einen ständig geworfenen Ball außerdem nimm du, | Freund der Jünglinge, der du die Jugendzeit wohlordnest, als Geschenk “

Der Knabe weihte Hermes seine im Gymnasion getragene Kleidung und die dort gebrauchten Gegenstände wie Trainingsgeräte und kosmetische Artikel Auffällig ist die Betonung, dass Kalliteles die Dinge intensiv benutzt habe, womit vermutlich hervorgehoben werden sollte, dass er sich unter den Epheben besonders hervorgetan hatte Wegen des Aufstellungsorts und der -intention erhielt der Gott Hermes den Beinamen Κωροφίλος (der Freund der Jünglinge) Als solcher unterstützte er nicht nur die jungen Männer in dieser wichtigen Phase des Lebens, sondern trug auch dafür Sorge, dass die Ausbildungszeit „wohlgeordnet“ (εὔτακτος) war, womit wiederum die ordnungsstiftende Funktion des Gottes hervorgehoben wird Es fällt auf, dass die Zahl der Ephebenweihungen an Hermes in der behandelten Zeit vergleichsweise gering ist Erst ab dem 3 Jh   v Chr sind Inschriften von gewesenen Epheben belegt, die dann im 2 Jh  v Chr sehr häufig werden1560 Warum aber fehlen Weihungen an Hermes vor dem 3 Jh  v Chr ? Die Antwort ist in der Weihpraxis des 5 und 4 Jh  v Chr zu suchen: In dieser Zeit war es unüblich, dass Individuen ohne Amt oder Nichtbürger an öffentlichen Orten Erinnerungsmale ihrer eigenen Verdienste oder Weihungen mit detaillierten Begründungen aufstellten Zu diesen Einzelpersonen zählten auch die Epheben, die das Bürgerrecht noch nicht erlangt hatten Es war ihnen daher noch nicht gestattet, eigene Erinnerungsmale errichten zu lassen Um dennoch Teil des öffentlichen Diskurses zu werden, bemühten sie sich um vorbildliches Verhalten während der Ephebie, damit sie zum Beispiel auf Siegerlisten (Raingeard 1934, 219–221) und die Vereinigung der Neoi [z B IGBulg I2 44, I Ephesos 1102 (hell )] werden hier nicht beachtet, weil die Zeugnisse außerhalb des behandelten Zeitraums liegen 1558 Vgl z B die einfache Marmorbasis, die möglicherweise mit einer Herme geschmückt war und in Rhamnous gefunden wurde [IG II3 4, 351 (3 Jh  v Chr )] 1559 Anth Gr 6, 282 (um 300 v Chr ) Inschrift: „σοὶ τὸν πιληθέντα δι᾽ εὐξάντου τριχὸς ἀμνοῦ, | Ἑρμᾶ, Καλλιτέλης ἐκρέμασεν πέτασον,  | καὶ δίβολον περόναν, καὶ στλεγγίδα, κἀποτανυσθὲν  | τόξον, καὶ τριβάκην γλοιοπότιν χλαμύδα, | καὶ σχίζας, καὶ σφαῖραν ἀείβολον ἀλλὰ σὺ δέξαι, | κωροφίλ᾽, εὐτάκτου δῶρον ἐφηβοσύνας “ 1560 Vgl z B IG II3 4, 357–364 (2 Jh  v Chr )

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erschienen, oder sie brachten Opfer für Hermes dar Außerdem muss die spezifische Verehrung von Hermes noch einmal vergegenwärtigt werden: An Hermes als einem Gott der Polis weihten zumeist Amtsträger nach Ablauf ihrer Amtszeit eine Herme Diese Tradition adaptierend waren die ersten Ephebenweihungen an Hermes auch eng mit dem Ende der Ausbildungszeit verknüpft1561 Mit der Veränderung der Institution des Gymnasions wurde der Abschluss der Ephebie, der nunmehr der städtischen Oberschicht vorbehalten war, zu einem hervorhebenswerten Abschnitt im Leben, um das eigene Prestige und das der Familie zu stärken1562 2.5.2.3 Sieger Im Abschnitt zu den Gymnasiarchen wurden bereits Epheben- und Siegerlisten angesprochen Daher stehen in diesem Teil die Zeugnisse im Zentrum, in denen die Sieger selbst auftraten, sei es, weil sie selbst weihten oder weil ihnen von der Polis eine Ehrung zugesprochen wurde1563 Zur besseren Orientierung werden die Weihungen anhand der Wettkampfarten gegliedert Den Anfang machen zwei Weihungen, die noch aus dem 5 Jh  v Chr stammen und die keinem Wettkampf mehr zugeordnet werden können In seinem Bericht erwähnt Pausanias zwei Statuen des Hermes im Zeusheiligtum von Olympia1564: „Der Hermes, der den Widder unter dem Arm und einen Helm auf dem Kopf trägt und mit Chiton und Chlamys bekleidet ist, gehört nicht mehr zu den Weihgeschenken des Phormis, sondern ist dem Gott von den Arkadern aus Pheneos geschenkt Die Inschrift sagt, dass Onatas aus Aigina und mit ihm Kalliteles ihn geschaffen hätten; wie mir scheint, war Kalliteles Schüler oder Sohn des Onatas Nicht weit von dem Weihgeschenk der Pheneaten steht eine andere Statue, ein Hermes mit Kerykeion; darauf steht, Glaukias aus Rhegion habe das geweiht und der Eleer Kallon es geschaffen “

Da das Geschenk der Pheneaten (ca 460 v Chr ) älter ist, wird dieses zuerst behandelt1565 In Pheneos war Hermes der Hauptgott und somit im städtischen Kalender omnipräsent Es verwundert daher nicht, dass die Bürger dieser Stadt gerade einen 1561 1562 1563 1564

Budin 2013, 21 Zum Ende der Ausbildung auf Kreta: Seelentag 2015, 496–500 Vgl Kuhle 2018 Aneziri/Damaskos 2007, 250 Siehe auch: Perriello 2011 Paus 5, 27, 8 (Übersetzung Meyer 2001): „ὁ δὲ Ἑρμῆς ὁ τὸν κριὸν φέρων ὑπὸ τῇ μασχάλῃ καὶ ἐπικείμενος τῇ κεφαλῇ κυνῆν καὶ χιτῶνά τε καὶ χλαμύδα ἐνδεδυκὼς οὐ τῶν Φόρμιδος ἔτι ἀναθημάτων ἐστίν, ὑπὸ δὲ Ἀρκάδων τῶν ἐκ Φενεοῦ δέδοται τῷ θεῷ· Ὀνάταν δὲ τὸν Αἰγινήτην, σὺν δὲ αὐτῷ Καλλιτέλην ἐργάσασθαι λέγει τὸ ἐπίγραμμα, δοκεῖν δέ μοι τοῦ Ὀνάτα μαθητὴς ἢ παῖς ὁ Καλλιτέλης ἦν οὐ πόρρω δὲ τοῦ Φενεατῶν ἀναθήματος ἄλλο ἐστὶν ἄγαλμα, κηρυκεῖον Ἑρμῆς ἔχων· ἐπίγραμμα δὲ ἐπ᾽ αὐτῷ Γλαυκίαν ἀναθεῖναι γένος Ῥηγῖνον, ποιῆσαι δὲ Κάλλωνα Ἠλεῖον “ 1565 Weitere Weihungen von Pheneaten in Olympia: I Olympia 184 (3 Jh  v Chr ), Paus 6, 1, 3 (Boxkämpfer Neolaidas) Dazu: Nielsen 2018, 415–422

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Hermes im Heiligtum von Olympia aufstellen ließen Möglicherweise war die Form des Bildes an das heute verlorene im städtischen Tempel in Pheneos angelehnt1566 Zu welchem Anlass die Aufstellung erfolgte, erwähnt Pausanias nicht, da er sie aber in einem Atemzug mit der Weihung des Glaukias nennt, ist davon auszugehen, dass beide nah beieinander standen Entsprechend kann auch das Geschenk der Arkader auf einen Sieg in einem Wettkampf zurückgeführt werden Von der zweiten Weihung, die Pausanias nennt, wurden zwei Bruchstücke einer Inschrift in Hexametern auf einer Basis aus grauem Vulkangestein im Gymnasion gefunden, sodass sich das Beispiel dem sportlichen Bereich zuordnen lässt Sehr wahrscheinlich wurde das Bild von einem Sieger bei den Olympischen Spielen aufgestellt Der Text lautet folgendermaßen1567: „Mich, Hermes, hat Kallon aus der Heimatstadt Elis gemacht  | Glaukias, Sohn von Lykkides, | aus Rhegion dem Hermes “

Sowohl bei Pausanias als auch in der Inschrift ist zu lesen, dass der vermutliche Sieger ein Glaukias aus Rhegion war Die Statue, die verloren ist, soll Hermes mit dem Kerykeion in der Hand dargestellt haben Eine nähere Untersuchung der Inschrift gewährt weitere Einblicke Die erste Zeile wurde im elischen Dialekt verfasst und somit wohl von dem Künstler selbst angebracht1568 Die folgenden Zeilen sind im chalkidischen Dialekt geschrieben und dürften daher auf den Wunsch von Glaukias zurückzuführen sein Durch die unterschiedliche Autorschaft erklärt sich die Doppelung des Götternamens: Sowohl der Künstler als auch der Sieger wollten ihre Zuwendung an Hermes verdeutlichen Da Rhegion eine Kolonie von Chalkis war, war einer der vorherrschenden Dialekte der chalkidische1569 In der Kultlandschaft der Stadt Rhegion war Hermes prominent vertreten: Einerseits zeigen die Münzen der Stadt schon im 5 Jh   v Chr Abbildungen des Gottes1570; andererseits wurde ein bronzenes Kerykeion mit der Aufschrift „ΡΕΓΙΝΟΝ“ gefunden1571 Solche Kerykeia wurden bei diplomatischen Missionen eingesetzt, zum Beispiel als Geschenk von Gesandtschaften1572 Der Heroldsstab hatte damit eine politische Wirkung, da er den Austausch zwischen zwei Poleis im Allgemeinen symbolisieren konnte oder anlassbezogen hergestellt worden war Das oben beschriebene Exemplar könnte mit dem Sturz der Söhne des Tyrannen Anaxilaos 461 v Chr zusammenhängen1573 1566 Paus 8, 14, 10–11 1567 I Olympia 271 (ca 450–425 oder 420–410  v Chr ) Inschrift: „[Ἑρμεί]ι με Κάλον γενε[αῖ F]αλεῖ[ο]ρ ἐποίε  | [Γλ]αυκίης ὁ Λυκκίδεο | [τῶ]ι Ἑρμῆι Ῥ[η]γῖνος “ 1568 Zoumbaki 2005, 213 1569 Thuk 6, 44, 3, Diod 14, 40, 1, Strab 6, 1, 6 1570 Vgl z B BMC Thrace 387 (5 –4 Jhd  v Chr ) 1571 IGDGG 38 (450 v Chr ) 1572 Hansen/Nielsen 2004, 291 1573 Vgl Luraghi 1994, 187–229, bes 224–229

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Wie schon im Abschnitt zu den Gymnasiarchen festgehalten ist die Kultgemeinschaft von Hermes und Herakles im Gymnasion sehr eng Dies trifft auch auf die Gruppe der Siegesweihungen zu Wiederum beginnt diese Praxis erst im Hellenismus und erreicht ihren Höhepunkt in römischer Zeit Die überlieferten Beispiele aus den lokalen Gymnasia sind im Gegensatz zu olympischen Geschenken eher schlicht, und zumeist sind nur noch die Inschriften erhalten Diese nennen mindestens den Namen der Sieger und die Götternamen1574 In selteneren Fällen findet auch die Art der Spiele Erwähnung1575 Bereits anhand dieser allgemeinen Weihungen kann festgehalten werden, dass Hermes als Schutzgott der Agone angerufen wurde und dass die Weihungen zum Dank nach dem Sieg erfolgten1576 2.5.2.3.1 Musische Agone Eine Beziehung von Hermes zum Tanz sowie zu den musischen Agonen wurde bereits im Mythos konstruiert Der Gott galt nicht nur als Erfinder mehrerer Musikinstrumente, sondern wurde im homerischen Hymnos zum ersten Rhapsoden stilisiert1577 Außerdem trat er als Richter in musikalischen Wettbewerben auf Nach Auskunft der boiotischen Dichterin Corinna soll er bei einem Wettstreit zwischen den Brüdern Helikon und Kithairon den Sieger verkündet haben1578 Diese Erzählungen spiegeln sich auch in der Kultpraxis wider So zeigen zahlreiche Reliefs Hermes beim Reigentanz mit den Nymphen, und mehrere Vasendarstellungen bilden Hermes als Zuhörer oder Interpret bei musischen Aufführungen ab1579 Im Folgenden liegt der Fokus auf Tänzen, die in Gymnasia stattfanden oder mit dem gymnischen Bereich verbunden waren Diese dienten der Darstellung von Männlichkeit und Wehrhaftigkeit im Krieg, womit noch einmal bekräftigt wird, dass im Gymnasion das Militärische und Sportliche nicht zu trennen sind Zur Erhellung dieser Beziehung soll eine Marmorherme aus Histiaia dienen, die mit folgender Inschrift versehen war1580: „[…] [mich/diese Herme/Hermes] hat Kephalon, Sohn des Hegemonos, für Letos Kind | aufgestellt als Wächter des von tanzenden Füßen festgetretenen Temenos  | Er be-

1574 I Iasos 622 (ohne Datierung) Inschrift: „[–]Ρ[–]Σ[–] | Ἑρμεῖ vacat Ἡρακλεῖ “ 1575 I Mylasa 332 (ohne Datierung) Inschrift: „[ἀνδρ]ὸς ἀγαθοῦ καὶ ἱερονείκου, | ζώσαντος ἐν ἀρετῇ καὶ σωφροσύνῃ | τὴν εἰκόνα Ἑρμῇ καὶ Ἡρακλεῖ “ 1576 Kennell 2006, xiii 1577 Zur Erfindung der Lyra: h Herm 25–54; zum Rhapsoden: h Herm 55–60 Dazu: Scheid/Svenbro 2017, 94–97, Versnel 2011, 320, Hübner 1986 1578 Vgl Corinna frg 654 (Campbell) 1579 Vgl ARV2 416, 3 (480–475 v Chr ) 1580 SEG 33–716 (460–450 v Chr ) Inschrift: „[6–7 Λα]τοΐδαι Κεφάλον hΕγέμονος hυιός | ἔσ[τε]σεν τεμένεος ποσσικρότου φύλακα· | λισσ[ό]μενος δὲ θεοι νίκες hαβρὸν hέρετο κῦδος | ἆθ[4–5]στε[φ] ͂ ͂ Λα“ (Cairns 1983, 22–23) άνοι καλλικίθονι[2]δοι “ Ergänzung Zeile 1: „τειδέ με Λα“ oder „hΕρμ εν Alternative Ergänzung letzte Zeile: „ἄρ[χον εὐ]στε[φ]άνοι καλλικίθονι [χό]ροι“

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tete zu den Göttern und wurde erhöht durch den würdevollen Ruhm des Sieges; | […] [er gibt schöne] Kränze der Schöngewandeten [Artemis] “

Auf der Vorderseite des viereckigen Götterbildes (460–450  v Chr ), von dem Kopf und Phallos fehlen, ist das vierzeilige Epigramm angebracht, wobei jeweils zwei Zeilen am linken und rechten Rand ausgerichtet sind Auf den ersten Blick handelt es sich um eine typische Hermeninschrift, die zuerst den Götternamen sowie den Stifter nennt und im Folgenden die Aufgabenbereiche von Hermes näher beschreibt Dieser soll einen abgegrenzten Bereich bewachen, der für Tanzübungen und -aufführungen genutzt wurde und „Letos Kind“ zugewiesen war Entsprechend darf die Herme nicht nur als Weihung an Hermes verstanden werden, sondern muss einer weiteren Gottheit gewidmet gewesen sein Umgekehrt darf wegen der Nennung einer anderen Gottheit nicht davon ausgegangen werden, dass Hermes eine untergeordnete Rolle spielte Da die Bezeichnung „Letos Kind“ doppeldeutig ist, hat es in der Forschung Diskussionen darüber gegeben, ob Artemis oder Apollon gemeint ist1581 Für Apollon spricht das grammatikalisch-männliche Geschlecht, jedoch ist für diese Zeit bisher kein weiterer Beleg für einen Kult des Gottes in Histiaia gefunden worden Trotz der männlichen Form tendiert daher die Mehrheit der Forschung dazu, Artemis als Empfängerin zu benennen Für die Göttin wiederum spricht, dass ihr Kult in der Stadt sehr gut belegt ist und dass eine weitere agonistische Weihung mit ihrem Namen gefunden wurde1582 Die Wettkampfart, die hier thematisiert wird, deutet ebenfalls in ihre Richtung Es handelte sich nämlich um einen Tanzwettbewerb, wie das in der zweiten Zeile verwendete Wort ποσσικρότος (von tanzenden Füßen festgetreten) beweist Das beschriebene Aufstampfen war vor allem ein Merkmal des Pyrrhichetanzes, den Platon in seinem Dialog „Gesetze“ thematisiert Der athenische Gesprächspartner äußert sich an der betreffenden Stelle zum Thema körperlicher Ertüchtigung und besonders zum Tanz Seinen Ausführungen folgend sei letzterer in zwei Gattungen zu unterteilen: in die gemeinen (φαῦλος) und die ernsten (σπουδαῖος) Tänze1583 Hinsichtlich der ernsten Gattung seien zwei Ausformungen zu unterscheiden, nämlich die friedliche (εἰρηνικός) und die kriegerische (πολεμικός) In Bezug auf den kriegerischen Tanz ist Folgendes zu lesen1584:

1581 1582 1583 1584

Rückert 1998, 121, Hansen 1984, 132 IG XII 9, 1190 (4 /3 Jh  v Chr ) Plat leg 814d–e Plat leg 815a (Übersetzung Schöpsdau 2016): „τὴν πολεμικὴν δὴ τούτων, ἄλλην οὖσαν τῆς εἰρηνικῆς, πυρρίχην ἄν τις ὀρθῶς προσαγορεύοι, τάς τε εὐλαβείας πασῶν πληγῶν καὶ βολῶν ἐκνεύσεσι καὶ ὑπείξει πάσῃ καὶ ἐκπηδήσεσιν ἐν ὕψει καὶ σὺν ταπεινώσει μιμουμένην, καὶ τὰς ταύταις ἐναντίας, τὰς ἐπὶ τὰ δραστικὰ φερομένας αὖ σχήματα, ἔν τε ταῖς τῶν τόξων βολαῖς καὶ ἀκοντίων καὶ πασῶν πληγῶν μιμήματα ἐπιχειρούσας μιμεῖσθαι “ Siehe auch: Lys 21, 1–4 Zu Darstellungen von Tanz und Hermes: Allan 2018, 63, Rückert 1998, 121–126

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„[…] den kriegerischen Tanz aber, der anders als der friedliche geartet ist, könnte man zutreffend als Pyrrhiche bezeichnen, weil er das Vermeiden aller möglichen Hiebe und Würfe durch Beugungen und allerlei Zurückweichen, durch Sprünge in die Höhe oder in gebückter Haltung nachahmt und desgleichen die diesen entgegengesetzten Bewegungen, die umgekehrt zu den Angriffsstellungen führen und eine Nachahmung der Haltung beim Abschießen von Pfeilen und Wurfspeeren und von Hieben aller Art geben wollen “

Demnach diente der Tanz einerseits der Einübung von Angriff und Verteidigung in kämpferischen Auseinandersetzungen Andererseits bot er den Tänzern die Gelegenheit, ihre eigene Männlichkeit, Schönheit und körperliche Selbstbeherrschung unter Beweis zu stellen Entsprechend wurde der Tanz vor allem von den Epheben aufgeführt1585 Platon erwähnt nicht, in welchen Kontexten solche Aufführungen veranstaltet wurden, denkbar sind aber Feste zu Ehren von Kriegsgottheiten wie Athena und Artemis oder die jährlichen Darbietungen der Epheben im Gymnasion In einigen Fällen ist auch bekannt, dass Tänze zur Erinnerung an eine gewonnene Schlacht eingerichtet und regelmäßig aufgeführt wurden Hermes spielte bei den Aufführungen insofern eine Rolle, da er den militärischen Amtsträgern und den in der militärischen Ausbildung befindlichen (Neu-)Bürgern besonders nahestand1586 Außerdem wurden die Tänze oftmals im Gymnasion aufgeführt, als dessen Schutzgott er galt Nachdem die zweite Gottheit und die Art des Wettkampfes näher bestimmt worden sind, kann auch der weihende Kephalon genauer untersucht werden: Er könnte der für den Ablauf der Festveranstaltung verantwortliche Magistrat der Stadt gewesen sein Als solcher fühlte er sich sowohl Artemis als auch Hermes verbunden, was er durch die Weihung zum Ausdruck brachte Artemis rief er an, weil die Veranstaltung ihr zu Ehren und in ihrem Bereich abgehalten wurde Hermes ehrte er zum einen, weil es sich um einen Wettkampf der jungen Männer handelte, die Hermes besonders protegierte Als zweiten Grund kann der Dank für den errungenen Sieg im Wettkampf angeführt werden, da Hermes den Erfolg gewährt hatte Drittens wählte er bewusst die Herme als Kultbild des Hermes aus, weil diese bei Amtsträgern beliebt war, die nach Ablauf ihrer Amtszeit ein Erinnerungsmal ihrer Verdienste für die Stadt aufstellen ließen Zum Vierten dürfte der Aufstellungsort entscheidend gewesen sein, denn die Herme befand sich am Eingang zum Temenos der Artemis, den Hermes als Gott der Grenze beschützen sollte Gleichzeitig wurde auf diese Weise sichergestellt, dass jeder Besucher die Herme passieren musste Die Herme aus Histiaia ist einmalig, da das Stück bereits in das 5 Jh  v Chr datiert Bisher konnten für diese Zeit keine Hermen ausgemacht werden, die auch anderen Göttern galten Im vorliegenden Fall handelt es sich aber unbestreitbar um eine Weihung, die gleichzeitig an Hermes und Artemis adressiert war 1585 Vgl Cairns 1983, 33–37 1586 Hierzu: 2 1 1 3 Grenzbefestigungen

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Im Bereich der Theaterwettbewerbe war Hermes ebenfalls gegenwärtig, wovon Weihungen des 4 und 3 Jh  v Chr Zeugnis ablegen Wie im Falle der anderen Beispiele dieser Gruppe waren es vor allem die siegreichen Teilnehmer, die sich Hermes verpflichtet fühlten Ein facettenreiches Beispiel stellt die Herme dar, deren Basis in situ auf den Stufen der Stoa Basileos in Athen gefunden wurde und die folgende Inschrift trägt1587: „Onesippos, Sohn von Aitios, aus dem Demos Kephisia, Archon Basileus, hat [diese Herme] aufgestellt;  | diese [Männer] siegten, als sie Choregen waren, während Onesippos Basileus war  | Für die Komödie: | Sosikrates, der Bronzehändler, war Chorege, | Nikochares war Didaskalos  | Für die Tragödie: | Stratonikos, Sohn von Straton, war Chorege, | Megakleides war Didaskalos “

Nicht der Sieger trat hier als Stifter der Herme auf, sondern der Archon Basileus Onesippos hatte das Bildnis während seiner laufenden Amtszeit geweiht, um einerseits an die Festlichkeiten zu erinnern1588 Als Archon Basileus war er mit der Aufsicht über die Polisfeste, zu denen auch die dionysischen Festspiele zählen, betraut, in keinem anderen Zeugnis wird diese Aufgabe jedoch explizit erwähnt1589 Andererseits wollte er die Sieger in den Komödien- und Tragödienwettbewerben ehren Bei dem erwähnten Agon handelte es sich nach T Leslie Shear um jenen, der an den Lenäen zu Ehren des Gottes Dionysos veranstaltet wurde1590 Eine Besonderheit des Festes war, dass an diesem auch Nichtbürger und Metöken teilnehmen durften1591 Entsprechend dürfte von den genannten Siegern vermutlich nur Nikochares athenischer Bürger gewesen sein, wie die prosopographischen Befunde nahelegen1592 Umso erstaunlicher ist es, dass alle gemeinsam mit dem amtierenden Archonten auf einem Zeugnis erscheinen, das auf der Agora, dem wichtigsten Zentrum für Politik und Handel, aufgestellt wurde Eine mögliche Begründung könnte sein, dass die Erwähnten mit ihrem Vermögen zum Gelingen des Festes beigetragen hatten und wohl auch an der Ausgestaltung und vor allem an der Finanzierung der Weihung beteiligt gewesen waren1593 Für den Hermeskult lässt sich herausfiltern, dass Onesippos die Erlaubnis zur Aufstellung einer Weihung für seine Verdienste um die Lenäen bekommen hatte Als Geschenk wählte er eine Herme, da diese als Zeichen einer verdienstvoll ausgeübten Magistratur in Athen verbreitet war Die Genehmigung wurde ihm aber nicht erteilt, weil 1587 SEG 32–239 (404–400  v Chr ) Inschrift: „Ὀνήσιππος Αἰτίο Κηφισιεὺς βασιλεὺς ἀνέθηκε[ν]  | ο[ἵδ]ε Ὀνησίππο βασιλεύοντος χορηγο̃ντες ἐνίκων | κωμωιδῶν τραγωιδῶν | Σωσικράτης ἐχορήγε χαλκοπώλης Στρατόνικος ἐχορήγε Στράτωνος | Νικοχάρης ἐδίδασκε Μεγακλείδης ἐδίδασκε “ 1588 Plut mor 349 f Dazu: Edmonson 1982, 49–50 Hierzu: 2 6 1 1 Städtische Magistrate 1589 Wilson 2000, 30–31 1590 Shear 1971, 256 Zu den Dionysia Epilenaia: Aristot Ath pol 57, 1 1591 Wilson 2000, 28–29 1592 Vgl DNP s v Nikochares 1593 Wilson 2000, 31

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er sein Amt als solches gut geführt hatte, sondern für einen spezifischen Teilbereich dieser Aufgabe, nämlich die erfolgreiche Durchführung des Dionysosfestes Diesem muss in dem entsprechenden Jahr besondere Bedeutung zugekommen sein, sodass dem Archon ausnahmsweise vor Ablauf seiner Amtszeit eine Weihung gestattet wurde Um diese Ausnahme zu verdeutlichen, dürften die Namen der Sieger mitgenannt worden sein Doch auch für die Gewinner war die Herme eine verbreitete Form des Weihgeschenks, mit der sie sich für den errungenen Sieg bei Hermes bedankten In Theatern konnten ebenfalls Weihgeschenke für Hermes aufgestellt werden So wurde im Theater des Dionysosheiligtums von Athen die Marmorbasis einer Weihung von Lykinos aus dem attischen Demos Pallene an Hermes Ἐναγώνιος gefunden1594 Weitere Informationen bieten weder die Inschrift noch die Fundumstände Aufgrund der bisherigen Beobachtungen kann jedoch gefolgert werden, dass Lykinos mit den Wettbewerben in Verbindung stand, weil er Hermes mit seinem agonistischen Beinamen anrief Nicht mehr sicher geklärt werden kann jedoch, ob es sich bei Lykinos um einen Sieger, einen Magistraten oder einen Wohltäter handelte Ein ungewöhnliches Weihgeschenk an Hermes wurde im Theater von Magnesia am Mäander errichtet1595 Es handelt sich um einen Tisch mit drei Beinen, der als Basis für ein Monument diente Zwischen zwei Tischbeinen steht eine Herme auf einem Sockel, der wiederum eine kurze Inschrift trägt, in der Hermes mit dem Beinamen Τύχων (der Geber von kleinen Gaben oder Glück) angesprochen wird Das Epitheton war weder verbreitet noch dem gymnischen Bereich vorbehalten Zuerst wurde dieses auf einer gemeinsamen Weihung an Hermes und Praxidika, der vergöttlichten Vollstreckung rechtskräftiger Strafen, aus dem makedonischen Dion (spätes 5 /frühes 4 Jh  v Chr ) verwendet, die interessanterweise ebenfalls die Form eines Tisches hat1596 Die Vermutung liegt nahe, dass die Tische zur Ablage von Opfergaben für den Gott genutzt wurden Darüber hinaus taucht der Beiname in Fluchtafeln und spätantiken Texten auf1597 Durch ihn wurde Hermes als Gott gepriesen, der das Leben der Sterblichen durch kleine Annehmlichkeiten verbessert Im Kontext von Agonen lässt sich die Bedeutung konkretisieren: Hermes gewährte den Sieg im Wettkampf 2.5.2.3.2 Gymnische und hippische Agone Die körperliche Betätigung und die sportlichen Wettkämpfe unterstanden ebenfalls Hermes, wobei der Gott der Wege vor allem mit Wettkämpfen, bei denen eine Strecke zu Fuß oder mit der Unterstützung von Pferden zurückgelegt werden musste, assoziiert wurde

1594 1595 1596 1597

IG II2 4572 (M 4 Jh  v Chr ) Inschrift: „[Λυ]κῖνος Παλληνεὺς | [Ἑρ]μῆι Ἐναγωνίωι“ I Magnesia 203 (3 Jh  v Chr ) Dazu: Rückert 1998, 125 SEG 61–490 (spätes 5 /frühes 4 Jh  v Chr ) IG III 3, 109 (4 Jh  v Chr ), Jordan 1985, Nr 62 (3 Jh  v Chr ), Hesych s v Τύχων, Theognost Can 33 Siehe auch: Pind O 6, 78–82

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Das Laufen im Gelände oder der Wettlauf strukturierten die Phasen der militärischen und sportlichen Ausbildung der Knaben So überliefert beispielsweise Ephoros, dass das Absolvieren von Geländeläufen auf Kreta ein wichtiger Teil am Beginn der Ausbildung war1598 Ob es sich um Läufe innerhalb der Stadt oder im Bereich der Chora handelte, lässt sich nicht mehr klären1599 Die Wichtigkeit dieser gemeinsamen Läufe, die sich durch die gesamte Ausbildungszeit zogen, ist unter anderem daran zu erkennen, dass die Gruppe der zwanzigjährigen Männer als Dromeis oder Dromeus (Läufer) bezeichnet wurde1600 Damit verbunden war die herausgehobene Teilnahme bei Chortänzen und Läufen, wie Gunnar Seelentag herausstellen konnte Er geht sogar noch weiter: „Wenn Dromos wohl auch nicht der kretische Ausdruck für Gymnasium war, scheint mit diesem Begriff doch jenes Konglomerat von Praktiken bezeichnet gewesen zu sein, die in anderen Teilen der griechischen Welt im Gymnasion stattfanden: die sportliche, auf Wettkampf bedachte Ertüchtigung, die eben nur bestimmten Segmenten der Bevölkerung offenstand“1601 Dafür spricht auch, dass es auf Kreta einen Monat Dromeios gab, der mit dem Kult des Apollon Dromaios verbunden war1602 Ebenso aus anderen Zusammenhängen erschließt sich die besondere Bedeutung des Laufes für Kreta in der Selbst- und Fremdwahrnehmung Wie Angelos Chaniotis festhält, wurden die meisten kretischen Siege in Olympia in Laufwettbewerben erzielt1603 Außerdem weist Yannis Tzifopoulos darauf hin, dass Alexander der Große einen Herold namens Philonides im Militär beschäftigte, der aus Kreta stammte und den Titel eines Hemerodromos führte1604 Hermes wurde auf Kreta eine enge Beziehung zur Ausbildung der jungen Männer nachgesagt, wobei er bei den Laufwettbewerben um Unterstützung gebeten wurde So weihte beispielsweise der Kosmos Perballon nach Ablauf seiner Amtszeit in Polyrrhenia an Hermes Δρόμιος1605 Doch auch außerhalb von Kreta bildeten die Läufe einen integralen Bestandteil der Vorbereitung der jungen Männer auf ihr Bürgerdasein So gab es bei allen panhellenischen Spielen Laufwettbewerbe für verschiedene Altersklassen Dieser Form des Wettkampfs galt der Gott der Wege als besonders zugetan1606 Im Reglement zum Verkauf des Priestertums für Hermes Ἐναγώνιος von der Insel Kos wird deutlich, dass verschiedene Laufwettbewerbe, wie Einzel- und Mannschaftsfackelläufe sowie Langläufe integraler Bestandteil der Hermesverehrung im Gymnasion waren1607 Beim Trai1598 1599 1600 1601 1602 1603 1604 1605

Ephor FGrH 70 F 149 Strab 10, 4, 20–21, Nik Dam FGrH 90 F 103aa 2 Dazu: Seelentag 2015, 456 Vgl Seelentag 2015, 281–283/500–503, Sporn 2002, 369, Chaniotis 1996, 128 Seelentag 2015, 282 (Zitat)/485 Plut mor 724c Dazu: Genevrois 2017, 399–400, Willetts 1962, 264–265 Chaniotis 1996, 127 Vgl Tzifopoulos 1998, 137–170, Matthews 1974 IC II xxiii 10 (2 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ἑρμᾶι Δρομίωι | Περβάλλων Βιέττω κοσμήσας “ Zum Beinamen: Bile 1988, 344, Anm 84 1606 Hierzu: 2 3 Chora II 1607 Aneziri/Damaskos 2007, 249 Dazu z B : IG XII 4, 1, 298 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr )

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ning und bei den Wettbewerben war Hermes omnipräsent So markierten seine Bilder beispielsweise Start- sowie Zielpunkte der Strecke und die Teilnehmer baten Hermes um den Sieg1608 Nachdem ihnen dieser gewährt worden war, dankten sie ihrem göttlichen Patron, wie das Fragment einer Marmorherme, die von Lysixenos in Theben aufgestellt wurde, zeigt Auf dem Schaft der Herme ist noch das folgende Epigramm zu lesen1609: „Bleib stehen und rühme Lysixenos, der im nemeischen Haine | den Sieg im schnellen Langlauf errang, | als die Schar der Knaben den Wettlauf bestritt Wisse, dass Thebens | Jugend nicht unteilhaftig göttlicher Kränze ist “

Obwohl der Name des Gottes nicht fällt, ist die Weihung durch die Hermenform unzweifelhaft als Geschenk an Hermes gekennzeichnet Neben dem Sieg wird vor allem die Herkunft des Knaben hervorgehoben, denn für die Polis Theben war es ein Prestigegewinn, wenn die Knaben ihre Stadt erfolgreich vertraten Als Siegesprämie erhielt Lysixenos einen „göttlichen Kranz“, was nochmals unterstreicht, dass in der antiken Vorstellung die Götter, allen voran Hermes, den Sieg verliehen Diese Siegerkränze und auch andere Formen der Bekränzung waren als Opfergaben im Hermeskult besonders wichtig Einblicke in den Ausbildungsalltag gewährt ein Epigramm von Kallimachos aus dem 3 Jh  v Chr 1610: „»Lauf nur, Menekrates, fort, ich krieg dich!« Am zwanzigsten sprach ich’s | im September, und heut – wievielten haben wir heut? Heut am zehnten Oktober, | kam freiwillig der Ochse vor den Pflug Fein lieber Hermes, | die drei Wochen sind ohne Belang “

Ein Unbekannter bedankt sich für den Sieg in einem Laufwettbewerb im Training gegen seinen stärksten Konkurrenten Menekrates Der Ton des Epigramms deutet daraufhin, dass Hermes ein zugänglicher Gott war, demgegenüber man seinen Unmut für die Verzögerung bei der Wunscherfüllung äußern konnte, ohne Schlimmeres befürchten zu müssen Im Training traten die jungen Männer eines Jahrgangs gegeneinander an und absolvierten Übungsläufe Bei diesen kam es zu Konkurrenzkämpfen, bei denen Hermes auch „im Kleinen“ um Vermittlung gebeten wurde Das Beispiel zeigt, wie öffentliche und persönliche Interessen Hand in Hand gehen konnten Das Epigramm, das möglicherweise auf einer Herme angebracht war, kann als kostspielige Weihgabe 1608 Vgl z B Anth Gr 6, 259 (ca 40)/9, 319 (um 256 v Chr ) Dazu: Miller 1980 1609 IG VII 2538 (=CEG II, 709, 4 /3 Jh   v Chr ) Inschrift (Text/Übersetzung nach Ebert 1972): „[Ἵστα]σο κυδαίνων Λυσίξεν[ον, ὃς Νεμεαίωι] | [εἰν ἄλ]σει νίκαν ὠκέος ἐγ δολί[χου] | [ἄρατ’], ἐπεὶ παίδων τέλος ἔδραμ[εν· ἴσθ’ ὅτι Θήβας] | [ἁλικία] θείων οὐκ ἄμορος στεφ[άνων] “ Siehe auch: Ebert 1972, Nr 48 (zweite Hälfte 4 Jh  v Chr ) 1610 Anth Gr 12, 149 (3 Jh  v Chr , Übersetzung nach Beckby 1968): „Ληφθήσῃ, περίφευγε, Μενέκρατες· εἶπα Πανήμου | εἰκάδι, καὶ Λώου τῇ – τίνι; τῇ δεκάτῃ | ἦλθεν ὁ βοῦς ὑπ᾽ ἄροτρον ἑκούσιος εὖ γ᾽ ἐμὸς Ἑρμῆς, | εὖ γ᾽ ἐμὸς οὐ παρὰ τὰς εἴκοσι μεμφόμεθα “ Dazu: Allan 2018, 96–98

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bezeichnet werden, die im städtischen Raum präsent war Für den nicht lesenden Betrachter handelte es sich wahrscheinlich nur um eine weitere Herme in der Sportstätte Dagegen enthält der Text eine sehr persönliche Bitte, die in der Wahrnehmung des Siegers von dem Gott gewährt wurde Durch die Nahbarkeit des Gottes Hermes scheint eine öffentliche Aufstellung des Epigramms, in dem neben der Betonung des Sieges und der Zuneigung des Hermes auch die wenig sportliche Bitte wiedergegeben wird, unproblematisch gewesen zu sein Eine Untergruppe der Laufwettkämpfe bildet der Fackellauf Diese Form der Ertüchtigung war den jungen Männern und vor allem den Epheben vorbehalten und wurde im Gegensatz zu anderen Läufen im Mannschaftsverband ausgetragen1611 Zahlreiche Vasenbilder der klassischen Zeit zeigen Hermes als Teilnehmer oder Zuschauer bei Fackelläufen, wodurch deutlich wird, dass ihnen bei diesen eine besondere Funktion zugeschrieben wurde1612 Zum Beispiel aus Athen und von der Insel Delos stammen Siegesmale von Fackelläufen1613 Von einem athenischen Zeugnis war schon im Zusammenhang mit den Gymnasiarchen die Rede: Die Gymnasiarchen und Sophronisten der Epheben aus der Phyle Erechtheis hatten aus Anlass des Sieges der jungen Männer bei einem Fackellauf eine Herme aufgestellt1614 Von Delos wissen wir bereits, dass im gymnischen Bereich Hermes und Apollon gemeinsam verehrt wurden Außerdem wurde festgestellt, dass neben den Gymnasiarchen vor allem die Lampadarchen, die Leiter des Fackellaufes, an Hermes weihten Entsprechend verwundert es nicht, dass auch die Sieger im Fackellauf entweder Hermes allein oder gemeinsam mit Apollon für den Sieg dankten1615 Es handelt sich um Hermen mit Inschriftenbasen, die den Namen der Sieger, die Art des Wettkampfs sowie die Götternamen tragen und die das Gymnasion der Stadt schmückten Anhand der delischen Zeugnisse lässt sich eine Vorstellung davon gewinnen, wie häufig solche Weihungen waren und wie zahlreich die Hermen in den Gymnasia gewesen sein müssen Neben Apollon dankten Sieger zum Beispiel in Phidalea im 3 Jh  v Chr auch Hermes und Herakles nach einer erfolgreichen Teilnahme im Fackellauf mit einer Herme1616 Anhand der Urkunde zum Verkauf des Priestertums von Hermes Ἐναγώνιος aus Kos kann verdeutlicht werden, wie viele Opfer Hermes bei der Vorbereitung und Abhal-

1611 1612 1613 1614

IG XII 4, 1, 298, Z 20–37 (2 H 3 Jh  v Chr ) Dazu: Rückert 1998, 120, Wörrle 1988, 221–222 Rückert 1998, 120–121 Wrede 1986, 36 IG II2 3105 (333/330 v Chr ) Zur Diskussion, ob es sich um eine Hermesherme oder um eine Darstellung eines Epheben handelt: Rückert 1998, 117 1615 IG XI 4, 1155–1156 (300–250  v Chr , gemeinsam mit Apollon)/1157 (ca 269  v Chr )/1159 (300– 250 v Chr ) Inschrift: „Λυσῆς Δημολύτου | λαμπάδι νικήσας Ἑρμεῖ“ Siehe auch: IG XI 4, 1160–1162 (300–250 v Chr ) 1616 SEG 14–483 (3 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ὀλυμπιόδωρος Μενδι- | δώρου στεφανωθεὶς | τᾷ λαμπάδι τῶν ἀνή- | βων τὰ Βοσπόρια τὸ | ἆθλον Ἑρμ{μ}ᾷ καὶ Ἡ- | ρακλεῖ“

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tung von Fackelläufen bekam1617 In dem Text wird zwischen Einzel- und Mannschaftsläufen unterschieden Für jede Disziplin gab es mindestens drei Vorläufe, in denen die Teilnehmer für den Wettkampf ermittelt wurden Bei jedem Vorlauf mussten die verantwortlichen Magistrate, die Agonotheten, für den Einzellauf und die Lampadarchen für den Mannschaftslauf jeweils ein Opfertier im Wert von 60 Drachmen opfern Vor dem Endausscheid brachten die teilnehmenden Lampadarchen dann jeweils ein Tier für 40 Drachmen dar Der Lampadarchos, dessen Mannschaft den Sieg davontragen konnte, kaufte von seiner Siegesprämie ein Tier für 30 Drachmen Daneben weihten auch Sieger in hippischen Agonen an Hermes In Athen erklärt sich diese Praxis durch „die Hermen“ auf der Agora, die mindestens im 4 und 3 Jh  v Chr als Treffpunkt von den Hipparchen genutzt wurden, sodass für die Amtsträger, die den Oberbefehl über die Reiterei führten, der Gott Hermes ständig präsent war1618 Außerdem belegen eine Weihung der Soldaten für einen athenischen Strategen namens Demetrios (ca 250 v Chr ), der aus Phaleron stammte, und Quellen zu Pheneos, dass es bei den Festen namens Hermaia auch hippische Agone gab1619 Weiterhin können für die Stadt Erythrai hippische Agone zu Ehren von Hermes rekonstruiert werden Die Verkaufsliste der städtischen Priesterämter nennt zwei Priester für Hermes: einen für Ἀγοραῖος und einen für Πύλιος Ἁρματεύς1620 Das Amt für Letzteren war mit 270 Drachmen als Wiederverkaufswert (ἐπίπρασις) und zehn Drachmen als Steuern vergleichsweise günstig1621 Es wurde von Phylarchos gekauft und als Bürge trat ein Mann gleichen Namens auf Wegen des gleichlautenden Namens liegt die Vermutung nahe, dass das Amt innerhalb einer Familie zirkulierte Bezüglich der Aufgaben des Priesters schweigt der Text, durch eine Analyse der Beinamen, können jedoch Handlungsräume ausgemacht werden Das Epitheton Πύλιος könnte vom messenischen Pylos abgeleitet sein, wo Hermes laut homerischem Hymnos die von Apollon gestohlenen Rinder versteckte1622 Des Weiteren könnte es sich um eine Abwandlung des Beinamens Πυλαῖος1623 (der Wächter in den Toren/bei den Grenzpässen) handeln Eine endgültige Entscheidung lässt sich anhand der singulären Erwähnung nicht treffen Dagegen hat Fritz Graf für den Beinamen Ἁρματεύς überzeugend dargelegt, dass dieser auf der Grundlage des Wortes ἅρμα (Wagen, Pferdewagen) gebildet wurde1624 Demnach wurden in Erythrai sehr wahrscheinlich hippische Agone für Hermes abgehalten 1617 IG XII 4, 1, 298, Z 26–37 (2 H 3 Jh  v Chr ) 1618 Hierzu: 2 6 1 1 Städtische Magistrate 1619 Zu Athen: IG II2 2971 (250 v Chr ); zu Pheneos: Paus 8, 14, 10–11, I Olympia 184 (Ende 3 Jh  v Chr ) Hierzu: 2 5 4 Feste in der Polis 1620 Hierzu: 2 6 2 1 Ἀγοραῖος 1621 I Erythrai 201, col D, Z 31 (300–260  v Chr ) Inschrift: „[Ἑρ]μοῦ Πυλίου Ἁρματέως· ΗΗ�ΔΔ, ἐπ[ώ(νιον) Δ·] [Φύ]λαρχος Καλλίωνος, ἐγγυ(ητὴς) Καλλί[ων] [Φ]υλάρχου·“ 1622 h Herm 216/355/398 1623 Diog Laert 8, 31, Sch Hom Il 2, 842 Hierzu: 2 1 2 Grenzen des Stadtgebiets 1624 Graf 1985, 271, der auch eine Trennung vom späteren Beinamen Ἁρμαξείτης (Lastwagen: ἅρμαξα) vornimmt

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Dies wird durch eine weitere Inschrift aus Erythrai bestätigt, die Opfer für Apollon Apotropaios, Hermes Ἱππίος und Poseidon Hippios bei hippischen Agonen nennt, die am 4 Tag eines Monats stattfanden1625 Der Priester des Hermes Πύλιος Ἁρματεύς war mutmaßlich mit der Organisation und Durchführung der hippischen Agone in Erythrai betraut, wozu auch ein Opfer an Hermes gehörte1626 2.5.2.4 Herrscher Das Gymnasion war vor allem in den hellenistischen Poleis ein Ort der Selbstdarstellung Wohltätige Stiftungen, die zum Beispiel den Vorrat an Öl für eine Festveranstaltung deckten oder die Errichtung eines Bauwerks unterstützten, boten die Möglichkeit zur Prestigesteigerung für die Stadt, die eigene Person oder Familie1627 Neben den reichen Bürgern waren es die Mitglieder von Herrscherfamilien, die sich um die Gymnasia und deren Feste bemühten Bei den Stiftungen, welche in die Zeit der hellenistischen Könige fallen, muss zwischen solchen Weihungen unterschieden werden, die auf den Willen der Herrscher und solchen, die auf einen Antrag der Polisgemeinschaft zurückzuführen sind Beide waren vor allem Weihgaben an den Gott, konnten daneben aber auch weitere Funktionen erfüllen Die Ehrenbekundungen, die den Herrschenden angetragen wurden, waren ein Zeichen der Loyalität, auch wenn die Geehrten häufig selbst die Kosten übernahmen, wodurch wiederum der eigene Wohlstand und Euergetismus zur Schau gestellt werden konnte1628 Führt man sich nochmals die Entwicklung der Herme vor Augen, wird klar, dass die in der Klassik vorherrschenden Funktionen den Gegebenheiten der hellenistischen Welt angepasst wurden Im 6 bis 4 Jh  v Chr wurden Hermen vor allem von verdienten Amtsträgern aufgestellt Im 3 Jh  v Chr hatten die hellenistischen Könige bestimmte Aufgaben der städtischen Magistrate übernommen und wurden nun ebenfalls für ihre Verdienste von der Bürgergemeinschaft mit Hermen geehrt Dagegen waren die königlichen Weihgeschenke Gunstbezeigungen für die Stadt und durch sie wurde um göttliche Zuneigung für die ganze Gemeinschaft gebeten In Einzelfällen bauten die Könige sogar ein völlig neues Gymnasion, wie es Ptolemaios II Philadelphos in Athen tat Dem Bericht von Pausanias zufolge wurde diese nach dem Herrscher benannte Sportstätte in der Nähe der Agora errichtet und war mit wertvollen Kunstwerken ausgestattet1629 Unter diesen hebt er besonders „sehenswerte Marmorhermen und eine Bronzestatue des Ptolemaios“ hervor 1625 1626 1627 1628 1629

I Erythrai 207 (1 Hälfte 2 Jh  v Chr ) Dazu: Graf 1985, 171–172 Graf 1985, 271–272 Vgl Curty 2009 Hierzu: 2 5 2 1 Städtische Magistrate und Ausbilder Meier 2012, 151 Paus 1, 17, 2: „λίθοι τέ εἰσιν Ἑρμαῖ θέας ἄξιοι καὶ εἰκὼν Πτολεμαίου χαλκῆ“ Zur Datierung: Kotsidu 2000, 69–70

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Noch kurz soll auf diejenigen Herrscher eingegangen werden, die sich selbst als Götter oder mit göttlichen Attributen darstellen ließen Die kultische Verehrung hellenistischer Könige ist seit der zweiten Hälfte des 3 Jh  v Chr zu beobachten, wobei am Beginn dieser Entwicklung wohl bereits Alexander der Große stand1630 Eine Identifizierung mit dem Gott Hermes ist deutlich bei Ptolemaios  III Euergetes zu erkennen1631 Er ließ sich selbst als jugendlicher Hermes darstellen und war der erste, der eine Herme mit seinem eigenen Porträt anfertigen ließ1632 Warum aber wählte Ptolemaios III Hermes aus? Gründe dafür sind zum einen in der Bedeutung des Gymnasions für die griechische Oberschicht in Ägypten zu suchen Zum anderen spielten die Agone, die bei den Festen des Herrscherkults stattfanden, eine wichtige Rolle In Anlehnung an Ptolemaios III ließen sich in der Folgezeit mehrere hellenistische Herrscher mit Attributen des Hermes abbilden So wird die Weihung von Meas aus Aspendos in Pamphylien verständlich, die im kilikischen Gülnar gefunden wurde1633: „Zugunsten des Königs Ptolemaios | und der Königin Berenike | und der Kinder | dem Hermes und Herakles “

Dass Ptolemaios III dem Hermes besonders zugetan war, drang offenbar bis nach Kilikien vor Meas sprach den König jedoch noch nicht als Gott an, sondern die Weihung galt den Gottheiten des Gymnasions Hermes und Herakles Diese bat er um das Wohl des Königs Ptolemaios III , dessen Frau Berenike und deren gemeinsamen Kinder, was durch die Wendung „ὑπὲρ βασιλέως“ ausgedrückt wurde, die vor allem in ägyptischen Inschriften vorkommt1634 An dieser Stelle ist an die Funktion von Hermes als Schützer des väterlichen Besitzes in monarchischen Gesellschaften zu erinnern Hermes, mit dem sich der König identifizierte, sollte die königliche Familie beschützen und deren Herrschaft sichern 2 5 3 Training und Wettkampf: Ἀγώνιος, Ἐναγώνιος Im bisherigen Verlauf des Kapitels wurde deutlich, dass Hermes ein Gott der städtischen Institution des Gymnasions war Daher fand in fast jedem Gymnasion ein Fest zu seinen Ehren statt1635 So lässt sich die verwunderliche Tatsache erklären, dass der Gott in diesem Kontext nur selten mit einem Beinamen angesprochen wurde Epitheta wurden verwendet, um die göttliche Eigenschaft, derer die Adoranten zur Erfüllung ei1630 1631 1632 1633

Zum Paradox der „Mortal Divinity“: Chaniotis 2003 Wallensten 2019, 253–254, Maderna 1988, 103–104 Vgl Lehmann 1988 SEG 31–1321 (240 v Chr ) Inschrift: „Ὑπὲρ βασιλέως Πτολε[μαίου] | καὶ βασιλίσσης Βερενίκ[ης] | κα[ὶ] τῶν τέκνων | Ἑρμεῖ Ἡρακλεῖ “ 1634 Pfeiffer 2015, 10 1635 Aneziri/Damaskos 2007, 249

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nes spezifischen Wunsches bedurften, zu konkretisieren1636 Da Hermes aber unbestritten und nahezu konkurrenzlos der Gott des Gymnasions war, war die Notwendigkeit einer näheren Bestimmung seltener gegeben1637 Gleichwohl sind folgende Beinamen überliefert, mit denen Hermes im Bereich der Agone bedacht wurde1638: Ἀγώνιος1639 (der beim Wettkampf Helfende), Δρόμιος1640 (der Läufer), Ἐναγώνιος1641 (der zum Wettkampf oder Krieg Gehörige/Taugliche), Παλαιστρίτης1642 (der Gott der Palaistra), Παλαιστροφύλαξ1643 (der Wächter der Palaistra) Während die Mehrzahl der Beinamen nur einmal auftaucht, gibt es für die Epitheta Ἀγώνιος und Ἐναγώνιος mehrere literarische und epigraphische Belege Anhand dieser soll im Folgenden exemplarisch gezeigt werden, wie der Hermeskult im Gymnasion praktiziert wurde In einem ersten Schritt werden die Beinamen näher untersucht Im zweiten Schritt stehen die Fragen im Zentrum, welche Weihgaben in welchen Kontexten und wie dargebracht wurden1644 Mit den Beinamen Ἀγώνιος und Ἐναγώνιος verknüpft ist die Vorstellung von Hermes als „Vorsitzendem“ der Agone, die sich bis in das 6 Jh   v Chr zurückverfolgen lässt So wurde Hermes bereits in den Texten des Dichters Simonides als Ἐναγώνιος angerufen1645 Das Epitheton, das zu den frühesten überhaupt gehört, hatte zwei Bedeutungsebenen Zum einen meint es „zum Krieg tauglich“, zum anderen bedeutet es „zum Wettkampf gehörig“, sodass auch im Beinamen die enge Verbindung zwischen der militärischen und sportlichen Sphäre im Gymnasion erkennbar war In den Oden Pindars ist die Preisung von Hermes, der den Siegern im Wettkampf beisteht, bereits sehr häufig1646 Eine neue Akzentuierung in den Texten Pindars ist, dass Hermes nicht mehr nur der Schutzherr der Spiele, sondern auch der Anlage für die Wettkämpfe ist Im Gymnasion wurden zunehmend Bereiche dem Hermeskult zugewiesen, in denen Götterbilder und Altäre aufgestellt wurden In der fünften „Olympischen Ode“ von Pindar ist sogar von sechs Altären im Gymnasion von Olympia die Rede, wobei einer Hermes und Apollon gemeinsam geweiht sei1647 Denn Hermes war der griechischen

1636 Vgl Parker 2017, 14–17, Parker 2011, 65–70, Parker 2003 Zu einer Auflistung der göttlichen Beinamen in der Dichtung: Bruchmann 1893 1637 Wallensten 2003, 117 1638 Zu den Kultepitheta im Gymnasion: Siska 1933, 26–28 1639 Aristoph Plut 1161, Paus 5, 14, 9 1640 IC II xxiii 10 (2 Jh  v Chr ), Hesych s  v Δρόμιος 1641 Sim frg 555 (Page), Pind O 6, 78–79, Paus 5, 14, 9 1642 IG XII 5, 911, Z 22 (2 Jh  v Chr ) Siehe auch: Dickie 1993, 129–132 1643 Kent Rigsby konnte zeigen, dass es sich nicht um einen Leiter der Ringkampfschule, sondern um einen „homme de peine“ handelte (Rigsby 1986, 350–351, Anm 2) Dazu: TAM II 470 (röm) 1644 Vgl Curty 2009, 249–256 1645 Vgl Sim frg 555 (Page), IG I3 983 (=SEG 46–68, ca 460 v Chr ) 1646 Pind P 2, 10 mit Sch , Pind O 5, 10 mit Sch /6, 79, Pind I 1, 60, Aischyl frg 384 (Radt) Dazu: Rückert 1998, 113 1647 Sch Pind O 5, 10

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Vorstellung nach nicht nur zu den Wettkämpfen, sondern potentiell immer im Gymnasion anwesend und damit im wörtlichen Sinne „embedded“1648 Im 4 Jh  v Chr war Hermes für das Gymnasion und die Bereiche Sport und Bildung unverzichtbar geworden, wie ein Ausschnitt aus der Komödie „Der Reichtum“ (388 v Chr ) von Aristophanes zeigt1649: „HERM: Dann bin ich »Wettspieltutor« Was sagst du dazu? | Denn das steht Reichtum doch aufs Allerhöchste an, | Wettspiele abzuhalten in Dichtkunst und Sport  | KAR: Wie gut es ist, wenn man so viele Titel hat: | der hat ein Pöstchen doch gefunden für sich  | Kein Wunder, dass all unsre Richter sind bestrebt, | in vielen Ämterklassen registriert zu sein “

Die Komödie handelt von Chramylos, der den Gott Ploutos in seinem Haushalt aufnimmt und ihn von seiner Blindheit heilt, woraufhin dieser den Reichtum gerechter verteilt Um am neuen Reichtum zu partizipieren, haben die Menschen ihre Aufmerksamkeit vor allem auf diesen Gott gerichtet Weil die Olympier daraufhin keine Opfer mehr erhalten, senden sie Hermes, um das Ausstehende einzufordern Als Hermes feststellt, dass der Auftrag nicht zu erfüllen ist, versucht er, für sich einen Platz in der neuen Weltordnung zu finden und ebenfalls ein Teil von Chramylos’ Haushalt zu werden Mit dem Sklaven des Hausherrn, Karion, diskutiert er, welche seiner bisherigen Tätigkeiten er weiter ausführen könnte Am Ende ist die Leitung der Wettspiele die einzige Aufgabe, die Hermes noch bleibt Alle anderen Tätigkeiten sind nicht mehr nötig oder können von anderen übernommen werden; die Wettkämpfe, die zu Ehren der höchsten Gottheit Ploutos abgehalten werden, sollen aber weiterhin stattfinden Doch nicht nur in den literarischen Zeugnissen werden die Beinamen verwendet, sondern auch zahlreiche Inschriften seit dem 5 Jh   v Chr zeigen, dass Hermes Ἐναγώνιος in mehreren Orten im Poliskult und bei Weihungen von Bürgern eine große Rolle spielte So sind aus dem attischen Demos Eleusis Bestimmungen für Spiele überliefert, die von der Boule und der Volksversammlung beschlossen wurden1650: „Boule und Demos entschieden, als Paraibates Grammeteus war: | Die Hieropoioi sollen die einleitenden Opfer durchführen für die Eleusinia und | die […] Eleusi[…] für die eleusinische Gaia, Hermes Ἐναγώνιος und die Chariten eine Ziege, für den eleusinischen | Poseidon ein Schaf, für Artemis eine Ziege, für Telesidromos und Triptolemos ein Schaf, |

1648 Parker 2005a, 391 1649 Aristoph Plut 1161–1167 (Übersetzung Rau 2017): „Ἑρμῆς· ἐναγώνιος τοίνυν ἔσομαι τί δῆτ᾽ ἐρεῖς; | Πλούτῳ γάρ ἐστι τοῦτο συμφορώτατον | ποιεῖν ἀγῶνας μουσικοὺς καὶ γυμνικούς Καρίων· ὡς ἀγαθόν ἐστ᾽ ἐπωνυμίας πολλὰς ἔχειν· | οὗτος γὰρ ἐξηύρηκεν αὑτῷ βιότιον  | οὐκ ἐτὸς ἅπαντες οἱ δικάζοντες θαμὰ | σπεύδουσιν ἐν πολλοῖς γεγράφθαι γράμμασιν “ ͂ 1650 IG I3 5 (ca 500 v Chr ): „[ἔδοχσε]ν [⋮ τει βολει] ⋮ καὶ [τ]õι δέμοι ⋮ hότε Παραιβάτες [⋮ἐγραμμάτευε] vac  | [προτέ]λεια ⋮ θ[ύε]ν ⋮ τὸς hιεροποιὸς ⋮ Ἐλευσινίον ⋮ καὶ [τἄλλα ⋮ ἐς τὲν ἑορτὲ]ν | [τὲν Ἐλ]ευσῖν[ι ⋮ Γ]εῖ ⋮ hερμεῖ Ἐναγονίοι ⋮ Χάρισιν ⋮ αἶγα ⋮ [πρὸ τον Ἐλευσινί]ον | [Ποσειδ]õνι ⋮ [κριὸ]ν ⋮ Ἀρτέμιδι ⋮ αἶγα ⋮ Τελεσιδρόμοι ⋮ Τριπ[τολέμοι κριόν] | [Πλούτο]νι ⋮ Δ[ολί]χοι ⋮ θεοῖν ⋮ τρίττοαν ⋮ βόαρχον ⋮ ἐν τεῖ ἑορ[τεῖ vacat]“

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für Ploutos, für Dolichos und für die Göttinnen drei Opfer beginnend mit einem Stier bei dem Fest “

Bei dem Fest handelt es sich wahrscheinlich um die agonistischen Eleusinia1651 Die Bestimmungen sahen neben anderen ein gemeinsames Opfer an Gaia, Hermes Ἐναγώνιος und die Chariten vor Den Göttern sollte eine Ziege dargebracht werden Außerdem werden auch in den nach dem Sturz der Dreißig überarbeiteten athenischen Gesetzen, deren Fragmente auf der Athener Agora gefunden wurden, mehrere Opfer an Hermes erwähnt, wobei dem Hermes Ἐναγώνιος und den Chariten ein Schaf zuteil wurde1652 Es kann zunächst festgehalten werden, dass Hermes Ἀγώνιος/Ἐναγώνιος angerufen wurde, wenn jemand für den Ablauf und die Organisation eines Wettbewerbs oder für den Sieg in einem Agon Beistand wünschte Außerdem galt Hermes der Dank für den erfolgreichen Abschluss eines Agons oder einer Magistratur Überdies wurde der Gott um Schutz für das Trainings- und Wettkampfgebiet gebeten Zum Beispiel aus Athen stammen mehrere Stelen oder Hermen von Einzelpersonen an Hermes nach abgeschlossener Magistratur oder einem Sieg, die hauptsächlich auf der Akropolis oder im Dionysostheater aufgestellt wurden1653 In anderen Stätten wie Delphi wurden die Erinnerungsmale im der Heimatstadt der Stifter zugehörigen Bereich aufbewahrt Ein Beispiel ist die Stele, die an die Restauration des Bildes von Hermes Ἐναγώνιος im Stadion des Apollonheiligtums durch die Knidier Archidamos, Pythokles und Sostratos erinnert und im Schatzhaus der Knidier untergebracht war1654 Die Verehrung von Hermes Ἐναγώνιος konzentrierte sich auf die Wettkämpfe „im Kleinen“, das heißt auf diejenigen in den städtischen Gymnasia und bei den städtischen Festlichkeiten Die Fürsorge für die panhellenischen Wettkämpfe dagegen oblag den Hauptgöttern der zugehörigen Heiligtümer wie Zeus in Olympia1655 Dies schließt jedoch nicht aus, dass Hermes in den Poleis, welche die Vorherrschaft über die Heiligtümer hatten, eine Rolle spielte oder dass der Gott um Beistand in den einzelnen Wettkämpfen gebeten werden konnte Da die Quellenlage zum Zeusheiligtum in Olympia und der zugehörigen Polis Elis in Bezug auf den Hermeskult sehr gut ist, soll die aufgestellte These an diesem Beispiel geprüft werden Zur Veranschaulichung, wie viele Kultstätten es für Hermes im Zeusheiligtum von Olympia gab und wie oft an diesen geopfert wurde, dient die Beschreibung des Periegeten Pausanias1656: 1651 Zuerst: Deubner 1969, 91 Anders: Clinton 1974, der es mit den Eleusinischen Mysterien verbindet 1652 IG II2 1357, col 1, Z 82–83 (ein Opfer für Hermes Ἐναγώνιος)/Z 84 [ein Opfer für Hermes (?)], col 2, Z 4 (Hermes im Lykeion) (403–399 v Chr ) 1653 Akropolis: IG I3 840 (kurz vor Mitte des 5 Jh   v Chr ) Dionysostheater: IG II2 4572 (M 4 Jh  v Chr ), IG II2 3023 (338/337 v Chr ) 1654 I Delphi IV 26 (272–270 v Chr ) 1655 Rückert 1998, 136 1656 Paus 5, 14, 4 und 8–9/5, 15, 5 und 10 (Übersetzung Meyer 2001): „φέρε δή, ἐποιησάμεθα γὰρ βωμοῦ τοῦ μεγίστου μνήμην, ἐπέλθωμεν καὶ τὰ ἐς ἅπαντας ἐν Ὀλυμπίᾳ τοὺς βωμούς ἐπακολουθήσει δὲ ὁ λόγος μοι τῇ ἐς αὐτοὺς τάξει, καθ᾽ ἥντινα Ἠλεῖοι θύειν ἐπὶ τῶν βωμῶν νομίζουσι […] μετὰ δὲ τοῦτον

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„Ich habe den größten Altar erwähnt, wenden wir uns daher nun auch der Betrachtung sämtlicher Altäre in Olympia zu, und zwar werde ich sie in der Reihenfolge behandeln, in der die Eleer auf den Altären opfern […] Danach folgt ein gemeinsamer Altar des Apollon und Hermes, weil es bei den Griechen auf sie die Sage gibt, dass Hermes die Leier, Apollon die Kithara erfunden habe […] Ganz in der Nähe des Eingangs zum Stadion stehen zwei Altäre; der eine von ihnen heißt Altar des Hermes Ἐναγώνιος, der andere der des Kairos (des richtigen Augenblicks) […] In der Nähe (der Pferderennbahn) auch ist ein länglicher Altar der Moiren und danach einer des Hermes und zwei des Zeus Hypsistos nacheinander […] In jedem Monat opfern die Eleer einmal auf allen den genannten Altären Sie opfern aber in altertümlicher Weise, indem sie nämlich Weihrauch zusammen mit honiggetränkten Weizenkörnern auf den Altären räuchern Sie legen auch Ölbaumzweige auf die Altäre und nehmen Wein als Trankopfer “

Im Heiligtum gab es mindestens drei Altäre für Hermes, wobei einer Hermes und Apollon gemeinsam gewidmet war1657 Der gemeinsame Altar erinnerte an den Mythos der Erfindung von Lyra und Kithara durch die Götter1658 Entsprechend war der Kultplatz wohl eine Anlaufstelle für jene, die an musischen Agonen teilnahmen Am Eingang zum Stadion stand ein Altar für Hermes Ἐναγώνιος Erneut findet sich ein Kultplatz des Hermes am Zugang zu einer Sportstätte1659 Der Gott sollte einerseits das Stadion vor ungebetenen Besuchern schützen und andererseits den ungestörten und korrekten Ablauf der Agone sicherstellen Darüber hinaus schenkte er den Sieg, wie der daneben stehende Altar des Kairos, des vergöttlichten richtigen Augenblicks, verdeutlicht Demnach sind es in Olympia vor allem die sportlichen Wettkämpfe im Gymnasion und Stadion, die Hermes mit dem Beinamen Ἐναγώνιος unterstanden

Ἀπόλλωνος καὶ Ἑρμοῦ βωμός ἐστιν ἐν κοινῷ, διότι Ἑρμῆν λύρας, Ἀπόλλωνα δὲ εὑρέτην εἶναι κιθάρας Ἑλλήνων ἐστὶν ἐς αὐτοὺς λόγος […] τῆς ἐσόδου δὲ τῆς ἐς τὸ στάδιόν εἰσιν ἐγγύτατα βωμοὶ δύο· τὸν μὲν αὐτῶν Ἑρμοῦ καλοῦσιν Ἐναγωνίου, τὸν δὲ ἕτερον Καιροῦ […] πλησίον δὲ καὶ Μοιρῶν βωμός ἐστιν ἐπιμήκης, μετὰ δὲ αὐτὸν Ἑρμοῦ καὶ δύο ἐφεξῆς Διὸς Ὑψίστου […] ἑκάστου δὲ ἅπαξ τοῦ μηνὸς θύουσιν ἐπὶ πάντων Ἠλεῖοι τῶν κατειλεγμένων βωμῶν θύουσι δὲ ἀρχαῖόν τινα τρόπον· λιβανωτὸν γὰρ ὁμοῦ πυροῖς μεμαγμένοις μέλιτι θυμιῶσιν ἐπὶ τῶν βωμῶν, τιθέασι δὲ καὶ κλῶνας ἐλαίας ἐπ᾽ αὐτῶν καὶ οἴνῳ χρῶνται σπονδῇ “ 1657 Sch Pind O 5, 10, wo noch von sechs Altären die Rede ist Weitere Weihungen für Hermes z B im Heraion: Hermes mit Dionysosknaben von Praxiteles (Paus 5, 17, 3); Holzlade der Kypseliden: Hermes führt die Göttinnen zum Parisurteil (Paus 5, 17, 5–5, 19, bes 5, 19, 5); Weihgeschenke: [große Lücke], Hera, Zeus, Göttermutter, Hermes, Apollon, Artemis (Paus 5, 20, 1); Weihgeschenke der Arkader/Pheneaten: Hermes mit Helm und Widder unter dem Arm, bekleidet mit Chiton und Chlamys, Künstler laut Inschrift Onatas aus Aigina und Kalliteles (Paus 5, 27, 8); Hermesstatue mit Kerykeion, laut Inschrift Weihung von Glaukias aus Rhegion, Künstler Kallon aus Elis [I Olympia 271 (ca 420–410 v Chr )] 1658 Paus 8, 17, 5 (Berg Chelydorea) Zu weiteren Quellen und zum Vergleich der Überlieferungen: Vergados 2013, 76–109 Rekonstruktion der Hermeslyra mit einem 3D Laser Scanner: Koumartzis/u a 2015, 324–346 1659 Herme im Stadion von Delphi: I Delphi IV 26 (272–270 v Chr )

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Ein weiterer Altar befand sich in der Nähe der Startlinie der Pferderennbahn1660 Aufgrund des Aufstellungsortes kann auf den Bereich der hippischen Agone geschlossen werden Pausanias hielt fest, dass die Bewohner der Polis Elis jeden Monat an diesen Altären auf altertümliche Weise opferten, wodurch die Kultpraxis als besonders traditionsreich charakterisiert wird Hermes erhielt von den Bürgern von Elis demnach monatlich kleinere, vegetarische Opfergaben Von tierischen Opfern bei verschiedenen Trainingsetappen und den Wettkämpfen ist in einer Kultvorschrift von Kos zu lesen Anhand des Reglements für den Verkauf des Priesteramtes für Hermes Ἐναγώνιος, welches aus der Stadt Kos stammt, kann rekonstruiert werden, wie der Festkalender eines Jahres für Hermes aussehen konnte1661 Die Marmorstele, auf der die Inschrift angebracht ist, datiert in die 2 Hälfte des 3 Jh  v Chr Zum Verkauf stand ein Priestertum (ἱερωσύνη), welches auf Lebenszeit erworben werden konnte1662 Voraussetzung dafür war, dass der Anwärter gesund sowie unversehrt und sehr reich war, denn anhand einer Verkaufsliste städtischer Priesterämter aus Erythrai wird deutlich, dass Priesterämter für Hermes zu den kostspieligsten überhaupt gehörten1663 Die wahrscheinlich vierstellige Summe in Drachmen für das Priestertum in Kos sollte in drei Raten an den Schatzmeister (τάμιας) entrichtet werden Im Gegenzug wurde der Hermespriester von mehreren Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft, wie dem Wehrdienst außerhalb der Grenzen, der Verpflegung für die Reiterei, der Trierachie, den Choregien, der Lampadarchie und anderen Leiturgien, befreit1664 Da der Priester an allen Festen beteiligt war, eigene Opfer darbrachte und andere Magistrate sowie Nutzer bei ihren Opferungen an Hermes unterstützte, kann er als Hauptverantwortlicher für den Hermeskult im Gymnasion bezeichnet werden1665 Entsprechend erhielt er einen Anteil an allen Opfern, durfte bei den Festspielen auf einem Ehrensitz Platz nehmen und hatte die Erlaubnis, Trankopfer durchzuführen1666 Zu seinen Hauptaufgaben zählte, dass er jeweils die Opferanteile, die im Laufe des Jahres dem Hermes dargebracht wurden, auf den Altar legte1667 Dabei muss zwischen den Opfern unterschieden werden, die der Priester selbst zu besorgen hatte, und denjenigen anderer Verantwortlicher und Nutzer des Gymnasions Für die eigenen Opfer erhielt er Geld aus der Kasse des Gottes, wobei die Summe aus eigener Tasche aufgestockt werden konnte1668 Für die Unterstützung bei anderen Opfern wurde er mit 1660 1661 1662 1663 1664 1665 1666 1667 1668

Dort standen zudem Altäre für die Moiren und für Zeus Hypsistos Zur Praxis des Verkaufs von Priesterämtern: Parker 2012, 17, Parker/Obbink 2000, 419–429 IG XII 4, 1, 298, Z 4–6 (2 H 3 Jh  v Chr ) I Erythrai 201 (300–260 v Chr ) Hierzu: 2 6 2 3 Polyfunktionalität IG XII 4, 1, 298, Z 6–8 (2 H 3 Jh  v Chr ) IG XII 4, 1, 298, Z 18–20 (2 H 3 Jh  v Chr ) IG XII 4, 1, 298, Z 8–10 (2 H 3 Jh  v Chr ) IG XII 4, 1, 298, Z 10–12 (2 H 3 Jh  v Chr ) IG XII 4, 1, 298, Z 117–120 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr )

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der Haut und den Schenkeln der Opfertiere belohnt Neben dem Priester opferten der Monarchos, die Hieropoioi (Tempelpfleger), die Lampadarchoi, der Gymnasiarch und Hypogymnasiarch, der Paidonomos, der Agonothet, die Strategoi, die Prostatai (Vorsteher), die Paidotribai und die Monatspriester dem Hermes In einem Jahr erhielt Hermes somit allein im Gymnasion zu 45 verschiedenen Anlässen Tieropfer, für die jeweils zwischen 25 und 300 Drachmen aufgewandt wurden Weiterhin ist geregelt, dass dem Hermes ausschließlich ausgewachsene, männliche Tiere zu opfern sind, wobei meist der Preis, nicht aber die Art des Opfertieres benannt wird Nur an einigen Stellen ist konkret von Schafen, Rindern oder einem Schwein die Rede1669 Wie schon am Beispiel von Elis deutlich geworden ist, gab es sowohl monatliche als auch anlassbezogene Opfer So opferten jeden Monat der Monarchos, die Hieropoioi und der Priester gemeinsam1670 Jeweils zu den entsprechenden Wettkämpfen opferten die verantwortlichen Magistrate: die Agonotheten für den Einzelfackellauf, die Lampadarchen für den Mannschaftsfackellauf, der Monarchos und der Gymnasiarch für die Bogen- und Speerwettkämpfe, der Paidonomos und der Agonothet für den Langlauf, die Strategen für die Katapultwurfwettbewerbe1671 Bei der Verwaltung des Gymnasions übernahm der Priester ebenfalls Aufgaben So wählte er gemeinsam mit dem Gymnasiarchen aus den Knaben im Gymnasion die fünf besten aus, die ihn als Monatspriester unterstützten1672 Darüber hinaus verkündete und bekränzte er die Sieger der Wettkämpfe als Repräsentant der Stadt1673 Diese Aufgabe, die sonst Herolden zukam, wurde auf den Hermespriester übertragen Am Ende des Jahres hatte er, wie alle Amtsträger, denen öffentliche oder göttliche Mittel anvertraut worden waren, über die Ausgaben Rechenschaft abzulegen1674 Sowohl der Priester als auch der Schatzmeister mussten hohe Strafen zahlen, falls Gelder veruntreut wurden1675 Überschüsse dagegen, die entstehen konnten, wenn der Priester Opfergaben mit seinen eigenen Mitteln finanzierte, wurden dem Gott zugesprochen, und die Volksversammlung entschied über deren Verwendung1676 Obwohl es sich bei dem Reglement aus Kos nur um ein Beispiel handelt, wird deutlich, wie häufig und teilweise aufwendig die Opfer für Hermes im Kalender einer antiken Stadt sein konnten1677 Die Opfer hingen meist mit den Festlichkeiten im Gym1669 Zu Schafen: IG XII 4, 1, 298, Z 17, 101 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ); zu Rindern: IG XII 4, 1, 298, Z 100/104 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ); zum Schwein: IG XII 4, 1, 298, Z 105 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) 1670 IG XII 4, 1, 298, Z 12–20 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) 1671 Zum Einzelfackellauf (Z 20–26), zum Mannschaftsfackellauf (Z 26–37), zu Bogen- und Speerwettkämpfen (Z 37–47), zum Langlauf (Z 51–53) und zu Katapultwurfwettbewerben (Z 69–74) 1672 IG XII 4, 1, 298, Z 93–98 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) 1673 IG XII 4, 1, 298, Z 78–79/127–129 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) 1674 IG XII 4, 1, 298, Z 129–132 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) 1675 IG XII 4, 1, 298, Z 146–151 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) 1676 IG XII 4, 1, 298, Z 140–146 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) 1677 Mehrere Autoren des 4 Jh  v Chr erwähnen regelmäßige Opfer für Hermes in den athenischen Gymnasien: z B Aischin Tim 10, Plat Lys 206d–e

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nasion zusammen; nach festgelegten Regeln opferten die städtischen Magistrate bei den Wettkämpfen, die Priester an den dem Hermes heiligen Tagen und die Knaben bei den Trainingseinheiten, den Vorausscheiden und den Wettkämpfen selbst Dabei gilt es zu beachten, dass hier vor allem die Kulthandlungen im Gymnasion aufgelistet wurden, dass aber auch in anderen Institutionen der antiken Polis zeitgleich zahlreiche Opferungen stattgefunden haben dürften Neben den Tieropfern waren Kränze aus Zweigen und Blüten eine häufige, beinahe alltägliche Weihgabe an den Gott In Kos war es beispielsweise Aufgabe des Priesters, die Standbilder des Hermes im Gymnasion und auf der Agora zu bekränzen, wobei er von dem Agoranomos der Stadt kontrolliert wurde1678 Spätestens im 3 Jh  v Chr war das Bekränzen von Götterbildern des Hermes eine verbreitete Kultpraxis, wie das folgende Weihepigramm, das möglicherweise von Nikias von Milet verfasst wurde, zeigt1679: „Fern von den wälderumrauschten und ragenden Höhen Kyllenes | halt ich am lieblichen Platz des Gymnasions die Wacht, | der Hermes Da bringen die Knaben mir oft Hyazinthen, | Majoran herbei und machen einen Kranz blühender Veilchen “

Sprecher des Epigramms ist die Herme selbst, die wahrscheinlich am Eingang des Gymnasions stand und die Sportstätte bewachte Für den gewährten Schutz wurde sie von den Knaben, die dort trainierten, regelmäßig mit Blumenkränzen geschmückt Daneben erhielt Hermes Ἐναγώνιος im Gymnasion oder im Stadion Libationen Anhand der Bestimmungen aus Kos und Olympia wird deutlich, dass diese zu den monatlichen Pflichten gegenüber dem Gott gehörten Dazu verwendet werden konnten Öl, Honig oder Wein Außerdem müssen die Darbietungen bei den Agonen, die letztendlich auch abgehalten wurden, um Hermes zu erfreuen, als Geschenke an den Gott gewertet werden1680 Abgesehen von diesen vergänglichen Weihgaben wurden Hermes im Gymnasion Statuen in größerer Zahl aufgestellt, wobei die Herme mit Abstand das häufigste Bild im Gymnasion war1681 Bei seinen Reisen durch Griechenland stellte Pausanias daher fest1682:

1678 IG XII 4, 1, 298, Z 131–135 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) Dazu: Rückert 1998, 210–211 1679 Anth Gr 16, 188 (Ende 3 Jh  v Chr , Übersetzung nach Beckby 1968): „εἰνοσίφυλλον ὄρος Κυλλήνιον αἰπὺ λελογχώς, | τῇδ᾽ ἕστηκ᾽ ἐρατοῦ γυμνασίου μεδέων, | Ἑρμῆς· ᾧ ἔπι παῖδες ἀμάρακον ἠδ᾽ ὑάκινθον | πολλάκι, καὶ θαλεροὺς θῆκαν ἴων στεφάνους “ Siehe auch: IG II2 3023 (338/337 v Chr ) 1680 Neils/Oakley 2003, 153 1681 Vgl z B Paus 8, 39, 6 In den Kontext der Agone gehört auch das Opfer einer „Statue“ (ἄγαλμα), welches in einem Kultkalender aus Arkadien erwähnt wird (Z 14) Der Kalender lässt sehr wahrscheinlich Rückschlüsse auf eine frühe arkadische Kultgemeinschaft zu Dazu: Ganter (im Druck), Carbon/Clackson 2016, Heinrichs 2015 1682 Paus 4, 32, 1 (Übersetzung Meyer 2001): „τούτους μὲν δὴ τοῖς πᾶσιν Ἕλλησι καὶ ἤδη τῶν βαρβάρων πολλοῖς περί τε γυμνάσια καὶ ἐν παλαίστραις καθέστηκεν ἔχειν ἐν τιμῇ “

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„Es ist bei allen Griechen und auch schon bei vielen Barbaren Brauch geworden, diese [Hermen] in Gymnasien und Palaistren zu ehren […] “

Entsprechend bezeichnete Birgit Rückert die Hermen als „das Bild des Hermes Enagonios schlechthin“1683 Diese konnten als Statuetten, Terrakotten oder Steinbilder geweiht werden Im Hellenismus nahm die Aufstellung von Hermen des Hermes und des Herakles in Gymnasien derart zu, dass Hermenreihen und -galerien angelegt wurden1684 Daneben wurden Stelen, Statuen oder Weihgeschenke in Form von Kränzen, Fackeln oder sportlichen Geräten aufgestellt Alle beschriebenen Kulthandlungen fanden bei Hermen oder an Altären statt, die in großer Zahl die Gymnasien der griechischen Städte schmückten In seltenen Fällen ist zudem von einem Temenos für Hermes im Gymnasion die Rede Die spärlichen und nicht immer eindeutigen Zeugnisse dafür gehören in das späte 4 und 3 Jh  v Chr und konzentrieren sich auf den kleinasiatischen Raum Beispielsweise wird in einer Pachturkunde aus Mylasa ein Temenos für Hermes und Herakles im Gymnasion erwähnt1685 Außerdem nennt ein Gesetz über die Erziehung der Bürgerkinder aus Teos einen heiligen Platz für Hermes, Herakles und die Musen im städtischen Gymnasion1686 Darüber hinaus sind einzelne Belege auch für andere Orte greifbar So berichtet Pausanias, dass es beim Stadion von Megalopolis einen Tempel für Hermes und Herakles gegeben habe1687 Zudem rekonstruiert Alexander Minchev in Odessos ein Heiligtum für Hermes, in dem die Hermaia der Stadt veranstaltet worden sein könnten1688 Auffällig ist bei allen Beispielen, dass die heiligen Bezirke im Gymnasion immer Hermes und anderen Gottheiten, vor allem Herakles, galten, während die einzeln erwähnten Altäre und Götterbilder Hermes vorbehalten waren Über das Aussehen der Heiligtümer lässt sich kaum Konkretes sagen Denkbar sind weniger aufwendige Bauten, die sich in den Komplex des Gymnasions einfügten Weiterhin muss ausreichend Platz zur Verfügung gestanden haben, damit ein Knabenjahrgang gemeinsam an den Kulthandlungen teilnehmen konnte Die Kultpraxis dürfte sich nicht von der bisher beschriebenen unterschieden haben Von einem expliziten Gymnasion des Hermes ist nur in Athen die Rede, wobei dies lediglich bei Pausanias erwähnt wird1689 Es soll sich „hinter einer auf der nördlichen Seite der Straße vom Dipylon-Tor zur Agora ge-

1683 1684 1685 1686

Rückert 1998, 112 Rückert 1998, 115, Wrede 1986, 35 I Mylasa 21 (=SEG 13–488, 318/317 v Chr ) CIG 3059 (=Syll 4 578b, 3 Jh   v Chr ) Die Verehrung von Hermes in Teos ist deutlich älter, wie Münzen des 5 und 4 Jh  v Chr zeigen: BMC Teos 311/316, Imhoof-Blumer I, 101 Zum Hermeskult in Teos: Raingeard 1934, 225–226 1687 Paus 8, 32, 3 1688 IGBulg I2 44–45 Dazu: Minchev 2003, 256 1689 Paus 1, 2, 5: „ἡ δὲ ἑτέρα τῶν στοῶν ἔχει μὲν ἱερὰ θεῶν, ἔχει δὲ γυμνάσιον Ἑρμοῦ καλούμενον “ Siehe auch: Aristoph Plut 1159/1161 Dazu: Travlos 1971, 5

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legenen römischen Kolonnade“1690 befunden haben Die genannte Straße verband die Stadt mit dem Piräus Pausanias schreibt, dass es sich um das „sogenannte“ Gymnasion handelte, wodurch er schon seine Zweifel an dieser Benennung äußert Wahrscheinlich handelt es sich um eine späte Zuweisung, die nicht in die hier behandelte Zeit zurückdatiert werden kann Weitere Einzelheiten bleibt Pausanias schuldig, sodass keine weiteren Ausführungen möglich sind 2 5 4 Feste in der Polis: Hermaia und andere Hermesfeste im Gymnasion Bei den Hermaia genannten Festen zu Ehren des Gottes Hermes handelte es sich um agonal geprägte Feierlichkeiten, die in den städtischen Gymnasia veranstaltet wurden1691 Nach Nigel Kennell gibt es Belege für Hermaia in den Städten: Apamea1692, Arykanda1693, Athen1694, Beroia1695, Chalkis1696, Chersonesos1697, Chios1698, Delos1699, Gorgippa1700, Histria1701, Kos1702, Milet1703, Minoa1704, Odessos1705, Pergamon1706, Sestos1707, Tanagra1708 und Teos1709 Seiner Liste können noch Delphi1710, Kydonia1711, Larisa1712, Olbia Pontike1713, Sparta1714, Syrakus1715 und Tyndaris1716 hinzugefügt werden Aufgrund der Vielzahl der Belege und der Quellenaussagen kann davon ausgegangen werden, 1690 1691 1692 1693 1694 1695 1696 1697 1698 1699 1700 1701 1702 1703 1704 1705 1706 1707 1708 1709 1710 1711 1712 1713 1714 1715 1716

Ruggeri/Siewert/Steffelbauer 2007, 76/112 Allan 2018, 14, Aneziri/Damaskos 2007, 249, Allan 2004 MAMA VI, 173 (188–159 v Chr ) I Arykanda 162 (1–200) SEG 50–159 (nach 350 v Chr ), IG II2 2971 (315/314 v Chr ), IG II3 4, 353 (239/238 v Chr ), IG II2 2980 (200–180 v Chr ) Letzte Erwähnung der Hermaia in Athen: IG II2 1227 (131/130 v Chr ) LGBeroia, 17–25 (175–167 v Chr ) BCH 103 (1979) 170 (130–109 v Chr ) SEG 46–923 (200–100 v Chr ) Forrest 1966, 206, Nr 11 (200–100 v Chr ) I Delos 1948–1949/2595 (137–100 v Chr ), SEG 51–998 (ohne Datierung) IOSPE IV, 432 (300–200 v Chr ) ISM I, 59 (200–80 v Chr ) IG XII 4, 1, 298 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) I Milet 145 (200/199 v Chr ) IG XII 7, 235 (200–100 v Chr ) IGBulg I 44–45 (200–1 v Chr ), Minchev 2011, 15–39, Minchev 2007, Minchev 2003, 254–261 I Pergamon II, 256 (150–60 v Chr ) I Sestos 1 (133–120 v Chr ) IG XII 9 Supp 646 (212–250 n Chr ), Paus 9, 22, 1 Dazu: Rückert 1998, 135 I Teos 114 (300–100 v Chr ), CIG 3085 (300–30 v Chr ) SEG 55–569 (ohne Datierung), Athen 9, 372a Siehe dazu: Nilsson 1995, 160 Ephor FGrH 70 F 29, Paus 8, 53, 4 SEG 56–631 (3 /2 Jh  v Chr ) IOSPE I2 186 (3 Jh  v Chr ) Pind N 10, 52–53 Sch Plat Lys 206d Cic Verr 4, 24/5, 185

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dass Hermaia oder vergleichbare Feierlichkeiten in jeder griechischen Polis stattfanden Daher bezeichnet Alexander Minchev die Hermaia, genauso wie das Theater, als „city institution standard“1717 Erste Zeugnisse für diese Feste sind in Quellen des 4 Jh  v Chr zu finden In den Inschriften des 3 Jh  v Chr ist die Nennung bereits verbreiteter Die meisten überlieferten Quellen entstammen jedoch dem 2 Jh  v Chr und späteren Zeiten Zuerst erwähnt wird ein Hermaia genanntes Fest für Hermes in Platons Dialog „Lysis“1718 Der Dialog gibt ein Gespräch über erotische Freundschaften unter Männern zwischen Sokrates, der in diesem Bereich als Experte konzipiert wird, und vier jungen Männern wieder An der betreffenden Stelle bittet Hippothales Sokrates um Rat, wie er ein Gespräch mit dem Knaben Lysis führen könne, in den er verliebt sei Daraufhin schlägt Sokrates vor, selbst mit Lysis zu sprechen und fragt Hippothales, ob es eine Möglichkeit gäbe, diesen zu treffen1719: „»Das ist überhaupt nichts Schwieriges«, sagte Hippothales »Wenn du nämlich mit Ktesippos hier hineingehst, dich hinsetzt und dich unterhältst, glaube ich gewiß, wird er ganz von selbst zu dir hinkommen – er hört nämlich besonders gerne zu, Sokrates, und weil man das Hermesfest feiert, sind in diesem Raum die jungen Männer und die Jungen gemeinsam zusammen – er wird also zu dir kommen« “

Ort der Handlung ist ein neuerbautes Gymnasion außerhalb der Stadtmauern Athens an der Panopsquelle1720 Als Teilnehmer des Gesprächs können Sokrates, die Knaben Lysis und Menexenos sowie die Jugendlichen Hippothales und Ktesippos genannt werden1721 Nach Michael Bordt könnte die Handlung des Dialoges in die Zeit zwischen 417–414 v Chr eingeordnet werden, sodass Hermaia bereits im 5 Jh  v Chr vorstellbar gewesen wären1722 In Bezug auf das Hermesfest erfährt der Leser, dass dieses in einem bestimmten Gymnasion stattfand Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass Hermaia in jeder einzelnen Sportstätte gefeiert wurden1723 In einer Stadt wie Athen fanden demnach mehrere Hermesfeste statt Weiterhin aufschlussreich ist der Hinweis, dass das Fest von den Knaben (παῖδες) und Jünglingen (νεανίσκοι) gemeinsam begangen wurde, denn normalerweise wurden die Altersgruppen im Gym-

1717 So schon: Nilsson 1995, 388 1718 Zur Datierung: Kommentar zu Plat Lys von Bordt 1998, 94–95 1719 Plat Lys 206c–d (Übersetzung Bordt 1998): „ἀλλ᾽ οὐδέν, ἔφη, χαλεπόν ἂν γὰρ εἰσέλθῃς μετὰ Κτησίππου τοῦδε καὶ καθεζόμενος διαλέγῃ, οἶμαι μὲν καὶ αὐτός σοι πρόσεισι – φιλήκοος γάρ, ὦ Σώκρατες, διαφερόντως ἐστίν, καὶ ἅμα, ὡς Ἑρμαῖα ἄγουσιν, ἀναμεμειγμένοι ἐν ταὐτῷ εἰσιν οἵ τε νεανίσκοι καὶ οἱ παῖδες – πρόσεισιν οὖν σοι “ 1720 Plat Lys 203a-b 1721 Vgl Brodt 1998, 108–115 1722 Zur Datierung: Bordt 1998, 94–95 1723 Fisher 2001, 132, Mikalson 1998, 195, Habicht 1994, 37, Habicht 1961, 127–148 (bes 140)

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

nasion getrennt trainiert Außerdem wird deutlich, dass gemeinsame Opfer von der Festgemeinde durchgeführt wurden1724 Ebenfalls um erotische Beziehungen zwischen Männern geht es in der Rede „Gegen Timarchos“ (346/345 v Chr ) von Aischines1725 Mit dieser Rede gelang es Aischines, seinen politischen Gegner Timarchos auszuschalten, indem er ihn wegen unsittlichen Verhaltens und sexueller Verfehlungen anklagte Aischines wählte dafür eine Thematik, die für alle Bürger relevant war: die Integrität der Lehrer Jeder athenische Bürger vertraue diesen Lehrern seine Söhne zur Erziehung an, weshalb ein Fehlverhalten ihrerseits unmittelbaren Einfluss auf die Bürgergemeinschaft haben könnte Aischines argumentiert weiter, dass es sich beim Unterricht um eine so zentrale Aufgabe handele, dass bereits Solon Regelungen über den Umgang mit der Jugend erstellt habe Unter den solonischen Gesetzen, so Aischines, seien auch Bestimmungen zu den Hermesfesten gewesen1726: „[…] und er [Solon] regelte die Museia in den Didaskalien und die Hermaia in den Palaistren “

Trotz der Intention des Autors, seinen politischen Gegner auszuschalten, kann geschlossen werden, dass die Feste als sehr alt wahrgenommen und mit dem großen athenischen Gesetzgeber Solon verbunden wurden Erste Hermesfeste mit sportlichen Agonen wurden demnach möglicherweise schon im 7 /6 Jh  v Chr abgehalten, ohne dass es zu dieser Zeit bereits Gymnasia gegeben haben muss Mit Hilfe der Rede des Aischines kann außerdem das oben Gesagte unterstrichen werden: Die Erziehung der Bürgersöhne war für die Zukunft der Polis grundlegend, weshalb der Gott Hermes, der diese überwachte, als ein Gott der Polis bezeichnet werden kann Neben diesen literarischen Zeugnissen bestätigt auch das Demendekret von Kephisia, dass im 4 Jh  v Chr Hermaia in Athen gefeiert wurden und die Erledigung der mit dem Fest verbundenen Aufgaben als hervorhebenswert galt1727 In der zweiten Zeile des Dekrets heißt es nämlich, dass der geehrte Epistates der Palaistra die „heiligen Dinge“ für die Hermaia sehr gut erledigt habe und dafür vom Demos Kephisia geehrt worden sei Im 3 Jh   v Chr werden die Zeugnisse zu den Hermaia zahlreicher und enthalten Einzelheiten über den Festablauf So gehörten zum Beispiel hippische Agone mindestens seit dem 3 Jh  v Chr dazu, wie aus einer Ehreninschrift aus Eleusis und Zeugnissen aus Pheneos hervorgeht Das oben bereits angesprochene Ehrenmal des athenischen Strategen Demetrios, der aus Phaleron stammte und der Enkel des berühmten

1724 So auch: Plat Lys 207d 1725 Aischin Tim 9–10 Dazu: Mikalson 2016, 123, Fisher 2001 1726 Aischin Tim 10: „ἀποδείκνυσι […] καὶ περὶ Μουσείων ἐν τοῖς διδασκαλείοις καὶ περὶ Ἑρμαίων ἐν ταῖς παλαίστραις […]“ 1727 SEG 50–159 (nach 350 v Chr ) Dazu: Morison 2000, 93–98

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Demetrios von Phaleron war, ist auf einer Statuenbasis überliefert1728 Neben dem einleitenden Teil der Inschrift sind zwölf Siegerkränze abgebildet, die an die militärischen Ämter und die Erfolge in hippischen Agonen erinnern, wobei der letzte Kranz dem Sieg bei dem Pferderennen der Hermaia galt Der Sieg des Demetrios bei den Hermaia wird hier gleichberechtigt neben Agonen zu Ehren anderer Götter genannt, sodass die Hermaia nicht als Feste in kleinem Rahmen abgetan werden dürfen1729 Dafür, dass bei den Hermaia Pferderennen abgehalten wurden und diese durchaus ein größeres Publikum und einen Teilnehmerkreis, der nicht nur aus Knaben der eigenen Stadt bestand, anlocken konnten, spricht auch die Überlieferung aus Pheneos1730 Pausanias berichtet Folgendes über den Kult der Pheneaten1731: „[…] von den Göttern aber achten die Pheneaten Hermes am meisten und halten Wettkämpfe, die Hermaia, für ihn ab Und auch einen Tempel gibt es bei ihnen mit einem steinernen Standbild des Hermes […] Hinter dem Tempel liegt das Grab des Myrtilos Von diesem sagen die Griechen, er sei ein Sohn des Hermes und Wagenlenker des Oinomaos gewesen; und so oft einer kam, um die Tochter des Oinomaos zu freien, trieb Myrtilos die Pferde des Oinomaos kunstvoll an, und sobald er bei der Wettfahrt aufrückte, stieß er den Freier mit dem Speer nieder “

In Pheneos war Hermes der Stadtgott, dem die höchsten Ehren galten, was sich unter anderem auf den in diesem Zusammenhang referierten Mythos des Myrtilos zurückführen lässt Dieser sei als Sohn von Hermes und Myrte oder Klymene geboren worden und stamme ursprünglich aus dem peloponnesischen Pisa1732 Sowohl der Name des Heros als auch der seiner möglichen Mutter leiten sich von dem Myrtenstrauch ab, dem im Hermeskult eine wichtige Rolle zukam Myrtilos sei der Wagenlenker des mythischen Königs Oinomaos gewesen, der seine Tochter Hippodameia und sein Königreich demjenigen zu geben bereit war, der ihn im Wagenrennen besiege1733 Da Oinomaos ein Sohn von Ares ist, ist er in dieser Disziplin nahezu unbesiegbar Der ehrgeizige Pelops, der Oinomaos herausfordert, wendet sich daher zuvor an Myrtilos und verspricht ihm im Falle eines Sieges je nach Version die Hälfte des Königreiches oder eine Nacht mit Hippodameia Als Sohn des Hermes ersinnt Myrtilos eine 1728 1729 1730 1731

IG II2 2971 (250 v Chr ) Zur Datierung: Tracy 1995, 43–44/171–174 Rückert 1998, 134 Paus 8, 14, 10–11 Siehe auch: Pind O 6, 77, Sch Pind O 7, 153 Paus 8, 14, 10 (Übersetzung Meyer 2001): „[…] θεῶν δὲ τιμῶσιν Ἑρμῆν Φενεᾶται μάλιστα καὶ ἀγῶνα ἄγουσιν Ἕρμαια καὶ ναός ἐστιν Ἑρμοῦ σφισι καὶ ἄγαλμα λίθου […] ὄπισθεν δέ ἐστι τοῦ ναοῦ τάφος Μυρτίλου τοῦτον Ἑρμοῦ παῖδα εἶναι τὸν Μυρτίλον λέγουσιν Ἕλληνες, ἡνιοχεῖν δὲ αὐτὸν Οἰνομάῳ· καὶ ὁπότε ἀφίκοιτό τις μνώμενος τοῦ Οἰνομάου τὴν θυγατέρα, ὁ μὲν ἠπείγετο ὁ Μυρτίλος σὺν τέχνῃ τοῦ Οἰνομάου τὰς ἵππους, ὁ δὲ ἐν τῷ δρόμῳ τὸν μνηστῆρα, ὁπότε ἐγγὺς γένοιτο, κατηκόντιζεν “ 1732 Zu Myrte (Sch Apoll Rhod 1, 752); zu Klymene (Sch Apoll Rhod 1, 752) Andere vorgeschlagene Mütter waren Phaëthuse (Sch Apoll Rhod 1, 752) oder Theobule (Hyg fab 224, 4–5) 1733 Alkmaionis frg 6 (West) Der Ostgiebel des Zeustempels zeigt das Wettrennen von Pelops und Oinomaos (Paus 5, 10, 6–8)

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

List, wie Oinomaos zu besiegen ist: Er ersetzt die Nägel, welche die Räder am Wagen befestigen, durch schwarzes Wachs Im Sturz begreift der betrogene Oinomaos, von wem er getäuscht worden ist, und verflucht seinen Wagenlenker, dass jener von Pelops getötet werden möge1734 Der Fluch erfüllt sich wenig später, als Pelops Myrtilos ins Meer stürzt, weil Letzterer versucht hatte, sich der Königstochter zu nähern Kurz vor seinem Tod wiederum verflucht Myrtilos Pelops und seine Familie Obwohl Pelops, um den Tod von Myrtilos zu sühnen, als erster einen Tempel für Hermes auf der Peloponnes errichtet, kann der Fluch erst durch Orestes gebrochen werden1735 Der im Meer treibende Leichnam des Hermessohns wird von den Pheneaten geborgen und begraben Seither, heißt es bei Pausanias, würden sie Hermes besonders verehren und hielten auch jährliche Totenopfer für den Heros ab1736 Es ist ohne Parallelen, dass eine Stadt ein Grab eines Hermessohnes benennt und dieses mit einem zentralen Fest in ihrem Poliskalender verknüpft Die Myrtilosepisode diente dazu, die Stellung von Pheneos innerhalb der Peloponnes zu festigen Der Stadt, welche abseits der wichtigen Verkehrswege im sehr gebirgigen Teil von Arkadien lag, sollte mehr Bedeutung verliehen werden, indem ihr eine Rolle innerhalb der peloponnesischen Geschichte zugewiesen wurde1737 Da die Kulte von Hermes und dem Heros in Pheneos sehr eng miteinander verbunden waren, liegt die Vermutung nahe, dass an den Hermaia auch Wagenrennen abgehalten wurden, mit denen an Myrtilos erinnert werden sollte1738 Diese Vermutung wird durch ein Siegesepigramm, welches in Olympia aufgestellt wurde, bestätigt1739: „Als erster von den Troern wurde ich mit dem Zweig des Ölbaums von Pisa | bekränzt und vom Herold ausgerufen, ich, mit Namen Akestorides; | doch fürwahr, auch Lousoi bekränzte mich, und Epidauros | und Pheneos, und auch Nemea rief mich aus als Gewinner des Kampfpreises  | Wahrlich, damals wurde von Hermokreons Sohn sogar das schnelle Geblüt | der vor Alters geborenen Fohlen des Erichthonios übertroffen “

Der Weihende Akestorides, Sohn von Hermokreon, stammte aus Troja und war für die Teilnahme an verschiedenen Wettkämpfen auf die Peloponnes gereist Somit kann bestätigt werden, dass an den Agonen der Hermaia Teilnehmer aus verschiedenen Bereichen der griechischen Welt antraten Weiterhin kann belegt werden, dass bei den 1734 Soph frg 471–477 (Radt), Eur frg 571–577 (Radt), Pherec FGrH 3 F 37, Apollod E 2, 4–9, Apoll Rhod 1, 752–758 mit Sch , Hyg fab 84, Sch Verg georg 3, 7 1735 Eur Or 988–1000 mit Sch , Apollod E 2, 8–9, Paus 5, 1, 7, Sch Soph El 504–515 Siehe auch: Allan 2018, 82, Raingeard 1934, 61–68 1736 Paus 8, 14, 10–11 1737 Zu Konflikten der Arkader auf der Peloponnes: Pretzler 2018 1738 Rückert 1998, 135 1739 I Olympia 184 (Ende 3 Jh  v Chr ) Inschrift (Text/Übersetzung nach Ebert 1972, Nr 68): „πρῶτος ἐγὼ Τρώων Πισάτιδος ἔρνει ἐλαίας | στεφθεὶς καρύχθην, τοὔνομ’ Ἀκεστορίδης· | καὶ μὰν καὶ Λουσοί με κατέστεφον ἠδ’ Ἐπίδαυρος | καὶ Φενεός, Νεμέα τ’ ἴαχεν ἀθλοφόρον  | ἦ ῥα τόθ’ Ἑρμοκρέοντος ἐς υἱέα λείπετο πώλων | αἷμα παλαιγενέων κραιπνὸν Ἐριχθονίου “

2 5 Proastion II: Gymnasia

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Hermaia in Pheneos spätestens im 3 Jh  v Chr Pferderennen abgehalten wurden, denn Akestorides hatte bei mehreren Rennen verschiedener Städte den Sieg im Fohlenrennen errungen Weitere Disziplinen, in denen sich die jungen Männer nach Altersklassen getrennt bei den Hermaia messen konnten, sind durch Inschriften aus Gorgippa und Olbia Pontike bekannt Aus Gorgippa1740 stammt ein Ephebenkatalog, in dessen rechten Spalte die Sieger im Langlauf bei den Hermaia aufgelistet wurden1741 Ebenfalls den Sieg eines Knaben bei den städtischen Hermaia erwähnt die Weihung an Hermes und Herakles von Nikodromos aus Olbia Pontike, wobei nur noch lesbar ist, dass der Wettbewerb im Stadion stattfand1742 Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Hermaia war außerdem der Fackellauf1743 Bei dem in einem Pindarscholion als Hermaia bezeichneten Fest in Pellene handelte es sich dagegen wohl nicht um ein Hermesfest im bisher beschriebenen Sinne Vielmehr waren die Feierlichkeiten mit den Theoxenien identisch, die von älteren Quellen beschrieben werden1744 Mit dem Fest, welches zu Ehren von Apollon und Hermes gefeiert wurde, sollte möglicherweise eines Besuchs der Götter in der Stadt gedacht werden1745 Dafür spricht weiterhin, dass das Fest eine Bewirtung der Götter durch die Menschen inszenierte Laut Pausanias wurden während der Theoxenia Agone veranstaltet1746 Entsprechend handelte es sich um ein agonales Polisfest für Hermes und Apollon Erst die spätere Überlieferung bezeichnete es nur noch als Fest des Hermes Die Hermaia waren ein jährliches Fest, welches in den einzelnen Gymnasia der griechischen Poleis veranstaltet wurde Mithilfe einer Gymnasiarchenweihung aus Larisa kann sogar festgehalten werden, dass die Feste dort im Frühjahr als Höhepunkt des gymnasialen Kalenders stattfanden und mit dem Amtsende des Gymnasiarchen verbunden waren1747 Geprägt waren die Feierlichkeiten von Agonen wie Laufwettbewerben und Wagenrennen, welche den jungen Männern die Möglichkeiten boten, ein angemessenes Auftreten und ihre körperliche Fitness zu präsentieren1748 Teilnehmer bei den Wettkämpfen waren die Knaben und Männer der Stadt sowie zu diesem Zweck angereiste Besucher Für den Festverlauf und die Siegerehrungen waren die städtischen Ausbilder und Magistrate verantwortlich1749 Im Rahmen der Vorbereitung der Feste 1740 1741 1742 1743 1744 1745 1746 1747 1748 1749

IOSPE IV, 432 (300–200 v Chr ) IOSPE IV, 432, Pars A, Col II, Z 1–2 (300–200 v Chr ) Inschrift: „Οἵδε Ἑρμαῖα | δόλιχον ἐνίκησαν “ IOSPE I2 186 (3 Jh  v Chr ) Kennell 2006, xiii Zu Hermaia: Sch Pind O 7, 156/9, 146 Zu Theoxenia: Paus 7, 27, 4, Sch Pind O 7, 156/9, 146, Sch Pind N 10, 82, Sch Aristoph Av 1421, Hesych s  v Θευξένια Ἀπόλλωνος ἑορτή, Phot s  v Πελληνικαὶ χλαῖναι Nilsson 1995, 161 Paus 7, 27, 4 Siehe auch: Hesych s  v Θευξένια Ἀπόλλωνος ἑορτή SEG 56–631 (3 /2 Jh  v Chr ) Siehe auch: Kennell 2006, xiii Vgl Crowther 1991, 301–304, Crowther 1985, 285–291 Rückert 1998, 134

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

und während der Feierlichkeiten wurden regelmäßige Opfer an Hermes durchgeführt Höhepunkt war das gemeinsame Opfer der Teilnehmer und das Bankett, an dem die Stadtgemeinschaft partizipierte1750 Die Feste dienten dazu, der Bürgergemeinschaft das von den Epheben Erlernte vorzuführen, und waren somit eine Absicherung des korrekten Ablaufs der Erziehung des männlichen Nachwuchses 2 5 5 Resümee – Proastion II Das Kapitel widmete sich in einem ersten Schritt der Frage, warum Hermes zu dem wichtigsten Gott des Gymnasions avancierte Die Gründe dafür sind schon in der Entstehungsgeschichte der Institution zu suchen: Da Vorformen der Gymnasia als Übungsstätten für die Hoplitenarmee eingerichtet wurden, waren die ersten Benutzer Bürgersoldaten und deren Anführer Beide Gruppen fühlten sich dem Gott Hermes eng verbunden, sodass sie den Kult in das Gymnasion mitbrachten Sehr bald wurden die Stätten vor allem für die Ausbildung der jungen Männer genutzt, die ebenfalls bereits eine besonders enge Beziehung zu dem Gott hatten Als Gott der Grenzüberschreitung war Hermes zudem für den geregelten Übergang der Bürgersöhne von Kindern zu künftigen Vollbürgern zuständig, der spätestens im 4 Jh  v Chr von der Polis institutionalisiert und streng kontrolliert wurde Zeugnisse für die Ephebie oder vergleichbare Ausbildungsformen sind mindestens aus 190 Poleis der griechischen Welt seit dem 4 Jh  v Chr bekannt An all diesen Orten wurde Hermes seither untrennbar mit der städtischen Institution des Gymnasion und dem Erhalt sowie der Pflege der Polisgemeinschaft assoziiert In einem zweiten Schritt wurde der Frage nachgegangen, wer den Hermeskult im Gymnasion gestaltete, wobei vier Personengruppen ausgemacht werden konnten Zur ersten Gruppe gehörten die städtischen Magistrate und Ausbilder, unter denen besonders die Gymnasiarchen und Hypogymnasiarchen hervorstachen Neben Weihungen an Hermes allein sind auch solche in Kultgemeinschaft mit Aphrodite, Apollon und (lokalen) Heroen belegt Die zweite Gruppe umfasste die Nutzer des Gymnasions, womit vor allem die jungen Männer gemeint waren Für diese Gruppe wurden nur wenige Beispiele gefunden, die erst ab dem 3 Jh  v Chr auftraten Zur dritten Gruppe gehörten die Sieger in Wettkämpfen Anhand der Zeugnisse konnte gezeigt werden, dass Hermes bei musischen Agonen, bei Laufwettbewerben und bei hippischen Agonen angerufen wurde Bei den Beispielen der vierten Gruppe, den Herrschern, muss unterschieden werden zwischen den Weihungen für Herrscher und solchen von Herrschern selbst Erstere waren eine Loyalitätsbekundung und eine Anerkennung für ihre

1750 Aneziri/Damaskos 2007, 249–250, Deubner 1969, 217

2 6 Asty: Agorai

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Verdienste gegenüber der Polis Letztere dienten der Selbstdarstellung der eigenen Person oder Familie, richteten sich aber formal an die Gottheit Als dritter Schritt wurde der Kult von Hermes Ἀγώνιος und Ἐναγώνιος näher betrachtet Dieser wurde von denjenigen, die für den Ablauf und die Organisation im Gymnasion zuständig waren oder die an den Wettkämpfen teilnahmen, gestaltet Außerdem war Hermes der Schutzgott für die Sportstätte selbst, wofür er regelmäßig geehrt wurde Im Laufe eines Jahres erhielt Hermes Ἐναγώνιος zahlreiche Opfer, tierische, vegetarische, Kränze und Libationen Daneben wurden ihm dauerhafte Gaben wie Hermen, Altäre und später sogar Tempel geweiht Im letzten Schritt wurden die Hermesfeste im Gymnasion untersucht Die Hermaia waren agonale Feste, die in den einzelnen Gymnasia stattfanden Erste Erwähnungen der Feste finden sich in Texten des 4 Jh  v Chr , wobei die Quellenaussagen daraufhin deuten, dass diese in Athen schon seit dem 5 Jh  v Chr oder sogar seit solonischer Zeit begangen worden seien Andernorts beginnen die Zeugnisse erst im 3 Jh  v Chr , wobei auch hier Vorgängerinstitutionen denkbar sind Die Hermaia konnten ein größeres Publikum anziehen und waren der Höhepunkt im Festkalender der Gymnasia Sie dienten der Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung der Gemeinschaft Anhand der Hermesverehrung im Gymnasion sollte dem Besucher der antiken Stadt ein weiteres Mal deutlich geworden sein, dass Hermes ein Gott der Polis war 2.6 Asty: Agorai Der Besucher ist auf der Agora angekommen und hat somit das Ziel seines Weges erreicht Die Agora war gleichzeitig das räumliche und politische Zentrum der Polis1751 Hier versammelten sich die meisten Magistrate, hier wurden wichtige Entscheidungen getroffen und einer breiten Öffentlichkeit durch Herolde und Inschriften kundgetan Letztere wurden je nach Bedarf und Platz errichtet, sodass es festgelegte Bereiche für verschiedene Themenbereiche gab, welche die innerstädtische Kommunikation gewährleisteten1752 Daher war die Agora der wichtigste Ort der politischen Teilhabe in griechischen Poleis Gleichzeitig war die Agora der Marktplatz, auf dem Handel getrieben wurde und an dem sich die wichtigsten Straßen kreuzten Außerdem befanden sich hier zentrale Heiligtümer und Altäre der Stadt1753 Neben Dekreten und Verordnungen wurden daher auf der Agora auch Weihungen von Amtsträgern aufgestellt Der Gott Hermes war in der antiken Vorstellung mit allen genannten Bereichen eng verbunden, weshalb auf der Agora seine Götterbilder in großer Zahl standen Im 1751 Flashar/Schubert 2018, 26 Der Begriff wurde in den Epen Homers und zum Teil noch in archaischer Zeit für die Versammlung der Bürger benutzt (Seelentag 2015, 204–211) 1752 Allan 2018, 78, Mackenzie Camp II 2014, 98, Hölkeskamp 2000, 91–92 1753 Vgl Thompson 1976 Siehe auch: Die neuen Funde und Publikationen der American School of Classical Studies at Athens (http://www agathe gr, zuletzt eingesehen: 30 06 2020)

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Folgenden soll nach den Kultakteuren und den Kultpraktiken zu Ehren des Gottes auf der Agora gefragt werden Dabei ist dem Bereich des Rechts ein gesonderter Abschnitt gewidmet 2 6 1 Kultakteure im Kontext der Agora Die Agora war, wie das Gymnasion, eine städtische Institution, für deren geregelte Abläufe Magistrate zuständig waren Dabei können die Bereiche Politik und Handel nicht voneinander getrennt werden, denn die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln und anderen Gütern war unverzichtbar Dies trifft umso mehr zu, da die Aufgabenbereiche der Magistrate in den verschiedenen Poleis und über den langen Zeitraum, der hier untersucht wird, nicht immer dieselben waren Vor einer Analyse der städtischen Kultakteure muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass Magistrate erst nach Ablauf ihrer Amtszeit an Hermes weihten, um einerseits zu bestätigen, dass sie ihr Amt im Sinne der Polis geführt hatten und andererseits, um an die Verdienste für die Polis zu erinnern und sich bei Hermes zu bedanken1754 Daneben treten in den Inschriften und Weihungen auf der Agora auch Marktteilnehmer zutage, die sich ohne ein Amt innezuhaben, an Hermes wandten 2.6.1.1 Städtische Magistrate Hermes nahm die erste Position unter den Empfängern der Weihungen von Amtsträgern ein1755 An ihn weihten die höchsten militärischen und politischen Magistrate1756 In Athen können die neun Archonten, die legislative, judikative und exekutive sowie religiöse Aufgaben wahrnahmen, als politische Führungselite bezeichnet werden1757 Diese wandten sich entweder als Kollegium oder einzeln an Hermes Ein Beispiel für eine gemeinsame Weihung ist die Herme, die an den Neubau der Festung in Piräus erinnert1758 Daneben sind Hermenbasen des Archon Basileus Exekestides und des Archon Basileus Onesippos überliefert Beide Marmorbasen wurden in situ auf den Stufen der Stoa Basileus gefunden1759 Exekestides ließ seine Herme anfertigen, 1754 1755 1756 1757

Hierzu: 2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen Wallensten 2019, 248–251, Wallensten 2003, 108/115–116/135 Mikalson 2016, 223 Welwei 1998, 60, Develin 1989, 2–3 Archon Eponymos (Leitung), Archon Basileus (sakrale Aufgaben), Archon Polemarchos (Krieg), sechs Thesmotheten (Gerichtsbarkeit) 1758 Philoch FGrH 328 F 40 Hierzu: 2 1 2 Grenzen des Stadtgebiets 1759 Mackenzie Camp II 2014, 92, Rückert 1998, 97–98, Wrede 1986, 9 (4 –2 Jh  v Chr ), Kron 1976, 234 Das Fragment einer Herme aus pentelischem Marmor, deren Fundort leider unbekannt ist, könnte auch hier gestanden haben [Akropolis Mus , Inv -Nr ΜΑ 7355 (480–470 v Chr )] Die Inschrift,

2 6 Asty: Agorai

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nachdem er um 400 v Chr das Amt bekleidet hatte1760 Somit handelt es sich um die Weihung eines regulären städtischen Magistraten an Hermes Anders verhält es sich bei der Herme des Onesippos1761 Diese wurde für die Ausrichtung der tragischen und komischen Wettkämpfe an den Lenäen noch während der Amtszeit des Archonten aufgestellt Solche Ehrungen im laufenden Amtsjahr waren nach der Auskunft von Aischines nicht rechtens1762 Diese ungewöhnliche Weihepraxis ist erklärungsbedürftig, weshalb Colin Edmonson vorschlug, die Weihung als eine Reaktion auf die Ereignisse der Jahre 403/402 v Chr zu verstehen1763 Plutarch berichtet, dass nach dem Sturz der dreißig Tyrannen die Demokraten aus dem Exil zurückgekehrt seien und das daraufhin veranstaltete Fest zu einem Symbol der wiederhergestellten Demokratie stilisiert worden sei1764 Colin Edmonson nimmt daher an, dass die Herme auf Kosten des Archonten gestiftet worden sei, um jenes Ereignisses zu gedenken Diese Interpretation traf in der Forschung nicht auf einhellige Zustimmung1765 Für den Vorschlag von Edmonson spricht aber einiges Die Hermen fungierten in Athen als Symbol der demokratischen Ordnung Wenn nun das Ende der Tyrannei als Neuanfang für die Polis und ihre Institutionen gewertet wird, darf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dafür die Hilfe von Hermes erbeten wurde Weil der Einschnitt als so gravierend wahrgenommen wurde, wichen die Athener von der Norm ab, die Magistrate nicht vor Ende ihrer Amtszeit zu ehren Die Akzeptanz der Weihung dürfte dadurch gesteigert worden sein, dass es sich nur um eine Ehrung für ein bestimmtes Ereignis handelte Daher erschienen neben dem Archon Basileus auch die Namen der siegreichen Dichter auf der Inschrift Weiterhin in diese Richtung deutet die Hermenform, denn zu dieser Zeit waren Hermen als Choregenweihungen unüblich, während Magistrate regelmäßig Hermen aufstellen ließen Andernorts nutzten die höchsten Amtsträger der Polis ebenfalls die Herme als Medium und stellten nach dem Ablauf ihrer Amtszeit eine solche auf der Agora auf So hieß das Zweierkollegium, welches die Polis Knidos als höchste Magistrate führte, Demiourgoi, und diese weihten an Hermes1766 Für die obersten Amtsträger auf Kos, die Monarchoi, sind Weihungen an Hermes überliefert1767 Schließlich sind auch von den Kosmoi, den obersten Magistraten in kretischen Poleis, Weihgaben belegt1768 Zwar

1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768

welche vertikal auf der Vorderseite angebracht wurde, legt nahe, dass es sich um eine Weihung des athenischen Künstlers Strombichos handelte Siehe auch: IG VII 3500 (ohne Datierung) SEG 32–240 (ca 400 v Chr ) Ath Agora 19, I 7185/7168 (ca 400 v Chr ) Hierzu: 2 5 2 3 1 Musische Agone Aischin Ctes 21 Edmonson 1982, 49–50 Plut mor 349 f Vgl zur Forschungsdiskussion: Wilson 2000, 30–31 mit älterer Literatur I Knidos 183 (hell ) Dazu: Wallensten 2003, 33–35 Zu Demiourgoi/Damiorgoi: Valdés Guía 2005, 9–24, Welwei 1998, 61, Veligianni-Terzi 1977, Jeffrey 1973–1974 IG XII 4, 1, 298, Z 13–18 (2 Hälfte 3 Jh  v Chr ) Seelentag 2015, 223, Link 1994, 97–112

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

entstammt die Weihung des Magistrats Perballon erst dem 2 Jh  v Chr , es kann aber davon ausgegangen werden, dass vergleichbare Ehreninschriften vorher schon geläufig waren1769 Bei allen diesen Weihungen handelt es sich um Hermen, die in die hellenistische Zeit datieren und deren Inschriften nicht mehr als den Namen des Stifters, die Angabe seines ehemaligen Amtes und den Götternamen enthalten Wie die Beispiele aus klassischer Zeit wurden sie ebenfalls erst nach Ablauf der Amtszeit geweiht und dienten neben der religiösen Komponente auch der Erinnerung an die hervorragende Amtsführung im Sinne der jeweiligen Polis Weiterhin sind Weihungen militärischer Amtsträger bekannt So waren die Strategen in Athen Hermes besonders zugetan und zudem seit dem 4 Jh  v Chr zu einem jährlichen Opfer an Hermes Ἡγεμόνιος verpflichtet1770 Ferner dienten „die Hermen“ als Versammlungsort für die Hipparchen, die Oberbefehlshaber über die Reiterei, und die Phylarchen, die Kommandanten über die Reitereinheit einer Fußtruppe1771 Diejenigen Magistrate, die ab dem späten 4 Jh  v Chr mit Abstand am häufigsten an Hermes weihten, waren die Agoranomoi1772 Der Gott war sogar der am häufigsten von den Agoranomoi angerufene Schutzgott, gefolgt von Aphrodite Diese Magistrate waren damit betraut, das Marktgeschehen – beispielsweise die Richtigkeit des Warentransfers, der Maße und Einheiten, die Qualität der Waren sowie die damit verbundenen Rechtsgeschäfte – zu überwachen1773 Darüber hinaus gehörte die Logistik der Feste und Opfer, die auf der Agora stattfanden, zu ihren Aufgaben1774 Insgesamt sind Agoranomoi in 120 griechischen Poleis nachweisbar, wobei ihre Anzahl und ihre Aufgabenbereiche variieren1775 Mit zunehmender Größe der Poleis ist eine Spezialisierung der Ämter zu beobachten; in kleineren Poleis blieb die Übersicht über alle Bereiche der Agora allerdings zumeist in den Händen der Agoranomoi Diese waren für die Versorgung sowie das Leben in der Stadt von unschätzbarer Wichtigkeit, denn das Funktionieren des Marktes war über seine essentielle ökonomische Rolle hinaus ein Spiegel für das Funktionieren der Polis und ihrer Institutionen1776 Parallel zu der Untersuchung der Gymnasiarchen sollen im Folgenden Tendenzen ausgemacht werden, statt alle Zeugnisse der Hermesweihungen von Agoranomoi vorzustellen Belege für solche Weihgeschenke sind aus den Landschaften Attika, Boioti-

1769 IC II xxiii 10 (2 Jh  v Chr ) 1770 Hierzu: 2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen 1771 Aristoph Pax 420, Xen hipp 3, 2, Lys 23, 2–3, IG II3 1, 949, Z 9 (280–270 v Chr ), [Plut ] X Orat 834, Paus 1, 24, 3, Athen 4, 167/9, 402 1772 Vgl Capdetrey/Hasenohr 2012, Wallensten 2003, 329–31 mit Quellenbelegen Weitere Gottheiten: Demos, Zeus und Polis 1773 Plat leg 764b/849a–e/917b–e, Aristot Ath pol 51 1774 Vgl z B IG XII 4, 1, 298, Z 131–135 (2 H 3 Jh  v Chr ) Siehe auch: McInerney 2010, 191, Buxton 1982, 32 1775 Wallensten 2003, 27 1776 Oliver 2006, 299/302

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en, Ionien, Karien, Moesien, Thrakien und von der Insel Kos überliefert1777 Zu den frühesten überlieferten Beispielen gehört eine im westlichen Teil der Agora von Priene gefundene Basis aus dem späten 4 Jh  v Chr mit der folgenden Inschrift1778: „Der (gewesene) Agoranomos | Pausanias, Sohn des Demetrios, | (weihte diese Hermen) dem Hermes “

Die Inschrift war auf einer Marmorbasis angebracht, auf der ursprünglich zwei Hermen standen, die jedoch verloren sind Warum Pausanias gleich zwei Bilder des Hermes weihte, kann nicht geklärt werden Es handelt sich hier jedoch nicht um einen Einzelfall, denn zum Beispiel der gewesene Agoranomos aus Thespiai Korrinadas stellte gleich mehrere Hermen auf1779 Ähnlich wie andere Weihinschriften von Magistraten enthielten Agoranomeninschriften selten mehr als die Angabe des Amtes, den Namen, das Patronymikon, eine Herkunftsangabe sowie den Götternamen im Dativ und waren zumeist auf einer Basis angebracht, die eine Herme schmückte Neben den Hermen wurden auch Stelen verwendet, die mit einer Inschrift und dem Relief einer Herme versehen waren Im Falle des Amtsinhabers Eukrates aus dem thrakischen Maroneia wurde die Stele, deren ursprüngliche Verwendung nicht mehr zu rekonstruieren ist, sogar erst nachträglich durch ein Graffito des Götternamens zu einem Weihgeschenk an Hermes umfunktioniert1780 Gerade im 3 Jh   v Chr errichteten die Agoranomoi individualisierte Weihungen Ein Beispiel dafür ist aus Priene bekannt1781: „[…] Sohn des […]lios, aus der Phyle | Aigeis, der gewesene Agoranomos (weihte dies) dem Hermes “

Der Agoranomos hatte nach dem Ende seiner Amtszeit einen marmornen Tisch an Hermes geweiht Während die Vorderseite des Tischs ausgearbeitet ist, blieb die Rückseite unbearbeitet, sodass dieser möglicherweise in einem architektonischen Ensemble untergebracht war Da die Oberseite des Tisches zusätzlich erhöht war, wurde er mutmaßlich zur Ablage von Weihgaben oder zur öffentlichen Ausstellung von Maßen und Preisen verwendet und stand überdacht Somit ließ der Agoranomos den Tisch auf der Agora aufstellen, um zukünftigen Amtsträgern die Arbeit zu erleichtern Gleichzeitig stellte er diesen unter den Schutz des Gottes, der die Einhaltung der Normen überwachen sollte 1777 Zu den Weihungen in Athen: Rückert 1998, 105/236–237 1778 I Priene 186 (spätes 4 Jh  v Chr ) Inschrift: „ἀγορηνομήσας | Παυσανίας Δημητρίου | Ἑρμῆι“ Siehe auch: I Priene 187 (3 Jh  v Chr )/188 (1 Jh  v Chr ) Dazu: Raingeard 1934, 228 1779 IG VII 1793 (Ende 3 Jh  v Chr ) Inschrift: „Κορρινάδα[ς] | ἀνέθεκε[ν] | τοῖ hερμᾶ[ι]“ („Korrinades stellte die Hermen auf “) 1780 I Thrac Aeg 363 (3 /2 Jh  v Chr ) Siehe auch: SEG 54–761 (spätes 3 /frühes 2 Jh ) 1781 I Priene 187 (3 Jh  v Chr ) Inschrift: „[․․․․․c 15․․․․․․]λίου, φυλῆς | Αἰγεΐδος, ἀγορ[α]νομήσας Ἑρμεῖ “

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Überdies waren seit dem 3 Jh  v Chr kleinere Weihgeschenke, wie Gewichte oder Waagen, üblich1782 So zeigt ein rundes Bleigewicht aus Smyrna den Gott Hermes mit Kerykeion1783 Die Inschrift, die um den Gott herum verläuft, weist das Gewicht als Weihung des Agoranomos Lykios aus Im 2 /1 Jh  v Chr setzt sich die Tradition von Agoranomenweihungen fort1784 Für die Weihungen städtischer Magistrate auf der Agora gilt in gleichem Maße, was bereits für Hermesweihungen in anderen Polisinstitutionen festgestellt wurde: Sie zeigen das Nebeneinander von öffentlichen und persönlichen Bedürfnissen, die zu einer Weihung an Hermes motivieren konnten Von den städtischen Magistraten erhielt Hermes ebenfalls Weihungen gemeinsam mit Aphrodite1785 und Hestia Jenny Wallensten hat herausgearbeitet, dass die Kultverbindung zwischen Hermes und Aphrodite sehr weit zurückreicht1786 Erste Belege für eine gemeinsame Verehrung oder bildliche Darstellung sind aus dem 6 /5 Jh  v Chr aus Kreta, Samos, Lokris und Elis überliefert1787 Darüber hinaus ist diese Kultgemeinschaft für die Landschaften Arkadien, Attika und Süditalien belegt1788 Wie aber ist die Kultverbindung zu erklären? Die Gottheiten waren gemeinsam für die Sphäre der Ehe und sexuellen Liebe zuständig Daher wurden sie auch schon früh gemeinsam mit Eros verehrt1789 In der Ehe oblag es ihnen, dafür Sorge zu tragen, dass neue Generationen von Bürgern geboren wurden, weshalb sie als Polisgottheiten zu bezeichnen sind1790 Hermes war ein Gott der Bürger sowie der Polisinstitutionen, vor allem der Magistraturen, und auch Aphrodite beschützte die Amtsinhaber als Göttin der Eintracht (ὁμόνοια) der Polis und ihrer Bürger1791 In Athen wurde sie deswegen unter anderem als Pandemos verehrt1792 Besonders als Eintracht bringende Göttin wurde Aphrodite häufiger gemeinsam mit Hermes angerufen Jenny Wallensten stellte sogar fest, dass Aphrodite erst durch ihre enge Kultverbindung zu Hermes zu einer Göttin der Amtsträger geworden sei, da ihr diese Funktion ab dem 4 Jh  v Chr zugeschrieben würde1793 Aber auch vor dem 4 Jh  v Chr

1782 Schachter/Marchand 2013, 298 1783 I Smyrna 785 (3 Jh  v Chr ) 1784 SEG 42–662 (2 Jh   v Chr )/32–690 (2 Jh v Chr)/47–1002 (2 /1 Jh   v Chr )/SEG 53–621 (1 Jh   v Chr )/47–1127 (ohne Datierung), I Stratonikeia 516 (2 Jh   v Chr ), I Erythrai 104 (späthell ) 1785 Hierzu: 2 5 2 1 Städtische Magistrate und Ausbilder 1786 Vgl Wallensten 2019, 252–253, Wallensten 2003, 135–137 Zu Hermaphroditos: Wallensten 2003, 136–137 1787 Buschor 1957, 84–85 mit Quellenbelegen 1788 Marinatos 2003, 130 1789 Vgl z B SEG 16–34 (ca 500 v Chr ), Paus 5, 11, 8 Dazu: Wallensten 2003, 139–140 1790 Hierzu: 2 3 3 2 Der Weg in die Ehe 1791 Vgl Wallensten 2003, 119–126, Rückert 1998, 157–159 (Anm 574 mit älterer Literatur) 1792 Paus 1, 22, 3 Dazu: Rückert 1998, 105–106 1793 Wallensten 2003, 144/153

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können Hermes und Aphrodite gemeinsam als Polisgottheiten angesprochen werden, die den Menschen am Übergang zum Erwachsen- und Bürgersein beistanden1794 Die ersten gemeinsamen Weihungen von Amtsträgern, besonders den Agoranomoi, kamen im 5 Jh  v Chr auf und konzentrieren sich auf den östlichen Mittelmeerraum und die vorgelagerten Inseln1795 Die Inschriften waren ebenso einfach gehalten wie die oben beschriebenen Weihungen an Hermes Ein Beispiel aus Priene dient der Illustration1796: „Der Rat  | Lykomedes, Sohn von Polystratos, | (gewesener) Agoranomos, | (weihte dies) Hermes und Aphrodite  | Das Volk “

Die Inschrift befand sich auf einer unprofilierten Basis, die sehr wahrscheinlich auf der Agora stand Wiederum sind der Name des Aufstellers, sein Amt und die Gottheiten genannt Daneben befindet sich auf dem Inschriftenträger ein in deutlich größerer Schrift geschriebener Verweis, dass es sich um eine von Rat und Volksversammlung genehmigte Weihung handelt Der Inschriftenkommentar bezeichnet diesen als späteren Zusatz, was sich nicht mehr überprüfen lässt, da die Inschrift mittlerweile verschollen ist Ebenso ist denkbar, dass Lykomedes nach dem Ende seiner Amtszeit den Antrag stellte, eine Herme aufstellen zu dürfen, der bewilligt wurde Das Beispiel zeigt, dass Hermes und Aphrodite von Agoranomoi nach dem Ende ihrer Amtszeit kleinere, steinerne Weihgeschenke erhielten, die auf der Agora aufgestellt wurden Da die zahlreichen Weihungen für Hermes und Aphrodite lediglich durch kurze Inschriften, nicht aber durch Götterbilder oder andere Kultgegenstände belegt sind, ist eine Beschreibung der zugehörigen Rituale nur eingeschränkt möglich Dagegen gestattet das Fragment eines Sakralkalenders aus dem mysischen Miletoupolis einen Einblick in die Größe und Häufigkeit der Opfer Der Überrest gehört in das 4 /3 Jh  v Chr und noch erhalten sind die vorgeschriebenen Opfer der Monate Thargelion und Skirophorion1797:

1794 Vgl z B I Delos 40 (Weihung eines Agoranomen an Aphrodite, 5 Jh  v Chr ) 1795 Wallensten 2019, 247, Wallensten 2003, 139 mit Quellenbelegen, Rückert 1998, 108–109 mit Bezug auf die delischen Beispiele Birgit Rückert nimmt trotz fehlender Belege an, dass auch in Athen am Altar des Hermes Ἀγοραῖος beide Gottheiten zusammen verehrt worden seien (Rückert 1998, 108–109) 1796 I Priene 189 (4 Jh  v Chr ) Inschrift: „ἡ βουλή  | Λυκομήδης Πολυστράτου | ἀγορανομήσας | Ἑρμεῖ καὶ Ἀφροδίτηι  | ὁ δῆμος “ Siehe auch: I Delos 40 (5 Jh  v Chr ), IG XI 4, 1282 (3 Jh  v Chr )/1143 (Mitte 3 Jh  v Chr , nur Hermes)/1144 (Agoranomos und Astynomos an Hermes und Aphrodite, Mitte 3 Jh  v Chr )/1145 (wie 1144, 2 Jh  v Chr ) 1797 I Kyzikos II, 1 (4 /3 Jh   v Chr ) Inschrift: „[τρεισκ]αιδε[κάτηι – –  | [πέμπ]τηι ἐπὶ [δέκα – –  | [εἰκ]άδι Ἑρμῆι χoῖ[ρος] | [δε]κάτηι φθίνοντο[ς – –] οἶς, | [Σ]κιροφοριῶνος νουμηνίαι Ἰλιθυίαι οἶς, ἐνάτηι Ἀφροδίτηι αἴξ, | τετρακαιδεκάτηι Διὶ Πολιεῖ βοῦς, | ἕκτηι ἐπὶ δέκα Ἡρακλεῖ βοῦς, | Ἀλεξικάκωι ταῦρος, | ἑβδόμηι ἐπὶ δέκα Διὶ Ὀλυμπίωι βοῦς, | Ἀπόλλωνι Καρνείωι βοῦς, ταῦρος, ἔριφος, | [Εἰρ]ήνηι ταῦρος, | [εἰκάδι Δ]ιὶ Ἀγοραίωι οἶς, | [․․․10–12․․․ ο]ἶς  | [– – – – – – – –]“ Siehe auch: Raingeard 1934, 214–215

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

„[…] | am [drei]zehnten Tag […], | am [fünf]zehnten Tag […], | am zwanzigsten Tag dem Hermes ein Ferkel, | am einundzwanzigsten Tag dem […] einen Widder  | Im Monat Skirophorion: Am ersten Tag der Ilythia einen Widder, | am neunten Tag der Aphrodite eine Ziege, | am vierzehnten Tag dem Zeus Polieus ein Rind, | am sechzehnten Tag dem Herakles ein Rind, | dem Alexikakos einen Stier, | am siebzehnten Tag dem Zeus Olympios ein Rind,  | dem Apollon Karneios ein Rind, einen Stier, ein Zicklein  | der Eirene einen Stier, | am zwanzigsten Tag für Zeus Agoraios ein Widder, | […] ein Widder | […] “

Die Vorschrift war ursprünglich auf der Agora aufgestellt Neben dem Ferkel im Thargelion könnte möglicherweise in der letzten, noch lesbaren Zeile Hermes Ἀγοραῖος ergänzt werden, sodass Hermes zusätzlich am zwanzigsten Skirophorion einen Widder erhalten haben könnte In diesem Fall wäre die Vorschrift aus Miletoupolis das älteste Zeugnis für ein tierisches Opfer an Hermes Ἀγοραῖος Auch Aphrodite erhielt ein Opfer, sodass Hermes und Aphrodite in Miletoupolis auf der Agora gemeinsam verehrt wurden und dort womöglich auch Götterbilder oder Altäre hatten, auf denen ihnen jährlich die festgelegten Opfer dargebracht wurden1798 Im Gegensatz zu den anderen Gottheiten, denen Rinder geopfert wurden, erhielten sie kleinere Opfertiere Für die Einhaltung der Vorschrift waren städtische Magistrate, möglicherweise die Agoranomoi zuständig, denen Hermes und Aphrodite ohnehin als Schutzgottheiten dienten Zum Vergleich kann die Kultvorschrift der attischen Kleruchen auf Samos herangezogen werden1799 Diese schreibt ein gemeinsames Opfer verschiedener Kuchen für die Göttin Kourotrophos (die Göttin der Kinderaufzucht) und Hermes vor Der Beiname wurde sehr häufig für Aphrodite und seltener für Hekate verwendet1800 Wenn Aphrodite gemeint gewesen sein sollte, würde es sich um einen weiteren Beweis dafür handeln, dass Hermes und Aphrodite in besonderer Weise als für die Erziehung der Bürgerkinder zuständig galten1801 Weiterhin wird deutlich, dass ihnen regelmäßig kleinere, vegetarische Opfer auf der Agora zuteil wurden Anhand der Inschrift lässt sich ableiten, dass die athenischen Siedler die Kulte der Mutterstadt pflegten Besonders für die Kleruchen und ihre Nachkommen war es wichtig, die Rechtmäßigkeit ihrer Ehen und Kinder zu bezeugen, da sie zwar das athenische Bürgerrecht hatten, aber auf Samos von der Teilhabe an den athenischen Institutionen ausgeschlossen waren1802 Eine weitere Gruppe städtischer Magistrate, die sich an Hermes und Aphrodite wandten, waren die Astynomoi, wobei nur Zeugnisse aus Delos überliefert sind, die

1798 Vgl LIMC s v Hermes 289 (Ende 5 Jh  v Chr ) 1799 IG XII 6, 1, 260 (365–322 v Chr ) 1800 Zu Hekate: Hes theog 450; zu Aphrodite: Hom Epigr 12, Aischyl Sept 299, Plat Com frg 174, 7, IG XI 2, 203 Teil A, Z 46 (3 Jh  v Chr ), Lukian Dial meretr 5, 1 1801 I Knidos 21 (4 Jh  v Chr ): Die Prostatai in Knidos weihten Hermes und Aphrodite im Gymnasion der Stadt eine blaue Marmorbasis, auf der eine Herme stand 1802 Scheer 2012, 525–526

2 6 Asty: Agorai

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alle in das 3 Jh  v Chr datieren1803 Die Astynomoi waren für die Ordnung in der Stadt zuständig1804 In hellenistischer Zeit übernahmen sie zunehmend Aufgaben im Bereich der Handelskontrollen1805 Daher weihten auf Delos auch die Agoranomoi und die Astynomoi gemeinsam an Hermes und Aphrodite, wie das folgende Beispiel zeigt1806: „Der (gewesene) Agoranomos Demonous, Sohn von Antigonos, | der (gewesene) Astynomos Periandros, Sohn von Hegesagoras, | (weihten dies) Hermes und Aphrodite “

Die Inschrift ist auf einer Marmorbasis angebracht, die eine friesartige Ornamentik ziert und auf der ursprünglich eine Herme stand Mit diesem Weihgeschenk veranschaulichten die beiden Magistrate, dass sie ihr Amt im Sinne der Gesetze ihrer Polis ausgeführt hatten und dabei von Hermes und Aphrodite unterstützt worden waren Zum Ende des 2 Jh  v Chr verschwinden die Magistratenweihungen an Hermes und Aphrodite im griechischen Raum1807 Neben Aphrodite wurde Hermes gemeinsam mit Hestia auf den Agorai griechischer Städte verehrt Erste Belege dafür stammen aus der Mitte des 4 Jh  v Chr 1808 Als Göttin des Herdes war Hestia nicht nur für die privaten, sondern auch für die öffentlichen Feuerstellen zuständig1809 Ihr oblag vor allem die Sorge für den Herd im Prytaneion, wie Pausanias für Athen, Oropos, Hermione, Sparta und Olympia beschreibt1810 Somit kann die Bedeutung der Hestia für den städtischen Kult nicht hoch genug eingeschätzt werden1811 Die Aufsicht über das Brennen des heiligen Feuers kam dem städtischen Prytanis zu, wobei es sich um das höchste sakrale Amt handelte1812 Auf Keos wurde Hermes seit dem 5 Jh  v Chr mit dem Beinamen Πρυτάνειος (der zur Prytanie gehörige) angesprochen1813 Diese Anrede belegt, dass die Amtsträger neben Hestia auch Hermes als ihren Schutzgott hoch schätzten In Athen stellten die Prytanen spätestens seit dem 4 Jh  v Chr Hermen auf der Agora auf1814 Das älteste Beispiel ist eine Wei-

1803 Wallensten 2003, 32–33 1804 In Piräus hatten die Agoranomoi für die Sauberkeit der Agora Sorge zu tragen: Plat leg 917e, SIG 313, Z 11 (320/319 v Chr ) 1805 Oliver 2006, 300 1806 IG XI 4, 1144 (M 3 Jh   v Chr ) Inschrift: „Δημόνους Ἀντιγόνου ἀγορανọ[μήσας],  | Περίανδρος Ἡγησαγόρου ἀστυν[ομήσας] | Ἑρμεῖ καὶ Ἀφροδίτει“ Siehe auch: IG XI 4, 1147 (Astynomen, 300– 250 v Chr ) 1807 Vgl Wallensten 2003, 137–139 1808 SEG 17–422 (Thasos, ca 350–300 v Chr ), Pouilloux 1954a, Nr 151 (325–275 v Chr ), IG XII Suppl 403 (Thasos, ca 250 v Chr )/402 (Thasos, 1 Jh  v Chr ) Dazu: Wallensten 2003, 137, Vernant 1963 1809 Hom h 5, 21–32 Dazu: Merkelbach 1980, 77–92 1810 Paus 1, 18, 3/1, 34, 3 (Oropos)/2, 35, 1 (Hermione)/3, 11, 11 (Sparta)/5, 11, 8/5, 14, 4/5, 26, 2–3 (Olympia) Siehe auch: Plat leg 745b (in einer idealen Stadt sollen zuerst Hestia, Zeus und Athena heilige Bezirke erhalten) 1811 Dion Hal comp 2, 65, 4 1812 Merkelbach 1980, 81/84–92 mit Quellenbelegen 1813 SEG 39–870 (ca 450–400 v Chr ) Dazu: Allan 2018, 105, Mendoni 1989, 295–296, Nr 41 1814 Rückert 1998, 91 mit Diskussion zur Andokides-Herme, Wrede 1986, 9/98–100

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hung der Phyle Antiochis aus dem Jahr 393/392 v Chr 1815 Im 3 Jh  v Chr mussten diese allerdings den Ehrendekreten weichen1816 Noch im 2 Jh  v Chr wurden Hermes und Hestia auf Delos wiederholt als Beschützer der Prytanen angesprochen und eine Inventarliste des Prytaneions erwähnt sogar eine Statue des Hermes1817 Damit wird auch die Weihinschrift der Epistatai verständlich, die auf einer fragmentierten Marmorbasis auf der Agora von Thasos gefunden wurde1818: „Die Epistatai (weihten dies) Hestia, Aphrodite, Hermes  | Lysistratos, Sohn von Eu[…], […], | Isagoras, Sohn von Heragoros, […] | Apollodoros, Sohn von Kyknou[…], […] | und die Agoranomoi | […], […] | Eutykles, Sohn von Timandridos “

Die genannten Epistatai waren mit den Prytanen vergleichbar Darüber hinaus überwachten sie in Thasos auch das Marktgeschehen und den Warentransfer Daher stellten die sechs Epistatai gemeinsam mit den Agoranomoi der Stadt ein Weihgeschenk für Hestia, Aphrodite und Hermes auf Hestia wird in der Auflistung zuerst genannt, da sie die Hauptgöttin des Gremiums war Hinzu kommen die Polisgottheiten und Schutzgötter der Agoranomoi Aphrodite und Hermes, die für die Eintracht und die korrekte Amtsführung sorgen sollten Die letzten Zeugnisse für gemeinsame Weihungen an Hermes und Hestia von Polismagistraten stammen aus dem 1 Jh  v Chr 1819 2.6.1.2 Marktteilnehmer Eng mit der Agora war der Güter- und Personenverkehr verknüpft Schon im homerischen Hymnos wird Hermes als listiger und schlauer Verhandlungspartner dargestellt, als er mit Apollon den Gegenwert der Lyra erörtert1820 Ferner erhält er im gleichen Werk von Zeus die Aufgabe, den Tauschhandel unter den Menschen zu überwachen1821 Diese Eigenschaft findet ihren Eingang in die Kultpraxis, wobei die Zeugnisse vor allem von den griechischen Inseln stammen Gerade im wirtschaftlichen Bereich haben die Weihungen eine persönliche Note, da der individuelle Gewinn und damit verbunden teilweise der Verlust anderer angestrebt wird Bei der Zusammenschau der Epithe-

1815 Ath Agora 1, 4226 1816 Mikalson 2016, 224, Osborne 2010, 343, Rückert 1998, 99 Siehe auch: SEG 46–167 (282/281 v Chr ) 1817 I Delos 1416  A, I, Z 83–95 (156/155  v Chr )/1417 B, I, Z 89–102 (155/154  v Chr ), IG XII 8, 641 (2 Jh  v Chr ) Dazu: Mendoni 1989, 295–296, Nr 41, Hansen 1985, 274–276 1818 SEG 17–422 (4 Jh  v Chr ) Inschrift: „Ἐπιστάται Ἑ[στίηι, Ἀφροδίτηι, Ἑρμεῖ]  | Λυσίστρατος Εὐ – – – – – – – – – – – – – – – – – – | Ἰσαγόρας Ἡραγ[όρου, – – – – – – – – – – – – – – – –] | Ἀπολλόδωρος Κ[ύκνου(?), – – – – – – – – – – – – –] | καὶ ἀγορανόμοι | – – – – – – – – –, – – – – – – – – – – –] | Εὐθυκλῆς Τιμα[νδρίδου] “ Siehe auch: IG XII 8, 357 (500 v Chr ) 1819 Wallensten 2003, 137 1820 h Herm 401–502 Dazu: Vergados 2013, 516/553 mit älterer Literatur 1821 h Herm 516–517

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ta fällt auf, dass nur die Beinamen Δόλιος1822 (der Listige/der Schlaue), Ἐμπολαῖος1823 (der Gott der Händler) und Ἐριούνιος1824 (der Segensreiche/Wohltätige) vereinzelt schon für das 6 –4 Jh  v Chr belegt sind Dagegen stammt die Mehrzahl der Epitheta wie Εἰσαγωγός1825 (der Wächter über die Importe), Κερδέμπορος1826 (der Wächter über Gewinn/Ertrag/Nutzen), Κταρὸς1827 (der Gott des Gewinns) oder Ἐλαιοπώλης1828 (der Ölhändler) aus dem späten Hellenismus oder der römischen Periode1829 Auf die in den Mythen gerühmte Listigkeit des Gottes nahmen die Bewohner von Kyrene Bezug, die im späten 6 Jh  v Chr einen kleinen zweigeteilten Altar auf ihrer Agora aufstellten, der Zeus und Hermes Δόλιος (der Listige/der Schlaue) geweiht war1830 Wegen der Aufstellung auf der Agora kann die Weihung sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Sinne interpretiert werden Eindeutiger im Bereich des Handels angesiedelt ist der Beiname Ἐμπολαῖος (der Gott der Händler), der sich im 5 Jh  v Chr in einem Graffito auf einer schwarzglasierte Kylix aus Olbia findet1831 Ein weiteres Mal wird dieser für Hermes in der Komödie „Die Acharner“ (425 v Chr ) von Aristophanes benutzt1832 Aristophanes thematisiert die Kriegsmüdigkeit der Athener wegen des andauernden Peloponnesischen Kriegs Daraufhin schließt der attische Bauer Dikaiopolis einen Privatfrieden mit Sparta, weshalb die Bewohner des Demos Acharnai ihn zur Rechenschaft ziehen wollen1833 Dikaiopolis versucht in seiner Enklave des Friedens, die Geschäfte wenigstens teilweise wiederherzustellen, indem er Mysterien veranstaltet In seiner Verzweiflung über den schlecht laufenden Verkauf der Schweine für die Feiern ruft er „beim Hermes“ aus und beginnt damit einen Vortrag, in dem Hermes in seiner Funktion als Gott des Handels komödiantisch überhöht darge1822 h Herm 66 (δόλον)/76 (δολίης τέχνης)/245 (δολίῃς ἐντροπίῃσι, mit vielen Tricks und Wendungen)/405 (δολομήτης)/282/361 (δολοφραδής), Soph Phil 133, Soph El 1395–1397, Aristoph Thesm 1202 mit Sch , Aristoph Plut 1157, Hippias v Erythrai FGrH 421 F 1, TheDeMa 113 (4 Jh   v Chr )/235 (=SEG 49–320, 4 Jh   v Chr )/970 (=IG III 3, 93, 3 Jh   v Chr ), Corn Theol Graec 16, 16, Paus 7, 27, 1 1823 SEG 30–908 (5 Jh  v Chr ), Aristoph Ach 816, Corn Theol Graec 16, 14 1824 Hom Il 20, 34/20, 72/24, 360/24, 440/24, 457/24, 679, Hom Od 8, 322, h Herm 3/28/145/551 Hom h 2, 407/18, 3/19, 28 und 40, I Thessalien 69 (Mitte 5 Jh  v Chr ), Soph Ichn 28, Aristoph Ran 1144, SEG 34–497, Z 11–14 (250–200 v Chr ), Orph h 28, 8, Orph Lith 2, 69 1825 MDAI(A) 37 (1912), 216 (2 /1 Jh  v Chr ) 1826 Orph h 28, 6 1827 Lykophr Alex 679 1828 BCH 17 (1893) 527, Nr 26 Zu Ölhändlern und Hermes: Hantos 1994, 142–143/147, Usener 1984, 247 1829 Gabriella Bevilacqua rechnet zu diesen Beinamen noch δόλιος (Bevilacqua 2009, 240) 1830 SEG 37–1673 (spätes 6 Jh  v Chr ) Inschrift: col 1 „TOZE | ΤΟΕΡI“, col 2 „τõ hερμᾶ | τõ Δολίō“ Dazu: Dobias-Lalou 1970, 241–245 Gabriella Bevilacqua schlägt vor, dass der Altar nur an Hermes mit zwei verschiedenen Beinamen geweiht worden sei Dem kann nicht zugestimmt werden, da der Zeuskult in Kyrene sehr verbreitet war (Hdt 4, 203) 1831 SEG 30–908 (5 Jh  v Chr ) Inschrift: „[ἄ]ξιος Ἑρμέω ἐμ[ὶ Ἐμπο]λαίο “ Siehe auch: Aristoph Ach 816, Corn Theol Graec 16, 14 1832 Aristoph Ach 816–817 Dazu: Eitrem 1909a 1833 Zum Namen Dikaiopolis: Kanavou 2011, 24–28

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stellt wird1834 Das Epitheton Ἐμπολαῖος erhält Hermes in der Komödie aber von dem megarischen Schweinehändler Nach seinem erfolgreichen Geschäft bedankt Letzterer sich bei Hermes als Gott der Händler Sofort taucht jedoch ein Marktaufseher auf, der den Handel verbieten möchte, weil Megara der Feind Athens sei1835 Aristophanes spielt in der Szene bewusst mit der doppelten Funktion von Hermes auf der Agora: Er war sowohl Gott des Handels und des persönlichen Gewinns als auch Schützer der Marktordnung im Sinne der Gesetze der Polis Demnach wurde Hermes bereits im 5 Jh  v Chr als ein Gott der Händler und guten Geschäfte wahrgenommen, ohne dass dies im Kult weite Verbreitung fand Die Bedeutung des Beinamens Ἐριούνιος1836 ist umstritten In den Epen Homers kommt dieser immer dann vor, wenn Hermes die Menschen unterstützt1837 Daher charakterisiert Ἐριούνιος Hermes als den Hilfreichen und Wohltätigen Diese Übersetzung wird von sprachwissenschaftlichen Untersuchungen gestützt, denn Elena Langella hat herausgearbeitet, dass die einzelnen Wortteile „ἐρι“ (intensivierendes Präfix) und „ὀνίνημι“ (jmnd helfen/nützen) andere Bedeutungen sehr unwahrscheinlich machen1838 Außerdem wird der Beiname bei späteren Autoren und in den Fluchtafeln verwendet, um den wohltätigen Charakter des Gottes hervorzuheben1839 Besonders in den Fluchtafeln zeigt sich jedoch, dass die Wunscherfüllung für den einen auch mit dem Schaden eines anderen einhergehen konnte Erst bei den spätantiken Lexikographen und Grammatikern findet sich eine zweite Bedeutungsebene: Diesen Texten zufolge besteht eine Verbindung zwischen dem Beinamen und der Funktion von Hermes in der Unterwelt, die sich besonders im letzten Gesang der „Odyssee“ zeige1840 Daraus resultiert eine dritte, mit dem Unterweltsgott zusammenhängende Interpretation, die von Aphrodite Avagianou vorgeschlagen wird Ihrer Auffassung nach sei der

1834 Aristoph Ach 736–749 (bes 742–743): „ὡς ναὶ τὸν Ἑρμᾶν, αἴπερ ἱξεῖτ᾽ οἴκαδις | ἄπρατα, πειρασεῖσθε τᾶς λιμῶ κακῶς ” 1835 Aristoph Ach 818–827 1836 Hom Il 20, 34/20, 72/24, 360/24, 440/24, 457/24, 679, Hom Od 8, 322, h Herm 3/28/145/551 Hom h 2, 407/18, 3/19, 28 und 40, I Thessalien 69 (Mitte 5 Jh  v Chr ), Soph Ichn 28, Aristoph Ran 1144, SEG 34–497, Z 11–14 (250–200 v Chr ), Orph h 28, 8 Siehe auch: Allan 2018, 30, Reece 1999 1837 Hom Il 20, 34/20, 72/24, 360/24, 457/24, 679, Hom Od 8, 322, h Herm 28/551, Aristoph Ran 1144 1838 Langella 2013, 258 Zu „ἐρι“: Willi 1999, 86–100 1839 Corn Theol Graec 16, 3, Sch Hom Il 20, 72, Anth Gr 6, 28, 7 (röm ), Phot Bibl 144a, Etym m / Steph Byz s v ἐριούνιος Fluchtafeln: TheDeMa 113 (4 Jh   v Chr )/137 (=SEG 40–266, Mitte/ Ende 4 Jh  v Chr )/235 (=SEG 49–320, 4 Jh  v Chr )/300 (=SEG 48–354–356, 375 v Chr ) José Luis García-Ramón schließt eine Verbindung des Namens Ἐρραίνας, der auf der sogenannten Stele der Menandridai in Krannon gefunden wurde, mit dem Beinamen des Hermes aus (García-Ramón 2007, 183–184) 1840 Eust Hom Il 20, 34, Porph quaest Hom Od 8, 32/11, 626/24, 1/24, 10 Die von Aphrodite Avagianou (Avagianou 1997) weiterhin aufgeführten Beispiele für die Verwendung des Beinamens im Grabkontext sind hadrianisch (CIG 2347o) oder später (SEG 33–736)

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Beiname mit „sehr schnell/hurtig rennen“ zu übersetzen1841 Dem ist nicht zuzustimmen, da Avagianou zum Ersten alle Zeugnisse unabhängig von ihrer Entstehungszeit und dem historischen Kontext nebeneinanderstellt Zum Zweiten ist die Vorstellung des Seelengeleits, die ihrem Konzept zu Grunde liegt, erst deutlich später greifbar1842 Zum Dritten umfasst der griechische Terminus diese Bedeutungsebene schlicht nicht Zu Recht weist sie jedoch darauf hin, dass die Schnelligkeit des Gottes immer wieder betont wird, wobei dafür eigene Beiworte wie ὠκύπους (schnellfüßig)1843 verwendet wurden Daher ist das Epitheton Ἐριούνιος mit „der Hilfreiche und Wohltätige“ zu übersetzen Der Beiname wurde auch außerhalb der homerischen Epen für Hermes verwendet, wie eine schlichte Stele aus Pharsalos zeigt1844: „Polyartia (weihte dies) | dem Βρυχάλειος (und) | Ἐριούνιος “

Die Stadt Pharsalos lag an einem infrastrukturellen Knotenpunkt und wurde daher von den Stadtbewohnern, genauso wie von Händlern und Reisenden besucht1845 Da der ursprüngliche Aufstellungsort der Stele ungewiss ist, kann lediglich festgehalten werden, dass es sich um das Weihgeschenk einer Frau namens Polyartia handelt Obwohl der Name des Gottes nicht genannt ist, kann die Weihung aufgrund der Beinamen Hermes zugeordnet werden1846 Die Interpretation als Grabstele ist unwahrscheinlich, da der früheste Beleg für eine Nennung von Hermes auf Grabstelen in Thessalien erst aus dem 4 Jh  v Chr stammt1847 Das ebenfalls genannte Epitheton Βρυχάλειος ist singulär in der Überlieferung und seine Bedeutung nicht abschließend geklärt Wiederum Aphrodite Avagianou schlug eine Ableitung von dem thessalischen Fluss Brychon vor Ein lokaler Bezug im Beinamen war für Hermes nicht ungewöhnlich, wobei mit diesem häufig eine Begebenheit in der mythischen Vergangenheit zusammenhing1848 Daneben brachte Jean-Claude Decourt eine Ableitung von βρυχάομαι (brüllen) in die Diskussion ein Seiner Ansicht nach ist der Beiname eine Reminiszenz an den Rinderdiebstahl im homerischen Hymnos, der sich in Thessalien zugetragen habe und bei dem von brüllenden 1841 Erstmals Avagianou 1997, 209–212, bes 210 („the fast runner“), ähnlich: Reece 2009, 281–299, Reece 1999, 85–106, Bader 1992, 35–86, Mader 1987, 700–701 1842 Hierzu: 2 4 1 1 Mythos 1843 Eur Hel 243 1844 I Thessalien 69 (2 H 5 Jh  v Chr ) Inschrift: „Πολυαρτία | τõ Βρυχαλείο | Ἐριονõ“ Siehe auch: I Erythrai 509 (540/525 v Chr ) 1845 Wagman 2015, 1/11–17 1846 Mili 2015, 177–178, Wagman 2015, 74, Avagianou 1997, 207–213 1847 Biesantz 1965, K 53 Die von Rakatsanis/Tziafalias 1997/2004, Nr 69 (=SEG 55–610, ca 450– 400 v Chr ) vorgeschlagene Inschrift erlaubt keinen Rückschluss auf eine derart frühe Nennung von Hermes Χθόνιος 1848 Avagianou 1997, 207–209 mit Quellenbelegen Siehe auch: Giangrande 2001, 303–305, Dettori 2000, 27–33

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Rindern die Rede sei1849 Beide Bedeutungsvarianten sind für den Hermeskult denkbar und beide nehmen direkten Bezug auf Hermes Wirken in der Landschaft Thessalien im Mythos Daher präsentiert die Stele von Polyartia Hermes als einen wohltätigen und lokal verankerten Gott Darüber hinaus kann sie als persönliche Weihung einer Bürgerin im öffentlichen Raum interpretiert werden Wenn Hermes als Handelsgott verehrt wurde, dann, weil er einerseits als wohlwollender und Reichtum spendender Gott galt, andererseits als Gott der Wege sowie der Reisenden Güter und Menschen beschützte1850 So finden sich die Namen oder Bilder des Gottes auf Stempeln von Transport- oder Aufbewahrungsgegenständen Ein Ziegel von der athenischen Agora trägt ein Graffito, welches den Gott selbst in Ich-Form sprechen lässt und auf ein Kultbild verweist1851 Alle Inschriften, welchen den Gott in Ich-Form sprechen lassen, entstammen dem Bereich der Weihgaben von Einzelpersonen, sodass zu dem Ziegel möglicherweise eine kleine Statuette oder eine Terrakotte gehörte, welche dem Hermes auf der Agora geweiht wurde Weiterhin zeigen Transportamphoren aus Ainos seit dem 5 Jh  v Chr Abbildungen des Gottes, wobei diese ab dem Beginn des 3 Jh  v Chr zunehmen1852 Daneben wurde Hermes als Schützer einer Geschäftsfläche und somit als Gott der Grenzen angerufen Im Türrahmen eines kleinen Ladens in der Attalosstoa auf der Athener Agora war das Relief einer Herme angebracht1853 Ferner ist an der Schwelle beim Eingang zur Westhalle der Agora von Priene ein Hermesgraffito überliefert1854 Hermes sollte hier zum einen die Grenzen der Ladenfläche bewachen und zum anderen dem Ladenbesitzer wirtschaftlichen Erfolg bescheren Die gemeinsame Betrachtung der Beinamen konnte zeigen, dass eine bewusste Unterscheidung zwischen Hermes Funktion als Ἀγοραῖος und als ausschließlich dem Handel zugehörig zu konstatieren ist Der wirtschaftliche Aspekt des Gottes, der im Mythos greifbar ist, findet vergleichsweise spät seinen Eingang in den Hermeskult Die ältesten Zeugnisse für den Hermeskult auf der Agora oder jene Kultbilder, für die ein besonders hohes Alter beansprucht wird, rekurrieren auf den Gott als Bewahrer der Polisordnung1855 Diese politische Funktion von Hermes, die durch die Aufstellung der hipparchischen Hermen in Athen breitenwirksam wurde, war die ursprüngliche Zu dieser trat erst im Laufe der Zeit, deutlich wahrnehmbar am Beginn des 3 Jh  v Chr ,

1849 Vgl Kommentar von Decourt zu I Thessalien 69 (5 Jh v Chr) Siehe auch: Wagman 2015, 74 Anders: Dettori 2000, 27–33, Avagianou 1997, 207–213 1850 Allan 2018, 78 1851 SEG 22–87 (550/525 v Chr ) Inschrift: „hερμ’ εἰ- | μ’ ἄγαλ- | μα“ Siehe auch: Ath Agora 21, G 17, Taf 31 (3 /2 Jh  v Chr ) 1852 SEG 54–627 (5 –3 Jh  v Chr ), Ath Agora 37, 260/276/382/432/516 Siehe auch: Karadima 2004, 155–161, Raingeard 1934, 190–191 1853 Vgl z B Ath Agora 11, 234 (hell ) 1854 I Priene 311 (ohne Datierung) 1855 Rückert 1998, 110

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die merkantile hinzu, welche in der römischen Zeit die bestimmende wurde1856 Doch auch innergriechische Entwicklungen bedingen den Aufstieg von Hermes zu einem Handelsgott: Die zunehmende Größe der Stadtstaaten machte den Handel nötig und beförderte ihn1857 2 6 2 Politik, Handel und Identität Der Besucher der Stadt konnte auf der Agora zahlreiche Weihungen an Hermes sehen, die zur Erinnerung an die gute Amtsführung von Bürgern aufgestellt wurden Dabei nahmen besonders die Hermen eine Schlüsselposition ein, da sie aufgrund ihrer Form als Träger von Inschriften für diese Aufgabe prädestiniert waren1858 Dem Hermeskult auf der Agora kam demnach eine politische Funktion zu Daneben ist die bereits erwähnte wirtschaftliche Ausrichtung für das Verständnis grundlegend Zudem soll danach gefragt werden, ob der Hermeskult für die Identität der Polisbürger eine Rolle spielte 2.6.2.1 Ἀγοραῖος Der Beiname Ἀγοραῖος1859 (der von der Agora) ist der häufigste unter den Kulttiteln des Hermes auf der Agora Für ihn lassen sich zwei Bedeutungsebenen ableiten: Zum einen bezeichneten die antiken Griechen auf diese Weise Gottheiten, die als Schützer der Polisordnung und ihrer Institutionen, welche sich auf der Agora manifestierten, fungierten1860 Zum anderen wies der Beiname Götter als für den Handel und Verkehr zuständig aus Dazu gehörte sowohl der Warentransfer im Sinne der Polisordnung, wie die Einnahme von Steuern und Abgaben, die Qualitätssicherung der Waren, einheitliche Maße und Preisabsprachen, aber auch der persönliche Gewinn der Händler1861 Daher erstreckte sich der Einfluss der so bezeichneten Götter auch auf diejenigen, die etwas verkauften oder kauften Im weiteren Sinne konnten als Ἀγοραῖοι alle göttlichen Wesen bezeichnet werden, welche mit der Örtlichkeit der Agora verknüpft waren und dort verehrt wurden Wichtig zu betonen ist, dass der Beiname tatsächlich nur für die Verehrung auf der Agora benutzt wurde und sich nicht von diesem Ort löste Gottheiten, 1856 Defixiones mit Wirtschaftsflüchen: TheDeMa 1090 (5 /4 Jh   v Chr )/202 (=IG III 3, 87, 4 Jh  v Chr )/965 (=IG III 3, 84, 4 Jh  v Chr )/201 (=IG III 3, 109, 3 Jh  v Chr ) Späteres Beispiel: TheDeMa 474 (2 Jh ) 1857 Vgl McInerney 2010, 178–179 1858 Kron 1976, 233 1859 Aristoph Equ 296–298 mit Sch , [Plut ] Vit X Orat 844b, Corn Theol Graec 16, 14, Paus 1, 15, 1/2, 9, 8/7, 22, 2/9, 17, 2, Lukian Iupp trag 33, Poll 7, 15, Hesych s  v Ἀγοραῖος Die inschriftlichen Zeugnisse werden im Folgenden behandelt 1860 Vgl z B Zeus: Hdt 5, 46, Aischyl Eum 973, Eur Heraclid 70 1861 Parker 2005a, 426

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die den Beinamen Ἀγοραῖος/Ἀγοραῖα trugen, waren Zeus1862, Hermes1863, Aphrodite1864, Artemis1865, Athena1866, Themis1867 und eine Gruppe von mehreren Gottheiten1868 Während Zeus und Athena in der Forschung als Polisgötter par excellence gelten, wurde Hermes oft auf seine Rolle als Gott des Handels und der Reisen reduziert Tatsächlich wurden aber beide skizzierten Bedeutungsebenen des Beinamens Ἀγοραῖος auch für Hermes verwendet: Er war Gott der Versammlung der Bürger und ihrer Magistrate sowie Wächter über den Warenaustausch auf dem Markt Da Hermes Ἀγοραῖος als Vermittler um den sozialen Austausch bemüht war, repräsentierte er das harmonische Zusammenleben in der Stadt1869 Bilder für Hermes Ἀγοραῖος waren im 5 /4 Jh  v Chr häufiger archaische oder archaisierende Bronzehermen, eine einheitliche Ikonographie kann jedoch nicht ausgemacht werden1870 Da aus Athen die meisten Zeugnisse für den Kult des Hermes auf der Agora überliefert sind, steht diese Polis am Anfang dieser Analyse Birgit Rückert hat die Rolle der Hermen in Athen ausführlich untersucht Die Autorin hebt hervor, dass die Hermen auf der Athener Agora ein „Sinnbild der Macht des Staates und der demokratischen Ordnung“1871 gewesen seien Im Folgenden werden Rückerts Aussagen nicht nur überprüft, sondern auch um Aussagen zur Kultpraxis in Athen und anderen griechischen Poleis erweitert In einem Teil der Athener Agora waren so viele Hermen aufgestellt, dass der Ort als „die Hermen“ bezeichnet wurde1872 Dieser Befund wird durch die zahlreichen gefundenen Fragmente von mit Inschriften versehenen Hermen an besagtem Ort bekräftigt1873 „Die Hermen“ sind aber nicht als eine geplante und geordnete Aufstellung zu denken, sondern als ein gewachsenes Gebilde verschiedener Weihungen1874 Da „die Hermen“ in mehreren Quellen als Treff- und Orientierungspunkt auf der Ago1862 Hdt 5, 46, Aischyl Eum 973, Eur Heraclid 70, Paus 3, 11, 9/5, 15, 4/9, 25, 4, Hesych s  v Ἀγοραῖος Ζεύς/Ἀγοραίου Διὸς βωμός 1863 Aristoph Equ 297 mit Sch , Paus 1, 15, 1, Lukian Iupp trag 33 1864 I Kyzikos II, 1 (4 /3 Jh  v Chr ) Siehe auch: Bevilacqua 2009, 235 1865 Paus 5, 15, 4 1866 Paus 3, 11, 9 Dazu: Richer 2007, 238–241 1867 Hesych s  v Ἀγοραῖα Θέμις 1868 Aischyl Ag 90 (Argos), Thuk 6, 54, 6–7, Ath Agora 14, 129 (Athen), Paus 2, 2, 8 (Korinth)/4, 32, 1 (Messene)/7, 22 (Pharai)/8, 19, 1 (Kynaitha)/8, 30–32 (Megalopolis) Dazu: Zunino 1997, 209–214, Martin 1951, 174–194, Picard 1951, 132–142 1869 Allan 2018, 78, Bevilacqua 2009, 235 1870 Laut Albert Schachter und Fabienne Marchand werde Hermes auf der Agora mit Kerykeion in der linken Hand und einem Geldsack in der Rechten dargestellt, was nicht bestätigt werden kann (Schachter/Marchand 2013, 298) Das Kerykeion war ein dauernder Begleiter und der Geldsack ein Attribut des römischen Mercurius (z B LIMC s v Hermes 688/940/941/943b/944b) 1871 Vgl Rückert 1998, 87–111, Zitat: 95 Siehe auch: Rubel 2000, 193–194, Vernant 1965, 150–151, Ath Agora 3 1872 Zum archäologischen Befund: Rückert 1998, 87–89/95–103, Ath Agora 3, 102–108 1873 SEG 34–196 (ohne Datierung), Ath Agora 19, I 7168/7185 (ca 400 v Chr ) 1874 Wrede 1986, 12

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ra benannt werden, hat Uta Kron vorgeschlagen, dass vor der Erbauung des Phylenheroenmonuments an dieser Stelle polisrelevante Informationen veröffentlicht wurden1875 Dies verdeutlicht, wie vertraut der Anblick der Hermen den Bürgern Athens war und wie eng die Götterbilder mit der Polisordnung verbunden wurden Dank der Berichte über den Hermenfrevel ist außerdem bekannt, dass überall auf der Agora einzelne Hermen standen1876 Ab dem 4 Jh  v Chr ist in einigen Zeugnissen zudem von einer Hermesstoa die Rede1877 Es handelt sich dabei um einen viel besuchten Ort der öffentlichen Kommunikation, an dem sich bekannte Personen wie Sokrates aufhielten1878 Ferner fanden sich in der Nähe „der Hermen“ Treffpunkte verschiedener sozialer Gruppen, wie die Demenmänner Davon berichtet Lysias in seiner „Rede gegen Pankleon“ (etwa 380 v Chr )1879: „Darauf antwortete er aber, er sei aus der Gemeinde Dekeleia, und so lud ich ihn vor das dafür zuständige Gericht des Bezirks Hippothontis Dann ging ich zu der Friseurstube bei den Hermen, wo die Leute aus Dekeleia verkehren, und erkundigte mich dort Ich fragte alle Dekeleier, die ich finden konnte, ob sie einen gewissen Pankleon kennen, der aus Dekeleia stamme Keiner sagte, dass er ihn kenne “

Mit der Rede beabsichtigte Lysias zu beweisen, dass Pankleon kein athenischer Bürger war Um Zeugen für seine Klage zu finden, ging er zu einer Friseurstube bei „den Hermen“, in der sich viele Bewohner der Deme Dekeleia aufhielten1880 Der Salon bei den Hermen war demnach ein Treffpunkt der Männer dieser Deme, was auch Angehörigen anderer Demen bekannt gewesen zu sein schien Damit dienten die Hermen einmal mehr als Brücke zwischen Zentrum und Peripherie Der Beiname Ἀγοραῖος taucht sowohl in den literarischen als auch epigraphischen Zeugnissen aus Athen häufig auf So schwört der Würstchenverkäufer Agorakritos in der Komödie „Die Ritter“ (424 v Chr ) von Aristophanes bei Hermes Ἀγοραῖος1881: 1875 Kron 1976, 233–234 Zur Diskussion über die Hermen als Phylenmonument: Rückert 1998, 92–93 1876 Thuk 6, 27, 1–3/6, 53 und 60–61, And 1, 8 Hierzu: 1 1 Die Zerstörung der Ordnung? 1877 Aischin Ctes 183, Demosth or 20, 112 mit Sch , Hegesandros FHG IV, p 415, frg 8, Harpokr / Phot s  v Ἑρμαῖ Inschriften: SEG 26–163 (4 /3 Jh  v Chr )/21–357 (286/261 v Chr )/46–167, Z 44 (282/281 v Chr )/21–435, Z 11 (187/186 v Chr ) Pausanias erwähnt die Hermesstoa nicht (Paus 1, 17, 2) Zur Verortung der Hermesstoa: Robertson 1999, 167–172 (Stoa Basileios=Hermesstoa), Osanna 1999, 491–501, Rückert 1998, 89–90, Wrede 1986, 10–12, Mackenzie Camp II 2014, 99 (Hermesstoa im Hellenismus zum Dank für militärische Erfolge geweiht), Kron 1976, 235 (Hermenstoa 86 v Chr beim Angriff von Sulla zerstört), Wycherley 1957, 102–108 1878 Porph frg 217 (Smith) Siehe auch: Aristoxenos frg 59 (Wehrli) 1879 Lys 23, 2–3 (Übersetzung Huber 2005): „ἐπειδὴ δὲ ἀπεκρίνατο ὅτι Δεκελειόθεν, προσκαλεσάμενος αὐτὸν καὶ πρὸς τοὺς τῇ Ἱπποθωντίδι δικάζοντας, ἐλθὼν ἐπὶ τὸ κουρεῖον τὸ παρὰ τοὺς Ἑρμᾶς, οἷ Δεκελειεῖς προσφοιτῶσιν, ἠρώτων, οὕς τε ἐξευρίσκοιμι Δεκελειέων ἐπυνθανόμην εἴ τινα γιγνώσκοιεν Δεκελειόθεν δημοτευόμενον Παγκλέωνα ἐπειδὴ δὲ οὐδεὶς ἔφασκεν γιγνώσκειν αὐτόν, […] “ 1880 IG II2 1237 (396/395 v Chr ) Erwähnt wird lediglich ein Treffpunkt der Dekeleier, aber nicht die Hermen 1881 Aristoph Equ 296–302 (Übersetzung Rau 2016): „ΠΑΦ· ὁμολογῶ κλέπτειν· σὺ δ᾽ οὐχί  | ΑΛΛ· νὴ τὸν Ἑρμῆν τὸν ἀγοραῖον, κἀπιορκῶ γε βλεπόντων  | ΠΑΦ· ἀλλότρια τοίνυν σοφίζει, | καὶ φανῶ σε

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„PAPH : Stolz bin ich zu stehlen, du nicht  | WUR : Doch, bei Hermes, Gott des Marktes, | Und schwör’s ab, wenn man’s gesehn hat  | PAPH : Schmückst dich da mit fremden Federn, | Und ich meld dich den Prytanen, | Dass du Gedärm, den Göttern heilig, Ohne Zehnten vorenthältst “

Die Komödie thematisiert den zunehmenden Verfall der Demokratie in Athen, für den Staatsmänner verantwortlich seien, welche ihre Ämter nicht korrekt ausführen Paphlagon, der eine Parodie des Kleon ist, behauptet mit Stolz, ein Dieb zu sein, der sich am Gemeingut bereichere1882 Der Würstchenverkäufer beteuert daraufhin, sich ebenso zu verhalten und überdies, wenn er erwischt würde, falsche Schwüre zu leisten1883 Damit wird auf den Meineid angespielt, der einen wichtigen Erzählstrang im homerischen „Hymnos an Hermes“ bildet1884 Wie in der Komödie „Die Acharner“ steht nicht der Warenverkehr im Zentrum, sondern der Vorwurf, Güter an den Feind zu liefern und damit der Bürgergemeinschaft Athens zu schaden1885 Angerufen wird in diesem Fall dezidiert Hermes Ἀγοραῖος, der Schutzgott der korrekten politischen und wirtschaftlichen Abläufe auf der Agora, wodurch die Kritik am Amtsmissbrauch noch verstärkt wird Ferner darf die Stelle nicht als Beleg für eine tatsächliche kultische Verehrung von Hermes als einem Gott der Diebe missverstanden werden Dieser Charakterzug ist zwar in den Mythen präsent, findet aber keinen Niederschlag im Hermeskult auf der Agora1886 Aristophanes nimmt Bezug auf das Kultbild des Hermes Ἀγοραῖος Mehrere Quellen berichten übereinstimmend, dass ein Bronzebildnis inmitten der athenischen Agora neben der Stoa Poikile gestanden habe, welches heute verloren ist1887 Dieses sei im Archontat des Kebris am Anfang des 5 Jh  v Chr errichtet worden1888 Robert Parker nimmt an, dass Hermes schon vorher als Gott der Agora verehrt worden sei1889 Laut Pausanias habe sich das Bild in der Nähe eines Tores befunden, welches Siegeszeichen der Athener zeigte1890 Die bauliche Ausgestaltung der Agora sollte den Bürgern und Besuchern die Macht Athens vor Augen führen, in deren Zentrum das Bronzebild des Hermes stand Dementsprechend bezeichnete der Beiname sowohl die örtliche Gebundenheit als auch die Übersicht über die Institutionen der Polis sowie des Han-

1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890

τοῖς πρυτάνεσιν |ἀδεκατεύτους τῶν θεῶν ἱε- | ρὰς ἔχοντα κοιλίας “ Siehe auch: Sch Aristoph Equ 296–298 Zum Namen Agorakritos: Kanavou 2011, 49–52 Vgl Allan 2018, 69, Kanavou 2011, 52–55 Hierzu: 2 6 3 1 Vermittler des Rechts und Schwurgott Anth Gr 9, 317 (3 Jh  v Chr ) Aristoph Ach 736–749/816–827 In einem wahrscheinlich römischen Epigramm wird Hermes als Dieb angerufen: Epigr Gr 1108 Aristoph Equ 297 mit Sch , Lukian Iupp trag 33 mit Sch Hesych s  v Ἀγοραῖος Ἑρμῆς Dazu: Flashar/Schubert 2018, 25–28, Osanna 1992, 221, Rückert 1998, 105 mit älterer Literatur Parker 1996, 81 Paus 1, 15, 1

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dels Das Kultbild von Hermes Ἀγοραῖος in Athen wurde oft kopiert, wie der spöttische Kommentar bei Lukian, dass die Statue voller Pech sei, nahelegt1891 Zu dem Kultbild gehörte ein Altar, den Kallistratos um 480 v Chr weihte1892 Möglicherweise ist dieser mit einem gefundenen kleinen Marmoraltar, der auf seiner Vorderseite Hermes Κριοφόρος zeigt, identisch1893 Nicht überliefert ist eine Beschreibung der Kulthandlungen und anhand der Weihgaben lässt sich nur ein sehr lückenhaftes Bild zeichnen Erhalten sind Kleinfunde, wie Vasenfragmente oder Ziegel, welche mit Hilfe von Graffiti als dem Hermes geweiht gekennzeichnet wurden1894 Auf dem Altar könnten von den Magistraten und Marktteilnehmenden Kuchen und andere regelmäßige vegetarische Opfer niedergelegt oder Libationen ausgegossen worden sein Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass aufgrund der zentralen Aufstellung des Altars die städtischen Magistrate und Priester hier ihre Opfer darbrachten So wurde das Götterbild mit einiger Sicherheit regelmäßig bekränzt und Hermes erhielt Tieropfer wie Widder, Ziegen oder Ferkel – eine Vermutung, die durch die Festkalender für die Demen unterstützt wird Für die meisten griechischen Poleis ist von einer größeren Zahl von Hermesbildern auf der Agora auszugehen Ähnlich wie in Athen fungierten sie als Götterbilder sowie als Symbole der Polis und deren Institutionen1895 Bei Pausanias ist von weiteren Statuen explizit des Hermes Ἀγοραῖος in Pharai, Sikyon, Sparta und Theben die Rede1896 Zu ergänzen sind vermutlich Götterbilder in Methana und Korinth Durch inschriftliche Zeugnisse kann die Aufzählung noch um die Poleis Erythrai, Abdera und Imbros ergänzt werden Zu den frühen und wenigen genauer datierbaren Zeugnissen gehört eine auf der Agora von Abdera gefundene Basis aus thasischem Marmor, die in die Mitte des 5 Jh  v Chr datiert Die stark fragmentierte Inschrift enthielt in der ersten Zeile zwei Götternamen, von denen nur noch Hermes Ἀγοραῖος ergänzt werden kann1897 In den weiteren drei Zeilen sind die Namen der Amtsträger aufgezählt Demnach ist in der thrakischen Küstenstadt ein Kult für Hermes Ἀγοραῖος wie in Athen bereits im 5 Jh  v Chr belegt Die Inschrift erlaubt jedoch keine Aussagen zu den Kultpraktiken

1891 1892 1893 1894

Lukian Iupp trag 33 [Plut ] Vit X Orat 844b Dazu: Osanna 1992, 221 Vgl LIMC s v Hermes 289 (Ende 5 Jh  v Chr ) Dazu: Rückert 1998, 106–107 SEG 22–87 (550/525 v Chr )/35–35 (520–480 v Chr , „ΕΠΟΝΑΣΟΣ ΗΕΡΜΕΙ“), Ath Agora 21, G 1 (Keramik: 550–525  v Chr , Inschrift: 3 V 4 Jh   v Chr ,)/G 17 (3 /2 Jh   v Chr , „Ἀγορ]αίου ⋮ Ἑρμοῦ“) 1895 Wrede 1986, 12 1896 Paus 1, 15, 1 (Athen)/2, 9, 8 (Sikyon)/3, 11, 11 (Sparta)/7, 22, 2 (Pharai)/9, 17, 2 (Theben) 1897 I Thrac Aeg E 13 (ca 450 v Chr ) Siehe auch: BMC Thrace 71/75/230

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Hermes Ἀγοραῖος wurde als Vermittler wahrgenommen und diese Eigenschaft drückt sich besonders in der Rolle des Götterboten aus1898 Auf diese wird bei einer Weihung zweier Brüder aus Imbros aus dem 4 Jh  v Chr Bezug genommen1899: „Dem Boten der Unsterblichen, Hermes Agoraios, stellten mich auf, | Dir, Herr, als Geschenk, zum Schmuck aber sich selbst errichtend, | die leiblichen Kinder des Vaters Agasippos  | Agasikrates (aus dem Demos) Euonymon und Agasikles, (aus dem Demos) Euonymon “

Die Inschrift ist auf einer Basis mit Einlassungen angebracht, bei der nicht mehr zu bestimmen ist, ob sie eine Herme oder ein anderes Denkmal trug1900 Während die erste Zeile den Gott in Ich-Form referieren lässt, sind im restlichen Teil die Weihenden selbst die Sprecher Der Gott wird mit drei Beinamen näher bestimmt Zum Ersten wird er als Bote der Götter (Κῆρυξ Ἀθανάτων) bezeichnet, was auf die Magistratur der Brüder verweisen könnte Sie waren mutmaßlich städtische Herolde, die nach einer erfolgreichen Mission an ihren Schutzgott weihten Zum Zweiten erhielt er den Beinamen Ἀγοραῖος, wodurch einerseits auf die Lokalität der Weihung Bezug genommen und Hermes anderseits als politischer Gott angerufen wurde Zum Dritten wurde er als Herr (Ἄναξ) angesprochen, was eine archaisierende und an die homerischen Epen erinnernde allgemeine Ehrenbezeichnung für Götter war In der näheren Umgebung wurden weitere Weihungen an Hermes gefunden, die ebenfalls aus dem 4 Jh  v Chr stammen1901 Zwar tragen diese nur den Namen der Weihenden und des Gottes, wurden aber sehr wahrscheinlich ebenfalls von gewesenen Amtsträgern aufgestellt Entsprechend waren auf der Agora von Imbros, ähnlich wie in Athen, mehrere Hermen von verschiedenen Stiftern in unmittelbarer Nähe zueinander errichtet1902 Den Ausführungen Herodots zufolge gehörte Hermes auf der Insel Imbros zu den alten Göttern, da die ursprünglichen Bewohner der Insel Pelasger gewesen seien, welche die Hermen erfunden hätten1903 Dies spiegelt sich auch in der städtischen Münzprägung wider1904 Der spätantike Grammatiker Stephanos von Byzanz bezeichnete die Insel als dem Hermes und den Kabiren heilig1905

1898 Bevilacqua 2009, 235 1899 IG XII 8, 67 (4 Jh  v Chr ) Inschrift: „[κ]ήρυκι ἀθανάτων Ἑρμῆι στῆσάμ με Ἀγοραίωι, | [σοὶ] μέν, ἄναξ, δῶρον, κόσμον δὲ αὐτοῖσι τιθέντες | [αὐτ]οκασίγνητοι παῖδες πατρὸς ἐξ Ἀγασίππου  | [Ἀ]γασικράτης : Εὐωνυ(μεύς) : Ἀγασικλῆς : Εὐωνυ(μεύς) “ Siehe auch: TAM II 1185 (4 /3 Jh  v Chr ), SEG 4–35 (ca 300 v Chr ) 1900 Löhr 2000, 102 1901 IG XII 8, 68–70 (4 Jh  v Chr ) 1902 Vgl Raingeard 1934, 209–210 1903 Hdt 2, 51 Dazu: Löhr 2000, 102, Leue 1925, 367–368 1904 Vgl Gorini 1998, 295–300 1905 Steph Byz s v Ἴμβρος Dazu: Bremmer 2014, 37–48 Hierzu: 2 4 3 Feste in der Polis

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Ebenfalls auf seine Rolle als Götterbote nimmt das ungewöhnliche Kultbild des Hermes Ἀγοραῖος in Sparta Bezug Pausanias beschreibt die Agora ausführlich1906: „[…] Die Spartaner haben auf dem Markt Standbilder des Apollon Pythaeus und der Artemis und der Leto […] Nicht weit davon ist ein Heiligtum der Ge und des Zeus Agoraios, dann der Athena Agoraia und des Poseidon, den sie Asphalios benennen, und wiederum des Apollon und der Hera Auch eine große Statue des Demos der Lakedaimonier steht dort […] Es sind da auch ein Hermes Agoraios, der den kleinen Dionysos trägt, und die sogenannten alten Ephorenamtshäuser […] “

Alle Heiligtümer auf der Agora von Sparta waren aufs Engste verwoben mit der Polisordnung, sei es durch die Mythen oder durch Magistraturen Zum einen wurden die Sieghaftigkeit und der Erfolg der Spartaner betont, wie durch das Bild für Poseidon Asphaleios (den Befestiger und Sicherer)1907 Zum anderen wurden Polisgottheiten, wie Zeus Agoraios, Athena Agoraia, der vergöttlichte Demos und Hermes Ἀγοραῖος verehrt Die Rolle des Hermes in dieser mit Bedeutung aufgeladenen Kultlandschaft auf die Aufsicht über den Handel zu reduzieren, würde der Quellenlage nicht gerecht Aufschluss darüber, wie der Gott in Sparta wahrgenommen wurde, kann die Form des Kultbilds geben Die Statue zeigt Hermes, wie er den Dionysosknaben trägt1908 Eine vergleichbare Darstellung wurde von Praxiteles angefertigt und stand zur Zeit des Pausanias im Heraion von Olympia1909 Als Retter der göttlichen und heroischen Kinder trat Hermes als Schützer der olympischen Ordnung und des Rechts in Erscheinung1910 Im Auftrag von Zeus befreite er die Kinder aus lebensbedrohlichen Lagen und brachte sie an einen sicheren Ort, damit sie zu gegebener Zeit als rechtmäßige Herrscher eingesetzt werden konnten Diese Interpretation wird noch dadurch unterstrichen, dass sich auch das Grab von Orestes auf der Agora befand1911 Wie Annette Hupfloher betont, ehrten die Spartaner nicht den Muttermörder Orestes, sondern den siegreichen 1906 Paus 3, 11, 9–11 (Übersetzung nach Meyer 2001): „[…] Σπαρτιάταις δὲ ἐπὶ τῆς ἀγορᾶς Πυθαέως τέ ἐστιν καὶ Ἀπόλλωνος καὶ Ἀρτέμιδος καὶ Λητοῦς ἀγάλματα […] τούτων δὲ οὐ πόρρω Γῆς ἱερὸν καὶ Διός ἐστιν Ἀγοραίου, τὸ δὲ Ἀθηνᾶς Ἀγοραίας καὶ Ποσειδῶνος ὃν ἐπονομάζουσιν Ἀσφάλιον, καὶ Ἀπόλλωνος αὖθις καὶ Ἥρας ἀνάκειται δὲ καὶ Δήμου τοῦ Σπαρτιατῶν ἀνδριὰς μεγέθει μέγας […] ἔστι δὲ καὶ Ἑρμῆς Ἀγοραῖος Διόνυσον φέρων παῖδα, καὶ τὰ ἀρχαῖα καλούμενα Ἐφορεῖα, […] “ 1907 Frateantonio 2009, 245–258 1908 Apoll Rhod 4, 1134–1137, Paus 3, 18, 11 1909 Arch Mus Olympia, keine Inv -Nr (ca 340  v Chr ), Paus 5, 17, 3 Dazu: Stewart 2011, Pasquier 2001, Habicht 1995, 117, Raingeard 1934, 63–64 1910 Vgl z B Kastor und Polydeukes (Apoll Rhod 2, 163, Paus 3, 26, 2), Dionysos [Apoll Rhod 4, 1134–1137, BMC Lydia 198, 66, 205, 97, Larson 2001, 93–94 Auf dem Thron des Apollon Amyklaios ist Hermes gezeigt, wie dieser den Dionysosknaben in den Olymp geleitet (Paus 3, 18, 11)], Ion (Eur Ion, Lefkowitz 2016, 102–109), Asklepios (Paus 2, 26, 3–7, bes 6), Nisos (Aischyl Choeph 613–622), Arkas (Paus 8, 3, 6) In diesen Zusammenhang gehört auch das Schicksal der thebanischen Heroine, deren sterbliche Überreste auf Befehl von Hermes in den Fluss geworfen werden [Eur frg 179–227 (Radt), Kühr 2006, 123/204] Zu bildlichen Quellen: LIMC s v Hermes 367– 396 1911 Hierzu: 2 4 1 2 2 „der Erde/dem Erdboden zugehörig“

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

König der Frühzeit1912 Außerdem legt die Aufstellung der Statue bei den alten Ephorenamtshäusern nahe, dass diese Magistrate, die mit einem Teil der Rechtsprechung betraut waren, sich dem Hermes verbunden fühlten1913 Daher ist der Beiname als Angabe der Örtlichkeit und als Charakterisierung von Hermes als Schützer der Polisordnung und ihrer Institutionen zu deuten Folgt man der Beschreibung des Pausanias weiter, gab es auch in Theben ein Bild des Hermes Ἀγοραῖος1914: „In der Nähe ist ein Tempel der Artemis Eukleia; das Kultbild ein Werk des Skopas […] Vor dem Tempel der Artemis Eukleia steht ein Löwe, aus Stein gemacht, und Herakles soll ihn geweiht haben, als er die Orchomenier und ihren König Erginos, den Sohn des Klymenos, in der Schlacht besiegt hatte In der Nähe steht ein Apollon mit Beinamen Boëdromios und ein Ἀγοραῖος genannter Hermes, auch dieser ein Weihgeschenk Pindars […] “

Bisher ist die Verortung des Heiligtums der Artemis Eukleia (die Ruhmvolle) in Theben nicht gelungen1915 Mehrere antike Quellen deuten aber daraufhin, dass es sich in der Nähe der Agora befand1916 So berichtet Plutarch, dass es einen Altar der Artemis Eukleia auf jeder Agora in den boiotischen Poleis gegeben habe1917 Ebenfalls für diese Verortung spricht das Heiligtum der Eukleia, welches die Athener zum Dank für den Sieg bei Marathon auf ihrer Agora errichteten1918 Schließlich verweist der Beiname Ἀγοραῖος auf den Ort der Aufstellung Gleichzeitig kann aus dem Kultkontext auf eine Verbindung des Hermes zu militärischen Konflikten geschlossen werden, denn Hermes wurde gemeinsam mit Apollon Boëdromios (der Schlachtenhelfer) und Artemis Eukleia verehrt Die Kultgemeinschaft von Artemis und Hermes im militärischen Kontext ist zum Beispiel auch auf Paros belegt1919 Weiter gibt Pausanias an, dass es sich bei dem Hermes Ἀγοραῖος in Theben um ein Geschenk des Dichters Pindar gehandelt habe, der als Sohn der Polis Theben galt1920 Demnach handelte es sich wie bei allen bisher behandelten Beispielen um die Weihung eines einzelnen oder mehrerer Bürger, die sich um die Polis verdient gemacht hatten und in Erinnerung daran ein Kultbild für Hermes Ἀγοραῖος aufstellen ließen 1912 Hupfloher 2000, 75–76 1913 Hierzu: 2 6 3 2 Persönliche Verfluchungen 1914 Paus 9, 17, 1–2 (Übersetzung Meyer 2001): „πλησίον δὲ Ἀρτέμιδος ναός ἐστιν Εὐκλείας· Σκόπα δὲ τὸ ἄγαλμα ἔργον […] τοῦ ναοῦ δὲ τῆς Εὐκλείας Ἀρτέμιδος λέων ἐστὶν ἔμπροσθε λίθου πεποιημένος· ἀναθεῖναι δὲ ἐλέγετο Ἡρακλῆς Ὀρχομενίους καὶ τὸν βασιλέα αὐτῶν Ἐργῖνον τὸν Κλυμένου νικήσας τῇ μάχῃ πλησίον δὲ Ἀπόλλων τέ ἐστιν ἐπίκλησιν Βοηδρόμιος καὶ Ἀγοραῖος Ἑρμῆς καλούμενος, Πινδάρου καὶ τοῦτο ἀνάθημα […] “ Siehe auch: Dion Chrys 7, 120–121 1915 Vgl Symeonoglou 1985, 135–136 1916 Soph Oid T 160–161 1917 Plut Aristides 20 1918 Paus 1, 14, 5 1919 IG XII 5, 220 (3 Jh  v Chr ) Hierzu: 2 1 1 3 1 Strategen und Phylarchen 1920 Pindar habe außerdem eine Statue des Ammon und der Mutter Dindymene in deren Heiligtümern errichten lassen (Paus 9, 16, 1/9, 25, 3)

2 6 Asty: Agorai

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Außerdem ist durch ein Fragment des Historikers Armenidas (5 Jh  v Chr ) bekannt, dass es auf der Agora von Theben, wie in Athen, einen Ort namens „die Hermen“ gab, an dem mehrere Hermen verdienter Amtsträger standen1921 Der von Pausanias beschriebene Hermes Ἀγοραῖος könnte demgemäß eine Herme gewesen sein, die zu dieser Gruppe gehörte In Korinth sah Pausanias zwei Kultbilder des Hermes aus Bronze Während das eine, wie mehrere Hermesbilder, im Freien stand, war das andere in einem Naos untergebracht1922 Wie dieser Naos einst ausgesehen hat, kann aufgrund der schlechten Erhaltung der archaischen und klassischen Überreste nach der Zerstörung Korinths 147 v Chr nicht mehr bestimmt werden Für keines der Bilder ist ein Beiname überliefert, jedoch spricht die von Pausanias in der Umgebung beschriebene Kultgemeinschaft für eine Interpretation wenigstens eines der Bilder als eines für Hermes Ἀγοραῖος Im Vergleich mit den behandelten Beispielen scheint das Bild im Freien dafür eher in Frage zu kommen Das andere Götterbild könnte eine Statue gewesen sein, wie sie auf einer Münze des Commodus abgebildet ist1923 Für die östliche Peloponnes sind gleich mehrere Belege für den Kult von Hermes Ἀγοραῖος überliefert Laut Pausanias habe es auf der Agora von Sikyon im Freien Bronzestatuen einer Gruppe weiblicher Heroinen, von Herakles und Hermes gegeben, wobei Hermes den Beinamen Ἀγοραῖος trug1924 Auffällig ist, dass Hermes nicht in Verbindung mit anderen Agoragöttern, sondern mit dem Heros genannt wird Dies ist jedoch auch für andere Agorai in dieser Region zu beobachten So standen in Methana auf dem Markt zwei Statuen des Hermes und Herakles in Hermenform1925 Die beiden wurden demnach in der östlichen Peloponnes nicht nur im Gymnasion, sondern auch auf den Agorai der Poleis gemeinsam verehrt Eine mögliche Erklärung dafür wird im weiteren Verlauf des Kapitels dargelegt1926 Spätestens im 3 Jh   v Chr ist ein Bedeutungswandel der Aufgaben des Gottes Hermes zu konstatieren Die Sorge für die richtige Amtsführung tritt zugunsten seiner Aufmerksamkeit für die wirtschaftliche Potenz der Polis und von Einzelpersonen in den Hintergrund, wie eine Verkaufsliste städtischer Priesterämter aus Erythrai zeigt1927 Die Liste ist chronologisch nach dem Zeitpunkt des Ankaufs geordnet und enthält Angaben über den Verkaufspreis (πρᾶσις) Da der Kauf von Priesterämtern eine wichtige Einnahmequelle von Poleis bildete, ist es verständlich, dass deren Ablauf genau geregelt war und für den Fall, dass der Kauf nicht zustande kam, Vorkehrungen getroffen wurden Der Interessent musste einen Bürgen (ἐγγυητής) für die zu 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927

Armenidas FGrH 378 F 6 Dazu: Schachter 1986, 50 Paus 2, 2, 8 Siehe auch: Raingeard 1934, 93–96 BMC Korinth 76–77 Paus 2, 9, 7–8 Dazu: Frateantonio 2009, 193–202, Raingeard 1934, 72–73 Paus 2, 34, 1 Dazu: Raingeard 1934, 91 Hierzu: 2 6 2 3 Polyfunktionalität I Erythrai 201 (300–260 v Chr ) Siehe auch: I Erythrai 207 (1 H 2 Jh  v Chr )

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entrichtende Summe benennen Außerdem musste eine zusätzliche Steuer (ἐπώνιον) gezahlt werden Weiterhin sind in der Liste die Preise für den Erwerb des Amtes aus zweiter Hand (ἐπίπρασις) und die dafür zu leistenden Steuern festgelegt Bei erblichen Priesterämtern war bei einer Amtsübergabe ebenfalls eine Gebühr (διασύστασις) an die Stadt fällig Im Zeitraum, welcher durch die Inschrift abgebildet wird, wurde ein Priesteramt des Hermes Ἀγοραῖος und eines von Hermes Πύλιος Ἁρματεύς verkauft, wobei keines der beiden erblich war Aus den Regelungen geht nicht hervor, ob die Priesterämter nur für eine befristete Zeit oder auf Lebenszeit verkauft wurden Das Priesteramt für Hermes Ἀγοραῖος war mit 4610 Drachmen als Grundpreis, 4600 Drachmen beim Wiederverkauf und vierzig Drachmen Steuern mit Abstand das kostspieligste Gefolgt wurde es von jenem für Aphrodite Daphnaia mit 3000 Drachmen Wiederverkaufswert1928 Bei der angegebenen Summe im Falle eines Wiederverkaufs handelt es sich jedoch lediglich um den Preis, den der zweite Käufer an die Stadt zu entrichten hatte Zusätzlich musste dieser dem Erstkäufer mindestens die Kosten erstatten, wenn nicht sogar einen höheren Betrag als Ablöse bezahlen und zusätzlich die städtischen Gebühren übernehmen Daher muss der tatsächliche finanzielle Aufwand deutlich höher gewesen sein Als Käufer des Priestertums von Hermes Ἀγοραῖος wird Molion, Sohn von Dionysios, und als Bürge Aratos aufgeführt1929 Aus unbekannten Gründen kam der Bürge seiner Pflicht nicht nach, sodass in einem späteren Abschnitt nochmals der Verkauf an Molion mit dem Bürgen Phanopolis festgehalten wurde1930 Über die Aufgaben des Hermespriesters in Erythrai ist nichts bekannt Vergleiche mit anderen sakralen Ämtern für Hermes legen aber die Vermutung nahe, dass der Priester die städtischen Opfer an Hermes Ἀγοραῖος durchzuführen hatte Ferner unterstützte er sehr wahrscheinlich Einzelpersonen bei ihren Opferhandlungen und war mit der regelmäßigen Bekränzung der Hermesbilder auf der Agora betraut Darüber hinaus hatte der Priester wohl Anteil an den Markteinnahmen, denn nur so lässt sich der immense Kaufpreis für das Amt erklären Fritz Graf wies darauf hin, dass nicht nur die in barer Münze gezahlten Anteile am Marktumsatz die Lukrativität ausmachten: „[F]inanziell weit ergiebiger waren jene vielen Opfer, die den Lauf des kommerziellen Lebens begleiteten, von Einzelnen bei Vertragsabschlüssen, nach Erfolgen, unerwarteter Rettung oder unverhofftem Gewinn, von verschiedenen, dem Marktleben nahestehenden Körperschaften bei ihren Veranstaltungen dargebracht wurden “1931 Dafür spricht auch die späthellenistische Weihung des Xenokrates aus Erythrai, der mögli-

1928 I Erythrai 201, Teil A, Z 11 (300–260 v Chr ) 1929 I Erythrai 201, Teil A, Z 59–60 (300–260  v Chr ) Inschrift: „Ἑρμοῦ  | Ἀγοραίου· ΧΧΧΧ�ΗΔ, ἐπώνιον | ΔΔΔΔ· Μολίω[ν Δι]ονυσίου, ἐγγυ | ητὴς Ἄρατος Μητροδώρου·“ 1930 Vgl I Erythrai 201, Z 68–70 (300–260 v Chr ) Inschrift: „Ἑρμοῦ | Ἀγοραίου· ΧΧΧΧ�Η, ἐπώνιον | ΔΔΔΔ· Μολίων Διονυσίου, ἐγγυ- | ητὴς Φανόπολις Μενεκλείους·” 1931 Graf 1985, 270

2 6 Asty: Agorai

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cherweise ein Priester des Hermes war Er weihte ein Hermesbild und eine Waage mit Gewichten zur öffentlichen Benutzung1932 Eine genaue Beschreibung der Kulthandlungen an einem Bild des Hermes Ἀγοραῖος ist für Pharai in Achaia überliefert1933 Daneben habe es laut Pausanias in Pharai eine heilige Quelle gegeben, die nach Hermes benannt war und deren Fische nicht gefangen oder verzehrt werden durften1934 Schon der Stadtgründer Pharis wurde als ein Sohn von Hermes und der Danaidin Phylodameia bezeichnet1935 Diese Erzählung war nach Pausanias zwar eine messenische, Hermes galt aber als Gründer beider Städte in Messenien und Achaia1936 Durch diese konkurrierenden Gründungsmythen wird die Weihinschrift der Herme auf der Agora des achaischen Pharai, die Simylos aus Messenien als Stifter benennt, verständlich1937 Ausführlich berichtet der Perieget von der altertümlichen Agora der Stadt, auf der anikonische Kultstatuen von dreißig Göttern gestanden haben sollen Die Zahl verwundert, da sonst entweder die zwölf Olympier oder alle Götter gemeinsam verehrt wurden1938 Darum hat Kendrick Pritchett vorgeschlagen, dass die Bilder das Pantheon von Pharai darstellten, zu dem Hermes gehörte1939 Das besondere Alter der Stadt wird auch in anderen Quellen hervorgehoben, beispielsweise wenn Herodot Pharai als einen der zwölf ursprünglichen Distrikte (μέρος) von Achaia bezeichnet1940 In diesem Zusammenhang geht Pausanias auf die Riten für Hermes Ἀγοραῖος ein, die bis in seine Zeit praktiziert worden seien1941: 1932 I Erythrai 104, Z 4–5 (späthell ) Inschrift: „[…] τὸν Ἑρμῆν καὶ τὸ ζυγὸν καὶ | τὰ στάθμια τῶι Δήμωι “ 1933 Hansen/Nielsen 2004, 485, Raingeard 1934, 69–70, RE s v Phara/Pharai Weitere Poleis mit Hermesverehrung in Achaia: Dyme [GDI II 1618 (ohne Datierung)], Patrai [Paus 7, 20, 4, BMC Pelop 29, JHS 7 (1886), 86], Pellene (Paus 7, 27, 1/7, 27, 4, Sch Pind O 7, 156/9, 146/13, 155, Sch Pind N 10, 82, Sch Aristoph Av 1421, Phot s  v Πελληνικαὶ χλαῖναι) Siehe auch: Raingeard 1934, 68–73 1934 Paus 7, 22, 4 Dazu: Horster 2004, 107–108 1935 Paus 4, 30, 2/7, 22, 5, Sch Soph Oid T 485 1936 Laut Paula Philippson hätten die besonderen Riten für Hermes in Pharai Auswirkungen bis in die namensähnliche thessalische Polis Pherai gehabt (Philippson 1944, 86–87) Zu den Funden in Pherai: Miller 1974, 231–256 1937 Paus 7, 22, 2 1938 Zum Zwölf-Götter-Altar: Paus 8, 25, 3–4 (Thelpousa)/1, 40, 3 (Statuen aller Götter in Megara); zu Altären für alle Götter: Paus 5, 14, 8 (Olympia)/2, 2, 8 (Korinth)/2, 25,6 (Orneia)/3, 22, 8 (Marias)/8, 37, 10 (Akakesion)/4, 32, 1 (Messene) 1939 Gaifman 2010, 73–74, Pritchett 1998, 130 1940 Hdt 1, 145 1941 Paus 7, 22, 2–3 (Übersetzung Meyer 2001): „περίβολος δὲ ἀγορᾶς μέγας κατὰ τρόπον τὸν ἀρχαιότερόν ἐστιν ἐν Φαραῖς, Ἑρμοῦ δὲ ἐν μέσῃ τῇ ἀγορᾷ λίθου πεποιημένον ἄγαλμα ἔχον καὶ γένεια· ἑστηκὼς δὲ πρὸς αὐτῇ τῇ γῇ παρέχεται μὲν τὸ τετράγωνον σχῆμα, μεγέθει δέ ἐστιν οὐ μέγας καὶ αὐτῷ καὶ ἐπίγραμμα ἔπεστιν, ἀναθεῖναι αὐτὸ Μεσσήνιον Σιμύλον· καλεῖται μὲν δὴ Ἀγοραῖος, παρὰ δὲ αὐτῷ καὶ χρηστήριον καθέστηκε κεῖται δὲ πρὸ τοῦ ἀγάλματος ἑστία, λίθου καὶ αὐτή, μολίβδῳ δὲ πρὸς τὴν ἑστίαν προσέχονται λύχνοι χαλκοῖ ἀφικόμενος οὖν περὶ ἑσπέραν ὁ τῷ θεῷ χρώμενος λιβανωτόν τε ἐπὶ τῆς ἑστίας θυμιᾷ καὶ ἐμπλήσας τοὺς λύχνους ἐλαίου καὶ ἐξάψας τίθησιν ἐπὶ τὸν βωμὸν τοῦ ἀγάλματος ἐν δεξιᾷ νόμισμα ἐπιχώριον – καλεῖται δὲ χαλκοῦς τὸ νόμισμα – καὶ ἐρωτᾷ πρὸς τὸ οὖς τὸν θεὸν ὁποῖόν τι καὶ ἑκάστῳ τὸ ἐρώτημά ἐστι τὸ ἀπὸ τούτου δὲ ἄπεισιν ἐκ τῆς ἀγορᾶς ἐπιφραξάμενος τὰ ὦτα·

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„Ein großer Marktplatz nach der älteren Weise ist in Pharai, und mitten auf dem Markt ist ein Marmorbild des Hermes aufgestellt, der auch einen Bart trägt Er steht unmittelbar auf der Erde und hat viereckige Form und ist nicht groß Daran ist auch eine Inschrift, dass der Messenier Simylos es geweiht habe Er heißt Agoraios, und bei ihm besteht auch ein Orakel Vor dem Standbild steht ein Herd, ebenfalls aus Marmor, und an dem Herd sind mit Blei bronzene Lampen befestigt Wer nun den Gott befragen will, kommt am Abend und zündet Weihrauch auf dem Herd an, füllt die Lampe mit Öl und zündet sie an, legt auf den Altar zur Rechten des Bildes eine einheimische Münze, die Chalkous heißt, und fragt den Gott ins Ohr, was eben jeder für eine Frage hat Dann geht er vom Markt fort, wobei er sich die Ohren zuhält, erst wenn er außerhalb des Marktes angekommen ist, nimmt er die Hände von den Ohren, und welche Stimme er dann hört, hält er für das Orakel “

In Pharai umfasste der Beiname Ἀγοραῖος sowohl den örtlichen Bezug zur Agora als auch die politische Funktion des Gottes Daneben wurden durch die an den Gott gestellten Fragen weitere Bedeutungsebenen eröffnet, sodass der Orakel gebende Hermes die sonstigen Einflussbereiche des Gottes auf der Agora bei weitem überstieg Das Aussehen des Kultbilds entspricht dem einer archaischen Herme mit Bart und viereckiger Grundform Diese von Pausanias als normal und unauffällig charakterisierte Herme fungierte als Orakelstätte Bei einem Gott, der schon in den frühen Texten immer wieder als Menschenfreund und Begleiter der Menschen charakterisiert wird, verwundert es nicht, dass ihm die Fähigkeit zur Weissagung zugesprochen wurde Im homerischen „Hymnos an Hermes“ erbittet sich der Gott die Sehergabe von seinem Bruder Apollon Der Wunsch wird ihm mit Einschränkungen gewährt, sodass Hermes am Ende das so genannte Bienenorakel erhält1942 Athanasios Vergados arbeitete heraus, dass die Bienen und die Pythia in Delphi als Medien einige Gemeinsamkeiten aufwiesen Beide funktionierten beispielweise nur, wenn die Medien inspiriert waren1943 Der Unterschied in den Orakeln bestand weniger in deren Heiligkeit oder Einfluss, sondern vielmehr in dem Charakter der Götter Wie Kai Trampedach treffend formuliert hat, ist das vom Dichter des Hymnos unterstellte Selbstverständnis Apollons ein anderes als das von Hermes: „Sein [Apollons] Umgang mit den Menschen verrät, zurückhaltend formuliert, Elemente der Willkür, die aus dem Vollgefühl unbedingt überlegener Macht hervorzugehen scheinen “1944 Für Hermes hingegen sind προελθὼν δὲ ἐς τὸ ἐκτὸς τὰς χεῖρας ἀπέσχεν ἀπὸ τῶν ὤτων, καὶ ἧστινος ἂν ἐπακούσῃ φωνῆς, μάντευμα ἡγεῖται “ Siehe auch: Kall Iamb 7 [=Kall frg 197 (Trypanis)] 1942 h Herm 552–566 Dazu: Allan 2018, 29–30/44/46, Vergados 2013, 566–576 mit älterer Literatur, Adorjáni 2012, Jaillard 2007a, 200–204, Doty 1997, 44 1943 Vergados 2013, 560 Jennifer Larson ist der Hinweis zu verdanken, dass es sich bei den Nymphen nicht um die am Parnassos, die Apollon aufgezogen haben sollen (Philoch FGrH 328 F 195, Pherec FGrH 3 F 48, Kall h 2, 45 mit Sch , Steph Byz s v Θρία, Suda/Hesych /Etym m s  v θριαί), sondern um die Korykischen handele, deren Höhle sich in der Nähe von Delphi befand (Larson 2001, 12) 1944 Trampedach 2015, 411 Siehe auch: Lefkowitz 2016, 99–127

2 6 Asty: Agorai

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solche Elemente nicht bezeugt Im Gegenteil, er galt als freundlicher Gott, der den Menschen gerne nützliche Ratschläge gab1945 Deshalb kann Hermes die Fähigkeit, das Bienenorakel zu deuten, auch an die Menschen weitergeben1946 Entsprechend dient die Thematik der Orakelfähigkeit der antithetischen Darstellung der Brüder: Apollon ist der unerreichbare Gott, während Hermes die Ernsthaftigkeit der olympischen Ordnung bereits am ersten Tag seines Lebens parodiert1947 Letzteres zeigt sich an der Episode im homerischen Hymnos, in der Hermes als Verursacher und Interpret von zukunftsweisenden Zeichen auftritt1948: „So sprach, das Kind mit den Händen packend, Phoibos Apollon  | Aber als Gegenschlag ließ nun der Argosbezwinger, | welchen Apoll auf den Armen trug, ein tönendes Zeichen | fahren aus seinem Gedärm, ein Unheil kündender Bote  | Gleich darauf folgte ein lautes Niesen – erkannt von Apollon | als ein weiteres Omen Er setzte den Hermes zu Boden  | Selber ließ er sich trotz seiner Ungeduld ihm gegenüber | nieder, und sprach den Hermes an mit höhnischen Worten: | »Nur keine Angst, du Windelkind, Sohn des Zeus und der Maia! | Finden werd’ ich bestimmt meine Herde breitstirniger Kühe! | Nach diesen Vorzeichen wirst du sie selber mir zeigen« “

Alltägliche menschliche Verhaltensweisen wie Niesen und Flatulenz wurden in bestimmten Zusammenhängen als Zustimmung oder negatives Zeichen der Götter aufgefasst1949 Im vorliegenden Fall interpretiert es der beinahe als abergläubisch dargestellte Orakelgott Apollon als gutes Vorzeichen, dass er seine Rinder zurück erhalten werde Das Hermeskind kennt die Omen sowie deren Bedeutung und setzt sie geschickt gegen den göttlichen Bruder ein Durch die Verwendung des Begriffes ἀγγελιώτης1950 (der Bote) wurden mehrere Aufgabenbereiche des Gottes Hermes miteinander verschmolzen Schon bei Homer und Hesiod wird er als Ἄγγελος ἀθανάτων1951 (der Bote der Unsterblichen) bezeichnet und überbringt den Willen der Götterversammlung

1945 1946 1947 1948

Kahn 1978, 80 h Herm 565 Dazu: Schenk zu Schweinsberg 2017, 283, Versnel 2011, 327 h Herm 541–549 h Herm 293–303 (Übersetzung nach Bernays 2017): „ὣς ἄρ᾽ ἔφη καὶ παῖδα λαβὼν φέρε Φοῖβος Ἀπόλλων  | σὺν δ᾽ ἄρα φρασσάμενος τότε δὴ κρατὺς Ἀργειφόντης | οἰωνὸν προέηκεν ἀειρόμενος μετὰ χερσί, | τλήμονα γαστρὸς ἔριθον, ἀτάσθαλον ἀγγελιώτην  | ἐσσυμένως δὲ μετ᾽ αὐτὸν ἐπέπταρε· τοῖο δ᾽ Ἀπόλλων | ἔκλυεν, ἐκ χειρῶν δὲ χαμαὶ βάλε κύδιμον Ἑρμῆν  | ἕζετο δὲ προπάροιθε καὶ ἐσσύμενός περ ὁδοῖο | Ἑρμῆν κερτομέων καί μιν πρὸς μῦθον ἔειπε· | θάρσει, σπαργανιῶτα, Διὸς καὶ Μαιάδος υἱέ· | εὑρήσω καὶ ἔπειτα βοῶν ἴφθιμα κάρηνα | τούτοις οἰωνοῖσι· σὺ δ᾽ αὖθ᾽ ὁδὸν ἡγεμονεύσεις “ 1949 Zu Flatulenz: Aristoph Equ 639, Aristoph Vesp 1177, Aristoph Plut 617–618, Eubulos 106, 1–9; zu Niesen: Hom Od 17, 546–547 Dazu: Trampedach 2015, 97–100, Vergados 2013, 441, Fernández Delgado 1990, 199–225 1950 h Herm 296 1951 Hes erg 85, Hom Od 5, 29, h Herm 3, Hom h 2, 334–356/407, Hom h 18, 3, Hom h 19, 29, Hom h 29, 8 Spätere Quellen: IG I3 784 (490–485 v Chr ), Plat Krat 407e, Apoll Rhod 3, 587–588, Orph h Proem 22–23

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oder von Zeus Mit Hilfe von Orakeln konnte Hermes nach eigenem Belieben den Menschen die Zukunft offenbaren Außerhalb der mythischen Erzählungen aber war Pharai nicht nur der einzige Ort, der in der behandelten Zeit über ein Hermesorakel verfügte, sondern auch der einzige Ort mit einer Orakelstätte im Zentrum einer Polis1952 Da die Kultpraxis so außergewöhnlich war, gelangte das Lokalorakel zu einiger Bekanntheit und wurde teilweise andernorts imitiert So wird in der attischen Komödie „Die Wolken“ (423 v Chr ) von Aristophanes darauf Bezug genommen, wenn es heißt, dass die Hauptfigur Strepsiades am Abend nach Hause kommt und vor die Hermessäule tritt, um flüsternd einen Rat zu erbitten1953 Durch diese Parallelüberlieferung kann das Ritual bis ins 5 Jh  v Chr zurückdatiert werden Außerdem trägt Hermes in einer Inschrift auf einer Herme aus Pitane den Beinamen Κλεηδόνιος1954 (der Weissager durch eine zufällige Aussage), der unzweifelhaft auf die Praxis in Pharai verweist Damit könnte auch das von Pausanias beschriebene „Κληδόνων ἱερὸν“ in Smyrna eine Orakelstätte des Hermes gewesen sein1955 Während in den kleinasiatischen Städten die zufällige und unverhoffte Zuwendung des Gottes als erstrebenswert galt, wurde im Athen des 4 Jh  v Chr das Flüstern und die Intimität der Mensch-Gott-Beziehung herausgestellt, wie der Beiname Ψιθυριστής1956 (der Flüsterer) zeigt, den unter anderem Demosthenes nennt Seine Ausführungen legen nahe, dass sich ein Kultbild des Hermes zwischen zwei Bürgerhäusern befunden haben muss, dem nachgesagt wurde, dass der Gott über dieses mit den Adoranten flüstere Gerade das leise Gespräch, welches Heimlichkeit und Intimität zwischen Gott und Mensch entstehen ließ, scheint als ein grundlegender Charakterzug der Kommunikation von Hermes mit den Menschen wahrgenommen worden zu sein Georgia Petridou weist darauf hin, dass die Bilder von Hermes vergleichsweise häufig als belebt gegolten hätten und dass entsprechende Hinweise vor allem in der attischen Komödie zu finden seien1957 Obgleich diese Gattung zu Übertreibung und Komik neigt, spiegelt sich in den Texten die Überzeugung wider, dass Hermes zu einer solchen Handlung bereit ist Die Entwicklung von Hermes als einem Orakelgott fand ihren Höhepunkt in der römischen Zeit, für die gleich mehrere, ebenfalls kreative Hermesorakel belegt sind1958 Einerseits war Hermes im 2 Jh n Chr zum Schutzgott der Astragalorakel geworden1959 Als eine Reaktion auf diese Entwicklung ist die Nachricht 1952 Rosenberger 2001b, 46, Herter 1967, 234–236 Hierzu: 2 2 1 Höhlen 1953 Aristoph Nub 1480–1487 Zum Namen Strepsiades: Kanavou 2011, 67–71 Zu sprechenden Hermen bei Aristophanes: Beta 2019, Eitrem 1909a 1954 Le Bas II, 1742a (ohne Datierung) Siehe auch: Bettini 2000, X 1955 Paus 9, 11, 7 1956 Demosth or 59, 39, Harpokr s  v Ψιθυριστής Ἡρμῆς Spätere Zeugnisse: LSCGS 86 (200 n Chr ), Paus frg 330 (Schwabe) Siehe dazu: Petridou 2015, 53, Jaillard 2007a, 233–234 1957 Petridou 2015, 53 1958 Zu weiteren Hermesorakeln: Callatis [SEG 24–1031 (2 Jh   v Chr ) Dazu: Chiekova 2008, 233– 236], Olbia [SEG 26–524 (2 Jh  v Chr ) Dazu: Lupu 2005, Nr 12] 1959 Vgl Graf 2005, 71–78 mit Quellenbelegen, Rosenberger 2001b, 42–43

2 6 Asty: Agorai

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bei Apollodor zu betrachten, dass Hermes das Recht des Orakels per Steinwurf erhalten habe1960 Andererseits wurden schöne junge Männer, die Aufgaben bei Orakeln anderer Götter übernahmen, als Hermai bezeichnet1961 Wie aber erhielten die Menschen in Pharai das gewünschte Orakel? Zur Befragung gingen die Ratsuchenden am Abend zu der Herme und vollzogen die beschriebenen Rituale Die Gaben für Hermes – Weihrauch, Öl für die Lampe und eine einheimische Münze – sind nicht vergleichbar mit Geschenken an andere Orakelgottheiten, wie zum Beispiel an Apollon in Delphi1962 Danach flüsterten die Bittenden ihre Frage dem Götterbild direkt ins Ohr Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass Hermes das Geschehen auf der Agora in Pharai nicht nur beobachtete, sondern auch temporär in seinem Kultbild anwesend war und die Fragen tatsächlich hörte und beantwortete1963 Weil Hermes als ein Gott wahrgenommen wurde, der auf die Fragen der Menschen bereitwillig Antworten gab, bezeichnete ihn Maurizio Bettini als „Signore della Comunicazione“1964 Tatsächlich ist Hermes einer der wenigen Götter, die durch Sprache Kontakt mit den Menschen aufnehmen1965 Nachdem die Bittenden die Agora, den Zuständigkeitsbereich von Hermes Ἀγοραῖος, verlassen hatten, sollte das erste, was sie hörten, die Antwort auf die gestellte Frage sein1966 Insofern unterschied sich die Kommunikation der Menschen mit Hermes von der mit anderen Olympiern: Die Frage wurde dem Gott unmittelbar gestellt, ohne dass eine Vermittlung nötig gewesen wäre Als Gegenleistung für die Auskunft verlangte Hermes nur kleine Opfergaben Zudem fand der Austausch durch Sprache statt, ohne dass eine begleitende geheime Handlung vonnöten war Als Medium konnte theoretisch jeder Mensch fungieren, womit einerseits die Möglichkeit der Beeinflussung eröffnet wurde1967 Der Orakelprozess basierte auf dem Prinzip des Zufalls, das Jean-Pierre Vernant mit der Beweglichkeit und Flüchtigkeit des Gottes erklärt1968 Andererseits wurden Hermes und sein Orakel auf diese Weise als demokratisch charakterisiert, da nicht nur allen Bürgern die Nutzung gestattet war, sondern auch jeder zu einem Boten des Hermes werden konnte Diese Betonung der Demokratie und Freiheit in den griechischen Poleis wird verständlich, wenn der Entstehungskontext der Reisebeschreibungen von Pausanias betrachtet wird Der Bericht über die altertümliche Agora in Pharai ist in eine Passage eingebettet, in welcher der Autor die Unfreiheit der griechischen Städte unter der römischen Fremdherrschaft kritisiert, indem er an die Blütezeit der Demokratie erinnert, wäh1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966

Apollod 3, 115 Zum Trophoniosorakel in Lebadeia: Paus 9, 39, 7 Dazu: Ogden 2009, 172–173 Zu Apollon als Orakelgott: Graf 2009, 52–78 Scheer 2000, 71–72 Bettini 2000, VIII Allan 2018, 92, Bettini 2000, X Eine vergleichbare Praxis findet sich bei den Stätten des Apollon Spodios in Theben und des Apollon in Smyrna (Paus 9, 11, 7) 1967 Rosenberger 2001b, 47 1968 Jaillard 2007a, 127–128, Vernant 1996, 41–42

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rend der die Bürger gleichberechtigt nebeneinander die Polis verwaltet hätten und dabei von Hermes unterstützt worden seien1969 Leider gibt Pausanias keinen Hinweis auf den Erfolg des Orakels Er fügt lediglich an, dass es ein ähnliches Orakel in Ägypten für Apis gegeben habe Es liegt jedoch in der Natur der Orakelpraxis und auch der Figur des Hermes, dass die Antworten nicht immer eindeutig ausfielen An der Orakelpraxis im achaischen Pharai sind mehrere Auffälligkeiten zu benennen Zum Ersten wurde durch das Flüstern eine Heimlichkeit und Intimität zwischen dem Gott und den Menschen garantiert, die durch die Berührung des Götterbildes noch verstärkt wurde1970 Solche Gesprächssituationen zwischen Mensch und Gott finden sich mehrfach in den attischen Komödien1971 Zwar sind die Darstellungen gattungsbedingt übertrieben, gleichzeitig spiegeln diese aber die Vorstellung wider, dass Hermes zu einer solchen Handlung bereit ist Zum Zweiten hebt Pausanias explizit hervor, dass dem Gott jede Frage gestellt werden durfte Folglich genoss Hermes, um nochmals den Vergleich mit Apollons Orakel in Delphi zu bemühen, das Vertrauen der Menschen, denn niemand wäre wohl auf den Gedanken kommen, Apollon zu fragen, ob man das Dach des verhassten Nachbarn anzünden oder Vergleichbares tun solle1972 Zum Dritten fand die Befragung am Abend oder in der Nacht statt, was auf die mythische Verbindung von Hermes und der Nacht zurückzuführen ist1973 Außerdem gewährte diese Zeit eine gewisse Privatsphäre, denn die Vorstellung, dass Bittende zur Versammlungs- und Marktzeit auf der viel besuchten Agora der Herme etwas ins Ohr flüsterten und mit zugehaltenen Ohren die Agora verließen, erscheint ungewöhnlich, zumal geflüsterte Gebete ohnehin mit Skepsis betrachtet wurden1974 Wegen der abendlichen oder nächtlichen Befragung waren auch die Lampen an dem Altar angebracht, welche den Ort während des Aufenthalts beleuchten konnten 2.6.2.2 Lokale Beinamen Hermen waren an den Zugängen zur Agora oder zu Heiligtümern und Amtsgebäuden auf der Agora aufgestellt1975 Außerdem konnte der Gott entlang der Straßen, welche die Agora kreuzten, präsent sein1976 Zusätzlich ist die Verehrung des Gottes auf der 1969 Vgl Gaifman 2010, 76–78 mit älterer Literatur 1970 Petridou 2015, 53 1971 Plat Com frg 204 K–A (eine hölzerne Herme betritt selbstständig die Szene)/61 K–A (Kassel), Aristoph Pax 661–667/682–683 (Hermes diskutiert mit dem Bild der Eirene, welches auf der Bühne liegt), Aristoph Nub 1480–1487 (Strepsiades flüstert mit seiner Herme), Plut Alkibiades 20, 4 (eine der gefrevelten Hermen spricht mit dem Chor) 1972 Aristoph Nub 1480–1487 Siehe auch: Allan 2018, 118 1973 Hom Il 24, 349–371 1974 Scheer 2000, 70 1975 Hierzu: 2 1 3 1 Öffentliche Räume I 1976 Hierzu: 2 3 2 2 Straßen innerhalb der Stadt

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Agora ohne den Beinamen Ἀγοραῖος für die Poleis Delos, Ephesos, Halasarna, Histria, Koroneia, Kyzikos, Lagina, Maroneia, Megalopolis, Messene, Pergamon, Priene, Smyrna, Thasos und Thespiai belegt Vor allem in den Städten der östlichen Peloponnes, wo Hermes Ἀγοραῖος häufiger gemeinsam mit Herakles verehrt wurde, und in Arkadien erhielt er als Polisgottheit lokale Beinamen oder wurde mit (lokalen) Heroen gemeinsam verehrt Als Beispiel kann die Agora von Troizen angeführt werden, die Pausanias beschreibt1977: „Auch ein Hermes ist dort, Polygios genannt, an die Bildsäule soll Herakles seine Keule angelehnt haben, und – sie war von wildem Ölbaum – sie wuchs in der Erde fest (wer es glaubt) und bekam frische Triebe, und der Ölbaum steht noch Herakles aber soll den wilden Ölbaum am Saronischen Meere gefunden und sich davon eine Keule geschnitten haben “

Schon in mythischer Zeit hätten auf der Agora eine Herme und ein heiliger Ölbaum gestanden Erkennbar sind deutliche Parallelen zum heiligen Olivenbaum im Tempel der Athena Polias auf der Akropolis von Athen1978 In beiden Fällen waren die Stadtgottheit und Hermes mythisch mit dem Baum verbunden Außerdem standen beide jeweils in unmittelbarer Umgebung einer als sehr alt charakterisierten Herme Ferner wurden jeweils mythische Könige in diesem Kontext verehrt Die Städte in der östlichen und südlichen Peloponnes beanspruchten schon früh für sich, von den Herakliden abzustammen, sodass die Verehrung von Herakles als Städtegründer hier besonders ausgeprägt war1979 Dabei wurde Herakles nicht als der panhellenische Heros, sondern als lokaler Gründungsheros wahrgenommen Die Bedeutung des Epithetons Πολύγιος kann nicht abschließend geklärt werden Sehr wahrscheinlich ist dieses jedoch auf die Stärke von Herakles oder eine Pflanze zurückzuführen Da das Epitheton in Zusammenhang mit dem Besuch des Helden gebracht wurde und sich zudem in unmittelbarer Umgebung der Statue ein Heiligtum des Zeus Soter befand, liegt der Rückbezug auf den Heros und seine Verdienste für die Stadt näher1980 Für den Hermeskult auf den Agorai der Städte in der östlichen Peloponnes lässt sich zusammenfassen, dass der Ahnherr Herakles zusammen mit dem Schützer der wichtigen Institutionen der Stadt, Hermes, verehrt wurde Dafür konnten beide Kultbilder in Form von Hermen erhalten 1977 Paus 2, 31, 10 (Übersetzung Meyer 2001): „καὶ Ἑρμῆς ἐνταῦθά ἐστι Πολύγιος καλούμενος πρὸς τούτῳ τῷ ἀγάλματι τὸ ῥόπαλον θεῖναί φασιν Ἡρακλέα· καὶ – ἦν γὰρ κοτίνου – τοῦτο μὲν ὅτῳ πιστὰ ἐνέφυ τῇ γῇ καὶ ἀνεβλάστησεν αὖθις καὶ ἔστιν ὁ κότινος πεφυκὼς ἔτι, τὸν δὲ Ἡρακλέα λέγουσιν ἀνευρόντα τὸν πρὸς τῇ Σαρωνίδι κότινον ἀπὸ τούτου τεμεῖν ῥόπαλον “ Zum Typus des Hermes von Troizen (E 4 Jh   v Chr ): Despinis 1981 In römischer Zeit wurden nach einem Volksbeschluss zwei Hermen mit Epigrammen auf die Agora geweiht (IG IV 783) 1978 Paus 1, 27, 1 Siehe auch: Soph Ichn 409–412 1979 Vgl Hall 2007, 43–55 mit älterer Literatur 1980 Paus 2, 31, 10

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Zu beobachten ist das Phänomen außerdem bei den arkadischen Beinamen, was sich besonders deutlich am Beispiel der Agora der unter Mitwirkung des Arkadischen Bundes 371 v Chr neugegründeten Stadt Megalopolis zeigen lässt Bei dieser handelte es sich um einen Synoikismos aus zahlreichen kleineren Siedlungen, die jeweils ihre Lokalgötter mitbrachten und damit die Gestalt der Agora prägten Für die Polis kann ein facettenreiches Bild einer hellenistischen Agora und ihrer Verehrungskontexte gewonnen werden Pausanias berichtet, dass im Tempel der Aphrodite im Heiligtum der Großen Göttinnen ein hölzernes Kultbild des Gottes Hermes gestanden habe1981 In dem Heiligtum hätten sich zudem mehrere Götterbilder in Hermenform von Hermes Ἀγήτωρ (der Anführer), Apollon, Athena, Poseidon, Helios Soter und Herakles befunden Ebenfalls in Hermenform seien die Götterbilder im Asklepiosheiligtum gestaltet gewesen, wobei neben Hermes auch Asklepios Ergates (der Tätige), Athena Ergane, Apollon Agyieus (der von dem Eingang), Herakles und Eileithyia Kultbilder erhalten hätten Inmitten der Agora habe zudem eine Statue des Apollon ebenfalls in Hermenform gestanden, in deren Umgebung Hermes und die Musen verehrt worden seien Zusätzlich müssen noch die zahlreichen von Magistraten oder Siegern geweihten Hermen hinzugedacht werden, die Pausanias nicht aufzählt1982 Somit standen auf der Agora von Megalopolis überdurchschnittlich viele Hermen für Hermes und andere Götter Dies lässt sich einerseits damit erklären, dass die Arkader laut Pausanias die Hermenform besonders schätzten1983 Andererseits spielte der Gott Hermes in der Kultlandschaft von Arkadien eine herausragende Rolle, weshalb seine Götterbilder bewusst genutzt wurden, um das spezifisch Arkadische an der Stadt und die lokalen Besonderheiten ihren Bewohnern im Synoikismus zu betonen Dass lokale Varianten des Hermes nach Megalopolis transferiert wurden, zeigt ein Hermesheiligtum auf der städtischen Agora, welches in einer Inschrift erwähnt wird und von dem Pausanias berichtet1984: „Die Philippeion genannte Halle des Marktes hat nicht Philipp, der Sohn des Amyntas, gebaut, sondern die Megalopoliten gaben dem Gebäude die Bezeichnung als Dank für ihn Ein Tempel des Hermes Akakesios daran war zerstört und nichts mehr übrig als eine Schildkröte aus Marmor An diese »Philippische Halle« schließt sich eine andere, kleinere an, und hier sind die Amtsgebäude von Megalopolis gebaut, sechs Räume an der Zahl “

1981 1982 1983 1984

Paus 8, 31, 1/4/6–7 Dazu: Jost 1985, 452 Außerdem habe es einen Tempel für Hermes und Herakles beim Stadion gegeben (Paus 8, 32, 3) Paus 8, 48, 6 Paus 8, 30, 6 (Übersetzung Meyer 2001): „στοὰν δὲ τῆς ἀγορᾶς ὀνομαζομένην Φιλίππειον οὐ Φίλιππος ἐποίησεν ὁ Ἀμύντου, χαριζόμενοι δέ οἱ Μεγαλοπολῖται τὴν ἐπωνυμίαν διδόασιν αὐτῷ τοῦ οἰκοδομήματος Ἑρμοῦ δὲ Ἀκακησίου πρὸς αὐτῇ ναὸς κατεβέβλητο, καὶ οὐδὲν ἐλείπετο ὅτι μὴ χελώνη λίθου ταύτης δὲ ἔχεται τῆς Φιλιππείου μέγεθος ἀποδέουσα ἑτέρα στοά, Μεγαλοπολίταις δὲ αὐτόθι ᾠκοδομημένα ἐστὶ τὰ ἀρχεῖα, ἀριθμὸν οἰκήματα ἕξ “ Dazu: Nielsen 2002, 572–576, Jost 1985, 449–451 Inschrift: IG V 2, 469 (ohne Datierung)

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Das Heiligtum für Hermes Ἀκακήσιος lag zwischen der Philipp-Stoa und den Amtsgebäuden und war damit Teil der Verwaltungsarchitektur der Agora Der Beiname Ἀκακήσιος1985 (der aus der Stadt oder vom Berg Akakesion) ist auf einen lokalen Mythos zurückzuführen: Der arkadische König Akakos, ein Sohn von Lykaon, habe nicht nur die Stadt Akakesion gegründet, sondern auch den kleinen Hermes dort großgezogen1986 In Erinnerung daran wurde auf dem nun zu Megalopolis gehörigen gleichnamigen Hügel Hermes Ἀκακήσιος verehrt Überdies erinnert der Beinamen an das homerische Beiwort ἀκάκητα1987 (wohlwollend, der Erretter/Helfer) Ebenfalls mit der frühen Kindheit des Gottes hing das Kultbild zusammen: Laut dem Mythos baut Hermes kurz nach seiner Geburt in Arkadien aus einer Schildkröte die erste Lyra1988 Mit dem Tempel und dem Kultbild sollte in der neugegründeten Stadt der engen Verbindung von Hermes zu den mythischen Königen und zur Landschaft Arkadien gedacht werden Gleichzeitig stand Hermes in der antiken Vorstellung den Amtsträgern – und zwar sowohl der Stadt als auch des Bundes – zur Seite, welche auf dem Weg in ihr Amtslokal an dem Tempel vorbeigingen Möglicherweise waren im Tagesablauf Opfer der Magistrate an Hermes vorgesehen Ebenfalls mit einem Beinamen, der auf seine arkadischen Wurzeln verweist, wurde Hermes im Heiligtum der Athena Archegetis (die erste Anführerin) auf der Agora in Athen angerufen1989: „Nausikles, Sohn des Nausikles, | stellte (dies) dem Hermes Phalanteus auf “

Die Inschrift befindet sich auf einer runden Marmorbasis Der Beiname Φαλανθεύς leitete sich von dem in Arkadien liegenden Berg Phalanton ab Wiederum handelt es sich um einen lokalen Beinamen, der mit Arkadien verbunden ist und sich nur bei einer Weihung auf der Agora findet Für die nahegelegene Polis Methydrion ist ein Kult für den Gott Hermes belegt, sodass Hermes wahrscheinlich mit der Stadt oder dem Berg mythisch verbunden war1990 Warum der Athener Nausikles ausgerechnet diesen Beinamen wählte, kann nicht mehr rekonstruiert werden1991 Denkbar ist beispielsweise, dass er in dieser Region tätig gewesen war Die Verwendung lokaler Beinamen und die gemeinsame Verehrung von Hermes mit Heroen auf der Agora lässt sich mit einer weiteren Funktion dieser Örtlichkeit erklären: Der zentrale Platz diente dazu, die Geschichte und das Selbstverständnis der Stadt zu repräsentieren Zu diesem Zweck errichteten die Städte besonders den 1985 Paus 8, 3, 2/8, 30, 6/8, 36, 10, Kall h 3, 142–145 mit Sch 1986 Paus 8, 36, 10, Eratosth 5, 143 Siehe auch: Allan 2018, 58 1987 Hes frg 137 (West), Hom Il 16, 184–185 mit Sch , Hom Od 24, 10, Corn Theol Graec 16, 3, Nik Alex 559, Herakl 72, 12, Hesych s  v ἀκάκητα 1988 h Herm 30–54 Dazu: Allan 2018, 69–71, Scheid/Svenbro 2017, 94–97 1989 IG II3 4, 1345 (hell ?) Inschrift: „[Ν]αυσικλῆς Ναυκλέους | [Ἑ]ρμεῖ Φαλανθείῳ ἀνέθηκεν “ 1990 Steph Byz s v Μεθύδριον 1991 Vgl LGPN s v Nausikles

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Gründungsheroen Heiligtümer Da Hermes einerseits ein Helfer der Heroen war und andererseits als zuständig für den Schutz der Heimat und der Polis galt, wurde er ihnen zur Seite gestellt 2.6.2.3 Polyfunktionalität Die Funktion von Hermes auf der Agora wandelte sich und es konnte schon festgehalten werden, wie sich der Kult für Hermes Ἀγοραῖος veränderte Doch auch die sonstige Wahrnehmung von Hermes als Agoragott verschob sich, sodass er zunehmend auf den dezentralen Agorai verehrt oder mit Beinamen angerufen wurde, die ursprünglich dem außerstädtischen Bereich zugeordnet waren Am Übergang vom 5 zum 4 Jh  v Chr ist der Wandel zuerst in Athen greifbar, wie ein in der Stoa Basileios gefundener Sakralkalender verdeutlicht1992 Letzterer enthält eine Überarbeitung der vorherigen Bestimmungen, die nach der Herrschaft der dreißig Tyrannen vorgenommen wurde1993 Bei der Neufassung achteten die Athener darauf, die für die Erhaltung und Pflege der demokratischen Ordnung wichtigen Opfer neu zu definieren Zu diesen zählte das regelmäßige Opfer an Hermes Ἐναγώνιος, welches ihm alle zwei Jahre an den zentral von der Polis organisierten Eleusinia dargebracht wurde Das Demeterfest Eleusinia war mit Wettkämpfen verbunden, sodass ein Opfer an den Gott der Agone nahelag1994 Obwohl der Widder im Wert von dreißig Drachmen auf der Agora geschlachtet wurde, war er demnach nicht Hermes Ἀγοραῖος, sondern Hermes Ἐναγώνιος und den Chariten zugedacht1995 Das Fest selbst fand im Heiligtum von Eleusis statt, die Eröffnungszeremonie, zu der das Opfer gehörte, wurde jedoch auf der Agora in Athen abgehalten Von dort startete die Prozession zum Heiligtum in Eleusis, sodass dieses Opfer als polyfunktional zu bezeichnen ist: Hermes wurde als Gott der Polis, der Wettkämpfe und der Wege adressiert1996 Eine Verschmelzung der mit den Beinamen Ἀγοραῖος und Ἐναγώνιος ausgedrückten Sphären ist auch außerhalb Athens greifbar So sind im Reglement zum Verkauf des Priesteramtes von Hermes Ἐναγώνιος auf Kos aus dem 3 Jh  v Chr Anweisungen für den Umgang mit den Hermen auf der Agora enthalten1997: 1992 1993 1994 1995

IG II2 1357 (403/402–400/399 v Chr ) Siehe auch: IG I3 5 (500 v Chr ) Vgl Shear 2011, 243–247 Hierzu: 2 5 1 Hermes als Gott des Gymnasions IG II2 1357, Z 81–82 (403/402–400/399 v Chr ) Ein weiteres für Hermes vorgesehenes Opfer: ein Widder im Wert von 30 Drachmen im Lykeion (Z 4) 1996 IG II2 930 (2 Jh  v Chr )/1028 (100/99 v Chr ) Hierzu: 2 3 3 1 Prozessionen und Fackelläufe 1997 IG XII 4, 1, 298, Z 131–135 (2 H 3 Jh v Chr) Inschrift: „ἐστεφανῶσθαι τὰ ἀγάλματα τοῦ θεοῦ τὰ ἐν τῶι γυμνασίωι πάντα· | τοὶ δὲ ἀγορανόμοι ἐπιμελέσθων ὅπως ὁ πριάμενος τὰν στοὰν | τῶν Ἑρμῶν στεφανọῖ, καθάπερ καὶ [τὰ ἐ]ν τᾶι ἀγορᾶι ἀγάλμα- | τα στεφανοῦν αὐτὸν ποτιτέτακται “ Siehe auch: IG XII 4, 1, 331 (1 Jh  v Chr ), SEG 51–1062 (frühes 2 Jh  v Chr )/55–928 (ca 200–150 v Chr )/45– 1127 (2 Jh  v Chr ), SEG 53–842 Hierzu: 2 5 3 Training und Wettkampf

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„Es sollen bekränzt werden alle Bilder des Gottes im Gymnasium  | Die Agoranomoi sind verantwortlich, dass der Käufer die Stoa der Hermen | bekränzt, genauso wie die Bilder auf der Agora, | die zu bekränzen er angewiesen worden ist “

Diese Bestimmungen aus Kos lassen sich grundsätzlich auf den Rest der griechischen Welt übertragen, da Kranzweihungen an Hermes zahlreich belegt sind1998 Die Kosten dafür trug der Hermespriester, wobei ihn fünf Monatspriester (ἐπιμήνιοι) unterstützten1999 Dabei muss es sich um eine zeit- und kostenintensive Aufgabe gehandelt haben, da es zusätzlich zu einzelnen Standbildern des Hermes eine Hermenstoa gab Im weiteren Verlauf des Inschriftentextes wird erklärt, wie es zu dieser Aufgabenverteilung kam: Der Priester von Hermes Ἐναγώνιος erhielt einen Anteil an den Marktgebühren und musste sich an den religiösen Verpflichtungen gegenüber Hermes auf der Agora beteiligen2000 Für Kos lässt sich zusätzlich festhalten, dass alle Kulthandlungen für den Gott Hermes von einer Person überwacht wurden, die dafür ein wahrscheinlich teures Priesteramt erstanden hatte Der Agoranomos wiederum hatte dafür Sorge zu tragen, dass der Priester seinen Aufgaben auf der Agora nachkam Für die Fortschreibung dieser Entwicklung über den hier behandelten Zeitraum hinaus spricht ein Marmordiskus, den ein Agoranomos in einer Stoa auf der Agora von Priene für Hermes Ἐναγώνιος aufhängen ließ2001 Vergleichbare Regelungen sind beispielsweise aus Erythrai2002 und Kalchedon2003 bekannt In Erythrai wurde ein Priester des Hermes Ἀγοραῖος mit der Bekränzung beauftragt; in Kalchedon musste der Priester einer nicht mehr lesbaren Gottheit von jeder Mine des Kaufpreises drei Obolen an den Hermespriester abgeben Somit kam es ab dem 4 Jh  v Chr und verstärkt im 3 Jh  v Chr im Hermeskult zu einer Überlappung der Institutionen des Gymnasions und der Agora Zu erklären ist dies mit der Wichtigkeit, welche dem Gymnasion in dieser Zeit beigemessen wurde: Als städtische Institution löste es die Agora zumindest teilweise als Ort der öffentlichen Selbstdarstellung ab Damit konnte der Beiname Ἐναγώνιος, der eine gewisse Dominanz erlangt hatte, außerhalb der Örtlichkeit verwendet werden Dass der Wettkampfgott den Agoragott überlagerte, bedeutet jedoch nicht, dass Hermes Rolle als Gottheit der Polis in den Hintergrund trat Vielmehr wurde der Hermeskult an die neuen Bedürfnisse der Bürger angepasst 1998 1999 2000 2001 2002 2003

Vgl Rückert 1998, 210–211 mit Beispielen für Vasenbilder, auf denen Hermen geschmückt werden IG XII 4, 1, 298, Z 96–97 (2 H 3 Jh v Chr) IG XII 4, 1, 298, Z 82–90 (2 H 3 Jh v Chr) I Priene 188 (1 Jh  v Chr ) Hierzu: 2 6 2 1 Ἀγοραῖος I Kalchedon 10 (3 /2 Jh  v Chr ) Es handelte sich wahrscheinlich um eine für den Hafen und Handel zuständige Gottheit, wobei andere Inschriften aus Kalchedon auf Poseidon oder Zeus Urios hindeuten: I Kalchedon 14 (1 Jh n Chr ), Recueil général 78/87/90/100/103 Siehe auch: Raingeard 1934, 204–205

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Auf veränderte Anforderungen der Kultakteure sind wohl auch die Riten für Hermes auf der Ebene der Demen zurückzuführen In Athen2004, Delphi2005 und Alexandria2006 gab es Demen, welche nach dem Gott benannt waren Außerdem sind aus Magnesia am Mäander, Magnesia am Sipylos, Perge und Samothrake die Phylen Hermeis oder Hermos bekannt2007 Auskunft über die Kultpraktiken auf den Demenagorai können Opferkalender geben, wobei Opfertiere für Hermes im attischen Demos Erchia, in der marathonischen Tetrapolis sowie im koischen Demos Phyxa vorgesehen waren Im erhaltenen Teil des ältesten Festkalenders aus Erchia sind zwei Opfer an Hermes zu rekonstruieren Zum einen empfing der Gott am 27 Tag des Boedromion (September/Oktober) einen Widder im Wert von zwölf Drachmen2008 An diesem Tag wurde eines der größten Feste in Erchia begangen, an dem auch Opfer für Acheloos, Alochos, Ge und die Nymphen vorgesehen waren2009 Der Widder für Hermes wurde auf einem Hügel geschlachtet, auf dem sich mutmaßlich ein Hermaion befand2010 Daher ist anzunehmen, dass er nicht nur als Gott der Agora, sondern auch als Gott der Grenze des Demos oder der Demenagora angesprochen wurde Zum anderen erhielt Hermes am vierten Tag des Monats Thargelion einen Widder im Wert von zehn Drachmen2011 Dieses zweite Opfer fand auf der Agora von Erchia statt und wurde von einem der städtischen Herolde durchgeführt2012 Diese sahen den Götterboten nicht nur als ihren Schutzgott an, sondern hatten auch ihre Treffpunkte auf den Agorai2013 Von dem Opfer erhielt der Herold die gleichen Anteile am Opferfleisch, welche sonst für den Demarchen vorgesehen waren, der, sofern nicht anders vermerkt, für die Opfer auf den Demenagorai zuständig war Der Kalender aus Erchia weist viele Parallelen mit dem nur fragmentarisch überlieferten Festkalender aus der marathonischen Tetrapolis auf Hier ist der Göttername Hermes jedoch an keiner Stelle mehr eindeutig lesbar, könnte aber bei den Opfern im Monat Skirophorion ( Juni) ergänzt werden Dort ist die Rede von einem zu opfernden Widder für zwölf Drachmen an eine Gottheit „ἐν ἀγορᾶι“ (auf der Agora)2014 2004 Deme Hermos in der Phyle Akamantis: IG I3 373, Z 12–13 (411  v Chr ), IG II2 1617, Z 111 (367  v Chr )/1492 B (306/305  v Chr ) Siehe auch: IG II2 1553 (ca 330  v Chr ) Zur politische Laufbahn des Kephisophon, Sohn des Kephisodoros: IG I3 299, Z 41 (427/426 v Chr )/300, Z 4 (426/425 v Chr )/301 (425/424 v Chr ) Dazu: Davies 1971, 37 2005 Deme Hermeios: I Delphi III 2, 201 (263–260 v Chr ) 2006 Deme Hermaieus: BCH 20 (1896) 398 (ohne Datierung) 2007 Zu Magnesia a M : I Magnesia 6/10 (3 Jh   v Chr ); zu Magnesia a S : MDAI(A) 19 (1894), 59, Anm 1; zu Perge: Raingeard 1934, 262–263; zu Samothrake: IG XII 8, 169 (2 Jh   v Chr )/164 (1 Jh  v Chr ) 2008 IG II2 1358, col 4, Z 24–27 (375–350 v Chr ) 2009 Larson 2001, 135 2010 Hierzu: 2 1 1 2 Grenzheiligtümer 2011 IG II2 1358, col 5, Z 47–58 (375–350 v Chr ) 2012 Humphreys 2004, 181 2013 Parker 2005a, 408 2014 IG II2 1358, col 1, Z 9–10 (375–350 v Chr )

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Steven Lambert schlug vor, hier Zeus oder Hermes zu ergänzen2015 Für Hermes sprechen mehrere Indizien So wird in keinem der überlieferten attischen Demenkalender eine andere Gottheit außer Hermes mit dem Beinamen Ἀγοραῖος angesprochen2016 Außerdem ist in dem Kalender aus Erchia nicht nur ein Widderopfer an Hermes im Wert von zwölf Drachmen genannt, sondern Hermes auch als ἐν ἀγορᾶι näher charakterisiert2017 Darüber hinaus könnte eine Inschrift aus Miletoupolis der früheste Beleg eines Widderopfers für Hermes Ἀγοραῖος sein Dieses war ebenfalls im Monat Skirophorion ( Juni) vorgesehen2018 Ferner deutet das am selben Tag stattfindende Opfer für Zeus Horios in diese Richtung Durch dieses Epitheton wird Zeus als ein Gott der Grenze adressiert, wodurch die Kultnachbarschaft zu Hermes noch wahrscheinlicher wird Denn Hermes wurde in den Demen nicht nur als Schutzgottheit der Agora und der wirtschaftlichen sowie politischen Geschäfte auf dieser angesprochen, sondern auch als Grenzgott In Athen wurde somit der Hermeskult der zentralen Agora auf den Demenagorai, welche die politischen Zentren der Region bildeten, wiederholt Weil die Opfer auf der Ebene der Demen aus öffentlichen Einnahmen wie der Verpachtung von Nutzflächen finanziert wurden und sich an die gesamte Bevölkerung in dem entsprechenden Demos richteten, können sie mit den Epithetoi Heortai2019, den zusätzlichen Opfern, die sich von den Patrioi Thusiai, den von den Vorvätern ererbten Opfern, unterschieden, verglichen werden2020 Daran zeigt sich einmal mehr, wie eng Zentrum und Peripherie in griechischen Poleis verbunden waren und wie dies durch den Hermeskult betont werden konnte Das bisher Gesagte gilt jedoch nicht nur für Athen, denn im Sakralkalender des Demos Phyxa in Kos erscheint Hermes ebenfalls in gleich mehreren Funktionen Im Monat Artamitios (April) kann laut Klaus Hallof ein Opfer für Hermes ergänzt werden Zunächst opferten die Demarchen am zwanzigsten des Monats Hekate und Apollon Oromedon (der vom Berg Oromedon), bevor sie im Herakleion jeweils ein Opfer für Apollon Phyxios und für Dionysos darbrachten2021 Nachdem diese Opfer vollzogen worden waren, sollte Hermes ein einjähriges Zicklein und eine ausgewachsene Ziege erhalten, die so schön wie möglich zu sein hatte2022 Somit bildete das Opfer an Hermes das Ende eines Opferzyklus, der wahrscheinlich mit einer Prozession verbunden war2023 Ob dieses auf der Agora oder noch im Heraklesheiligtum stattfand, lässt sich 2015 Lambert 2000, 50 2016 Zu Theitras: SEG 21–542 (400–350 v Chr ); zu Thorikos: Dunst 1977 (400–350 v Chr ); zu Erchia: SEG 21–541 (400–350 v Chr ); zu Eleusis: IG II2 1363 (330–270 v Chr ) 2017 IG II2 1358, col 4, Z 24–27/col 5, Z 47–58 (375–350 v Chr ) 2018 I Kyzikos II, 1 (4 /3 Jh  v Chr ) 2019 Isokr or 7, Lys 30, 19, Suda/Harpokr s v ἐπιθέτους ἑορτάς 2020 Vgl z B IG II2 2493, Z 3–5 (339/338 v Chr ) Dazu: Rosivach 1994, 137 2021 IG XII 4, 1, 279, col B/C, Z 43–48 (2 H 3 Jh  v Chr ) 2022 IG XII 4, 1, 279, col B/C, Z 48–50 (2 H 3 Jh  v Chr ) 2023 Hierzu: 2 3 3 1 Prozessionen und Fackelläufe

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

nicht mehr rekonstruieren Fest steht jedoch, dass auch in Kos die Praktiken des Hermeskults von der zentralen Agora auf eine Demenagora übertragen wurden Weiterhin lässt sich beobachten, dass der außer- und der innerstädtische Bereich im Hellenismus zusammenwuchsen und dies durch Kulthandlungen für Hermes unterstützt werden konnte Dafür sprechen die zahlreichen Weihungen entlang der Straßen, die Zentrum und Peripherie miteinander verbanden2024 Zu den bekanntesten Beispielen zählen die Hermen des Hipparch, welche der Tyrann auf halbem Weg in die Demen aufstellen ließ Darüber hinaus erhielt Hermes auf der Agora zunehmend Beinamen, die sonst eher in der Chora zu verorten sind Eine regionale Besonderheit bilden die Opfer und Weihungen an Hermes Ἐνόδιος2025 in Thessalien Der Beiname war in dieser Landschaft doppeldeutig: Einerseits beschrieb er Hermes als Gott der Wege sowie Kreuzungen, andererseits leitete er sich von der thessalischen Göttin Enodia ab, die in ganz Thessalien eine herausragende Rolle spielte2026 Sie wurde vor allem in städtischen Siedlungen und kaum in ländlichen Regionen oder entlang von Straßen verehrt Entsprechend wurde Hermes in Thessalien im Zentrum der Stadt mit einem Beinamen angesprochen, der dem extraurbanen Spektrum zuzuordnen ist Als Ἐπιμήλιος (der Beschützer der Herden) wurde Hermes auf der ungewöhnlich gestalteten Agora der boiotischen Polis Koroneia verehrt2027: „Koroneia bot an Bemerkenswertem auf dem Markt einen Altar des Hermes Epimelios und einen der Winde; etwas tiefer befindet sich ein Heiligtum der Hera und ein altes Kultbild, ein Werk des Thebaners Pythodoros; sie trägt Sirenen auf der Hand “

Ein Altar für Hermes auf der Agora ist nicht erstaunlich, Pausanias war es aber offenbar wichtig zu betonen, dass der Gott einen Beinamen trug, der eigentlich nicht zu diesem Ort passte Obgleich Pausanias eine Erklärung dafür schuldig bleibt, können Vergleiche mit anderen Kultstätten zur Erhellung dienen So ist es denkbar, dass neben dem Altar ein Hermesbild stand Wenn dieses, wie das Kultbild der Hera, zur Zeit von Pythodoros von Theben geschaffen wurde, müsste es bereits in der Archaik angefertigt worden sein2028 Die archaische Herme könnte wie andere Hermesbilder auf der Agora dem Hermes Ἀγοραῖος gestiftet worden sein Erst später wurde die Statue den aktuellen Bedürfnissen angepasst und erhielt den Beinamen Ἐπιμήλιος, den schließlich

2024 Hierzu: 2 3 2 Straßen 2025 Anth Gr 6, 299 (um 250 v Chr )/10, 12 (3 Jh  v Chr ), Theokr 25, 4, Arr cyn 35, Sch Plat Phaid 107c Der Beiname Ἔννιος (Hesych s   v Ἔννιος) kann vielleicht als Abwandlung von Ἐνόδιος interpretiert werden (Santoro 1974, 91) 2026 Morgan 2003, 135–140/155 2027 Paus 9, 34, 3: „Κορώνεια δὲ παρείχετο μὲν ἐς μνήμην ἐπὶ τῆς ἀγορᾶς Ἑρμοῦ βωμὸν Ἐπιμηλίου, τὸν δὲ ἀνέμων κατωτέρω δὲ ὀλίγον Ἥρας ἐστὶν ἱερὸν καὶ ἄγαλμα ἀρχαῖον, Πυθοδώρου τέχνη Θηβαίου, φέρει δὲ ἐπὶ τῇ χειρὶ Σειρῆνας “ 2028 Vgl RE s v Phythodoros 18)

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Pausanias vorfand Durch wen, auf welche Art und mit welcher Regelmäßigkeit Kulthandlungen durchgeführt wurden, kann aus dem Text nicht mehr erschlossen werden Schließlich kann Ainos angeführt werden In dieser Stadt, so lautet die Aitiologie, wurde der Gott bei der Kulteinführung tatsächlich von der Grenze auf die Agora getragen2029 Nachdem die Fischer den hölzernen Gegenstand als Kultbild des Hermes erkannt und ihm ein Heiligtum errichtet hatten, befragten die Bewohner der Stadt, laut dem Iambos von Kallimachos, ein Orakel Dieses bestimmte, dass Hermes in der Stadt gemeinsam mit den anderen Göttern zu verehren sei Daher richten die Bürger zusätzlich einen heiligen Bezirk auf der Agora ein, in dem Hermes als „Αἰνίων θεός“ verehrt und damit unter die Stadtgötter von Ainos aufgenommen wurde Der Hermeskult, welcher an den Grenzen der Stadt angekommen war, fand seinen Weg in das politische und wirtschaftliche Zentrum der Stadt, wodurch Hermes als Gott der Grenzüberschreitung und der Einheit der Polis charakterisiert wird Gleichzeitig wurde so die Verbindung zwischen Hafen und Markt gestärkt, da der von Hermes erbetene reiche Fang auf dem Markt für gute Umsätze sorgen sollte2030 Womit lässt sich die beschriebene Entwicklung erklären? Die zunehmende Verwendung von Beinamen des außerstädtischen Bereichs an prominenten innerstädtischen Orten hängt sicher mit der positiven Umdeutung des Hirtenlebens im Laufe des 3 Jh  v Chr zusammen Viel wichtiger war jedoch die Wahrnehmung von Hermes als einem Gott der Polis, der diese von einer Grenze zur anderen beschützen sollte Da die Polis in der griechischen Antike als Einheit von Asty und Chora begriffen wurde, galt es, die Zusammengehörigkeit der einzelnen Teile durch Kulthandlungen vor allem für den Gott Hermes immer wieder zu betonen Gerade die im vergangenen Abschnitt besprochene Polyfunktionalität der Kultpraktiken ist für den Hermeskult charakteristisch Mit einer Weihung konnten gleich mehrere Bedürfnisse erfüllt werden, die nur auf den ersten Blick gegensätzlich waren Dabei blieb Hermes auf der Agora stets präsent und seine wechselnden Beinamen legen Zeugnis von den veränderten Bedürfnissen der Kultakteure in hellenistischen Städten ab 2 6 3 Hermes und das Recht Gesetze und Normen regelten das Zusammenleben in der Stadt, wobei Bürger und Nichtbürger gleichermaßen betroffen waren2031 Anlass zu der These, dass sich die Funktion von Hermes als Gott der Polis, ihrer Institutionen und Magistrate auch auf

2029 Kall iamb 7 [=Kall frg 197 (Trypanis)] Hierzu: 2 1 1 3 2 Das Militär, die Seereisenden und Händler 2030 Athenaios betont, wie hervorragend der Fisch aus Ainos war (Athen 3, 92d/7, 285 und 326–327) 2031 Zum Begriff des Gesetzes: Hölkeskamp 2000, 74–81; zum Problem der „Kodifikation“ von Recht im archaischen Griechenland: Hölkeskamp 1999, 16–21/262

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

den Rechtsbereich erstreckte, geben die vielen Mythen, in denen Hermes als Schützer und Vermittler der olympischen Ordnung und ihrer Normen auftritt2032 Als solche ist die weder faire noch unveränderliche Ordnung zu bezeichnen, die von dem göttlichen Herrschergeschlecht, an dessen Spitze Zeus steht, vorgegeben wird2033 Wegen der Machtdifferenz zwischen Menschen und Göttern ist sie für die Menschen bindend Eine Beschreibung davon gibt Hesiod in seiner „Theogonie“, in der er die Götter, ihre Einflusssphären und die Verpflichtungen der Menschen gegenüber den Göttern aufzählt Hermes wurde regelmäßig von Zeus oder der Götterversammlung ausgesandt, um die Umsetzung der Ordnung einzufordern oder zu überwachen2034 Sichtbares Zeichen dieser Aufgabe war das Kerykeion2035 Als Götterbote überbrachte er in der antiken Vorstellung rechtskräftige Entscheidungen Weiterhin war Hermes mehrfach damit beauftragt, die göttlichen und heroischen Kinder vor Unrecht zu bewahren2036 All diese Aufgaben dienten dazu, die menschliche Welt im Sinne der olympischen Ordnung zu gestalten, was zumeist bedeutete, dass designierten Herrschern zu ihrem Recht verholfen wurde2037 Daneben sprach Hermes selbst Recht und sicherte mit seiner Anwesenheit ab, dass Handlungen und Entscheidungen im Sinne der Götter erfolgten und keine Sanktionen drohten 2.6.3.1 Vermittler des Rechts und Schwurgott Der Beiname Δίκαιος2038 (der Gerechte) charakterisiert Hermes einerseits als einen gerechten Gott, andererseits als einen Wächter institutionalisierter Gesetze und Normen Dabei sind sowohl das Gewohnheitsrecht als auch das fixierte und von der Polis vorgegebene Recht gemeint Zwar ist das Epitheton für Hermes nur durch eine Weihinschrift aus dem römischen Argos belegt, die dem Beinamen zugrundeliegende Vor2032 Vgl z B h Herm 372–373 Dazu: Allan 2018, 33/45/105–106, Vergados 2013, 477, Feyel 1946, 5–22 Zu Hermes als „erstem Mörder“: Sch Hom Od 16, 471, 10–20, Eust Hom Od 2, 133, 8–13, Etym m s  v Ἑρμαῖον Dazu: Reggiani 2019, 328, Allan 2018, 111–112 2033 Linke 2014, 6 2034 Allan 2018, 16–18 2035 Vgl Pisano 2014, 113–118/127–133/194–198 2036 Göttliche Kinder: Arkas (Paus 8, 3, 6/8, 4, 1), Asklepios (Paus 2, 26, 3–7, bes 6), Dionysos [Apoll Rhod 4, 1134–1137, BMC Lydia 198, 66, 205, 97, Imhoof-Blumer I, 163, Larson 2001, 93–94 Auf dem Thron des Apollon Amyklaios ist Hermes dargestellt, wie er den Dionysosknaben in den Olymp geleitet (Paus 3, 18, 11)], Ion (Eur Ion 7–51, Lefkowitz 2016, 102–109), Kastor und Polydeukes (Apoll Rhod 2, 163, Paus 3, 26, 2), Nisos (Aischyl Choeph 613–622), Phrixos und Helle (Apollod 1, 80–83) In diesen Zusammenhang gehört auch das Schicksal der thebanischen Heroine, deren sterbliche Überreste auf Befehl von Hermes in den Fluss geworfen werden [Eur frg 179–227 (Radt), Kühr 2006, 123/204] Bildliche Quellen: LIMC s v Hermes 367–396 2037 Stocking 2017, 4/17 2038 Genevrois 2017, 106–117

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stellung von Hermes als gerechtem Gott war aber im antiken griechisch-sprachigen Raum innerhalb des Untersuchungszeitraums verbreitet2039 In einer Fabel des Äsop wird beispielsweise die Geschichte von zwei Holzfällern erzählt, wobei der eine als gerecht und ehrlich charakterisiert und dafür von Hermes belohnt wird2040 Daraufhin ist der andere neidisch und versucht auf unehrliche Weise, ebenfalls ein Geschenk des Gottes zu erlangen, was scheitern muss Als rechtskundig und Vermittler der Rechtsfindung wurde Hermes im Rahmen eines viel zitierten Mythos beschrieben: dem Parisurteil2041 Auf dieses wird in einer sekundär überlieferten Inschrift, die auf der Holzlade der Kypseliden im Heraion von Olympia angebracht gewesen sein soll, Bezug genommen2042: „Hermes erklärt Alexandros, wie er über das Aussehen von Hera, Athena und Aphrodite urteilen soll “

Die Kypseliden waren eine Adelsfamilie, die in Korinth eine Tyrannis errichteten und diese über drei Generationen von 657/656 bis 582/581 v Chr aufrecht erhielten2043 In der Lade wiederum habe Labda, die Mutter von Kypselos, ihn als Baby versteckt, um die drohende Ermordung durch die verfeindeten Bakchiaden zu verhindern Zur Zeit des Pausanias habe sich das Stück noch in Olympia befunden, sodass dieser es ausführlich beschreiben konnte2044 Der mit mythischen Szenen reich verzierte Kasten sei aus Zedernholz gewesen und die Inschrift stamme von dem Dichter Eumelos aus Korinth Hermes tritt hier nicht nur als Götterbote auf, sondern durch seine Anwesenheit und Zeugenschaft wird auch der Richterspruch von Paris unumkehrbar Zuvor sei Hermes zu dem Heros gegangen und habe ihm erklärt, wie ein gerechtes Urteil zu fällen und zu sprechen sei Die Beratung vor dem tatsächlichen Urteil ist womöglich auf einem rotfigurigen Skyphos des Danaos-Malers dargestellt2045 Die eine Seite zeigt Hermes und Paris jedoch ohne weibliche Begleitung Hermes, der Reisekleidung trägt, steht auf der rechten Seite In seiner rechten Hand hält er das Kerykeion, während die Linke in einem Gesprächsgestus erhoben ist Vor ihm sitzt auf einem Felsen Paris, der mit einem Speer bewaffnet ist Zusätzlich ist die Vase mit einer Kalos-Inschrift versehen2046 2039 IG IV 563 (röm ): „Ἑρμῆς δίκαιος εἰμ[ὶ] | καί με Σ [– ᴗ]ς | ἔστησ’ ἔλενχον τῶ[ν] | δικαίων καὶ ἀδίκω[ν] | λκ “ („Hermes Dikaios bin ich und mich hat S…s aufgestellt, damit ich prüfe die Gerechten und die Ungerechten LK“) Siehe auch: LGBeroia, col A, Z 26–27 (ca 180 v Chr ) 2040 Aisop 173 (Perry) Siehe auch: Babr 117/127/129 (Perry) Dazu: Reggiani 2019, 331 2041 Hierzu: 2 3 1 Geleiter und Führer 2042 Paus 5, 19, 5: „Ἑρμείας ὅδ᾽ Ἀλεξάνδρῳ δείκνυσι διαιτῆν τοῦ εἴδους Ἥραν καὶ Ἀθάναν καὶ Ἀφροδίταν “ Dazu: Allan 2018, 54 2043 Vgl DNP s v Kypselidai 2044 Paus 5, 17, 5–5, 19 Auf dem Thron des Apollon Amyklaios in Sparta ist ebenfalls dargestellt, wie Hermes die Göttinnen zum Parisurteil geleitet (Paus 5, 19, 5) 2045 SEG 59–96 (=ARV2 1076, 16, ca 450 v Chr ) 2046 Zu Göttern und Helden in Kalos-Inschriften: Schauenburg 1969, 49–52 Zu Kalos-Inschriften in Athen: Lissarrague 1999, 359–373

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

Neben der äußeren Schönheit wurden durch die Beischrift auch Handlungsideale wie Gerechtigkeit für die Protagonisten beansprucht: Hermes lehrt Paris hier das gerechte Urteil Noch deutlicher wird die Rolle von Hermes für die Polis und ihre rechtlichen Institutionen im Dialog „Protagoras“ (398–389 v Chr ) von Platon herausgestellt2047: „Zeus befürchtete nun, unser Geschlecht könnte gänzlich ausgerottet werden; deshalb schickte er Hermes zu den Menschen, er solle ihnen gegenseitige Achtung und Recht bringen, damit es in den Poleis ordnende Einrichtungen und Freundschaft stiftende Bande gebe Da fragte nun Hermes den Zeus, auf welche Weise er denn den Menschen Recht und Sitte geben solle: »Soll ich auch die Fähigkeiten so verteilen, wie die anderen verteilt worden sind? Die aber sind folgendermaßen verteilt: Einer, der die Fähigkeit besitzt, die ärztliche Kunst auszuüben, reicht aus für viele, die davon nichts verstehen, und bei den übrigen Meistern ihrer Kunst ist es ebenso Soll ich nun auch Recht und Sitte den Menschen so stiften oder soll ich sie an alle verteilen?« »An alle« sagte Zeus »und alle sollen daran teilhaben; denn es entstünden wohl keine Städte, wenn, wie an den übrigen Fähigkeiten, nur wenige daran teilhätten Und setze auch fest als Gesetz, das von mir kommt, sie sollen einen, der nicht imstande ist, an Recht und Sitte teilzuhaben, ausmerzen wie eine Krankheit der Stadt!«“

Die Unterhaltung zwischen Sokrates und Protagoras hatte sich dem Thema von der Lehrbarkeit guten und gerechten Verhaltens zugewandt2048 Zur Untermauerung seiner These, dass das Recht die Grundlage allen menschlichen Zusammenlebens bilden müsse, erzählt Protagoras eine eigene Version des Prometheusmythos Mythen sind in den platonischen Dialogen keine Seltenheit, und sie fungieren als didaktische Elemente2049 Um den gewünschten Effekt zu erzielen, dürften wenigstens die Protagonisten derartiger Mythen zur Abfassungszeit bekannt gewesen sein Da Hermes als Vermittler des Rechts in anderen zeitgenössischen Quellen vorkommt und er im Kult als solcher adressiert wurde, kann davon ausgegangen werden, dass Platon auf Diskurse in der athenischen Gesellschaft zurückgriff2050 2047 Plat Prot 322c–d (Übersetzung nach Bayer 2008): „Ζεὺς οὖν δείσας περὶ τῷ γένει ἡμῶν μὴ ἀπόλοιτο πᾶν, Ἑρμῆν πέμπει ἄγοντα εἰς ἀνθρώπους αἰδῶ τε καὶ δίκην, ἵν᾽ εἶεν πόλεων κόσμοι τε καὶ δεσμοὶ φιλίας συναγωγοί ἐρωτᾷ οὖν Ἑρμῆς Δία τίνα οὖν τρόπον δοίη δίκην καὶ αἰδῶ ἀνθρώποις· »πότερον ὡς αἱ τέχναι νενέμηνται, οὕτω καὶ ταύτας νείμω; νενέμηνται δὲ ὧδε· εἷς ἔχων ἰατρικὴν πολλοῖς ἱκανὸς ἰδιώταις, καὶ οἱ ἄλλοι δημιουργοί· καὶ δίκην δὴ καὶ αἰδῶ οὕτω θῶ ἐν τοῖς ἀνθρώποις, ἢ ἐπὶ πάντας νείμω;« »ἐπὶ πάντας,« ἔφη ὁ Ζεύς, »καὶ πάντες μετεχόντων· οὐ γὰρ ἂν γένοιντο πόλεις, εἰ ὀλίγοι αὐτῶν μετέχοιεν ὥσπερ ἄλλων τεχνῶν· καὶ νόμον γε θὲς παρ᾽ ἐμοῦ τὸν μὴ δυνάμενον αἰδοῦς καὶ δίκης μετέχειν κτείνειν ὡς νόσον πόλεως «“ 2048 Plat Prot 317c–334c 2049 Yona 2015, 359–360 Zur Rezeptionsgeschichte des Dialogs: Yona 2015, 362–364 mit älterer Literatur 2050 Vgl z B Aisop 108/306 (Perry) Römische Autoren, vor allem Horaz, zitieren die platonischen Mythen in späterer Zeit indirekt

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Weil Zeus fürchtet, dass die Menschen aussterben würden, sofern sie nicht in Gemeinschaft zu leben lernten, sendet er Hermes aus, um sie Achtung voreinander (αἰδώς) und Recht (δίκη) zu lehren2051 Somit wird nicht nur die Polis als von den Göttern gewünschte Staatsform dargestellt, sondern es heißt auch, dass ihre Grundlagen den Menschen von Hermes gegeben worden seien Weiterhin solle Hermes die Bestrafung derer, die unfähig zum friedlichen Zusammenleben sind, festlegen Diesen Aspekt greift Protagoras später wieder auf, wenn er festhält, dass Gerechtigkeit für menschliche Gemeinschaften unabdingbar sei und dass zur Abschreckung Strafen eingeführt werden müssten2052 Platon entwirft in dem Dialog ein Bild von Hermes, welches sich durchaus mit dem Beinamen Δίκαιος umschreiben ließe Sergio Yona wies darauf hin, dass Hermes als „harbinger of civilization“2053 gedeutet werden müsse Als Zivilisationsbringer erschien Hermes häufig gemeinsam mit Prometheus in den dichterischen Zeugnissen des 8 bis 6 Jh  v Chr , wobei Hermes die Erfindung zivilisatorischer Errungenschaften wie des Feuers, der Musikinstrumente oder des korrekten Opfers zugeschrieben wurde2054 Neu an der Darstellung Platons, die möglicherweise auf den Schriften von Protagoras aufbaut, ist die Vorstellung, dass Hermes als Bringer der für das Rechtswesen nötigen Institutionen charakterisiert wird, die ihrerseits für das friedliche Zusammenleben innerhalb der Polis und mit anderen Poleis nötig waren2055 Der Gott fungiert dabei zum einen als Götterbote, der den Willen des Zeus ausführt; zum anderen ist er der erste Gesetzgeber der Menschen2056 Darüber hinaus tritt er als Vermittler auf, der die Menschen zunächst lehrt, das Recht überhaupt zu akzeptieren, weshalb er gleichzeitig der erste ist, der die von Zeus vorgesehenen Strafen festsetzt Lassen sich für diese Beobachtungen Analogien in der Kultrealität der griechischen Poleis finden? Als Götterbote war Hermes Schutzgott der Herolde2057 Diese übernahmen in der Polisverwaltung ordnende Funktionen, indem sie zum Beispiel die Tagesordnung der Ratsversammlung verkündeten, zur Ruhe riefen oder aber die Stadt nach außen vertraten Darüber hinaus könnten die städtischen Magistrate, die (nicht nur) Aufgaben im Gerichtswesen übernahmen, oder die Prozessteilnehmer an Hermes geweiht haben Hinweise dafür, die aus Athen, Sparta und Thespiai überliefert sind, dürfen allerdings nicht als Belege für regelmäßige Weihungen an Hermes missverstanden werden, sondern verorten Hermes weiter im Kontext des Rechts

2051 Dreher 2019, 16–18, Dreher 1983, 14–16/18–22 2052 Plat Prot 323a–324d 2053 Yona 2015, 360 Für Sergio Yona ist Hermes außerdem der „sophist par excellence“ und ein Gott der überzeugenden Rede (Yona 2015, 373–374) 2054 Allan 2018, 90, Vergados 2013, 30 2055 Zu den Parallelen in den Fabeln: Yona 2015, 374–376, Kurke 2011 2056 Yona 2015, 379/381 2057 Allan 2018, 39–44/108–109

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Am ausführlichsten sind die Berichte über die Rituale auf dem Areopaghügel in Athen So beschreibt Pausanias Folgendes2058: „In der Nähe ist das Heiligtum der Göttinnen, die die Athener Semnai nennen, Hesiod in der Theogonie Erinyen Aischylos hat zuerst von Schlangen in ihrem Haar gedichtet Weder an diesen Statuen ist etwas Furchtbares, ebensowenig was sonst von unterirdischen Göttern da aufgestellt ist Es steht dort eine Statue des Ploutos und des Hermes und der Ge Hier opfern diejenigen, die vor dem Areopag freigesprochen wurden, und zwar sowohl Fremde wie Bürger “

Da dem Areopag die Blutsgerichtsbarkeit oblag, waren mit den Freigesprochenen diejenigen Bürger und Fremden gemeint, die wegen eines Tötungsdelikts angeklagt waren Folglich verwundern Dankesopfer an die Götter der Unterwelt keineswegs Weil Hermes als Vermittler zu den Göttern auf dem Olymp und in der Unterwelt wahrgenommen wurde, dankten ihm die Freigesprochenen ebenfalls Doch auch die Mitglieder des Richtergremiums könnten hier kleinere Opfergaben niedergelegt und um einen guten Gerichtstag gebeten haben Diese Vermutung wird noch dadurch untermauert, dass der Archon Basileus, der dem Hermes eng verbunden war, den Vorsitz des Gremiums führte2059 Die Magistrate, welche in Sparta für einen Teil der Rechtsprechung zuständig waren, hießen Ephoren2060 Die Amtshäuser der Ephoren befanden sich auf der städtischen Agora und vor diesen stand laut Pausanias eine Statue des Hermes Ἀγοραῖος2061 Es handelte sich um ein Bild von Hermes, das ihn dabei zeigte, wie er den Dionysosknaben rettet Diese singuläre Darstellungsform eines Hermes Ἀγοραῖος wurde sicher nicht zufällig gewählt, sondern kann mit der Nähe zu den Amtshäusern erklärt werden Hermes wird als Repräsentant der olympischen Ordnung adressiert, in deren Sinne er den Willen des Zeus ausführt und das göttliche Kind vor Unrecht bewahrt Damit wird Hermes als Gott der rechtlichen Institutionen charakterisiert, für den möglicherweise die Ephoren in ihren Amtsalltag Opferhandlungen integriert hatten oder an den sich Prozessteilnehmer nach Prozessende wandten, um dem Gott für den erfolgreichen Ausgang der Verhandlungen zu danken Weil weitere Belege fehlen, muss dies allerdings eine Vermutung bleiben

2058 Paus 1, 28, 6 (Übersetzung Meyer 2001): „πλησίον δὲ ἱερὸν θεῶν ἐστιν ἃς καλοῦσιν Ἀθηναῖοι Σεμνάς, Ἡσίοδος δὲ Ἐρινῦς ἐν Θεογονίᾳ πρῶτος δέ σφισιν Αἰσχύλος δράκοντας ἐποίησεν ὁμοῦ ταῖς ἐν τῇ κεφαλῇ θριξὶν εἶναι· τοῖς δὲ ἀγάλμασιν οὔτε τούτοις ἔπεστιν οὐδὲν φοβερὸν οὔτε ὅσα ἄλλα κεῖται θεῶν τῶν ὑπογαίων κεῖται δὲ καὶ Πλούτων καὶ Ἑρμῆς καὶ Γῆς ἄγαλμα· ἐνταῦθα θύουσι μὲν ὅσοις ἐν Ἀρείῳ πάγῳ τὴν αἰτίαν ἐξεγένετο ἀπολύσασθαι, θύουσι δὲ καὶ ἄλλως ξένοι τε ὁμοίως καὶ ἀστοί “ Siehe auch: Hesych s  v Ἄρειος πάγος, Clem Al 10, 102, Diogen prov 4, 63 2059 Aristot Ath pol 3, 6 Dazu: Boegehold 1995, 44–45, Auffarth 1991, 274–275 Siehe auch: Eur El 1242/1252, Hellanikos FGrH 4 F 169a, Paus 1, 28, 5 2060 Vgl Thommen 2003, 101–107, bes 104–105 2061 Paus 3, 11, 11

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In die Richtung von Magistratenweihung an Hermes in seiner Funktion als Schützer des Gerichtswesens weist ebenfalls eine Inschrift aus Thespiai2062: „Die Elf im Archontat von Phidias | stellten (dies) dem Hermes auf “

Die Hendeka, ein Gremium aus elf jährlich gewählten Männern, stellten dem Hermes eine weiße Kalksteinstele als Weihgeschenk auf Die Körperschaft, welche auf ein athenisches Vorbild zurückgeht, war mit polizeiähnlichen Aufgaben der praktischen Gerichtsbarkeit betraut2063 So waren sie für das Bewachen des Gefängnisses oder die Hinrichtung von Verurteilten zuständig Weiterhin konnten sie in Verfahren zur Klärung von Eigentumsfragen als Vorsitzende eingesetzt werden2064 Für diese Magistrate, die ordnende Aufgaben in der Polis übernahmen, erscheint eine Weihung an Hermes als Garanten der guten Ordnung als eine höchst passende Wahl Von der Agora von Pergamon stammt das einmalige Weihgeschenk des gewesenen Agoranomos Apelles, der zwar nicht im Gerichtswesen tätig war, aber Hermes als ordnungsstiftende Gottheit anrief Erhalten ist noch die Basis aus blaugrauem Marmor, die auf drei Seiten mit einem Kranz geschmückt ist und deren Rückseite Spuren von Blei- und Eisenelementen erkennen lässt Das dazugehörige Götterbild ist verloren, jedoch kann es durch den Befund und die fragmentierte Inschrift erschlossen werden2065: „[…] Apelles | […] zur ewigen Erinnerung, Fremder, an die Agoranomie | […] hat mich aufgestellt, den Geleitsmann Hermes, bei den Nymphen, als ständigen Wächter der guten Ordnung  | Daher zeigt das Fließen des Füllhorns den Marktbesuchern die festgesetzte Zeit, wenn es sich zu Ende entleert hat “

Die Statue war Teil einer Brunnenkonstruktion, durch welche die Marktzeiten angezeigt wurden Überdies diente der Ort zur Verehrung der Nymphen Daher wurde Hermes einerseits als Διάκτορος (der Geleitsmann) angesprochen, der häufiger als Anführer eines Nymphenreigens auftrat2066 Die Bezeichnung Διάκτορος2067 findet sich 2062 SEG 32–504 (400–350  v Chr ) Inschrift: „Τοὶ Ἕνδεκα τοὶ ἐπὶ Φιδίαο  | ἄρχοντος Ἑρμῆ ἀνέθεαν“ Dazu: Schachter 1986, 52–53 Siehe auch: SEG 36–463 (400–350 v Chr ) 2063 Vgl Martzavou/Papazarkadas 2013, 278–280, Bleicken 1986, 287, Roesch 1982, 380–382 2064 Aristot Ath pol 52, 1 2065 I Pergamon I, 183 (=SEG 28–967, Mitte 3 Jh –2 Jh  v Chr ) Inschrift: „[ ] ονο [ ]μου πάσαι χ[ Ἀ]πελλῆ[ς] | [ ] τ’ ἀειμνά[στ]ου, ξεῖν’, ἀγ[ορ]ανομίας | [ ]αις με διάκτορον εἵσατο Νύμφαις | [Ἑρμῆ]ν εὐνομίας ἀΐδιομ φύλακα· | [τᾶ]ς ἕνεκ’ εὐόλβου κέραος ῥύσις ἅδ’ ἀγοραίοις | μανύσει τακτοῦ τέρμα χυθεῖσα χρόνου “ Siehe auch: I Pergamon I, 243 (2 Jh  v Chr ) Dazu: Raingeard 1934, 217–219 2066 Hierzu: 2 3 2 Straßen 2067 Hes erg 68 (mit Argeiphontos)/77 (mit Argeiphontos), Hom Il 2, 103 (mit Argeiphontos)/21, 497 (mit Argeiphontos)/24, 339 (mit Argeiphontos)/24, 378 (mit Argeiphontos)/24, 389 (mit Argeiphontos)/24, 410 (mit Argeiphontos)/24, 432 (mit Argeiphontos)/24, 445 (mit Argeiphontos), Hom Od 1, 84 (mit Argeiphontos)/5, 43 (mit Argeiphontos)/5, 75 (mit Argeiphontos)/5, 94 (mit Argeiphontos)/5, 145 (mit Argeiphontos)/8, 335/8, 338 (mit Argeiphontos)/12, 390/15, 319/24, 99

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schon in der „Ilias“ und „Odyssee“, weshalb sie sehr oft in literarischen und epigraphischen Texten vorkommt Andererseits war Hermes Φύλαξ εὐνομίας2068 (der Wächter der guten Ordnung), sodass ihm die Aufsicht über den korrekten Ablauf auf der Agora im Sinne der Gesetze der Polis übertragen wurde Das Epitheton Φύλαξ ist selten belegt, wird aber zum Beispiel in der Tragödie „Eumeniden“ (458 v Chr ) des Aischylos von Apollon für seinen Bruder benutzt, als er ihn beschwört, er möge Orestes auf seiner Reise bewachen und beschützen2069 Demnach war Hermes nicht nur Geleiter derjenigen, die unterwegs waren, sondern auch deren Wächter Für beide Beinamen ist eine weitere Bedeutungsebene möglich Im 3 Jh   v Chr waren die Einflusssphären des Gottes so stark vermischt, dass von einer Trennung in urbane und extraurbane Aufgabenbereiche nicht mehr gesprochen werden kann Somit erschien Hermes hier in drei für die antike Polis grundlegenden Lebensbereichen: Zum Ersten war er der Schützer der Polis, ihres Landes und ihrer Magistrate, zum Zweiten war er verantwortlich für die mobilen Bevölkerungsschichten, welche die Grundversorgung genauso wie den Handel der Polis sicherstellten, sodass er drittens zu einem Gott des Handels avancierte Anhand der Weihung von Apelles können mehrere Spezifika des Hermeskults auf der Agora gezeigt werden Noch im 3 Jh  v Chr verehrten die städtischen Magistrate Hermes als Gott der Polis und ihrer Institutionen, zu denen die Gesetze und Marktvorschriften zählten Zu deren praktischer Umsetzung diente die Statue des Hermes: Wenn kein Wasser mehr aus dem Füllhorn floss, waren die festgesetzten Zeiten für die Aktionen auf dem Markt vorbei Ob damit nur Kaufs- und Verkaufszeiten oder auch andere Aktivitäten angezeigt wurden, lässt sich nicht mehr rekonstruieren Im Gegensatz zu seinen Amtskollegen entschied Apelles sich für ein aufwendiges und kostspieliges Weihgeschenk Den Grund dafür gab er selbst in der Inschrift an: Er wollte, dass man sich ewig an ihn erinnerte Damit stehen hier persönliche und öffentliche Interessen gleichberechtigt nebeneinander Außerdem bestätigt der Fall die Beobachtung, dass die Weihgeschenke an Hermes im Laufe des 3 Jh  v Chr immer individueller und aufwendiger wurden Darüber hinaus erscheint Hermes in mehreren Gesetzesinschriften und Verträgen als Schwurgott, der die Einhaltung von Eiden und Verträgen garantieren soll Das früheste Beispiel stammt aus Gortyn2070 Vor einer Besprechung dieses Zeugnisses muss zunächst festgehalten werden, dass bei Inschriften mit öffentlich relevantem Inhalt und einer Götteranrufung zu Beginn davon auszugehen ist, dass die Götter auf die(mit Argeiphontos), h Herm 392/514, Hom h 18, 12, Hom h 5, 147 und 213 (mit Argeiphontos), Anth Gr 13, 2 (späthell /röm ); Inschriften: IG XII 5, 911 (2 Jh  v Chr ), I Pergamon I, 183 (=SEG 28–967, 3 –2 Jh  v Chr ) 2068 Aischyl Eum 90 2069 Aischyl Eum 89–92 2070 IC IV 51 (5 Jh  v Chr ) Dazu: Sachs 2017, Gagarin/Perlman 2016, 321–323, Seelentag 2015 mit älterer Literatur, Koerner 1993, 411–414

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se Weise zu „Mitwissern und Garanten der Inschrift“2071 bestimmt wurden So erklärt sich, warum Gesetzestexte häufig an Gebäuden mit kultischer Bedeutung angebracht waren Demnach oblag Hermes, wenn er in Gesetzestexten genannt wurde, die Wahrung der Bestimmungen Ein solcher Fall liegt bei der stark beschädigten Inschrift aus Gortyn vor2072: „Götter! (?) Ein Richter soll durch Urteil schwören lassen [bei Zeus | und] Apollon und Athena | und Hermes, [- - - | keinen] anderen Gott soll er nennen  | [Über eine Sache] von 10 Stateren oder mehr sollen schwören: - - - (der Prozeßführende?) und die Söhne, die erwachsen sind und das Bürgerrecht besitzen, und [deren Söhne, die erwachsen sind], alle, indem ein jeder sich selbst verflucht, [dass er wahrhaftig durch das übelste] Verderben zugrundegehen werde; die Zeugen ein jeder für sich [und deren Brüder], die mündig sind und von demselben Vater stammen und ungetrennt (?) - - - ein jeder für sich selbst “

Enthalten sind Bestimmungen über Eide und Eideshilfe bei Prozessen2073 Schwören sollen die Parteien vor Gericht und die jeweiligen Zeugen Hervorzuheben ist die Formulierung, dass andere Götter als Zeus, Apollon, Athena und Hermes explizit ausgeschlossen sind Angelos Chaniotis stellte heraus, dass in den kretischen Verträgen zwar ungewöhnlich viele Schwurgötter vorkämen, in den frühen Eiden aber nur eine ausgesuchte Gruppe zu finden sei, zu denen Hermes gehöre2074 So wird Hermes in einem Freundschaftsabkommen zwischen der kretischen Polis Olountios und den Rhodiern unter den Schwurgöttern genannt und erhält in diesem Zusammenhang den Beinamen Ἡγεμών (der Anführer)2075 Auch in späteren kretischen Verträgen wird Hermes wiederholt als Schwurgott angerufen, der die Einhaltung der Gebietsgrenzen sicherstellen soll, wofür er regionale Beinamen wie Δακύτιος (der aus Dakytos) oder Κεδρίτης (der von der Zeder/dem Wacholder) erhält2076 Die Funktion von Hermes als einem Schützer des Rechts und der gegenseitigen Achtung der Verträge bleibt jedoch erhalten In Gortyn war Hermes ein Gott, der bei der Neugestaltung des Regelwerks der Polis mitwirken und dessen Einhaltung verbürgen sollte Andere Inschriften zeigen, dass Hermes in der dortigen Kultlandschaft wichtig war und mindestens bis ins 5 Jh  v Chr 2071 Vgl Seelentag 2015, 237–239, Zitat: 237 2072 IC IV 51 (5 Jh  v Chr , Übersetzung Koerner 1993): „θιοι ὀμνύμην δὲ δικάκ[σαι τὸν Ζῆ]- | [να καὶ τὸν] Ἀπέλλōνα καὶ τὰν Ἀθαν-  | αίαν καὶ τὸν Ἔρμαον, οτ[․․․․․․․․]  | [․․․ μηδένα] ἄλλον θιὸν ὀνυμαινέτ- | ō τõ δεκαστατήρō καὶ πλί[ονος ․․․․] | [․․․․․․․․ μ]ὲν κ’ υἰὺνς οἴ κ’ ἠβίõντι | καὶ πολιατεύōντι καὶ τ[ούτōν υἰὺ]- | [νς οἴ κ’ ἠβίο]ντι ὀμνύμην πάντανς | [ϝ]ιναυτοι ϝέκαστον ἐπαριό[μενον ἦ μὰν] | [κακίστōι] ὀλέτρōι ἐκσόλλυθαι, τὸ[ν]- | [ς] μαίτυρανς αὐτὸν ϝέκασ[τον καὶ τὸ]- | [νς ἀδευπι] ὸνς οἴ κ’ ἠβίōντι κἠς τõ α[ὐ]- | [τ]õ πατρὸς ἴōντι κ’ ἀδαιτηὶ [․․․․․․․․] | [․․․․․․․․]ρονς αὐτὸν ϝέκαστο[ν – –]” Dazu: Sporn 2002, 168 2073 Koerner 1993, 412–414 2074 Jaillard 2007a, 55/232, Sporn 2002, 168/331/333, Chaniotis 1996, 68/71, RE s v Hermes, 783 2075 SEG 23–547, Z 53 (201/200 v Chr ) 2076 Sporn 2002, 331, Chaniotis 1996, 71 Zum Beinamen: Bile 1988, 135, Anm 245

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zu den Polisgöttern gehörte, welche die Einhaltung des Rechts überwachten2077 Außerdem spielen in den Bestimmungen die Bürgersöhne eine Rolle, für die Hermes in Gortyn wie andernorts eine zentrale Identifikationsfigur war In Hermesheiligtümern schworen die jungen Männer am Ende ihrer Ausbildungszeit auf die Gesetze der Polis und ihrer Grenzen2078 Die vorliegende Inschrift zeigt nun, dass diese Aufgabe von Hermes nicht nur in den extraurbanen Heiligtümern, sondern auch in den gesetzlichen Institutionen, die sich im Zentrum der Stadt befanden, relevant war Daran zeigt sich ein weiteres Mal, wie wichtig die Grenzen für die bürgerliche Identität waren und wie durch den Hermeskult die Verbindung der verschiedenen Räume der Polis betont werden konnte Als Schwurgott kommt Hermes auch außerhalb Kretas vor So wurde der Symmachievertrag zwischen Philipp II von Makedonien und den Chalkidiern gegen Athen, in dem Hermes unter den Schwurgöttern erscheint, bereits diskutiert2079 Ferner gewährt Herodot, der nach eigenen Angaben die Region bereiste, einen kurzen Einblick in die thrakische Götterwelt2080: „Was die Götter betrifft, verehren sie nur folgende: Ares, Dionysos und Artemis Ihre Könige – abweichend von den anderen Volksangehörigen – verehren Hermes am meisten von den Göttern und leisten nur bei ihm Eide; sie behaupten auch, sie selbst stammten von Hermes ab “

Zu erklären sei der Schwur mit der königlichen Genealogie: Hermes erscheint sehr prominent in der Ahnenliste2081 Zu den auch für die thessalischen Herrscherfamilien skizzierten Gründen, Hermes als Ahnherr zu wählen, tritt in Thrakien noch ein Spezifikum des thrakischen Königtums: Um die Königsmacht in der jeweiligen Domäne zu festigen, wurden jährlich Reisen durch das Herrschaftsgebiet unternommen, wofür Hermes als Geleiter und Gott der Wege prädestiniert war2082 Die enge Beziehung der thrakischen Herrscher zu ihrem göttlichen Stammvater lässt sich auch in den Bildnissen auf den Münzen greifen2083 Frühe Beispiele dafür sind eine Dekadrachme der Derronen (520/480 v Chr ), auf deren Avers Hermes mit Kerykeion neben einem von 2077 Vgl Allan 2018, 15, Sachs 2017, Chaniotis 1996, 68–71 2078 Hierzu: 2 1 1 2 Grenzheiligtümer/2 5 1 Hermes als Gott des Gymnasions 2079 Vgl TAPhA 65 (1934), 105, Z 12–16 (=Tod 1950, Nr 158, 357/356 v Chr ) Hierzu: 2 1 4 3 Grenzen bewahren 2080 Hdt 5, 7 (Übersetzung Nesselrath 2017): „θεοὺς δὲ σέβονται μούνους τούσδε, Ἄρεα καὶ Διόνυσον καὶ Ἄρτεμιν οἱ δὲ βασιλέες αὐτῶν, πάρεξ τῶν ἄλλων πολιητέων, σέβονται Ἑρμέην μάλιστα θεῶν, καὶ ὀμνύουσι μοῦνον τοῦτον, καὶ λέγουσι γεγονέναι ἀπὸ Ἑρμέω ἑωυτούς “ Zum Kult in Thrakien: Bichler 2000, 88–89, Archibald 1999, 427–468, Gočeva 1984, 269–274 2081 Allan 2018, 14, Peter 1997, 49/140 Die ältere Forschung sah Ares und Hermes als Götter mit thrakischen Ursprüngen an, was aufgrund der Linear-B-Funde widerlegt werden konnte (Archibald 1999, 432 mit älterer Literatur) 2082 Peter 1997, 49 2083 Vgl Paunov 2015, 265–292

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zwei Ochsen gezogenen Wagen steht2084, und eine Oktodrachme (470 v Chr ) von dem edonischen König Getas, auf der wahrscheinlich Hermes neben zwei Rindern abgebildet ist2085 Beide Münztypen nehmen auf den Rinderdiebstahl von Hermes Bezug, der sich einer Überlieferung nach in Thrakien zugetragen haben soll In historischer Zeit können solche Praktiken inszenierter Raubzüge als Initiationsrituale junger Männer und vor allem von Königssöhnen bezeichnet werden2086 Es ist daher kaum überraschend, dass die thrakischen Könige Hermes als Rinderdieb auf den Avers ihrer Münzen prägen ließen Besonders häufig griffen die odrysischen Könige auf Attribute des Hermes zurück: Einige Silber- und Bronzemünzen der Könige Medokos (ca 410/405–ca 387 v Chr ) und Amadokos II (ca 359–ca 351 v Chr ) tragen auf dem Avers eine Doppelaxt und ein Kerykeion2087 Während die Doppelaxt das Zeichen des kriegerischen Ares war, stand das Kerykeion für Hermes, den mythischen Stammvater der thrakischen Könige2088 Außerdem wurde Hermes als Schwurgott verehrt, sodass das Kerykeion in der konfliktreichen Zeit der Herrschaft von Amadokos II sicher seine Vorherrschaft gegenüber den anderen Teilkönigen hervorheben wollte2089 In der Regierungszeit von Teres III (ca 351–342/341 v Chr ) war Hermes bereits von den Vorderseiten der Münzen verschwunden und nur noch selten erschien auf dem Revers eine Herme2090 Dagegen ließ der Diadochenherrscher Lysimachos (283–282 v Chr ) die Tradition wieder aufleben, wie mehrere Tetradrachmen aus Ainos belegen, welche im Schatz von Plovdiv entdeckt wurden2091 Um einerseits die traditionelle Verbindung von Hermes mit der thrakischen Königsherrschaft zu zeigen und andererseits der makedonischen Darstellungsweise gerecht zu werden, wurde ein neuer Reverstyp entworfen: Die Münzen zeigen eine Herme auf einem Thron Somit wurde Hermes wieder sehr deutlich mit der Königsherrschaft in Verbindung gebracht, obwohl nicht mehr das Kerykeion, sondern das im 3 Jh  v Chr verbreitete Götterbild verwendet wurde Die Ausführungen Herodots zu den thrakischen Gottheiten sind als Interpretatio Graeca zu werten, da der Autor aus seiner griechischen Perspektive und für ein griechisches Publikum schrieb2092 In Herodots Weltbild sind die Thraker „ein Volk von 2084 Vgl Babelon II 1, 1444 Auch Münzen aus Ichnai tragen Hermes auf dem Avers: Tatscheva 1998, 620 2085 Tatscheva 1998, Nr 1–9 (um 470 v Chr ) Für weitere Beispiele: Tatscheva 1998, 613–626 2086 Vgl Johnston 2002a, 109–132, Sick 1996, 70–102 2087 Peter 1997, 89–99/132–140 Münzen des Teres III (ca 351–342/341 v Chr ) zeigen manchmal ein Kerykeion auf dem Revers (Peter 1997, 141, Anm 766) Benjamin Isaac interpretiert die Doppelaxt als Symbol des thrakischen Dionysos (Isaac 1986, 152) 2088 Peter 1997, 95/135/138, Anm 750 2089 Peter 1997, 140, Wiesner 1963, 134 2090 Peter 1997, 152/218 Eine Ausnahme ist eine Münze des Adaios (zweites und drittes Viertel des 3 Jh  v Chr ): Youroukova 1976, Nr I 18, Taf XIV 2091 Peter 1997, 223–224 (Legende: ΒΑΣΙΛΕΟΣ ΛΥΣΙΜΑΧΟΥ) Siehe auch: Dimitrov 1987, 67 2092 Vgl Schwab (im Druck), Parker 2017, 33–76

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vertrauten Fremden“2093, weil es schon in archaischer Zeit Austauschprozesse im militärischen und wirtschaftlichen Bereich gab Trotzdem wurden die Menschen und ihre Sitten als fremd und andersartig wahrgenommen Nicht nur bei Herodot, sondern in der gesamten Überlieferung galten die Thraker als kriegerisches Volk, womit sich die spezielle Verehrung von Ares und Artemis erklärt Dionysos spielte in den ekstatischen Kulten eine große Rolle, die ebenfalls laut Herodot Teil der thrakischen Kultur seien Hermes wiederum identifizierte er mit einer thrakischen Gottheit, weil ihn die Erzählungen und Praktiken an die Mythen von und den Kult für Hermes erinnerten Demnach war zur Zeit Herodots auch im zentralgriechischen Raum die Vorstellung von Hermes als einem Schwurgott verbreitet Dies bezeugen auch die Anrufungen des Hermes in den Komödien des Aristophanes: In Athen fungierte er mindestens in nicht-öffentlichen Kontexten als Schwurgott2094 Die fehlende Nennung des Gottes außerhalb dieser Gattung lässt sich möglicherweise mit dem Kult der Göttin Dike in Athen erklären, der einige Parallelen zum Hermeskult aufweist2095 So wurde die Göttin des personifizierten Rechts und der Rechtsprechung als Tochter und Botin des Zeus bezeichnet und stand mit den Göttern, die in der Unterwelt Recht sprachen, in Kontakt2096 2.6.3.2 Persönliche Verfluchungen Die Fluchtafeln oder Defixiones waren in der Antike eine sehr verbreitete Form des Schadenzaubers Diese umfangreiche Quellengattung kann in verschiedene Kategorien unterteilt werden: Wettkampffluch (defixio agonistica), Liebesfluch (defixio amatoria), Wirtschaftsfluch (defixio commercialis), Verbrechensfluch (defixio criminalis), Gerichtsfluch (defixio iudiciaria) und unbestimmbarer Fluch (defixio indeterminabilis) Jüngst sprach sich Martin Dreher dafür aus, die Zuordnung zu einer Kategorie nicht auf der Grundlage uneindeutiger Indizien vorzunehmen, da so eine Verarmung der historischen Interpretation zu befürchten sei2097 Die folgenden Ausführungen orientieren sich an dieser strengeren Kategorisierung, sodass nur die eindeutig zu bestimmenden Flüche besprochen werden Die Defixiones sollten andere Personen mithilfe von übernatürlichen Kräften an bestimmten Handlungen hindern oder zu solchen zwingen Von allen in dieser Quel2093 Bichler 2000, 66/88–89 Dazu: Rabadjiev 2015, 444, Gočeva 1984, 269–274 2094 Vgl z B Aristoph Equ 296–302 Dazu: Ath Agora 3, 102–108 2095 Aischyl Eum 539–540 erwähnt einen Altar der Dike Siehe auch: Aischyl frg 281a (Radt), Soph Oid K 1382, Demosth or 25, 35 Zum Kult der Dike: LIMC s v Dike, Hirzel 1907 2096 Zudem schworen die Gymnasiarchen und die Kampfrichter in Beroia bei Hermes, wie die Gesetzesinschrift aus dem Gymnasion der Stadt belegt, die jedoch außerhalb des Untersuchungszeitraumes liegt [LGBeroia col A, Z 26 (ca 180 v Chr )] Dazu: Lupu 2005, 249–259 mit Übersetzung 2097 Dreher 2019, 290–291

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lengattung vorkommenden Gottheiten ist Hermes der am häufigsten genannte Bisher sind insgesamt 93 Tafeln vor allem aus Athen gefunden worden, die eine Anrufung an den Gott enthalten2098 Zum Vergleich: Am zweithäufigsten wird Persephone genannt, wobei nur 44 Tafeln ihren Namen tragen Die Mehrzahl der Defixiones, die eine Anrufung an Hermes enthalten, datiert in die Phase zwischen dem 4 und 2 Jh  v Chr Ebenfalls eine höhere Anzahl der gefundenen Fluchtafeln gehört in die Zeit vom 2 bis 3 nachchristlichen Jahrhundert Für den Großteil der Defixiones (62 Tafeln), die eine Anrufung an Hermes enthalten, kann die Fluchart nicht mehr sicher bestimmt werden Darüber hinaus sind ein Wettkampffluch und zwei Verbrechensflüche an Hermes belegt, die allerdings in nachchristlicher Zeit verfasst wurden2099 Hinzukommen fünf Wirtschaftsflüche, von denen vier aus dem in dieser Arbeit behandelten Zeitraum stammen2100 Außerdem wurden acht Liebesflüche mit Anrufung an Hermes gefunden, von denen nur zwei in das hier untersuchte Zeitfenster passen2101 Die umfangreichste Gruppe wird von elf Gerichtsflüchen gebildet, von denen neun aus dem bearbeiteten Zeitraum stammen2102 Wiederum acht von diesen sind in Athen gefunden worden2103 Zu dieser Kategorie gehören diejenigen Flüche, die im Verlauf eines Gerichtsprozesses ausgesprochen wurden2104 Weitere sechs Defixiones wurden in der Vergangenheit aufgrund nicht eindeutiger Indizien als Gerichtsflüche mit einer Anrufung an Hermes interpretiert2105 Damit bilden die Gerichtsflüche im behandelten Zeitraum die größte Gruppe innerhalb der Fluchtafeln mit Anrufungen an Hermes, weshalb diese im Folgenden ausführlicher besprochen werden sollen Die persönlichen Gerichtsflüche sind als eine Praxis zu bezeichnen, die außerhalb der offiziellen Religion stand und damit auch außerhalb der Polisinstitutionen Da 2098 Vgl Datenbank TheDeMa 2099 Wettkampffluch: TheDeMa 61 (3 Jh ); Verbrechensfluch: TheDeMa 224 (=SEG 30–326, 1 Jh )/772 (2 Jh ) 2100 Wirtschaftsflüche: TheDeMa 1090 (5 /4 Jh  v Chr )/202 (=IG III 3, 87, 4 Jh  v Chr )/965 (=IG III 3, 84, 4 Jh   v Chr )/201 (=IG III 3, 109, 3 Jh   v Chr ) Späteres Beispiel: TheDeMa 474 (2 Jh ) Hierzu: 2 6 1 2 Marktteilnehmer 2101 Liebesflüche: TheDeMa 104 (=SEG 37–218, 4 Jh  v Chr )/185 (=SEG 37–389, 4 –1 Jh  v Chr ) Spätere Beispiele: TheDeMa 182 (=SEG 34–952, 2 –1 Jh  v Chr )/322 (=SEG 8–574, 2 –3 Jh )/323 (2 – 3 Jh )/324 (=SEG 38–1837, 2 –3 Jh )/298 (=SEG 41–1844, 2 –3 Jh )/110 (=SEG 26–1717, 3 –4 Jh ) 2102 Gerichtsflüche: TheDeMa 442 (4 Jh  v Chr )/613 (=IG III 3, p VIII, 4 Jh  v Chr )/120 (=IG III 3, 107, 4 Jh  v Chr )/300 (=SEG 48–354 bis 356, ca 375 v Chr )/118 (=IG III 3, 103, 323 v Chr )/962 (=IG III 3, 81, 3 Jh  v Chr )/967 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr )/976 (=IG III 3, 105, 3 Jh  v Chr )/977 (=IG III 3, 106, 3 Jh  v Chr ) Spätere Datierung: TheDeMa 474 (2 Jh )/298 (=SEG 41–1844, 2 – 3 Jh ) Zur Diskussion der Kategorie „Prayer for Justice“: Dreher 2010 Siehe auch: Dreher 2012, Rieß 2012, 192–196 mit älterer Literatur, Versnel 1991 2103 TheDeMa 613 (=IG III 3, p VIII, 4 Jh  v Chr ) stammt von Melos 2104 Dreher 2019, 291 2105 TheDeMa 119 (=IG III 3, 95, 4 Jh  v Chr )/328 (=SEG 54–396, 4 Jh  v Chr )/960 (=IG III 3, 79, 3 Jh  v Chr )/595 (2 Jh )/596 (2 Jh )/141 (=IG III 3, p XVII–XIX, 2 –3 Jh ) Insgesamt sind aus der griechischen Antike 72 Gerichtsflüche überliefert, die vor allem aus dem 4 Jh  v Chr stammen und in Athen gefunden wurden (Dreher 2019, 294–295)

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sich die Fluchpraxis jedoch an das offizielle Gerichtswesen anlehnte, können die Gerichtsflüche als komplementär zu den Institutionen der Polis bezeichnet werden2106 Die defixiones iudiciariae wurden während der offiziellen Rechtsakte von einzelnen Akteuren verwendet Daher setzt die Produktion individuelle Akteure voraus2107 Zwar gehörten die Fluchtafeln nicht zu den Polisinstitutionen, sie waren aber im Polisalltag „embedded“, wie die zahlreichen Funde aus dem gesamten Mittelmeerraum zeigen Die Fluchenden entschieden sich für eine Praxis, die trotz ihrer Verbreitung als gesellschaftlich geächtet galt So lässt Platon in seinen Dialog „Nomoi“ den Athener vorschlagen, dass Fluchende bei nachweislichem Schaden zur Rechenschaft gezogen werden sollten2108 Tatsächlich ist aber nur aus Teos ein gesetzliches Verbot von Flüchen, welche die Polis oder einzelne Bürger betrafen, bekannt2109 Die Fluchtafeln wurden angefertigt und niedergelegt, um bei individuellen Wünschen Hilfe von übernatürlichen Kräften, die für das jeweilige Anliegen als zuständig erachtet wurden, zu erhalten Demzufolge könnten die Gottheiten und übernatürlichen Kräfte, die in Gerichtsflüchen angerufen wurden, im Kontext von Recht und Gerichtswesen der jeweiligen Polis grundsätzlich präsent gewesen sein Zu diesen Gottheiten zählte beispielsweise Hermes, sodass es nicht verwundert, dass sein Name in Fluchtafeln mit rechtlichem Inhalt erscheint Außerdem wurde Hermes stets als ambivalente Gottheit charakterisiert und war somit dafür prädestiniert, sowohl im offiziellen Gerichtswesen als auch in den persönlichen Verfluchungen zu agieren In den Gerichtsflüchen treten hauptsächlich Beklagte, aber vereinzelt wohl auch Kläger als Defigentes auf2110 Im Fall der hier behandelten Exemplare verfluchten immer Einzelpersonen ihre Gegner vor Gericht Daher können die Opfer Kläger oder Beklagte sein Seltener werden Amtsträger wie der Polemarchos verflucht, wobei Hermes in den bisher gefundenen Tafeln nur einmal auftaucht2111 Daneben sollten die Flüche in Ausnahmefällen auch Richter treffen, wobei Hermes in einem Fall genannt wird2112 Hermes erhält im Kontext der Gerichtsflüche entweder keinen Beinamen2113 (zwei Tafeln) oder trägt die Epitheta Χθόνιος2114 (der Unterwelt/der Erde zugehörig, drei Tafeln), Κάτοχος2115 (der Unterdrücker/Fessler, drei Tafeln) oder Ἐριούνιος2116 (der Hilfreiche/ 2106 2107 2108 2109 2110 2111 2112 2113 2114 2115 2116

Rieß 2012, 211/218/383 Dreher (im Druck), 4–5 Plat leg 933d–e SEG 31–984/31–985 (475–450 v Chr ) Dreher 2019, 300 Vgl z B TheDeMa 300 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr ) Dazu: Dreher 2019, 303–305 Fluchtafeln gegen Richter: TheDeMa 953 (=IG III 3, 65, 4 Jh   v Chr )/955 (=IG III 3, 67, 3 Jh   v Chr )/231 (=SEG 47–885, 3 Jh   v Chr )/474 (2 Jh ) Nennung Hermes: TheDeMa 474 (2 Jh ) Dazu: Dreher 2019, 303–305 TheDeMa 118 (=IG III 3, 103, 323 v Chr )/962 (=IG III 3, 81, 3 Jh  v Chr ) TheDeMa 120 (=IG III 3, 107, 5 –4 Jh  v Chr )/976 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr )/977 (=IG III 3, 106, 3 Jh  v Chr ) TheDeMa 442 (4 Jh  v Chr )/613 (=IG III 3, p VIII, 4 Jh  v Chr )/967 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr ) TheDeMa 300 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr )

2 6 Asty: Agorai

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Wohltätige, eine Tafel) In drei Beispielen wird Hermes als einzige übernatürliche Macht angerufen2117 Außerdem wird er gemeinsam mit chthonischen Göttinnen wie Persephone (drei Tafeln), Hekate (drei Tafeln), Lethe und Ge (jeweils eine Tafel) zum Eingreifen aufgefordert2118 Welche Wünsche und Forderungen wurden an Hermes herangetragen? Da die Fluchtafeln als komplementär zum Gerichtswesen zu bezeichnen sind, können die Beispiele nach dem Grad ihrer Implementierung in das institutionalisierte Polissystem eingeordnet werden Am ehesten auf das städtische Gerichtsverfahren verweisen Tafeln wie die um einen Nagel gerollte Bleitafel aus Attika2119: „Ich binde die hier Eingeritzten hinab, Männer wie Frauen, | all jene, die hier eingeritzt worden sind, vor Hermes dem Unterdrücker, | Ge und Persephone Wenn du jemals diese Dinge in die Welt der Lebenden zurücksendest, nur dann soll es | meinen Gegnern vor Gericht möglich sein, das Ende des Prozesses zu erreichen | […] “

An den Fluch schließt sich eine Namensliste der Verfluchten an Der Wunsch des Fluchenden bewegt sich insofern im Rahmen des offiziellen Verfahrens, als dass Rechtstermini aus der Gerichtspraxis verwendet werden Dieser und andere Flüche wurden in Erwartung, während oder nach Abschluss der Prozesse ausgesprochen, um Einfluss auf diese zu nehmen2120 Dahinter steht die Vorstellung, dass die übernatürlichen Wesen einerseits dazu bereit waren, Hilfe zu leisten, und andererseits, dass Richter und Beteiligte von diesen beeinflusst wurden beziehungsweise werden konnten2121 Hermes erhält den Beinamen Κάτοχος, der mit „der Unterdrücker“ oder „der Fessler“ übersetzt werden kann Diese Bezeichnung wurde im 4 und 3 Jh  v Chr sowohl in Attika als auch außerhalb verwendet, taucht danach aber nicht wieder auf2122 2117 TheDeMa 613(=IG III 3, p VIII, 4 Jh  v Chr )/962 (=IG III 3, 81, 3 Jh  v Chr )/967 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr ) 2118 Persephone: TheDeMa 442 (4 Jh   v Chr )/118 (=IG III 3, 103, 323  v Chr )/300 (=IG III 3, 88, 3 Jh   v Chr ); Hekate: TheDeMa 120 (=IG III 3, 107, 5 –4 Jh   v Chr )/967 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr )/977 (=IG III 3, 106, 3 Jh  v Chr ); Lethe: TheDeMa 300 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr ); Ge: TheDeMa 442 (4 Jh  v Chr ) 2119 TheDeMa 442 (4 Jh  v Chr , Übersetzung nach Chiarini TheDeMa und Cubera/Papakonstantinou 2018, 218): „Καταδ[έω] τὸς ἐνθαῦτα ἐνγεγραμμένος καὶ ἄνδρας καὶ γυν- | αῖκας ὅσοι ἐνθαῦτα ἐνγεγραμένοι εἰσίν, πρὸς Ἑρμῆν Κάτοχον καὶ Γ- | ῆν καὶ Περσεφόνειαν καὶ ὅσπερ οἳ παρ[ὰ] ταύτην ἀφικνõνται οἴκαδε νοστõσι ὅτως οἱ ἐν- | θαῦτα ἀντίδικοι τέλος λαβόντον τῆς [δίκ]ης […]“ Dazu: Dreher 2019, 298–300 Siehe auch: TheDeMa 118 (=IG III 3, 103, 323 v Chr )/120 (=IG III 3, 107, 4 Jh  v Chr )/613 (=IG III 3, p VIII, 4 Jh  v Chr )/960 (=IG III 3, 79, 3 Jh  v Chr )/962 (=IG III 3, 81, 3 Jh  v Chr )/976 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr )/977 (=IG III 3, 106, 3 Jh  v Chr ) 2120 Dreher 2019, 306 2121 Papakonstantinou 2018, 232–233 2122 TheDeMa 113 (4 Jh   v Chr )/182 (=SEG 34–952, 2 /1 Jh   v Chr )/184 (=SEG 35–978, 4 Jh  v Chr )/201 (=IG III 3, 109, 3 Jh  v Chr )/202 (=IG III 3, 87, 4 Jh  v Chr )/207 (=IG III 3, 86, 4 Jh   v Chr )/210 (350  v Chr )/214 (=SEG 37–222, 4 /3 Jh   v Chr )/235 (4 Jh   v Chr )/436 (ohne Datierung)/613 (=IG III 3, p VIII, 4 Jh   v Chr )/761 (4 Jh   v Chr )/848 (=IG III 3, 90, 4 Jh  v Chr )/964 (=IG III 3, 83, 3 Jh  v Chr )/966 (=IG III 3, 85, 3 Jh  v Chr )/967 (=IG III 3, 88,

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Mit dem Epitheton wird dem Wunsch Ausdruck verliehen, dass Hermes gemeinsam mit den chthonischen Göttinnen Persephone und Ge die Gegner an einer Handlung hindern möge Im vorliegenden Fall zielt der Verfluchende sogar darauf ab, dass die Gottheiten seine Gegner töten, wie die letzten beiden Zeilen verdeutlichen Nur wenn Persephone, hier mit „du“ angesprochen, die „Dinge“ – gemeint sind wahrscheinlich die sterblichen Überreste, in deren unmittelbarer Umgebung die Tafel abgelegt wurde – wieder zum Leben erwecken würde, dann sollten auch die Gegner bis zum Ende des Prozesses überleben2123 Fluchtafeln, in denen Hermes vor allem ersucht wurde, den oder die Gegner unschädlich zu machen, sind außerhalb der Polisnormen anzusiedeln Bei diesen Defixiones wurde häufig das Verb καταδέω verwendet und mit den zu bindenden Fähigkeiten oder Körperteilen verbunden2124 Zum besseren Verständnis wird eine Bleitafel aus Attika näher betrachtet2125: „RECTO: Oh Hermes Chthonios, lass Pythoteles gebunden sein vor Hermes Chthonios und Hekate Chthonia, | und auch seine Zunge und seine Worte und Taten  | Oh Hermes Chthonios, lass Pythoteles gebunden sein vor Hermes Chthonios und Hekate | Chthonia, und auch seine Zunge und seine Worte und Taten Oh Hekate Chthonia | und Hermes Chthonios Lass Trou[…] gebunden sein vor Hermes Chthonios und | Hekate Chthonia, und auch seine Zunge und seine Worte und Taten  | Lass Sosigenes gebunden sein vor Hermes Chthonios und | Hekate Chthonia, und auch seine Zunge und seine Worte und Taten VERSO: So wie diese Bleitafel kalt und kraftlos ist, so sollen auch | die Worte und Taten und die Zunge von den hier Eingeritzten kalt und kraftlos sein  | […] und vor Gericht […] | und den Frauen […] von den hier Eingeritzten […] “

Verflucht werden mehrere männliche Personen, wobei für jede die gleiche Formulierung verwendet wird: Zuerst werden die betreffenden Götter Hermes Χθόνιος und 3 Jh  v Chr )/968 (=IG III 3, 91, 3 Jh  v Chr )/970 (=IG III 3, 93, 3 Jh  v Chr )/991 (=IG III 3, 125, 3 Jh  v Chr )/1010 (=IG III 3, 161, 3 Jh  v Chr ) 2123 Cubera/Papakonstantinou 2018, 218 2124 Dreher 2019, 305–306 2125 TheDeMa 976 (=IG III 3, 88, 3 Jh   v Chr ) Inschrift: „RECTO: Ἑ]ρμῆ χθ[ό]νιε καταδε[δέσθω Πυθοτέ]λης πρὸς τὸν Ἑ[ρμῆν τὸν χθόνιον καὶ τὴν Ἑκάτη-] | ν τὴν χθονίαν καὶ [γλῶτταν] καὶ ἔπη κ[αὶ ἔργα ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․] | [Ἑρμῆ χθόνι]ε· κατα[δεδέσθ]ω Πυθοτέλης πρὸς τὸ[ν Ἑρμῆν τὸν χθόνιον καὶ τὴν] | [Ἑκάτην τὴ]ν χθον[ίαν καὶ γ]λῶτταν καὶ ἔπη καὶ [ἔργα· Ἑκάτη χθονί-] | α καὶ Ἑρμῆ χθόνιε· κ[αταδεδέσ]θω Τρου ․ ․ ․ [πρὸς τὸν Ἑρμῆν τὸν χθόνιον καὶ τὴν Ἑκ-] | άτην τὴν χθονίαν· [καὶ γλῶττα]ν καὶ ἔπ[η καὶ ἔργα ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․ ․] | [․ ․ καταδεδέσθ]ω [Σ]ωσιγέν[ης] πρὸς τὸ[ν Ἑρμῆν τὸν χθόνιον καὶ τὴν | Ἑκάτην τὴν χθονίαν καὶ γλῶτταν] καὶ ἔπη καὶ ἔργα VERSO: Ὡς οὗ[το]ς ὁ μόλυ[βδ]ος ψυχρὸς καὶ ἄ[θ]υμος [οὕτως καὶ τὰ τῶν ἐνταῦθα γεγ]- | ραμμένων ψυχρ[ὰ ταὶ ἄθυμα ἔστω] καὶ ἔπη καὶ ἔργα κ[αὶ γλῶττα ] | ΑΙ ΕΚΤ Σ καὶ ἐν δικαστ[ηρίωι ] | [κ]αὶ γυναικῶν [ τῶν ἐ]ν[ταῦθα] γεγραμ[μένων ]“ Siehe auch: TheDeMa 977 (=IG III 3, 106, 3 Jh  v Chr )

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Hekate Chthonia angerufen und anschließend wird erläutert, wer und wie zu binden sei2126 Der Beiname Χθόνιος wurde in den Fluchtafeln bereits im 5 /4 Jh  v Chr verwendet und blieb bis zum Verschwinden der Quellengattung präsent Nach dem Wunsch des Fluchenden sollten die angerufenen Götter die Zunge sowie die Worte und Taten der Prozessgegner fesseln In anderen Texten werden außerdem einzelne Körperteile oder Fertigkeiten, die Seele, der Geist, die momentanen oder künftigen Pläne und seltener der Tod genannt2127 Demnach kann sich die Bindung auf die Person, aber auch auf die vor Gericht nötigen Fähigkeiten beziehen Zumeist wurden die Gerichtsflüche während der offiziellen Rechtsakte verwendet, gleichzeitig verdeutlichen sie aber, dass die Akteure ein persönlich empfundenes Recht umgesetzt wissen wollten, wenn das institutionalisierte Rechtssystem versagte2128 Daher hält Martin Dreher fest: „In vielen Fällen kommt es ihnen offenbar nicht vorrangig darauf an, »nur« ihr »objektives«, gesetzliches Recht durch den Gewinn des Prozesses zu erlangen, sondern in stärkerem Umfang darauf, ihr tief empfundenes, »subjektives« Recht, über dessen Verletzung sie empört sind, durch Schädigung oder Vernichtung der Gegner, sozusagen ohne Rücksicht auf Verluste, durchzusetzen “2129 Somit war mit dem „Recht“ weniger das geschriebene Gesetz als vielmehr das individuell wahrgenommene „Zustehen“ aufgrund gesellschaftlicher Konventionen und gesellschaftlichem Status gemeint Dieses erlangte, weil es temporär war und eine erhebliche Gefahr für andere darstellen konnte, nie den Status von Polisgesetzen Gleichzeitig wurde solches Verhalten von den Bürgern praktiziert und toleriert, was für eine Institutionalisierung der Fluchpraxis spricht Anhand der Fluchtafeln werden drei Dinge bestätigt, die für den Hermeskult charakteristisch waren: Zum Ersten galt Hermes als derjenige, der Einzelnen hilfreich und wohltätig zur Seite stand So erklärt sich auch, warum auf einer Bleitafel, die auf dem Kerameikos gefunden wurde und einen Gerichtsfluch trägt, Hermes den Beinamen Ἐριούνιος2130 (der Hilfreiche/Wohltätige) erhielt Gleichzeitig wird noch einmal vor Augen geführt, dass Hermes als derjenige Gott galt, an den sich die Menschen mit sehr persönlichen und eigennützigen Wünschen wenden konnten, ohne eine göttliche Strafe für sich selbst befürchten zu müssen Zum Zweiten zeigt sich, wie schon im Abschnitt zu den Nekropolen, dass Hermes sich der antiken Vorstellung gemäß regelmä2126 Hekate trägt den Beinamen Chthonia sogar nur in Verbindung mit Hermes Χθόνιος (Henrichs 1991, 183) 2127 Rieß 2012, 212 mit Anm 234, Graf 1996, 130–131 Nur auf fünf von insgesamt 111 Exemplaren, auf denen die Betroffenen zum Tode verflucht wurden, wurde Hermes genannt, wobei nur drei in den hier behandelten Zeitraum fallen [TheDeMa 1070 (=SEG 51–978, ca 480–440  v Chr )/1074 (=SEG 51–979, ca 400–350 v Chr )/442 (4 Jh v Chr )] Siehe auch: TheDeMa 280 (2 /1 Jh  v Chr )/224 (=SEG 30–326, 1 Jh )/358 (1 –2 Jh ) 2128 Versnel 2019, 349–351, Allan 2018, 83 Zu Recht und Gerechtigkeit als „kollektives Wissen einer Gesellschaft“: Hölkeskamp 2014, 18–19 2129 Dreher 2019, 308–309 2130 TheDeMa 300 (=IG III 3, 88, 3 Jh  v Chr )

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2 Der Hermeskult in den griechischen Poleis

ßig in der Unterwelt aufhielt oder Botschaften zu den dortigen Gottheiten überbringen konnte Daher wählten die Defigentes den Beinamen Χθόνιος Dafür spricht auch die Verwendung der Präposition πρός mit Akkusativ, die nicht nur als Richtungsangabe mit „nach unten gerichtet“ sondern auch mit „in Gegenwart/Anwesenheit von“ zu übersetzen ist2131 Zum Dritten wird gerade bei den Fluchtafeln deutlich, welche Rolle Hermes im Zusammenspiel von persönlicher und öffentlicher Religion zukam Er wurde sowohl im Kontext der offiziellen Polisgerichtsbarkeit verortet, als auch in den Fluchtafeln, die ausschließlich persönliche Interessen widerspiegeln, angerufen Diese zum Teil gewaltsamen Forderungen an die übernatürlichen Wesen haben im Gerichtswesen der Polis keinen Platz, wodurch noch einmal unterstrichen wird, dass die Fluchtafeln als persönliche Praktiken neben den offiziellen bestanden2132 2 6 4 Resümee – Asty Gemeinsam mit dem Besucher im Zentrum der Stadt angekommen, lässt sich festhalten, dass die Agora in den griechischen Poleis der zentrale Ort für die politische Kommunikation war, aber auch der Ort, an dem Handel getrieben wurde Demnach gehörten zu den Kultakteuren die städtischen Magistrate genauso wie die Marktteilnehmer Mithilfe der verwendeten Beinamen unterschieden die Adoranten deutlich zwischen den Einflussbereichen des Gottes Hermen, Stelen oder individuelle, auf die Amtsaufgaben abgestimmte Weihgeschenke für Hermes wurden von den (höchsten) städtischen Amtsträgern und anderen zivilen und militärischen Magistraten nach Ablauf ihrer Amtszeit geweiht Damit erhielten sie ein für alle sichtbares Zeichen ihrer guten Amtsführung, durch die sie die Einhaltung der Ordnung auf der Agora garantiert hatten Diese Ordnung umfasste die politischen und wirtschaftlichen Abläufe genauso wie die dafür nötigen regelmäßigen Kulthandlungen Weihungen an Hermes auf der Agora müssen im Spannungsfeld von Politik, Handel und Identität betrachtet werden Die politische Sphäre wurden bereits im 5 Jh  v Chr vor allem durch den Beinamen Ἀγοραῖος ausgedrückt Im Laufe des 4 Jh  v Chr erweiterte sich dessen Bedeutung, sodass neben die immer noch dominierende politische Funktion auch eine wirtschaftliche trat Im 3 Jh   v Chr war der Dienst für Hermes Ἀγοραῖος dann mit sehr lukrativen Anteilen am Marktumsatz verbunden Wird die Gesamtzahl der Inschriften mit Nennung von Hermes Ἀγοραῖος betrachtet, fällt auf, dass die meisten in die römische Zeit datieren2133 Erklärt werden kann dies damit, dass die 2131 Vgl Rieß 2012, 208–211 2132 Rieß 2012, 388–389 2133 Vgl DNP s v Agoranomoi Beispiele: IG XI, 4, 1143 (röm ), SEG 47–1002 (röm ), CIG 2796 und p 1112 (röm ), AnnEpigr 1980, 866 (röm ), SEG 30–1245 (röm ), CIG 2770 (röm ), SEG 32–690 (röm ), IG IX 2, 94 (röm ), IOSPE I2 128–129 (röm ), IG XII Suppl 402 (röm ), Pouilloux 1954b, Nr 153 (röm ), Pouilloux/Dunant 1958, Nr 194 (röm ) Siehe auch: Bevilacqua 2009, 237

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Römer in den griechischen Städten überall auf der Agora, welche für sie nur der Ort ökonomischen Austauschs war, Hermesdarstellungen vorfanden Darüber hinaus spiegelt die Kultlandschaft auf der Agora das Selbstverständnis einer Gemeinschaft wider, weshalb der Hermeskult für die regionale Identitätsbildung in Bezug auf Landschaften und die lokale Identitätsbildung in Bezug auf die Polis bedeutsam war In der östlichen Peloponnes und in Arkadien konnten zahlreiche Kultorte des Gottes identifiziert werden, wo er mit lokalen Beinamen angesprochen oder gemeinsam mit lokalen Heroen verehrt wurde Weiterhin zeigt sich das verstärkte Zusammenwachsen des außer- und innerstädtischen Bereichs im Hermeskult auf der Agora, denn der Hermeskult bildete eine Brücke zwischen Zentrum und Peripherie Darauf verweisen zum einen die parallelen Kultpraktiken auf der zentralen Agora und in den Demenzentren Zum anderen wurden Beinamen und Kultpraktiken, die ursprünglich dem extraurbanen Bereich zugehörig waren, im Zentrum verwendet, um die Einheit der Polis zu betonen Im letzten Abschnitt wurden die Funktionen von Hermes in Bezug auf das Recht analysiert Im Mythos tritt der Gott immer wieder als Schützer und Wahrer der olympischen Ordnung auf: Als Bote der Götter überbringt er die Entscheidungen von Zeus oder der Götterversammlung und ist für deren Umsetzung verantwortlich Demgemäß ist er ein Vermittler des Rechts Diese Rollen spiegeln sich auch im Kult wider So taucht er in mehreren Texten als Schwurgott auf Außerdem konnten mit dem Recht befasste Magistrate oder die Prozessteilnehmer sich an Hermes wenden Daraus erklärt sich wiederum, dass Hermes in den persönlichen Verfluchungen, die als komplementär zum offiziellen Gerichtswesen bezeichnet werden können, angerufen wurde Gemeinsam mit chthonischen Göttinnen sollte er individuelle Wünsche erfüllen, die sich zum Teil im Rahmen der Polisnormen bewegten, zum Teil aber weit darüber hinaus gingen Es ist demnach festzuhalten, dass Hermes auf der Agora, dem politischen und wirtschaftlichen Zentrum der Stadt, als Gott der Polis, ihrer Institutionen und Bürger wahrgenommen und verehrt wurde

3 Ergebnisse: Hermes – Ein Gott der Bürger Religiöse Praktiken prägten und strukturierten den Alltag der antiken griechischen Menschen Jede Institution einer Polis war religiös aufgeladen und mit ihr waren Handlungen für die Götter verknüpft Entsprechend kann die Institutionengeschichte für die Religionshistorie fruchtbar gemacht werden Die durch sie gewonnene Perspektive zeigt, dass zum Verständnis von Aushandlungsprozessen in der Polis neben den bisher in der Forschung besprochenen politischen und sozialen ebenso die religiösen Institutionen zu untersuchen sind Selbstredend sind diese Kategorien nicht immer eindeutig von einander zu trennen Außerdem lässt sich die Methode nutzen, um nicht mehr nur Entstehungs- sondern auch Wandlungsprozesse sichtbar zu machen Im konkreten Fall konnte die Frage beantwortet werden, wie sich der Hermeskult durch die und gemeinsam mit der Polis veränderte: Hermes wurde in der griechischen Antike in besonderer Weise als ein Gott der Polis, ihrer Institutionen und ihrer Bürger wahrgenommen 3.1 Räume und Akteure Raum und Öffentlichkeit sind wichtige Kriterien für Institutionen, denn letztere werden erst durch die Verankerung, Begrenzung und Markierung im Raum wirkmächtig Fernerhin kommt die topographische Orientierung in der Umwelt der antiken Wahrnehmung am nächsten Dabei dienen Landschaften – im Sinne kultureller, geographischer und sprachlicher Einheiten, Poleis oder Teilräume innerhalb der Stadt – als Bezugspunkte Als Zentren der Hermesverehrung konnten die ägäischen Inseln, vor allem Kreta, Arkadien, Attika, die kleinasiatische Küste, Thessalien und Thrakien ausgemacht werden Hermes war daher einerseits in den Metropolen wie Athen und den kleinasiatischen Poleis ein beliebter Gott Andererseits spielte sein Kult in Landschaften eine Rolle, die nicht durch ein politisches oder religiöses Zentrum geprägt

3 1 Räume und Akteure

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waren, was für Arkadien1, Thessalien2, Thrakien3 und die Insel Kreta4 gilt In Bezug auf die naturräumlichen Gegebenheiten sind die Regionen ebenfalls vergleichbar: Hohe Gebirgszüge kennzeichneten die Landschaften, sodass sich statt der großen Zentren eher kleinere Städte herausbildeten Die Grenzen der städtischen Territorien wurden in friedlichen und kriegerischen Auseinandersetzungen immer wieder überprüft und neu ausgehandelt Mit den Landschaften oder Poleis war Hermes durch Begebenheiten in der mythischen Vergangenheit verbunden So war er in der sakralen Topographie seiner Geburtsorte und anderer Poleis, denen er in Krisenzeiten beigestanden hatte, fest verankert Der Hermeskult in den Landschaften Thessalien und Thrakien zeigt darüber hinaus, dass die Verehrung des Gottes nicht zwangsläufig polisgebunden sein musste, sondern mit Herrschaft, Besitz und Eigentum im Allgemeinen zusammenhing Um aufzuzeigen, an welchen Orten Hermes präsent war und auf welche Weise er von wem als ein Gott der gesamten Polis sowie ihrer einzelnen Teile wahrgenommen und verehrt wurde, dient noch einmal der Weg eines antiken Menschen in eine ideale Stadt als Strukturierung: Der Weg begann an den Grenzen des Polisterritoriums Hermes war bereits im Mythos mit den Grenzen eng verbunden, und dieser Aufgabenbereich wurde zu einem der wichtigsten im Hermeskult In diesem Zusammenhang unterstellten die Menschen dem Gott den Schutz des Eigenen vor dem Fremden und potentiell Gefährlichen Mithilfe von Kultbildern und Altären, seltener auch von kleineren Heiligtümern des Hermes, wurden die Grenzen des Polisgebiets als dem Gott geweihte Orte markiert Wenn solche nicht existierten, versahen die Bewohner natürliche Grenzen mit theophoren, von Hermes abgeleiteten Namen und empfahlen sie so dem Schutz der Gottheit Doch auch kleinere Gefüge, wie die Grenzen des Asty, die Orte der städtischen Institutionen oder die Bürgerhäuser, sollten der antiken Vorstellung gemäß von Hermes bewacht werden Jeder dieser Räume wurde als mehr oder weniger geschlossene Einheit wahrgenommen, die es vor unerwünschten und unerlaubten Zugriffen zu schützen galt Gerade bei den Oikoi, die zum Beispiel in den Komödien des Aristophanes immer wieder als „Polis im Kleinen“ dargestellt werden, 1

2

3 4

Hinweise auf Hermeskult in der Landschaft Arkadien sind für die Poleis Basilis, Heraia, Hermupolis, Kynaitha, Kynosura, Megalopolis, Methydrion, Nonakris, Orchomenos, Pallantion, Pheneos, Phigalia, Stymphalos, Tegea, Thalidai, Thelpousa, Theutis und auf den Bergen Kyllene, Chelydorea, Trikrena, Phalanton, Lykos und Akakesion sowie beim Fluss Alpheios überliefert Zeugnisse für Hermesverehrung wurden an folgenden Orten gefunden: Atrax, Azoros, Euhydrion, Evangelismos, Gardiki, Gonnoi, Iolkos, Krannon, Lamia, Larissa, Limnaion, Malloia, Meliboia, Mopsion, Perrhaibia, Phalanna, Pharsalos, Pherai, Theben, Phytion, Pyrasos und Skotousa Weiterhin war das Gebirge Hermaion nach dem Gott benannt Zeugnisse für Hermesverehrung sind aus den Poleis Abdera, Ainos, Balta-Liman, Chersonesos, Daminon Teichos, Kallatis, Maroneia, Odessos, Pautalia und Philippopolis überliefert Hinweise auf Hermeskult auf Kreta sind für die Poleis Aptera, Chersonesos, Dreros, Eleutherna, Gortyn, Hierapytna, Itania, Kydonia, Lato, Lebena, Lyktos, Melidoni, Olous, Phaistos, Polyrrhenia, Rhaukos, Rhithymna, Sestos, Sybrita, Tylisos sowie für die Kultstätten Myrtos Pyrgos, Hermaia Akra, idäische Grotte und Kato Symi und innerhalb der Gemeinschaft der Ariaioi überliefert

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3 Ergebnisse: Hermes – Ein Gott der Bürger

tritt die Idee von Hermes als Wächter der Zugänge und des Zuhauses deutlich zu Tage Erste Zeugnisse für diese Kultfunktion stammen bereits aus dem 6 Jh  v Chr Spätestens im 5 Jh  v Chr stellten die Griechen dann Hermen als Grenzmarkierungen auf; diese Praxis nahm im Laufe des 4 und 3 Jh  v Chr analog zu der voranschreitenden Befestigung der Städte noch zu Damit wurde dem Gott Hermes eine für die Gemeinschaft und das Individuum zentrale Aufgabe übertragen, denn der Schutz des eigenen Besitzes und der Heimat war für den Fortbestand derselben essentiell Als Akteure an den und in Bezug auf die Grenzen konnten zum einen die dort Lebenden, die ihren Besitz vor feindlichen Übergriffen geschützt wissen wollten, ausgemacht werden Zum anderen gehörten zu den Kultakteuren jene Magistrate, die mit dem militärischen Schutz der Polis beauftragt waren Daneben wurde Hermes als Gott der Grenze gerade von denjenigen um Hilfe gebeten, welche das Polisterritorium auf sichere Weise verlassen wollten oder die bei der Heimkehr von Reisen verschiedenster Art an den Grenzen der Heimatpolis von Hermes willkommen geheißen wurden und ihm dafür dankten Bilder und Kultorte des Hermes zeigten demgemäß den Beginn des Rechtsbereichs einer Polis an Somit handelte es sich bei den Kultpraktiken für Hermes um Bindeglieder zwischen dem Zentrum und der Peripherie in griechischen Poleis, durch die es zur räumlichen Bestätigung und Vergewisserung des eigenen Territoriums kam Neben einzelnen Akteuren begingen Bürgergemeinschaften einiger griechischer Städte gemeinsame Rituale und Festakte, um sich des Schutzes der Polis und ihrer Bürger durch Hermes zu vergewissern Bei den Polisfesten trat Hermes aber nicht nur als ein Gott der Grenzen, sondern auch der Grenzüberschreitung auf Letzteres steht nur scheinbar im Widerspruch zu seiner Funktion als Schützer des Eigenen und der Heimat: Bei den sogenannten Ventilfesten wurden die Grenzen im sozialen Gefüge bewusst überschritten, um nach dem Ende eines festgelegten Zeitraums neu manifestiert werden zu können Bei diesen Anlässen versinnbildlichte der Gott Hermes die Grenzen der politischen, sozialen und geographischen Einheit der Polis Seine Zuständigkeit für die Grenzen, die aus dem Schutz des Eigentums resultierte, ist demnach der Schlüssel zum Verständnis des Gottes Hermes und des für ihn praktizierten Kults Weiterhin führte der Weg des antiken Besuchers der idealen Stadt an extraurbanen Heiligtümern vorbei, die für das Funktionieren der Polis wesentlich waren, weshalb diese nicht losgelöst von der sie verwaltenden Polis betrachtet werden können Die Einrichtung und Nutzung solcher Heiligtümer unter anderem für Hermes ist seit dem 6 Jh   v Chr greifbar Sie waren Anlaufstelle für diejenigen, die nicht regelmäßig an Kulthandlungen in dem Asty teilnehmen konnten oder wollten Folglich wurden die außerstädtischen Heiligtümer parallel zu den innerstädtischen eingerichtet und vor allem von den im Umland wohnenden und arbeitenden Bürgern besucht Am Beispiel des Hermeskults konnte gezeigt werden, dass die Heiligtümer als gleichberechtigt mit denen in dem Asty zu interpretieren sind Häufig wurden die heiligen Orte für Hermes an die naturräumlichen Gegebenheiten angepasst, welche wiederum mit lokalen

3 1 Räume und Akteure

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Gottheiten verknüpft waren Wie bei den Grenzheiligtümern ist auch bei den außerstädtischen Heiligtümern mit weiteren Besuchergruppen zu rechnen, die aufgrund ihrer Mobilität ihren religiösen Bedürfnissen in den in der Chora gelegenen Heiligtümern nachgingen Im außerstädtischen Bereich, für den die Zeugnisse im 4 Jh  v Chr verstärkt auftreten, wurde Hermes als wohltätiger Gott und Gott der Herden verehrt Wegen der positiven Umdeutung des Hirtenlebens erfuhr der Kult für Hermes als extraurbane Gottheit ab dem 3 Jh  v Chr neue Intensität Noch im extraurbanen Bereich begann das Straßennetz einer Polis, welches ihr gesamtes Territorium durchzog und durch welches eine Verknüpfung zwischen dem Außen und Innen, der Peripherie und dem Zentrum, geschaffen wurde Hermes, der seit den homerischen Epen als Geleiter der Heroen und Menschen charakterisiert wurde, galt als Schutzpatron auf den Straßen und Wegen Im Kult spielte diese Funktion ebenfalls von Anfang an eine Rolle: Die Steinhaufen, die zu den frühesten Zeugnissen für den Hermeskult gehören, waren an Hermes als den Gott der Wege und Reisenden gerichtet Somit zählte das Geleit so wie der Schutz der Grenzen zu den ältesten und gleichzeitig bedeutendsten Kultfunktionen des Gottes Das Bedürfnis, Hermes als Geleiter für bevorstehende Wege und Reisen zu gewinnen, war groß Abermals erbaten sowohl die Polisgemeinschaft als auch kleinere Gruppen oder Individuen den Beistand von Hermes Einzelne ersuchten den Gott auf Reisen außerhalb und innerhalb des Polisterritoriums um Hilfe Als Gott aller Wege symbolisierten er und seine Götterbilder die von der Polis vorgegebene Infrastruktur und Verwaltung, genauso wie die religiösen und gesellschaftlichen Regelungen, denn die gedachte Teilnahme von Hermes etwa bei der Hochzeitsprozession war Zeichen dafür, dass die Handlung im Rahmen der von der Polis vorgegebenen Normen stattfand Dies war besonders an gefährlichen Schwellensituationen wichtig Wiederum wurden seinen Kultplätzen mehrere Funktionen zugeschrieben: Sie dienten als Orientierung, als Ruheplätze und als Schutzorte Hierbei wird deutlich, dass Hermes als Polisgottheit und als persönlicher Schutzgott in schwierigen Situationen angerufen wurde Hermes konnte die Menschen auch auf ihrem letzten Weg begleiten, womit unser fiktiver Besucher im Proastion und in der Nekropole angekommen ist Diese Funktion, die in der vergangenen Forschung übermäßig präsent war, findet nur in wenigen antiken Zeugnissen ihren Niederschlag Sicherlich hatte Hermes eine enge Beziehung zum Chthonischen, womit sowohl die Unterwelt als auch die Erde gemeint war Diese Verbindung hatte jedoch einen anderen Ursprung, als bisher angenommen wurde: Hermes ist seit dem späten 6 Jh  v Chr als ein Gott, der in die Unterwelt geht und sich dort aufhält, greifbar In allen überlieferten Beispielen mythischer Erzählungen fungiert er stets als Bote von Zeus und der Götterversammlung sowie als Vermittler zwischen den Menschen und den Göttern der Unterwelt, nicht aber als Seelengeleiter Diese Funktion des Hermes tritt erst am Ende des 4 Jh  v Chr neben die bereits genannten Aufgabenbereiche, wobei eine erwähnenswerte Menge an Zeugnissen erst

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3 Ergebnisse: Hermes – Ein Gott der Bürger

aus dem 3 Jh  v Chr und vor allem den darauffolgenden Jahrhunderten stammt Dagegen erklärt sich die enge Beziehung von Hermes zur Erde mit seiner Patronage über das Eigentum, welches sowohl den Landbesitz Einzelner und der Polis als auch die Heimat (πατρίς) umfasste Alle drei waren schützenswert und dienten ihrerseits dem Erhalt der Gemeinschaft Gründe für die geringe Zahl der Quellen für Hermeskult im Kontext von Grab und Tod sind unter anderem in seinem Aufgabenbereich als Gott der Polis und ihrer Bürger zu suchen: Nach dem Tod spielte Hermes zumeist nur dann eine Rolle, wenn auf Verdienste von Bürgerinnen und Bürgern im Leben rückverwiesen oder solche für die zu früh Verstorbenen beansprucht werden sollten Es galt als besondere Auszeichnung, von Hermes abgeholt und zum Eingang der Unterwelt begleitet zu werden An diesen Objekten des Grab- und Totenkults fällt besonders die dezidierte Hinwendung beider Geschlechter an den Gott ins Auge Zudem tritt das Nebeneinander von öffentlichem und persönlichem Bedürfnis deutlich zutage: Einerseits diente der Grabschmuck der öffentlichen Selbstdarstellung der Familie, andererseits war das Grab ein Ort der persönlichen Trauer Somit erklärt sich die hohe Individualität einzelner Stelen Der Erhalt und Fortbestand der Polisgemeinschaft stand auch beim Hermeskult in der Institution des Gymnasions im Zentrum Vorformen der Gymnasia verbanden die Bereiche des Militärs und des Sports miteinander Dass und warum Hermes für die militärischen Amtsträger sowie die Bürgersoldaten ein wichtiger Ansprechpartner war, wurde bei den Ausführungen zu den Grenzen deutlich Diese Gruppen brachten den Gott in die Übungsstätte mit, die sich später zum Gymnasion entwickelte Da sich die Institution mit ihrem festen System zur militärischen und sportlichen Ausbildung in den griechischen Poleis erst im 4 Jh  v Chr ausformte, stammt erst aus dieser Zeit eine nennenswerte Anzahl von Quellen Mit der institutionalisierten Erziehung der Bürgersöhne sollte dafür Sorge getragen werden, dass die zukünftigen Bürger mit den Regeln und Normen der Polis, zu denen auch die religiösen Verpflichtungen gehörten, vertraut gemacht wurden Für dieses Konglomerat an Aufgaben, die mit der Erziehung zusammenhingen, war Hermes prädestiniert, da er in der antiken griechischen Vorstellung die Regeln und Normen für das Zusammenleben in der Polis zu den Menschen gebracht hatte und diese beschützte Außerdem war Hermes auch hier ein Gott der Grenzen und ein Helfer an Schwellensituationen, zu denen der Übergang von der Kindheit zur Jugend und ins Erwachsenalter gehörte Daher wandten sich im Gymnasion die städtischen Magistrate, die für den Ablauf und die Organisation desselben zuständig waren, und die jungen Männer an Hermes, woran das Nebeneinander von öffentlichen und persönlichen Bedürfnissen ersichtlich wird Die Zeugnisse für Hermes als Gott des Gymnasions nehmen im 3 Jh   v Chr und noch einmal im 2  und 1 Jh  v Chr sprungartig zu Doch nicht nur in Form einzelner Weihungen, sondern auch im Rahmen von Polisfesten im Gymnasion wurde Hermes als ein Gott der Bürgergemeinschaft verehrt Der Gang in das Gymnasion und die dort stattfindenden Feste dienten der Selbstvergewisserung dieser Gemeinschaft und ihres Fortbestands

3 2 Charakteristika des Hermeskults

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Als Gott der Polis war Hermes ebenfalls auf der Agora omnipräsent, womit der Besucher im Zentrum der Stadt angelangt ist Dem Gott weihten, mit Erlaubnis der Volksversammlung, die Magistrate nach Ablauf ihrer Amtszeit Die Hermen oder Stelen waren ein sichtbares und dauerhaftes Zeichen dafür, dass die Bürger ihr Amt im Sinne der Ordnung der Polis ausgeübt hatten Die zahlreichen Hermesweihungen auf den Agorai zeigten daher der Bürgergemeinschaft und den Besuchern der Stadt das Funktionieren der Polis und ihrer Institutionen an Zudem war die Agora ein Spiegel der Kultlandschaft einer Polis und Ausdruck ihres religiösen Selbstverständnisses Dies gilt jedoch nicht nur für die zentrale Agora, sondern ebenso für die Agorai der einzelnen Demen, sodass Hermes abermals als Bindeglied zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen der Gesamtpolis und ihren Untereinheiten fungierte Entsprechend wurden Hermes auf der Agora die größten und kostbarsten Opfergaben dargebracht Erwähnenswert ist das Nebeneinander der regelmäßigen, den Amtsalltag begleitenden Opfer der Magistrate, der gemeinsamen Opfer der Polisgemeinschaft im Rahmen von Festen und der persönlichen Opfer Bei den Weihungen auf der Agora muss zwischen denjenigen unterschieden werden, die an Hermes als Gott des Politischen, als Gott des Handels und als Gott des Rechts adressiert waren Seine Aufgaben im politischen Bereich, die spätestens mit der Aufstellung von Hermen durch Hipparch in Athen greifbar werden, ist die älteste der genannten Funktionen Die anwachsende Popularität von Magistratenweihungen an Hermes im 4 Jh  v Chr hängt mit der Änderung im politischen und wirtschaftlichen Gefüge der Städte zusammen: In dieser Zeit nahm die Zahl der Magistraturen zu und die Amtsaufgaben differenzierten sich aus Dagegen ist die Vorstellung von Hermes als Gott, der in wirtschaftlichen Dingen für Einzelne und die Polis hilfreich war, vereinzelt zwar schon im 5 und 4 Jh  v Chr zu greifen, tritt aber erst ab dem 3 Jh  v Chr in den Vordergrund Dies bedeutet jedoch nicht, dass die politische Dimension des Hermes verschwand Seine Verbindung zum Recht schließlich ist ab dem 5 vor allem aber im 4 Jh  v Chr greifbar Hermes, der als Vermittler des Rechts und als dessen Beschützer galt, wurde als göttliche Instanz in zwischenstaatlichen Rechtsakten genauso wie bei Rechtsverfahren innerhalb der Polis angerufen Daneben erscheint er als übernatürliche Instanz in den Gerichtsflüchen, womit gezeigt werden kann, dass neben der Religion der Polis religiöse Bedürfnisse einzelner Akteure in den Quellen zu greifen sind, welchen ganz offensichtlich nachgegangen wurde 3.2 Charakteristika des Hermeskults Der Kult des Gottes Hermes war in vielerlei Hinsicht von Besonderheiten geprägt und unterschied sich von dem anderer Gottheiten und im Speziellen von dem anderer Olympier Eine wesentliche Differenz zwischen Hermes und den meisten anderen Göttern war sein Kultbild Den wenigen überlieferten anthropomorphen Statuen von

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3 Ergebnisse: Hermes – Ein Gott der Bürger

Hermes steht eine Vielzahl von Hermen gegenüber Die Hermen waren über das gesamte Polisterritorium verteilt, so dass der Schutz des Gottes soweit wie nur möglich wirken konnte Zudem waren sie die häufigste Weihung der städtischen Magistrate und somit im Stadtzentrum allgegenwärtig Die spezifische Form des Götterbildes, welche nach dem Gott benannt war, erfüllte die besonderen Erfordernisse des Hermeskults Die Hermen waren vergleichsweise günstig, multifunktional und konnten transportiert werden Sie dienten nicht nur als Kultbilder, sondern auch als Grenzmale und Inschriftenträger, denn Hermes war ein Gott der Kommunikation Deswegen finden sich zahlreiche Bilder des Götterboten in Heiligtümern anderer Gottheiten Hermes zählte neben Athena, Pan und Herakles zu den am häufigsten in fremden Kultstätten in Form von Kultbildern präsenten Gottheiten5 Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Einerseits zeigten Bilder des Hermes die Ein- und Ausgänge heiliger Bezirke an, die der Gott beschützen sollte Andererseits galt Hermes als Gott der Reisenden, der selbst viel unterwegs und gesellig war, weshalb er sich der antiken Vorstellung gemäß häufig in Gesellschaft anderer Götter befand Darüber hinaus war Hermes der Götterbote, der die Wünsche der Menschen potentiell an die Götter weitergeben konnte Hermes galt als ein mobiler, vielfach anwesender und einfach zu erreichender Gott, was ihn von anderen Gottheiten abhob Ferner wurde er als ein den Menschen besonders zugetaner Gott wahrgenommen, der in höherem Maße als die anderen Olympier bereit war, den Sterblichen zu helfen und Wünsche zu erfüllen In der Vorstellung der Griechen scheute er nicht den direkten Kontakt zu den Sterblichen, wie die zahlreichen Belege für Gespräche zwischen dem Gott, seinen Bildern und menschlichen Individuen bestätigen Ebenfalls auffällig ist, dass die Götterbilder des Hermes überdurchschnittlich häufig berührt wurden, was als Zeichen einer beinahe intimen Beziehung gewertet werden darf Dies wird dadurch unterstrichen, dass Hermesbilder nur selten in Tempeln, sondern viel häufiger an für alle Menschen zugänglichen Orten standen Die frühesten Zeugnisse legen nahe, dass die Verehrung vor allem in den kleinen heiligen Bezirken, die meist nur aus einer Herme und einem Altar bestanden, stattfand Diese Domänen waren so zahlreich, dass für sie sogar ein eigener Begriff, das Hermaion, geprägt wurde Solche Hermaia fanden sich häufig an den Grenzen und im außerstädtischen Bereich, aber auch auf den Agorai oder in den Gymnasia Hermes erhielt nur in wenigen Fällen – beispielsweise in Athen, Korinth, Pheneos, Stymphalos, Tanagra, Halikarnassos oder Lyttos – eigene Tempel und die meisten von diesen stammen erst aus hellenistischer oder späterer Zeit Bis ins 4 Jh  v Chr scheint im Hermeskult nur in Ausnahmefällen die Notwendigkeit für einen Tempel bestanden zu haben Erst im Laufe des 3 Jh  v Chr kam es zu einem Ausbau der Architekturen, wobei in der Regel keine Neubauten errichtet wurden, sondern die vorhandenen Strukturen

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Alroth 1987, 10/15/17

3 2 Charakteristika des Hermeskults

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zumeist eine Erweiterung erfuhren Die staatliche und territoriale Entwicklung, durch welche sich der Horizont vieler Bürger erweiterte und eine größere Mobilität möglich war, korreliert mit dem nochmals gestiegenen Bedürfnis, Hermes anzurufen Dem Gott Hermes fühlten sich Bürger und Bürgerinnen zugewandt Gemeinsam begingen die Geschlechter den Hermeskult bei Polisfesten und in Heiligtümer, besonders wenn für den Fortbestand der Bürgerschaft geopfert wurde Inwiefern unterschied sich aber der fiktive Weg in die Stadt bei einer Bürgerin und einem Bürger? Einige Räume und städtische Institutionen waren für Frauen nicht zugänglich Dazu gehörten die Felder und Weiden, das Militär und die politischen Institutionen In andere Räume dagegen traten sie als Akteure des Hermeskults direkt oder indirekt in Erscheinung So waren Frauen vor allem in der Chora und dem Proastion präsent, sei es als Wohltäterinnen in extraurbanen Heiligtümern, im Grabschmuck der Nekropolen oder als Mütter von siegreichen Knaben im Gymnasion Im Stadtkern konnten Frauen auf dem Markt oder in Werkstätten und natürlich im Oikos tätig sein und dabei Kultpraktiken für den Gott Hermes durchführen Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Hermeskult in der Eschatia eher männlich geprägt war, während in der Chora und im Proastion beide Geschlechter in Erscheinung traten Die Agora wiederum war ein vorwiegend männlicher Raum und damit auch der dort stattfindende Hermeskult eher eine Angelegenheit der Bürger Daran anschließend kann auf ein weiteres Charakteristikum hingewiesen werden: Der Kult war von häufigen, beinahe täglichen kleineren Weihungen und Opfergaben geprägt, was im Unterschied zur Praxis für andere olympische Götter stand Zu den frühesten Weihungen aus dem 6 und 5 Jh  v Chr gehören eher aus dem Alltag entnommene Gegenstände, welche durch ein Graffito nachträglich zu Weihgaben an Hermes umfunktioniert wurden Ebenfalls aus dem 5 Jh  v Chr stammen die ersten der zahlreichen Terrakotten, die Hermes darstellen oder durch eine Inschrift als dem Hermes heilig ausgewiesen wurden In hellenistischer Zeit nehmen Belege dafür zu, dass Gegenstände, die mit einer bestimmten Phase des Lebens oder einem konkreten Anlass verknüpft waren, nach deren Abschluss an Hermes geweiht wurden Die häufigsten Beispiele sind Spielzeuge von jungen Männern beim Eintritt in die Ephebie und Sportgeräten nach dem Ende der militärischen und sportlichen Ausbildung im Gymnasion Als Opfergaben erhielt Hermes zum einen Vegetarisches wie Kuchen oder eine Portion des Reiseproviants Des Weiteren wurden ihm Anteile an der Ernte dargebracht Diese Opfergaben begleitete häufig eine Libation von Wein, Honig oder Milch Zwar handelte es sich um vergleichsweise kleine und kostengünstige Beiträge, die dafür aber häufig entrichtet wurden und im Alltag sowohl im Oikos als auch in der Öffentlichkeit fest verankert waren So sind regelmäßige Opfer in den Haushalten am vierten des Monats, dem Geburtstag des Hermes, nachweisbar Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, dass der oder die Einzelne beim Verlassen des Hauses und bei der Rückkehr jeweils eine Kleinigkeit für Hermes spendete, wenn er oder sie dessen Götterbild am Eingang

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3 Ergebnisse: Hermes – Ein Gott der Bürger

passierte In gleicher Weise bat man Hermes zum Beispiel vor einer Reise oder einem Handel um sicheres Geleit oder Unterstützung und bedankte sich danach für die wohlbehaltene Rückkehr oder das erfolgreiche Geschäft Die bis hierher aufgezählten Anlässe beziehen sich auf Hermes als einen Gott der einzelnen Bürger, aber auch für den Gott der Polis waren regelmäßige Opfer zum Beispiel in der Volksversammlung, bei Gericht oder im Rahmen der Polisfeste vorgesehen Im persönlichen genauso wie im öffentlichen Bereich wurden Hermes zudem seit dem 5 Jh  v Chr häufig Kränze und Blumenschmuck dargebracht Hinzu kommen die Tieropfer, die Hermes im Laufe eines Kalenderjahres zugedacht waren Das mit Abstand häufigste Opfertier war der Widder Daneben erhielt der Gott Ziegen, Ferkel und Schweine und in seltenen Fällen auch einen Stier Außerdem ist belegt, dass dem Hermes zubereitete Speisen wie Schinken oder Pasteten gespendet wurden Demgemäß war der Hermeskult jenseits der Zuwendungen an den Festtagen von regelmäßigen Opfern, die fester Bestandteil des Alltags waren, geprägt 3.3 Polis und Religion Die Untersuchung des Hermeskults hat auch zu Ergebnissen geführt, die zu einem besseren Verständnis der Beziehung von Polis und Religion beitragen können, zwei in der griechischen Antike sehr eng miteinander verbundene Bereiche Wenn von der Polis die Rede ist, darf diese nicht als ein übergeordnetes, überindividuelles Machtmonopol missverstanden werden Es handelte sich vielmehr um einen Verband von Bürgern, die als „eigenständige und eigenverantwortlich handelnde Rechtssubjekte“6 agierten Zwar waren die Bürger dem Wohl der Polis verpflichtet, verfolgten aber daneben eigene Ziele, die sich in individuellen religiösen Praktiken greifen lassen Demnach bekräftigen die vorliegenden Ausführungen, dass die griechische Religion als „embedded“ zu bezeichnen ist, denn nicht nur die vergleichsweise kleine politisch aktive Schicht, sondern jeder Bürger oder jede Bürgerin und auch jeder Nichtbürger oder jede Nichtbürgerin konnte Kulthandlungen durchführen, die in der antiken Vorstellung Einfluss auf die Gesamtgemeinschaft haben konnten Den Poleis wurde eine gewisse Deutungshoheit über korrektes religiöses Verhalten zugeschrieben Ein Ausschluss aus der Gemeinschaft war nicht wünschenswert, denn die Polis war das wichtigste soziale Identifikationsmedium Es kann jedoch nicht von „der Polis“ oder „dem Gott“ gesprochen werden, da die Städte und ihre politischen, sozialen und religiösen Institutionen räumlich verankert und ständigen Aushandlungsprozessen unterworfen waren

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Dreher (im Druck), 5

3 3 Polis und Religion

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Zum Ersten ist festzuhalten, dass die Polis im hier behandelten Zeitraum stets als politische und territoriale Einheit von Asty und Chora verstanden wurde Die Stadt umfasste das gesamte Gebiet von einer Grenze zur Anderen Die Einheit und Verbundenheit von Zentrum und Peripherie wurde durch Kulthandlungen besonders für den Gott Hermes immer wieder hergestellt und allen Beteiligten vor Augen geführt Dazu gehörte zum Beispiel das gemeinsame Begehen des Raumes durch die Polisgemeinschaft bei Prozessionen Im Rahmen dieser Praktiken kamen den einzelnen Stationen verschiedene Funktionen im Gefüge der Polis zu, denn jeder Ort war religiös aufgeladen Zum Zweiten konnte verdeutlicht werden, dass die Polis nicht nur ein abstraktes Gebilde, sondern vor allem ein Verband selbstständig handelnder Subjekte war, deren individuelle Bedürfnisse es im Sinne eines funktionierenden Zusammenlebens zu erfüllen galt Religiöse Praktiken konnten von der Polisgemeinschaft als ein Medium der Macht und Kontrolle genutzt werden, wenn beispielsweise Personen oder Personengruppen von Kulthandlungen ausgeschlossen wurden Außerdem sind die Kultpraktiken an den Grenzen, die der Selbstversicherung der Gemeinschaft und ihres Territoriums dienten, oder die Weihungen nach Ende der Amtszeit Exempel dafür Die Kontrollmechanismen waren aber nur bis zu einem gewissen Grade wirksam, was an den zahlreichen Beispielen für unerwünschte oder sogar unerlaubte Praktiken sichtbar wird, die mit sehr individuellen und zum Teil für andere schädlichen Wünsche verbunden waren Jene orientierten sich aber zumeist an den von der Polisordnung vorgegebenen Regeln sowie Normen und können somit als komplementär zu dieser bezeichnet werden Auffällig ist, dass – zumindest im Fall von Hermes – sowohl für die offiziellen als auch für die inoffiziellen Belange dieselbe Gottheit angerufen werden konnte, ohne dass dadurch deren Zuständigkeit für den jeweils anderen Bereich beeinträchtigt schien Dies bildet die Grundlage für den dritten Aspekt: Da die Poleis Gemeinschaften von Subjekten waren, kann nicht von den Gegenpolen der „Polis-Religion“ und „personal religion“ gesprochen werden Vielmehr sollten bei jeder religiösen Praktik beide als zwei Seiten einer Medaille betrachtet werden So ist gerade bei den einzelnen Weihungen für den ambivalenten Gott Hermes immer eine Orientierung an den durch Brauch und Tradition der Gemeinschaft geprägten Ritualen erkennbar, neben der ein persönlicher Wunsch des Adoranten an die Gottheit beispielsweise in den Weihinschriften greifbar ist, denn religiöse Praktiken waren auf verschiedenen Ebenen des öffentlichen und privaten Lebens wirkmächtig So weihten zum Beispiel die Magistrate mit der Zustimmung der Polisinstitutionen an die Götter, verfolgten dabei aber gleichzeitig persönliche Interessen, die deutlich als Wunsch an die Gottheit in aller Öffentlichkeit und in schriftlicher Form artikuliert wurden Damit bleibt ein vierter und letzter Punkt: Ist der von der Forschung identifizierte Einschnitt in der Poliskultur um 300 v Chr im Hermeskult nachweisbar? Es ist unumstritten, dass sich mit der Polis und ihren Strukturen die Verehrung der Götter

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3 Ergebnisse: Hermes – Ein Gott der Bürger

veränderte Die Polis und ihre Institutionen waren ständigen Wandlungsprozessen unterworfen, die auf interne Wünsche, die Notwendigkeit zur Veränderung oder äußere Begebenheiten zurückzuführen waren Dies gilt auch für den Gott Hermes und seinen Kult, welche sich gemeinsam mit der Polis entwickelten, wie die räumlich und chronologisch gegliederte Darstellungsweise der Studie gezeigt hat Die Eroberungen Alexanders des Großen und die veränderte Herrschaftsstruktur in den Diadochenreichen führten zwar für die Poleis zu eingeschränkten außenpolitischen Möglichkeiten, gleichzeitig vervielfachten sich aber die Handelsoptionen Der damit verbundene finanzielle Aufschwung ist beispielsweise in der veränderten baulichen Ausgestaltung der Städte zu greifen Ferner führte der Einfluss der römischen Kultur seit den Makedonischen Kriegen zu einer veränderten Selbstwahrnehmung und Selbstinszenierung Trotz dieser Variationen im Einzelnen blieb, wie die vorausgegangene Untersuchung deutlich macht, die innere Struktur der Polis und ihrer Institutionen weitgehend erhalten Dies spiegelt sich im Hermeskult wider Im 6 und 5 Jh  v Chr wurde Hermes als Gott der Polis vor allem an den Grenzen und auf der Agora verehrt Gleichzeitig belegen die Hermen des Hipparch entlang der Straßen, dass der Hermeskult von Anfang an genutzt wurde, um die Verbindung von Zentrum und Peripherie zu betonen Im Laufe des 4 Jh  v Chr wurde der Hermeskult den veränderten und neuen Bedürfnissen der griechischen Stadtstaaten und ihrer Bürger angepasst: So beginnen zu dieser Zeit die Zeugnisse im Gymnasion und den Nekropolen Entsprechend ist der Hermeskult besonders in den außerstädtischen Bereichen von Chora und Proastion häufig belegt Die Fürsorge für das Gymnasion beispielsweise ist aber nicht vorrangig auf den militärischen Druck der makedonischen Expansion und der hellenistischen Königreiche zurückzuführen, denn zur Zeit des lykurgischen Gesetzes (335/334 v Chr ) war Alexander gerade erst Hegemon geworden Die innenpolitischen Entscheidungen der Polis Athen wurden davon nicht tangiert Vielmehr etablierten sich die sportliche und militärische Erziehung der jungen Männer durch die zahlreichen Kriege zwischen den griechischen Poleis und das genannte Gesetz ist als Reform bereits bestehender Praktiken zu interpretieren Im 3 Jh  v Chr war der Hermeskult vor allem entlang der außerstädtischen Straßen, im Gymnasion und in den Nekropolen greifbar Auffällig ist die zunehmende Quantität der Weih- und Opfergaben in dieser Phase, die nicht nur im Hermeskult zu beobachten ist Außerdem belegen die Weihungen verstärkt den Wunsch nach individuellen Geschenken für die Gottheit Während bis in das 4 Jh  v Chr Hermen und Stelen dominierten, wurden im 3 Jh  v Chr Hermesheiligtümer baulich ausgestaltet oder ihm zu Ehren zum Beispiel aufwendige Brunnenanlagen errichtet Die bürgerlichen Weihungen verlagerten sich demnach weiter in die Chora und das Proastion Daneben blieb Hermes auf der Agora präsent, wurde aber zunehmend nicht mehr nur als politischer Gott, sondern auch als Gott des wirtschaftlichen Erfolgs angerufen Demnach fällt die Antwort uneindeutig aus: Signifikante Umwertungen im Hermeskult nach 300  v Chr sind durchaus zu konstatieren Gleichzeitig waren die Grenzen und die Agora von Beginn an wichtige Orte für den Hermeskult

3 3 Polis und Religion

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und bleiben es durchgehend Entsprechend wurde Hermes in der gesamten behandelten Zeit als ein Gott der Polis, ihrer Institutionen und Bürger wahrgenommen Was sich jedoch änderte, waren die Kultpraktiken und die Quantität sowie Qualität der Weihgaben und Opfer Am Beispiel des Hermeskultes konnte verdeutlicht werden, dass die Polis in der greichischen Welt als eine von den Göttern gegebene Staatsform galt Diese wurde als so selbstverständlich wahrgenommen, dass sogar die kannibalischen Laistrygonen und die am Ende der Welt lebenden Kimmerier in Poleis gesiedelt haben sollen7 Neben der Polis existierten andere Regierungsformen, die in der antiken Vorstellung ebenso von den Göttern unterstützt wurden Entscheidend waren jeweils die Akteure: Während für die thrakischen Könige ihr Herrschaftsgebiet wichtigster Bezugspunkt war, war es für die Bürger griechischer Städte ihre Heimatpolis Die mit der Polis verbundenen Vorstellungen und Ideale blieben mindestens bis in das 3 Jh  v Chr grundlegend für das Selbstverständnis der griechischen Bürger und Hermes war ein Gott dieser Polis

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Hom Od 10, 81–124/11, 12–19

4 Quellen- und Literaturverzeichnis 4.1 Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen von antiken Autoren folgen dem Verzeichnis des Neuen Paulys Wenn Autoren dort nicht genannt sind, wurde auf das Abkürzungsverzeichnis des Oxford Classical Dictionary (4 Aufl ) zurückgegriffen Inschriftencorpora werden nach der gängingen Praxis abgekürzt Eine Ausnahme davon bilden die Publikationen zu einzelnen Städten, die immer mit „I “ und dem ausgeschriebenen Namen der antiken Stadt bezeichnet werden In den Fußnoten werden jeweils die gängige Edition und eine Datierung genannt Zusätzliche Nennungen verweisen auf weiterführende Angaben oder abweichende Lesungen Zeitschriften und Reihen folgen, wenn nicht anders aufgeführt, den Vorgaben der L’Année philologique ABV Ath. Agora 1 Ath. Agora 3 Ath. Agora 11 Ath. Agora 14 Ath. Agora 18 Ath. Agora 19 Ath. Agora 21

Beazley, John D : Attic Black-figure Vase-painters, Oxford 1956 Harrison, Evelyn B : Portrait sculpture, (Ath Agora 1), Princeton 1953 Wycherley, Richard E : Literary and Epigraphical Testimonia, (Ath Agora 3), Princeton/New Jersey 1957 Harrison, Evelyn B : Archaic and Archaistic Sculpture, (Ath Agora 11), Princeton 1965 Thompson, Homer A /Wycherley, Richard E : The Agora of Athens The History, Shape, and Uses of an Ancient City Center, (Ath Agora 14), Princeton 1972 Geagon, Daniel J : Inscriptions The dedicatory monuments, (Ath Agora 18), Princeton 2011 Lalonde, Gerald V /Langdon, Merle K /Walbank, Michael B : Inscriptions Horoi Poletai records Leases of public lands, (Ath Agora 19), Princeton 1991 Lang, M : Graffiti and dipinti, (Ath Agora 21), Princeton 1976

4 1 Abkürzungsverzeichnis

Ath. Agora 28 Ath. Agora 37 ARV2 Babelon BMC CEG Epigr. Gr. FHG FGrH GDI HCT HdAW Head h.Herm. I.Eleusis Comm IGA IGBulg IGDGG

353

Boegehold, Alan L : The Lawcourts at Athens Sites, Buildings, Equipment, Procedure, and Testimonia, (Ath Agora 28), Princeton 1995 Tzochev, Čhavdar: Amphora stamps from Thasos, (Ath Agora 37), Princeton 2016 Beazley, John D : Attic Red-figure Vase-painters, 2 Bd , 2 Aufl , Oxford 1963 Babelon, Ernest/u a : Traité des monnaies grecques et romaines, 3 Bd , Paris 1900–1933 A Catalogue of the Greek Coins in the British Museum, 28 Bd , London 1873–1927 Hansen, Peter A : Carmina Epigraphica Graeca, 2 Bd , (Texte und Kommentare 12/15), Berlin/New York 1983–1989 Kaibel, Georg: Epigrammata Graeca: ex lapidibus conlecta, Berlin 1965 [Nachdr d Ausg v 1878] Müller, Karl: Fragmenta Historicorum Græcorum, 5 Bd , Paris 1841–1851 Jacoby, Felix/u a (Hg ): Die Fragmente der griechischen Historiker, 4 Bd , Berlin/Leiden 1923–1999 Collitz, Hermann/Bechtel, Fritz: Sammlung der griechischen Dialekt-Inschriften, 3 Bd , Göttingen 1884–1899 Gomme, Arnold W /Andrewes, Antony/Dover, Kenneth J (Hg ): A Historical Commentary on Thucydides, Oxford 1945– 1981 Müller, Iwan von/u a (Hg ): Handbuch der klassischen Altertums-Wissenschaft in systematischer Darstellung, München 1885– Head, Barclay V : Historia numorum A Manual of Greek Numismatics, Oxford 1911 Homerischer Hymnos 4: An Hermes Clinton, Kevin: Eleusis, the inscriptions on stone Documents of the sanctuary of the two goddesses and public documents of the Deme Commentary, Athens 2008 Roehl, Hermann: Inscriptiones Graecae antiquissimae praeter Atticas in Attica repertas, Berlin 1882 Mihailov, Georgius: Inscriptiones Graecae in Bulgaria Repertae, 5 Bd , Serdicae 1961–1997 Dubois, Laurent: Inscriptions grecques dialectales de Grande Grèce, 2 Bd , Genf 1995–2002

354 I.GrSic Imhoof-Blumer IOSPE ISM I.Thessalien I.Thrac.Aeg Le Bas LGBeroia LGPN LSAM LSCG LSCGS LSJ MAMA Mionnet

OGI

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Der griechische Text der literarischen Quellen ist, sofern nicht anders angegeben, der aktuellsten Ausgabe der Bibliotheca Teubneriana entnommen Der griechische Inschriftentext entstammt, wenn nicht anders angegeben, der genannten Edition Die Übersetzungen sind, sofern nicht anders vermerkt, von der Verfasserin angefertigt Aischylos: Tragödien, übers v Oskar Werner, 7 überarb Aufl , (Sammlung Tusculum), Berlin 2011 Anthologia Graeca: übers v Hermann Beckby, 4 Bd , 2 Aufl , (Tusculum Bücherei), München 1965–1968 Apollodor: Bibliotheke Götter- und Heldensagen, hrsg , übers u komm v Paul Dräger, (Sammlung Tusculum), Düsseldorf/Zürich 2005 Aristophanes: Komödien, übers , eingel u komm v Peter Rau, 4 Bd , (Edition Antike), Darmstadt 2016–2017 Aristoteles: Der Staat der Athener, übers u hrsg v Martin Dreher, rev u bibl erg Aufl , (Reclam Universal-Bibliothek 3010), Stuttgart 2009 Artemidor von Daldianus: Traumbuch, übertr v Friedrich Krauss, bearb u erg v Martin Kaiser, Basel/Stuttgart 1965 Cornutus: Die griechischen Götter Ein Überblick über Namen, Bilder und Deutungen, eingel , u übers v Fabio Berdozzo, (Sapere 14), Tübingen 2009

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5 Indices Index Inscriptionum AnnEpigr 1980, 866 3382133 Arch. Delt. 29 (1973–1974), 158 151

840

Ath. Agora 1, 4226 2921815 3, 31–45 50180 3, 102–108 50181, 2981872, 3322094 3, 104 52189/191 11, 114 78370 11, 121–122 83400, 84408 11, 234 2961853 14, 129 162898, 2981868 19, I 7185/7168 2851761, 2981873 21, G 1 3011894 21, G 17 2961851, 3011894 37, 260 2961852 37, 276 2961852 37, 382 2961852 37, 412–425 66285 37, 432 2961852 37, 516 2961852 BCH 4 (1880) 521 2511537 11 (1887) 341 82396, 145788 13 (1889) 571 2511538 16 (1892) 165–174 139751 17 (1893) 527, Nr 26 2931828 20 (1896) 398 3182006 60 (1936) 187 94491 103 (1979) 170 2761696 109 (1985) 499–544 94488

Chaniotis 1996 Nr 6 44125 Nr 7 44126/134 Nr 14 45144 Nr 27 44128, 46150 Nr 28 93472/474 Nr 32 44129, 135725 Nr 59 3664, 44130, 45138/139, 68299 Nr 60 44131 Nr 61 3664, 44132, 45141, 68299 CIG 2034 3665 2347o 2941840 2569 135719 2770 3382133 2796 (p 1112) 3382133 3044 114600 3059 2751686 3085 2761709 3655 114600 6280 2251350 Ebert 1972, Nr. 48 2631609 Forrest 1966, 206, Nr. 11 2761698 GDI II 1415 3879 1618 3071933 1745 93469 1855 93469 2042 93469 2053 93469

5 Index Inscriptionum

2059 93469 2087 93469 2119–2120 93469 I.Arykanda 162 2761693 I.Beroia 391 2161275, 2201306 LGBeroia 166921, 2401452, 2411459, 2761695, 3232039, 3322096 IC I ix 1 2481512 xvi 5 45137 xvi 7 45148, 45137 xvii 10 142769 xvii 15 142769 IC II ix 1 135722 x 1 45137 xxviii 1–2 45140, 135720 xxiii 10 2621605, 2681640, 2861769 IC III iii 4 93472/474 iii 6 2471504 iv 9 45137 IC IV 36 46154 51 105551, 3282070, 3292072 186 A 45137 I.Delos 40 2891794/1796 42 84410 1416–1417 2921817 1948–1949 2761699 2595 2761699 I.Delphi III 2, 201 3182005 III 4, 159 93475 IV 26 2331401, 2451483, 2701654, 2711659 I.Eleusis 13 145788 I.Ephesos 3 3882 515 83400 1102 2431468, 2511537, 2531557 3137 65271

I.Erythrai 104 2881784, 3071932 201 2651621, 2721663, 3051927, 3061928–1930 207 2661625, 3051927 509 2951844 I.Gonnoi 269 2211322 IG I² 324 3119 IG I3 5 2251350, 2691650, 3161992 78 2251349 299–301 3182004 369 81392, 2151272 376 81392, 2151272 373 3182004 383 80385, 82394 406 79379 409 79379 421–430 126 750 80382, 83406 776 2251344 784 57215, 3091951 840 89443, 2701653 856–857 69308 981 128678, 130689 983 53195/198, 145788, 2681645 986 164916 987 164909 1018 69307 1023 159880, 160888 1287 2161274 1407bis 146794 1423 2011177 IG II² 819 2011177 930 3161996 1028 3161996 1128 93473 1227 2761694 1237 1771006, 2991880 1357 2391445, 2701652, 3161992/1995 1358 3182008/2011/2014, 3192017 1361 131700 1363 3192016 1368 109579 1492 B 3182004

397

398

5 Index Inscriptionum

1496 3126, 58226, 59227/229/233 1553 3182004 1588 85418 1591 81391, 83401 1617 3182004 2493–2494 83401, 3192020 2798 59235 2872 61247 2873 3126, 59233, 61247 2934 142772/774, 167937 2971 2651619, 2761694, 2791728 2980 171964, 2761694 3023 2401452, 2431468, 2441472, 2701653, 2741679 3105 2431469, 2641614 3130 58225 3977 137740 4546 164314 4547 164909 4572 2611594, 2701653 4594a 2521543 4603 90452 4650 128677 4728 145788, 149823 4832 128677 4886 128674 4962 83403, 134714 4972 69313 4983 73340, 166922 5043 2251351 11312–11314 86424, 162897 12196 2141266

753 2411458 783 3131977

IG II3 1, 292 2251349 1, 949 2861771 4, 327 2321392 4, 328 58223 4, 338 64266, 2431468, 2441474, 2521543 4, 350 83401 4, 351 2541558 4, 353 2761694 4, 357–364 2541560 4, 1345 3151989

IG IX 1 682 94490 684 94490

IG III 3, 109 2611597 IG IV 557 93467 563 3232039

IG IV2 1, 76 3880 1, 103 93470 1, 105 93470 1, 108 93470 1, 112 93470 1, 114–115 93470 IG V 1, 18 55208 1, 371 48163 1, 660 55208 1, 938 2451480 1, 1351 58224 1, 1390 169947/950, 170952 2, 360 3989, 4093, 48164, 158875 2, 362–366 129682 2, 469 3141984 IG VII 53 55208 400 93479 1793 97507, 2871779 2235 97507 2538 2631609 3093 97507 3095 97507 3218 97507, 2511539 3221 2451478 3500 2841759

IG IX 2 94 3382133 205 3879 221 93476 338 2071220 695 2211320 698 2211320 708 2211320 710 2211320 715–716 2211320 725 2211320 736 2211320

5 Index Inscriptionum

841 2221324 1260 2221324 IG XI 2 154 111589 203 2901800 IG XI 4 1143 2891796, 3382133 1144–1145 2891796, 2911806 1147 2911806 1151 2501531 1152–1154 2501531 1155–1156 2521550, 2641615 1155–1162 171964 1157 2641615 1159 2641615 1160–1162 2641615 1282 2891796 IG XII 2 73 2491516 475 88435 IG XII 3 345 3664, 68299, 87434 367–368 2311388 370 2311388 1091 2511537 Suppl 1314 2511537 IG XII 4 1, 279 3192021–2022 1, 298 63257/258, 163904, 2411459, 2421462/1465, 2521546– 1550 , 2621607, 2641611, 2651617, 2721662/1664–1668, 2731669–1670/1672–1676, 2741678, 2761702, 2851767, 2861774, 3161997, 3171999–2000 1, 331 3161997 IG XII 5 220 62251/255, 3041919 232 2511537 553 151843 620–621 2441476 911 149818, 2681642, 3272067 1076 3664, 68299, 87434 Add 1076 85415 IG XII 6 1, 260 2901799 1, 261 110588

IG XII 7 235 2761704 249 70315 IG XII 8 67 2321396, 3021899 68–70 3021901 153 2261355 164 3182007 169 3182007 188 168946 234 2261355 237 168946 240 258 2261355 357 83400, 2921818 358 145788 358 a 77364 358 b 77365 641 2921817 IG XII 9 53 3768, 2371432 54 3767 909 65276 1190 65276, 2581582 Suppl , 646 2761708 IG XII Suppl. 235 93473 402–403 2911808, 3382133 IG XIV 422 2421465 1389 I 2241342 2557 150827 IGBulg I2 44–45 2531557, 2751688, 2761705 III 1446 69311 IV 2230 69310 IGDGG 38 2561571 I.Iasos 622 2571574 I.Kalchedon 10 3172003 14 3172003

399

400 I.Knidos 21 2901801 183 2851766 301 157871, 158874–875/877 I.Kyzikos I, 410 2171288 II, 1 2891797, 2981864, 3192018

5 Index Inscriptionum

414 3882, 41107–108 415 3882, 41107, 42109, 43112/114 416 3882, 41107, 43111/115–116/119, 44120–121 I.Rhod.Per. App. 6 3119, 84411 I.Sestos 1 2761707 ISM I, 59 2761701

I.Lampsakos 25 151841

I.Smyrna 785 2881783

I.Lindos 2631 145792 2906 2211316 2908 2211316

I.Stratonikeia 516 2881784

I.Magnesia 6 3182007 10 3182007 203 2611595 I.Milet 133 167930–931/933 138 157872 145 2761703 I.Mylasa 21 2751685 332 2571575 I.Olympia 184 2551565, 2651619, 2801739 271 2561567, 2711657 IOSPE I2 128–129 3382133 I2 186 2441477, 2761713, 2811742 IV, 432 2761700, 2811740–1741 I.Pergamon I, 9 2421466, 2431468 I, 183 149818, 3272065, 3272067 I, 243 3272065 II, 256 II 325 3116, 90448, 2761706 I.Priene 186–187 2871778/1781 188 3172001 189 2891796 190 2421466 311 2961854

I.Teos 114 2761709 I.Thessalien 11 2211322 69 86426, 2311389, 2931824, 2941836, 2951844, 2961849 73 128678, 132704/706, 133708, 134711/714, 135717 I.Thrac.Aeg E 13 3011897 363 2871780 I.Velia 1–12 66278 2 66280 3 66281 4 66282 Jordan 1985, Nr. 62 2611597 Le Bas II, 240 2511537 II, 1009 2511537 II, 1742a 3101954 LSCGS 86 3101956 MAMA VI, 173 2761692 OGIS 230 2511538 Peek 1942, Nr 127 73340 1995, Nr 505–509 2161275 1960, Nr 167 2191298 1960, Nr 193 2111245, 2161275 1960, Nr 202 2191298 1960, Nr 306 2191298 1960, Nr 434 2191298 Pouilloux 1954a, Nr 151 2911808 1954b, Nr 153 3382133

5 Index Inscriptionum

/Dunant 1958, Nr 194 3382133 /Dunant 1958, Nr 404 77367 Prakt. 1990 (1993) Nr. 13 150825, 159880 Recueil general 78 3172003 87 3172003 90 3172003 100 3172003 103 3172003 Rhodes/Osborne 2007, Nr. 88 2351422, 2371430 SEG 4–35 3021899 14–483 2641616 16–34 2881789 16–125–126 85415 16–649–653 2511537, 2531552/1555 17–143 93467 17–422 2911808, 2921818 21–357 58223, 2991877 21–435 58223, 2991877 21–525 58223 21–541–542 3192016 22–87 159880, 2961851, 3011894 23–547 59234, 105550, 3292075 24–1031 3101958 26–137 86422, 87430 26–163 2991877 26–268 65269 26–524 3101958 26–809 69314 26–1301 149818 26–1346 93480 28–447 93479 29–196 151839 29–539–540 2211320 29–1089 93477 30–908 2931823/1831 30–974 2451485 30–1245 3382133 30–1260 2511537, 2531555 31–185 65269 31–808 3771 31–984–985 3342109 31–1321 2671633

32–33 2341409 32–239 2601587 32–240 2851760 32–504 97507, 3272062 32–602 2211320 32–604 93481 32–623 94486 32–690 2881784, 3382133 32–1077 66282, 2251352, 2261356 33–716 2571580 33–736 132702, 2941840 34–195 163907, 168943 34–196 2981873 34–497 86426, 2221331, 2311389, 2931824, 2941836 34–509 2211320 34–898 65275 34–994 1991163 35–35 3011894 35–37 145792 35–600 93481 35–624 2211320 35–636 2211320 35–638 2211320 35–660 2211320, 2221323 35–665 94485 36–463 3272062 36–482 97507 36–485 97507 37–100 93479 37–508 2511537 37–780 2501529 37–1673 2931830 38–352 4094 38–437 2211319 38–521 94487 38–848 151842 38–1019 66279 39–870 2911813 40–201 125661 40–483 2211320 40–542 94489 41–20 64264 41–37 G 2381441 42–502 2211320 42–523 2211320 42–662 2881784 43–71 61247

401

402 43–205 93479 43–257 2211320 43–264–265 2211320 43–311 A 93481 43–381 3665 45–319 78373 45–622 2211320 45–630 2211320 45–655 2211320 45–1127 3161997 45–1508 93468 46–65 80382 46–167 2921816, 2991877 46–410 2511540 46–648–649 2221325 46–652 2211320, 2221323 46–923 2761697 46–1205 2461492 46–1358 1991163 47–391 2511540 47–735 2211320 47–1002 2881784, 3382133 47–1127 2881784 48–262 81388 48–1137 2451485 50–159 2761694, 2781727 50–937 2461486 50–1637 2331407 51–238 65269 51–678 2211320 51–998 2761699 51–1062 3161997 52–336 3880 52–819 3767 52–820–821 3767 53–541 2331401, 2431468 53–621 2881784 53–842 3161997 54–457 2511540 54–627 2961852 54–761 2871780 54–841 44127 54–866 46149 55–269 86420 55–569 2761710 55–610 2951847 55–928 3161997

5 Index Inscriptionum

56–519 148812 56–631 2761712, 2811747 57–202 3124 57–873 69312 59–96 2341409, 3232045 59–356 47157 59–1911 153853 60–996 46149 61–490 2611596 61–680 59234 SIG 313 2911804 SV III 552 44133 Syll.4 45 93471 1044 93471 TAM II 470 2681643 II 1185 3021899 III 1, 910–911 2241336 III 1, 922 2241336 TAPhA 65 (1934), 105 104545, 3302079 TheDeMa 61 2051208, 3332099 104 1781009, 3332101 110 1781009, 3332101 113 153853, 2931822, 2941839, 3352122 118 3332102, 3342113, 3352118, 3352119 119 3332105 120 3332102, 3342114, 3352118, 3352119 137 2941839 141 3332105 182 1781009, 3332101, 3352122 184 3352122 185 1781009, 3332101 201 2971856, 3332100, 3352122 202 2971856, 3332100, 3352122 207 3352122 210 3352122 213 1981157 214 3352122 224 3332099, 3372127 231 3342112 235 153853, 2931822, 2941839, 3352122 280 3372127

5 Index Inscriptionum

298 1781009, 3332101, 3332102 300 2941839, 3332102, 3342111, 3342116, 3352118, 3372130 322 1781009, 3332101 323 1781009, 3332101 324 1781009, 3332101 328 3332105 358 3372127 436 3352122 442 3332102, 3342115, 3352118–2119, 3372127 474 2971856, 3332100, 3332102, 3342112 595–596 3332105 613 3332102, 3332103, 3342115, 3352117, 3352119, 3352122 761 3352122 772 3332099 848 3352122

403

953 3342112 955 3342112 960 3332105, 3352119 962 3332102, 3342113, 3352117, 3352119 964 3352122 965 2971856, 3332100 966–967 3332102, 3342115, 3352117, 3352118, 3352122 968 3352122 970 2931822, 3352122 976–977 3332102, 3342114, 3352118–2119, 3362125 991 3352122 1010 3352122 1070 3372127 1074 3372127 1090 2971856, 3332100

404

5 Index Locorum

Index Locorum Aischines Ctes. 21 2851762 183–185 51185, 2991877 frg. (Diels) 22 2021188 Tim. 9–10 2731677, 2781725–1726 Aischylos Ag. 89–90 1961143, 2981868 281–285 3663 515 86428 Choeph. 1–5 2031193 2 3129–30, 69312, 90452, 104542, 3 56210 6–7 2031195, 2041198 123–131 2041199 613–622 3031910, 3222036 727–729 2041201 812–813 147802, 2041201 1126–1128 56210 1138 56210 1145 56210 Eum. 89 119636, 2031194, 2041202, 2061212, 3282069 90 3131, 119636, 149824, 2031194, 2041202, 2061212, 3282068–2069 91–92 66282, 119636, 149822, 2031194, 2041202, 2051208, 2061212, 3282069 539–540 3322095 938–948 85416 973 2971860, 2981862 993 292 frg. (Radt) 25b 131692, 131692 273a 8 1971153 279–280 2051207 281a 3322095 384 2681646

Pers. 623–632 1971150 626 66282, 149822, 2051209, 2071218 649–651 1971152 Sept. 299 2901800 777 118630 1060 118630 Suppl. 24–25 1961143 Aisopos (Perry) 88 89444, 106554 90 90446 99 155862 102 1971152 103 106554 108 3242050 173 3232040 178 125663 179 1811019 285 155862 306 3242050 309 106554 Alkaios 308, 1 95500 frg 2–5 (Edmonds) 95500 Alkiphron 2, 3, 11 114605 3, 51 101525 Alkm. frg. 56, 8 (Campbell) 96503 Alkmaionis frg. 6 (West) 2791733 Andokides 1, 8 126, 2991876 1, 27 1312 1, 27–28, 40 139 1, 36 1424 1, 40 139 1, 61–64 1317 1, 67 1314 1, 132 2401454

5 Index Locorum

Anthologia Graeca 6, 28 2941839 6, 92 95500 6, 100 172975 6, 143 79374, 2301380, 2321394 6, 259 2631608 6, 282 2541559 6, 294 2321396 6, 299 125663, 140756, 140756, 141767, 149820, 156870, 3202025 6, 309 2341415 6, 334 137735, 137741, 138746, 147802, 162899 6, 346 88437, 126668, 147802 7, 480 2071221 7, 545 2131261, 2161275 9, 72 2501530 9, 91 2321396 9, 314 88437, 89443, 125662, 140756, 152845/847 9, 316 88437/439, 89443, 140756, 152845 9, 317 106555, 3001884 9, 318 88437/439, 9, 319 171960, 2631608 9, 335 125662, 140756 9, 441 3124 9, 744 125662, 140756 10, 12 140756, 140759–760, 141767, 149820, 151838, 3202025 11, 159 90446 11, 176 137736 11, 274 95500 12, 149 2631610 13, 2 88440, 140759, 149818 16, 11 87433, 88437, 126668, 140756, 147802, 151838 16, 186 150830, 2331407, 2381435 16, 188 89443, 2301380, 2741679 16, 191 89443, 140756 16, 192 89443 16, 193 87433 16, 227 140756, 140757, 151838 16, 254 140756, 154859 16, 255 87433, 89443, 140756 16, 256 89442–443, 140756 Antisth. 15, 14 107563

Antoninus Liberalis Met. 23 95499–500 31 138746 Apollodor 1,5 96502 1, 32 148808 1, 46–48 115611 1, 80–83 3222036 1, 107 107560 1, 112 106559, 107560 2, 97 69309 3, 43–44 70321 3, 112 95499–500 3, 115 3111960 3, 181 2011179 E 2, 4–9 2801734 E 2, 8–9 2801735 E 3, 2 144780 Apollod. FGrH 244 F 129 162899, 1861057 Apollonios Rhodios 1, 752–758 2801734 2, 163 3031910, 3222036 3, 587–588 3091951 4, 1134–1137 97507, 3031908/1910, 3222036 4, 1732–1733 1861057 Archil. frg. 95 (West) 66283 Ailios Aristeides 17, 6 118626 53, 4 145790 Aristonicus Hom Il 16, 184–185 86425 Hom Od 24, 1–2 1951134 Aristophanes Ach. 683 155864 736–749 2941834, 3001885 816–817 2931831–1832/1832 816–827 2941835, 3001885 1000 114607 1076–1077 114610 1087 114607

405

406 Av. 1054 126/7 Eccl. 87 155864 Equ. 296–298 106556, 2971859 296–302 2991881, 3322094 297 2981863, 3001887 639 3091949 frg. (Kock) 245 73340 518 1901095 Lys. 1093–1095 126–7 Nub. 1476–1485 91456 1478 86428 1480–1487 2211315, 3101953, 3121971–1972 Pax. 377 2321397 385 2321397 389 2321396–1397, 392–393 86428, 86428 399 2321397 420 2241336, 2861771 422 3124 455–456 82395 602 86428 648 2321397 661–667 3121971 680 155864 682–683 3121971 711 2321397 Plut. 617–618 3091949 1134 86428 1139–1140 107567 1152–1170 60236 1153 3122, 90451 1157 153853, 2931822 1159 3126, 59233, 2751689 1161–1167 2681639, 2691649, 2751689 1173–1190 61244

5 Index Locorum

Ran. 180–208 1821027 211–219 114610 440–459 2231334 1126–1128 2031193 1138 2031193 1144 86426, 2931824, 2941836–1837 1146 2031193–1194/1196 1365–1367 2051207 1625 136732, 138743 Thesm. 295–300 145788 977 137740 1202 2931822 1203 153853 Vesp. 1177 3091949 Aristoteles Ath. pol. 3, 3 59232 3, 5 114607 3, 6 3262059 7, 1 155864 18, 2 159882 26, 3 173981 42 2351422, 2401452 42, 1–3 2351418, 2521543 42, 3–4 64267, 2361423 51 2861773 52, 1 3272064 55, 5 155864 57, 1 59229, 2601590 eth. Nic. 1116b 140755, 152849 pol. 1275a 22–24 2081 1276a 25–27 2079 1322b–1323a 2411457 1328b 11 2190, 2293 Aristoxenos frg. 59 (Wehrli) 2991878 Armenidas FGrH 378 F 6 78372, 3051921 Arr. cyn. 35 149820, 3202025

5 Index Locorum

Artemidoros 1, 45 3560, 95497 2, 34 1961143 2, 37 159884, 1951132 Athenaios 3, 92d 3212030 4, 167 2861771 7, 285 3212030 7, 326–327 3212030 9, 372a 2761710 9, 402 2861771 10, 437c–d 118635 10, 437e 114600, 117622 11, 465a 114605 15, 674a–b 102535, 119640 Babrios (Perry) 23, 4 137740 30 2091230 48 154860 57 106557 117 3232040 127 3232040 129 3232040

16, 16 153853, 2931822 16, 17 137740 Cypria frg. 4–5 (Evelyn-White) 144782 Demosthenes or. 2, 1 105547 6, 20 105547 18 52186 19, 303 2351422 20, 21 2401454 20, 112 50178/182, 52188, 2991877 25, 35 3322095 47, 26 3119, 75349 59, 39 3101956 59, 73–78 114607 Diodorus Siculus 5, 48 2251354 11, 78, 3–4 53195 13, 2 126 14, 40, 1 2561569 Diog. Laert. 8, 31 3119/21, 3770, 66282, 71328, 149822, 2051208, 2651623

Cicero

Diogen. prov. 4, 63 3114, 3262058

div. 1, 74 101526

Dion. Chrys. 7, 120–121 3041914

leg. 2, 65 2091230 Verr. 4, 24 2761716 5, 185 2761716

Dionysios Halicarnasseus ant. 1, 61 2251354 comp. 2, 65, 4 2911811

Clem. Al. 10, 102 3114, 3262058

Emp. frg. 120 (Nauck) 1941125

Corinna frg. (Campbell) 654 70322, 98513, 126668, 147802, 2571578 666 101524

Ephoros von Kyme (FGrH 70) F 29 112595 F 94a 140755, 152849 F 149 113598, 2461496, 2471503, 2621598, 2761711

Cornutus Theol. Graec. 16, 1–2 2381439 16, 3 3130, 86425, 90452, 2941839, 3151987 16, 4 101531 16, 7 1951132 16, 14 2931823/1831, 2971859

Epigrammata Graeca 781 3990 948 2531556 952 2521544 965 2521544 1046 2241342 1108 3001886

407

408

5 Index Locorum

Epimenides frg. 16 (Diels-Kranz) 131692 Eratosth. 5, 143 315

1986

Etymologicum magnum s v ἐριούνιος 2941839 s  v Ἑρμαῖον 3222032 s v Ἔχελος 164909 s v θριαί 130687, 3081943 s  v Τρικέφαλος 162900 Eubulos 106, 1–9 3091949 Eumelos frg. 12 (Kink) 70321 Euripides Alc. 357 1821030 357–362 1931120 743–744 1991162 836 294 1136–1150 1931124 Andr. 274–792 144782 275–276 147802, 2331405 El. 111 2031194 461–462 126668, 147802 1242 3262059 1252 118630, 3262059 frg. (Radt) 179–227 3031910, 3222036 179–228 N 70321 223, 66 147802 571–577 2801734 646a 1841046 912 1961143 Hel. 44–48 146793 56–59 146793 243 126668, 147802, 150831, 2331407, 2951843 670 2331405 1301–1307 1831037 1670 126668, 147802–803, 2331405 Heraclid. 70 2971860, 2981862

Herc. 870 118630 Ion 7–51 3031910, 3222036 Iph. T. 942–960 118635 Med. 759 66282, 147802, 149822, 2051208, 2321396 759–763 126668, 2061214 Or. 988–1000 2801735 [Euripides] Rhes. 216–218 146800, 147802 219–223 147801 224–232 147804 Eustathios Hom Il 1, 311 107563 Hom Il 2, 603 96504 Hom Il 3, 65 106559 Hom Il 20, 34 2941840 Hom Il 23, 334 162899 Hom Od 2, 133, 8-13 3222032 Gal. 2 2381439 Geminus Elementa Astronomiae 17, 3 96503, 158876 Harpokratos s  v Γαμηλία 1771008 s v ἐπιθέτους ἑορτάς 59230, 3192019 s v Ἐπικράτης 2351420 s v Ἑρμαῖ 159880, 2991877 s  v Ἑρμῆς ὁ πρὸς τῆι πυλίδι 75349 s  v Κήρυκες 2241342 s  v Προπυλαῖος 3119 s  v Τρικέφαλος 162900 s v Ψιθυριστής Ἡρμῆς 3101956 s  v Χόες 114606 Hegesandros FHG IV, p. 415, frg. 8 2991877 Hekat. FGrH 1 F 225 114600 Hekat. FGrH 264 F 25, 96, 6 1941126 Hld. 3, 5, 1 1861057

5 Index Locorum

Hellanikos (FGrH 4) F 24b 126 F 169a 3262059 Hell. Oxyrh. 10, 2 156866 Herakl. 72, 12 86425, 3151987 [Herakl.] Incred. 21 1821030 Herodotos 1, 78 294 1, 114, 1 137736 1, 145 3071940 1, 163 68305 1, 176 291 2, 51 3135, 3238, 161894, 2251352, 3021903 3, 142 294 4, 90 66285 4, 203 2931830 5, 7 3302080 5, 46 2971860, 2981862 6, 77 120642 6, 114 57217 7, 58, 3 66285 8, 53 2351422 8, 129 294 9, 13 292 9, 85 55205 9, 100, 1 1901095 Hermippos (=PCG 5, p. 591–594) 95496 Hesiodos erg. 68 149818, 1891087, 3272067 77 107568, 1891086–1087, 3272067 78 107568 84–89 2381437 85 150829, 2331407, 3091951 770 91461, 163904 frg. (West) 16 148806 64 95500, 106559 66 95500 137 69309, 86425, 1891084, 3151987 169–170 95500, 126668, 147802 182–183 70321 217 126668, 147802

409

theog. 22–34 43113 211–217 118630–631 311–315 1811022 444–447 87433, 136732, 137740, 138743 450 2901800 477–480 96502 913–914 1831037 938 3127, 100520, 126668, 147802, 1991166, 2331405 [Hes.] Ἀσπὶς Ἡρακλέους 244–253 118631 Hesychios s  v Ἀγοραῖα Θέμις 2981867 s v Ἀγοραῖος 2971859 s  v Ἀγοραῖος Ἑρμῆς 3001888 s v Ἀγοραίου Διὸς βωμός 2981862 s v Ἀγοραῖος Ζεύς 2981862 s  v ἀκάκητα 86425, 3151987 s v Ἀνθεστήρια 114600 s  v Ἄρειος πάγος 3262058 s v Δρόμιος 2681640 s  v Ἔννιος 149820, 3202025 s  v Ἐπάκτιος 65273 s  v Ἐπιτέρμιος 3115 s v ἕρμαιον 85417 s  v Ἑρμῆς ἀμύητος 3114 s  v Εὔκολος 2501530 s  v Θευξένια Ἀπόλλωνος ἑορτή 2811744/1746 s  v θριαί 130687, 3081943 s  v Ἱππάρχειος Ἑρμῆς 159880/884, s  v Ἴσσα 2251353 s  v Κάβειροι 2251352 s v Κᾶρες 118629 s  v καταιβάτης 2051208 s v κῆρυξ 2241342 s  v Ὅδιος 149821 s  v Παιδοκόρης 2501530 s  v Πυληδόκος 3120, 71327, 90450 s  v Τρικέφαλος 162900 s v Τύχων 2611597 s v ψυχαγωγός 2051208 Hippias von Erythrai FGrH 421 F 1 153853 Hippokr. Int. 48, 7, 286 150833 Hippol. Haer. 5, 7, 29 3560

410 Hipponax (West) frg. 1 91459, 95500 frg. 3 66283, 91459, 95500 frg. 32 66283, 86428, 95500, 126668, 147802 frg. 35 66283, 95500 Hom. Epigr. 12 2901800 Homeros Il. 1, 311 107563 2, 103 149818, 1891087, 3272067 2, 173 107564 2, 302 118630, 1891088 2, 546–556 52190 2, 834 118630 4, 509–511 155863 4, 520 66285 5, 390 107568, 1911111 7, 328–330 1891088 8, 362–369 1811023 9, 308–314 107562 9, 411 118630 10, 266–267 106559, 107560 11, 482 107562 11, 670–686 107567 12, 297 1901101 14, 231 1861058 14, 490–491 137734/740 15, 243–262 1891090 15, 306–310 1891090 16, 181–186 1891086, 1911111 16, 184–185 86425, 1891084, 3151987 16, 663–683 1861064 16, 673 1871066 16, 682 1861058 16, 855–857 1891088 18, 535–538 118630 19, 96–99 101528 20, 34 86426, 2931824, 2941836–1837 20, 72 86426, 2931824, 2941836–1837 21, 497 48167, 149818, 1891087, 1011111, 3272067 21, 497–501 48167, 1011111 22, 210–213 2051207 22, 361–363 1891088 23, 78–79 118630

5 Index Locorum

24, 23–30 2381437 24, 24 107568, 150826, 2021190 24, 28–30 144781 24, 104–119 1851055 24, 153 143778 24, 182 143778 24, 322–333 1851054 24, 327–328 1011111, 1851056, 1911111 24, 332–338 1851055 24, 333 1911108, 2331405 24, 334–335 1861060 24, 333–345 1911108, 2381437 24, 339 68301, 149818, 1861062, 1891087, 3272067, 1891087, 3272067 24, 339–342 68301 24, 339–349 1861062 24, 343–344 1901099/1101 24, 345 1891086 24, 349–371 3121973 24, 360 86426, 2931824, 2941836–1837 24, 378 149818, 1891087, 3272067 24, 389 149818, 1891087, 3272067 24, 410 149818, 3272067 24, 432 149818, 1891087, 3272067 24, 433–439 1861057 24, 437 143778 24, 440 86426, 2931824, 2941836 24, 445 89445, 149818, 1891087, 3272067 24, 445–447 89445 24, 446 3012 24, 453–457 89445 24, 457 86426, 2931824, 2941836–1837 24, 461 143778, 2331405 24, 468 1861062 24, 677–679 1861062 24, 679 86426, 150827, 2931824, 2941836–1837 24, 679–681 150827 Od. 1, 1 107565 1, 37–43 2381437 1, 38 150826, 1891086, 1891086, 2021190 1, 84 149818, 1891087, 3272067 3, 163 107562 5, 3–27 1871068 5, 28–42 1871069 5, 29 3091951

5 Index Locorum

5, 43 68301, 149818, 1891087, 1911108, 3272067 5, 43–46 68301 5, 43–49 1911108 5, 44–58 2381437 5, 47–48 1901098/1102 5, 55–148 1911111 5, 75 149818, 1891087, 3272067 5, 94 149818, 1891087, 3272067 5, 145 149818, 1891087, 3272067 5, 148 1871069, 1891086 6, 11 1891088 7, 134–138 2181290 7, 137 150826, 1891086, 2021190 7, 168 107562 8, 266–366 145786 8, 296–343 1911111 8, 322 86426, 2931824, 2941836–1937 8, 335 149818, 3272067 8, 338 149818, 1891087, 3272067 8, 573 292 10, 81–124 3517 10, 238 1901102, 1911103 10, 275–309 1911111 10, 293 1901102, 1911103 10, 319 1901102, 1911103 10, 330 107565 10, 389 1901102, 1911103 10, 488–540 1871070, 1971154 10, 559–560 1891088 10, 573–574 1891090 11, 6–8 1871071 11, 12–19 3517 11, 20–36 1811018, 1871072 11, 56–627 1811018, 1871072 11, 171 118630 11, 260–265 70321 11, 620–626 1811021 11, 623–624 1811022 12, 251 1901102, 1911104 12, 333–396 107567 12, 390 149818, 3272067 13, 293 107562 13, 429 1901102, 1911105 14, 207–210 1891088 14, 414–456 149816 14, 418–439 2001171 14, 434–435 126668, 147802

411

15, 319 149818, 3272067 16, 172 1901102, 1911105 16, 172–174 1911106 16, 456 1901102, 1911105 16, 470–475 3454 17, 546–547 3091949 19, 395 106559, 107560, 2001170 19, 395–398 2001170 19, 482 126668 19, 500 126668 21, 219–220 107560 21, 274 107563 22, 115 107562 22, 202 107562 22, 281 107562 23, 171 126668 23, 366–372 1921115 24, 1–5 95500 24, 1–14 1881080, 1911111, 2231332 24, 2 1901102 24, 10 86425, 3151987 24, 99 149818, 1891086–1087, 3272067 24, 99–101 1881080, 1911111, 2231332 24, 528–548 1921116 hymni Homerici Hom. h. 2 3 1841042, 3091951 8–9 1761000, 1831038 16–37 1831036 77–80 1841042 314–328 1841043 334–339 1841044 334–356 3091951 346 1891086 375–388 1841041 377 1891086 407 86426, 150830, 2331407, 2931824, 2941836, 3091951 407–410 1841044 470–482 148808 Hom. h. 3 200 150826 h.Herm. (Hom. h. 4) 1 2331405 1–5 126667 1–16 95499–500 2 158874

412 3 86426, 2931824, 2941836 13–14 107565, 137738, 150828, 1861057 15 3012, 3120, 71327, 90450, 150827 17–19 91461, 94492 23 129679 25–54 2271363, 2571577 28 86426, 2331405, 2931824, 2941836–1837 30–54 3151988 46 3127, 100520 55–60 2571577 66 153853, 2931822 73 150826, 1891086, 2021190 76 153853, 2931822 81 2011185 84 3127, 100520, 1891086 87–93 148806 88 97507 89 126668, 147802 96 3127, 100520 101 3125, 100519, 142771, 2331405 130 3127, 100520 139 142771 142 95499–500 145 86426, 2331405, 2931824, 2941836 146 3012 150 3127, 100520 155 107562 162–175 2001167 175 2321398 183 2331405 186 97507 190 97507 214 2331405 216 2651622 228 95499–500 230 2331405 235 2331405 245 153853, 2931822 246–251 86426 253 3127, 100520 265 137738 282 153853, 2931822 293–303 3091948 294 1891086 296 3091950 298 3127, 100520 301 2331405

5 Index Locorum

304 95500 314 136732–733 316 3127, 100520 318 95499–500 319 107563–564, 2331407 320 148814 323 2331405 355 2651622 361 153853, 2931822 368–386 106555 372–373 3222032 377 137738 384 3012, 3117, 168942 387 95500, 1891086 387–392 1891087 392 149818, 3272067 397 2331405 398 142771, 2651622 401–502 2921820 404 3127, 100520 405 153853, 2931822 408 95500, 126668, 147802 414 1891086 423–433 1961146 424 126668, 147802 430 126668, 147802 432 2331405 436 137739, 166919 439 107565, 126668, 147802 446 2331405 455 2331405 463–498 2271364 492 137740 497 137740 498 126668, 136732, 147802 491–494 87433 504 2331405 514 107562, 126668, 147802, 149818, 3272067 516– 87433, 136730, 2921820 521 126668, 147802 541–549 3091947 550–551 86426, 2331405, 2931824, 2941836–1837 552–566 129686, 3081942 557 130688 565 3091946 567 126668, 137740, 147802 567–571 136731

5 Index Locorum

571 3127, 100520 572–573 1841045, 1881078 574 126668, 147802 576–577 86428 579 2331405 Hom. h. 5 21–32 2911809 129 1891086 147 149818, 3272067 213 149818, 1891087, 3272067 262 150826 Hom. h. 18 1–2 95499–500, 1891086 3–4 86426, 1991166, 2331405, 2931824, 2941836, 3091951 10 2331405 12 86423/427, 110586, 149818, 3272067 Hom. h. 19 1–3 131692 28 86426, 2931824, 2941836 29 3091951 30 158874 31 41103, 94493, 95500, 139752 32–36 131692 40 86426, 2931824, 2941836 Hom. h. 29 7 126668, 143802, 2331405, 8 3091951 Hyginus fab. 7–8 70321 84 2801734 160 2011179 164 1821032 200–201 106559, 107560 224 2791732 275 2251350 Isaios 3, 76 1771008 3, 79 1771008 8, 18 1771008 8, 20 1771008 Isokrates or. 5, 117 1961143

413

7, 29–30 59230, 3192019 11, 8 1821030 16, 33 2291372 Iul. or. 4, 132a 2381439 Kallimachos Dieg. 7, 32 66284, 67290 8 67289 frg. (Trypanis) 197 (iamb 7) 66283, 67289–290, 95497, 2271368, 3071941, 3212029 h. 1, 15 96502 2, 45 130687, 3081943 3, 142–144 92462, 3151985 Karystios FHG IV, p. 358–359, frg. 13 113597 Kephisodoros FGrH 112 F 1 140755, 152849 Kratippos FGrH 64 F 3 1421 Libanios or. 30, 9–10 124656 Hypothesis Demosth or 1 105547 Livius 29, 27, 6–8 3664 31, 24, 5 73339 35, 50 97507, 140754, 141764 Lukianos Apol 2 2381439 Dial D 22, 1 95500 Dial meretr 5, 1 2901800 Iupp. trag. 33 2971859, 2981863, 3001887, 3011891 42 3238, 3560, 95497 nav 20 90454 Lykurgos 1, 18 291 76 2351422 frg 5, 3 (Sauppe) 2351420 Lykophr. Alex. 679–680 162900, 1871069, 2931827

414

5 Index Locorum

Lysias 6, 11–12 90454 21, 1–4 2581584 23, 2–3 2861771, 2991879 30, 19 1311, 59230, 3192019 frg 53 (Carey) 1429 [Lys.] 6 126–7 Macarius Paroemiographus 5, 53 101531 Mnesimachus frg. 4, 3–4 (Edmonds) 58222 Nep. vit. Alc. 3 126 Nik. Alex. 559 3151987 Nik. Dam. FGrH 90 F 103aa 2 2621599 Nonnos Dionysiaka 13, 227 95500 48, 710 95500 Orpheus h. Proem 22–23 3091951 28, 6 2931826 28, 8 86426, 2931824, 2941836 Lith. 2, 69 86426, 2931824 54 150828, 2331407 Ovid fast. 4, 207 96502 5, 495–536 98512 met. 2, 676–707 148807 10, 1–147 1821032 11, 1–66 1821032 11, 301–317 106559 Pont. 4, 1, 31 101525 Papyri P Elph 1, 13 2071220 P Herc 243, 3 106559 PMG 1018, 3 1961143 P Oxy 3, 411 126 P Oxy 7, 1015 137740, 150825

P Oxy 34, 2688, 14–20 1901095 P Oxy 34, 2689, frg 2, 18–22 1901095 Parthen. 14 150829, 2331407 Pausanias 1, 2, 4–5 162897, 2311391, 2751689 1, 14, 2 148808 1, 14, 5 3041918 1, 15, 1 50179, 2971859, 2981863, 3001890, 3011896 1, 17, 2 2661629, 2991877 1, 18, 3 2911810 1, 22, 3 2881792 1, 22, 8 3119, 3350, 80385, 145788, 2881792 1, 24, 3 3135, 161894, 2861771 1, 27, 1 2011181, 3131978 1, 27, 5 57218 1, 28, 2 101525 1, 28, 5–6 3262058–2059 1, 30, 2 2311391 1, 34, 3–5 97507, 2911810 1, 38, 3 2241342–1343 1, 38, 6 148808 1, 38, 7 2251350 1, 40, 3 3071938 2, 2, 8 2981868, 3051922, 3071938 2, 3, 4 137740, 138745, 138749, 152851 2, 9, 7–8 2971859, 3011896, 3051924 2, 19, 3–7 95497 2, 19, 6–7 2261360, 2271362/1365/1368 2, 20, 8–10 119641 2, 25, 6 52190, 3071938 2, 26, 3–7 3031910, 3222036 2, 31, 10 139751, 3131977, 3131980 2, 34, 1 3051925 2, 35, 1 2911810 2, 38, 5 3883, 47159 2, 38, 7 46156 3, 11, 9 2981862, 2981866, 3031906 3, 11, 11 2911810, 3011896, 3031906, 3262061 3, 14, 1 55208 3, 18, 11 3031908, 3031910, 3222036 3, 18, 13 1821028 3, 22, 8 3071938 3, 22, 13 3883 3, 24, 7 79375 3, 26, 2 3031910, 3222036 4, 1, 5–9 169949, 170958

5 Index Locorum

4, 1, 8 170956 4, 2, 6 169949 4, 26, 6–8 169949 4, 30, 2 3071935 4, 32, 1 2511540, 2741682, 2981868, 3071938 4, 33, 3 3135, 75356, 152846 4, 33, 4–5 138745, 140761, 142768, 161894, 169951, 170955 5, 1, 7 2801735 5, 10, 6–8 2791733 5, 11, 8 2881789, 2911810 5, 14, 4 2701656 5, 14, 8 2701656 5, 14, 9 66281, 2681639–1640, 2701656 5, 15, 4 2911810, 2981862/1865 5, 15, 5 2701656 5, 15, 10 2701656 5, 17, 3 2711657, 3031909 5, 17, 5–5, 19 2711657, 3232042/2044 5, 20, 1 2711657 5, 26, 2–3 2911810 5, 27, 8 138745, 1901095, 2551564, 2711657 6, 1, 3 2551565 6, 26, 4–5 3238, 3557–58, 94493 6, 26, 6 3561 7, 18, 2 148808 7, 20, 4 3071933 7, 22, 2–3 2971859, 2981868, 3011896, 3071937/1941 7, 22, 4–5 3071934–1935 7, 27, 1 152851, 153853–854, 2931822, 3071933 7, 27, 4 2811744/1746, 3071933 8, 3, 2 3151985 8, 3, 6 40101, 3031910, 3222036 8, 4, 1 40101, 148808, 3222036 8, 4, 6 106559 8, 14, 10–11 4092, 2561566, 2651619, 2791730–1731, 2801736 8, 15, 1–4 40100 8, 16, 1 41103, 95499, 126668, 139752 8, 17, 1–2 94493–494, 95500, 96504, 158876 8, 17, 3–4 97506 8, 17, 5 41104, 158876, 2711658 8, 19, 1 2981868 8, 25, 3–4 3071938 8, 30–32 2981868 8, 30, 6 3141984, 3151985 8, 31, 1 103539, 3141981

415

8, 31, 4 3141981 8, 31, 6–7 3123, 102537, 3141981 8, 32, 3 2751687, 3141982 8, 34, 6 3881, 3885 8, 35, 2 3881, 3885 8, 35, 3–4 3881, 3885, 2761711 8, 36, 10 95499, 97508, 3151985–1986 8, 37, 10 3071938 8, 39, 6 2741681 8, 48, 6 3243, 3141983 8, 53, 4 112595 9, 4, 1 101525 9, 5, 6 70321 9, 5, 8 70322, 97507 9, 10, 2 3118, 82398, 97507 9, 11, 4 101526, 102532 9, 11, 7 3101955, 3111966 9, 16, 1 3041920 9, 17, 1–2 62254, 97507, 2971859, 3011896, 3041914 9, 17, 6 70321 9, 20, 3 95499, 97508 9, 22, 1–2 3128, 97510, 98514, 100522, 102533, 138745, 138748, 2761708 9, 24, 5 141765 9, 25, 3 3041920 9, 25, 4 2981862 9, 30, 1 97507, 141763 9, 34, 3 97507, 138746, 3202027 9, 39, 7 97507, 2531557, 3111961 9, 40, 11 97507 10, 5, 3 148811 10, 9, 1–2 58219 10, 12, 6 2161278 10, 28–31 1881076 10, 32, 4–5 128678, 136727 frg 330 (Schwabe) 3101956 Periplus m. m. 13–14 3664, 68299 93–95 3664, 68299 Phaedrus 103 106557 133 153853 Phanod. FHG I, p. 368, frg. 13 114605

416

5 Index Locorum

Pherekydes (FGrH 3) F 37 2801734 F 48 3081943 F 49 130687 Pherec. frg. 63 (Schibli) 107560 Philochoros (FGrH 328) F 40 3121, 75349, 2841758 F 84a 114610 F 88a 91461 F 133–134 126–7 F 195 130687, 3081943 Philostephanus von Kyrene FHG 3 F 9, p. 28–34 126668 Philostratos Ap. 6, 20 3560 imag. 1, 26 95499 2, 25 69309 soph. 1, 25 118626 Photios Bibl. 144a 126668, 147802, 2941839 Lex. s  v Ἑρμαῖ 159884, 2991877 s v Ἑρμῆς στροφαῖος 3122, 90451 s v Θύραζε Κᾶρες 116620, 117621–622, 118627 s  v Πελληνικαὶ χλαῖναι 2811744, 3071933 s  v ῥάμνος 118634 s  v τετρακέφαλος 162899 Pindar

O. 5, 10 2681646 6, 77–80 94493, 2681646, 2791730 6, 78–79 2681641 6, 78–82 2611597 8 1951136 14, 24 3127, 100520 P. 2, 10 69309, 2681646 Platon Hipp. min. 365b 107565 Krat. 407e 3091951 407e–408a 125 leg. 717a6–7 1961143 745b 2911810 764b 2861773 814d–e 2581583 815a 2581584 849a–e 2861773 917b–e 2861773 917e 2911804 933d–e 3342108 Lys. 203a-b 2771720 206c–d 2771719 206d–e 2731677 207d 2781724 polit. 465d 2201308 466 a 2201308

frg. (Maehler/Snell) 73 98512 100 131692 137a 2231334

Prot. 317c–334c 3242048 322c 111 322c–d 3242047 323a–324d 3252052

I. 1, 60 2681646 6, 3 2191300

rep. 327a 131699 328a 171962

N. 10, 52–53 2761714

symp. 179d 1821030

5 Index Locorum

[Platon] Hipparch. 228c–229b 159880/884 228d-e 154858 Plato comicus frg 61 K–A 3121971 frg 174, 7 2901800 frg 204 K–A 3121971 Plinius nat. 7, 205 2511536 34, 91 4093 35, 59 1881076 Plutarchos Alkibiades 18–21 126–7 18, 3–4 139/14, 1419 20, 4 3121971 am. 758b 1951132 Aristides 20 3041917 20, 1 53195, 2171282 20, 4 172967 21, 1 54200 21, 3–6 54201 Kimon 7, 3–5 52189 8, 1 53192 Lykurgos 17, 3–4 102536 mor. 138c–d 175992 242d 156868 245c–f 93467, 119641 245e 93467 303d 86427 349f 55208, 2601588, 2851764 724c 2621602 Perikles 37, 2–3 173981

qu. Gr. 24 2261357 55 110586–587 Solon 8, 2 155865 25 155865 symp. 3, 7, 1 114604 9, 3, 2 91461 Theseus 12, 3 75351 22, 4–5 116619 [Plutarchos] X orat. 834 52189, 2861771 844b 2971859, 3011892 Polybios 1, 29, 2 3664, 68299 4, 43 3665 4, 52, 4 1901095 5, 92, 6 169949 9, 28 47158 24, 12, 1 1901095 Pollux 3, 78 156867 7, 15 2971859 8, 103 2241342 10, 36 126 Polyainos 2, 3, 8 101526 6, 24 3884 8, 33 93467 Pomp. Trog. (Iustinus) 43, 4, 6 118626 Porphyrios De antr nymph 6 1961143 frg. (Smith) 217 2991878 Hom. Od. 8, 32 2941840 11, 626 2941840 24, 1 2941840

417

418

5 Index Locorum

24, 1–3 1951134 24,10 2941840

Aristot. eth. Nic. 1116b 140755, 152849

Possis FGrH 4 F 483 114600

Demosth. or. 18 1901095 20, 112 2991877 22, 597 101525

Ptolemaios 3, 3, 2 3664, 68299 3, 3, 8 3664, 68299 3, 15, 2–3 3664, 45142, 68299 3, 17 68299 3, 17, 3 3664 4, 3–5 3664, 68299 Ptol. Heph. V p. 192 69309 Scholia Apoll. Rhod. 1, 752 2791732 1, 752–758 2801734 1, 917 2251352/1354 2, 532 113 Aristeid. 17, 20 101525 Aristoph. Ach. 146 1771006 218 116616 1076–1077 114610, 116615–616 Aristoph. Av. 1421 2811744, 3071933 Aristoph. Equ. 296–298 106556, 2971859, 2991881 297 2981863, 3001887 Aristoph. Pax. 650 2051208 923 3117 Aristoph. Plut. 116a–c 163904 1126 91461 1153 3122 1159 60240 Aristoph. Ran. 218 116615 Aristoph. Thesm. 1202 2931822 1203 153853

Eur. Or. 988–1000 2801735 Hes. erg. 368–369 112593, 117622 770 91461 800b 163904 Hom. Il. 1, 334 2241342 2, 842 3121, 3770, 71328, 2651623 16, 184–185 86425, 3151987 20, 72 2941839 Hom. Od. 16, 471 3222032 24, 1–2 1951134 24, 1–5 95500 Kall. h. 2, 45 130687, 3081943 3, 142–145 3151985 Lukian. Icar. 34 95500 Lukian. Iupp. trag. 33 3001887 Lykophr. 219 2251352–1353 679–680 98514, 101530 Pind. N. 10, 82 2811744, 3071933 Pind. O. 1, 97 1841046 5, 10 2681646–1647, 2711657 7, 153 2791730 7, 156 2811744, 3071933 8, 106 1951134–1135/1139–1140 9, 146 2811744, 3071933 13, 155 3071933

5 Index Locorum

Pind. P. 2, 10 2681646

frg. (Radt) 318 137737 471–477 2801734 592, 5 107562 784 1901095 837 2231334

Plat. Lys. 206d 2761715 Plat. Phaid. 107c 3202025

Ichn. 28 86426, 2931824, 2941836 99–101 95499–500, 126668, 2331405 123 137736 252 95499–500, 126668, 2331405 314 107567 318 107567 392 149819 409–412 3131978 492 137740

Soph. Ai. 190 107560 Soph. El. 504–515 2801735 Soph. Oid. K. 1053 2241343 Soph. Oid. T. 485 3071935

Oid. K. 1382 3322095 1544–1548 2061215 1547–1548 66282, 148813, 149822, 2051209, 2071218 1556–1578 2071216 1656–1665 2071217 1661 2051209, 2071218

Soph. Phil. 1459 3665 Verg. georg. 3, 7 2801734 Simonides (Page) frg 15 56211 frg 20 (West) 126668, 147802, 149823 frg 520 55208 frg 542 163902 frg 555 126668, 2681641/1645 frg 591 137740

Oid. T 160–161 3041916 472 118630 1099–1109 95500 1104–1105 95500, 2321396

[Skyl.] 112 3556 Sol. frg. 88 (Ruschenbusch) 225 Sophokles Ai. 824–844 1981159 832 66282, 149822, 2051208, 2061213 Ant. 1070–1073 1961143 El. 110–120 2041203 111 56210 1374 90454 1395–1397 153853, 2931822 1432 294

419

1348

Phil. 133 153853, 2931822 1135 107564 1453–1463 3455 1459 3663/65 Trach. 133 118630 Stephanos Byzantios s v Ἀνδανία 169949 s v ἐριούνιος 2941839 s  v Ἐχελίδαι 164909 s  v Θρία 130687, 3081943 s v Ἴμβρος 3021905 s  v Ἴσσα 2251353 s  v Κάβειροι 2251352 s v Κυλλήνη 96504

420 s v Μεθύδριον 3151990 s  v Φενεός 3989, 158875, Stesich. frg. 64 (Campbell) 69309 Strabon 1, 2, 34 86425 6, 1, 6 2561569 7, 331 69309 8, 3, 4 3557 8, 3, 12 3875, 124655, 152844 8, 3, 33 152844 8, 4, 5 169949 8, 8, 1 96504 9, 5, 8 3348 10, 3, 21 2251352 10, 4, 20 113598, 2621599 frg. (Radt) 44 69309 47 69309 Suda s v ἐπιθέτους ἑορτάς 59230, 3192019 s v Ἑρμαῖ 159880/884 s v Ἑστροφαῖον 3122, 90451 s  v θριαί 130687, 3081943 s  v κήρυκες 2241342 s  v πανσπερμία 116615 s  v πρὸς τῇ πυλίδι ῾Ερμῆς 75349 s  v Τρικέφαλος 162900 s v Χύτροι 114610 Theognost. Can. 33 2611597 Theokr. 25, 4 125664, 149820, 3202025 Theophrastos char. 16, 5 153857, 155861, 156869 16, 10 90454, 91460–461, 163904

5 Index Locorum

1, 105, 2–3 53195 1, 113 57218 2, 15, 4 114600 2, 16 123650 2, 29 66285 2, 71, 2 55208, 56211 2, 84 3557 3, 19 65271 3, 23 65271 3, 58, 3–4 55203 4, 75 65271 5, 47, 11 2261361 6, 15, 4 49176 6, 27 3117, 90449 6, 27, 1–3 126, 139, 1418/20/22, 3135, 80381, 161894, 176996, 2991876 6, 28, 1 1314 6, 28, 2 1420 6, 44, 3 2561569 6, 53 126, 2991876 6, 53, 2–3 1424 6, 54 159882 6, 54, 6–7 162898, 2981868 6, 56 159882 6, 59 159882 6, 60–61 126, 2991876 6, 60, 1–2 1317, 1420, 1536 6, 60, 4–5 1536 6, 61, 1 1420 7, 29, 3 97507, 140754, 141764 8, 19 65271 8, 61 65271 Timaios (FGrH 566) F 28 114600 F 59 1901095 F 158 90454 Vergilius

Theopompos (FGrH 115) F 334 90454 F 347 114610, 115614, 116615–616

georg. 4, 153 96502 4, 453–527 1821032

Thukydides 1, 20 159883 1, 30 3557 1, 53, 1 1901095 1, 98, 1 50178 1, 102, 4 2021188

Vitr. 2, 8, 11 45143 Xenophon an. 5, 7, 30 1901095

5 Index Locorum

hell. 2, 4, 11 131699

mem. 1, 1, 14 153856

Hier. 4, 7 292

oik. 6 123651

hipp. 3, 2 166923, 2861771

[Xen.] Ath. pol. 1, 13 2401454

Lak. pol. 13, 2 103538

Zenobius s v Θύραζε Κᾶρες 117621/625, 118627

421

6 Register Ortsregister A Abdera 69, 194, 301, 3413, Abiai 58224 Achaia, Achaier, achaisch 89, 307, 3071933, 312 Acharnai, Acharner 235, 293, 300 Ägäis, ägäisch 26, 218, 340 Ägypten, ägyptisch 26, 26118, 3664, 68299, 146–147, 194–195, 267, 312 Aigeis 287 Aigila 169 Aigina 53195, 195, 255, 2711657 Ainaia 65 Ainos 2078, 66–67, 95497, 2271368, 296, 321, 3212030, 331, 3413 Aitolien 38, 93 Akakesion 95499, 96, 3071938, 315, 3411 Akamantis 73, 73341, 3182004 Akte 236 Alexandria 318 Alpheios 39, 142, 3411 Ambrakia 94 Amorgos 69–70 Andania 169–170, 224 Anemomilo 46 Angele 53 Anthemus 105 Antiochis 232, 292 Apamea 276 Aphrodisias 62 Apollonia 212–213, 2131263, 218 Aptera 3414 Apulien 199

Argolis 2078, 38, 46, Argos, Argiver, argeisch 36, 3883, 46–47, 93, 95497, 119–121, 226–227, 2261360, 2361426, 2981868, 322 Ariaioi 248, 3414 Arkades 45, 246 Arkadien, Arkader, arkadisch 2078, 32, 35, 38–41, 3881, 45, 73, 76, 94, 95500, 96, 103–104, 124660, 126, 129, 139–140, 152, 154858, 157–158, 1891082, 255–256, 2711657, 2741681, 280, 2801737, 288, 313–315, 339–341, 3411 Arsinoe 3880 Arykanda 276 Aspendos 267 Athen, Athener, athenisch 12–16, 1645, 1865, 19–21, 2078, 24, 26115, 31–32, 40, 48–52, 54–62, 55208, 57214/218, 64–66, 65272, 68–70, 73–76, 78–86, 79379, 83400, 84408/409, 90, 92, 94, 95496/497, 99, 101, 101525, 104–105, 109579, 114–115, 117–118, 121, 123, 126–128, 127670, 130–131, 142, 143779, 144, 145788, 146, 151, 155–156, 158878, 159–163, 166–167, 170–174, 171964, 176–180, 1771006, 183, 199–202, 206, 210–211, 214–215, 223–225, 229, 231, 233–239, 2401452, 244, 252–253, 258–261, 264–266, 2651619, 270, 2731677, 275–278, 2761694, 283–286, 2841759, 2871777, 288, 2891795, 290–291, 293–294, 296, 298–302, 2981868, 3011896, 304–305, 310, 313, 315–316, 318–319, 3232046, 324–327, 330, 332–334, 3332105, 340, 345–346, 350 Athos 36

424

6 Ortsregister

Attika, attisch 2078, 31–32, 53, 58, 64, 65272, 69, 76, 84, 114601, 117, 124660, 126, 131698, 142, 150832, 151, 170, 184, 198, 218, 235, 261, 269, 286, 288, 290, 293, 310, 312, 318–319, 335–336, 340 Atrax 2211320, 222, 3412 Axos 135 Azoros 3412 B Balta-Liman 3413 Bargylia 93 Basilis 3411 Belemina 39 Beroia 166921, 220, 2411459, 276, 3322096 Biannos 45, 248 Boiai 3883 Boiotien, Boiotier, boiotisch 2078, 54, 70322, 93, 96–98, 97507/509, 100–101, 120, 251, 257, 286, 304, 320 Bosporus 36, 3665 Bouthrotos 94 Brauron 146 Brychon 295 Butadai 164 Byllis 94 Byzantion 2181295 C Callatis 3101958 Chaironeia 97507 Chalkis, Chalkidier, chalkidisch 101, 104– 105, 256, 276, 330 Charadra 94 Chelydorea 41, 2711658, 3411, Chersonesos 69, 276, 3413/4 Chios 114, 276 Chrysapha 47–48 D Dakytos 46, 329 Daminon Teichos 3413 Dekeleia, Dekeleier 299, 2991880 Delos, delisch 80, 82, 84, 111, 171, 2181295, 250– 252, 2501531, 264, 276, 2891795, 290–292, 313 Delphi 57, 130687, 145788, 158878, 160, 163, 188, 245, 270, 2711659, 276, 308, 3081943, 311–312, 318 Didyma 163, 167

Dion 261 Divritsa 47162 Dreros 44, 248–249, 3414 Dyme 3071933 E Echelidai 163, 164909 edonisch 331 Eion 50–52, 54, 56–58, 57218, 61–62, 64, 75, 81, 121 Elateia 82396, 145788, 2211319 Eleusis, eleusinisch 13, 59, 64, 75, 163, 166, 168–170, 201, 224–225, 237, 269, 2701651, 278, 316, 3192016 Eleutherna 44, 3414 Elis, Eleer, elisch 93, 95497, 255–256, 270, 2711657, 271–273, 288 Ephesos 3882, 65, 80, 82–83, 83400, 193, 313 Epidauros 3880, 93, 280, Epopeus 42 Erchia 318–319, 3182016, Erechtheis 243, 264, Eretria, Eretrier 37, 65, 2351416, Erythrai 153853, 265–266, 272, 2931822, 301, 305–306, 317 Etis 3883 Etrurien 95 Euboia, Euboier, euboisch 37, 100, 237, 2371432 Euhydrion 3412 Evangelismos 2211320, 3412 G Galater 136 Gardiki 3412 Geros Spilios 135 Gonnoi 2211320, 3412 Gorgippa 276, 281 Gortyn 44, 46, 105, 128676, 135, 328–330, 3414 Gortys 72 Gülnar 267 H Hades, Insel der Seeligen, Jenseits, Unterwelt 28, 55, 104, 106, 115–116, 116617, 117–118, 176, 179–185, 1811018, 187–190, 1891082, 191–194, 196–199, 1991163, 201, 204–215, 217, 219, 223–224, 227–228, 294, 326, 332, 334, 338, 343–344 Halasarna 313

6 Ortsregister

Halikarnassos 45143, 93, 253, 346 Helikon 97507, 141 Heraia 3411 Herakleia ad Pontos 114600 Hermesfelsen (Ἑρμαῖον λέπας) 36 Hermesgipfel (Ἑρμαῖον ἄκρον), Hermaia Akra 35, 45, 3414 Hermeshügel (Ἕρμαιος λόφος) 34, 36 Hermaieus 3182006 Hermaion 36, 46, 3412 Hermeios 225, 3182005 Hermeis 318 Hermione 291, 2911810 Hermos 73341, 318, 3182004 Hermupolis 3411 Hierapytna 44–46, 93, 246–248, 3414 Hippothontis 299 Histiaia 257–259 Histria 276, 313 Hymettos 128678, 130 I Ichnai 3312084 Ida, idäische Grotte 36, 128678, 132, 135, 144, 248, 3414 Ilissos 142, 167 Imbros 301–302 Iolkos 3412 Ionien, ionisch 2078, 38, 201, 212, 287 Itania 3414 Ithaka 34, 149, 187, K Kalchedon 317, 3172003 Kallatis 3413 Kallirhoe-Quelle 142 Kalyva 65270 Karien, Karer, karisch 117, 287 karnasischer Hain 140–141, 169 Karthaia 85415, 151 Karystos 37, 117622 Kato Symi 45–46, 151, 245–249, 3414 Kekropis 244 Keos 36, 3664, 68299, 87, 87434, 93, 291 Kephale 160 Kephisia 88, 260, 278 Kerameis 73 Kerykeion 95499, 96–98

425

Kilikisch 267 Kleinasien, kleinasiatisch 26, 2121259, 218, 275, 310, 340 Kleitor 47162 Kliosi 3767 Knidos, Knidier, knidisch 11, 39, 156–157, 245, 270, 285, 2901801 Knossos 44, 248 Kollytos 70318 Kolonos 148, 206 Komaieis 37 Korassiai 151 Korinth, Korinther 14, 2078, 138, 218, 2981868, 301, 305, 3071938, 323, 346 Koroneia 57218, 97507, 140, 152, 313, 320 Korkyra 94 Korseia 97507, 141 Kos, koisch 63, 121, 241–242, 2421460/1465, 252, 262, 264, 272–274, 276, 285, 287, 316–320 Krannon 2211320, 2941839, 3412 Kreta, kretisch 2078, 23101, 36, 3664, 44–46, 45136, 59, 59234, 68299, 95496, 105, 112–113, 112596, 124–125, 128, 135, 142, 173, 234, 237, 2371432, 239, 246–248, 253, 2551561, 262, 285, 288, 329–330, 340–341, 3414 Kydonia 112, 117, 276, 3414 Kyllene (Arkadien) 35, 3557, 40–41, 45, 94– 96, 95499, 126, 128, 158, 158876, 188–189, 194, 225, 2381438, 274, 3411 Kyllene (Elis) 35 Kynaitha 2981868, 3411 Kynosura 3411 Kyme 66, 112 Kyrene 49174, 126668, 2351416, 293, 2931830 Kythera 245 Kyzikos 114600, 2181295, 219, 313 L Lagina 313 Lakedaimon, Lakedaimonier 3881, 39, 47, 103, 303 Lakonien 38–39, 3883, 46 Lamia 2331401, 3412 Lampsakos 3884, 151 Laodikeia 136 Larissa 220–222, 2211320, 3412 Las 79

426

6 Ortsregister

Lasithi 246 Lato 44–45, 3414 Laurion, Laureotike 84, 86–87, Lebadeia 97507, 2531557, 3111961 Lebena 142, 3414 Lechaion 138–139 Lemnos 36, 3663 Lesbos 88, 224, 2251352, 253 Levkadia 212 Limnaion 2211320, 3412 Lindos 154858, 159880 Lokris 288 Loryma 84411 Lousoi 84, 280 Lykos 3411 Lyktos 3414 Lyttos 44–45, 246, 346 M Magnesia (Thessalien) 93 Magnesia am Mäander 114600, 261, 318, 3182007 Magnesia am Sipylos 318, 3182007 Malla 45 Malloia 2211320, 3412 Makedonien, makedonisch 26, 36, 3664, 47, 59, 104–105, 218–219, 261, 330–331, 350 Maroneia 287, 313, 3413 Marathon, marathonisch 57–58, 57218, 101525, 131, 171, 304, 318 Marias 3071938 Massalia 118626 Megalopolis, Megalopoliten 32, 3881/85, 39, 76, 102–103, 275, 2981868, 313–315, 3411 Megara, megarisch 2078, 55208, 294, 3071938 Megiste 82, 84 Meliboia 3412 Melidoni 45, 3414 Melitaia 3879, 70318 Melos 3332103 Messene 39, 75, 78, 169–170, 251, 2511540, 281, 2981868, 3071938, 313 Messenien, Messenier, messenisch 3881, 39, 3986, 76, 170, 265, 307–308 Metapont 248, 250, 2501530 Methana 3880, 301, 305 Methydrion 315, 3411 Metsifi 3767

Milet 157, 167, 274, 276 Miletoupolis 217, 2181295, 289, 290, 319 Minoa 70, 276 Moesien 287 Mopsion 2211320, 3412 Munichia 64, 236, 2361425 Mygdonia 94 Mykale 3882, 41, 110 Mykalessos 97507, 139, 141 Mykene 104, 203–205 Mylasa 275 Myrtos Pyrgos 45, 3414 Mysien, mysisch 38, 2181295, 289 Mytilene 66, 2251352, 249 N Naxos 248 Nemea, nemeisch 263, 280 Nonakris 3411 O Odessos 2078, 275–276, 3413 Odrysisch 331 Oichalia 141 Olbia Pontike 276, 281 Olountios 59234, 105, 329 Olous 44–45, 3414 Olymp, Olympier, olympisch 11, 3012, 48, 57, 66, 92, 95, 95499, 97, 106, 115–116, 116615, 145–146, 148, 177, 181, 183–184, 186–187, 191, 196–197, 199–200, 218, 269, 303, 3031910, 307, 309, 311, 322, 3222036, 326, 339, 345–347 Olympia, olympisch 151, 163, 195, 255–256, 2551564, 257, 262, 268, 270–271, 274, 280, 291, 2911810, 303, 3071938, 323, 326 Olynthos, Olynthier 105 Onchestos 97507 Orchomenos 97507, 101, 251, 3411 Orneia 3071938 Oropos 97507, 291, 2911810 P Pallantion 3411 Pallene 261 Pamphylien 267 Panakton 64, 237 Panopsquelle 277 Parion 3884

6 Ortsregister

Parnassos 129, 3081943 Parnongebirge 47 Paros 62, 69, 72, 121, 2451485, 304 Patrai 3071933 Patsos 135 Pautalia 69, 3413 Pelasger 3135, 161894, 302 Pellene 41, 152, 281, 3071933 Peloponnes, peloponnesisch 2078, 66, 75, 84409, 96, 126, 227, 279, 280, 2801737, 293, 305, 313, 339 Pera 3879 Pergamon 80, 82, 113, 136729, 276, 313, 327 Perge 318, 3182007 Perrhaibia 3412 Perser, persich 55, 197 Phaidrias 39 Phaistos 3414 Phalaisiai 39 Phalanna 3412 Phalanton 315, 3411 Phaleron 265, 278–279 Pharai 238, 2981868, 301, 3011896, 307–308, 3071933/1936, 310–312 Pharsalos 128678, 132, 134, 140, 295, 3412 Pheneos, Pheneaten 39–41, 3988, 4091/97, 47162, 48, 94, 96, 139, 157–158, 255–256, 2551565, 2561619, 2711657, 278–281, 3411, 346 Pherai 193, 3071936, 3412 Phidalea 264 Phigalia 3411 Philippopolis 69, 3413 Phlya 170 Phoinix 45 Phokaia 68 Phokis, phokisch 218, 2211319 phrygisch 136 Phyle 64, 327 Phytion 2211320, 3412 Phyxa 318–319 Pisa 279–280 Pitane 310 Polyrrhenia 262, 3414 Pythaïs 158878 Piräus 61, 61247, 65, 65272, 68–69, 74–75, 83, 131–132, 134714, 236, 2361424, 276, 284, 2911804 Plataiai, Plataier 53195, 54–56, 223

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Poikilasion 45 Priansos 44, 46, 93, 246 Priene, Prieneer 3882, 42, 2421466, 287, 289, 296, 313, 317 Punien 3664, 68299 Pylai 245 Pylos 265 Pyrasos 3412 R Rhamnous 61, 61247, 64–65, 64266, 83, 163, 168, 237, 243, 2431468, 244, 2541558 Rhaukos 44, 234, 247, 3414 Rhegion 255–256, 2711657 Rhithymna 135, 3414 Rhodos, Rhodier 44, 59, 59234, 105, 114600, 155, 329 Rhytion 128676/678 Rom, Römer, römisch 26, 95, 119637, 183, 195, 225, 2381439, 257, 276, 293, 297, 2981870, 3001886, 310–311, 3131977, 322, 3242050, 338–339, 350 Rospilia-Höhle 37 S Samos, Samier, samisch 42, 110–112, 118626, 2181295, 288, 290 Samothrake 168946, 224–226, 318, 3182007 Sardinien 36, 3664, 68299 Saronisches Meer 313 Segesta 248 Selinunt 80380, 154858, 159880 Sestos 276, 3414 Sikyon 65, 301, 3011896, 305 Siphnos 154858, 159880 Sizilien 12–14, 35, 69, 69312, Skamander 66 Skarpheia 93 Skotousa 2211320, 3412 Smyrna 94, 114600, 118626, 220, 288, 310, 3111966, 313 Soros 135 Sounion 64, 86–87, 159880, 237 Sourizo-Tal 86–87 Sparta, Spartaner, spartanisch 47, 55208, 102–103, 102534/536, 119–120, 144, 156, 173, 2361426, 276, 291, 2911810, 293, 301, 3011896, 303, 3232044, 325–326

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6 Ortsregister

stenyklerische Ebene 141 Stymphalos 41, 41103, 94, 139, 3411, 346 Styra 37 Styx 3012, 95500, 1891082 Sybrita 44, 135, 3414 Syrakus 114600, 276 T Tanagra, Tanagraier 95499, 96–102, 97507, 99515, 120, 136, 138, 276, 346 Tauromenion 2421465 Tegea, Tegeaten 3883, 46–47, 140, 3411 Tenos 253 Teos 114600, 275, 2751686, 276, 334 Tetrapolis 318 Thalidai 3411 Thasos, thasisch 71–72, 77–78, 83, 83400, 145788, 166–167, 2911808, 292, 301, 313 Thaumakoi 93 Theangela 93 Thebai an der Mykale, Thebaier, thebaiisch 3882, 41–44, 47 Theben, thebanisch 62, 70, 78, 82, 97, 101– 102, 170, 224–225, 2241336, 263, 301, 3011896, 304–305, 3111966, 320, 3412 Theitras 3192016 Thelpousa 47162, 3071938, 3411 Themisonion, Themisoner 128678, 136 Thera 36, 3664, 68299, 87, 87434, 231

Thespiai 57218, 97507, 287, 313, 325, 327 Thessalien, Thessaler, thessalisch 2078, 36, 3665, 93, 93481, 132, 202–203, 2021188, 214, 218–223, 2201313, 2221326, 295–296, 3071936, 320, 330, 340–341 Theutis 3411 Thisbe 97507 Thorikos 3192016 Thrakien, Thraker, thrakisch 2078, 66285, 93, 132, 139, 248, 287, 301, 330, 3302080/2081, 331, 3312087, 332, 340–341, 351 Trikrena 41, 95499, 139, 3411 Troas 151 Troja, Troer, trojanisch 36, 52, 67, 138, 144– 145, 147, 155, 185–186, 227, 280 Troizen 38, 139, 139751, 313, 3131977 Tylisos 247, 3414 Tyndaris 276 V Vari 128678, 130–132 Velia 65–66, 66282, 226 X Xypete 244 Z Zephyrion 42 Zypern 2511538

Personenregister A Abderos 69 Acheloos 128, 128674/675, 142, 168, 318 Achilleus 89–90, 205 Adaios 3312090 Admetos 193 Agamemnon 36, 56, 104, 203–204 Agasikles 302 Agasikrates 302 Agasippos 302 Agathê Tychê, Tyche 60, 133 Agathokles 223 Aglauros 201, 224 Agorakritos 299, 2991881 Aiakos 137, 212 Aigeus 75, 206 Aigisthos 104, 204 Aipytos 94 Aischines 50–52, 202, 278, 285 Aischylos 36, 56, 85, 104, 197, 203, 205–206, 326, 328 Aitios 260 Ajax 58, 198, 206 Akademeia 53 Akademos 231, 2311391 Akamas 73, 166 Alexander der Große 262, 267, 350 Alexo 164–165 Alkamenes 73, 166 Alkestis 193, 198 Alkibiades 49, 229 Alkimedon 195 Alkmaioniden 161 Alkman 96503 Alochos 318 Akesos 83 Akestorides 280–281 Amadokos II 331

Amaltheia 131692 Ammon 60, 3041920 Amphion 70 Amyntas 314 Anakreon 79374, 232 Anaxilaos 256 Andokides 13, 90, 2911814 Andronax 62 Angelia 195 Antigonos 58220, 157, 291 Antikleia 107560 Anyte von Tegea 140, 152 Apelles 327–328 Aphrodite 11, 16, 1645, 35, 45, 49, 59, 62, 82, 111, 120, 124–125, 144–145, 174–175, 175993, 177, 1911111, 202, 221–222, 227, 2271369, 245–246, 2451485, 248–249, 282, 286, 288–292, 2891794/1796, 2901800/1801, 294–295, 2941840, 298, 306, 314, 323 Apis 194, 312 Apollodor (Dichter) 1758, 144, 311 Apollodoros 62, 88, 292 Apollon 11, 16, 3350, 58, 62, 77, 82, 82396, 83–84, 83401, 84409, 90, 92, 97509, 98, 103–105, 107, 107567, 111, 124, 125661, 127, 129–134, 131692, 134714, 136, 141–142, 145, 147–148, 166–167, 169–171, 182, 186, 1891090, 204, 206, 216–217, 225–227, 231, 245, 250–251, 2501522, 258, 262, 264–266, 2641615, 268, 270–271, 2711657, 281– 282, 290, 292, 303–304, 3031910, 308–309, 3081943, 311–312, 3111962/1966, 314, 319, 3222036, 3232044, 328–329 Apollonios 1758 Arabos 69309 Aratos 306 Archelochos 89 Archidamos 245, 270

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6 Personenregister

Ares 11, 101, 107568, 120, 145, 1911111, 2301381, 2351422, 279, 330–332, 3302081, 338 Argos 89, 91459, 188–189, 1891087, 309 Ariadne 146 Aristeides 54 Aristeas 251 Aristogenos 242 Aristomache 216 Aristomedes 62 Aristomenes 41–42 Aristonoos 213 Aristophanes 14, 60, 82, 91, 106, 115, 137, 182, 215, 221, 2241336, 269, 293–294, 299–300, 310, 3101953, 332, 341 Aristoteles 21, 62, 140, 152, 236, 241, Arkas 40–41, 3031910, 3222036 Armenidas 78, 305 Artemis 11, 16, 1645, 3350, 40, 44, 47, 47162, 62, 72335, 82394, 87, 92, 105, 164, 174, 177, 225, 249, 258–259, 269, 2711657, 303–304,330, 332 Asklepios 35, 83, 132–134, 134714, 142, 3031910, 314, 3222036 Äsop 323 Asopos 98 Athena 11, 16, 1645, 3350, 42, 44, 49, 57–58, 57214, 68, 77, 81–83, 85, 101, 101525, 102534, 103, 144–146, 146798, 159880, 168, 174, 181–182, 191–192, 200–202, 215, 225, 231, 2351422, 239, 259, 2911810, 298, 303, 313–315, 323, 329, 346 Athenaios 3212030 Atlas 199 Atossa 197 Attalos 296 Autolykos 106, 106559, 2001170 Autosthenides 244 B Babrius 154, 158 Bakchiaden 323 Basile 184 Basilinna 114, 146795 Battos 148 Bendis 131–132 Berenike 267 Boriskos 231

C Caracalla 4094 Chairestratos 213 Chairondas 244 Chares 167 Chariten 53, 56, 59, 71–72, 77–78, 80–82, 82396, 127, 127670, 145, 145788, 167, 212, 269– 270, 316, Charon 180, 182, 185, 193–194, 1931120, 211–213, 2131263, 215 Chiron 132–133 Chramylos 269 Chresidemos 62 Cicero 209, 2321396 Commodus 305 Corinna 70322, 98, 100, 257 Cornutus 101531 D Daidalion 106559 Danaos, Danaidin 227, 307, 323 Dareios 197 Deinomenes 253 Deloptes 132 Demeter 11, 3350, 39–40, 72, 75, 129, 129685, 141–142, 148, 166–170, 174, 1761000, 180, 183–184, 1831038, 193, 216, 224–225, 2251345, 316 Demetrios 287 Demetrios I Poliorketes 58220 Demetrios aus Phaleron 265, 278 Demetrios von Phaleron 279 Demogenes 164 Demokratia 60 Demonous 291 Demos 59, 82, 236, 252, 2861772, 303 Demosthenes 50–52, 52186, 310 Derronen 330 Despoina 39 deukalionisch 115–116 Dikaiopolis 293, 2931833 Dikaios 222–223 Dike 332, 3322095 Dindymene 3041920 Diodoros 242 Diodor von Sizilien 194 Diomedes 69

6 Personenregister

Dionysos (Gott), dionysisch 16, 1645, 114, 116, 119, 123, 123653, 146, 180, 224–225, 244, 260–261, 270, 2701653, 2711657, 303, 3031910, 319, 3222036, 326, 330–332 Dionysios 306 Diphilos 42 Dolichos 270 Dolon 146–147 Doros 135 Dynamis 167 E Echekrates, Echekratiden 62, 202, 2021188 Echelos 164–165, 184 Eileithyia 314 Eirene 60, 146, 290, 3121971 Elatos 94 Elektra 56, 82, 203–204 Eleusis (Heros) 2251350 Elpenor 187–188 Empedokles 194 Enodia 320 Epeios 67, 227, 2271368 Ephoros von Kyme 112, 246, 262 Epigonos 62, 157 Epistates 278 Erechtheus 200 Erginos 304 Erigone 117621 Erinyen 85, 118–119, 196, 1971147, 198, 326 Eris 144 Eros 98, 171, 288 Euboulides 40 Eucheir 40 Eudoxos von Knidos 11 Eukrates 287 Eukratides 223 Eumaios 34, 149, 200 Eumelos 323 Eumeniden 85, 206, 328 Eumolpos 224 Euphiletos 13 Euphron 69 Euripides, pseudoeuripideisch 145–147, 193, 198, 206 Europa 184 Eurydike 181–183, 214

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Eustathios 899 Euthydemos 83 Euthydikos 62 Eutykles 292 Exekestides 284 G Gaia, Ge 1761000, 1831038, 197, 226–227, 269– 270, 303, 318, 326, 335–336, 3352118 Geminos 96–97 Geta 4094 Getas 331 Glaukias 255–256, 2711657 Grazien 174–175 Große Götter, Große Göttinnen 103, 168946, 169–170, 224, 314 H Hadea 219 Hades, Pluton 176, 1761000, 180, 182–184, 1831038, 188, 193, 197–199, 208, 213, 224 Hadrian, hadrianisch 117, 2941840 Hagna, Hagne 141, 169–170, 170954 Hegemonos 257 Hegesagoras 291 Hegesippos 213 Hekataios von Abdera 194, 1941126 Hekate 3350, 42, 79, 79379, 82394, 90, 148, 162, 167, 224, 290, 2901800, 319, 335, 3352118, 336–337, 3372126 Hektor 90, 107568, 147, 185–186, 1891090 Helena 144–145, 147 Helike 126 Helikon 70322, 257 Helios 103, 107567, 188, 314 Helle 3222036 Hephaistos 11, 36, 145, 231 Hera 11, 3350, 92, 111, 144–145, 174, 181, 249, 2711657, 303, 320, 323 Heragoros 292 Herakles 3350, 39, 62, 65270, 69, 77, 87, 101–103, 124, 132–133, 136, 142, 146, 181–182, 184, 190, 193, 212, 227, 231, 245, 251, 2511536, 253, 257, 264, 267, 275, 281, 290, 304–305, 313–314, 3141982, 319, 346 Hermaphroditos 2881786 Hermes (Epitheta) ἀγαθός 86, 98

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6 Personenregister

Ἄγγελος, Εὐάγγελος 94, 195 Ἄγγελος ἀθανάτων 309 Ἀγήτωρ 31, 100, 103–104, 106, 314 Ἀγοραῖος 1865, 62, 143, 162, 265, 2891795, 290, 296–308, 311, 313, 316–317, 319–320, 326, 338 Ἀγώνιος, Ἐναγώνιος 60, 63, 230, 241–242, 244–245, 252, 261–262, 264, 268–272, 2701652, 274, 283, 316–317 Αἰνίων θεός 321 Ἀκακήσιος 315 ἀκάκητα 86, 189, 315 Ἀλεξίκακος 31 ἄλκιμος 31, 100, Ἀμύητος 31 Ἄναξ 232, 302 Ἄναξ Φηλητῶν 147 Ἀργειφόντης 68, 89, 188–189, 309 Ἀρκαδίης 157–158 Ἁρμαξείτης 2651624 Βοηλάτης, Βοῦκλεψ, Βούφονος 137 Βρυχάλειος 295 Δαιτὸς Ἑταῖρος 166 Δακύτιος 46, 329 Δεσπότης 232 Διάκτορος 68, 89, 140759, 149, 188–189, 195, 327 Διάκτορος ἡγεμονεύων 149 Δίκαιος 322, 3232039, 325 Δόλιος 60, 153, 293, 2931829 Δρόμιος 262, 268 Δώτωρ ἐάων 86 Ἔγγαιος 207 Ἐγκελάδος 167 Εἰσαγωγός 293 Ἐλαιοπώλης 293 Ἐλατήρ Βοῶν 137 Ἐμπολαῖος 60, 293–294 Ἔννιος 149820, 3202025 Ἐπάκτιος 65 Ἐπιμήλιος 138, 320 Ἐπίσκοπος 150, 204 Ἐπιτέρμιος 31 Ἐριούνιος 86, 89, 223, 231, 293–295, 334, 337 Εὔκολος 250, 2501530 Ἐύσκοπος 150, 202

Ἡγεμόνιος 31, 49, 58–61, 100, 286 Ἡγεμών 59234, 105, 329 Ἡγήτωρ ὀνείρων 1861057 Θυραῖος 31, 90 Καδμῖλος 66282, 225 Καρυκεϝίος 97 Καταιβάτης 2051208 Κάτοχος 334–335 Κερδέμπορος 293 Κεδρίτης 44, 329 Κῆρυξ (Ἀθανάτων) 203–204 Κῆρυξ Θεῶν 1951135, 232 Κλεηδόνιος 310 Κορνισαίος 44–45 Κραναῖος 44, 135 Κρείων 232 Κριοφόρος 98, 102, 138–139, 142, 170, 301 Κταρὸς 293 Κτηνίτης 43 κύδιμος 31, 100 Κυλλήνης, Κυλλήνιος 45, 94–95, 158, 188–189, 1891082, 194, 1951135 Κυνάγχης 91 Κύριος 69 Κυφαρισσίτας 44–45, 45137 Κωροφίλος 254 Ἱππίος 266 Λευκός 101–102, 101531 Λόγιος 238, 2381493 Μηλοσσόος 137, 138746 Νεκυαγωγός 2051208 Νόμαιος, Νόμιος 137 Νυκτός ὀπωπητήρ 150 Ὅδιος, Ἐνόδιος 125, 125663, 140759, 149, 149820, 320, 3202025 Οἰοπόλος 136 Ὄρχαμος 232 Παιδοκόρης 250, 2501530 Παῖς Διός, Διός πάις/τέκνον/τόκος/ υἱὀς 2331405 Παῖς Διός τε καὶ Μαἰας, Διὸς και Μαιάδος υἱὀς, Μαιάδος (τε καὶ Διὸς) Τόκος 147802, 2331405, 3091946 Παῖς Μαἰας, Μαιάδος/Μαίης/Μαιάς υἱὸς 88, 98, 137, 146–147, 147802, 3091946 Παλαιστρίτης, Παλαιστροφύλαξ 268 Περφεραῖος 67, 2271368

6 Personenregister

Ποικιλομήτης 107 Πολύγιος 313 Πολύμηλος 137 Πολύμητις, Πολυμήχανος 107, 2331407 πολύτροπος 107, 150, 2001170 Πομπαῖος 66, 149, 198, 205–207, 228 Πομπός 206–207, 228 Πυλαῖος, Πυλήτης 31, 71 Πυληδόκος 31, 71, 90 Πύλιος Ἁρματεύς 265–266, 306 Πρόθυρον, Πρόθυρος 31, 87, 90, 232 Πρόμαχος 31, 98, 100–102, 104, 106, 120 Πρόναος 31, 80 Προπύλαιος 31, 65, 75, 80–82, 84, 87, 168 Πρὸ Σουνίου 86 Πρυτάνειος 291 Στροφαῖος 31, 60, 90 Σύμμαχος 31, 100, 104 Συνοπάων 145, 149 Σωτήρ 69–70, 90, 104, 203 Σωτήρ τῶν Οἴκων 31 Ταλλαίος 45 ταχύς, ταχινός 150, 2331407 Τετρακέφαλος, Τρικέφαλος 162 Τρισμέγιστος 17 Τύχων 261 Φαλανθεύς 315 Φένεος, Φενεεύς 39–40, 48164, 157–158, 279 Φίλανδρος, Φιλάνθρωπος 86 Φίλος 86 Φύλαξ 31, 140759, 149, 328 Φύλαξ εὐνομία 328 Χαριδώτης 86, 110–112 Χθόνιος 55–56, 104, 115–116, 118, 180, 195– 196, 198–199, 202–206, 220–223, 2211319/1320, 2221326, 227–229, 2951847, 334, 336–338, 3372126 χρήστης 86 Χρυσόρραπις 191 Ψιθυριστής 310 Ψυχαγωγός 18, 2051208 Ψυχοπομπός 95500, 180, 185, 189, 192–196, 205, 212, 228 ὠκύς, ὠκύπους 150, 2331407, 295 Hermios 217 Hermippos 95496 Hermokreon 88, 147802, 280 Hermostratos 69

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Herodot 68, 120, 302, 307, 330–332 Heros, Heroen, Heroine 16, 1645, 25, 33, 35, 52, 58, 69, 69309, 73, 95500, 98, 102, 102534, 104, 131–132, 142–144, 146, 148, 157, 164, 167–168, 181–182, 184, 187, 189, 198, 200, 205–206, 214–215, 218, 2181292, 221, 225–226, 2251353, 231, 238, 251, 279–280, 282, 299, 3031910, 305, 313, 315–316, 3222036, 323, 339, 343 Herse 201, 224 Hesiod 16, 25, 43, 136, 148, 192, 309, 322, 326 Hestia 11, 18, 288, 291–292, 2911810 Hesychios 65, 118, 250 Hippias 159 Hipparchos, hipparchisch 159–163, 166, 238, 296, 320, 345, 350 Hippodameia 279 Hippokrates 150 Hippothales 277 Homer, homerisch 16–17, 25, 30, 34, 52, 86, 89, 90, 95, 100, 106–108, 118, 128–129, 131, 136–139, 147–149, 153, 158, 166, 176, 1761000, 1831038, 184–192, 1901100, 194–196, 1941126, 199–201, 210, 224, 227, 232, 233, 239, 257, 265, 2831751, 292, 294–295, 300, 302, 308–309, 315, 343 Horaz 3242050 Horen 82 Hygieia 132–133 Hygrieus 98512 Hypermnestra 227 Hypnos 180, 186, 2111249 I Iasile 164–165 Iasos 83 Ilissos 142 Ilythia 290 Inachos 204 Io 91459, 107566 Ion 3031910, 3222036 Iris 184 Iulius Pollux 156 K Kabiren 66282, 170, 224, 2241336, 302 Kairos 66, 271 Kalamis 98–99 Kallimachos 57, 66–67, 92, 263, 321

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6 Personenregister

Kallirhoe 142 Kallisto 40, 131692 Kallistratos 88, 301 Kalliteles 254–255, 2711657 Kallon 255–256, 2711657 Kalypso 1911111 Karion 60, 269 Karystios von Pergamon 113 Kastor 3031910, 3222036 Kaukon 170 Kebris 300 Kekrops 201–202, 224 Kelados 167 Kephalon 257, 259 Kephalos 201 Kephisodoros 3182004 Kephisodotos 164–165 Kephisophon 3182004 Kephisos 163–165 Keraïtes 167 Kerberos 181–182, 194 Keren, Keres 118–119, 189 Keryx, Keryken 201–202, 224–225 Kimmerier 351 Kimon, kimonisch 50, 50182, 52, 57–58, 60, 75, 168 Kirke 187, 190 Kithairon 70322, 257 Kleomenes 120 Kleon 300 Klymene 279, 2791731 Klymenos 304 Klytaimnestra 36, 104, 204 Kodros 58 Korrinadas 287 Kourotrophos 290 Kratidemos 42 Kratinos 2211319 Kratippos von Athen 14 Kronos 131692 Ktesiphon 51–52 Ktesippos 277 Kybele 79379 Kyllen 35, 94, 95500 Kyllene (Nymphe) 126, 126668 Kypselos, Kypseliden 2711657, 323

L Labda 323 Laios 148 Laistrygonen 351 Leokrates 53–54, 53195, 56, 231 Leonidas von Tarent 88439, 89, 89442, 137, 207, 234 Leptines 50–51 Lethe 335, 3352118 Leto 48, 303 Libanios 124 Livius 73 Lukian 301 Lykinos 261 Lykios 288 Lykkides 256 Lykomedes 289 Lykomiden 170 Lykophron aus Chalkis 101 Lykos 170 Lykurg aus Athen, lykurgisch 58, 235, 350 Lysias 299 Lysimachos 331 Lysis 277 Lysistrata 215 Lysistratos 292 Lysixenos 263 M Maia 11, 40, 95, 98, 126, 126668, 128, 137–138, 147, 199, 1991166, 309 Maiandrie 42 Maiandros 43, 43116 Maleatas 83 Mantitheos 251 Meas 267 Medea 206 Medokos 331 Megakleides 260 Melantas 253 Men 87 Menandridai 2941839 Menekrates 263 Menelaos 144, 146 Menexenos 277 Menoitios 69309, 199, 241 Methapos 170 Miltiades 58

6 Personenregister

Minyas 251 Mnasistratos 169 Mnesikles 80385 Moiren 118, 174, 271, 2721660 Molion 306 Mykale 42–44 Myra 171 Myrte 279, 2791732 Myrtilos 40, 279–280 Myrrhine 211, 214–216 Musen 43, 141, 157, 175, 275, 314 Mython 253 N Naiaden 145, 145788 Nausikles 315 Nemesis 83, 83401, 163, 168 Neolaidas 2551565 Neoptolemos 137–138 Nestor 107567 Nikagoras 88 Nike 57, 81 Nikias von Milet 274 Nikochares 260 Nikodromos 244, 281 Nisos 3031910, 3222036 Nymphen 16, 1645, 41, 43–44, 43116, 77–78, 97, 124–133, 126668, 127670, 128674, 130687, 131698, 135, 137–139, 141–143, 145, 149, 164–168, 174, 178, 200, 212, 215–217, 257, 3081943, 318, 327 Nyx 208 O Ödipus 148, 206–207 Odrysen 66 Odysseus 107, 107562–565, 149, 1811018, 185, 187– 189, 1911111, 192, 197, 200, 2001170 Oinomaos 279–280, 2791733 Okeanos 188, 1891081 Onasipolis 245 Onatas 255, 2711657 Onesippos 260, 284–285 Orestes 56, 85, 104, 118, 203–204, 206, 280, 303, 328 Orion 98512 Orpheus 181–183, 193–194 Ovid 148, 182

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P Pan 16, 1645, 3876, 41103, 44, 50182, 73, 124–125, 125661, 127, 128674, 129–133, 135, 137, 139752, 141–142, 145, 157, 168, 178, 346 Panakeia 83 Pandion 170 Pandrosos 224 Pankleon 299 Pantalkes 133 Paphlagon 300 Paraibates 269 Paris, Alexandros 144–145, 145789, 175, 2711657, 323–324, 3232044 Pasikles 62 Patroklos 69309 Pausanias 27, 27123, 32, 35, 38–40, 46–47, 57218, 75–76, 79–82, 94–95, 95500, 97–98, 100, 102, 106559, 136, 138–141, 148, 152–153, 162, 169–171, 182, 190, 201, 216, 226–227, 231, 251, 255–256, 266, 270, 272, 274–276, 279–281, 291, 2991877, 300–301, 303–305, 307–308, 310–314, 320–321, 323, 326 Pausanias (Agoranomos) 287 Peisistratos, peisitratidisch, Peisistratiden 159–161 Peitho 174–175, 249 Peleus 144–145 Pelops 279–280, 2791733 Perballon 262, 286 Periandros 291 Periboia 148 Perikles, perikleisch 81, 173, 175 Persephone, Kore 59, 72, 103, 141–142, 164, 168, 170, 170954, 176–177, 180–184, 187, 206–207, 216–217, 224, 2251345, 333, 335–336, 3352118 Phaëthuse 2791732 Phanaias 125 Phanis 62 Phanopolis 306 Pharis 307 Pheidias 82, 101525 Phereklos 144 Phidias 327 Philaios, Philaiden 58 Philista 222–223 Philipp II 47, 94489, 104–105, 314–315, 330

436

6 Personenregister

Philipp V 73 Philokles 234 Philonides 262 Philoxenos 171 Phlyos 170 Phorbas 138 Phormis 255 Photios 116–118 Phrixos 3222036 Phylarchos 265 Phylios 167 Phylodameia 307 Pindar 195, 268, 281, 304, 3041920 Platon, platonisch, pseudoplatonisch 11, 159, 196, 220, 231, 238, 258–259, 277, 324–325, 3242050, 334 Ploutos 60, 269–270, 326 Plutarch 50, 52, 54, 61, 110–111, 119–120, 175, 226–227, 285, 304 Polis 252 Polyartia 295–296 Polybios 47 Polybos 148 Polydeukes 3031910, 3222036 Polygnotos 188 Polykrites 171 Polymede 107560 Polystratos 289 Pothos 82 Poseidon 11, 3350, 68, 69309, 83, 98, 98512, 103, 266, 269, 303, 314, 3172003 Posides 217 Praxidika 261 Praxiteles 2711657, 303 Priamos 89–90, 143, 185–186, 190, 1911111 Priapos 3350, 125 Prolochos 62 Prometheus 11, 171–172, 199, 231, 324–325 Protagoras 11, 324–325 Pseudo-Skylax 35 Ptolemaios II Philadelphos 266 Ptolemaios III Euergetes 58220, 267 Pythia 80, 308 Pythodoros 320 Pythokles 245, 270 Python 69 Pythoteles 336

R Rhadamanthys 212–213 S Samos (Heros) 225 Sarpedon 186–187, 190 Satyr 126, 95 Semnai 326 Sibylla Hierophile 216–217 Silen 128 Simonides 53, 163, 268 Simylos 307–308 Sirenen 320 Sirius 140 Skopaden 202 Skopas 83, 304 Sokrates 80, 91, 153, 277, 299, 324 Solon, solonisch 155, 209, 225, 278, 283 Sophokles 56, 95, 137, 148, 198, 204, 206 Sophroniskos 80 Sosigenes 336 Sosikles 84 Sosikrates 260 Sostratos 245, 270 Spilaïten 136 Stephanos von Byzanz 302 Strabon 33, 124, 151 Straton 260 Stratonikos 260 Strepsiades 91, 221, 310, 3101953, 3121971 Stroibos 53 Strombichos 2841759 Sulla 2991877 T Talos 45 Teiresias 187–188 Telemachos 34, 189, 192 Telesarchides 162899 Telesidromos 269 Telesilla 120 Teres III 331, 3312987 Teukros 198 Thanatos 180, 186–187, 193, 2091225, 211, 2111249 Themis 298 Themistokles, themistokleisch 75, 2171280 Theobule 2791732 Theoi Soteres 68

6 Personenregister

Theokrit 1758 Theon 198 Theophanes 244 Theophantos 64266 Theophrast 91, 153–155, Theopompos von Chios 114–115 Theseus 58, 60, 73, 206–207, 251 Thetis 144 Thot 194 Thriai 130, 130687 Thronia 69309 Thukydides 12, 14, 1420, 1536, 49, 49176, 55, 80, 113, 139, 159, 226 Timagoros 62 Timandridos 292 Timarchos 278 Timesios 86 Timonax 232 Tlepolemos 171 traianisch 100522 Triptolemos 148, 269 Trophonios 2531557, 3111961 Trygaios 82

437

V Vergil 182–183 Vitruv 45143 X Xeniades 164 Xenokrateia 163–165 Xenokrates 306 Xenophon 103, 123, 153, 166 Xerxes 197 Z Zenobios 117 Zephyr 88, 140 Zethos 70 Zeus 11, 16, 1645, 1749, 36–37, 3767, 40, 44, 49, 54–56, 60–62, 66, 67296, 68–69, 73, 88, 90, 92, 95, 96502, 98, 98512, 103, 105–106, 115, 124, 131692, 136, 143–145, 147–148, 155684, 166, 174, 176, 176999, 181, 183–184, 1831038, 186–187, 191–192, 198–200, 231, 233, 238, 248–249, 255, 270–271, 2711657, 2721660, 2791733, 2861772, 290, 2911810, 292–293, 2931830, 2971860, 298, 303, 309–310, 313, 3172003, 319, 322, 324–326, 329, 332, 339, 343 Zeuxidemos 62

hermes



einzelschriften

Herausgegeben von Hans Beck, Martin Hose und Claudia Schindler, in Verbindung mit Karl-Joachim Hölkeskamp. Die Bände 1–8 sind in der Weidmannschen Verlagsbuchhandlung (Berlin) erschienen. Franz Steiner Verlag

ISSN 0341–0064

66. Kai Trampedach Platon, die Akademie und die zeitgenössische Politik 1994. 300 S., kt. ISBN 978-3-515-06453-8 67. Ursula Gärtner Gehalt und Funktion der Gleichnisse bei Valerius Flaccus 1994. 360 S., kt. ISBN 978-3-515-06553-5 68. Hans-Christian Günther The Manuscripts and the Transmission of the Paleologan Scholia on the Euripidean Triad 1995. 331 S. und 8 Taf., kt. ISBN 978-3-515-06591-7 69. Uwe Neumann Gegenwart und mythische Vergangenheit bei Euripides 1995. 192 S., kt. ISBN 978-3-515-06601-3 70. Martin Biermann Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand 1995. 232 S., kt. ISBN 978-3-515-06632-7 71. Helga Botermann Das Judenedikt des Kaisers Claudius Römischer Staat und Christiani im 1. Jahrhundert 1996. 200 S., kt. ISBN 978-3-515-06863-5 72. Dirk Schlinkert Ordo senatoris und nobilitas Die Konstitution des Senatsadels in der Spätantike 1996. XI, 311 S., kt. ISBN 978-3-515-06975-5 73. Thomas Baier Werk und Wirkung Varros im Spiegel seiner Zeitgenossen von Cicero bis Ovid 1997. 208 S., kt. ISBN 978-3-515-07022-5

74. Sabine Föllinger Differenz und Gleichheit Das Geschlechterverhältnis in der Sicht griechischer Philosophen des 4. bis 1. Jahrhunderts v. Chr. 1996. 341 S., kt. ISBN 978-3-515-07011-9 75. Markus Asper Onomata allotria Zur Genese, Struktur und Funktion poetologischer Metaphern bei Kallimachos 1997. 291 S., kt. ISBN 978-3-515-07023-2 76. Marianne Wifstrand Schiebe Vergil und die Tradition von den römischen Urkönigen 1997. 194 S., kt. ISBN 978-3-515-07019-5 77. David Jones Emjoinder and Argument in Ovid’s Remedia Amoris 1997. 119 S., kt. ISBN 978-3-515-07078-2 78. Johannes Engels Funerum sepulcrorumque magnificentia Begräbnis- und Grabluxusgesetze in der griechisch-römischen Welt mit einigen Ausblicken auf Einschränkungen des funeralen und sepulkralen Luxus im Mittelalter und in der Neuzeit 1998. 272 S., kt. ISBN 978-3-515-07236-6 79. Vivienne J. Gray The Framing of Socrates The Literary Interpretation of Xenophon’s Memorabilia 1998. VI, 202 S., kt. ISBN 978-3-515-07313-4 80. Christian Pietsch Die Argonautika des Apollonios von Rhodos Untersuchungen zum Problem der einheitlichen Konzeption des Inhalts 1999. 307 S., kt. ISBN 978-3-515-07464-3

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Ilja Leonard Pfeijffer First Person Futures in Pindar 1999. 105 S., kt. ISBN 978-3-515-07564-0 Odysseus Tsagarakis Studies in Odyssey 11 2000. 144 S., kt. ISBN 978-3-515-07463-6 Oliver Hellmann Die Schlachtszenen der Ilias Das Bild des Dichters vom Kampf in der Heroenzeit 2000. 218 S., kt. ISBN 978-3-515-07774-3 Peter Kruschwitz Carmina Saturnia Epigraphica Einleitung, Text und Kommentar zu den saturnischen Versinschriften 2002. 246 S. mit 23 Abb., kt. ISBN 978-3-515-07924-2 Markus Altmeyer Unzeitgemäßes Denken bei Sophokles 2001. 330 S., kt. ISBN 978-3-515-07963-1 Klaus Lange Euripides und Homer Untersuchungen zur Homernachwirkung in Elektra, Iphigenie im Taurerland, Helena, Orestes und Kyklops 2002. 302 S., kt. ISBN 978-3-515-07977-8 Douglas E. Gerber A commentary on Pindar Olympian 9 2002. 94 S., kt. ISBN 978-3-515-08092-7 Cornelius Motschmann Die Religionspolitik Marc Aurels 2002. 296 S., kt. ISBN 978-3-515-08166-5 Marie-Odile Goulet-Cazé Les Kynika du stoïcisme 2003. 198 S., kt. ISBN 978-3-515-08256-3 Florian Hurka Textkritische Studien zu Valerius Flaccus 2003. 147 S. und 2 Farbtaf., kt. ISBN 978-3-515-08384-3 Gunnar Seelentag Taten und Tugenden Traians Herrschaftsdarstellung im Principat 2004. 556 S., kt. ISBN 978-3-515-08539-7

92. Oliver Overwien Die Sprüche des Kynikers Diogenes in der griechischen und arabischen Überlieferung 2005. 500 S., kt. ISBN 978-3-515-08655-4 93. Doris Meyer Inszeniertes Lesevergnügen Das inschriftliche Epigramm und seine Rezeption bei Kallimachos 2005. XI, 335 S., kt. ISBN 978-3-515-08660-8 94. Elena Pallantza Der Troische Krieg in der nachhomerischen Literatur bis zum 5. Jahrhundert v. Chr. 2005. 349 S., kt. ISBN 978-3-515-08679-0 95. Marilena Amerise Il battesimo di Costantino il Grande Storia di una scomoda eredità 2005. 177 S., kt. ISBN 978-3-515-08721-6 96. Frank Bücher Verargumentierte Geschichte Exempla Romana im politischen Diskurs der späten römischen Republik 2006. 363 S., kt. ISBN 978-3-515-08870-1 97. Massimiliano Vitiello Il principe, il filosofo, il guerriero Lineamenti di pensiero politico nell’Italia ostrogota 2006. 284 S., kt. ISBN 978-3-515-08875-6 98. Angela Kühr Als Kadmos nach Boiotien kam polis und ethnos im Spiegel thebanischer Gründungsmythen 2006. 377 S., kt. ISBN 978-3-515-08984-5 99. Karin Haß Lucilius und der Beginn der Persönlichkeitsdichtung in Rom 2007. 260 S., kt. ISBN 978-3-515-09021-6 100. Rainer Friedrich Formular Economy in Homer The Poetics of the Breaches 2007. 159 S., kt. ISBN 978-3-515-09065-0 101. Altay Coşkun Bürgerrechtsentzug oder Fremdenausweisung? Studien zu den Rechten von Latinern und

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weiteren Fremden sowie zum Bürgerrechtswechsel in der Römischen Republik (5. bis frühes 1. Jahrhundert v. Chr.) 2009. 236 S., kt. ISBN 978-3-515-09303-3 Nina Otto Enargeia Untersuchung zur Charakteristik alexandrinischer Dichtung 2009. 254 S. mit 2 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09335-4 Ferdinand Stürner Monologe bei Plautus Ein Beitrag zur Dramaturgie der hellenistisch-römischen Komödie 2011. 273 S., kt. ISBN 978-3-515-09850-2 Jochen Schultheiß Generationenbeziehungen in den Confessiones des Augustinus Theologie und literarische Form in der Spätantike 2011. 317 S., kt. ISBN 978-3-515-09721-5 Sabine Seelentag Der pseudovergilische Culex Text – Übersetzung – Kommentar 2012. 260 S., kt. ISBN 978-3-515-09895-3 Pierluigi Leone Gatti Ovid in Antike und Mittelalter Geschichte der philologischen Rezeption 2014. 276 S. mit 9 Abb. und 15 Tafeln, kt. ISBN 978-3-515-10375-6 Raphael Schwitter Umbrosa lux Obscuritas in der lateinischen Epistolographie der Spätantike 2015. 350 S., kt. ISBN 978-3-515-10989-5 Karsten C. Ronnenberg Mythos bei Hieronymus Zur christlichen Transformation paganer Erzählungen in der Spätantike 2015. 386 S., kt. ISBN 978-3-515-11146-1 Katarina Nebelin Philosophie und Aristokratie Die Autonomisierung der Philosophie von den Vorsokratikern bis Platon 2016. 424 S., kt. ISBN 978-3-515-11581-0 Markus Hafner Lukians Schrift „Das traurige Los der Gelehrten“

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Einführung und Kommentar zu De Mercede Conductis Potentium Familiaribus, lib. 36 2017. 411 S., kt. ISBN 978-3-515-11802-6 Myrthe L. Bartels Plato’s Pragmatic Project A Reading of Plato’s Laws 2017. 251 S., kt. ISBN 978-3-515-11800-2 Rainer Friedrich Postoral Homer Orality and Literacy in the Homeric Epic 2019. 276 S., kt. ISBN 978-3-515-12048-7 Philip Theodore Stevens / Christopher Collard (Hg.) Colloquial Expressions in Greek Tragedy Revised and enlarged edition of P. T. Stevens’s Colloquial Expressions in Euripides 2018. 255 S., kt. ISBN 978-3-515-12055-5 Dagmar Hofmann Griechische Weltgeschichte auf Latein Iustins „Epitoma historiarum Pompei Trogi“ und die Geschichtskonzeption des Pompeius Trogus 2018. 455 S. mit 2 Abb. und 8 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-12143-9 Sema Karataş Zwischen Bitten und Bestechen Ambitus in der politischen Kultur der römischen Republik – Der Fall des Cn. Plancius 2019. 328 S., kt. ISBN 978-3-515-12394-5 Katharina Kostopoulos Die Vergangenheit vor Augen Erinnerungsräume bei den attischen Rednern 2019. 415 S. mit 11 Abb., kt. ISBN 978-3-515-12501-7 Alfred Lindl Narrative Technik und Leser­ aktivierung Tacitus' Annalen XIII–XVI 2020. 540 S., kt. ISBN 978-3-515-12632-8 Andreas Schab Fremde Religion in Herodots „Historien“ Religiöse Mehrdimensionalität bei Persern und Ägyptern 2020. 307 S., kt. ISBN 978-3-515-12720-2

Seit der Antike erfreut sich der Gott Hermes großer Beliebtheit. In dieser ersten diachronen Betrachtung der Kultpraxis für Hermes nimmt Antje Kuhle die Funktion des Gottes für die griechischen Stadtstaaten in den Fokus. Die Studie zeichnet nach, welche Bedeutung Hermes für die Polis, ihre Institutionen und ihre Bürger hatte, indem sie einem Besucher auf seinem Weg in eine fiktive antike Stadt folgt. Der Weg beginnt an den Grenzen und führt über verschiedene Stationen in das Zentrum der Stadt.

ISBN 978-3-515-12809-4

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7 83 5 1 5 1 28094

In der als Institutionengeschichte konzipierten Fallstudie zum Verhältnis von Polis und Religion zeigt Kuhle, wie tief Religion im antiken Alltag einge­ bettet war. Politische und persönliche Interessen schlossen sich dabei keines­ wegs aus. Dies gilt einerseits für die Polis als politische und soziale Gemeinschaft. Andererseits betrifft dies die Polis als territoriale Einheit, da Kulthandlungen für Hermes immer wieder die Zusam­ mengehörigkeit von Zentrum und Peripherie betonten.

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