Heimat als Rechtsbegriff?: Eine Untersuchung zu Domicile und gewöhnlichem Aufenthalt im Lichte der EU-Erbrechtsverordnung 9783161533082, 9783161532764

Ab 17. 8.2015 wird die EU-Erbrechtsverordnung das internationale Verfahrens- und Kollisionsrecht für internationale Erbf

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German Pages 342 [344] Year 2014

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einführung und Gedankengang
§ 2 Das Konzept des domicile
I. Die Historie des domicile
1. Das römische domicilium
a) Origo und domicilium
b) Origo
c) Domicilium
aa) Tatbestandsmerkmale und Grundregeln
bb) Sonderfälle
2. Die Wiederentdeckung des domicilium in Europa
a) Bedeutungsverlust im frühen Mittelalter
b) Die Statutenlehre und das domicilium
c) Der Übergang zur Staatsangehörigkeit in Kontinentaleuropa
d) Die Entwicklung im englischen Recht
e) Das Grundverständnis vom domicile im 19. Jahrhundert
f) Weiter- und Auseinanderentwicklung des Konzepts des domicile
aa) Die Rolle der Rechtsprechung
bb) Die Auseinanderentwicklung in den common law-Staaten
(1) Der Sonderweg der USA
(2) Großbritannien
(3) Australien, Neuseeland, Kanada und Südafrika
(4) Andere Staaten
II. Grundsätze des domicile
1. Relevanz des domicile im heutigen Recht
2. Allgemeine Grundsätze
a) „Pflicht“ zum domicile
b) One man – one domicile
c) Zuordnung zu einem law district
d) Berücksichtigung des interpersonalen Rechts
e) Vermutungswirkung zugunsten eines bestehenden domicile
f) Ausschließliche Verwendung der englischen Grundsätze (lex fori)
III. Domicile of origin
1. Bestimmung des domicile of origin
a) Unterscheidung nach dem Familienstand der Eltern
b) Sonderfälle
2. Die revival-Doktrin und die hervorgehobene Bedeutung des domicile of origin
3. Kritik am domicile of origin
a) Kritik an der Abhängigkeit des domicile of origin von den Eltern
b) Kritik an der Differenzierung nach den Eltern
c) Kritik an der revival-Doktrin
d) Die Alternative der continuance rule
4. Stellungnahme
IV. Domicile of dependency
1. Domicile of dependency von Kindern
a) Abgrenzung zum domicile of origin
b) „Zeitlicher“ Anwendungsbereich
c) Bestimmung des domicile of dependency
aa) Common law-Grundsätze
bb) Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973
(1) Regelungsgehalt
(2) Unbestimmte Rechtsbegriffe
cc) Sonderfälle
(1) Adoptivkinder
(2) Waisenkinder
d) Kritik
e) Lösungsvorschläge
aa) Law Commissions
bb) Der schottische Family Law Act 2006
cc) Südafrika, Hong Kong und Manitoba
f) Bewertung
2. Domicile of dependency von Geschäftsunfähigen und geistig Behinderten
a) Bestimmung der Geschäftsunfähigkeit
b) Anknüpfungsgrundsätze
c) Kritik und Ansätze der Law Reform Commission
d) Bewertung
3. Domicile of dependency verheirateter Frauen
a) England
aa) Rechtslage vor dem Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973
bb) Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973
(1) Abschaffung des domicile of dependency
(2) Übergangsfälle
b) Australien, Neuseeland und Manitoba (Canada)
c) Irland
d) Südafrika und Hong Kong
e) USA
V. Domicile of choice
1. Erwerb und Verlust eines domicile of choice nach common law-Verständnis
2. Erfordernis der residence / (lawful) physical presence
a) Grundvoraussetzungen der residence
aa) Eigenschaft als Bewohner
bb) Mindestdauer des Aufenthaltes
cc) Mehrere Wohnsitze und die chief residence
(1) Plummer v IRC
(2) Kritik
(3) Barlow Clowes International Ltd v Henwood
dd) „Lawful presence“
(1) Mark v Mark
(2) Andere Commonwealth-Rechtsordnungen
b) Kritik am Element der residence
c) Vorgehen in anderen common law-Rechtsordnungen
3. Aufenthaltswille
a) Aufenthaltswille zugunsten eines konkreten law districts
b) Der Wille zum lebenslangen, bedingungslosen Verbleiben
aa) Wille zum lebenslangen Verbleiben
bb) Bedingungsloser Wille
(1) Re Fuld’s Estate (No 3)
(2) IRC v Bullock
(3) Stellungnahme und weitere Entscheidungen
cc) Subjektive Maßstäbe in anderen Rechtsordnungen
dd) Law Reform Commissions
ee) Bewertung
c) Voluntary residence
aa) Gefängnisinsassen/Strafgefangene
bb) Von Abschiebung bedrohte Personen
cc) Kriegsflüchtlinge/Asylsuchende
dd) Entzug vor Strafverfolgung oder Gläubigern
ee) Schwere Erkrankungen
ff) Soldaten, Beamte, diplomatischer Dienst
4. Nachweis des Erwerbs eines domicile of choice
a) Beweislast (burden of proof)
b) Beweismaß (standard of proof) zur Widerlegung eines bestehenden domicile
aa) Alte Entscheidungen
(1) Winans v Attorney-General
(2) Ramsay v Liverpool Royal Infirmary
bb) Bewertung
cc) Jüngere Entscheidungen
dd) Kritik
c) Beweismittel (means of proof)
aa) Residence/physical presence
bb) Parteieinvernahme und Zeugenbeweis
cc) (Erwerb der) Staatsangehörigkeit/Pass
dd) Erwerb von Immobilien
ee) Wirtschaftliche, familiäre und soziale Integration
d) Erleichterungen durch Vermutungen bezüglich der subjektiven Tatbestandsseite?
aa) Das deemed domicile im internationalen Steuerrecht
bb) Ansatz des Private International Law Reform Committee 1954
cc) Ansatz der Law Commissions 1985/1987
dd) Stellungnahme
VI. Domicile und Wohnsitz im Kontext der Brüssel I-VO
1. Domicile in Sec. 41 ff. des Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982
2. Deutscher Wohnsitz nach §§ 7 ff. BGB
a) Gewillkürter Wohnsitz, § 7 BGB
b) Gesetzliche Wohnsitze
3. Zuständigkeitskonflikte
a) Positive Kompetenzkonflikte
b) Negative Kompetenzkonflikte
VII. Zusammenfassung und Gesamtbewertung
1. Vergleich mit dem Ausgangspunkt des römischen Rechts
2. Kritikpunkte am domicile nach englischem Verständnis
3. Reformvorschläge
4. Eine Insel im Meer der Commonwealth-Staaten – Das Extrembeispiel Nauru
§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR
I. Entwicklungsgeschichte des Begriffes
1. Etablierung des gewöhnlichen Aufenthalts neben Wohnsitz und Staatsangehörigkeit
2. Haager Konventionen
a) Frühe Haager Konventionen
b) Die Entwicklung in der Zwischenkriegszeit
c) Die Haager Konventionen der unmittelbaren Nachkriegszeit
d) Haager Übereinkommen zum Kindschaftsrecht
e) Internationales Unterhaltsrecht
f) Internationales Erbrecht
II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses
1. Vorüberlegungen
2. Einordnung des gewöhnlichen Aufenthalts als Rechts- oder Tatsachenbegriff
3. Die besondere Qualität des gewöhnlichen Aufenthalts als Daseinsmittelpunkt
a) Quantitative Bestimmung
aa) Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG (Schweiz)
bb) § 9 S. 1 AO und § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I
b) Gewöhnlicher Aufenthalt als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen
c) Die Resolution 72 (1) des Europarates
d) Verwendung in europäischen Rechtsordnungen
aa) Belgisches IPR-Gesetz
bb) Bulgarisches IPR-Gesetz
cc) Deutsche Rechtsprechung
4. Die Rechtsprechung des EuGH
a) Rechtsprechung im Beamten- und Sozialrecht
b) Die Rechtsprechung des EuGH im int. Privat- und Zivilverfahrensrecht
aa) Entscheidungen
bb) Kontextabhängige Auslegung
(1) Vorüberlegungen
(2) Der gewöhnliche Aufenthalt in den Verordnungen
5. Objektive Indizien für den gewöhnlichen Aufenthalt
a) Berufliche Bindungen
b) Familiäre Bindungen und soziales Umfeld
aa) Familiäre Bindungen
bb) Soziales Umfeld
cc) Staatsangehörigkeit
dd) Freiwilligkeit des Aufenthalts
6. Gewichtung der Indizien bei Kontakten zu mehreren Rechtsordnungen
a) Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts
b) Mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt
c) Auffinden der relativ engsten Verbindung
7. Begründung und Aufhebung des gewöhnlichen Aufenthalts
a) Kein rechtsgeschäftlicher Wille erforderlich
b) Berücksichtigung des Bleibewillens zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts
aa) Irrelevanz eines Bleibewillens
bb) BGH und EuGH
cc) Bewertung
c) Konsequenzen des Doppelwegs
aa) Objektiver Ansatz
(1) Integrationsmaßstab
(2) Faustformeln zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts
bb) Subjektive Prognoseentscheidung
III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO
1. Zuständigkeitsregelungen bezüglich der elterlichen Verantwortung
2. Leitfaden zur Anwendung der neuen Verordnung Brüssel II
3. Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts durch den EuGH
a) Entscheidung C-523/07
aa) Sachverhalt und konkrete Vorlagefrage
bb) Aussagen des EuGH zum gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern
cc) Bemerkungen
b) Rechtssache C-497/10 PPU
aa) Sachverhalt und konkrete Vorlagefrage
bb) Aussagen des EuGH zum gewöhnlichen Aufenthalt von verbrachten Kindern
c) Bewertung
4. Zusammenfassung und Bewertung der Rechtsprechung des EuGH
5. Der gewöhnliche Aufenthalt in Ehesachen, Art. 3 ff. Brüssel IIa-VO
a) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 1 und 2 Brüssel IIa-VO
b) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 3 und 4 Brüssel IIa-VO
c) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 5 Brüssel IIa-VO
d) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 6 Brüssel IIa-VO
aa) Grundsätzliches
bb) Verstoß gegen Art. 18 AEUV
e) Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO
f) Bewertung der Regelungen von Art. 3 Brüssel IIa-VO
g) Übertragbarkeit der Rechtsprechung des EuGH in Sorgerechtsentscheidungen – Konsequenzen des funktionalen Verständnisses
IV. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom III-VO
1. Relevanz des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom III-VO
a) Gewöhnlicher Aufenthalt und Rechtswahl nach Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO
b) Gewöhnlicher Aufenthalt und Anknüpfung nach Art. 8 Rom III-VO
2. Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts
V. Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuUnthVO
1. Relevanz des gewöhnlichen Aufenthalts in der EuUnthVO
a) Internationale Zuständigkeit
b) Anwendbares Recht
c) Inhaltliche Ausfüllung des gewöhnlichen Aufenthalts
2. Bewertung
VI. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel I-VO
1. Regelungsgehalt und Einordnung der Brüssel I-VO
2. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt
a) Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO
b) Art. 17 Brüssel I-VO
3. Abschließende Bewertung vor dem Hintergrund der aktuellen Reform
VII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom I-VO
1. Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom I-VO
a) Gewöhnlicher Aufenthalt von Gewerbetreibenden, Art. 19 Abs. 1, 2 Rom I-VO
b) Der gewöhnliche Aufenthalt von Nichtgewerbetreibenden
2. Bewertung der Rom I-VO und des gewöhnlichen Aufenthalts
VIII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom II-VO
1. Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom II-VO
a) Gemeinsamkeiten mit Art. 19 Rom I-VO
b) Der gewöhnliche Aufenthalt von Nichtgewerbetreibenden
c) Analoge Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO
2. Fazit zur Rom II-VO
IX. Zusammenfassung und Gesamtbewertung
§ 4 Gegenüberstellung
I. Erwachsene
1. Aufenthaltselement
a) Grundsätze des Aufenthaltselements (domicile of choice)
b) Gewöhnlicher Aufenthalt
c) Bewertung
2. Subjektiver Tatbestand, Wille und Daseinsmittelpunkt
a) Domicile
b) Gewöhnlicher Aufenthalt
c) Bewertung
3. Darlegung des Vorliegens eines domicile/gewöhnlichen Aufenthalts
a) Domicile
b) Gewöhnlicher Aufenthalt
c) Bewertung
II. Kinder
1. Domicile
2. Gewöhnlicher Aufenthalt
3. Bewertung
III. Geschäftsunfähige
1. Domicile
2. Gewöhnlicher Aufenthalt
3. Bewertung
IV. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt
V. Gesamtfazit
§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO
I. Die Entstehungsgeschichte der EuErbVO
1. Erste Vorarbeiten 2000–2004
2. Das Grünbuch für Erb- und Testamentsrecht 2005
a) Inhalt des Grünbuchs
b) Stellungnahmen zum Grünbuch
aa) Deutsche Stellungnahmen zum gewöhnlichen Aufenthalt
bb) Stellungnahmen aus Großbritannien
cc) Weitere Stellungnahmen
dd) Fazit
3. Die weitere Entwicklung bis 2009
4. Der Verordnungsentwurf vom 14.10.2009
5. Verabschiedung der Verordnung 650/2012 vom 4.7.2012
II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen
1. Anwendungsbereich der EuErbVO
a) Sachlicher Anwendungsbereich
b) Räumlicher Anwendungsbereich
c) Zeitlicher Anwendungsbereich
2. Internationale Zuständigkeit
a) Allgemeine Zuständigkeit, Art. 4 EuErbVO
b) Subsidiäre Zuständigkeit, Art. 10 EuErbVO
c) Verfahrensbeschränkung nach Art. 12 EuErbVO
d) Internationale Zuständigkeit bei erfolgter Rechtswahl
aa) Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 5 i.V.m. Art. 7 EuErbVO
bb) Bewertung
cc) Rügeloses Einlassen, Art. 9 EuErbVO
e) Notzuständigkeit, Art. 11 EuErbVO
f) Bewertung im Vergleich zum deutschen autonomen Recht
3. Objektive Anknüpfung des Erbstatuts, Art. 21 EuErbVO
a) Grundsätzliches
b) Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
4. Rechtswahl, Art. 22, 25 Abs. 3 EuErbVO
a) Sachliche Berechtigung der Rechtswahl
b) Die Regelungen von Art. 22 EuErbVO
aa) Wahlmöglichkeiten des Erblassers
bb) Vornahme der Rechtswahl
c) Bewertung im Vergleich zum deutschen autonomen Recht
5. Verweisungsgrundsätze
6. Rückverweisung nach Art. 34 EuErbVO
a) Diskussion um die diesbezügliche Rechtssetzungskompetenz der Union
b) Die Vorgaben von Art. 34 EuErbVO im Einzelnen
7. Eingriffsnormen
8. Erbverträge
9. Gemeinschaftliche Testamente
10. Ordre public
11. Anerkennung und Vollstreckung
12. Annahme öffentlicher Urkunden
13. Das europäische Nachlasszeugnis
a) Zuständigkeit
b) Antrag nach Art. 65 EuErbVO
c) Wirkungen des Nachlasszeugnisses
14. Bewertung
III. Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt
1. Verordnungsautonome Auslegung
2. Fehlende Legaldefinition
a) Diskussion
b) Bewertung
3. Die Auslegungshilfe der Erwägungsgründe 23 und 24
a) Entwicklung der Erwägungsgründe im Gesetzgebungsverfahren
b) Maßgebliche Indizien nach Erwägungsgrund 23
c) Maßgebliche Indizien nach Erwägungsgrund 24
aa) „Dienst im Ausland“
bb) „Langzeit-Pendler“, „Zugvogel“ und „Wanderarbeiter“
d) Normativer Charakter und Aussagekraft der Erwägungsgründe
e) Bewertung
4. Maßgebliche Indizien nach Erwägungsgrund 25
IV. Ausgangsüberlegungen für die Auslegung
1. Spannungsverhältnisse des gewöhnlichen Aufenthaltes in der EuErbVO
a) Internationale Zuständigkeit und objektive Anknüpfung
b) Spannungsverhältnis zwischen Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 EuErbVO
c) Spannungsverhältnis von Erwägungsgrund 23 und 25
2. Einordnung in das Gefüge der europäischen kollisionsrechtlichen Verordnungen
3. Heranziehen der EuGH-Rechtsprechung
a) Entscheidungen zum „Wohnsitz“ im Beamten- und Sozialrecht
b) Rs. C-497/10 PPU und Rs. C-523/07
aa) Funktionale Unterschiede
bb) Konstruktive Unterschiede
(1) Mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt
(2) Möglichkeit des fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts
c) Zwischenergebnis
V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien
1. Körperliche Anwesenheit sowie deren Dauer und Regelmäßigkeit
2. Polizeiliche Registrierung bzw. angemeldeter Wohnsitz
3. Legalität des Aufenthaltes/Vorliegen einer Arbeitserlaubnis
4. Wirtschaftliche Aspekte
a) Ort der Arbeitsstelle und berufliche Bindungen
b) Vermögenswerte und Gläubiger
5. Staatsangehörigkeit
6. Familiäre und soziale Bindungen
a) Grundsätzliches
b) Sitz der Erben
c) Sprachkenntnisse
d) Soziale Integration von Kindern
e) Soziale Integration Geschäftsunfähiger
7. Zwischenfazit
8. Beurteilung besonderer Fallgruppen anhand der sozialen Integration
a) Parallelgesellschaften
b) Wanderarbeiter
c) Wochenendpendler
d) Langzeitpendler/Transmigranten
aa) Eindeutiger Daseinsmittelpunkt
bb) Identische Aufenthaltszeiten
cc) Aufenthalt vs. tatsächliche Bindungen
dd) Transmigration
ee) Fazit
VI. Subjektive Kriterien
1. Natürlicher Bleibewille
a) Motiv der Aufenthaltsverlagerung
b) Fehlende Aussagekraft der Staatsangehörigkeit
c) Reintegration
2. Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts mit Ankunft im Zuzugsstaat
a) Orientierung an Erwägungsgrund 23
b) Orientierung an Erwägungsgrund 25
c) Korrektur mittels Art. 21 Abs. 2 EuErbVO?
d) Bewertung
e) Konsequenzen
aa) Subjektive Komponente
bb) Objektivierter Integrationsmaßstab
3. Mangelnde Freiwilligkeit des Aufenthalts
a) Rückkehrwille
b) Mangelnde Integrationsbereitschaft
c) (Unterlassene) Rechtswahl als Indiz für Bleibe- oder Rückkehrwillen
d) Fazit
VII. Subjektive Elemente in Art. 21 Abs. 2 EuErbVO?
1. Rückkehrwille
2. Leben in einer „Enklave“ / Parallelgesellschaft
3. Einschränkung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO in zeitlicher Hinsicht
VIII. Bekämpfung von Gesetzesumgehungen?
1. Gesetzesumgehungen durch den Erblasser selbst
a) Vortäuschen eines gewöhnlichen Aufenthalts (Simulation)
b) Tatsächliche Aufenthaltsverlagerung (Gesetzesumgehung)
aa) Mögliche Ausgangskonstellationen
bb) Einordnung der Fraus legis
(1) Abgrenzung zum Ordre public
(2) Anwendung des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
cc) Fazit
2. Geschäftsunfähige und demente Erblasser – Probleme des „Oma-Exports“
a) Mögliche Konstellationen
aa) Konstellation „Oma-Export“
(1) Florida
(2) Europäisches Ausland
(3) Lösungsansätze
bb) Umzug mit dem Betreuer / „Heimkehr zur Familie“
(1) Konstellation
(2) Lösungsansatz
b) Korrekturmöglichkeiten
3. Schlussfolgerungen
IX. Ergebnisse und Ausblick
1. Ergebnisse und Thesen
2. Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachregister
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 9783161533082, 9783161532764

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 314 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Michael Kränzle

Heimat als Rechtsbegriff? Eine Untersuchung zu Domicile und gewöhnlichem Aufenthalt im Lichte der EU-Erbrechtsverordnung

Mohr Siebeck

Michael Kränzle, geboren 1984; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Augsburg; 2009–2011 Referendariat in Augsburg, Brüssel, München und Sydney; 2011– 2014 Wiss. Assistent an der LMU München; seit 2014 Regierungsrat im Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst.

e-ISBN 978-3-16-153308-2 ISBN 978-3-16-153276-4 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2013 fertiggestellt und im Wintersemester 2013/2014 von der Juristischen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Literatur zur Erbrechtsverordnung konnte bis Januar 2014 berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater Prof. Dr. Kindler danke ich ganz herzlich für die Betreuung dieser Arbeit und für seine Unterstützung und Förderung über viele Jahre hinweg. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Lorenz für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich außerdem bei den Direktoren des MPI, allen voran Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Basedow, LL.M. (Harvard), für die Aufnahme der vorliegenden Arbeit in die Schriftenreihe des Max-PlanckInstituts für ausländisches und internationales Privatrecht sowie der Hanns-Seidel-Stiftung, die diese Arbeit mit einem Promotionsstipendium aus den Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert hat. Danken möchte ich auch Frau Prof. Jennifer Hill, Herrn Ross Anderson und dem Ross Parsons Centre für die freundliche Unterstützung während meines Aufenthalts an der Sydney University. Dank gebührt daneben auch zahlreichen Gesprächspartnern aus Wissenschaft und Praxis, insbesondere Herrn Prof. Dr. Thomas Rauscher, Herrn Prof. Dr. Ulrich Spellenberg, Herrn Dr. Daniel Lehmann und Herrn Kurt Lechner, die mir durch wertvolle Hinweise und Anregungen weitergeholfen haben. Den Kollegen und Freunden am Institut, besonders Herrn Matthias Prause, LL.M (Harvard), Frau Anna Reis und Frau Alessia Kraus, möchte ich für ihre Unterstützung und Diskussionsbereitschaft während der Entstehungsphase der Arbeit danken. Herzlich danke ich der Münchener Universitätsgesellschaft für die Auszeichnung dieser Arbeit mit dem Promotionsförderpreis 2014 und der Münchener Juristischen Gesellschaft für den Promotionspreis 2014. Last but not least möchte ich mich bei meiner Schwester Sylvie Kränzle bedanken für die vielen Stunden der Unterstützung während der Fertigstellung des Manuskripts. München, im Frühjahr 2014

Michael Kränzle

Inhaltsübersicht Vorwort ................................................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis ..........................................................................................XXI

§ 1 Einführung und Gedankengang ................................................................... 1 § 2 Das Konzept des domicile ............................................................................ 5 I. Die Historie des domicile ...................................................................................... 6 II. Grundsätze des domicile ..................................................................................... 22 III. Domicile of origin .............................................................................................. 26 IV. Domicile of dependency ...................................................................................... 34 V. Domicile of choice .............................................................................................. 50 VI. Domicile und Wohnsitz im Kontext der Brüssel I-VO ............................................. 87 VII. Zusammenfassung und Gesamtbewertung .......................................................... 93

§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR ...................................... 97 I. Entwicklungsgeschichte des Begriffes .................................................................. 98 II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses ........................................106 III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO ...............................................139 IV. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom III-VO....................................................155 V. Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuUnthVO .....................................................159 VI. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel I-VO..................................................162 VII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom I-VO ...................................................165 VIII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom II-VO ..................................................168 IX. Zusammenfassung und Gesamtbewertung ............................................................172

X

Inhaltsübersicht

§ 4 Gegenüberstellung ......................................................................................175 I. Erwachsene ......................................................................................................175 II. Kinder ..............................................................................................................180 III. Geschäftsunfähige .............................................................................................182 IV. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt ................................................................183 V. Gesamtfazit .......................................................................................................184

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO ........................................186 I. Die Entstehungsgeschichte der EuErbVO ............................................................187 II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen ........................................................196 III. Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt ..............................................................220 IV. Ausgangsüberlegungen für die Auslegung ...........................................................229 V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien .............................................................236 VI. Subjektive Kriterien ...........................................................................................249 VII. Subjektive Elemente in Art. 21 Abs. 2 EuErbVO? ..............................................267 VIII. Bekämpfung von Gesetzesumgehungen?............................................................271 IX. Ergebnisse und Ausblick ....................................................................................285 Literaturverzeichnis ................................................................................................289 Sachregister ...........................................................................................................309

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis ..........................................................................................XXI

§ 1 Einführung und Gedankengang ................................................................... 1 § 2 Das Konzept des domicile ............................................................................ 5 I. Die Historie des domicile ...................................................................................... 6 1. Das römische domicilium ....................................................................................... 6 a) Origo und domicilium ...................................................................................... 6 b) Origo .............................................................................................................. 8 c) Domicilium ..................................................................................................... 9 aa) Tatbestandsmerkmale und Grundregeln ....................................................... 9 bb) Sonderfälle ............................................................................................. 10 2. Die Wiederentdeckung des domicilium in Europa .................................................. 11 a) Bedeutungsverlust im frühen Mittelalter .......................................................... 11 b) Die Statutenlehre und das domicilium ............................................................. 11 c) Der Übergang zur Staatsangehörigkeit in Kontinentaleuropa ............................. 14 d) Die Entwicklung im englischen Recht ............................................................. 15 e) Das Grundverständnis vom domicile im 19. Jahrhundert................................... 18 f) Weiter- und Auseinanderentwicklung des Konzepts des domicile ...................... 19 aa) Die Rolle der Rechtsprechung ................................................................... 19 bb) Die Auseinanderentwicklung in den common law-Staaten........................... 19 (1) Der Sonderweg der USA ...................................................................... 19 (2) Großbritannien .................................................................................... 20 (3) Australien, Neuseeland, Kanada und Südafrika ...................................... 21 (4) Andere Staaten .................................................................................... 21 II. Grundsätze des domicile ..................................................................................... 22 1. Relevanz des domicile im heutigen Recht .............................................................. 22 2. Allgemeine Grundsätze ........................................................................................ 24 a) „Pflicht“ zum domicile .................................................................................. 24 b) One man – one domicile................................................................................. 25 c) Zuordnung zu einem law district ..................................................................... 25 d) Berücksichtigung des interpersonalen Rechts................................................... 26 e) Vermutungswirkung zugunsten eines bestehenden domicile .............................. 26 f) Ausschließliche Verwendung der englischen Grundsätze (lex fori) .................... 26

XII

Inhaltsverzeichnis

III. Domicile of origin .............................................................................................. 26 1. Bestimmung des domicile of origin ....................................................................... 27 a) Unterscheidung nach dem Familienstand der Eltern ......................................... 27 b) Sonderfälle ................................................................................................... 27 2. Die revival-Doktrin und die hervorgehobene Bedeutung des domicile of origin ........ 28 3. Kritik am domicile of origin ................................................................................. 29 a) Kritik an der Abhängigkeit des domicile of origin von den Eltern...................... 29 b) Kritik an der Differenzierung nach den Eltern .................................................. 30 c) Kritik an der revival-Doktrin .......................................................................... 31 d) Die Alternative der continuance rule ............................................................... 31 4. Stellungnahme ..................................................................................................... 33 IV. Domicile of dependency ...................................................................................... 34 1. Domicile of dependency von Kindern.................................................................... 34 a) Abgrenzung zum domicile of origin ................................................................ 34 b) „Zeitlicher“ Anwendungsbereich .................................................................... 34 c) Bestimmung des domicile of dependency ........................................................ 35 aa) Common law-Grundsätze .......................................................................... 35 bb) Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 ....................................... 36 (1) Regelungsgehalt .................................................................................. 36 (2) Unbestimmte Rechtsbegriffe................................................................. 36 cc) Sonderfälle .............................................................................................. 37 (1) Adoptivkinder ..................................................................................... 37 (2) Waisenkinder ...................................................................................... 37 d) Kritik ........................................................................................................... 39 e) Lösungsvorschläge ........................................................................................ 40 aa) Law Commissions .................................................................................... 40 bb) Der schottische Family Law Act 2006 ....................................................... 41 cc) Südafrika, Hong Kong und Manitoba ......................................................... 42 f) Bewertung .................................................................................................... 43 2. Domicile of dependency von Geschäftsunfähigen und geistig Behinderten ............... 43 a) Bestimmung der Geschäftsunfähigkeit ............................................................ 43 b) Anknüpfungsgrundsätze ................................................................................. 44 c) Kritik und Ansätze der Law Reform Commission............................................. 45 d) Bewertung .................................................................................................... 46 3. Domicile of dependency verheirateter Frauen ........................................................ 46 a) England ........................................................................................................ 46 aa) Rechtslage vor dem Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 ......... 46 bb) Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 ....................................... 47 (1) Abschaffung des domicile of dependency .............................................. 47 (2) Übergangsfälle .................................................................................... 47 b) Australien, Neuseeland und Manitoba (Canada) ............................................... 48 c) Irland............................................................................................................ 49 d) Südafrika und Hong Kong .............................................................................. 49 e) USA ............................................................................................................. 49 V. Domicile of choice .............................................................................................. 50 1. Erwerb und Verlust eines domicile of choice nach common law-Verständnis ........... 50 2. Erfordernis der residence / (lawful) physical presence ............................................ 51 a) Grundvoraussetzungen der residence............................................................... 51

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XIII

aa) Eigenschaft als Bewohner ......................................................................... 52 bb) Mindestdauer des Aufenthaltes ................................................................. 52 cc) Mehrere Wohnsitze und die chief residence................................................ 54 (1) Plummer v IRC ................................................................................... 54 (2) Kritik.................................................................................................. 55 (3) Barlow Clowes International Ltd v Henwood ......................................... 55 dd) „Lawful presence“ ................................................................................... 56 (1) Mark v Mark ....................................................................................... 56 (2) Andere Commonwealth-Rechtsordnungen ............................................. 58 b) Kritik am Element der residence ..................................................................... 58 c) Vorgehen in anderen common law-Rechtsordnungen........................................ 59 3. Aufenthaltswille .................................................................................................. 59 a) Aufenthaltswille zugunsten eines konkreten law districts .................................. 59 b) Der Wille zum lebenslangen, bedingungslosen Verbleiben ............................... 60 aa) Wille zum lebenslangen Verbleiben ........................................................... 61 bb) Bedingungsloser Wille ............................................................................. 62 (1) Re Fuld’s Estate (No 3) ........................................................................ 63 (2) IRC v Bullock ..................................................................................... 63 (3) Stellungnahme und weitere Entscheidungen........................................... 65 cc) Subjektive Maßstäbe in anderen Rechtsordnungen ...................................... 66 dd) Law Reform Commissions ....................................................................... 68 ee) Bewertung ............................................................................................... 69 c) Voluntary residence ....................................................................................... 69 aa) Gefängnisinsassen/Strafgefangene ............................................................. 70 bb) Von Abschiebung bedrohte Personen ........................................................ 70 cc) Kriegsflüchtlinge/Asylsuchende ................................................................ 70 dd) Entzug vor Strafverfolgung oder Gläubigern .............................................. 71 ee) Schwere Erkrankungen ............................................................................. 71 ff) Soldaten, Beamte, diplomatischer Dienst .................................................... 72 4. Nachweis des Erwerbs eines domicile of choice ..................................................... 72 a) Beweislast (burden of proof) .......................................................................... 72 b) Beweismaß (standard of proof) zur Widerlegung eines bestehenden domicile..... 73 aa) Alte Entscheidungen ................................................................................ 73 (1) Winans v Attorney-General .................................................................. 74 (2) Ramsay v Liverpool Royal Infirmary .................................................... 75 bb) Bewertung............................................................................................... 76 cc) Jüngere Entscheidungen ........................................................................... 77 dd) Kritik ...................................................................................................... 78 c) Beweismittel (means of proof) ........................................................................ 79 aa) Residence/physical presence ..................................................................... 79 bb) Parteieinvernahme und Zeugenbeweis ....................................................... 80 cc) (Erwerb der) Staatsangehörigkeit/Pass ....................................................... 81 dd) Erwerb von Immobilien............................................................................ 82 ee) Wirtschaftliche, familiäre und soziale Integration ....................................... 82 d) Erleichterungen durch Vermutungen bezüglich der subjektiven Tatbestandsseite?........................................................................................... 83 aa) Das deemed domicile im internationalen Steuerrecht .................................. 83 bb) Ansatz des Private International Law Reform Committee 1954 ................... 84 cc) Ansatz der Law Commissions 1985/1987 ................................................... 85 dd) Stellungnahme ......................................................................................... 86

XIV

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VI. Domicile und Wohnsitz im Kontext der Brüssel I-VO ............................................. 87 1. Domicile in Sec. 41 ff. des Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 .................... 88 2. Deutscher Wohnsitz nach §§ 7 ff. BGB ................................................................. 89 a) Gewillkürter Wohnsitz, § 7 BGB .................................................................... 89 b) Gesetzliche Wohnsitze ................................................................................... 91 3. Zuständigkeitskonflikte ........................................................................................ 92 a) Positive Kompetenzkonflikte .......................................................................... 92 b) Negative Kompetenzkonflikte ........................................................................ 92 VII. Zusammenfassung und Gesamtbewertung .......................................................... 93 1. Vergleich mit dem Ausgangspunkt des römischen Rechts ....................................... 93 2. Kritikpunkte am domicile nach englischem Verständnis ......................................... 94 3. Reformvorschläge ................................................................................................ 94 4. Eine Insel im Meer der Commonwealth-Staaten – Das Extrembeispiel Nauru ........... 95

§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR ...................................... 97 I. Entwicklungsgeschichte des Begriffes .................................................................. 98 1. Etablierung des gewöhnlichen Aufenthalts neben Wohnsitz und Staatsangehörigkeit 98 2. Haager Konventionen .......................................................................................... 99 a) Frühe Haager Konventionen ........................................................................... 99 b) Die Entwicklung in der Zwischenkriegszeit ....................................................100 c) Die Haager Konventionen der unmittelbaren Nachkriegszeit ............................101 d) Haager Übereinkommen zum Kindschaftsrecht ...............................................102 e) Internationales Unterhaltsrecht ......................................................................104 f) Internationales Erbrecht ................................................................................104 II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses ........................................106 1. Vorüberlegungen ................................................................................................106 2. Einordnung des gewöhnlichen Aufenthalts als Rechts- oder Tatsachenbegriff .........107 3. Die besondere Qualität des gewöhnlichen Aufenthalts als Daseinsmittelpunkt .........109 a) Quantitative Bestimmung ..............................................................................110 aa) Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG (Schweiz).........................................................110 bb) § 9 S. 1 AO und § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I ...................................................110 b) Gewöhnlicher Aufenthalt als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ....................112 c) Die Resolution 72 (1) des Europarates............................................................112 d) Verwendung in europäischen Rechtsordnungen ..............................................114 aa) Belgisches IPR-Gesetz ............................................................................114 bb) Bulgarisches IPR-Gesetz .........................................................................114 cc) Deutsche Rechtsprechung ........................................................................115 4. Die Rechtsprechung des EuGH ............................................................................116 a) Rechtsprechung im Beamten- und Sozialrecht ................................................116 b) Die Rechtsprechung des EuGH im int. Privat- und Zivilverfahrensrecht ...........119 aa) Entscheidungen .......................................................................................119 bb) Kontextabhängige Auslegung ..................................................................119 (1) Vorüberlegungen ................................................................................119 (2) Der gewöhnliche Aufenthalt in den Verordnungen ................................121 5. Objektive Indizien für den gewöhnlichen Aufenthalt .............................................122 a) Berufliche Bindungen ...................................................................................125

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XV

b) Familiäre Bindungen und soziales Umfeld ......................................................125 aa) Familiäre Bindungen ...............................................................................125 bb) Soziales Umfeld .....................................................................................126 cc) Staatsangehörigkeit .................................................................................127 dd) Freiwilligkeit des Aufenthalts ..................................................................128 6. Gewichtung der Indizien bei Kontakten zu mehreren Rechtsordnungen ...................128 a) Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts ..........................................................129 b) Mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt .............................................................129 c) Auffinden der relativ engsten Verbindung ......................................................130 7. Begründung und Aufhebung des gewöhnlichen Aufenthalts ...................................132 a) Kein rechtsgeschäftlicher Wille erforderlich ...................................................132 b) Berücksichtigung des Bleibewillens zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts ..................................................................................................132 aa) Irrelevanz eines Bleibewillens ..................................................................132 bb) BGH und EuGH .....................................................................................133 cc) Bewertung ..............................................................................................134 c) Konsequenzen des Doppelwegs .....................................................................136 aa) Objektiver Ansatz ...................................................................................136 (1) Integrationsmaßstab ............................................................................136 (2) Faustformeln zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts ...................137 bb) Subjektive Prognoseentscheidung ............................................................138 III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO ...............................................139 1. Zuständigkeitsregelungen bezüglich der elterlichen Verantwortung ........................139 2. Leitfaden zur Anwendung der neuen Verordnung Brüssel II...................................141 3. Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts durch den EuGH ...................................141 a) Entscheidung C-523/07 .................................................................................142 aa) Sachverhalt und konkrete Vorlagefrage .....................................................142 bb) Aussagen des EuGH zum gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern................142 cc) Bemerkungen ..........................................................................................144 b) Rechtssache C-497/10 PPU ...........................................................................145 aa) Sachverhalt und konkrete Vorlagefrage .....................................................145 bb) Aussagen des EuGH zum gewöhnlichen Aufenthalt von verbrachten Kindern ..................................................................................................145 c) Bewertung ...................................................................................................146 4. Zusammenfassung und Bewertung der Rechtsprechung des EuGH .........................148 5. Der gewöhnliche Aufenthalt in Ehesachen, Art. 3 ff. Brüssel IIa-VO ......................148 a) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 1 und 2 Brüssel IIa-VO ...........................................149 b) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 3 und 4 Brüssel IIa-VO ...........................................150 c) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 5 Brüssel IIa-VO ....................................................150 d) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 6 Brüssel IIa-VO ....................................................150 aa) Grundsätzliches ......................................................................................150 bb) Verstoß gegen Art. 18 AEUV ..................................................................151 e) Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO .................................................................153 f) Bewertung der Regelungen von Art. 3 Brüssel IIa-VO.....................................153 g) Übertragbarkeit der Rechtsprechung des EuGH in Sorgerechtsentscheidungen – Konsequenzen des funktionalen Verständnisses ..............................................154 IV. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom III-VO....................................................155 1. Relevanz des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom III-VO ...................................156

XVI

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a) Gewöhnlicher Aufenthalt und Rechtswahl nach Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO........156 b) Gewöhnlicher Aufenthalt und Anknüpfung nach Art. 8 Rom III-VO .................156 2. Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts ...........................................................158 V. Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuUnthVO .....................................................159 1. Relevanz des gewöhnlichen Aufenthalts in der EuUnthVO ....................................159 a) Internationale Zuständigkeit ..........................................................................159 b) Anwendbares Recht ......................................................................................159 c) Inhaltliche Ausfüllung des gewöhnlichen Aufenthalts .....................................160 2. Bewertung..........................................................................................................161 VI. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel I-VO..................................................162 1. Regelungsgehalt und Einordnung der Brüssel I-VO ...............................................162 2. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt .................................................163 a) Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO ..............................................................................163 b) Art. 17 Brüssel I-VO.....................................................................................164 3. Abschließende Bewertung vor dem Hintergrund der aktuellen Reform ....................164 VII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom I-VO ...................................................165 1. Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom I-VO ................................166 a) Gewöhnlicher Aufenthalt von Gewerbetreibenden, Art. 19 Abs. 1, 2 Rom I-VO 166 b) Der gewöhnliche Aufenthalt von Nichtgewerbetreibenden ...............................167 2. Bewertung der Rom I-VO und des gewöhnlichen Aufenthalts ................................167 VIII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom II-VO ..................................................168 1. Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom II-VO ...............................168 a) Gemeinsamkeiten mit Art. 19 Rom I-VO ........................................................168 b) Der gewöhnliche Aufenthalt von Nichtgewerbetreibenden ...............................169 c) Analoge Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO ....................................169 2. Fazit zur Rom II-VO ...........................................................................................171 IX. Zusammenfassung und Gesamtbewertung ............................................................172

§ 4 Gegenüberstellung ......................................................................................175 I. Erwachsene ......................................................................................................175 1. Aufenthaltselement .............................................................................................175 a) Grundsätze des Aufenthaltselements (domicile of choice) ................................176 b) Gewöhnlicher Aufenthalt ..............................................................................177 c) Bewertung ...................................................................................................177 2. Subjektiver Tatbestand, Wille und Daseinsmittelpunkt ..........................................178 a) Domicile ......................................................................................................178 b) Gewöhnlicher Aufenthalt ..............................................................................178 c) Bewertung ...................................................................................................179 3. Darlegung des Vorliegens eines domicile/gewöhnlichen Aufenthalts ......................179 a) Domicile ......................................................................................................179 b) Gewöhnlicher Aufenthalt ..............................................................................180 c) Bewertung ...................................................................................................180

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XVII

II. Kinder ..............................................................................................................180 1. Domicile ............................................................................................................180 2. Gewöhnlicher Aufenthalt ....................................................................................181 3. Bewertung..........................................................................................................181 III. Geschäftsunfähige .............................................................................................182 1. Domicile ............................................................................................................182 2. Gewöhnlicher Aufenthalt ....................................................................................182 3. Bewertung..........................................................................................................182 IV. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt ................................................................183 V. Gesamtfazit .......................................................................................................184

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO ........................................186 I. Die Entstehungsgeschichte der EuErbVO ............................................................187 1. Erste Vorarbeiten 2000–2004 ..............................................................................187 2. Das Grünbuch für Erb- und Testamentsrecht 2005.................................................188 a) Inhalt des Grünbuchs ....................................................................................189 b) Stellungnahmen zum Grünbuch .....................................................................190 aa) Deutsche Stellungnahmen zum gewöhnlichen Aufenthalt ...........................190 bb) Stellungnahmen aus Großbritannien .........................................................191 cc) Weitere Stellungnahmen ..........................................................................192 dd) Fazit ......................................................................................................193 3. Die weitere Entwicklung bis 2009 ........................................................................193 4. Der Verordnungsentwurf vom 14.10.2009 ............................................................193 5. Verabschiedung der Verordnung 650/2012 vom 4.7.2012 ......................................195 II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen ........................................................196 1. Anwendungsbereich der EuErbVO .......................................................................197 a) Sachlicher Anwendungsbereich .....................................................................197 b) Räumlicher Anwendungsbereich ....................................................................198 c) Zeitlicher Anwendungsbereich ......................................................................199 2. Internationale Zuständigkeit ................................................................................200 a) Allgemeine Zuständigkeit, Art. 4 EuErbVO ....................................................200 b) Subsidiäre Zuständigkeit, Art. 10 EuErbVO ...................................................200 c) Verfahrensbeschränkung nach Art. 12 EuErbVO .............................................201 d) Internationale Zuständigkeit bei erfolgter Rechtswahl .....................................201 aa) Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 5 i.V.m. Art. 7 EuErbVO ........................202 bb) Bewertung..............................................................................................203 cc) Rügeloses Einlassen, Art. 9 EuErbVO ......................................................204 e) Notzuständigkeit, Art. 11 EuErbVO ...............................................................204 f) Bewertung im Vergleich zum deutschen autonomen Recht ..............................205 3. Objektive Anknüpfung des Erbstatuts, Art. 21 EuErbVO .......................................206 a) Grundsätzliches ............................................................................................206 b) Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO..........................................206 4. Rechtswahl, Art. 22, 25 Abs. 3 EuErbVO .............................................................207 a) Sachliche Berechtigung der Rechtswahl .........................................................207

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b) Die Regelungen von Art. 22 EuErbVO ...........................................................207 aa) Wahlmöglichkeiten des Erblassers............................................................207 bb) Vornahme der Rechtswahl .......................................................................209 c) Bewertung im Vergleich zum deutschen autonomen Recht ..............................209 5. Verweisungsgrundsätze .......................................................................................210 6. Rückverweisung nach Art. 34 EuErbVO ...............................................................211 a) Diskussion um die diesbezügliche Rechtssetzungskompetenz der Union ...........212 b) Die Vorgaben von Art. 34 EuErbVO im Einzelnen ..........................................214 7. Eingriffsnormen .................................................................................................215 8. Erbverträge ........................................................................................................215 9. Gemeinschaftliche Testamente.............................................................................216 10. Ordre public .....................................................................................................216 11. Anerkennung und Vollstreckung ........................................................................217 12. Annahme öffentlicher Urkunden ........................................................................217 13. Das europäische Nachlasszeugnis.......................................................................218 a) Zuständigkeit ...............................................................................................219 b) Antrag nach Art. 65 EuErbVO .......................................................................219 c) Wirkungen des Nachlasszeugnisses ................................................................219 14. Bewertung ........................................................................................................219 III. Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt ..............................................................220 1. Verordnungsautonome Auslegung........................................................................220 2. Fehlende Legaldefinition .....................................................................................221 a) Diskussion ...................................................................................................221 b) Bewertung ...................................................................................................222 3. Die Auslegungshilfe der Erwägungsgründe 23 und 24 ...........................................222 a) Entwicklung der Erwägungsgründe im Gesetzgebungsverfahren ......................222 b) Maßgebliche Indizien nach Erwägungsgrund 23..............................................223 c) Maßgebliche Indizien nach Erwägungsgrund 24..............................................224 aa) „Dienst im Ausland“ ...............................................................................224 bb) „Langzeit-Pendler“, „Zugvogel“ und „Wanderarbeiter“ .............................225 d) Normativer Charakter und Aussagekraft der Erwägungsgründe ........................225 e) Bewertung ...................................................................................................227 4. Maßgebliche Indizien nach Erwägungsgrund 25 ....................................................227 IV. Ausgangsüberlegungen für die Auslegung ...........................................................229 1. Spannungsverhältnisse des gewöhnlichen Aufenthaltes in der EuErbVO .................229 a) Internationale Zuständigkeit und objektive Anknüpfung ..................................229 b) Spannungsverhältnis zwischen Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 EuErbVO .................229 c) Spannungsverhältnis von Erwägungsgrund 23 und 25......................................230 2. Einordnung in das Gefüge der europäischen kollisionsrechtlichen Verordnungen ....231 3. Heranziehen der EuGH-Rechtsprechung ...............................................................232 a) Entscheidungen zum „Wohnsitz“ im Beamten- und Sozialrecht........................232 b) Rs. C-497/10 PPU und Rs. C-523/07 ..............................................................233 aa) Funktionale Unterschiede ........................................................................234 bb) Konstruktive Unterschiede ......................................................................234 (1) Mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt ...................................................234 (2) Möglichkeit des fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts ...........................235 c) Zwischenergebnis .........................................................................................236

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V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien .............................................................236 1. Körperliche Anwesenheit sowie deren Dauer und Regelmäßigkeit ..........................236 2. Polizeiliche Registrierung bzw. angemeldeter Wohnsitz ........................................238 3. Legalität des Aufenthaltes/Vorliegen einer Arbeitserlaubnis ..................................238 4. Wirtschaftliche Aspekte ......................................................................................239 a) Ort der Arbeitsstelle und berufliche Bindungen...............................................239 b) Vermögenswerte und Gläubiger .....................................................................239 5. Staatsangehörigkeit .............................................................................................239 6. Familiäre und soziale Bindungen .........................................................................241 a) Grundsätzliches ............................................................................................241 b) Sitz der Erben ..............................................................................................241 c) Sprachkenntnisse ..........................................................................................242 d) Soziale Integration von Kindern ....................................................................242 e) Soziale Integration Geschäftsunfähiger ..........................................................242 7. Zwischenfazit .....................................................................................................243 8. Beurteilung besonderer Fallgruppen anhand der sozialen Integration ......................243 a) Parallelgesellschaften ...................................................................................243 b) Wanderarbeiter .............................................................................................244 c) Wochenendpendler .......................................................................................244 d) Langzeitpendler/Transmigranten ....................................................................244 aa) Eindeutiger Daseinsmittelpunkt ................................................................245 bb) Identische Aufenthaltszeiten ....................................................................245 cc) Aufenthalt vs. tatsächliche Bindungen ......................................................246 dd) Transmigration .......................................................................................247 ee) Fazit.......................................................................................................248 VI. Subjektive Kriterien ...........................................................................................249 1. Natürlicher Bleibewille .......................................................................................249 a) Motiv der Aufenthaltsverlagerung..................................................................249 b) Fehlende Aussagekraft der Staatsangehörigkeit ...............................................250 c) Reintegration ...............................................................................................250 2. Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts mit Ankunft im Zuzugsstaat .................250 a) Orientierung an Erwägungsgrund 23 ..............................................................252 b) Orientierung an Erwägungsgrund 25 ..............................................................252 c) Korrektur mittels Art. 21 Abs. 2 EuErbVO? ...................................................253 d) Bewertung ...................................................................................................254 e) Konsequenzen ..............................................................................................259 aa) Subjektive Komponente ...........................................................................259 bb) Objektivierter Integrationsmaßstab...........................................................262 3. Mangelnde Freiwilligkeit des Aufenthalts.............................................................264 a) Rückkehrwille ..............................................................................................264 b) Mangelnde Integrationsbereitschaft ................................................................265 c) (Unterlassene) Rechtswahl als Indiz für Bleibe- oder Rückkehrwillen ..............265 d) Fazit ............................................................................................................267 VII. Subjektive Elemente in Art. 21 Abs. 2 EuErbVO? ..............................................267 1. Rückkehrwille ....................................................................................................267 2. Leben in einer „Enklave“ / Parallelgesellschaft .....................................................269 3. Einschränkung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO in zeitlicher Hinsicht .........................270

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VIII. Bekämpfung von Gesetzesumgehungen?............................................................271 1. Gesetzesumgehungen durch den Erblasser selbst ...................................................271 a) Vortäuschen eines gewöhnlichen Aufenthalts (Simulation) ..............................271 b) Tatsächliche Aufenthaltsverlagerung (Gesetzesumgehung) ..............................273 aa) Mögliche Ausgangskonstellationen...........................................................274 bb) Einordnung der Fraus legis ......................................................................274 (1) Abgrenzung zum Ordre public .............................................................274 (2) Anwendung des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO .............................................276 cc) Fazit.......................................................................................................279 2. Geschäftsunfähige und demente Erblasser – Probleme des „Oma-Exports“ .............279 a) Mögliche Konstellationen .............................................................................279 aa) Konstellation „Oma-Export“ ....................................................................279 (1) Florida ...............................................................................................280 (2) Europäisches Ausland .........................................................................280 (3) Lösungsansätze ..................................................................................281 bb) Umzug mit dem Betreuer / „Heimkehr zur Familie“ ..................................282 (1) Konstellation ......................................................................................282 (2) Lösungsansatz ....................................................................................282 b) Korrekturmöglichkeiten ................................................................................283 3. Schlussfolgerungen .............................................................................................285 IX. Ergebnisse und Ausblick ....................................................................................285 1. Ergebnisse und Thesen ........................................................................................285 2. Ausblick ............................................................................................................287 Literaturverzeichnis ................................................................................................289 Sachregister ...........................................................................................................309

Abkürzungsverzeichnis a.A./A.A. A.C. a.E. ABl. abl. Abs. AEUV AG All ER allg. Alta L. Rev. Am.U.L.R. AmJCompL Anglo-Am. L. Rev. Anh. Ank L Rev Anm. Ann. Surv. Int'l & Comp. L. AO App. Art. AT Aufl. ausdrückl. ausführl. BayObLG BayOblGZ BB Bd. BeckOK BeckEuRS BeckRS Begr. BegrRegE bespr.

andere Ansicht Law Reports, Appeal Cases (Entscheidungssammlung) am Ende Amtsblatt ablehnend Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon vom 13.12.2007 (ABl. EU C 83/47) Amtsgericht All England Law Reports 1936– (Entscheidungssammlung) allgemein Alberta Law Review (Zeitschrift) American University Law Review (Zeitschrift) American Journal for Comparative Law (Zeitschrift) Anglo-American Law Review (Zeitschrift) Anhang Ankara Law Review (Zeitschrift) Anmerkung Annual Survey of International & Comparative Law (Zeitschrift) Abgabenordnung Appeal/Appellate Artikel Allgemeiner Teil Auflage ausdrücklich ausführlich Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen (Entscheidungssammlung) Betriebsberater (Zeitschrift) Band Beck’scher Onlinekommentar von Bamberger, Heinz Georg; Roth, Herbert (Hrsg.) Beck-Rechtssprechung Europa Beck-Rechtssprechung Begründung Begründung Regierungsentwurf besprochen

XXII best. BFH BGB BGB-RGRK BGBl. BGH BGHZ BR-Drucks. brit. Brüssel Ia-VO

Brüssel IIa-VO

Brüssel II-VO

Brüssel I-VO

bspw. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BWNotZ BYBIL bzgl. bzw. c. C.C.S.M ca. Cas. CCBE

Abkürzungsverzeichnis

bestätigt, bestätigend Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes; Kommentar herausgegeben von den Mitgliedern des BGH Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Entscheidungssammlung) Bundesrat Drucksache britisch Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EU 2012 L 351/1) Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. EU 2003 L 338/1) Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl. EG 2000 L 160/19) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2001 L 12/1) beispielsweise Bundestag Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidungssammlung) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Entscheidungssammlung) Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg (Zeitschrift) British Year Book of International Law (Entscheidungssammlung) bezüglich beziehungsweise Chapter Continuing Consolidation of the Statutes of Manitoba circa Cases Council of Bars and Law Societies of Europe

Abkürzungsverzeichnis

Ch Ch D Civ. CLJ CMLR Cod. Com. Commw. L. Bull. Curt. d. d.h. D.L.R. (3d) dass. DB ders. dies. diesbzgl. Dig. DNotI-Report DNotV DNotZ Doc. Dok. Dr. DStR dt. E E.R./ER Ed EdinLR EESC EG EGBGB EGV EuGVÜ EheGVO

Einf. Einl.

XXIII

Law Reports, Chancery Division 1891– (Entscheidungssammlung) Law Reports, Chancery Division 1876–1890 (Entscheidungssammlung) Civil Cambridge Law Journal (Zeitschrift) Common Market Law Review (Zeitschrift) Codex Iustitianus Commission Commonwealth Law Bulletin (Zeitschrift) Curteis' Ecclesiastical Reports 1834–1844 (Entscheidungssammlung) der/des das heißt Dominion Law Reports, Third Series (Entscheidungssammlung) dasselbe Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe dieselbe/dieselben diesbezüglich Digestorum / Digesten Deutsches Notarinstitut-Report (Zeitschrift) Deutscher Notarverein Deutsche Notar-Zeitung (Zeitschrift) Document Dokument Doktor Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) deutsch Entwurf English Reports 1210–1865 (Entscheidungssammlung) Edition Edinburgh Law Review (Zeitschrift) European Economic and Social Committee (Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss) Europäische Gemeinschaft; Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26.2.2001 (ABl. EG 2001 C 80/1) Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (ABl. EG 1972 L 299/32) Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. EU 2003 L 338/1) Einführung Einleitung

XXIV engl. entspr. ENZ ErbVO-E

Erw. EStG EstTrJ ESÜ

etc. EU EuErbVO

EuG EuGH EuGüVO-E

EuGVVO

EuIPR EuLF EurJHealthL EuUnthVO

EuZPR EuZW EWCA Civ EWHC EWiR EWS f. F.L.R

Abkürzungsverzeichnis

englisch entsprechend Europäisches Nachlasszeugnis Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 14.10.2009 (KOM [2009] 154 endgültig) Erwägungsgrund Einkommensteuergesetz Estate and Trust Journal (Zeitschrift) Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20.5.1980 (BGBl. 1990 II 220) et cetera Europäische Union Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. EU 2012 L 201/107) Europäisches Gericht Erster Instanz Europäischer Gerichtshof Vorschlag für eine Verordnung (EU) über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts (KOM 126 endg.) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2001 L 12/1) Europäisches Internationales Privatrecht European Legal Forum (Zeitschrift) European Journal for Health Law (Zeitschrift) Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. EU 2009 L 7/19) Europäisches Zivilprozessrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Court of Appeal (Civil Division) (Entscheidungssammlung) High Court of England and Wales (Entscheidungssammlung) Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgend Family Law Reports 1976–; Family Law Review (Entscheidungssammlung)

Abkürzungsverzeichnis

Fam Fam. Div. FamFR FamRZ FAZ ff. FG FLR Fn. FPR frz. FS FuR Ga. GEDIP ggf. GPR H&C H.L.C Hag Con Hervorh. HKÜ HL hM Hrsg. HTFÜ HUP 2007 HUÜ ICLQ idS insb. insg. IPR IPRax IPRspr. IR ISLR IStR

XXV

Law Reports, Family Division 1972 (Entscheidungssammlung) Family Division Familienrecht und Familienverfahrensrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht, Erbrecht, Verfahrensrecht, Öffentlichem Recht (Zeitschrift) Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgend Finanzgericht Federal Law Report / Family Law Review (Entscheidungssammlung) Fußnote Familie, Partnerschaft, Recht (Zeitschrift) französisch Festschrift Familie und Recht (Zeitschrift) Georgia Reports (Entscheidungssammlung) Groupe européen de droit international privé gegebenenfalls Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht (Zeitschrift) Hurlstone and Coltman's Exchequer Reports 1862–1866 (Entscheidungssammlung) Clark's House of Lords Cases 1847–1866 (Entscheidungssammlung) Haggard's Consistory Reports 1789–1821 (Entscheidungssammlung) Hervorhebung Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (BGBl. 1990 II 207) House of Lords herrschende Meinung Herausgeber Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 (BGBl. 1965 II 1145) Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 (ABl. EU 2009 L 331/19) Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973 (BGBl. 1986 II 837) International and Comparative Law Quarterly (Zeitschrift) in diesem Sinne insbesondere insgesamt Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts (Entscheidungssammlung) Irish Reports Irish Student Law Review (Zeitschrift) Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)

XXVI i.S.v. i.V.m. IZVR J J. Transnat’l L. & Pol’y JA JA jew. Jh. JN JPIL JR Jura JurisPK JuS JZ KG KOM krit. KSÜ

L.Ed. 2d L.J. Ch. L.R. App. Cas L.R. Sc. & Div. L.T. LG Lib. lit. Lit. LJV BW LMK LugÜ LugÜ 2007

m. m.w.N. Mer. Mil. L. Rev. MIRC

Abkürzungsverzeichnis

im Sinne von in Verbindung mit Internationales Zivilverfahrensrecht Judge Journal of Transnational Law & Policy (Zeitschrift) Acting Judge Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) jeweils Jahrhundert Jurisdiktionsnorm Journal of Private International Law (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juris Praxiskommentar BGB von Ludwig, Ingo (Hrsg.) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristen-Zeitung (Zeitschrift) Kammergericht Dokumente Europäische Kommission kritisch Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (BGBl. 2011 II 842) Lawyers' Edition, US Supreme Court Reports, Second Series Law Journal Reports, Chancery New Series (Entscheidungssammlung) Law Reports 1865– (Entscheidungssammlung) Law Reports, Scotch and Divorce Appeals 1866–1875 (Entscheidungssammlung) Law Times Reports 1859–1947 (Entscheidungssammlung) Landgericht Liber litera Literatur Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lugano Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 16.9.1988 (BGBl. 1994 II 2660) Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (ABl. EU 2009 L 147/5) mit mit weiteren Nachweisen Merivale's Chancery Reports 1815–1817 (Entscheidungssammlung) Military Law Review (Zeitschrift) Marshall Island Revised Code

Abkürzungsverzeichnis

Misc.

XXVII

Miscellaneous Reports (New York) 1892– (Entscheidungssammlung) MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern (Zeitschrift) MittRhNotK Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (Zeitschrift) MP Member of Parliament MSA Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (BGBl. 1971 II 219) MüKo Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch von Säcker, Franz Jürgen; Rixecker, Roland (Hrsg.) MüKo-ZPO Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung von Rauscher, Thomas; Wax, Peter; Wenzel, Joachim (Hrsg.) n. Chr. nach Christus N.I.L.R. Netherlands International Law Review (Zeitschrift) N.W. North Western Reporter (Entscheidungssammlung) N.Y.S. New York Supplement 1888–1937 (Entscheidungssammlung) nig. nigerianischer NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-RR NJW-Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) No. Number Nr. Nummer Organisation for Economic Co-operation and Development OECD OGH Oberster Gerichtshof OJLS Oxford Journal of Legal Studies (Zeitschrift) ÖJZ Österreichische Juristenzeitung (Zeitschrift) OLG Oberlandesgericht OLGE Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen p page P. Law Reports, Probate, Divorce and Admiralty Division 1891– (Entscheidungssammlung) Prof. Professor (-in) QB Queen’s Bench RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht – The Rabel Journal of Comparative and International Private Law (Zeitschrift) Rec. des Cours Académie de Droit International, Recueil des Cours (Zeitschrift) Rev. crit. DIP Revue Critique de droit international privé (Zeitschrift) RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Entscheidungssammlung) Riv. dir. int. priv. proc. Rivista di diritto internazionale e processuale RIW Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rn. Randnummer RNotZ Rheinische Notar-Zeitschrift (Zeitschrift) Rom III-VO Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (ABl. EU 2010 L 343/10)

XXVIII Rom II-VO

Rom I-VO

Rs. Rspr. Rz. RzW S. S. S.Ct. S.E. S.J. S.R. (N.S.W) Sec. SGB Slg. SLT sog. Sp.Str. SSI StAnpG Ten. Tw Tz. u.a. U.C. Davis L. Rev. u.U. UKHL UTasLawRw UVR v v. v. Chr. v.a. V.C. Verf. Ves. VG vgl. VO-E Vorb. VR

Abkürzungsverzeichnis

Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. EU 2007 L 199/40) Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. EU 2008 L 177/6) Rechtssache Rechtsprechung Randziffer Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht Satz Seite Supreme Court Reporter, USA 1882– (Entscheidungssammlung) South Eastern Reporter, (USA) 1887–1939 (Entscheidungssammlung) Solicitors' Journal (Zeitschrift) State Reports (New South Wales) 1901–1970 (Entscheidungssammlung) Section Sozialgesetzbuch Sammlung Scots Law Times (Zeitschrift) sogenannte (r) Spiegelstrich (-e) Scottish Statutory Instrument Steueranpassungsgesetz vom 16.10.1934 (RGBl. 1934 I 925) Tenor teilweise Textziffer unter anderem U.C. Davis Law Review (Zeitschrift) unter Umständen United Kingdom House of Lords (Entscheidungssammlung) University of Tasmania Law Review (Zeitschrift) Umsatzsteuer- und Verkehrssteuer-Recht (Zeitschrift) versus vom, von vor Christus vor allem Vice Chancellor Verfasser (-s) Vesey Junior's Chancery Reports 1789–1817 (Entscheidungssammlung) Verwaltungsgericht vergleiche Verordnungsentwurf Vorbemerkung Victorian Reports (Entscheidungssammlung)

Abkürzungsverzeichnis

W. Va. Washburn L.J. Whittier J. Child. & Fam. Advoc. WL WLR/W.L.R. z.B. z.T. ZErb ZEuP ZEV Ziff. zit. ZPO zust. zutr.

XXIX

West Virginia Supreme Court Reports (Entscheidungssammlung) Washburn Law Journal (Zeitschrift) Whittier Journal of Child & Family Advocacy (Zeitschrift) Westlaw Transcipt Weekly Law Reports (Entscheidungssammlung) zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (Zeitschrift) Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (Zeitschrift) Ziffer zitiert Zivilprozessordnung zustimmend zutreffend

§ 1 Einführung und Gedankengang „So sehr Heimat auf Orte bezogen ist, Geburts- und Kindheitsorte, Orte des Glücks, Orte, an denen man lebt, wohnt, arbeitet, Familie und Freunde hat – letztlich hat sie weder einen Ort, noch ist sie einer. Heimat ist Nichtort. Heimat ist Utopie.“ Bernhard Schlink, Heimat als Utopie, S. 32. Im März 2012 fanden die Arbeiten an der Verordnung (EU) Nr. 650/20121 nach rund zehn Jahren wechselhafter Entstehungsgeschichte ihren Abschluss. Die als EuErbVO2 bezeichnete Verordnung enthält Vorschriften zum internationalen Verfahrens- und Privatrecht in Erbsachen sowie zu dem neu geschaffenen Europäischen Nachlasszeugnis (ENZ). Mit einer solchen Verordnung betritt die Europäische Union Neuland auf einem Gebiet, das die Menschen sowohl unmittelbar persönlich als auch finanziell betrifft. Schon die von der EU-Kommission verwendeten und in zahlreichen Aufsätzen zum Thema aufgegriffenen Zahlen sind Beleg für die herausragende praktische Bedeutung der Materie: Nach Schätzungen der EUKommission gibt es jährlich 450.000 Erbfälle mit Auslandsberührung in der EU. Die damit verbundenen Kosten werden auf rund 130 Milliarden Euro geschätzt. 3

1 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. EU 2012 L 201/107); abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Nr. 61. 2 Die Verordnung wird mitunter auch als Rom IV-VO bezeichnet, da sie in die Reihe der Verordnungen zum europäischen internationalen Privatrecht meist an vierter Stelle eingeordnet wird. Dies wird zum Teil aber als missverständlich angesehen, weil die Verordnung neben dem internationalen Privatrecht auch Vorschriften zum Verfahrensrecht und zum Europäischen Nachlasszeugnis enthält und eine Einordnung bei Berücksichtigung des Güterrechts auch an fünfter Stelle erfolgen könnte. In der Literatur scheint sich daher die Abkürzung EuErbVO durchgesetzt zu haben. Näher dazu insb. Mansel/ Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1, 6. 3 KOM SEK(2009) 411 endgültig, S. 4. Weitere statistische Angaben zusammengefasst bei Burandt, FuR 2013, 314.

§ 1 Einführung und Gedankengang

2

Große Veränderungen zur bisherigen Rechtslage in den EUMitgliedsstaaten lassen sich bezüglich des objektiven Anknüpfungsregimes feststellen.4 Für den vermeintlichen Regelfall, dass keine Rechtswahl getroffen wird, stellt die EuErbVO den Anknüpfungspunkt des gewöhnlichen Aufenthalts zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts bereit. Dieses Vorgehen soll insgesamt zu einem Gleichlauf in verfahrens- und kollisionsrechtlicher Hinsicht führen, wodurch der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts zusätzlich an Bedeutung gewinnt. Seine extensive Verwendung anstelle der „bekannten und bewährten“ Staatsangehörigkeit im neuen internationalen Privat- und Verfahrensrecht in Erbsachen kann für zahlreiche europäische Mitgliedstaaten durchaus als „Revolution“ bezeichnet werden.5 Das Konzept des gewöhnlichen Aufenthalts ist dem internationalen Privatrecht jedoch nicht neu und verdankt seinen heutigen Stellenwert insbesondere den Haager Konventionen, die ihn seit rund 100 Jahren zunehmend nutzen. Auf europäischer Ebene wird der Begriff bereits in mehreren Verordnungen 6 als Anknüpfungspunkt eingesetzt und insofern ein feststellbarer „Trend“ fortgesetzt.7 Anders als in den bisherigen Verwendungszusammenhängen (vor allem im internationalen Familienrecht) muss die Auslegung des Begriffs nun an die spezifisch erbrechtliche Perspektive der EuErbVO angepasst werden. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Ausformung und Präzisierung des gewöhnlichen Aufenthalts als Anknüpfungspunkt eines künftigen gesamteuropäischen internationalen Erb- und Erbverfahrensrechts leisten. Dies versucht sie durch eine breit angelegte Gegenüberstellung des bisherigen Verständnisses des gewöhnlichen Aufenthalts in den bestehenden europäischen Verordnungen mit dem Konzept des domicile als Anknüpfungspunkt des common law-Systems. Der angelsächsische Rechtskreis verwendet in seinem internationalen Erbrecht nämlich nach wie vor den Anknüpfungspunkt des domicile zur Bestimmung des auf einen Erbfall anzuwendenden Rechts und lehnt den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Kontext ab. In einer ausführlichen Stellungnahme machte 4

Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht zur bisherigen Anknüpfung des Erbstatuts bei Bonefeld/Wachter/Süß, § 26, Rn. 129. 5 So Lagarde, Rev. crit. DIP 2012, 691 für das frz. Recht, vgl. auch Reichelt/Rechberger/Geimer, S. 24. Geimer spricht von der „Opferung“ des Staatsangehörigkeitsprinzips, vgl. Geimer, Die europäische Erbrechtsverordnung im Überblick, 9, 26. 6 Bspw. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 („Rom I“), Verordnung (EG) Nr. 864/2007 („Rom II“), im Bereich der internationalen Zuständigkeit Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 („Brüssel IIa“). 7 U.a. Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 563; Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 111. Nach Weller, S. 293, 296 hat der gewöhnliche Aufenthalt „eine steile Karriere gemacht“.

§ 1 Einführung und Gedankengang

3

das House of Lords bereits im März 2009 deutlich, dass sich Großbritannien nicht mehr weiter (direkt) an der Entwicklung der EuErbVO beteiligen werde.8 Einer der Hauptgründe hierfür war die fehlende Bereitschaft, den Anknüpfungspunkt des domicile durch den des gewöhnlichen Aufenthalts zu ersetzen.9 Diese Gegenüberstellung erscheint lohnenswert, weil die Anknüpfung des domicile in der kollisionsrechtlichen Beurteilung von Erbfällen seit langem „erprobt“ ist und der gewöhnliche Aufenthalt im Verlauf seiner kontextspezifischen Weiterentwicklung womöglich von diesen Erfahrungen profitieren kann. Dabei erhebt die vorliegende Arbeit keineswegs den Anspruch, die beiden Konzepte erschöpfend darzustellen. Im Vordergrund steht vielmehr der Versuch, die wesentlichen Grundsätze und Erwägungen zu den beiden Begriffen hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit für die EuErbVO zu untersuchen. Im Anschluss daran sollen die Grundzüge der Aufenthaltsanknüpfung nach der EuErbVO erschlossen und ein praxisgerechtes, subsumtionsfähiges Begriffsverständnis herausgearbeitet werden.

8 Mit dem erforderlichen opt in ist auch nachträglich nicht mehr zu rechnen. Vgl. Wagner, NJW 2012, 1333, 1334. 9 House of Lords, European Union Committee, 6 th Report of Session 2009–2010, S. 5, S. 12, Abs. 26. Großbritannien und Irland konnten auch während der Verhandlungen im Europäischen Parlament und auf Ratsebene nicht zu einer Annahme der Erbrechtsverordnung bewogen werden.

§ 2 Das Konzept des domicile „The fact that you were born in the UK, have lived here for most of your life or are now living here permanently gives a good indication that you might be domiciled in the UK, but this is a complicated legal issue and you might want to get professional advice if you are unsure about your domicile status.” HM Revenue & Customs, Leitfaden „Residence, Domicile and the Remittance Basis”, S. 12. Dieser Rat der englischen Steuerbehörde bringt die praktischen Probleme des domicile im englischen Recht auf den Punkt. Beim domicile handelt es sich um eine Rechtsfigur mit einer über 2000 Jahre langen, wechselvollen Geschichte, die im römischen Recht beginnt. Als moderner Anknüpfungspunkt sollte das domicile gewährleisten, dass das sachnächste Recht auch von juristischen Laien mit verhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden kann.1 Dass die Realität diesem Anspruch kaum gerecht wird, zeigt nicht nur das folgende Kapitel, sondern auch ein vier Seiten großes Schaubild, das in dem zitierten Leitfaden aufgeführt wird.2 Bei der „Eigenermittlung“ seines domicile anhand des Schaubilds wird der Bürger meist folgendes Ergebnis erzielen: „You are probably domiciled in the UK“. Eine sichere Bestimmung des eigenen domicile wird jedoch sehr häufig an den historisch gewachsenen und im Laufe der Zeit nur wenig reformierten Tatbestandsmerkmalen scheitern. Ausgehend von der Rezeption römischen Rechts durch die kontinentaleuropäischen Juristenschulen in der frühen Neuzeit wurde das domicile vor allem im 19. Jh. durch die britische Rechtsprechung zu einem eigenständigen Konzept des common law weiterentwickelt. Aufgrund des britischen Expansionsstrebens hielt es als Teil des common law auch in den Kolonien Einzug, insbesondere im jetzigen Commonwealth. Erst im 20. Jh. erfolgten gewisse Reformen durch einzelne und nicht abschließende Acts der Gesetzgeber dieser Commonwealth-Länder. Wie der Umgang mit dem domi1

Vgl. Briggs, S. 29: „rational connection“. HM Revenue & Customs, Leitfaden „Residence, domicile and the remittance basis”, S. 1–9. Zum umstrittenen Vorgänger des Leitfadens (IR20) vgl. R. (on the application of Davies) v Revenue and Customs Commissioners, [2011] 1 W.L.R. 2625. 2

§ 2 Das Konzept des domicile

6

cile dort zeigt, ist die Entwicklung des Konzepts keineswegs beendet und weiterhin im Fluss. Nach Jahrzehnten der Weiter- und Auseinanderentwicklung in den Commonwealth-Ländern kann heutzutage keineswegs mehr von einer weltweit einheitlichen Rechtsfigur des domicile gesprochen werden.3 So unterschiedlich diese Rechtsordnungen auch mit den einzelnen Komponenten des Konzepts umgehen, die römischen Wurzeln des domicile sind ihnen allen unverkennbar eigen und spielen nach wie vor eine wichtige Rolle für das Verständnis der Grundlagen. Dass diese Wurzeln darüber hinaus noch Relevanz für die konkrete Fallentscheidung haben können, zeigt nicht nur die Entscheidung des House of Lords im Fall Mark v Mark von 2005 eindrucksvoll. 4 Zunächst werden daher die wichtigsten Grundlagen des römischen domicilium in gebotener Kürze dargestellt. Dem folgt ein knapper Überblick über die Rezeption des Begriffs und die Entwicklung zum Konzept des common law. Im Anschluss werden die wesentlichen Elemente des Konzepts des domicile untersucht. Dabei werden insbesondere die wesentlichen Kritikpunkte am domicile sowie die unterschiedlichen Lösungsansätze in den common law-Staaten herausgearbeitet.

I. Die Historie des domicile 1. Das römische domicilium Der Begriff „domicile“ stammt vom römischen „domicilium“ (Wohnsitz) ab. Domicilium selbst setzt sich aus den zwei Teilen „domum“ und „colere“ zusammen, was sich mit „ein Haus bewohnen“ übersetzen lässt. 5 Zentrale Rechtsquelle zum römischen domicilium ist der unter Justinian geschaffene Corpus Iuris Civilis. 6 a) Origo und domicilium An die origo und das domicilium wurde nach römischem Verständnis die Zugehörigkeit zu einer Stadtgemeinde geknüpft.7 3 Nicht nur Stone geht heute zu Recht davon aus, dass das englische Verständnis des Konzepts domicile „fundamental“ von den Begriffsverständnissen in sämtlichen anderen Staaten abweicht, Stone, S. 12. 4 Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C. 5 Vgl. Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555. 6 Text der Digesten bei Mommsen/Krüger (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, Band I. Text des Codex Iustinianus bei Mommsen/Krüger (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, Band II. 7 Vgl. Savigny, S. 59, 61.

I. Die Historie des domicile

7

Die Hauptfunktion der beiden Begriffe war damit administrativer bzw. verwaltungsrechtlicher Natur.8 Das domicilium war kein Anknüpfungspunkt im kollisionsrechtlichen Verständnis. Das römische Recht kannte ohnehin kein „Kollisionsrecht im modernen Sinn“.9 Kollisionsrechtliche Probleme in Fällen mit Bezug zu Fremden (peregrini) löste das römische Recht mit Hilfe eines Einheitsprivatrechts, dem ius gentium, das sich aus allgemeingültigen Rechtsgrundsätzen zusammensetzte.10 Nur wer römischer Bürger war (civis romanus), konnte am politischen und privaten Rechtsleben der Stadt teilnehmen. 11 Nur für ihn galt das ius civilis.12 Nur er erhielt den status civitatis. Der Fremde (peregrinus) hingegen war ursprünglich von der Teilhabe am Rechtsverkehr ausgeschlossen.13 Als komplett rechtlos wurde er aber nur betrachtet, wenn er aus einem verfeindeten Land stammte, mit dem Rom Krieg führte.14 Als sich das römische Reich weiter ausbreitete, wurden mit der Zeit auch immer deutlichere Abstufungen der Rechtsbeziehungen zu Nichtrömern geschaffen, die sich dem status civitatis annäherten. 15 Zentral war dabei die Zuordnung zu einer Stadtgemeinde. Jede Person wurde zumindest im Grundsatz nach dem Recht der Bürgerschaft (civitas), der sie angehörte, beurteilt (Personalitätsprinzip).16 Mit der Zugehörigkeit zu einer Stadtgemeinde waren vor allem Lasten und Verpflichtungen, die munera, verbunden. Des Weiteren waren die Angehörigen einer Stadtgemeinde deren Gerichtsbarkeit unterworfen.17 Als 8

Vgl. Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 556. Kunkel/Schermaier, S. 280. Allenfalls kann man von Ansätzen eines interpersonalen Rechts ausgehen. Vgl. v. Bar/Mankowski, § 2 Rn. 2. und Gutzwiller, S. 1 m.w.N. 10 Kunkel/Schermaier, S. 278. Bei v. Bar/Mankowski, § 2 Rn. 2 heißt es dazu recht anschaulich: „Die Römer sahen ihr Recht an als eine Art ,Eigentum‘, das ihnen kraft ihrer Eigenschaft als römischer Bürger gehörte […] Mit dieser Einstellung zum eigenen Rechtsgrund konnten von vornherein zahlreiche Probleme, die das moderne internationale Privatrecht zu lösen bestimmt ist, gar nicht erst auftreten.“ 11 Kaser, Das Römische Privatrecht, S. 214; Hausmaninger/Selb, S. 74. 12 Honsell, S. 20. 13 Hausmaninger/Selb, S. 74. 14 Hausmaninger/Selb, S. 74. 15 Vgl. dazu Waldstein/Rainer, S. 104 Rn. 8 ff. sowie Hausmanninger/Selb, S. 74. Nach dem Bundesgenossenkrieg 90–88 v.Chr. wurde das Bürgerrecht auf ganz Italien ausgeweitet. Später kam es zu Massenverleihungen des römischen Bürgerrechts an ehemals autonome Städte, zum Teil wurde es an verdiente (einzelne) Bürger verliehen. Mit dem Edikt „constitutio Antoniniana“ aus dem Jahre 212 verlieh Kaiser Severus Antoninus (Caracalla) schließlich allen Untertanen das römische Bürgerrecht. Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht, S. 214 ff. sowie 218 f. Damit verlor auch die Unterscheidung zwischen ius civile und ius gentium an Bedeutung, v. Hoffmann/Thorn, § 2 Rn.6. 16 Kaser, Das Römische Privatrecht, S. 214. 17 Haenel, S. 115 f.; Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 556. 9

§ 2 Das Konzept des domicile

8

Privilegien der Zugehörigkeit standen dem das aktive und passive Wahlrecht sowie die Benutzung öffentlicher Einrichtungen, beispielsweise von Bädern, gegenüber.18 Vom 2./3. Jh. n.Chr. an war fast das gesamte Römische Reich in Gebiete (territoria) von Stadtgemeinden (civitates oder republicae) untergliedert.19 Damit folgte man der bestehenden Aufteilung Italiens. Neben der Stadt Rom und deren Sondergebieten bestand Italien seit dem Ende der Republik aus den Gebieten einer großen Anzahl von Stadtgemeinden. Alle Einwohner Italiens waren somit entweder Angehörige Roms oder einer Stadtgemeinde.20 Jede dieser Stadtgemeinden wiederum „hatte eine mehr oder weniger selbstständige Verfassung, mit eigenen Obrigkeiten, mit Gerichtsbarkeit, und selbst mit besonderer Gesetzgebung.“21 Angehöriger einer solchen Stadtgemeinde konnte man auf zwei voneinander unabhängige Arten sein bzw. werden: durch das Bürgerrecht der Gemeinde (origo) oder durch Wohnsitz in dem Stadtgebiet (domicilium). Ursprünglich war die origo von größerer Bedeutung; nachdem die Bewohner des gesamten Römischen Reiches das Bürgerrecht verliehen bekommen hatten,22 verlor die origo jedoch mehr und mehr an Bedeutung, bis das domicilium schließlich auf gleicher Ebene stand.23 b) Origo Die origo war in ihrem Ursprung das „erbliche Recht“, Römer zu sein. Das Bürgerrecht konnte durch Geburt, Adoption, Freilassung (manumissio)24 und Aufnahme (allectio)25 erworben werden und war unabhängig von dem Willen der Person.26 Der Inhaber des Bürgerrechts wurde als „municeps“ bzw. „cives“ bezeichnet.27

18

Haenel, S. 114 f. Vgl. dazu Waldstein/Rainer, S. 104 Rn. 8 ff. sowie Hausmanninger/Selb, S. 74 und Savigny, S. 45. 20 Savigny, S. 45. 21 Savigny, S. 44. 22 Vgl. nochmals: Kaser, Das Römische Privatrecht, S. 214 ff. sowie 218 f. zum Edikt „constitutio Antoniniana“ aus dem Jahre 212. 23 Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555 ff. 24 Ein freigelassener Sklave erwarb das Bürgerrecht in der Vaterstadt seines Patrons, Dig. 50.1.6.3, Savigny, S. 48. 25 Unter der allectio verstand man die freiwillige Gewährung des Bürgerrechts durch die Gemeinde; vgl. Savigny, S. 48. 26 Dig. 50.1.1 und 50.1.6. sowie Cod. 10.39.7. Vgl. Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, Savigny, S. 46. 27 Dig. 50.1.1.1 und Savigny, S. 52, 55. 19

I. Die Historie des domicile

9

Ein eheliches Kind erhielt die origo der Gemeinde, wenn der Vater selbst Inhaber des Bürgerrechts war.28 Ein nichteheliches Kind erhielt seine origo in Anlehnung an die der Mutter.29 Das Bürgerrecht konnte nicht durch den einseitigen Willen einer Person aufgehoben werden. 30 Selbst durch die Heirat mit einem Angehörigen einer anderen Stadtgemeinde erlosch das Bürgerrecht der Ehefrau nicht.31 Die mit dem Bürgerrecht verbundenen Lasten ruhten jedoch während der Dauer einer wirksamen Ehe.32 Das einmal erworbene Bürgerrecht wurde auch nicht durch einen späteren Erwerb des Bürgerrechts einer anderen Gemeinde verdrängt. Dadurch war die parallele Inhaberschaft des Bürgerrechts mehrerer Städte möglich.33 Die origo konnte ausschließlich durch die Stadtgemeinde aufgehoben werden, indem sie einen Bürger aus seinem Bürgerrecht entließ. So war auch der umgekehrte Fall, dass in keiner Stadt ein Bürgerrecht bestand, möglich.34 c) Domicilium Die zweite Möglichkeit, Angehöriger einer Gemeinde zu werden, war, dort einen Wohnsitz (domicilium) einzunehmen. Erwarb man auf diese Weise die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde, wurde man als incola bezeichnet.35 Die Rechtspraxis handhabte den Begriff des domicilium untechnisch und pragmatisch. 36 Hintergrund der Betrachtung war stets die effektive Zuordnung eines Bürgers zu einer Stadtgemeinde, um ihn der Steuerpflichtigkeit unterwerfen und ihm einen Gerichtsstand zuweisen zu können.37 aa) Tatbestandsmerkmale und Grundregeln Zwei Voraussetzungen mussten vorliegen, um ein domicilium in einer Gemeinde bejahen zu können: die Person musste sich erstens in der Stadt-

28

Dig. 50.1.1.2 und 50.1.6.1. Vgl. Savigny, S. 47. Dig. 50.1.9. Vgl. schon Dig 50.1.1.2 sowie Savigny, S. 47. 30 Dig. 50.1.6 und Savigny, S. 49. 31 Dig. 50.1.37.2 und 38.3. Vgl. Savigny, S. 49. 32 Dig. 50.1.37.1 und 2. Vgl. Savigny, S. 49. 33 Savigny, S. 50. 34 Als mögliche Konstellationen dafür nennt Savigny, S. 50: 1. Aufnahme eines Fremden in das Reich ohne gleichzeitige Verleihung eines Bürgerrechts, 2. Entlassung des Bürgers aus dem Bürgerrecht einer Stadtgemeinde ohne Aufnahme in eine neue, 3. Freigelassene der untersten Klasse ohne Bürgerrecht. 35 Dazu Haenel, S. 114 f. 36 So Beale, S. 124. 37 Vgl. Beale, S. 124. 29

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gemeinde aufhalten und zweitens die Absicht besitzen, sich dort auch dauerhaft aufzuhalten. 38 Die Tatbestandsmerkmale wurden an anderer Stelle prägnant in folgender Formel zusammengefasst:39 „Et in eodem loco singulos habere domicilium non ambigitur, ubi quis larem rerumque ac fortunarum suarum summam constituit, unde rursus non sit discessurus, si nihil avocet, unde cum profectus est, peregrinari videtur, quo si rediit, peregrinari iam destitit.“40 Folgende „Grundregeln“ waren zu beachten: Der dauerhafte Aufenthalt allein reichte nicht aus, um ein domicilium zu begründen. Es war zusätzlich eine gewisse Verbundenheit zu dem Ort des tatsächlichen Aufenthalts notwendig. Grundbesitz in einem Stadtgebiet alleine begründete ebenfalls noch kein domicilium.41 Dementsprechend war auch der Wille, dauerhaft in einer Stadt zu leben, für sich genommen nicht ausreichend.42 Wie die origo konnte das domicilium gleichzeitig in mehreren Städten vorhanden sein. Dies war dann möglich, wenn jemand mehrere Orte als identische Hauptpunkte seiner Verhältnisse und Geschäfte behandelte und seinen wirklichen Aufenthalt auf sie verteilte.43 Auch der umgekehrte Fall war möglich, nämlich dass jemand über kein domicilium verfügte.44 bb) Sonderfälle Ausgehend von diesem Verständnis wurden einige „Sonderregeln“ für bestimmte Fallgruppen aufgestellt: Soldaten und Beamten wurde ein „notwendiges domicilium“ zugewiesen. 45 Das domicilium der Ehefrau war hingegen abhängig vom Wohnsitz des Ehemannes.46 Dieser Wohnsitz blieb 38

Dig. 50.1.20. Vgl. Savigny, S. 60 sowie Haenel, S. 115. Cod. 10.39.7. Auch Story zitiert diese Stelle in seinem grundlegenden Werk von 1834, Commentaries on the Conflict of Laws, S. 40. 40 Ein Mensch soll sein domicilium also dort haben, wo er mit seiner Familie lebt und seine Geschäfte tätigt. An jedem anderen Ort, zu dem er (bspw. aus geschäftlichen Gründen) reisen muss, fühlt er sich als Fremder. Nur am Orte seines domicilium fühlt er sich zuhause. 41 Dig. 50.1.17.13 sowie Savigny, S. 60 f. 42 Dig. 50.1.20 sowie Haenel, S. 115. 43 Dig. 50.1.5f. und. 50.1.27.2. Diese Regel war nicht unumstritten – so wird hier auf die ablehnende Mindermeinung Bezug genommen. Nach Savigny, S. 63 f. wurde sie jedoch anerkannt, wenngleich sie wohl äußerst selten angewendet werden musste. 44 Savigny, S. 64 f. und Haenel, S. 115. nennen folgende Konstellationen: 1. den Zeitraum zwischen der Aufgabe eines alten domicilium und der Begründung eines neuen; 2. den Fall des Berufsreisenden, der keinen „Heimatort“ hat, zu dem er regelmäßig zurückkehrt; 3. Landstreicher bzw. Vagabunden. 45 Vgl. zum Begriff des notwendigen domicilium auch Haenel, S. 115. Für Soldaten entsprach dieses in der Regel dem Stationierungsort. 46 Dig. 50.1.38.2 sowie Haenel, S. 115. 39

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im Falle des Vorversterbens des Mannes erhalten, bis die Frau erneut heiratete oder einen neuen Wohnsitz wählte.47 Eheliche Kinder hatten von Geburt an den Wohnsitz des Vaters inne, konnten aber später einen Wohnsitz frei wählen.48 Nichtehelichen Kindern wurde der Wohnsitz der Mutter zugewiesen.49 2. Die Wiederentdeckung des domicilium in Europa a) Bedeutungsverlust im frühen Mittelalter Das römische Recht verlor nach dem Untergang des Weströmischen Reiches stark an Bedeutung und wurde zunehmend durch Stammesrecht ersetzt.50 Es kam zu einem Nebeneinander von Rechtsordnungen, da die neuen Herrscher die Fortgeltung des römischen Rechts nur für „Römer“, nicht aber für sich und die mit ihnen eingewanderten Volksstämme akzeptierten.51 Hierdurch gewann das Personalitätsprinzip wieder an Bedeutung, da jeder Mensch in Rechtssachen nach dem Recht seines Stammes beurteilt wurde, seiner „lex originis“.52 Im Laufe der Zeit vermischten sich die Völker so stark, dass eine strikte Durchsetzung des Personalitätsprinzips nicht mehr möglich war. Es wurde nun verstärkt das Prinzip der Territorialität des Rechts 53 angewandt, nach dem Personen nur dann der Rechtsprechung und dem örtlichen Recht eines Gebietes unterfielen, wenn sie sich dort mindestens ein Jahr und einen Tag aufhielten. 54 Diese feudalistisch geprägte Denkweise führte zu einer Abschottung der einzelnen Länder und zu einer Aufhebung der Freizügigkeit.55 b) Die Statutenlehre und das domicilium Als Anfang des 13. Jh. die moderne Entwicklung des internationalen Privatrechts durch die Wiederentdeckung des Corpus Iuris Civilis in Bologna eingeleitet wurde, fanden die Begriffe domicilium und origo zunehmend wieder Beachtung.56 Ihre erneute Bedeutung verdankten die beiden Begriffe insbesondere der von den Postglossatoren ins Leben gerufenen Statuten47

Dig. 50.1.22.1, Savigny, S. 62. Dig. 50.1.4, Savigny, S. 62. 49 Savigny, S. 62. 50 v. Hoffmann/Thorn, § 2 Rn.7. 51 v. Hoffmann/Thorn, § 2 Rn.7; Rauscher, IPR, § 1 Rn. 22. 52 Rauscher, IPR, § 1 Rn. 22; v. Hoffmann/Thorn, § 2 Rn. 7. 53 Meist auch als Territorialitätsprinzip bezeichnet. 54 Rauscher, IPR, § 1 Rn. 24; v. Hoffmann/Thorn, § 2 Rn. 8. 55 v. Bar/Mankowski, § 6 Rn. 7. 56 Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 557. 48

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lehre und deren Dreiteilung in die Normenkategorien statuta personalia, realia und mixta.57 In Norditalien existierte eine große Anzahl wirtschaftlich aktiver Stadtstaaten mit unterschiedlichsten (schriftlich fixierten) Rechtsordnungen, die sich sowohl aus dem ihnen gemeinen römischen Recht als auch aus lokalen örtlichen Gewohnheiten (statuta) zusammensetzten.58 Mit der wachsenden Verflechtung der Stadtstaaten musste das vorherrschende Territorialitätsprinzip zwangsläufig an seine Grenzen stoßen: Wegen des regen Handels war es kaum praxisgerecht, nur die eigenen Untertanen der eigenen Gerichtsbarkeit und der eigenen Rechtsordnung zu unterwerfen.59 Die Schule der Postglossatoren untersuchte die Frage, welche statuta eines bestimmten Staates geeignet waren, auch auf eine Person Anwendung zu finden, die nicht Untertan dieses Staates war.60 Die Kategorie der statuta personalia umfasste zum einen das Personenrecht, insbesondere Normen zur Handlungs- und Rechtsfähigkeit, und zum anderen die Bereiche des Mobiliarsachenrechts, die sich auf die Person des Besitzers bezogen. 61 Statuta personalia sollten dabei stets der lex originis der betroffenen Person entnommen werden, d.h. der Bürger sollte bzgl. dieses Rechtsbereiches immer nach seiner Heimatrechtsordnung beurteilt werden. Anders als im römischen Recht, in dem origo und domicilium für administrative Zwecke zur Zuordnung des Bürgers zu einer Gemeinde innerhalb des Reiches benutzt wurden, wurden die Begriffe62 nun verwendet, um ihn einer Stadtgemeinde Norditaliens mit eigenständigen Bräuchen und Statuten zuzuweisen.63 Über die folgenden Jahrhunderte hinweg wurde das System der Statutenlehre weiter ausdifferenziert, wobei sich abhängig von geographischen und kulturellen Gegebenheiten unterschiedliche Schulen ausbildeten. Die Wiedereinführung des domicilium als maßgebliches Kriterium für die statuta personalia anstelle der origo wird maßgeblich den französischen Juristen (vor allem Dumoulin und D‘Argentre) im 16. Jh. zugeschrieben.64 An57

Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 557, vgl. auch v. Hoffmann/Thorn, § 2 Rn. 11. v. Bar/Mankowski, § 6 Rn. 7. 59 v. Bar/Mankowski, § 6 Rn. 7. 60 Rauscher, IPR, § 1 Rn. 25. 61 Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 559; Rauscher, IPR, § 1 Rn. 24: Die Kategorie der statuta realia, also Normen bezüglich Immobilien, fand nach dem Territorialitätsprinzip weiterhin Anwendung. Die Reichweite der statuta mixta, insbesondere Normen zum Abschluss von Verträgen und bzgl. Delikten, richtete sich grundsätzlich nach der Reichweite der Norm des Handlungsortes. 62 Wichtig war in diesem Zusammenhang vor allem die origo. 63 Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 559: Zumindest was die Pflichten des Bürgerrechts betrifft, findet sich aber bei Baldus ein Bezug zum domicilium. 64 Vgl. Rauscher, IPR, § 1 Rn. 28; v. Bar/Mankowski, § 6 Rn. 22; v. Hoffmann/Thorn, § 2 Rn. 16 und Gutzwiller, S. 74 f. 58

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ders als das nur wenig feudalistisch geprägte Norditalien umfasste Frankreich keine Vielzahl von Stadtstaaten, sondern lediglich einige wenige Regionen mit eigenen Rechtsordnungen, die insbesondere im Norden maßgeblich aus dem örtlichen Gewohnheitsrecht bestanden.65 Diese Regionen waren sehr feudalistisch und territorial geprägt und richteten die Anwendbarkeit ihres Rechts am Lehenssystem aus.66 Zwar wurde die Dreiteilung bezüglich der Statuten beibehalten, die „Anknüpfungskriterien“ für die einzelnen Normgruppen wurden jedoch bald den französischen Gegebenheiten angepasst. Die origo konnte hier keine effektive Zuordnung zu einer Einzelrechtsordnung liefern, da dem feudalistischen Verständnis eine „Zugehörigkeit“ zu einer Rechtsordnung durch Geburt fremd war. Entscheidend war hier stets die Territorialität des Rechts: Wer auf dem Land des Lehensherren lebte, musste sich ihm und seinem Recht unterwerfen.67 So kam es zunehmend zur Verdrängung der origo durch das Anknüpfungskriterium des domicilium. Zunehmend unterschied man nun zwischen dem (bisher schon bekannten) domicilium (habitationis) und dem domicilium originis.68 Der nicht mit der origo gleichzusetzende Begriffl des domicilium originis war nötig, um eine Rückgriffsmöglichkeit zu haben, wenn ein domicilium nicht bestand.69 Das domicilium originis war gedanklich der origo entlehnt, da auf das domicilium des Vaters zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes abgestellt wurde, wie dies im römischen Recht bzgl. der origo praktiziert worden war.70 Der Verwendung des domicilium als Anknüpfungskriterium schlossen sich die holländischen Juristen des 17. und 18. Jh. an, die später auch maßgeblich das englische Rechtsdenken beeinflussen sollten.71 Auch wenn die Reichweite der Anknüpfung an das domicilium in der Folgezeit zum Teil sehr unterschiedlich aufgefasst wurde, lässt sich festhalten, dass das domi65

Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 559. Näher zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten des droit coutumier Nordfrankreichs und des droit écrit Südfrankreichs: Zweigert/Kötz, S. 74 ff. 66 Vgl. dazu v. Bar/Mankowski, § 6 Rn. 6. 67 Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 561. Vgl. auch Story, S. 49. 68 Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 560. 69 Vgl. dazu Savigny, S. 102 f.; Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 560. Der Begriff des domicilium originis darf aber nicht mit der origo verwechselt werden: Wie oben bereits dargestellt, kannte das römische Recht auch ein domicilium des Kindes in Anlehnung an den Vater. Dieses domicilium konnte das Kind anders als seine origo durch die Begründung eines neuen domicilium vollständig abstreifen. 70 Savigny empfindet die Verbindung der zwei Konzepte nach römischem Sprachgebrauch als „widersinnig, da diese Ausdrücke zwei verschiedenartige Gründe der Angehörigkeit bezeichneten“, S. 105 f. 71 Vgl. Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 561 f. Zu den Lehren des einflussreichsten holländischen Juristen dieser Zeit, Ulrich Huber, vgl. Gutzwiller, S. 155 ff.

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cilium zumindest für Fragen bezüglich des Familienstandes gegen Ende des 18. Jh. in Kontinentaleuropa allgemein anerkannt war.72 c) Der Übergang zur Staatsangehörigkeit in Kontinentaleuropa Zunehmend sollte aber die Staatsangehörigkeit das domicilium verdrängen, welches Anfang des 19. Jh. in Europa weitflächig als Anknüpfungspunkt für das Personalstatut verwendet wurde.73 An der Wende zum 19. Jh. setzte eine Kodifikationswelle ein. 74 Bis dahin hatte unter Berücksichtigung verschiedener nationaler Schulen ein gemeinsames europäisches Recht ausgehend vom römischen Recht bestanden.75 Die nun erfolgende Nationalisierung des internationalen Privatrechts76 ging mit der Überwindung der Statutenlehre durch Friedrich Carl v. Savigny und Georg v. Wächter einher.77 Zentrale Bedeutung unter den Kodifikationen hatte dabei der französische Code civil. Erstmals verwendete er die Staatsangehörigkeit als zentrales Anknüpfungskriterium im Personenrecht und bestimmte in Art. 3 Abs. 1: „Les lois concernant l'état et la capacité des personnes régissent les Français, même résidant en pays étranger.”78 Der „Siegeszug“79 der Staatsangehörigkeit sollte sich in den nächsten Jahrzehnten im gesamten Kontinentaleuropa fortsetzen.80 Angetrieben wurde die Verwendung der Staatsangehörigkeit von den nationalistischen Strömungen der Zeit, bspw. dem aufkeimenden Nationalbewusstsein in den deutschen Ländern und Italien. Die von Mancini herausgearbeiteten Thesen zum Nationalitätsprinzip sollten dabei starken Einfluss auf die Entwicklung des internationalen Privatrechts haben.81 72

Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 562. Uneinigkeit herrschte hingegen darüber, ob auch Fragen bzgl. der Geschäftsfähigkeit als Teil der statuta personalia nach dem domicilium beurteilt werden sollten. 73 McClean/Abou-Nigm, S. 45, 2–043. 74 Von Bedeutung waren dabei insbesondere das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794, der französische Code civil von 1804 sowie das österreichische ABGB von 1811. 75 Kropholler, IPR, § 2 III, S. 14. Vgl. nochmals zum Verständnis Savignys von Wohnsitz bzw. domicilium: Kegel, RabelsZ (52) 1988, S. 434 ff. 76 Zu „flächendeckenden” Kodifikationen des nationalen IPR in den Ländern Europas sollte es jedoch erst wesentlich später kommen. 77 v. Bar/Mankowski, § 6 Rn. 49 ff. 78 Die Gesetze, welche den Status und die Rechtsfähigkeit von Personen betreffen, verbinden die Franzosen, selbst wenn sie sich in fremden Ländern aufhalten. 79 Dieser Ausdruck findet sich auch bei v. Bar/Mankowski, § 6 Rn. 63, sowie Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, S. 28, Rn. 30. 80 Vgl. dazu näher Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, § 2. 81 Vgl. zu den Ansätzen Mancinis insg. Jayme, JuS 1988, 933 ff.; ders., Internationales Privatrecht und Völkerrecht, 9 ff.; Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, S. 15 ff., Rn. 15 ff.

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Daneben mag ein weiterer Aspekt für die wachsende Bedeutung der Staatsangehörigkeit gesprochen haben: Die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen standen im 19. Jh. unter dem Eindruck großer Auswanderungswellen, vor allem in die USA.82 Das strenge Kriterium der Staatsangehörigkeit ermöglichte es, den Untertanen (auch in dessen Abwesenheit) als zur eigenen Rechtsordnung gehörig zu behandeln, was den Gerichten die Rechtsfindung mittels der lex fori erleichterte.83 Völlig bedeutungslos wurde das Konzept des domicilium in der Folgezeit aber nie: Im deutschen Recht wirkt es in den Regelungen der §§ 7 ff. BGB zum Wohnsitz bis heute fort. d) Die Entwicklung im englischen Recht Diese Entwicklungsgeschichte Kontinentaleuropas weicht von der Großbritanniens deutlich ab. Während intra- und internationale Sachverhalte aufgrund der verschiedenen Rechtsordnungen in Kontinentaleuropa unvermeidbar waren und damit auch der rechtlichen Durchdringung bedurften, entwickelte sich in England bzw. Großbritannien erst im 18. Jh. ein Bewusstsein für internationalprivatrechtliche Probleme.84 Großbritannien war feudalistisch geprägt und somit nicht nur durch seine Insellage in seiner Rechtsanwendung isoliert.85 Das common law hatte sich über Jahrhunderte hinweg weitgehend eigenständig und unabhängig von Kontinentaleuropa entwickelt.86 Römisches Recht spielte nur als kanonisches Recht und in Handelssachen eine (unmittelbare) Rolle.87 Zudem verhinderte die zentrale Rolle der Jury im Gerichtssystem lange Zeit die Behandlung von Fällen mit Auslandsbezug vor den ordentlichen Gerichten.88 Der zuständige Sheriff konnte eine Jury nur aus der Nachbarschaft des Beklagten einberufen, da diese ausschließlich aufgrund der faktischen Gegebenheiten der Örtlichkeit entscheiden durfte.89 Internationale Sachverhalte, allen voran Handelssachen mit ausländischen Händlern, wurden von Sondergerichten 90

82 Stone spricht von Europa als einem „Kontinent der Auswanderung“, Stone, S. 12. In der Zeit von 1820 bis 1920 wanderten rund 5,5 Millionen Bewohner des Deutschen Reiches in die USA aus. Die Deutschen stellten damit die größte Gruppe von Einwanderern in diesem Zeitraum. Vgl. Helbich, S. 18 f. 83 Stone, S. 12. 84 Cheshire/North/Fawcett, S. 20. 85 Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 562. 86 Vgl. aber zu den nicht unerheblichen Einflüssen des Corpus Iuris Civilis (bzw. civil law) auf die Entwicklung des common law: Radley-Gardner, RabelsZ 76 (2012), 1101 ff. 87 v. Bar/Mankowski, § 2 Rn. 8. 88 Cheshire/North/Fawcett, S. 20. 89 v. Bar/Mankowski, § 2 Rn. 11, Cheshire/North/Fawcett, S. 20. 90 Dies waren die sog. „Pie Powder Courts“.

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anhand des law merchant entschieden.91 Dieses bestand aus einer Vielzahl internationaler Handelsbräuche, denen allgemeine und grenzüberschreitende Gültigkeit beigemessen wurde, und galt als wesentlich liberaler als das sehr formalistische common law.92 Erstaunlich sind die Parallelen zwischen der Verwendung des englischen law merchant und der des römischen ius gentium. Beide Rechtsordnungen nutzten denselben Denkansatz zur Vermeidung der Anwendung von Fremdenrecht vor den Gerichten.93 Sehr zögerlich fand eine Öffnung der ordentlichen Gerichtsbarkeit für internationale Sachverhalte statt. Die Entwicklung eines englischen IPR im 18. Jh. wurde maßgeblich von der Comitas-Lehre von Ulrich Huber und der niederländischen Schule des 17. Jh. beeinflusst.94 Erste Entscheidungen, welche das domicilium bzw. domicile im Zusammenhang mit dem erbrechtlichen Grundsatz „mobilia sequuntur personam“ diskutieren, finden sich bereits im 17. Jh.95 Die Entscheidung Scrimshire v Scrimshire96 aus dem Jahre 1752 setzte sich mit dem domicilium/domicile als Anknüpfungskriterium für internationale Sachverhalte auseinander, lehnte den Begriff aber zunächst ab.97 Weitere Entscheidungen folgten in den nächsten Jahrzehnten. Mehr und mehr wurde das domicilium bzw. domicile im englischen Recht in internationalprivatrechtlicher Hinsicht 98, insbesondere im internationalen Erbrecht, verwendet und „erprobt“99. Aus Einzelfallentscheidungen bildete sich die Regel heraus, dass das bewegliche Vermögen nach dem Recht des Staates vererbt werden sollte, in dem der Erblasser sein domicile hatte.100 Wenngleich die grundsätzlichen Regeln zur Bestimmung des domicile aus dem römischen Recht stammten, begann man, sich diese Grundregeln in Bezug auf englische Begebenheiten als Anknüpfungspunkt zu erschließen. 101 Seit Beginn des 19. Jh. wurde der Begriff durch die britische Rechtsprechung, allen voran das House of Lords, dogmatisch weiterentwickelt. In zahlreichen Urteilen finden sich an zentralen Stellen konkrete Bezüge 91

Cheshire/North/Fawcett, S. 20. v. Bar/Mankowski, § 2 Rn. 13. 93 v. Bar/Mankowski, § 2 Rn. 7 f. 94 Collier, S. 8. 95 Graveson, Conflict of Laws, S. 187. 96 Scrimshire v Scrimshire (1752) 2 Hag Con 395. 97 Vgl. dazu Nygh, [1961] UTasLawRw 4, 555, 562. 98 Frühe Fälle waren beispielsweise: Sill v Worswick (1791) 1 H Bl 665, Hog v Lashley (1792) 2 E.R. 1278, Bempde v Johnston (1796) 3 Ves Jun 198. 99 Kreitlow, S. 45 f. 100 Kreitlow, S. 46. 101 Vgl. zu den Parallelen des Verständnisses vom römisch-rechtlich geprägten Wohnsitzbegriff zwischen Story und Savigny, Kegel, RabelsZ (52) 1988, 431, 434 ff. Vgl. zu Storys Leben und Werk ebenfalls Kegel, RabelsZ (43) 1979, 609 ff. 92

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zum römischen Ursprung des Konzepts.102 Großen Einfluss auf die Erschließung des Kollisionsrechts im anglo-amerikanischen Rechtskreis hatten dabei Joseph Storys „Commentaries on the Conflict of Laws“ aus dem Jahre 1834.103 Die Entwicklung in Kontinentaleuropa zur Staatsangehörigkeit konnte Großbritannien nicht mitgehen. Schon das „britische Kernland“ bestand aus den vier Gebietseinheiten England, Schottland, Wales und Irland mit jeweils eigenständigen Rechts- und Gerichtssystemen. 104 Hinzu kamen bald zahlreiche Kolonien in Asien und Afrika.105 Die Schaffung einer einheitlichen britischen Rechtsordnung durch Nationalisierung und Vereinheitlichung des Rechts – gar durch Kodifikationen in Abkehr von der Tradition des common law – war schwer vorstellbar. Eine Anknüpfung an die britische Staatsangehörigkeit im Empire wäre zu unpräzise für die konkrete Zuordnung des Bürgers zu einer Teilrechtsordnung gewesen.106 Die wesentlichen Elemente des domicile wurden hauptsächlich im Viktorianischen Zeitalter geprägt.107 Das domicile entwickelte sich von der reinen, dem römischen Recht entnommenen (sprachlichen) Begrifflichkeit108 zum dogmatisch durchdrungenen Konzept, zu einem „domicile im juristisch-technischen Sinne“.109 In der Entscheidung Bell v Kennedy sprach Lord Westbury 1868 erstmals vom domicile als „an idea of law“, als einem Rechtskonzept:110 das domicilium war zum „legal principle“ des domicile geworden. Den geistigen Strömungen des 19. Jh. und dem in dieser Zeit in Kontinentaleuropa aufkommenden Nationalbewusstsein entzog sich aber auch Großbritannien nicht. Was seine Flexibilität und Veränderbarkeit betrifft, hatte sich das domicile längst der Staatsangehörigkeit angenähert und kaum noch Ähnlichkeit mit dem römischen domicilium.111 Auch in Großbritannien bestand das Interesse, den Bürger so lange wie möglich seiner „Ursprungsrechtsordnung“ zuzuweisen.112 Zahlreiche Bri102 Sogar Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., 98 diskutiert im Jahre 2005 noch den Gehalt einer Digestenstelle. 103 Vgl. auch Kreitlow, S. 44, 46. 104 Stone, S. 12. 105 Bspw. auch Hong Kong, Malaysia, Singapur und Indien. 106 Vgl. auch Kreitlow, S. 48. 107 Clarkson/Hill, S. 305. 108 Dies zeigen die Ausführungen von Robertson zu der Entscheidung Bruce v Bruce aus dem Jahre 1790 sehr eindrucksvoll: Das Gerichtging hier noch vom domicile als bloßem Wohnsitz des Erblassers aus. Siehe dazu Robertson, S. 123. 109 Vgl. Stone, S. 13. Zum domicile als „zu technischem“ Konzept auch Wade, N.I.L.R. 21 (1974), 265, 288. 110 Bell v Kennedy (1868) L.R. 1 Sc & Div 307, 320. 111 Vgl. Stone, S. 13. 112 Vgl. Stone, S. 12.

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ten waren in den Kolonien tätig, sei es, um dort als Geschäftsleute ein Vermögen anzuhäufen, sei es um als Beamte oder Soldaten zu dienen. Auch wenn einige Kolonisten dauerhaft in den Kolonien blieben, kehrten die meisten für ihren Lebensabend wieder nach Großbritannien zurück.113 Die Vorstellung, stets zum vertrauten Heim zurückzukehren, war fest im Denken der Gesellschaft und auch der Juristen dieser Zeit verankert.114 Darauf reagierte die Rechtsprechung mit immer höheren Anforderungen an die Tatbestandsmerkmale des domicile. e) Das Grundverständnis vom domicile im 19. Jahrhundert Die ersten Definitionsversuche des domicile sind stark vom oben dargestellten römisch-rechtlichen Begriffsverständnis geprägt.115 Lord Cranworth entwickelte schließlich den Ansatz, das domicile als das „permanent home”, als dauerhaftes Zuhause oder „Heimat“116 zu verstehen, und formulierte den Begriff des domicile in Whicker v Hume aus dem Jahre 1858 so: „By domicile we mean home, the permanent home; and if you do not understand your permanent home I am afraid that no illustration drawn from foreign writers or foreign languages will very much help you to it.”117 In der Literatur wird dazu immer wieder angemerkt, dass das domicile leichter zu veranschaulichen als abstrakt zu definieren sei. 118 Auch Lord Cranworth selbst sah in seinem Ausspruch lediglich eine Annäherungsformel an die Grundkonzeption des domicile. 119 Der Ausspruch aus Whicker v Hume erscheint in der Tat etwas pauschal und kann, was eine Vielzahl von Fällen zeigt, auch irreführend und wenig hilfreich sein.120 Das common law erfuhr seit diesem Ausspruch eine so komplexe Weiterentwicklung, dass heute kaum gewinnbringend mit der Umschreibung des „permanent home“ (Heimat) gearbeitet werden kann.

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Clarkson/Hill vergleichen dies auf S. 311 mit dem Phänomen der Elefanten, die zum Sterben an ihren Geburtsort zurückkehren. 114 Vgl. Clarkson/Hill, S. 311. 115 Cod. 10.39.7. Story zitiert diese Stelle in seinem grundlegenden Werk von 1834 auf S. 40. Neben Story griff auch die Richterschaft auf das römische Begriffsverständnis zurück, so bspw. Kindersly V.C. in Lord v Colvin, 62 E.R. 141, 144 f. 116 Henrich, RabelsZ 25 (1960), 456. 457. 117 Whicker v Hume (1858) 7 H.L.C 124, 160. Vgl. auch Collier, S. 37; Clarkson/Hill, S. 305 f.; Dicey/Morris/Collins, S. 132, 6–004. 118 Vgl. bspw. McClean/Abou-Nigm, S. 27, 2–010. 119 Whicker v Hume (1858) 7 H.L.C 124, 160. 120 Vgl. Collier, S. 37.

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f) Weiter- und Auseinanderentwicklung des Konzepts des domicile aa) Die Rolle der Rechtsprechung Obwohl in zahlreichen Entscheidungen auf das domicile (zum Teil sehr intensiv) eingegangen werden muss, wurden bisher nur äußerst wenige Fälle höchstinstanzlich vom House of Lords bzw. seit 2009 vom Supreme Court entschieden: Das House of Lords erreichten bis zur Einstellung seiner judiziellen Tätigkeit 2009 nur 13 Fälle zum „Streitthema“ domicile.121 Während gerade im 19. und Anfang des 20. Jh. zahlreiche wichtige Entscheidungen dem Bereich des internationalen Familien- und Erbrechts entstammten, ergingen in der 2. Hälfte des 20. Jh. auch zentrale Entscheidungen im internationalen Steuerrecht. bb) Die Auseinanderentwicklung in den common law-Staaten Nach und nach fand ein Auseinanderdriften der Auffassungen zum domicile in den Commonwealth-Ländern statt, was zu verschiedenen länderspezifischen Konzepten führte. Bedingt wurde dies zum einen durch unterschiedlich starke Reformen in den Commonwealth-Staaten mittels Legislativakten, zum anderen aber auch durch unterschiedlich „strenge“ Auslegungen der einzelnen Tatbestandsmerkmale. (1) Der Sonderweg der USA Anders als in den Staaten des Commonwealth entwickelte sich in den USA bald ein eigenständiger und von den englischen Ideen zunehmend unabhängiger Ansatz zum „domicil“. 122 Die amerikanische Auffassung des Konzepts ist liberaler, pragmatischer und näher an dem ursprünglichen, „untechnischen“ römischen Verständnis vom domicilium.123 Wie das Zitat124 von Lord Cranworth zeigt, sollte das domicile das „Zuhause“ des Menschen widerspiegeln. Das Verständnis dieses Begriffs wich 121

Diese waren: Aikman v Aikman (1861) 3 Macq. 854; Moorhouse v Lord (1863) 10 H.L.C. 272; Pitt v Pitt (1864) 4 Macq. 627; Bell v Kennedy (1868) L. R. 1 Sc & Div 307; Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441; Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287; Huntly v Gaskell [1906] A.C. 56; Casdagli v Casdagli [1919] A.C. 145; Lord Advocate v Jaffrey [1921] 1 A.C. 146; Ross v Ross [1930] A.C. 1; Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] AC 588; Wahl v Attorney-General (1932) 147 L.T. 382; Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., 98. 122 In den USA ist die Schreibweise „domicil“ üblich. Vgl. The American Law Institute, Restatement of the Law Second, § 11, S. 41 ff. 123 Vgl. dazu Beale, S. 146; Zohar, Whittier J. Child. & Fam. Advoc. 9 [2009–2010], 169, 172 ff. 124 Whicker v Hume (1858) 7 H.L.C 124, 160.

§ 2 Das Konzept des domicile

20

in den USA, als Nation von Pionieren und Entdeckern, von dem in Großbritannien grundsätzlich ab. Die Begründung eines Hausstands war nach englischem Verständnis eine einmalige Angelegenheit, getrieben von dem Wunsch, stets wieder zu dieser Heimstätte zurückzukehren.125 Diese Denkweise war den („neuen“) Amerikanern fremd. Die Vereinigten Staaten wurden maßgeblich von Einwanderern beeinflusst, die am einen Ende des Landes ankamen und sich über den ganzen Kontinent verteilten. 126 Die Grenzen der USA wurden stetig verschoben, kontinuierlich neue Gebiete erschlossen. Vorangetrieben wurde dieser Prozess vom Pioniergeist und dem Willen der Einwanderer, ihr bisheriges Leben zurückzulassen und ihr Glück „im Westen“ zu suchen. 127 Mit diesem Geist war es unvereinbar, dauerhaft am alten Wohnort und damit zumeist auch am Heimatort der Vorfahren festgehalten zu werden. Diesem Verständnis vom „Zuhause“ entsprach schließlich auch die amerikanische Rechtsprechung. (2) Großbritannien Veränderungen und Neuausrichtungen der Bestandteile der starren common law-Prinzipien wurden in den Commonwealth-Ländern fast ausschließlich mittels Legislativakten vorangetrieben, da sich das common law aus sich selbst heraus wegen der doctrine of stare decisis nur schwerlich reformieren kann. Die Debatte um eine Reform des Konzepts des domicile besteht seit vielen Jahrzehnten. Von den 1950er Jahren an wurde diese Entwicklung maßgeblich durch die Law Commissions vorangetrieben und fand in zahlreichen Ländern ihren zwischenzeitlichen Abschluss in Domicile Acts.128 Bereits 1952 wurde die erste britische Kommission (Private International Law Committee) damit beauftragt, die Materie zu untersuchen und Vorschläge zur Reform zu unterbreiten. Die 1954 veröffentlichten Vorschläge wurden zwar intensiv diskutiert und fanden in dem Entwurf der Domicile Bill von 1958 Berücksichtigung. Die Domicile Bill scheiterte aber an er-

125

Vgl. Beale, S. 147. Vgl. auch Stone, S. 12. 127 Beale spricht hier von einer „habit to move from place to place“, S. 146. Vgl. zu den Auswanderungswellen schon oben, Helbich, S. 18. 128 Beispiele: New Zealand Domicile Act 1976 (No. 17); Ireland Domicile and Recognition of Foreign Divorces Act 1986 (No. 24); Scotland Family Law Act 2006 (SSI 2006/212); Isle of Man Companies Transfer of Domicile Act (1998); Marshall Islands Domicile Act 1984 [1 MIRC Ch. 8]; Nauru Conflict of Laws Act 1974 (No. 14); Domicile and Habitual Residence Act 1983 (C.C.S.M. c. D96). 126

I. Die Historie des domicile

21

heblichen Widerständen im House of Lords.129 Eine überarbeitete Version von 1959 wurde im House of Commons abgelehnt.130 Mit dem Domicile and Matrimonial Proceedings Act von 1973 (c. 45) wurden Teilbereiche der Materie modernisiert. In ihrem letzten Bericht von 1987 nahm die Law Commission von England und Wales zusammen mit der Law Reform Commission Schottlands ausführlich Stellung zu allen Teilbereichen des domicile und legte zahlreiche Reformvorschläge vor.131 Diese Vorschläge führten aber ebenfalls nicht zur Verabschiedung eines Legislativaktes zur Reform des domicile in England und Wales.132 In Schottland wurden jedoch im Jahre 2006 Teilbereiche durch den Family Law (Scotland) Act 2006 modernisiert. (3) Australien, Neuseeland, Kanada und Südafrika Australien und Neuseeland haben mit ihren Domicile Acts Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre das Konzept des domicile in ihren Rechtsordnungen reformiert. Die kanadische Provinz Manitoba verabschiedete mit dem Domicile and Habitual Residence Act 1983 wesentliche Modernisierungen des Konzepts nach „kanadischem Verständnis”. Diese beruhten auf Vorschlägen, die die Canadian Uniform Law Commission schon in den 1960er Jahren vorgebracht hatte.133 Auch Südafrika hat mit dem Domicile Act 1992 (No. 3) wesentliche Reformen hinsichtlich des domicile of choice herbeigeführt und orientierte sich dabei nicht unwesentlich an den britischen Vorschlägen aus dem Jahre 1987. Dieser Domicile Act ist so ausführlich, dass bei der Bestimmung des domicile ein Rückgriff auf die common lawGrundsätze im Wesentlichen ausgeschlossen bleiben muss.134 (4) Andere Staaten Auch die Irish Law Reform Commission veröffentlichte 1983 einen ausführlichen Bericht zum Konzept des domicile und schlug zahlreiche Reformen vor.135 In Hong Kong wurden mit der Domicile Ordinance von 129

Carter, 36 ICLQ (1987), 713, 724. Clarkson/Hill, S. 327. 131 The Law Commission and The Scottish Law Commission, Private International Law, The Law of Domicile (Law Com No. 168). 132 Dies bestätigte der Thirtieth Annual Report der Law Commission (Law Com No. 239, 1996) Absatz 1.15 in Fußnote 24 auf S. 10. 133 Vgl. O’Sullivan, EstTrJ 15 [1995–1996], 236 ff. sowie Robertson, Alta. L. Rev. 48 [2010–2011], 189 zum domicile-Recht in Kanada. 134 Globig, S. 48. Vgl. auch Anderson, Commw. L. Bull. 17 [1991], 1079 ff. zum Barbados Domicile Reform Act 1980 (ch. 213). 135 Irish Law Reform Commission, Report 1983. 130

§ 2 Das Konzept des domicile

22

2008136 die Reformvorschläge der Hong Kong Law Reform Commission von 2005137 übernommen.

II. Grundsätze des domicile 1. Relevanz des domicile im heutigen Recht „A person’s domicile connects him with a system of law for the purposes of determining a range of matters principally related to status or property”.138 Relevanz hat das domicile im IPR, im IZVR sowie im internationalen Steuerrecht. Im englischen Kollisionsrecht dient das domicile als Anknüpfungspunkt in folgenden Bereichen:139 Wirksamkeit einer Ehe (essential validity),140 Ehewirkungen (insbesondere Auswirkungen der Eheschließung auf Eigentumsrechte von Ehemann und Ehefrau),141 (gewillkürte) Erbfolge in bewegliches Vermögen,142Abstammung143 und Adoption.144 Im internationalen Verfahrensrecht ist das domicile die Zuständigkeit in Ehesachen 145 und Annullierung einer Ehe146 relevant. Im Steuerrecht spielt das domicile im Vergleich zur Anknüpfung an die residence nur noch eine untergeordnete Rolle. Für Werbungskosten147, ausländische Kapitaleinkünfte 148, Erbschaftssteuer auf im Ausland belegene

136

Domicile Ordinance (Cap. 596), L.N. 280 of 2008. The Law Reform Commission of Hong Kong, Rules for Determining Domicile 2005 (Hong Kong Law Com Report). 138 Hong Kong Law Com Report, S. 4. 139 Vgl. dazu insg. Henrich, RabelsZ 25 (1960), 456, 457; Hayward, S. 179 und Carter, 36 ICLQ (1987), 713, 724. 140 Einigkeit besteht darüber, dass sich die formelle Wirksamkeit nach der lex loci celebrationis richtet. Im Übrigen wird die Wirksamkeit der Eheschliessung im Wesentlichen nach dem Recht der lex domicilii beurteilt. Näher dazu Law Com Working Paper, No. 89, S. 56 ff. 3. Ausführlich zu Working Paper No. 88 und 89 auch Fentiman, OJLS 6 [1986], 353 ff. 141 Dazu näher Kreitlow, S. 75 f. 142 Siehe dazu Hog v Lashely, 2 ER 1278, 577, 579. 143 Sec. 1 (2) Legitimacy Act 1959 (c. 73). 144 Vgl. Sec. 14 und 15 Adoption Act 1976 (c. 36). 145 Vgl. Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973, Sec. 5. Zu der starken Einschränkung des Anwendungsbereichs durch die Brüssel IIa-VO vgl. Dicey/Morris/ Collins, S. 998 f., 18–011 ff. 146 Vgl. Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973, Sec. 5. Vgl. dazu Dicey/ Morris/Collins, S. 999, 18–013. 147 Vgl. Sec. 373 und 374 Income Tax (Earnings and Pensions) Act 2003 (c. 1). 148 Vgl. Sec.s 13, 86, 86A and 87 Taxation of Chargeable Gains Act 1992 (c. 12). 137

II. Grundsätze des domicile

23

Nachlassgegenstände149 und bei Verdacht auf Steuerhinterziehung 150 kann das domicile relevant sein. Trotz aller Unterschiede zwischen den Rechtsbereichen soll das domicile nach dem Verständnis des common law kontextunabhängig die gleiche inhaltliche Bedeutung in allen Anwendungsbereichen haben.151 Von dieser Grundregel gibt es jedoch einige begrenzte Ausnahmen: Sec. 41 bis 46 des Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 (c. 27) machen besondere europarechtskonforme Vorgaben bezüglich eines domicile im konkreten Zusammenhang mit der Brüssel I-VO.152 Auch im Steuerrecht gibt es einzelne, auf die Materie beschränkte, spezialgesetzlich festgelegte Abweichungen. 153 Der Constitutional Reform and Governance Act 2010 führte eine besondere Vermutungsregel für die Besteuerung von Parlamentariern nach britischem Recht ein. 154

149

Vgl. Sec. 6, 18(2) und 48(3)(a) Inheritance Tax Act 1984 (c. 51). Vgl. Part 13, Chapter 2 Income Tax Act 2007 (c. 3). 151 Diese Auffassung bestätigte das House of Lords nochmals in Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., 98, Nr. 37. 152 Vgl. Dicey/Morris/Collins, S. 131, 6–002. 153 So ist es im Erbschaftssteuerrecht auch möglich, dass mittels einer Fiktion ein domicile auch dann angenommen wird, wenn die „üblichen“ Voraussetzungen für das Vorliegen eines domicile nicht vorliegen. Sec. 267 Inheritance Tax Act: “267 Persons treated as domiciled in United Kingdom (1) A person not domiciled in the United Kingdom at any time (in this section referred to as ‘the relevant time’) shall be treated for the purposes of this Act as domiciled in the United Kingdom (and not elsewhere) at the relevant time if (a) he was domiciled in the United Kingdom within the three years immediately preceding the relevant time, or (b) he was resident in the United Kingdom in not less than seventeen of the twenty years of assessment ending with the year of assessment in which the relevant time falls. 154 Vgl. Sec. 41 Constitutional Reform and Governance Act 2010 (c. 25): “41 Tax status of MPs and members of the House of Lords (1) Subsection (2) applies if a person is for any part of a tax year (a) a member of the House of Commons, or (b) a member of the House of Lords. (2) The person is to be treated for the purposes of the taxes listed in subsection (3) as resident, ordinarily resident and domiciled in the United Kingdom for the whole of that tax year. (3) The taxes are (a) income tax, (b) capital gains tax, and (c) inheritance tax.“ 150

§ 2 Das Konzept des domicile

24 2. Allgemeine Grundsätze

Nach „traditionellem“155 englischem Verständnis gliedert sich der domicile-Begriff in drei Unterarten: domicile of origin, domicile of dependance und domicile of choice.156 Soweit gesetzliche Regelungen nicht in Domicile Acts festgelegt sind, ist grundsätzlich auf die gefestigten Grundsätze der common law principles zum domicile zurückzugreifen. Diese wurden auch in den letzten Jahren, zum Beispiel in Barlow Clowes International Ltd v Henwood, bestätigt.157 a) „Pflicht“ zum domicile Jede Person muss ein domicile haben.158 Negativ formuliert kann niemand ohne domicile sein. Der „Zwang“ zum domicile soll eine permanente Zuordnung einer Person zu einer konkreten Rechtsordnung durchsetzen. 159 Kann eine Person aufgrund mangelnder Geschäftsfähigkeit (noch) kein domicile of choice innehaben, so ist nach den Regeln des domicile of dependency an das domicile (of choice) der Eltern anzuknüpfen. Ist ein domicile of choice nicht feststellbar, weil eines der zwei Elemente – Anwesenheit an einem Ort (residence) und Wille, dauerhaft an diesem Ort zu bleiben (intent to make home permanently or indefinitely) – fehlt, so muss nach der doctrine of revival160 an das domicile of origin angeknüpft werden.161

155

Siehe dazu bereits S. 5 zur Bemerkung von Stone, S. 12. Reese/Rosenberg/Hay, S. 13. 157 Relevant sind vor allem die Ausführungen von Lady Justice Arden, Nr. 8. Die Entscheidung setzt sich insbesondere mit den Grundvoraussetzungen des domicile, wie sie in dem Lehrbuch Dicey/Morris/Collins dargestellt werden, auseinander. Dies bringt den hohen Stellenwert dieses Werks zum Ausdruck. Entscheidungen wie F v F, [2009] EWHC 1448 (Fam), welche Barlow Clowes International Ltd v Henwood [2008] EWCA Civ 577 bestätigen, gehen ähnlich vor und führen eine Analyse des case law anhand des Lehrbuchs durch. 158 Vgl. schon: Bell v Kennedy (1868) L. R. 1 Sc & Div 307, 320; Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 448, 453, 457. 159 Dicey/Morris/Collins, S. 135, 6R–011. 160 Andere Bezeichnungen wie die von Joseph Story verwendete bzw. vorgeschlagene und in Udny v Udny zitierte Formulierung der „re-acquisition“ oder die teilweise verwendete Bezeichnung als „reverter doctrine“ (vgl. Reese/Rosenberg/Hay, S. 13) haben sich nicht durchsetzen können. Im Urteil Barlow Clowes International Ltd v Henwood [2008] EWCA Civ 577 spricht Lady Justice Arden in Absatz Nr. 21 insofern von einer „default rule”. 161 Dicey/Morris/Collins, S. 135, 6–012. 156

II. Grundsätze des domicile

25

b) One man – one domicile “It is clear that by our law a man must have some domicil, and must have a single domicil.” 162 Für die Beurteilung eines konkreten rechtlichen Zusammenhangs kann nur ein domicile bestehen. 163 Dieser Grundsatz ist eine konsequente Folgerung aus dem ersten Grundsatz. Zugleich soll eine eindeutige Anknüpfung zugunsten einer konkreten Rechtsordnung gewährleistet werden. Von dem Ansatz des römischen Rechts, welches mehrfache domicilii zuließ164, hat sich das britische Konzept gelöst. Bereits in der Entscheidung Somerville v Somerville aus dem Jahre 1801 wird der Grundsatz, dass nur ein domicile bestehen kann, als geltendes Recht vorausgesetzt.165 Heute ist der Grundsatz in ständiger Rechtsprechung gesichert.166 Ausdrücklich wurde er u.a. nochmals 2005 in Mark v Mark vom House of Lords bestätigt bzw. als allgemein anerkanntes Prinzip vorausgesetzt.167 c) Zuordnung zu einem law district Das domicile ordnet einen Menschen einer konkreten Gebietseinheit, einem „law district“, zu.168 Bezüglich der Zuordnung zu einem law district ist zu unterscheiden: Weist ein Staat eine einheitliche Rechtsordnung auf, so besteht das domicile in dem Gesamtstaat als law district.169 Besteht der Staat jedoch aus mehreren „eigenständigen“ Einzelrechtsordnungen, so besteht das domicile in der jeweiligen einzelnen Gebietseinheit als law district. Eine Person kann ihr domicile in England oder Schottland haben, nicht aber in Großbritannien als ganzem.170 Ein domicile in Queensland oder New South Wales ist möglich, nicht aber in Australien. Es gibt ein domicile in Texas oder New Hampshire, aber keines in den USA.171 162

Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 448. Vgl. auch Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., Nr. 37. 164 Vgl. S. 10. 165 Somerville v Somerville, 31 ER 839, 786. Sir Arden vertrat hier zu Recht die Meinung, dass zumindest im internationalen Erbrecht ein Alternativverhältnis von domiciles zu absurden Ergebnissen führen würde. Damit erkannte er schon zu diesem Zeitpunkt zutreffend den Bedarf an Praktikabilität im Umgang mit einem zunehmend kollisionsrechtlich geprägten domicile-Begriff. 166 Vgl. bspw. IRC v Bullock [1976] 1 WLR 1178, 1184. 167 Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., 98, Nr. 37. Schon die Entscheidung Forbes v Forbes aus dem Jahre 1854 geht von der Regel als Grundprinzip des Rechts des domicile aus, Forbes v Forbes 69 ER (1854) 145, 353. 168 Dicey/Morris/Collins, S. 133, 6–007, Cheshire/North/Fawcett, S. 156. 169 Bspw. bei einem domicile in Deutschland. 170 Das anfangs genannte Zitat hat insofern zwar Gültigkeit im Steuerrecht, nicht aber im IPR. 171 Vgl. Clarkson/Hill, S. 306. 163

§ 2 Das Konzept des domicile

26

Ausnahmen hiervon gibt es im englischen Erbschaftsteuerrecht.172 Andere common law-Rechtsordnungen weichen inzwischen von diesem Grundsatz ab. Ein Beispiel dafür ist Sec. 13 des New Zealand Domicile Act 1976.173 d) Berücksichtigung des interpersonalen Rechts Mithilfe des domicile erfolgt lediglich eine Zuweisung zu einem law district. Dessen interpersonales Recht wird entsprechend berücksichtigt.174 Wird ein domicile in Israel verortet, so differenziert die Anknüpfung zwischen der Religionszugehörigkeit zum Judentum oder zum Islam. e) Vermutungswirkung zugunsten eines bestehenden domicile Ein bestehendes domicile wird so lange als existent vorausgesetzt, bis dargelegt wurde, dass ein neues domicile erworben wurde.175 Die Beweislast für einen domicile-Wechsel trifft denjenigen, der sich auf einen solchen beruft.176 f) Ausschließliche Verwendung der englischen Grundsätze (lex fori) Die Beurteilung des domicile erfolgt im englischen IPR nach den englischen Grundsätzen.177 Wenn sich das domicile in einem anderen Land befindet, werden dessen Grundsätze zum domicile nicht berücksichtigt.178

III. Domicile of origin „The domicile of origin is the domicile a person acquires at birth and remains with that person thereafter until it is replaced by domicile of dependency or domicile of choice.”179

172

Vgl. Inheritance Tax Act 1984, Sec. 267. Sec. 13 New Zealand Domicile Act 1976: “A person domiciled in a country forming part of a union is also domiciled in that union.” Außerhalb der Domicile Acts kennt auch das australische Recht Ausnahmen von diesem Grundsatz, bspw. im Australian Family Law Act 1975, Sec. 39 (3) b. Vgl. dazu auch Lloyd v Lloyd [1962] VR 70. 174 Cheshire/North/Fawcett, S. 156. 175 Dicey/Morris/Collins, S. 137, 6R–017, 6–018. 176 Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287, 289. 177 Re Annesley [1926] Ch 692; Lawrence v Lawrence [1985] Fam 106, 132. Siehe auch Cheshire/North/Fawcett, S. 157. 178 Vgl. auch Miller, S. 15. 179 So der Lord Chancellor in Bell v Kennedy (1868) L. R. 1 Sc & Div 307. 173

III. Domicile of origin

27

Das domicile of origin stellt das erste domicile eines Menschen dar. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Geburt. Es ist grundsätzlich 180 unveränderlich. Bisweilen wurde dieses domicile auch „domicile of birth“ genannt, was aber irreführend ist, weil es gerade nicht auf den Geburtsort eines Menschen ankommt.181 1. Bestimmung des domicile of origin Die Entscheidung Somerville v Somerville stellt klar, dass der vermeintlich zufällige Geburtsort des Kindes irrelevant ist. Das domicile of origin benötigt einen stärkeren Bezugspunkt.182 So richtet es sich nach dem domicile und nicht nach dem momentanen Aufenthaltsort des relevanten Elternteils zum Zeitpunkt der Geburt.183 Der Erwerb des domicile of origin des Kindes erfolgt „automatisch“ (by operation of law), ohne dass es dabei auf weitere Voraussetzungen ankommen würde.184 a) Unterscheidung nach dem Familienstand der Eltern Dabei ist nach dem Familienstand der Eltern zu unterscheiden: Sind die Eltern verheiratet, so richtet sich das domicile of origin nach dem domicile des Vaters zum Zeitpunkt der Geburt. Sind die Eltern nicht verheiratet oder stirbt der verheiratete Vater vor der Geburt des Kindes, so richtet sich das domicile des Kindes nach dem domicile der Mutter: „the law attributes to every individual as soon as he is born the domicil of his father, if the child be legitimate, and the domicil of its mother if illegitimate.”185 Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt noch verheiratet, leben aber getrennt, kommt es auf den Vater an.186 Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt bereits geschieden, soll das domicile der Mutter maßgeblich sein.187 b) Sonderfälle Eine Ausnahme von der Unveränderlichkeit des domicile of origin stellt die Adoption dar: Hier ist der Erwerb eines neuen domicile of origin möglich. Der Adoption and Children Act 2002 stellt adoptierte Kinder in 180

Siehe zur einzigen Ausnahme sogleich unter b). Vgl. dazu Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287, 290. 182 Somerville v Somerville, 31 ER 839, 787. 183 Udny v Udny (1869) LR 1 Sc Div 441; Somerville v Somerville, 31 ER 839, 787. Vgl. auch Stone, S. 15. 184 Udny v Udny (1869) LR 1 Sc Div 441, Dicey/Morris/Collins, S. 140, 6–027. 185 So schon Udny v Udny (1869) LR 1 Sc Div 441, 457. Vgl. außerdem Stone, S. 15; Clarkson/Hill, S. 308 f.; Cheshire/North/Fawcett, S. 174. 186 Dicey/Morris/Collins, S. 140 f., 6R–025, 6–028. 187 Dicey/Morris/Collins, S. 140 f., 6R–025, 6–028. 181

§ 2 Das Konzept des domicile

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Sec. 67 rechtlich ehelichen Kindern der Adoptiveltern gleich. Ein Adoptivkind erwirbt damit durch die Adoption ein domicile of origin in Abhängigkeit von den Adoptiveltern und verliert sein ursprüngliches domicile of origin, welches durch seine leiblichen Eltern geprägt wurde.188 Einen wohl äußerst seltenen Sonderfall stellt das sog. Findelkind dar.189 Sehr ähnlich bzw. dem gleichzusetzen ist der Fall, dass nichts über das domicile der Eltern bekannt ist. Präzedenzfälle gibt es hierzu im englischen Recht nicht.190 Allgemein wird vertreten, jeweils an den Fundort des Kindes anzuknüpfen.191 Diesen Ansatz verankert auch Sec. 6 (6) des New Zealand Domicile Act 1976. 2. Die revival-Doktrin und die hervorgehobene Bedeutung des domicile of origin Seine enorme Bedeutung im englischen Recht zieht das domicile of origin aus der erwähnten revival-Doktrin.192 Wichtige Grundlagen wurden 1869 vom House of Lords in Udny v Udny dargestellt und gefestigt.193 In Udny v Udny ging es konkret um den Nachlass eines gebürtigen Schotten (mit schottischem domicile of origin), der ein domicile of choice in England hatte. Um sich seinen Gläubigern zu entziehen, siedelte er nach Frankreich um, wo er schließlich starb.194 Das House of Lords stellte klar, dass ein domicile of choice aufgegeben werden kann, ohne dass gleichzeitig ein neues domicile of choice begründet werden muss. Um zu gewährleisten, dass zu jeder Zeit ein domicile besteht, wird für diesen Fall auf das domicile of origin zurückgegriffen.195 Im zeithistorischen Kontext fällt auf, dass die revival-Doktrin als Antwort auf die zunehmende Verwendung der Staatsangehörigkeit durch die civil law-Rechtsordnungen in der Mitte des 19. Jh. verwendet und ausgebaut wurde.196 Die revival-Doktrin entspringt dabei dem Weltbild des Vik188

Clarkson/Hill, S. 309 und Dicey/Morris/Collins, S. 140 f., 6R–025, 6–029. Man mag hier an die Ablieferung eines Kindes an der Babyklappe eines Krankenhauses denken. 190 Vgl. Dicey/Morris/Collins, S. 141, 6–029. 191 Vgl. dazu den australischen Fall Re McKenzie (1951) 51 S.R. (N.S.W.) 293; Davis/Ricketson/Lindell, S. 536 ff. sowie Clarkson/Hill, S. 308 und Dicey/Morris/Collins, S. 141, 6–029, 6–030. 192 Vgl. schon S. 24. 193 Fast 140 Jahre später wurde die revival-Doktrin durch die Entscheidung Barlow Clowes International Ltd v Henwood (in liquidation) and others [2008] EWCA Civ 577 erneut bestätigt. 194 Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 456. 195 Vgl. auch Clarkson/Hill, S. 311. 196 Carter, 36 ICLQ (1987), 713, 716. Stone spricht in diesem Zusammenhang von domicile als „nationality in disguise“, Stone, S. 12. 189

III. Domicile of origin

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torianischen Empire.197 Die Erhöhung der Anknüpfungsstabilität beruht auf der Auffassung, dass ein Brite im Ausland vom Wunsch geleitet werde, wieder in seine „wahre Heimat“ zurückzukehren.198 Damit verbunden war das Ansinnen, das eigene Vermögen nach diesem Recht (dem Erstgeborenen) zu übertragen und einen Statutenwechsel zu verhindern. 199 3. Kritik am domicile of origin Seit langem wird das Konzept des domicile of origin heftig kritisiert. Dabei sind zwei Hauptkritikpunkte erkennbar: zum einen die Abhängigkeit des domicile of origin von den Eltern, zum anderen die Doktrin des revival of the domicile of origin (revival-Doktrin). a) Kritik an der Abhängigkeit des domicile of origin von den Eltern Die Bestimmung des domicile of origin in Abhängigkeit von den Eltern ist logisch und konsequent, wenn man wie für die anderen Unterarten des domicile eine subjektive Komponente voraussetzen will. Das Neugeborene kann diesen „Aufenthaltswillen“ noch nicht selbst bilden, so dass auf einen Erziehungsberechtigten abzustellen ist. Das Abhängigkeitsverhältnis zu den Eltern ist in den Fällen unproblematisch, in denen der Geburtsort des Kindes und das domicile des Elternteils zusammenfallen. Ein eindeutiges und zutreffendes Ergebnis kommt auch dann zustande, wenn das Kind nur „zufällig“ in einem anderen law district zur Welt kommt. Begründen die Eltern jedoch kurz nach der Geburt des Kindes ein neues domicile of choice in einer Rechtsordnung, in der sie nun dauerhaft mit dem Kind leben, so erwirbt das Kind ein domicile of origin einer Rechts197

Clarkson/Hill, S. 311. In der Entscheidung In Re Jones, 192 Iowa 78, (1921) 182 N.W. 227, 230 aus dem Jahre 1921 wird dieses „Heimwärtsstreben“ in einer Passage eindrucksvoll dargestellt: „Many such men were adventurers who had the purpose and intent to eventually return to the land of their nativity. There was a large degree of patriotic sentiment connected with the first announcement of the rules of law in the matter of the estates of such men. The idea found expression in the phrase, ‘Once an Englishman, always an Englishman,’ and in the kindred declaration, ‘A man must intend to become a Frenchman instead of an Englishman.’ Moorhouse v. Lord, 10 H. L. C. 272. This popular and patriotic idea was expressed in the familiar lines of Sir Walter Scott: ‘Breathes there the man, with soul so dead, Who never to himself hath said, ‘This is my own, my native land.' Whose heart hath ne'er within him burned, As home his footsteps he hath turned, From wand'ring on a foreign strand?’” 199 In Re Jones, 192 Iowa 78, (1921) 182 N.W. 227, 230. 198

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§ 2 Das Konzept des domicile

ordnung, zu der es selbst keinen wesentlichen Bezug mehr hat. Soweit es in seinem späteren Leben durch die Verwendung der revival-Doktrin noch einmal auf sein domicile of origin ankommen sollte, findet eine Rechtsordnung ohne Sachzusammenhang Anwendung. 200 Dies kann noch verschärft werden, wenn sich das domicile of origin eines Kindes aufgrund des Fehlens eines domicile of choice der Eltern an deren domicile of origin orientiert. Dadurch kann eine „Kettenverweisung“ entstehen zu einer Rechtsordnung, zu der nicht einmal die Eltern eine Verbindung hatten, da auf das domicile der Großeltern abzustellen ist.201 b) Kritik an der Differenzierung nach den Eltern Auch die vom Familienstand der Eltern abhängige Differenzierung zwischen der Anknüpfung an den Vater oder die Mutter wird bisweilen heftig kritisiert. Die Differenzierung wird dabei insbesondere als veraltet und unzeitgemäß abgelehnt.202 In einem Zeitalter, in dem die Frau und die Kinder in jeglicher, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht vom Ehemann als Familienvater abhängig waren, leuchtet die Bindung des domicile of origin an den Vater ein.203 Nur die unverheiratete oder verwitwete Frau war dem Mann nicht in allen rechtlichen Belangen untergeordnet. Eine Bindung des Kindeswohles an ihre Person wäre dementsprechend mit einer patriarchalischen Werteordnung nicht zu vereinbaren gewesen.204 Solche Wertvorstellungen sind im Europa des 21. Jh. deplatziert. Die Bestimmung des domicile der Ehefrau in Abhängigkeit von ihrem Mann wurde 1973 durch den Domicile and Matrimonial Proceedings Act abgeschafft. Die Diskriminierung der Frau bleibt aber auf der Ebene der Kinder fortbestehen. 205 Die Wertung bzgl. des domicile of origin bevorzugt wiederum den Vater als „domicile-Spender“. Darüber hinaus führt die Differenzierung zwischen den Eltern stets dazu, dass vorab zu klären ist, ob das Kind als eheliches Kind der Ehegatten aufzufassen ist. Diese Frage hängt 200 Ein Beispiel für einen solchen Fall ist Re Keefe [1940] 1 All ER, 216, [1940] Ch. 124: Die Erblasserin wurde nach ihrem irischen domicile of origin beurteilt, obwohl sie in Indien (der irische Vater wanderte dauerhaft nach Indien aus) geboren wurde und anschließend in England, Spanien und Frankreich lebte, ehe sie die letzten 47 Jahre ihres Lebens in Italien verbrachte. In Irland selber war sie nur einmal während einer Reise im Alter von 18 Jahren gewesen. Vgl. dazu auch Denkinger, S. 68 sowie Cheshire/North/ Fawcett, S. 65. 201 Dicey/Morris/Collins, S. 141, 6–027. 202 Clarkson/Hill, S. 309. 203 Clarkson/Hill, S. 309. 204 Dieses Verständnis ist auch im römischen Recht verankert. Vgl. auch Clarkson/Hill, S. 309. 205 So auch Clarkson/Hill, S. 309.

III. Domicile of origin

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aber gerade vom domicile des Kindes ab.206 Damit entsteht ein Zirkelschluss:207 Ob ein Kind als ehelich anzusehen ist, wird in den Rechtsordnungen der Welt zum Teil sehr unterschiedlich beurteilt. Zusätzliche Probleme und Wertungswidersprüche sind damit vorprogrammiert.208 c) Kritik an der revival-Doktrin Die Law Commission for England and Wales sowie die Scottish Law Commission nahmen in ihrer gemeinsamen Studie ausführlich zum domicile of origin Stellung und griffen die von der ersten Law Reform Commission 1954 geäußerte Kritik und deren Vorschläge auf.209 Besonders kritisch sahen die Commissions die große Bedeutung des domicile of origin in Verbindung mit der revival-Doktrin.210 Ihr Eingreifen für den Fall, dass ein altes domicile of choice aufgegeben, ein neues aber noch nicht begründet worden ist, führe in vielen Fällen zu gekünstelten Ergebnissen. Zwar sei es nachvollziehbar, an das domicile of origin anzuknüpfen, wenn man von einer engsten Verbindung der Person zu ihrer durch das domicile of origin abgebildeten „wirklichen“ Heimat ausgehe. Wenn eine so enge Verbindung zu dem Herkunftsland der Familie nicht bestehe, sei das domicile of origin jedoch unbrauchbar.211 d) Die Alternative der continuance rule Die Law Commissions schlugen daher vor, das domicile of origin und die revival-Doktrin zukünftig nicht mehr zu verwenden.212 Komme es auf das domicile des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt an, so sollen die zum domicile of dependency vorgeschlagenen Grundsätze verwendet werden. Im Übrigen solle die continuance rule gelten. Diese Regel besagt, dass ein domicile of choice solange als bestehend angesehen wird, bis die Voraussetzungen für die Begründung eines neuen domicile of choice vollständig vorliegen. 213 Zur Begründung für die Abschaffung führten die Law Commissions mehrere Aspekte auf:214 Zunächst bedeute die Aufgabe der revival-Doktrin eine Rechtsvereinfachung bei domicile-Wechseln. Auch ohne die revivalDoktrin könne sichergestellt werden, dass eine Person zu jeder Zeit ein 206

Vgl. dazu insb. Crawford, 54 ICLQ (2005), 829, 852. Cheshire/North/Fawcett spricht auf S. 1149 von einem Teufelskreis. 208 Vgl. Cheshire/North/Fawcett, S. 1150 ff. 209 Law Com No. 168, S. 28 f. 210 Law Com No. 168, S. 28 f. 211 Law Com No. 168, S. 28. 212 Law Com No. 168, S. 28 ff. 213 Law Com No. 168, S. 29 f. 214 Law Com No. 168, S. 29. 207

§ 2 Das Konzept des domicile

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domicile habe. Außerdem könnten ohne die revival-Doktrin unrealistische bzw. künstliche Ergebnisse vermieden werden. Die Law Reform Commission Irlands sprach sich ebenfalls für diese Lösung aus.215 Nur selten, beispielsweise wenn eine Person ihr noch bestehendes domicile of choice schnellstmöglich aufgeben und an ihm bis zum Erwerb eines neuen domicile of choice gerade nicht festgehalten werden wolle, sei die revival-Doktrin passender.216 Auch die Hong Kong Law Reform Commission teilte die Kritik und sprach sich ebenfalls für eine Abschaffung der revival-Doktrin aus. 217 Die seit langem bestehenden und von den Law Commissions erneut geäußerten Kritikpunkte wurden in anderen Commonwealth-Rechtsordnungen bereits berücksichtigt und die continuance rule eingeführt. Vorreiter waren hierbei die US-amerikanischen Rechtsordnungen. Bereits im 19. Jh. finden sich dort zahlreiche Entscheidungen, die von der revival-Doktrin abweichen und die continuance rule anwenden. 218 Dies lässt sich aus dem oben schon dargestellten liberaleren Verständnis und dem höheren Bedürfnis nach Mobilität im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ heraus erklären. Australien219, Neuseeland,220 Manitoba (Canada)221, Südafrika222 und Hong Kong223 haben in ihren Domicile Acts die revival-Doktrin abgeschafft und durch die continuance rule ersetzt. 215

Irish Law Reform Commission, Domicile and Habitual Residence, S. 80 f. Irish Law Reform Commission, Domicile and Habitual Residence, S. 80 f.: Der Bericht diskutiert dabei kurz an, ob in Fällen, in denen eine Person aus persönlichen Gründen das alte domicile of choice rasch abschütteln will, diese bis zum Erwerb eines neuen domicile of choice am Ort der engsten Verbindung domiziliert sein sollte. Diese Auffassung lehnt der Bericht aber sogleich aufgrund der unnötigen Komplexität der möglichen Regelung ab. 217 Hong Kong Law Com Report, S. 73. 218 Vgl. nur die ausführliche Darstellung In Re Jones, 192 Iowa 78, (1921) 182 N.W. 227, 230 ff. 219 Vgl. die jeweils gleichlautenden sections der Domicile Acts: „The rule of law whereby the domicile of origin revives upon the abandonment of a domicile of choice without the acquisition of a new domicile of choice is abolished and the domicile a person has at any time continues until he acquires a different domicile.” Sec. 7 Commonwealth Domicile Act 1982, Sec. 6 NSW Domicile Act 1979 (No 118), Sec. 6 Queensland Domicile Act 1981, Sec. 6 NT Domicile Act 1989, Sec. 6 SA Domicile Act 1980, Sec. 6 Victoria Domicile Act 1978, Sec. 6 WA Domicile Act 1981. 220 Sec. 11 New Zealand Domicile Act 1976: „A new domicile acquired in accordance with section 9 continues until a further new domicile is acquired in accordance with that section; and the rule of law known as the revival of domicile of origin whereby a person's domicile of origin revives upon his abandoning a domicile of choice is hereby abolished.” 216

III. Domicile of origin

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Mit diesem Vorgehen erübrigt sich in diesen Ländern auch der zweite Kritikpunkt, nämlich die nach der Ehelichkeit des Kindes differenzierende Anknüpfung. Den diesbezüglichen Handlungsbedarf hat Schottland erkannt. Mit Sec. 21 des Family Law Act 2006 wurde im schottischen Recht zumindest die Unterscheidung nach der Ehelichkeit des Kindes aufgehoben. 4. Stellungnahme Die Verwendung des domicile of origin im Rahmen der revival-Doktrin ist einer der Hauptgründe, warum das Konzept des domicile insgesamt als veraltet empfunden wird. Durch den Rückgriff entsteht eine Anknüpfungskette, die oft zu Komplikationen bei der Rechtsanwendung führt und dabei gleichzeitig häufig das Auffinden der Rechtsordnung mit der engsten Verbindung zum Sachverhalt konterkariert. In vielen Fällen lässt sich sicher mittels des domicile of choice eines Elternteils zum Zeitpunkt der Geburt das erste „Zuhause“, die erste „Heimat“, eines Menschen auffinden, wenn man davon ausgeht, dass das Kind in einem intakten Elternhaus bestimmte prägende kulturelle Werte vermittelt bekommt. Dabei stört aber das strikte Festhalten an der längst überholten patriarchalischen Weltanschauung des Viktorianischen Zeitalters und dessen fortdauernder Bevorzugung des pater familias.224 Die Rolle der Mutter als Wertevermittlerin in der Erziehung des Kindes wird missachtet, die Frau so diskriminiert. Durch die revival-Doktrin entsteht die Gefahr, dass Jahrzehnte später eine Rechtsordnung zur Anwendung kommt, zu der die Person nie in ihrem vorherigen Leben Kontakt hatte und auch nie irgendeine Verbindung aufgebaut hat. Eine ganze Kette von Vorfahren, die niemals in diesem Land waren, ist möglich.225 Die dargestellten Probleme der revival-Doktrin lassen sich ohne Weiteres vermeiden, wie Südafrika, Australien, Neuseeland und Hong Kong 221

Sec. 3 Manitoba Domicile Act 1988: „The common law rules respecting domicile, including, without limiting the generality of the foregoing, (a) the rule known as the revival of domicile of origin whereby the domicile of origin of a person revives upon the abandonment of a domicile of choice;” 222 Sec. 3 South Africa Domicile Act 1992: (1) No person shall lose his domicile until he has acquired another domicile, whether by choice or by operation of law. (2) Notwithstanding any law or the common law, no person's domicile of origin shall revive except within the meaning of section 1 or 2. 223 Sec. 9 Domicile Ordinance (Hong Kong). 224 Vgl. auch Kaser/Knütel, S. 80 ff. zum altrömischen Familienverständnis. 225 Vgl. Dicey/Morris/Collins, S. 141, 6–027.

§ 2 Das Konzept des domicile

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beweisen. Das Mutterland England dagegen hinkt diesbezüglich um Jahrzehnte hinterher.

IV. Domicile of dependency Gleichermaßen wie Kinder werden Menschen, die aufgrund einer geistigen Störung beeinträchtigt sind, als „dependent persons“ bezeichnet. Von diesem Begriff leitet sich die Bezeichnung des domicile of dependency ab.226 Wesentliche Grundsätze entstammen dem common law, wurden zum Teil aber auch gesetzlich im Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 für die Behandlung von Fällen mit Minderjährigen festgesetzt.227 Wie Sec. 4 (4) klarstellt, sind auf sämtliche Konstellationen, die von dem Act nicht erfasst sind, die entwickelten common law-Grundsätze anzuwenden. Die Möglichkeit, eigenständig ein domicile of choice zu begründen bzw. innezuhaben, ist von der subjektiven Voraussetzung, den entsprechenden Willen zu formen, abhängig. Die Fähigkeit diesen Willen zu bilden fehlt aber bei Kindern und Geschäftsunfähigen. 228 Das Abstellen auf den Erziehungsberechtigten bei Kindern führt gleichzeitig dazu, dass das Konfliktpotenzial innerhalb der Familie durch sonst möglicherweise unterschiedliche domiciles verringert wird.229 1. Domicile of dependency von Kindern a) Abgrenzung zum domicile of origin Das domicile of origin erfasst nur den Zeitpunkt der Geburt und ist entsprechend unveränderbar. Findet anschließend ein domicile-Wechsel statt, so betrifft dieser lediglich das domicile of dependency und gerade nicht das unveränderliche domicile of origin. 230 b) „Zeitlicher“ Anwendungsbereich Das Erreichen der Volljährigkeit und der Erwerb der Fähigkeit, eigenständig ein domicile zu begründen, fallen im englischen Recht nicht zusammen. Erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres erreicht der Jugendliche die Volljährigkeit.231 Nach Sec. 3 (1) Domicile and Matrimonial Pro226

Teilweise wird auch vom „domicile of dependence” gesprochen. Gem. Sec. 1 (3) gilt der Act in England, Schottland, Wales und Nordirland. 228 Hayward, S. 181 f.; Clarkson/Hill, S. 312. 229 Clarkson/Hill, S. 312. 230 Hayward, S. 183; Clarkson/Hill, S. 312 f. 231 Vgl. Family Reform Act 1969 (c. 46), Sec. 1 (1): Vor Inkrafttreten des Family Reform Act lag die Grenze zur Volljährigkeit bei 21 Jahren. 227

IV. Domicile of dependency

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ceedings Act kann jedoch bereits nach dem Vollenden des 16. Lebensjahres selbstständig ein domicile of choice begründet werden. 232 Durch eine Heirat vor dem 16. Geburtstag erhält eine Person ebenfalls die Fähigkeit, ein elternunabhängiges domicile of choice zu begründen. Eine solche Heirat kann jedoch nur nach ausländischem, nicht nach englischem Recht erfolgen: Nach Sec. 11 (b) des Matrimonial Causes Act 1973 beträgt das Mindestalter für eine Heirat nach englischem Recht 16 Jahre.233 Anders als in einigen US-amerikanischen Bundesstaaten kann ein Jugendlicher in Großbritannien nicht vor dem Erreichen der Altersgrenze von 16 Jahren (gerichtlich) für voll geschäftsfähig erklärt werden.234 c) Bestimmung des domicile of dependency Vor dem Erreichen der Altersgrenze von 16 Jahren bestimmt sich das domicile des Minderjährigen in Abhängigkeit von den Eltern. Lebt das Kind bei verheirateten Eltern, die beide das gleiche domicile innehaben, so ergeben sich nur wenige Probleme. Doch bereits wenn die Eheleute trotz intakter Ehe und gemeinsamer Ehewohnung unterschiedliche domiciles innehaben,235 wird eine genaue Untersuchung unerlässlich. Hierbei ist zwischen Fällen zu unterscheiden, die dem Domicile and Matrimonial Proceedings Act unterfallen, und solchen, die nach den Grundsätzen des common law zu beurteilen sind. aa) Common law-Grundsätze Das common law unterscheidet auch beim domicile of dependency des Kindes zwischen verheirateten und unverheirateten Eltern: 236 Nach dem common law ist bei verheirateten Eltern das domicile des Vaters für das domicile of dependency des Kindes ausschlaggebend.237 Sofern die Eltern getrennt leben, aber noch nicht geschieden sind, ist das domicile of dependency des Kindes vom Vater abhängig. Dies gilt auch dann, wenn das Kind (ausschließlich) bei der Mutter und in einem anderen Staat als der Vater lebt.238

232 In Hong Kong kann ein eigenständiges domicile hingegen erst mit Vollenden des 18. Lebensjahres gem. Sec. 2 (1) Domicile Ordinance erworben werden. 233 Vgl. auch Hayward, S. 182. 234 Siehe dazu Hay/Borchers/Symeonides, S. 276 m.w.N. 235 Vgl. dafür exemplarisch nur den Fall IRC v Bullock [1976] 1 W.L.R. 1178 (CA), auf den unten noch zurückzukommen sein wird. 236 Siehe schon oben zu dieser Unterscheidung beim domicile of origin. 237 Hayward, S. 182 f., Clarkson/Hill, S. 312 f. 238 McClean/Abou-Nigm, S. 41, 2–036.

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§ 2 Das Konzept des domicile

Vor der Einführung des Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 richtete sich das domicile of dependency nur in zwei Konstellationen nach dem domicile der Mutter: Ist das Kind nichtehelich239 oder stirbt der Vater240, so ist das domicile der Mutter ausschlaggebend. Diese Fallgruppen werden von dem Act nach Sec. 4 (4) nicht beeinträchtigt und weiterhin nach den Grundsätzen des common law gelöst. bb) Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 Der Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 erhöht die Bedeutung des domicile der Mutter für das Kind: “Sec. 4 Domicile and Matrimonial Proceedings Act (2) The child’s domicile as at that time shall be that of his mother if— (a) he then has his home with her and has no home with his father; or (b) he has at any time had her domicile by virtue of paragraph (a) above and has not since had a home with his father. (3) As at any time after the coming into force of this section, the domicile of a child whose mother is dead shall be that which she last had before she died if at her death he had her domicile by virtue of subsection (2) above and he has not since had a home with his father.”

(1) Regelungsgehalt Die Norm erfasst diejenigen Fälle, in denen beide miteinander verheirateten Elternteile am Leben sind, aber getrennt voneinander leben. Nach Sec. 4 (2a) kommt es für die Beurteilung des domicile of dependency auf das domicile der Mutter an, wenn das Kind bei der Mutter lebt (home) und nicht beim Vater. Dies gilt auch, wenn das Kind zu einem früheren Zeitpunkt bei der Mutter gelebt hat und momentan nicht beim Vater lebt, vgl. Sec. 4 (2b). Nach Sec. 4 (3) ist sogar das domicile einer verstorbenen Mutter relevant, wenn das Kind anschließend nicht beim Vater lebt. (2) Unbestimmte Rechtsbegriffe Nicht abschließend geklärt ist bei Sec. 4 (2) i.V.m. (1), welche Anforderungen an das „Getrenntleben“ (living apart) der Eltern zu stellen sind. Dieser Begriff ist ebenso wie „home“ nicht legaldefiniert.

239 Clarkson/Hill, S. 313. Dieser Grundsatz findet sich schon allgemein für das domicile des Kindes formuliert bei Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 457. 240 Potinger v Wightman (1817) 3 Mer 67, 79. Siehe dazu auch In re Beaumont [1893] 3 Ch. 490.

IV. Domicile of dependency

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Sec. 4 (2a) geht seiner Formulierung nach davon aus, dass ein Kind bei jedem Elternteil ein home haben kann, was mittels Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände untersucht werden muss. Maßgeblich kommt es auf die konkrete Verbindung zum Elternteil, nicht zum Wohnort an. 241 Insbesondere muss geprüft werden, wo das Kind sich hauptsächlich und schwerpunktmäßig aufhält bzw. welche Zeitanteile es durchschnittlich bei den Eltern verbringt.242 Des Weiteren muss das Verhältnis zu den Eltern daraufhin untersucht werden, zu welchem Elternteil ein engerer Bezug besteht.243 „Living apart“ soll auch die Fälle erfassen, in denen die Eltern nur aus beruflichen Gründen getrennte Wohnungen und verschiedene domiciles haben. 244 Dem Wortlaut nach ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass das Gesetz nur ein Getrenntleben als Vorstufe zu einer eventuellen Beendigung der Ehe erfassen will. Der Wertung von Sec. 4 (2) nach soll das Kind gerade bei dem Elternteil sein domicile haben, bei dem es sich auch tatsächlich aufhält und zu dem es insofern auch in einem Abhängigkeitsverhältnis steht. In zeitlicher Hinsicht wird aber zu fordern sein, dass eine Trennung von gewisser Dauerhaftigkeit sein muss. So kann nicht jeder mehrwöchige Arbeits- oder Krankenhausaufenthalt eines Elternteils zum Wechsel des relevanten Erziehungsberechtigten führen. 245 Es wird sich dabei aber um eine Einzelfallentscheidung handeln müssen. cc) Sonderfälle (1) Adoptivkinder Für die Beurteilung des domicile of dependency von adoptierten Kindern kommt es, wie schon beim domicile of origin, auf den Adoption and Children Act 2002 an: Ein adoptiertes Kind wird gem. Sec. 67 (1), (5) und (6) so behandelt, als ob es das eheliche Kind der Adoptiveltern sei.246 (2) Waisenkinder Ungeklärt ist die Behandlung von Vollwaisen. Eine explizite Regelung findet sich weder im britischen common law noch in einem Legislativakt. Die US-amerikanischen Rechtsordnungen gehen davon aus, dass das Kind bezüglich des domicil of dependency die Abhängigkeit vom letztver241

Dicey/Morris/Collins, S. 171 ff., 6E–100, 6–105. Dicey/Morris/Collins, S. 171 ff., 6E–100, 6–105. 243 Dicey/Morris/Collins, S. 171 ff., 6E–100, 6–105. 244 Clarkson/Hill, S. 314, Hayward, S. 183. 245 Dicey/Morris/Collins, S. 171 ff., 6–102. 246 Dicey/Morris/Collins, S. 169, 6–094. 242

§ 2 Das Konzept des domicile

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storbenen Elternteil beibehält, bis ein neuer Vormund (legal guardian) ernannt wird.247 Wird ein Vormund nur bezüglich finanzieller Angelegenheiten (guardian over the property) eingesetzt, so hat dies keine Auswirkungen auf das domicil. Ist der Vormund jedoch ein „guardian over the person“, so folgt das domicil des Kindes dem des Vormunds, wenn der Minderjährige mit dem Vormund tatsächlich zusammenlebt.248 Entsprechend kann auch ein gemeinsamer Umzug zu einem Wechsel des domicil führen. Die sonst beim domicile of dependency bestehende per se-Abhängigkeit gibt es damit aber gerade nicht. Für dieses Vorgehen spricht, dass nur der Vormund, der wirklich die Stellung eines Erziehungsberechtigten (in loco parentis) einnehmen kann, tatsächlich in der Lage ist, das domicil des Kindes zu verändern, und auch einen den Eltern entsprechenden Einfluss auf das Kind hat. Dennoch wird keine starre Verankerung des domicile of dependency vorgenommen, wie sie das Konzept im common law vorsieht. Nach anderer Auffassung soll ein Vormund das domicile eines Kindes nur dahingehend ändern können, dass sich dieses domicile in einem Land befindet, in dem die rechtliche Stellung des Vormunds anerkannt wird.249 Diese Ansicht setzt gedanklich voraus, dass sich das domicile des Kindes bisher in einem Land befand, in dem die Vormundschaft nicht anerkannt war, oder dass das Kind sich nun in einem Land aufhält, in dem die Stellung des Vormundes ebenfalls anerkannt wird.250 Beiden Vorgehensweisen fehlt aber der Rückhalt im britischen common law, da bisher keine Entscheidung erging, die sich diesen Auffassungen anschloss.251 Überzeugender ist es daher, keinen domicile-Wechsel des Kindes bis zum Erreichen der Altersgrenze von 16 Jahren zu gestatten.252 Nur diese Auffassung wird dem Konzept des domicile of dependency nach britischem Verständnis vollends gerecht. Der Minderjährige soll (nur) in Abhängigkeit von seinen Eltern beurteilt werden. Ihr Wille substituiert den 247

The American Law Institute, Restatement of the Law Second, § 22, S. 89, Hay/Borchers/Symeonides, S. 332 m.w.N. Allgemein wird in den US-amerikanischen Rechtsordnungen für das domicile des Kindes auf das domicile des Erziehungsberechtigten abgestellt, mit dem das Kind zusammenlebt; Hay/Borchers/Symeonides, S. 329 f. 248 The American Law Institute, Restatement of the Law Second, § 22, S. 92 verwendet insofern den Begriff „natural guardian”, um ein familiäres Näheverhältnis zum Ausdruck zu bringen. Abgegrenzt wird der Begriff vom „appointed guardian“, also einem gerichtlich bestellten Vormund. 249 Dicey/Morris/Collins, S. 169, 6–094. 250 Vgl. dazu Dicey/Morris/Collins, S. 169, 6–094. 251 Die Entscheidung Potinger v Wightman aus dem Jahre 1817 setzt sich lediglich mit der Frage auseinander, ob die Mutter als Erziehungsberechtigte nach dem Tod des Ehemannes dazu berechtigt ist, über das domicile of dependency der Kinder zu bestimmen, oder ob das domicile der Kinder immer dem ihren entsprechen muss. Potinger v Wightman (1817) 3 Mer. 67. 252 Dicey/Morris/Collins, S. 169, 6–094.

IV. Domicile of dependency

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eigenständigen Willen des Kindes. Fehlt das relevante Elternteil, so fehlt auch der entscheidende Bezugspunkt für das domicile of dependency. 253 Dasselbe muss auch für ein nichteheliches Kind gelten, dessen alleinerziehende Mutter stirbt und dessen Vater, zu dem das Kind aber keinerlei Kontakt hat, noch am Leben ist.254 Hier greift der Domicile and Matrimonial Proceedings Act nicht. Da die Mutter als maßgeblicher Bezugspunkt fehlt, sprechen jedoch die genannten Argumente für eine Unveränderbarkeit des domicile des Kindes. d) Kritik Die Rechtfertigungsgründe, die für eine Abhängigkeit des domicile of dependency vom Vater sprechen, sind im Wesentlichen dieselben, die auch für das domicile of origin angeführt werden. Nicht nur für die Entwicklung des Neugeborenen, sondern für die eines Heranwachsenden spielt die wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit vom Vater eine wichtige Rolle.255 Im 19. Jh. und auch in den ersten beiden Dritteln des 20. Jh. war die vorherrschende Rollenverteilung der Geschlechter von der Stellung des Vaters als „male bread-winner“ und der der Mutter als „female house-wife“ geprägt.256 Dementsprechend wenig wurde die Stellung des Mannes als „pater familias“ in Frage gestellt. Das domicile of dependency eines Kindes soll Heimat und Verwurzelung repräsentieren. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, vermittelt – zumindest im Idealfall – die kulturellen Werte, Traditionen und Bräuche des Landes, zu dem die engste Verbindung besteht bzw. in dem beide leben. Eine starre und schwer zu verändernde Anbindung an den Vater, unabhängig von den tatsächlichen Umständen der gelebten Partnerschaft oder Ehegemeinschaft, wurde diesem Anliegen zunehmend nicht mehr gerecht. Die Durchbrechung veralteter Strukturen gelang aber auch dem Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 nicht. Die punktuellen Neuerungen sind zwar sachgerechter als vorherige Präzedenzfälle. Dennoch wagt sich das Gesetz an problematische Konstellationen der „alten“ common law-Prinzipien nicht heran. Obwohl die Stellung der Mutter wesentlich aufgewertet wurde, bestehen weiterhin Ungleichheiten zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern. Insgesamt lassen sich drei wesentliche Kritikpunkte zum domicile of dependency festhalten: Die Unterscheidung zwischen ehelichen und nicht-

253

Dicey/Morris/Collins, S. 169, 6–094. Dicey/Morris/Collins, S. 169, 6–094. 255 So auch Dicey/Morris/Collins, S. 168, 6–091. 256 Zu dieser „klassischen Rollenverteilung“ vgl. insb. Fudge/Vosko, 271, 274. 254

§ 2 Das Konzept des domicile

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ehelichen Kindern, die Ungleichbehandlung von Vätern und Müttern sowie die Behandlung von elternlosen Kindern sind nicht sachgerecht. e) Lösungsvorschläge aa) Law Commissions Ein eigenständiges domicile of choice für Kinder lehnten die Law Commissions ab.257 Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass ein Kind (zumindest ab einem gewissen Alter) eigenständig den Willen bilden könnte, sein domicile in einem bestimmten Land innezuhaben, sei dieser Wille zu stark einer Fremdbeeinflussung bspw. durch die Eltern ausgesetzt, so dass es nicht maßgeblich auf diesen ankommen dürfe.258 Die Law Commissions schlugen daher vor, das domicile bei Kindern völlig neu zu fassen und auf die Abhängigkeit von den Eltern weitestgehend zu verzichten. Das domicile eines Kindes solle in der Rechtsordnung bestehen, zu der das Kind die engste Verbindung (closest connection) hat.259 Für den Fall, dass das Kind im selben Land wie seine Eltern lebe, solle aber die wiederlegbare Vermutung gelten, dass das Kind dort auch sein domicile habe. Dies sei sinnvoll, weil hier die Abhängigkeit von den Eltern die Bestimmung des domicile des Kindes vereinfache. 260 Das Abstellen auf die engste Verbindung ermögliche es, dass alle Faktoren des Einzelfalles hinreichend Berücksichtigung finden und Schwierigkeiten auf subjektiver Tatbestandsebene bezüglich einer Abstufung der Bedeutung des Kindeswillens nach dem Alter verhindert werden könnten.261 Dort, wo eine Abhängigkeit von den Eltern schneller zu sicheren und praxisgerechten Ergebnissen führe, solle sie aber auch weiterhin zur Bestimmung des domicile herangezogen werden können. Dieser Argumentation schloss sich die Law Reform Commission Hong Kong weitestgehend an und sprach sich ebenfalls für die Verwendung der closest connection in Verbindung mit einer abgestuften Vermutungskette aus.262 Sie befürwortete damit ebenfalls eine komplette Neuausrichtung, da sie in ihrer Analyse der Domicile Acts u.a. von Australien,263 Irland,264 und Neuseeland 265 zu dem Ergebnis kam, dass diese sich immer noch zu stark 257

Law Com No. 168, S. 16. Law Com No. 168, S. 16. 259 Law Com No. 168, S. 16. 260 Law Com No. 168, S. 16. 261 Law Com No. 168, S. 16. 262 Hong Kong Law Com Report, S. 48. 263 Vgl. Sec. 4 (2) Domicile Act (Commonwealth): Bei getrennten Eltern wird auf das Elternteil abgestellt, bei dem das Kind sein „principal home“ hat. 264 Vgl. Sec. 4 Domicile and Recognition of Foreign Divorces Act 1986. 265 Vgl. Sec. 6 Domicile Act 1976. 258

IV. Domicile of dependency

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an den common law-Prinzipien und am englischen Recht orientierten und zu sehr auf eine Unterscheidung von ehelichen und nichtehelichen Kindern in Abhängigkeit von Vater und/oder Mutter bestanden.266 bb) Der schottische Family Law Act 2006 In England wurden die Vorschläge der Law Reform Commission 1996 (vorerst endgültig) abgelehnt.267 In Schottland wurde das Reformvorhaben jedoch weiter vorangetrieben. Am 4.5.2006 trat der schottische Family Law Act 2006 in Kraft.268 Einher gingen grundlegende Änderungen am domicile of origin nach schottischem Verständnis. “21 Abolition of status of illegitimacy (1) The Law Reform (Parent and Child) (Scotland) Act 1986 (c.9) shall be amended in accordance with subsections (2) to (4). (2) In section 1 (legal equality of children) – (a) for subsection (1) there shall be substituted – “(1) No person whose status is governed by Scots law shall be illegitimate; and accordingly the fact that a person’s parents are not or have not been married to each other shall be left out of account in – (a) determining the person’s legal status; or (b) establishing the legal relationship between the person and any other person.”; […] 22 Domicile of persons under 16 (1) Subsection (2) applies where – (a) the parents of a child are domiciled in the same country as each other; and (b) the child has a home with a parent or a home (or homes) with both of them. (2) The child shall be domiciled in the same country as the child’s parents. (3) Where subsection (2) does not apply, the child shall be domiciled in the country with which the child has for the time being the closest connection. (4) In this section, “child” means a person under 16 years of age.”

Der Family Law Act 2006 setzt die Vorschläge der Law Commissions um. Wie Sec. 21 zeigt, war es das ausgemachte Ziel, den Status „nichteheliches Kind“ vollständig abzuschaffen. Sec. 22 regelt schließlich das domicile von Kindern völlig neu und unterscheidet nicht mehr zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern. Gemäß Sec. 22 Absatz 2 richtet sich das domicile of dependency nach dem domicile der Eltern, wenn diese (unabhängig von ihrem Ehestatus bzw. ihrem Verhältnis zueinander) im selben Land leben und das Kind bei

266

Vgl. dazu insgesamt Hong Kong Law Com Report, S. 33 ff., 43 ff. Dies bestätigte der Thirtieth Annual Report der Law Commission, (Law Com No. 239, 1996) Absatz 1.15 in Fußnote 24 auf S. 10. 268 Family Law (Scotland) Act 2006 (Commencement, Transitional Provisions and Savings) Order 2006, SSI 2006/212, Art. 2. 267

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§ 2 Das Konzept des domicile

einem oder beiden lebt. Dabei wird aber deutlich, dass auch bei getrennten Eltern jeweils ein Wohnsitz des Kindes bestehen kann.269 Soweit diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, richtet sich das domicile des Kindes nach der engsten Verbindung zu einer Rechtsordnung (closest connection). Eine Definition des unbestimmten Rechtsbegriffes „engste Verbindung“ enthält der Act nicht. Vielmehr soll dessen Ausfüllung der Rechtsprechung überlassen bleiben, wobei jedenfalls eine Gesamtabwägung der konkreten Lebensumstände des Kindes erfolgen müsse.270 Eine Übernahme des Maßstabs des gewöhnlichen Aufenthalts sollte damit gerade nicht erfolgen.271 cc) Südafrika, Hong Kong und Manitoba Mit diesem Vorgehen folgte Schottland im Wesentlichen dem Beispiel Südafrikas, welches schon im Domicile Act 1992 das domicile von Kindern in Sec. 2 entsprechend geregelt hatte. 272 Südafrika war dabei den Vorschlägen der Law Reform Commissions von England und Schottland gefolgt.273 Auch in Hong Kong wird durch Sec. 4 (1) Domicile Ordinance auf die „closest connection“ des Kindes abgestellt. Nach Sec. 4 (2) und (3) soll dabei vermutet werden, dass das Kind das domicile desjenigen Elternteils teilt, mit dem es zusammenlebt.274 Manitoba hatte bereits mit dem Domici-

269 Vgl. den Wortlaut von Sec. 22 Abs. 1 (b): „the child has a home (or homes) with both of them.” 270 Harder, 10 EdinLR (2006) 386, 389. 271 Vgl. dazu Law Com Report, S. 16. Kritisch insg. Beaumont/McEleavy, S. 162 f., Rn. 7.30 f. 272 Vgl. dazu Sec. 2 Domicile Act 1992 “(1) A person not capable of acquiring a domicile of choice as contemplated in section 1 shall be domiciled at the place with which he is most closely connected. (2) If, in the normal course of events, a child has his home with his parents or with one of them, it shall be presumed, unless the contrary is shown, that the parental home concerned is the child's domicile.” 273 Vgl. dazu auch Globig, S. 48 f. 274 Sec. 4 Domicile Ordinance: “(1) A child is domiciled in the country or territory with which he is for the time being most closely connected. (2) Where the child’s parents are domiciled in the same country or territory and the child has his home with either or both of them, it shall be presumed, unless the contrary is proved, that the child is most closely connected with that country or territory. (3) Where the child’s parents are not domiciled in the same country or territory and the child has his home with one of them, but not with the other, it shall be presumed, unless the contrary is proved, that the child is most closely connected with the country or territory in which the parent with whom he has his home is domiciled.”

IV. Domicile of dependency

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le and Habitual Residence Act 1983 eine Modernisierung herbeigeführt, die von denselben Grundgedanken getragen war.275 f) Bewertung Schottland hat mit dem Family Law Act von 2006 die Vorschläge der Law Reform Commissions zur Gleichberechtigung aller Kinder unabhängig vom Familienstand der Eltern konsequent umgesetzt.276 Der Act beseitigt Schwachstellen und ermöglicht dem Rechtsanwender mehr Einzelfallgerechtigkeit bzgl. der konkreten Familienverhältnisse. Die nicht mehr zeitgemäße Differenzierung zwischen Elternteilen und Familienstand wird beseitigt. Nachhaltig gestärkt wird die Selbstbestimmung des Kindes vor dem Erreichen der Altersgrenze von 16 Jahren, da das Kriterium der engsten Verbindung eine Gesamtwürdigung der konkreten Lebensumstände unter Einschluss des Kindeswohls gewährleistet. Dass für vermeintliche Standardfälle, in denen beide Elternteile im selben Land leben, das gemeinsame domicile beider Eltern entscheidend sein soll, ist vor dem Hintergrund der Ursprünge des domicile eine nachvollziehbare Vereinfachung, mit der man sich nicht vollständig von der elternabhängigen Beurteilung des Kindes trennen muss. Südafrika, Hong Kong und Manitoba verfolgen ganz ähnliche Ansätze. 2. Domicile of dependency von Geschäftsunfähigen und geistig Behinderten a) Bestimmung der Geschäftsunfähigkeit Bereits frühe Entscheidungen gehen recht pauschal davon aus, dass geistig behinderte277 bzw. geschäftsunfähige Personen nicht (mehr) über die Fähigkeit verfügen, den für die Begründung und das Innehaben eines domicile of choice notwendigen eigenständigen Willen zu bilden. 278 Dieser Grundsatz hat sich im common law der Commonwealth-Rechtsordnungen etabliert279 und wurde zum Teil auch in den Domicile Acts festgehalten.280 275

Vgl. Sec. 9 (1) Manitoba Domicile and Habitual Residence Act 1983: Im Grundsatz folgt das domicile des Kindes dem der Eltern – wenn diese kein gemeinsames domicile haben, soll das Elternteil ausschlaggebend sein, bei dem sich das Kind im Allgemeinen aufhält („normally and usually resides“). 276 Befürw. auch Harder, 10 EdinLR (2006) 386, 398. 277 Diese wurden früher meist als „lunatics“ bezeichnet. Die Begriffe „insanity“ und „unsoundness of mind“ wurden in diesem Kontext ebenfalls verwendet; vgl. dazu auch Dicey/Morris/Collins, S. 173, 6–109. 278 So Urquhart v Butterfield (1888) L.R. 37 Ch. D. 357, 382. 279 Vgl. dazu ausführlich Hong Kong Law Reform Commission, S. 80 ff. m.w.N. zu Irland, Schottland und Indien. Zur Rechtslage in den USA vgl. bspw. Vincent, Washburn L.J. 43 [2003–2004], 513 ff.

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Ob eine entsprechende Geistesstörung vorliegt, wird allgemein als Tatsachenfrage eingestuft.281 Nicht jede Geistesstörung führt jedoch zum Verlust der Fähigkeit, selbst den erforderlichen Willen für das eigenständige Innehaben eines domicile zu bilden, so dass es auf den konkreten Einzelfall ankommen wird.282 Für die Bestimmung des domicile nach englischem Recht sind vom Gericht nur die englischen Grundsätze (lex fori) anzuwenden, was auch für die Beurteilung einer möglichen Geschäftsunfähigkeit in diesem Zusammenhang gilt.283 Selbst wenn also ein domicile in einem (anderen) Staat anerkannt werden sollte, in dem der domicile-Inhaber als geschäftsunfähig beurteilt wird, ist diese Beurteilung für das britische Gericht irrelevant.284 b) Anknüpfungsgrundsätze Im common law finden sich nur wenige Entscheidungen, die sich mit dem domicile of dependency von Geschäftsunfähigen und Menschen mit geistiger Behinderung befassen. 285 Diesbezüglich ist bei der Bestimmung des domicile of dependency zu unterscheiden: Fehlt der Person die Fähigkeit, subjektiv ein domicile zu begründen bereits vor dem Erreichen der Altersgrenze von 16 Jahren, so behält sie ihr bisheriges domicile of dependency bei.286 Ändert der relevante Elternteil sein domicile, so ändert sich damit auch das domicile des Geschäftsunfähigen. Die oben dargestellten Grundsätze gelten dann mithin über die Altersgrenze von 16 Jahren hinaus. Eine Person, deren Fähigkeit zur freien Willensbildung nach dem Erreichen der Altersgrenze von 16 Jahren aufgehoben ist, kann nicht mehr die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des domicile of choice erfüllen. Dementsprechend behält sie dasjenige domicile, das sie zuletzt innehatte, bevor sie diese Fähigkeit verlor.287 Auch wenn sich der tatsächliche Auf-

280

Vgl. Sec. 7 New Zealand Domicile Act 1976; Sec. 1 (1) South Africa Domicile Act

1992.

281

Vgl. Dicey/Morris/Collins, S. 173 f., 6–109. Dicey/Morris/Collins, S. 174, 6–112. 283 Dicey/Morris/Collins, S. 174, 6–112. 284 Dicey/Morris/Collins, S. 174, 6–112. 285 Die im englischen common law entwickelten Grundsätze werden daher in vielen Commonwealth-Rechtsordnungen Anwendung finden. Vgl. dazu ausführlich Hong Kong Law Com Report, S. 80 ff. m.w.N. 286 Dicey/Morris/Collins, S. 175, 6E–115. 287 Urquhart v Butterfield (1888) L.R. 37 Ch. D. 357. Vgl. auch Clarkson/Hill, S. 317; Dicey/Morris/Collins, S. 173, 6R–107, 6–108; sowie bspw. Re S (1996) 1 FLR 167, (1996) Fam 23; bespr. v. Feenan, EurJHealthL 4 (1997), 81 ff. 282

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enthaltsort (dauerhaft) verändern sollte, so bleibt das alte domicile erhalten und ein Statutenwechsel wird entsprechend verhindert.288 c) Kritik und Ansätze der Law Reform Commission Die starre Festlegung des domicile kann an der Lebensrealität von geistig Behinderten vorbeigehen. 289 So berücksichtigen die Grundsätze in keiner Weise, dass auch ein geistig behinderter Mensch, sei es durch den Umzug in eine Pflegeeinrichtung oder durch den Umzug gemeinsam mit einer ihn betreuenden Person, seinen tatsächlichen Aufenthalt längerfristig verändern kann. 290 Aus demselben Grund ist zu kritisieren, dass das domicile of dependency eines geistig behinderten Kindes nach Erreichen der Altersgrenze dauerhaft an das der Eltern gebunden bleibt.291 Die Law Reform Commissions gehen von wesentlichen Parallelen zwischen dem domicile von Kindern und volljährigen Menschen mit geistiger Behinderung aus.292 Beiden Gruppen fehle die Fähigkeit, ein elternunabhängiges domicile zu erwerben. Dabei müssten aber beide nicht notwendigerweise ein intaktes Verhältnis zu ihren Eltern haben. Insgesamt sei daher die fixierte Abhängigkeit von den Eltern unangemessen. Höchst künstlich wäre auch das Festhalten an einem einmal erlangten domicile unabhängig von jeder tatsächlichen Veränderung.293 Dementsprechend konsequent solle auch bei Menschen mit geistiger Behinderung auf die Rechtsordnung, zu der die engste Verbindung (closest connection) besteht, abgestellt werden. Falls die geistige Behinderung/Beeinträchtigung nur eine vorübergehende sei, so solle die Person bei Wiedererlangung der vollen Einsichtsfähigkeit dieses domicile solange behalten, bis sie eigenständig ein neues domicile of choice begründe.294 Diesem Ansatz schloss sich auch der südafrikanische Gesetzgeber an und regelte das domicile von Geschäftsunfähigen in Sec. 2 des Domicile Act 1992 entsprechend.295 Mit Sec. 8 (1) Domicile Ordinance wird nun entsprechend den Vorschlägen der Hong Kong Law Reform Commission ebenfalls auf die „clo288 Dicey/Morris/Collins, S. 173 f., 6R–107, 6–108, 6–113. Diese Grundsätze inkorporiert der Domicile and Habitual Residence Act 1983 im Wesentlichen in Sec. 10 (1) – (3). Unter engen Voraussetzungen ermöglicht Sec. 10 (5) dem Betreuer eine Verlegung des domicile des Betreuten. 289 Vgl. Law Com No. 168, S. 30. 290 Dicey/Morris/Collins, S. 174, 6–112. 291 Law Com No. 168, S. 30. 292 Law Com No. 168, S. 31. 293 Law Com No. 168, S. 31. 294 Law Com No. 168, S. 31. 295 Vgl. schon oben sowie Globig, S. 49.

§ 2 Das Konzept des domicile

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sest connection“ von Geschäftsunfähigen abgestellt. Auch die Hong Kong Law Reform Commission war nämlich davon ausgegangen, dass damit der Lebenssituation Geschäftsunfähiger besser entsprochen werden könne. 296 d) Bewertung Die Grundsätze des common law können zu unbilligen Ergebnissen führen. Oftmals gehen sie an der Lebenswirklichkeit vorbei, da der tatsächliche Lebensmittelpunkt von Geschäftsunfähigen nicht zwangsläufig vom domicile of dependency in Abhängigkeit vom Betreuer erfasst wird. Diese Problematik ergibt sich aus der starken Abhängigkeit des Konzepts von einer starken subjektiven Komponente. Dies erkennen die Law Reform Commissions zutreffend und fordern eine Objektivierung des domicile mittels Substituierung durch die einzelfallgerechtere engste Verbindung. 3. Domicile of dependency verheirateter Frauen a) England aa) Rechtslage vor dem Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 Vor dem Erlass des Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 galten die Grundsätze des common law auch für das domicile of dependency verheirateter Frauen. Das domicile einer verheirateten Frau entsprach dem des Ehemannes, 297 was die sehr begrenzte Rechtsfähigkeit der Frau nach dem Verständnis der Zeit widerspiegelte. 298 Die minderjährige Frau übernahm anstelle des domicile ihres Vaters das des Ehemannes. 299 Ein von einer volljährigen Frau erworbenes domicile of choice wurde vom domicile of dependency ersetzt. Entscheidend war allein die Hochzeit, eine Betrachtung der tatsächlichen Gegebenheiten wurde vom Gericht nicht durchgeführt. Dies hatte zur Folge, dass auch für den Fall der Trennung und des Wegzugs des Ehemannes das domicile der Frau dem des Mannes entsprach. Dadurch entstanden mitunter abstruse Konstellationen, wie das Beispiel Lord Advocate v Jaffrey300 zeigt: Nach 15 Jahren ehelichen Zusammenlebens in Schottland emigrierte der Ehemann 1893 nach Brisbane, Australien. Dort ging er 1902, ohne zuvor von seiner Ehefrau geschieden worden zu sein, eine weitere (bigame) Ehe ein. Mit seiner ersten Ehefrau in Schottland hatte er zwischen 1893 und ihrem Tod 1915 keinerlei Kontakt mehr gehabt. Über ihren 296

Hong Kong Law Com Report, S. 86 f. O’Brien, S. 81. 298 Scoles/Hay/Borches/Symeonides, S. 264. 299 Dicey/Morris/Collins, S. 165, 6–084. 300 Lord Advocate v Jaffrey [1921] 1 A.C. 146, 147 f. 297

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Scheidungsantrag von 1915 wurde aufgrund ihres Todes nicht mehr entschieden. Das House of Lords bestätigte, dass die Ehefrau in Abhängigkeit von ihrem Ehemann mit domicile im australischen Bundesstaat Queensland starb.301 In Attorney-General for Alberta v Cook stellte der Privy Council nochmals klar, dass die Ehefrau erst durch ein Scheidungsurteil die Fähigkeit zur Bildung eines eigenständigen domicile of choice zurückerhalten hätte.302 Eine „order of judicial separation“, also die gerichtliche Feststellung der Trennung, wurde als nicht ausreichend erachtet.303 bb) Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 (1) Abschaffung des domicile of dependency Durch Sec. 1 (1) des Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 wurde der Grundsatz verankert, dass eine Frau auch nach der Heirat unabhängig vom Ehemann ein domicile begründen oder wechseln kann. Damit wurde, so der vielzitierte Ausspruch von Lord Denning, „the last barbarous relic of a wife’s servitude“ abgeschafft. 304 (2) Übergangsfälle Der Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 rief Schwierigkeiten bei Übergangsfällen hervor.305 Sec. 1 (2) legt fest, dass die Ehefrau, soweit sie vor dem Inkrafttreten am 1.1.1974 geheiratet und ein entsprechendes domicile of dependency erworben hat, ein eigenständiges domicile of choice dort erwirbt, wo sie bisher ihr domicile of dependency innehatte, soweit dies nicht auch ihr domicile of origin ist. Dies gilt aber nur, soweit sie nicht nach dem Inkrafttreten ein neues, anderes domicile of choice erwirbt oder ein früheres domicile wiederauflebt. Mit der Auslegung von Sec. 1 (2) befasste sich die Entscheidung IRC v Dutchess of Portland, welche nach wie vor einen zentralen Präzedenzfall darstellt:306 Eine Frau mit domicile of origin in Kanada heiratete 1948 den Duke of Portland (englisches domicile of choice). Gemeinsam wohnten sie in London. Sie behielt jedoch ein Bankkonto und ein Haus in Kanada, wo sie mit ihrem Mann jeden Sommer zehn bis zwölf Wochen verbrachte. Sie beabsichtigte auch mit ihrem Ehemann dorthin zurückzukehren, sobald dieser im Ruhestand sein würde. Strittig war, ob die Ehefrau für die Jahre 1973–1978 der Steuerpflicht in England unterlag. Hierzu trug sie vor, dass 301

Siehe dazu auch O’Brien, S. 81. Attorney-General for Alberta v Cook [1926] A.C. 444. 303 Attorney-General for Alberta v Cook [1926] A.C. 444, 465. 304 Gray v Formosa, [1963] P. 259, 267. 305 Vgl. dazu auch Pecher, S. 86. 306 IRC v Dutchess of Portland [1982] Ch. 314, 314 f. 302

§ 2 Das Konzept des domicile

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ihre dauerhafte Absicht nicht sei, in England zu bleiben, sondern nach Kanada zurückzukehren. Da das subjektive Element des domicile of choice fehle, habe sie ein solches in England nach dem Stichtag 1.1.1974 nicht erworben. Vielmehr komme es zum Wiedererstarken des domicile of origin in Kanada. Die Chancery Division des High Courts urteilte hingegen, dass die Ehefrau ein domicile of choice in England erworben hatte, welches sie gerade nicht aufgegeben habe. Eine Frau könne sich nur von dem domicile of dependency lösen, wenn sie sich auch von ihrem Ehemann trenne und sich dauerhaft in einem anderen Land aufhalte. Der Gesetzgeber wollte die Frau durch Sec. 1 (2) des Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 gerade nicht so stellen, als ob sie nie ein domicile of dependency erworben hätte.307 Vor dem Stichtag verheiratete Frauen sind damit im Vergleich zu später verheirateten schlechter gestellt. b) Australien, Neuseeland und Manitoba (Canada) Auch in den Domicile Acts Australiens und Neuseelands wurde das domicile of dependency der Frau abgeschafft. Beide Staaten gingen jedoch bezüglich der Regelung der Übergangsfälle einen anderen Weg. Der New Zealand Domicile Act 1976 sieht in Sec. 4 und 5 (1), (2) vor, dass nicht wie in IRC v Dutchess of Portland in zeitlicher Hinsicht unterschieden wird, sondern die Ehefrau ohne Berücksichtigung des einmal bestehenden domicile of dependency „neu“ und unabhängig für den Zeitraum nach dem Geltungsbeginn beurteilt wird.308 Dasselbe Vorgehen sehen für Australien die identisch lautenden Vorschriften Sec. 4 (1) und (2) der Domicile Acts 309 vor. Damit wird die beschriebene Schlechterstellung bestehender Ehen gegenüber neugeschlossenen vermieden. Der Domicile and Habitual Residence Act 1983 von Manitoba schaffte zwar in Sec. 3 (b) das domicile of dependency der verheirateten Frau ab. 307

IRC v Dutchess of Portland [1982] Ch. 314, 327. Sec. 5 New Zealand Domicile Act 1976: “Wife's dependent domicile abolished (1) Every married person is capable of having an independent domicile; and the rule of law whereby upon marriage a woman acquires her husband's domicile and is thereafter during the subsistence of the marriage incapable of having any other domicile is hereby abolished. (2) This section applies to the parties to every marriage, wherever and pursuant to whatever law solemnised, and whatever the domicile of the parties at the time of the marriage.” 309 New South Wales Domicile Act 1979 (No.118), Queensland Domicile Act 1981 (No. 51), Victoria Domicile Act 1978, South Australia Domicile Act 1980 (No. 81), Western Australia Domicile Act 1981 (No. 9231), Northern Territory Domicile Act 1979 (No. 78). 308

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Sec. 11 (1) stellt aber nur klar, dass der Act keine Auswirkung auf das domicile vor Inkrafttreten hat, so dass insofern unklar blieb, wie Übergangsfälle zu behandeln waren. c) Irland Der Domicile and Recognition of Foreign Divorces Act 1986 schaffte in Sec. 1 (1) und (2) das domicile of dependency der verheirateten Ehefrau ab und gab in Sec. 2 und 3 vor, dass das domicile ab Inkrafttreten so zu bestimmen sei, als ob der Act schon immer das common law verdrängt hätte.310 d) Südafrika und Hong Kong Südafrika hat mit dem Erlass des Domicile Act 1992 das domicile of dependency der Frau abgeschafft. Zwar enthält der Domicile Act 1992, anders als andere Domicile Acts, keine Norm, die dies ausdrücklich regelt.311 Die Abschaffung ergibt sich jedoch schon aus der Tatsache, dass der Act nur noch zwischen dem domicile von Erwachsenen und Kindern oder Geschäftsunfähigen unterscheidet und auf eine Sonderrolle der abhängigen Frau gerade nicht mehr eingeht. 312 Auch die Domicile Ordinance Hong Kongs folgt diesem Ansatz. e) USA Seit jeher wurde das domicile of dependency einer Ehefrau in den USA kritisch betrachtet. Anders als die Commonwealth-Staaten, die sich in ihrer rechtlichen Entwicklung lange Zeit stark an Großbritannien orientierten, ging man in den USA schneller einen eigenen Weg. Zwar wurde das Konzept des domicile of dependency durch das common law „ungefiltert“ in die USA übertragen.313 In den USA ließen die Gerichte aber bereits sehr bald Ausnahmen von den Grundsätzen zu, insbesondere in Scheidungssachen. 314 Zwar spreche eine starke Vermutung dafür, dass Eheleute in einer intakten Ehe regelmäßig dasselbe domicile innehaben.315 Bereits 1914 stellte 310 Schon vor der Reform bestanden große Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des common law-Grundsatzes. Der Irish Supreme Court stellte in dem Altfall W v W 1993 schließlich einen Verstoß gegen den in Art. 40.1 der Verfassung verankerten Gleichheitsgrundsatz fest. Vgl. insg. Phelan, ISLR 5 (1995), 5, 7 ff. 311 Vgl. dazu auch Globig. S. 48. 312 Vgl. dazu auch Globig. S. 48. 313 Hay/Borchers/Symeonides, S. 322. 314 Irish Law Reform Commission, Working Paper, S. 26 f. 315 Irish Law Reform Commission, Working Paper, S. 26 f.

§ 2 Das Konzept des domicile

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der Supreme Court jedoch fest, dass die Frau nach geltender Rechtslage zu jeder Zeit auch während einer Ehe eigenständig ein neues domicile of choice begründen könne. 316 Im Laufe des 20. Jh. erfolgte auf Ebene der Bundesstaaten wie in den anderen vom common law geprägten Ländern die legislative Verankerung der generellen Abschaffung des domicile of dependency. 317

V. Domicile of choice Neben dem Vorliegen des objektiven Tatbestandsmerkmals des „Aufenthalts“ (residence) in einem law district muss auch auf subjektiver Tatbestandsseite die Absicht bestehen, dauerhaft in dem law district zu leben (intent to make home permanently). 318 Diese beiden Tatbestandsmerkmale stehen zwar in Wechselbeziehung zueinander, müssen aber getrennt voneinander betrachtet werden.319 1. Erwerb und Verlust eines domicile of choice nach common lawVerständnis Ein domicile of choice kann nur begründet werden, wenn ein objektives und ein subjektives Tatbestandsmerkmal für dieselbe Rechtsordnung festgestellt werden können.320 Ein Aufenthalt ohne Bleibewillen begründet ebenso wenig wie ein Bleibewille ohne Aufenthalt ein domicile of choice.321 Spiegelbildlich dazu wird ein domicile of choice beendet, wenn die Person ihren Aufenthalt in der Rechtsordnung beendet und ihren Aufenthaltswillen nicht mehr aufrechterhält. 322 In diesem Fall kann die Person entwe-

316

Wiliamson v Osenton, 232 U.S. 619, 34 S.Ct. 442, 58 L.Ed. 758 (1913). Vgl. insb. Hay/Borchers/Symeonides, S. 323. 317 Vgl. Irish Law Reform Commission, Working Paper, S. 27; Hay/Borchers/Symeonides, S. 323 f. 318 Vgl. bspw. Forbes v Forbes, 69 ER (1854) 145, 341. 319 Cheshire/North/Fawcett, S. 157. 320 Bell v Kennedy (1868) L. R. 1 Sc & Div 307, 319: „A new domicile is not acquired until there is not only a fixed intention of establishing a permanent residence in some other country, but until also this intention has been carried out by actual residence there.” 321 Dicey/Morris/Collins, S. 142, 6R–033. 322 Dafür ist ausreichend, dass sich die Person in einer anderen Rechtsordnung „sine animo revertendi“ aufhält. Vgl. Re Flynn (Deceased) [1968] 1 WLR 103, 113 ff. Barlow Clowes International Ltd v Henwood, [2008] EWCA Civ 577, Nr. 115. Vgl. dazu insg. Clarkson/Hill, S. 326; Dicey/Morris/Collins, S. 162, 6R-074, 6–076; Kreitlow, S. 125.

V. Domicile of choice

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der sofort ein neues domicile of choice erwerben oder das domicile of origin lebt (nach englischem Verständnis) wieder auf.323 Die Beweislast für einen domicile-Wechsel trifft denjenigen, der sich auf einen solchen beruft.324 Die englische Rechtsprechung arbeitet seit jeher mit einer starken Vermutung (tenacity) zugunsten eines bestehenden domicile. Im Zweifel soll ein neues domicile nach einem Umzug aufgrund der Vermutungsregel nicht begründet werden: Ein bestehendes domicile (ggf. das domicile of origin) wird so lange als existent vorausgesetzt, bis zur Überzeugung des Gerichts dargelegt wurde, dass ein neues domicile erworben wurde.325 2. Erfordernis der residence / (lawful) physical presence Um ein domicile in einer Rechtsordnung zu etablieren, ist nach britischem Verständnis zunächst die dortige (körperliche) Anwesenheit (residence) erforderlich.326 Die Bezeichnung „residence“ ist allerdings nicht unproblematisch, da das englische Recht auch die Anknüpfungspunkte der „residence“, der „ordinary residence“ und der „habitual residence“ kennt.327 a) Grundvoraussetzungen der residence Ob eine residence im Sinne des Konzepts des domicile in einer Rechtsordnung vorliegt, ist eine Tatsachenfrage und rein objektiv für den Einzelfall zu bestimmen.328 Auf ein subjektives Element wie den Willen, „Einwohner eines Landes zu sein“ (animus residendi), kommt es dabei gerade nicht an.329 Bezüglich der Annahme des Elements der residence ist die Rechtsprechung generell wesentlich großzügiger als bei der Beurteilung des

323

Dicey/Morris/Collins, S. 162, 6R–074. Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287: „The onus of proving that a domicil has been chosen in substitution for the domicil of origin lies upon those who assert that the domicil of origin has been lost.” 325 Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287: „The domicil of origin continues unless a fixed and settled intention of abandoning the first domicil and acquiring another as the sole domicil is clearly shewn.” Lord Chelmsford in Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 455: „The question in such a case is not, whether there is evidence of an intention to retain the domicil of origin, but whether it is proved that there was an intention to acquire another domicil", Dicey/Morris/Collins, S. 137, 6R–017, 6–018. 326 Clarkson/Hill, S. 317. 327 Vgl. dazu McClean/Abou-Nigm, S. 20, 2–002. 328 Cheshire/North/Fawcett, S. 158. 329 Dicey/Morris/Collins, S. 143, 6–034. 324

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§ 2 Das Konzept des domicile

Bleibewillens. Es sind diesbezüglich eher qualitative als quantitative Anforderungen an den Aufenthalt zu stellen.330 aa) Eigenschaft als Bewohner Residence erfordert mehr als die rein körperliche Anwesenheit an einem Ort.331 Die Person soll gerade als „Einwohner“ des Landes im law district leben.332 Der reine Aufenthalt als Tourist oder Reisender reicht damit nicht aus.333 Dabei setzt die residence in einer Rechtsordnung jedoch keinen festen Wohnsitz voraus: Die Rechtsprechung hat es insofern als ausreichend für die Etablierung der residence erachtet, dass die Person in Hotels334 oder bei Bekannten übernachtet.335 Im umgekehrten Fall ist Wohneigentum oder Grundbesitz für sich gesehen noch nicht ausreichend, um eine residence zu bejahen.336 Entscheidend ist vielmehr, ob der Eigentümer auch tatsächlich „Bewohner“ ist.337 bb) Mindestdauer des Aufenthaltes Die körperliche Anwesenheit in einer Rechtsordnung unterliegt keiner Mindestdauer und kann damit sehr kurz ausfallen.338 Dies zeigt die US-amerikanische Entscheidung White v Tennant339, die über die Grenzen der USA hinweg Beachtung findet: Der Erblasser lebte in West Virginia an der Grenze zum Bundesstaat Pennsylvania. Auf der ande330 Clarkson/Hill, S. 317 mit Verweis auf den Sachverhalt von Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] AC 588, 595, 598. 331 Dicey/Morris/Collins, S. 143, 6–034. 332 IRC v Dutchess of Portland [1982] Ch. 314, 318 f.: „Residence in a country for the purposes of the law of domicile is physical presence in that country as an inhabitant of it.” 333 Dicey/Morris/Collins, S. 143, 6–034. Diese Differenzierung lehnt Carter als zu pauschal und unpraktisch ab: Menschen könnten sich auch häufig und regelmäßig in einem Land aufhalten, ohne Tourist oder Einwohner zu sein. Carter, 59 BYBIL (1988), 342, 352. 334 Matalon v Matalon [1952] P. 233. 335 Stone v Stone [1958] W.L.R. 1287. 336 Im Fall High Tech International v Deripaska, [2006] EWHC 3276 (QB), hatte sich das Gericht bspw. mit einem Multimillionär zu beschäftigen, der über 20 Häuser auf der Welt besaß, wovon sich allein drei Anwesen im Wert von ca. 40 Millionen Pfund in Großbritannien befanden. 337 In High Tech International v Deripaska, [2006] EWHC 3276 (QB) wurde dies für alle drei Anwesen abgelehnt. So auch IRC v Dutchess of Portland [1982] Ch. 314. 338 Bell v Kennedy (1868) L. R. 1 Sc & Div 307, 320; IRC v Dutchess of Portland [1982] Ch 314, 319. 339 White v Tennant, 31 W.Va. 790, 8 S.E. 596. Vgl. auch Worsham v Ligon, 144 Ga. 707, 87 S.E. 1025.

V. Domicile of choice

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ren Seite der Staatsgrenze mietete er sich ein Haus in der Absicht, dort fortan zu leben. Er vollendete den Umzug seines Hab und Guts spätabends und musste feststellen, dass das Haus in einem noch unbewohnbaren Zustand war. Also kehrte er postwendend nach West Virginia zurück und übernachtete bei seinen Verwandten. Dort erkrankte er und starb, ohne auch nur einmal in seinem neuen Haus übernachtet zu haben. Das Gericht erachtete es als ausreichend, dass der Erblasser sein neues Haus in Besitz genommen hatte, um die residence in Pennsylvania zu bejahen.340 Eine Folgefrage wird jedoch (nicht nur) bei einem sehr kurzen Aufenthalt immer sein, ob die Dauer der Anwesenheit ausreichendes Indiz für die subjektive Tatbestandsseite sein kann.341 Vereinzelt wird (insbesondere in den USA) vertreten, dass es für die Begründung der residence in einer anderen Rechtsordnung ausreichen soll, dass die Person selbst zwar noch nicht in dem neuen Land eingetroffen ist, aber bereits ihre Familie und ihr vollständiges Hab und Gut in dieses Land vorgeschickt hat.342 Es soll dabei genügen, dass die Person „in itinere“ alle wesentlichen Verbindungen zur alten Heimat aufgegeben hat, aber nur „im Geiste“ bereits mit der neuen Heimat verbunden ist. Diese Auffassung leuchtet bei den genannten Konstellationen durchaus ein:343 Ein im Ausland tätiger Soldat, der seit mehreren Jahren nicht mehr am Ort seines domicile of choice war und sich mit seinem Heimatland nicht mehr identifizieren kann, wird zu dem Aufenthaltsort seiner Familie die engste Verbindung haben. Beschließt die Familie, gemeinsam in ein anderes Land umzusiedeln, so wird er oft bereits dann die engste Verbindung zu diesem Land haben, wenn die Familie schon dorthin gezogen ist, er aber noch in dem Land seines Auslandseinsatzes tätig ist. In Großbritannien konnte sich diese Auffassung nicht gegen das „traditionell“ strengere Verständnis von der „Anwesenheit als Bewohner“ durchsetzen.344 Auch die australische Rechtsprechung legt diesbezüglich einen strengen Maßstab an.345

340

Zwar handelt es sich bei dem Fall um einen USA-internen Fall, die Anwendung seiner Prinzipien auf IPR-Sachverhalte ist aber allgemein anerkannt. Vgl. schon: Virginia Law Review, Vol. 4 No. 7 April 1917, S. 583 f. 341 Dicey/Morris/Collins, S. 143, 6–035 f. 342 Vgl. Hay/Borchers/Symeonides, S. 307 f. und insb. The American Law Institute, Restatement of the Law Second, § 16, S. 65. 343 Vgl. The American Law Institute, Restatement of the Law Second, § 16, S. 65. 344 Vgl. Clarkson/Hill, S. 317. Vgl. nochmals oben S. 19 f. zu den unterschiedlichen Grundauffassungen in den USA und Großbritannien. 345 Vgl. Smith v. Smith, 25 FLR (1975) 38, 59.

§ 2 Das Konzept des domicile

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cc) Mehrere Wohnsitze und die chief residence Nach dem common law-Grundsatz kann jeweils nur ein domicile für einen konkreten rechtlichen Sachverhalt bestehen. 346 Dies führt hinsichtlich der residence zu Beurteilungsschwierigkeiten, wenn die Person ihren Aufenthalt auf mehrere Rechtsordnungen verteilt.347 Zunächst ist zu untersuchen, wo die Person „als Einwohner“ lebt. Insofern ist nach dem oben Gesagten zum Aufenthalt als Reisender oder Tourist abzugrenzen.348 Werden die qualitativen und quantitativen Mindestanforderungen der residence erfüllt, so wirft dies die Frage auf, ob zusätzliche Kriterien zur Bestimmung des domicile of choice notwendig sind. (1) Plummer v IRC In der steuerrechtlichen Entscheidung Plummer v IRC stellte das Gericht darauf ab, wo die Person ihre Haupt-residence (chief residence) hat.349 In dem Fall zog die Familie der Steuerzahlerin (domicile of origin in England) von London auf die Kanalinsel Guernsey. Die Steuerzahlerin selbst studierte weiterhin in London. Zahlreiche Wochenenden und die Semesterferien verbrachte sie bei ihrer Familie. In den zwei relevanten Steuerjahren verbrachte sie im ersten Jahr 245 Tage in England und 106 in Guernsey, im zweiten Jahr 247 Tage in England und 87 Tage in Guernsey. Das Gericht ließ das domicile of choice schon auf der objektiven Tatbestandsebene der residence scheitern mit der Begründung, dass die Aufenthaltsdauer in den beiden Steuerjahren zu gering gewesen sei, um eine chief residence in Guernsey zu bejahen. Entlehnt wurde dieser Begriff aus der Entscheidung Udny v Udny, welche eine ähnliche Konstellation untersuchte, nämlich ob ein schottisches domicile of origin durch ein englisches domicile of choice verdrängt wurde.350

346

Vgl. S. 25. Siehe dazu auch den oben bereits erwähnten Fall High Tech International v Deripaska, [2006] EWHC 3276 (QB). 348 Plummer v IRC, (1988) Ch. 314, 318 f. 349 Plummer v IRC, (1988) Ch. 314, 318 f. So auch Clarkson/Hill, S. 318; Cheshire/North/Fawcett, S. 159. 350 Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 458: „Domicil of choice is a conclusion or inference which the law derives from the fact of a man fixing voluntarily his sole or chief residence in a particular place, with an intention of continuing to reside there for an unlimited time.” 347

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(2) Kritik Die Entscheidung wurde stark für ihr Vorgehen kritisiert.351 Zum einen wurde kritisiert, dass die zitierte Stelle aus Udny v Udny keinen wesentlichen Bezug zur vorliegenden Sachverhaltskonstellation habe. Zwei wesentlich relevantere Entscheidungen des House of Lords352 seien hingegen nicht berücksichtigt worden.353 Zum anderen führe die Entscheidung Plummer v IRC unnötigerweise zu einer Verkomplizierung der Tatbestandselemente, da das vermeintlich einfach zu behandelnde Element der residence so schwieriger zu beurteilen sei. 354 Zudem umgehe das Gericht mit seiner Forderung nach einer Mindestaufenthaltsdauer für die residence die Analyse des eigentlich maßgeblichen Aufenthaltswillens.355 Andere Stimmen befürworteten die Entscheidung wiederum, da die Verwendung eines solchen Maßstabes zu einer sinnvollen Objektivierung des domicile beitrage.356 Eine objektivierte Betrachtungsweise wird in den US-amerikanischen Rechtsordnungen verwendet: Entscheidend für die Ermittlung eines principal home ist dabei oftmals, wie viel Zeit die Person am jeweiligen Ort verbringt und welche Qualität ihr Aufenthalt (bspw. Aufenthalt im Ferienhaus) hat.357 (3) Barlow Clowes International Ltd v Henwood In der Entscheidung Barlow Clowes International Ltd v Henwood358 wurde an dem Begriff der chief residence festgehalten, wenngleich nicht (mehr) auf eine Mindestanzahl von Aufenthaltstagen abgestellt und insofern klargestellt wurde, dass die qualitative Verortung der residence insbesondere für die Untersuchung des Bleibewillens relevant sei. 359 351

Vgl. insb. Smart, S. 573 f.; Cheshire/North/Fawcett, S. 159; Kunzlik, 47 CLJ (1988), 189. 352 Aikman v Aikman (1861) 4 LT 374 und Maxwell v M'Clure (1860) 2 LT 65, zitiert nach Smart, OJLS 10 [1990], 572, 573 f. 353 Vgl. insb. Smart, OJLS 10 [1990], 572, 573 f.; Cheshire/North/Fawcett, S. 159; Kunzlik, 47 CLJ (1988), 189. 354 Smart, OJLS 10 [1990], 572, 573 f. Kritisch auch Cheshire/North/Fawcett, S. 159. Kunzlik, 47 CLJ (1988), 189. 355 Vgl. dazu Morgan v Cilento, [2004] EWHC 188 (Ch); Dicey/Morris/Collins, S. 143, 6–035. 356 Fentiman, 50 CLJ (1991), 445. 357 Hay/Borchers/Symeonides, S. 311 m.w.N. 358 Barlow Clowes International Ltd v Henwood [2008] EWCA Civ 577. 359 Barlow Clowes International Ltd v Henwood [2008] EWCA Civ 577, 104: „Inevi tably, any test of chief residence is circular. It cannot simply be a reference to the main home in terms of size or amenities. Nor can it be a reference to the home in which the

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§ 2 Das Konzept des domicile

dd)„Lawful presence“ Ein dem römischen Recht entstammender Grundsatz360 lautet, dass ein domicilium nur dann in einer Stadtgemeinde bestehen bzw. anerkannt werden kann, wenn der vermeintliche domiciliums-Inhaber sich auch rechtmäßig dort aufhalte. Dem folgte lange Zeit auch das common law uneingeschränkt.361 (1) Mark v Mark Im Fall Mark v Mark von 2005362 befasste sich das House of Lords mit der Frage, ob ein domicile in England bestehen kann, wenn die Anwesenheit in England nach dem Immigration Act 1971 strafbar ist. Konkret stellte sich die Frage im Zusammenhang mit der internationalen Zuständigkeit des britischen Gerichts für den Scheidungsantrag der Ehefrau nach Sec. 5 (2) Domicile and Matrimonial Proceedings Act. Beide Beteiligten hatten ihr domicile of origin in Nigeria. Der Ehemann war als Diplomat in Washington D.C., USA tätig. Die Ehefrau ging in der Zeit, als ihr Ehemann in Washington tätig war, einem Masterstudiengang in London nach, besuchte ihren Mann aber regelmäßig in den USA. Die vier gemeinsamen Kinder gingen in Großbritannien zur Schule und später auf die Universität. Als der Mann schließlich nach London zog, erhielt er antragsgemäß ein unbeschränktes Visum für sich und die Kinder, die Frau behielt ihre vom Ehemann unabhängige, beschränkte Aufenthaltserlaubnis. Als diese ohne Verlängerung auslief, wurde sie zum „overstayer“ und ihre andauernde Anwesenheit stellte einen strafbaren Verstoß gegen den Immigration Act 1971 dar. Die Frau beschloss dauerhaft in Großbritannien zu bleiben, als ihr Mann nach Nigeria zurückkehren wollte. Ihrem Scheidungsantrag vor einem englischen Gericht setzte er entgegen, dass dieses mangels eines wirksamen domicile der Frau in England unzuständig sei. Das House of Lords vertrat hier die Auffassung, dass die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes für das domicile of choice irrelevant sei. subject spends the most time. The court has to look at the quality of the residence in order to decide in which country the subject has an intention to reside permanently.” 360 Dig. 50.1.31: „Nihil est impedimento, quo minus quis ubi velit habeat domicilium, quod ei interdictum non sit.“ – „Es gibt keine Einschränkung bezüglich des Ortes, an dem jemand sein domicilium haben kann, solange es ihm dort nicht verboten ist.“ Anders formuliert: Man darf an jedem Ort sein domicilium haben, solange ein Aufenthalt dort nicht verboten ist.“ 361 Vgl. nur: Solomon v Solomon (1912) 29 WN (NSW) 68 und Puttick v AttorneyGeneral [1980] Fam 1 (obiter dictum). Grundlegend zur Problematik: Pilkington, 33 ICLQ (1984), 885 ff. 362 Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., 98; bespr. v. Rogerson, 65 CLJ [2005], 35 ff.

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Lady Hale führte an, dass es Ziel und Zweck des Konzepts des domicile sei, die Person der Rechtsordnung zuzuordnen, zu der diese die engste Verbindung habe.363 Dabei verstoße die Zuordnung zu einer Rechtsordnung, in der sich die Person nicht aufhalten dürfe, gerade nicht gegen die öffentliche Ordnung bzw. den Grundsatz, dass eine Person nicht von ihrem kriminellen Verhalten profitieren dürfe. Das domicile in einer Rechtsordnung verleihe sowohl Rechte als auch Pflichten. Das Konzept des domicile sei insofern neutral und enthalte gerade keine Wertung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt könne sich allerdings auf subjektiver Ebene auswirken bzgl. der Absicht, (trotz Rechtswidrigkeit des Aufenthalts) dauerhaft zu bleiben. Lord Hope364 argumentierte mit den Unterschieden zum römischen domicilium. Das britische domicile habe einen wesentlich engeren Zuschnitt. Es gelte nur im privatrechtlichen und gerade nicht in einem öffentlichrechtlichen Sinne. Beim römischen Konzept sei diesbezüglich aber gerade keine Unterscheidung erkennbar gewesen, was auch die römische Regelung des Verbotes erkläre. Dies schließe das englische Konzept aber aus. Ob ein Verstoß gegen öffentliches Recht (insofern Strafrecht oder Aufenthaltsrecht) vorliege, sei daher hinsichtlich des domicile irrelevant.365 Der Ansatz von Lord Hope kann als etwas pauschal kritisiert werden, weil er zu einem gewissen Teil unterstellt, dass öffentliches und privates Recht völlig unabhängig voneinander zu betrachten seien, was insbesondere im internationalen Privatrecht in ordnungspolitischer Hinsicht und aufgrund des Einflusses grundrechtlicher Wertungen nicht haltbar erscheint.366 Allerdings verdient die pragmatische Argumentation von Lady Hale volle Zustimmung. Abzuwarten bleibt, ob diese Rechtsprechung auch Fälle erfassen soll, in denen die Person bereits illegal in das Land kommt und nicht, wie in Mark v Mark, legal einreist und eine Aufenthaltsgenehmigung erhält, diese aber nicht verlängern lässt.367 Lady Hale geht jedenfalls in Absatz 37 von der universellen Anwendbarkeit der Grundsätze des domicile aus.368

363

Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., 98, Nr. 44 ff. Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., 98. Nr. 3 ff. 365 Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., 98. 366 Vgl. auch Forsyth, 1 JPIL (2005), 335, 342. 367 Vgl. diesbzgl. die Sachverhalte von Puttick v Attorney-General [1980] Fam l und des australischen Falls Solomon v Solomon (1912) 29 WN (NSW) 68. Es könnte von der Rechtsprechung insofern eine Differenzierung („distinguishing“) vorgenommen werden. 368 Abl. diesbezüglich wohl Forsyth, 1 JPIL (2005), 335, 342 f. 364

§ 2 Das Konzept des domicile

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(2) Andere Commonwealth-Rechtsordnungen US-amerikanische 369 und kanadische370 Entscheidungen tendierten schon vor Mark v Mark zu der Annahme, dass die Illegalität der residence per se nicht den Erwerb eines domicile verhindere.371 Südafrika hält weiterhin am Erfordernis der „lawful physical presence“ fest. Dies gibt schon der insofern eindeutige Wortlaut von Sec. 1 (2) des Domicile Act 1992 vor. Die australische Rechtsprechung besteht ebenfalls auf das Erfordernis der lawful physical presence.372 In Neuseeland wird Sec. 9 des Domicile Act 1976 in Anlehnung an die australische Rechtsprechung zur Thematik dahingehend ausgelegt, dass der Aufenthalt rechtmäßig sein muss.373 Sec. 6 und 7 Domicile Ordinance (Hong Kong) unterscheiden zwischen dem domicile in Hong Kong und in einer anderen Rechtsordnung. Bezügl. eines domicile in Hong Kong soll es grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes ankommen, Sec. 6 (1). Wie aber bei der Beurteilung eines domicile in einer anderen Rechtsordnung, Sec. 7, soll es im Einzelfall jedoch nach Sec. 6 (3) möglich sein, von diesem Grundsatz abzuweichen, um eine sachgerechte Beurteilung zu gewährleisten.374 b) Kritik am Element der residence Die Law Commissions wiesen 1987 auf Widersprüche in der Handhabung der residence hin.375 Zwar erfordere residence „etwas mehr als die körperliche Anwesenheit“ in einem Land, die Rechtsprechung sei aber sehr großzügig und habe die residence schon nach wenigen Stunden des Aufenthalts bejaht.376 Aus Vereinfachungsgründen sei es daher zutreffender, den Begriff „Aufenthalt“ (physical presence) zu verwenden.377 Insbesondere stelle dieser Begriff zweifelsfrei klar, dass ein Einwanderer auch sofort nach seiner Ankunft, den notwendigen Willen vorausgesetzt, ein domicile of choice erwerben kann. 378 Dieser Argumentation hat sich auch die Hong Kong Law Commission in ihrem Bericht angeschlossen. 379 369

Vgl. Fn. 22 in Plyler v Doe, (1983) 72 L.Ed. 2d 786, 806. Jablonski v Jablonski (1972) 28 D.L.R 3d 440. 371 Vgl. auch Pilkington, 33 ICLQ (1984), 885, 887. 372 Vgl. Solomon v Solomon (1912) 29 WN (NSW) 68; Lim v Lim [1973] VR 370, 372. Vgl. Tilbury/Davis/Opeskin, S. 420. 373 Näher dazu Hong Kong Law Com Report, S. 65 m.w.N. 374 Vgl. dazu auch Hong Kong Law Com Report, S. 69. 375 Law Com No. 168, S. 24. 376 Siehe dazu White v Tennant, 31 W. Va. 790, 8 S.E. 596. 377 IRC v Bullock [1976] 1 WLR 1178, 1185. 378 Law Com No. 168, S. 24. Vgl. zu dieser Konstellation insbesondere Bell v Kennedy (1868) L.R. 1 Sc. & Div. 307, 319. 379 Hong Kong Law Com Report, S. 63 f. 370

V. Domicile of choice

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c) Vorgehen in anderen common law-Rechtsordnungen Australien, Neuseeland, Südafrika und Hong Kong haben diesen Kritikpunkt in ihren Domicile Acts und in der Rechtsprechung bereits berücksichtigt und verwenden die Formulierung „physical presence“. 380 Die ohnehin liberaleren Vereinigten Staaten nutzen diese Formulierung ebenfalls, wie in § 16 Restatement of the Law Second deutlich wird.381 3. Aufenthaltswille Neben der objektiven Anwesenheit der Person in der Rechtsordnung ist ein entsprechender Aufenthaltswille (animus manendi) notwendig, um eine domicile of choice begründen zu können.382 Obwohl sich Gerichte in der Vielzahl der domicile-Fälle im Kern mit der subjektiven Tatbestandsseite auseinandersetzen, sind viele Aspekte unklar und werden uneinheitlich gehandhabt. a) Aufenthaltswille zugunsten eines konkreten law districts Zunächst setzt der animus manendi voraus, dass ein Aufenthalt in einer konkreten Rechtsordnung gewollt ist. Wenn ein Einwanderer in einem Staat mit mehreren Teilrechtsordnungen ankommt und sich noch nicht entschieden hat, in welcher konkreten Teilrechtsordnung er sich niederlassen will, so fehlt nach englischer Auffassung die erforderliche Absicht für die Begründung eines neuen domicile of choice, auch wenn der Einwanderer dauerhaft in dem Staat bleiben will und sicher nicht mehr in sein Ursprungsland zurückkehren will. 383 Auf diese Konstellation wurde in Australien mit der gleichlautenden Sec. 10 der Domicile Acts 384 reagiert: Wenn eine Person in dem Gesamtstaat domiziliert ist, aber nicht in einem konkre380

Vgl. bspw. Sec. 1 (2) South Africa Domicile Act 1992, Sec. 9 New Zealand Domicile Act 1976, Sec. 5 (2) Ordinance Act (Hong Kong), welche auf die „presence“ abstellen. Vgl. auch Hong Kong Law Com Report, S. 51. 381 The American Law Institute, Restatement of the Law Second, § 16, S. 62. 382 Vgl. auch Kreitlow, S. 107. 383 Eine solche Konstellation ergab sich in dem australischen Fall Re Benko, [1968] SASR, 243: Ein ungarischer Einwanderer kam in Sydney an, war sich aber noch nicht sicher, ob er sich dauerhaft in Victoria oder in New South Wales niederlassen sollte. Klar war aber, dass er auf unbegrenzte Zeit in Australien bleiben wollte. In seiner alten Heimat Ungarn war er verfolgt worden und es stand außer Frage, dass er nie dorthin zurückkehren würde. Das Gericht urteilte hier, dass ihm der erforderliche Wille fehlte, sich in einem bestimmten law district niederzulassen, und verneinte daher ein domicile of choice in einem der australischen Bundesstaaten. 384 Vgl. Commonwealth Domicile Act 1982, NSW Domicile Act 1972, Queensland Domicile Act 1981, NT Domicile Act 1989, SA Domicile Act 1980, WA Domicile Act 1981, Victoria Domicile Act 1978.

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§ 2 Das Konzept des domicile

ten Bundesstaat, so hat sie ein domicile in dem Gesamtstaat und in dem Bundesstaat, zu dem sie die engste Verbindung hat.385 Ähnlich wird das Problem im New Zealand Domicile Act 1976 in Sec. 10 gelöst.386 Hier wird mit einer Kette von Vermutungen gearbeitet, die abgestuft die jeweils engste Verbindung zu einem Bundesstaat darstellen. Ein seltener Sonderfall resuliert aus der Neugründung oder Neugliederung von Staaten.387 1921 wurde Irland in Nordirland und die Republik Irland aufgeteilt. 388 Schon 1873 wurde Queensland von New South Wales abgespalten.389 Auch im umgekehrten Fall, der Vereinigung von Ländern, beispielsweise bei der Wiedervereinigung Deutschlands, kann fraglich sein, für welches Land nun die Absicht besteht, ein domicile innezuhaben. Hier kann nur die Vermutung aufgestellt werden, dass der domicileInhaber ein domicile of choice in dem Landesteil erworben hat, dem er vorher schon angehörte. Diese Vermutung wird aber dann schwer darzulegen sein, wenn sich der domicile-Inhaber an dem Stichtag der Neugliederung gerade keine Gedanken über den Verbleib oder den Wegzug aus dem ehemaligen Staatsteil gemacht hat.390 Eine Einzelfallentscheidung wird dann notwendig. b) Der Wille zum lebenslangen, bedingungslosen Verbleiben In zahlreichen Entscheidungen musste sich die Rechtsprechung mit der genauen Konturierung des Bleibewillens auseinandersetzen. Die Rechtsprechung des 19. und des beginnenden 20. Jh. brachte hierzu höchst umstrittene Urteile hervor. Spätere Entscheidungen führten immer wieder zu 385 Sec. 10 Commonwealth Domicile Act 1982: „A person who is, in accordance with the rules of the common law as modified by this Act, domiciled in a union but is not, apart from this section, domiciled in any particular one of the countries that together form the union is domiciled in that one of those countries with which he has for the time being the closest connection.” 386 Sec. 10 New Zealand Domicile Act 1976: Deemed intention „A person who ordinarily resides and intends to live indefinitely in a union but has not formed an intention to live indefinitely in any one country forming part of the union shall be deemed to intend to live indefinitely – in that country forming part of the union in which he ordinarily resides; or if he does not ordinarily reside in any such country, in whichever such country he is in; or if he neither ordinarily resides nor is in any such country, in whichever such country he was last in.” 387 Vgl. dazu insg. Briggs, S. 30. 388 Dazu Dicey/Morris/Collins, S. 134, 6–008. 389 Vgl. dazu Platt v Attorney-General for New South Wales (1877–78) L.R. 3 App. Cas. 336. Als jüngere Beispiele hierfür seien die Teilung Jugoslawiens in den 1990er Jahren oder die Trennung von Tschechien und der Slowakei 1993 genannt. 390 Vgl. Briggs, S. 30.

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vermeintlichen Relativierungen der Maßstäbe und zu einer gewissen Modernisierung.391 aa) Wille zum lebenslangen Verbleiben Eine wichtige Leitentscheidung bezüglich des animus manendi ist Udny v Udny aus dem 1869.392 Lord Westbury forderte in darin die Absicht „für eine unbegrenzte Zeit“ (for an unlimited time) am Ort der residence zu verbleiben.393 Darunter verstand er die positive Absicht zu einem allgemeinen und zeitlich unbegrenzten Aufenthalt.394 Er ging damit vom Willen zum „lebenslangen“ Aufenthalt (animus semper manendi/ultimate home) aus.395 Negativ formuliert ist darunter der Wille zu verstehen, niemals mehr an einem anderen Ort leben zu wollen (animus manendi et non revertendi).396 In Mark v Mark fand sich die etwas modernere Formulierung „intention to reside permanently or indefinitely“. 397 Auch in der aktuellen Entscheidung Barlow Clowes International Ltd v Henwood hielt Lady Arden im Zusammenhang mit der „intention to make home permanently or indefinitely” am Erfordernis des Willens zum ultimate home fest und bestätigte den Maßstab von Udny v Udny.398 Eine Abgrenzung zum Gegenbegriff „kurzfristig“ hilft aber bei der Auslegung wenig. Eine Person, die nur für einen klar umgrenzten Zeitraum (bspw. auf Grund eines befristeten Arbeitsvertrages) in einem Land bleiben will, hat nicht die erforderliche Absicht, dauerhaft zu bleiben, ganz unabhängig davon, wie streng man diese Dauerhaftigkeit auffasst und wie lang der befristete Aufenthalt ausfallen mag. 399

391

Begrenzt wird die gerichtliche Modernisierung aber durch den Grundsatz des stare decisis, der die untergerichtliche Rechtsprechung an die Entscheidungen der höheren Instanzen bindet und insofern ein Aufbrechen von Strukturen erschwert. 392 Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441. 393 Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 458. 394 Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 458: „[…] and it must be residence fixed not for a limited period or particular purpose, but general and indefinite in its future contemplation.” 395 Zum Teil findet sich auch das Erfordernis der „intention to reside permanently“, vgl. Doucet v Geoghegan (1878) 9 Ch D 441, 452 f., 457. Näher dazu sogleich. 396 Re Craignish [1892] 3 Ch. 180 (CA): „The domicil of a person is that place or country in which his habitation is fixed without any present intention of removing therefrom.” 397 Mark v Mark, [2006] 1 AC 98, Nr. 39. 398 Barlow Clowes v Henwood v Henwood [2008] EWCA Civ 577, Nr.14. 399 Vgl. auch Attorney-General v Lady Rowe (1862) 1 H. & C. 31., 158 E.R. 789.

§ 2 Das Konzept des domicile

62 bb) Bedingungsloser Wille

Problematisch sind vor allem Fälle, in denen eine Person zwar einen aktuellen Aufenthaltswillen hat, ihr dauerhaftes Verbleibenwollen aber von dem Eintritt einer Bedingung abhängt.400 Im Grundsatz darf der Wille zum dauerhaften Aufenthalt nicht unter Bedingungen oder Vorbehalten stehen. 401 Die beiden Elemente des dauerhaften und des vorbehaltlosen Verbleibenwollens in der Rechtsordnung sind dabei untrennbar miteinander verknüpft, da sie sich gegenseitig bedingen. Alte Entscheidungen wie Winans v Attorney-General 402 und Ramsay v Liverpool Royal Infirmary 403 lehnten den Erwerb eines domicile of choice bereits dann ab, wenn der geringste Vorbehalt, bspw. in Form der vagen Hoffnung, irgendwann einmal in seine alte Heimat zurückzukehren, bestand.404 Ein solcher Vorbehalt sollte den Willen, dauerhaft und bis zum Lebensende in der Rechtsordnung zu verbleiben, ausschließen. Jüngere Entscheidungen wie Re Fuld’s Estate (No 3) 405 versuchten jedoch eine Neuausrichtung der Kriterien zur Beachtlichkeit von Vorbehalten und Bedingungen. Eine völlig einheitliche Linie scheint es aber nicht zu geben. (1) Re Fuld’s Estate (No 3) Scarman J erachtete es in Re Fuld’s Estate (No 3) 406 aus dem Jahre 1968 für ausreichend, dass die Absicht bestehe, auf unbestimmte Zeit (indefinitely) zu verbleiben, und wich insofern von den strengen Vorgaben ab.407 Zusätzlich arbeitete er Anhaltspunkte für eine Unterscheidung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Vorbehalten sehr sauber heraus. Demnach ist zwischen zwei Arten des Vorbehalts, das Aufenthaltsland zu verlassen, zu unterscheiden: 408 400

Vgl. auch Kreitlow, S. 110. Vgl. Cheshire/North/Fawcett, S. 160. 402 Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287, 292 f. und 295 ff. 403 Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] A.C. 588. 404 Hayward, S. 188. 405 Re Fuld’s Estate (No 3) [1968] P. 675. 406 Re Fuld’s Estate (No 3) [1968] P. 675, 684 f. 407 Re Fuld’s Estate (No 3) [1968] P. 675, 684 f. 408 Scarman J, Re Fuld’s Estate (No 3) [1968] P. 675, 684 f.: „If a man intends to return to the land of his birth upon a clearly foreseen and reasonably anticipated contingency, e.g., the end of his job, the intention required by law is lacking; but, if he has in mind only a vague possibility, such as making a fortune (a modern example might be winning a football pool), or some sentiment about dying in the land of his fathers, such a state of mind is consistent with the intention required by law. But no 401

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Wenn der Vorbehalt vage oder ungewiss oder sein Eintritt sehr unwahrscheinlich ist, so liegt die erforderliche Absicht zur Begründung eines domicile of choice im Aufenthaltsland dennoch vor.409 Mit solchen Vorbehalten soll der Wille dauerhaft zu verbleiben nicht ausgeschlossen werden. Dies entspricht der Linie zahlreicher Entscheidungen aus der Vergangenheit zu Vorbehalten bzgl. vager und ungewisser Ereignisse: Das Ziel im Land zu bleiben, bis man sich „ein Vermögen“ 410 angehäuft hat oder „solange man glücklich“ 411 ist, ist zu unbestimmt und deswegen kein Vorbehalt, der den Erwerb eines domicile of choice verhindert. Wenn der Vorbehalt in der Annahme eines klar vorhersehbaren und vernünftigerweise zu erwartenden Ereignisses getroffen wird, so liegt die erforderliche Absicht zur Begründung eines domicile of choice im Aufenthaltsland nicht vor.412 In Grenzfällen will Scarman J daher in einer Einzelfallentscheidung auf die persönliche Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts durch den domicile-Inhaber abstellen.413 (2) IRC v Bullock Auch die Entscheidung IRC v Bullock414 setzte sich mit Vorbehalten bzgl. des animus manendi auseinander. Bullock hatte ein kanadisches domicile of origin und kam im Alter von 22 Jahren nach England, wo er sein ganzes clear line can be drawn: the ultimate decision in each case is one of fact – of the weight to be attached to the various factors and future contingencies in the contemplation of the propositus, their importance to him, and the probability, in his assessment, of the contingencies he has in contemplation being transformed into actualities.” 409 Clarkson/Hill, S. 319. 410 Doucet v Geoghegan (1878) 9 Ch D 441, 448. Vgl. auch die Aussage von Lord James in Doucet v Geoghegan (1878) 9 Ch.D. 441, 457: „A man who says that is like a man who expects to reach the horizon, he finds it at last no nearer than it was at the beginning of his journey. Nothing can be imagined more indefinite than such declarations.” 411 Vgl. dazu die Ausführungen von Buckley J in IRC v Bullock [1976] 1 W.L.R. 1178, 1186: „No doubt, if a man who has made his home in a country other than his domicile of origin has expressed an intention to return to his domicile of origin or to remove to some third country upon an event or condition of an indefinite kind; for example “if I make a fortune” or “when I've had enough of it” it might be hard, if not impossible, to conclude that he retained any real intention of so returning or removing.” 412 Vgl. die Formulierung „clearly foreseen and reasonably anticipated” in Re Fuld’s Estate (No 3) [1968] P 675, 684. Vgl. auch Clarkson/Hill, S. 320, Cheshire/North/ Fawcett, S. 160. Ein aktuelleres Beispiel für eine solche Bedingung ist die Entscheidung Cramer v Cramer 1986 WL 408381: Das Gericht lehnte das domicile of choice einer Fränzösin in England ab, da sie ihr dauerhaftes Verbleiben in England vom Erfolg ihrer Scheidung und der Scheidung ihres neuen Lebenspartners abhängig gemacht hatte. 413 Vgl. auch Kreitlow, S. 112. 414 IRC v Bullock [1976] 1 W.L.R 1178 (CA). Siehe dazu auch Briggs, S. 29; Stone, S. 13 f.

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Arbeitsleben (44 Jahre) verbrachte und auch eine vier Jahre jüngere Engländerin heiratete. Er hatte zunächst die Absicht, mit seiner Frau seinen Ruhestand in Kanada zu verbringen. Nachdem diese sich aber strikt weigerte, hegte er den Wunsch dorthin zurückzukehren, für den Fall, dass er länger als sie leben würde. Das Gericht urteilte, dass er kein domicile of choice in England erworben, sondern das domicile of origin in der kanadischen Provinz Nova Scotia beibehalten habe.415 Die Aussagen von Udny v Udny zum animus manendi werden in IRC v Bullock416 kritisch untersucht und bestätigt. Lord Buckley kommt dabei zu folgendem Ergebnis bzgl. des für die Begründung eines domicile notwendigen Willens: „In my judgment, the true test is whether he intends to make his home in the new country until the end of his days unless and until something happens to make him change his mind.” Zwar komme es auf den Willen an, bis zum Lebensende in dem Land zu bleiben. Es bleibe aber die Möglichkeit bestehen, dass unvorhergesehene Tatsachen diese Absicht später abändern. Die Absicht muss also nicht unwiderruflich bestehen, was insofern eine leichte Relativierung von Udny v Udny ist.417 Die Entscheidung griff jedoch nicht auf den in Re Fuld’s Estate (No 3) angelegten Beurteilungsmaßstab zurück, welcher danach fragte, ob aus der subjektiven Perspektive des domicile-Inhabers ein klar vorhersehbares und vernünftigerweise zu erwartendes Ereignis den Erwerb eines domicile of choice verhindere. Stattdessen untersucht die Entscheidung, ob objektiv eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts gegeben ist („was there sufficiently substantial possibility of the contingency happening“).418 Diesen Maßstab anwendend kam das Gericht zu dem Schluss, dass Bullock nie die für ein domicile of choice erforderliche Absicht gehabt habe. Sein Wille in England zu bleiben, habe stets unter der Bedingung gestanden, nach dem Tode seiner Frau nach Canada zurückzukehren. Die Annahme, dass seine vier Jahre jüngere Frau vor ihm sterben werde, sei eine mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretende Bedingung, die den Erwerb eines domicile of choice ausschließe.419 Insofern wurde die Möglich415

Konsequenterweise erhielt seine Ehefrau damit nach dem englischen Recht vor der Einführung des Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 ein domicile of dependency in Ontario, Kanada, obwohl sie sich ja gerade geweigert hatte, mit ihrem Mann dorthin zu ziehen. Vgl. McClean/Abou-Nigm, S. 33, 2–021. 416 IRC v Bullock [1976] 1 W.L.R. 1178, 1184 f. 417 IRC v Bullock [1976] 1 W.L.R. 1178, 1184 f. Vgl. auch Kreitlow, S. 109. 418 IRC v Bullock [1976] 1 W.L.R. 1178, 1186. 419 Lord Buckley geht in IRC v Bullock [1976] 1 W.L.R 1178 (CA), 1186 davon aus, dass eine „sufficiently substantial possibility of the contingency happening“ vorliege: „We must, in my opinion, proceed upon the footing that the possibility of the taxpayer

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keit des Bedingungseintritts anhand des Maßstabs eines objektiven Betrachters beurteilt. (3) Stellungnahme und weitere Entscheidungen In Bullock v IRC war es durchaus möglich, dass die Ehefrau vor ihrem Ehemann sterben würde. Bullock musste aber vernünftigerweise nicht davon ausgehen, dass seine vier Jahre jüngere Ehefrau ohne Anzeichen einer terminalen Krankheit und bei üblicher Lebenserwartung vor ihm sterben würde. Durch die „leichtfertige“ Annahme eines relevanten Vorbehalts entfernt sich Bullock v IRC von der Lebenswirklichkeit der Person und führt insofern die Linie des House of Lords hinsichtlich einer starken Vermutung zugunsten des domicile of origin fort.420 Die grundlegende Idee des domicile spricht aber für den subjektiven Maßstab von Re Fuld’s Estate (No 3): Für die Begründung eines domicile soll die Selbstbestimmung der Person ausschlaggebend sein.421 Ein Abstellen auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Bedingungseintritts übergeht insofern die subjektiven Hoffnungen und Erwartungen der Person.422 Zum Teil wurde in Entscheidungen der Folgezeit wie Cramer v Cramer423 anhand eines objektiven Erwartungshorizontes entschieden. Das Gericht lehnte das domicile of choice einer Französin in England ab, da sie ihr dauerhaftes Verbleiben in England vom Erfolg ihrer Scheidung und der Scheidung ihres neuen Lebenspartners und dem anschließenden Zusammenleben in England abhängig gemacht hatte. Der Eintritt dieser Bedingung sei aber objektiv unwahrscheinlich gewesen und ihre Absichten in England zu verbleiben insofern vage und spekulativ. Entscheidungen wie Re Furse424 und Bheekhun v Williams425 tendieren hingegen zu der subjektiven Betrachtungsweise. In Re Furse hatte der Erblasser ein domicile of origin in Rhode Island, USA, und lebte mit seiner Familie auf einer Farm in England. Es war seine Absicht so lange dort zu leben, wie es ihm möglich sein würde, ein „aktives Leben auf der Farm “ zu führen. Das Gericht urteilte, dass dieser Vorbehalt nicht ausreiche, um ein domicile of choice in England abzulehnen. Es kam stets nur auf die surviving his wife is not unreal and that he is at least almost as likely to survive her as she is to survive him.” 420 Vgl. McClean/Abou-Nigm, S. 33, 2–021. 421 Clarkson/Hill, S. 321. Vgl. auch Kreitlow, S. 112. 422 Clarkson/Hill, S. 321. Vgl. auch Kreitlow, S. 112. 423 Cramer v Cramer 1986 WL 408381. 424 Re Furse [1980] 3 All ER 839. 425 Bheekhun v Williams [1999] 2 FLR 229; Clarkson/Hill, S. 319.

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eigene subjektive Einschätzung des Erblassers bezüglich seiner Gesundheit an. Der Erblasser habe aber nicht die Absicht gehabt, England zu verlassen.426 Die Entscheidung Bheekhun v Williams aus dem Jahre 1999 stellt ebenfalls auf die subjektive Erwartung der Person ab, ob die Bedingung bzw. der Vorbehalt eintreten kann, und legt keinen objektiven Erwartungshorizont an.427 Eine völlig eindeutige „modernisierte“ Linie hat sich damit in der englischen Rechtsprechung insgesamt nicht herausgebildet. cc) Subjektive Maßstäbe in anderen Rechtsordnungen In anderen Commonwealth-Rechtsordnungen werden unterschiedlich strenge subjektive Maßstäbe vorgegeben. Die irische Rechtsprechung orientiert sich generell stark am englischen common law und setzte ebenfalls die „intention to reside permanently or indefinitely“ voraus. Dabei wurde allgemein nicht von einem eigenständigen Gehalt von „indefinitely“ ausgegangen, so dass der Maßstab insgesamt ebenso streng wie im englischen Recht war.428 Die irische Law Reform Commission stellte jedoch schon 1981 einen zunehmenden Trend zu weniger strengen Anforderungen in der Rechtsprechung fest.429 In Australien setzen die Domicile Acts die „intention to make his or her home indefinitely in that country” 430 und in Neuseeland „to live indefinitely“ 431 zur Begründung voraus. Schon vor der Einführung der Acts ging die australische Rechtsprechung in Hyland v Hyland432 dazu über, die Anforderungen an das Willenselement im Vergleich zum englischen common law etwas abzuschwächen und zu relativieren. Allgemein wird vertreten, dass der in Hyland v Hyland festgelegte Maßstab auch für die subjektiven Voraussetzungen nach den Domicile Acts in Australien und Neuseeland Gültigkeit behalten hat.433 Asprey JA führte in Hyland v Hyland zum anzulegenden Maßstab aus: „In the context of the principles applicable to a domicile of choice I am of the opinion that the use of the word 'permanent' means nothing more than Lord Westbury's phrase 'general and indefinite' which, as I understand 426

Vgl. Stone, S. 20; Hayward, S. 189. Bheekhun v Williams [1999] 2 FLR 229; Clarkson/Hill, S. 319. 428 Vgl. Davies v Ardair [1895] 1 IR 379, 425. 429 Irish Law Reform Commission, Domicile and Habitual Residence, 1981, S. 78. 430 Vgl. nur beispielhaft für Australien: Commonwealth Domicile Act 1982, Sec. 10: „The intention that a person must have in order to acquire a domicile of choice in a country is the intention to make his or her home indefinitely in that country.” 431 New Zealand Domicile Act 1976 Sec. 10: „A person who ordinarily resides and intends to live indefinitely […]”. 432 Hyland v Hyland (1971) 18 FLR 461. 433 Vgl. Tilbury/Davies/Opeskin, S. 432, 434; Hong Kong Law Refom Commission Report, S. 52. Für Neuseeland: Humphries v Humphries [1992] NZFLR 18. 427

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it, produces the result that the person's intention is one which, when formed, is to remain a resident of the country for a period then regarded by him as unlimited in time and without having addressed himself to the question of giving up such residence and leaving the country of his choice upon the happening of some particular and definite event in the foreseeable future notwithstanding that he may entertain in the phraseology which appears to have been coined by Story (Conflict of Laws, 8th ed p 50) a floating intention to return at some future period of time to his native country […]“434 Wie in Re Fuld’s Estate (No 3) wird auch hier danach gefragt, ob der domicile-Inhaber aus seiner momentanen Perspektive die Rückkehr in eine andere Rechtsordnung von einem bestimmten Ereignis in absehbarer Zeit abhängig machen will. Zwar wird damit grundsätzlich an den Anforderungen an die Dauerhaftigkeit festgehalten. Eine Differenzierung zwischen starken und schwachen Vorbehalten ist jedoch möglich. Während sich also die Linie von Re Fuld’s Estate (No 3) in England bis auf Weiteres nicht eindeutig durchsetzen konnte, erfährt sie in den anderen CommonwealthRechtsordnungen weitestgehend Zustimmung. Diesem Ansatz folgt auch das südafrikanische Recht, das auf die „intention to settle for an indefinite period“ abstellt 435 und sich bei der Auslegung ebenfalls an Re Fuld’s Estate (No 3) orientiert.436 Die US-amerikanischen Rechtsordnungen sind insofern noch deutlich großzügiger.437 Ausreichend ist hier bereits, dass die Person ihr domicile an einem Ort begründen will, auch wenn in der Zukunft Änderungen des domicile zu erwarten sind.438 Insofern wird die „intention to make that place his home for the time being at least” ausreichend sein.439

434

Hyland v Hyland (1971) 18 FLR 461, 464. Vgl. South Africa Domicile Act 1992 Sec. 1 (2): „A domicile of choice shall be acquired by a person when he is lawfully present at a particular place and has the intention to settle there for an indefinite period.”; New Zealand Domicile Act 1976 Sec. 10: „A person who ordinarily resides and intends to live indefinitely […]”. Vgl. nur beispielhaft für Australien: Commonwealth Domicile Act 1982, Sec. 10: „The intention that a person must have in order to acquire a domicile of choice in a country is the intention to make his or her home indefinitely in that country.” 436 Hong Kong Law Com Report, S. 69. 437 Vgl. The American Law Institute, Restatement of the Law Second, § 18, S. 70. Vgl. auch Beale, S. 147. 438 Vgl. The American Law Institute, Restatement of the Law Second, § 18, S. 70; dazu HayBorchers/Symeonides, S. 308, 309 f. m.w.N. aus der Rspr. sowie Bungert, IPRax 1993, 10, 14. 439 Vgl. The American Law Institute, Restatement of the Law Second, § 18, S. 70; dazu Hay/Borchers/Symeonides, S. 308, 309 f. m.w.N. aus der Rspr. 435

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dd) Law Reform Commissions Das englische Recht legt an den animus manendi einen sehr strengen Maßstab an. Nur selten wird die positiv formulierte Absicht, in einem Land bis zum Lebensende zu bleiben, vorliegen. 440 Viel öfter wird sich eine Person in einem Land aufhalten und die Absicht haben, momentan und bis auf Weiteres nicht umzuziehen.441 Die Law Commissions sprachen sich insofern für eine Modernisierung der Formulierung der Willenskomponente aus, um domicile-Wechsel zu erleichtern. 442 Bei der Verwendung eines zu strengen Maßstabes bestehe die Gefahr, dass viele Menschen nie und nirgendwo ein domicile of choice erwerben könnten, wenn sie den positiven vorbehaltlosen Willen, bis zum Ende ihrer Tage an einem Ort zu bleiben, aufweisen müssten.443 Gleichzeitig würde die Gefahr erhöht, künstliche Ergebnisse zu produzieren. Sie untersuchten insofern, ob eine vollständige Ersetzung der „intention to reside permanently“ (dauerhaft) durch die „intention to reside indefinitely“ (unbestimmt) möglich sei, lehnten dies aber ab, weil dadurch ein zu schneller domicile-Erwerb möglich wäre, auch wenn keine dauerhafte Verbindung zur Rechtsordnung gewünscht sei.444 Daher sprachen sich die Law Commissions dafür aus, die Absicht zukünftig als „intention to settle in a country for an indefinite period“ zu fassen („Wille, sich für eine unbestimmte Zeit niederzulassen“).445 Durch das mit der Wortwahl „to settle“ implizierte Niederlassen werde auch sichergestellt, dass ein Aufenthalt, der einem bestimmten, unbestimmte Zeit in Anspruch nehmenden Zweck diene, nicht zum domicile-Erwerb führen könne. Für die Beurteilung von Vorbehalten soll weiterhin das in Re Fuld’s Estate (No 3) Gesagte gelten, um insofern auszuschließen, dass pauschale Vorbehalte zur Verneinung des Willenselements führen können.446 Dieser Ansatz wurde grundsätzlich auch von der Hong Kong Law Reform Commission befürwortet.447 In ihrer Analyse sprach sie sich für den in Australien verwendeten Maßstab aus. Entgegen der Auffassung der englischen und schottischen Law Commissions sei der Maßstab „to make his or her home in that country for an indefinite period“ am besten geeignet, da er den Grundgedanken des domicile als Zuhause bzw. Heimat der Person am bes440

Dicey/Morris/Collins, S. 145, 6–040. Vgl. auch die Argumentation in Re Fuld’s Estate (No 3), [1968] P. 675, 684 f. 442 Law Com No. 168, S. 25. 443 Law Com No. 168, S. 25. 444 Law Com No. 168, S. 25. 445 Law Com No. 168, S. 25. 446 Law Com No. 168, S. 25 f. 447 Hong Kong Law Com Report, S. 70. 441

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ten verkörpere und klarer in der Rechtsanwendung sei. 448 Dieser Maßstab wurde schließlich auch in Sec. 5 (2) b) Domicile Ordinance übernommen. ee) Bewertung Auch bei der Formulierung des Maßstabes der subjektiven Tatbestandsseite zeigt sich, dass die übrigen Commonwealth-Rechtsordnungen im Vergleich zu Großbritannien einen etwas weniger strengen und moderneren Maßstab anlegen. Wenngleich die Formulierungsunterschiede nur schwer fassbar erscheinen, sind die von den übrigen Commonwealth-Rechtsordnungen verwendeten Ansätze allesamt praxisgerechter, da sie prinzipiell den domicile-Wechsel erleichtern und in stärkerem Maße versuchen, künstliche Ergebnisse zu vermeiden. c) Voluntary residence Wie schon der Begriff des domicile of choice selbst zum Ausdruck bringt, geht man allgemein davon aus, dass das domicile aus freien Stücken begründet werden soll.449 In Udny v Udny heißt es dazu: „There must be a residence freely chosen, and not prescribed or dictated by any external necessity, such as the duties of office, the demands of the creditors or the relief from illness.”450 Nicht immer klar ist die Grenze zwischen objektiver und subjektiver Tatbestandsseite und der Einordnung als eigenständiges Tatbestandselement oder als Fallgruppe, bei der besondere Beweisschwierigkeiten auftreten. Zwar könnte man dafür argumentieren, dass die Begründung des domicile schon auf objektiver Ebene scheitert, wenn das Element des freiwilligen Aufenthaltes fehlt. Für die Beurteilung der residence ist aber gerade kein Wille, kein animus residendi, erforderlich. In der Regel wird das Vorliegen der Freiwilligkeit aber als Indiz dafür zu werten sein, dass eine Person ihr domicile in einer Rechtsordnung begründen oder beibehalten will.451 Die Prüfung der Freiwilligkeit erfolgt daher ganz überwiegend auf subjektiver Tatbestandsseite, wenngleich auch die genaue Verortung uneinheitlich ist.452 Wesentliche Unterschiede ergeben sich bei der einzelfallbezogenen Beurteilung zwischen den unterschiedlichen CommonwealthRechtsordnungen hingegen nicht.

448

Hong Kong Law Com Report, S. 69. Vgl. Cheshire/North/Fawcett, S. 167. 450 Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 458. 451 Vgl. Dicey/Morris/Collins, S. 155, 6–057. 452 Vgl. auch Kreitlow, S. 107. 449

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Schon Udny v Udny stellt klar, dass eine Person den Willen zur Begründung eines domicile frei und ohne fremden Einfluss bilden muss.453 Bei gewissen Fallgruppen ist diese freie Willensbildung allerdings unter Umständen nicht gegeben: aa) Gefängnisinsassen/Strafgefangene Bei Gefangenschaft wird kein freiwilliger Aufenthalt an dem konkreten Ort des Gefängnisses angenommen. Der Inhaftierte behält daher seinen letzten Aufenthaltsort und damit sein domicile vor Antritt der Haftstrafe.454 bb) Von Abschiebung bedrohte Personen Jemandem, dem die Abschiebung droht, mag der notwendige Wille fehlen, dauerhaft in dem Land zu bleiben, da seine Anwesenheit begrenzt ist. 455 Allerdings kann die drohende Abschiebung alleine nicht verhindern, dass eine Person den Willen bildet bzw. beibehält, dauerhaft in einem Land zu bleiben.456 Ein einmal erworbenes domicile of choice wird auch nicht alleine dadurch beseitigt, dass ein Abschiebebescheid ergeht. Erst wenn die Abschiebung tatsächlich erfolgt 457 und feststeht, dass die Person nicht mehr rechtmäßig einreisen kann, ist das domicile of choice untergegangen. 458 cc) Kriegsflüchtlinge und Asylsuchende Flüchtlinge, die aufgrund eines (Bürger-)Krieges ihr Heimatland verlassen mussten, halten sich zumeist unfreiwillig in einem anderen Land auf.459 Ihre Flucht war eine Lebensnotwendigkeit. Aus der Tatsache, dass eine Person aus einem Land flüchtet, kann nicht per se geschlossen werden, dass die Person ihr altes domicile aufgeben und eine residence an einem 453 Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 458. „There must be a residence freely chosen, and not prescribed or dictated by any external necessity, such as the duties of office, the demands of creditors, or the relief from illness; and it must be residence fixed not for a limited period or particular purpose, but general and indefinite in its future contemplation.” Vgl. auch Re Fuld’s Estate (No 3) [1968] P. 675, 684 und Clarkson/Hill, S. 324. 454 Vgl. dazu In the Matter of the Will and Codicils of the Late Emperor Napoleon Bonaparte, Deceased, 163 E.R. 1429, 610. Der Fall untersucht konkret die Frage, ob Napoleon durch seine Verbannung auf das zum Empire gehörende St. Helena ein britisches domicile erwarb. Dies wird jedoch aus dem genannten Grund abgelehnt. 455 Dicey/Morris/Collins, S. 156, 6–060. 456 Vgl. Szechter v Szechter [1971] P. 286, 294; Boldrini v Boldrini [1932] P. 9. 457 Vgl. dazu die Ausführungen in Mark v Mark [2005] UKHL 42 Nr. 6. 458 McClean/Abou-Nigm, S. 36, 2–026. 459 Vgl. Dicey/Morris/Collins, S. 156, 6–061; Clarkson/Hill, S. 324.

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anderen Ort aufnehmen will. Das unfreiwillige Verlassen der Heimat belegt gerade nicht, dass man nie wieder dorthin zurückkehren will. Geht der Flüchtling davon aus, dass er nach dem Ende des Krieges wieder in seine Heimat zurückkehren kann, so soll das alte domicile bestehen bleiben.460 Ist eine Rückkehr aber dauerhaft ausgeschlossen, so kann ein neues domicile im Land der Zuflucht nach den üblichen Regeln erfolgen. 461 dd) Entzug vor Strafverfolgung oder Gläubigern Eine Person, die vor ihren Gläubigern oder vor Strafverfolgung ins Ausland flieht, hat wohl hauptsächlich die Absicht zu fliehen und nicht notwendig die Absicht zur dauerhaften Niederlassung in einem anderen Land.462 Nur weil jemandem das Verlassen des Landes „aufgezwungen“ ist, bedeutet seine Flucht in ein anderes Land aber noch nicht, dass der Aufenthalt im Land der Zuflucht zeitlich beschränkt sein wird.463 Soweit es sich nicht nur um eine Bagatellstrafe handelt, wird davon auszugehen sein, dass die Person ihr bisheriges domicile dauerhaft aufgegeben hat und ein neues domicile begründen will. 464 Ähnliches gilt für Schuldner, die sich durch die Flucht ins Ausland ihren Gläubigern entziehen.465 Allerdings ist hier im Einzelfall auf den Willen der Person abzustellen und zu untersuchen, ob eine Rückkehr in das Ursprungsland geplant ist, sobald die Voraussetzungen für die Beitreibung der Schulden nicht mehr vorliegen.466 Eine Verlagerung des Wohnsitzes führt aber für sich genommen in keinem dieser Fälle zu einem domicile-Wechsel.467 ee) Schwere Erkrankungen Nicht eindeutig ist die Rechtsprechung in Fällen von krankheitsbedingten Umzügen. 468 Dabei ist im Einzelfall zu untersuchen, ob ein Umzug aus einer medizinischen Notwendigkeit (aus einem „Zwang“) heraus erfolgt 460

Re Lloyd Evans [1947] Ch 695; De Bonneval v de Bonneval (1838) 1 Curt 856. In May v May [1943] 2 All ER 146 flüchteten deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens vor der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime nach England. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war eine Rückkehr nach Deutschland auf absehbare Zeit für die Betroffenen undenkbar. 462 McClean/Abou-Nigm, S. 37, 2–027. 463 Cheshire/North/Fawcett, S. 167. Dazu auch In re Martin [1900] P. 211. 464 Cheshire/North/Fawcett, S. 167. 465 Vgl. nochmals den Sachverhalt von Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441. 466 Dicey/Morris/Collins, S. 157, 6–061. 467 Cheshire/North/Fawcett, S. 168. Vgl. auch Dicey/Morris/Collins, S. 147. 468 Vgl. insofern Dicey/Morris/Collins, S. 157, 6–052. 461

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oder ob eine Gestaltungsmöglichkeit bezüglich des Ortes, wo die Genesung erfolgen soll, wahrgenommen wird.469 Ein Aufenthalt für eine Behandlungsmaßnahme oder wegen fehlender Transportfähigkeit des Patienten führt nicht zum Erwerb eines domicile of choice in diesem Land.470 Jemand, der todkrank ist und weiß, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat und deswegen seine verbleibende Zeit in für ihn angenehmerem Klima verbringen will, kann dort aber genauso ein domicile of choice begründen wie jemand, der nur zur Verbesserung seines allgemeinen Gesundheitszustands dauerhaft dort leben will.471 ff) Soldaten, Beamte, diplomatischer Dienst Auch Soldaten, Beamte und Diplomaten stellen einen Sonderfall dar. Oft wird der Stationierungs- bzw. Einsatzort vom „Heimatort“ des Soldaten abweichen. Angelehnt an den in den Digesten enthaltenen Grundsatz „Miles ibi domicilium habere videtur ubi meret, si nihil in patria possideat”472 ging auch das common law des 19. Jh. davon aus, dass ein (zeitlich begrenzter) Auslandsaufenthalt aufgrund einer Dienstpflicht keinen Einfluss auf das domicile habe. Die residence bleibe weiterhin an der „Heimatadresse“ bestehen.473 Entscheidungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs tendieren aber zu einer Untersuchung der subjektiven Tatbestandsseite, ohne dass es darauf ankommt, ob die Person unfreiwillig aufgrund ihres Dienstverhältnisses im Ausland tätig wurde.474 4. Nachweis des Erwerbs eines domicile of choice a) Beweislast (burden of proof) Die Beweislast für einen domicile-Wechsel trifft denjenigen, der sich darauf beruft.475 469

McClean/Abou-Nigm, S. 38, 2-029. Dicey/Morris/Collins, S. 157, 6–052. 471 Vgl. Cheshire/North/Fawcett, S. 168 f. 472 Dig. 50.1.23: „Soldaten scheinen dort ihr Domizil zu haben, wo sie dienen, wenn sie in der Heimat nichts besitzen.“ Dies bedeutete also, dass die Kaserne, in der der Soldat seinen Dienst leistet, nur dann „Wohnsitz“ sein konnte, wenn der Soldat keinerlei Verbindungen zu seinem ursprünglichen Heimatort hatte. 473 Der Fall Attorney-General v Rowe (1862) 1 H & C 31 handelt von einem Juristen, der als Richter in der britischen Kolonie Ceylon (heute: Sri Lanka) tätig war. 474 Vgl. Stone v Stone [1959] 1 All ER 194, insgesamt auch O’Brien, S. 76. Ausführlich auch Henrich, RabelsZ 25 (1960), 456. 472 ff. Zu der Beurteilung von amerikanischen Soldaten ausführlich auch Daknis, Mil. L. Rev. 177 [2003] 49 ff. 475 Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287: „The onus of proving that a domicil has been chosen in substitution for the domicil of origin lies upon those who assert that the domicil of origin has been lost.” 470

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b) Beweismaß (standard of proof) zur Widerlegung eines bestehenden domicile Die englische Rechtsprechung arbeitet seit jeher mit einer (starken) Vermutung zugunsten eines bestehenden domicile. Im Zweifel soll ein neues domicile bei einem Umzug aufgrund der Vermutungsregel nicht begründet werden: Ein bestehendes domicile wird solange als existent vorausgesetzt, bis zur Überzeugung des Gerichts dargelegt wurde, dass ein neues domicile erworben wurde.476 Bezüglich des notwendigen Maßstabes zum Nachweis des Erwerbs eines neuen domicile, also der Widerlegung der Vermutung zugunsten eines bestehenden domicile, wurden unterschiedliche Auffassungen vertreten.477 aa) Alte Entscheidungen Zunächst wurde ein Beweismaßstab angelegt, der danach unterschied, welche Art des domicile verdrängt werden sollte. Ursprünglich ging man davon aus, dass ein besonders hohes Beweismaß angelegt werden müsse, um die Vermutung zugunsten eines domicile of origin zu widerlegen. So gingen die Entscheidungen Winans v Attorney-General 478 und Ramsay v Liverpool Royal Infirmary479 davon aus, dass ein höherer Beweismaßstab als der zivilrechtliche „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ (balance of probabilities)480 angewendet werden müsse.481 Die Vermutung, dass ein domicile weiterbesteht, ist dabei unterschiedlich stark, abhängig von der Art des domicile.482 Es ist einfacher, ein domicile of dependency oder ein wiedererstarktes domicile of origin zum Erlöschen zu bringen als ein domicile of origin, das bisher noch nicht durch ein anderes domicile of choice verdrängt wurde.483

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Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287: „The domicil of origin continues unless a fixed and settled intention of abandoning the first domicil and acquiring another as the sole domicil is clearly shewn.” Lord Chelmsford in Udny v Udny (1869) L.R. 1 Sc & Div 441, 455: „The question in such a case is not, whether there is evidence of an intention to retain the domicil of origin, but whether it is proved that there was an intention to acquire another domicil”, Dicey/Morris/Collins, S. 137, 6R–017, 6–018. 477 Kreitlow, S. 162. 478 Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287, 292 f. und 295 ff. 479 Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] A.C. 588. 480 Vgl. Henderson v Henderson [1967] P 77, S 80: „The standard of proof required to displace the domicile of origin goes beyond a mere balance of probabilities.” 481 Vgl. auch Clarkson/Hill, S. 310. 482 Henderson v Henderson [1967] P. 77, 82 f.; McClean/Abou-Nigm, S. 29, 2–014. 483 McClean/Abou-Nigm, S. 29, 2–014.

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§ 2 Das Konzept des domicile

Die beiden Entscheidungen Winans v Attorney-General und Ramsay v Liverpool Royal Infirmary zeigen eindrucksvoll, wie diese Vermutungsregel dazu beitrug, dem domicile of origin eine Anknüpfungsstabilität zu verleihen, die der der Staatsangehörigkeit sehr nahekam. (1) Winans v Attorney-General Der 1823 in den USA geborene Winans hatte ein domicile of origin in Maryland oder New Jersey. Getrieben von seinem ausgeprägten Hass auf England begab er sich 1850 nach Russland, wo er Kriegsschiffe konstruierte, die im Krim-Krieg gegen England und seine Verbündeten eingesetzt werden sollten. Als sich seine Gesundheit 1859 aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung verschlechterte, blieb er den Winter über widerwillig im milden Seeklima Englands in Brighton, da er nach Einschätzung seiner Ärzte einen weiteren harten Winter in Russland nicht überlebt hätte. In den Folgejahren verbrachte er dort jeweils die Wintermonate, die restliche Zeit arbeitete er in Russland oder Deutschland. Während seiner Aufenthalte in England schottete er sich ab und hielt sich soweit wie möglich von Engländern fern. Bis zu seinem Tode im Jahre 1897 wurden die Aufenthalte außerhalb Englands immer kürzer, von 1893 bis 1897 lebte er vollständig in England. Alles in allem hatte er die letzten 37 Jahre seines Lebens hauptsächlich in England verbracht und war seit 1850 nicht mehr in den USA gewesen. Dennoch bezeichnete er sich in seinem Testament von 1897 selbst noch als Amerikaner. Zu Lebzeiten träumte er davon, in den USA eine große Flotte neuartiger Schiffe („cigar ships“) zu konstruieren, die den Welthandel beherrschen und die Vormachtstellung Großbritanniens zur See beenden sollten. Die Schiffe sollten auf einem großen Werftgrundstück in Maryland gebaut werden, wo er auch wohnen wollte, um die Baufortschritte überwachen zu können. Tag und Nacht arbeitete er an den Plänen hierfür, bis er 1897 sehr vermögend in England starb. Nach seinem Tod war nicht festzustellen, ob es sich bei seinen Plänen um eine utopische „Spinnerei“ oder um ein Vorhaben handelte, das in die Tat hätte umgesetzt werden können. Das House of Lords urteilte mit 2 zu 1 Stimmen, dass Winans auf Grund des Vorbehaltes, in die USA zurückzukehren, nicht die notwendige Absicht gehabt hätte, dauerhaft in England zu bleiben. Dementsprechend stellte es auf das domicile of origin von Winans ab. Lord Lindley ging in seinem abweichenden Votum davon aus, dass Winans ein domicile of choice in England erworben hatte, da ihm bewusst gewesen sein musste, dass er nicht mehr in die USA zurückkehren wer-

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de.484 Die Mehrheitsmeinung sprach sich mit zwei verschiedenen Argumentationen für das Aufleben des domicile of origin aus. Nur Lord Macnaghten vertrat vollständig die Auffassung, dass die Pläne von Winans einen Vorbehalt darstellten, der die Absicht, ein domicile of choice in England zu begründen, widerlege. Er habe sich nach wie vor den USA zugehörig gefühlt und sich gewünscht, zur Vollendung seines Plans dorthin zurückzukehren.485 Diese Argumentation wurde zwar von Lord Halsbury aufgrund großer Zweifel an der Sachlage nicht mitgetragen. Er lehnte den Erwerb eines neuen domicile of choice in England dennoch ab, weil für ihn die Vermutung des Fortbestehens des domicile of origin nicht widerlegt worden sei.486 Die Mehrheitsmeinung des House of Lords konnte sich insgesamt, betrachtet man alle mit dem Fall befassten Richter, nicht durchsetzen. Eine Mehrheit der Richter in der ersten und zweiten Instanz bejahten ein domicile of choice in England.487 (2) Ramsay v Liverpool Royal Infirmary Eine ähnlich stark kritisierte Entscheidung488 mit derselben Argumentationsstruktur traf das House of Lords rund 25 Jahre später mit Ramsay v Liverpool Royal Infirmary. 489 Der Erblasser mit schottischem domicile of origin lebte die letzten 35 Jahre seines Lebens bei seiner Familie in England, von der er sich aushalten ließ. In diesem Zeitraum verließ er England nur für zwei kurze Reisen. Obwohl er oft sagte, dass er stolz darauf sei, ein Glasgower zu sein490, weigerte er sich vehement, nach Schottland zurückzukehren – sei es auch nur, um an der Beerdigung seiner Mutter teilzunehmen. Niemals wieder würde er Glasgow betreten. Außerdem traf er Vorbereitungen für seine Beerdigung in Liverpool. 484

Lord Lindley in Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287, 300: „He had one and only one [domicile], and that one was in this country; and long before he died I am satisfied that he had given up all serious idea of returning to his native country.” 485 Lord Macnaghten in Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287, 296 f.: „Of course, to us these schemes of Mr. Winans appear wild, visionary, and chimerical. But I have no doubt that to a man like Mr. Winans, wholly wrapt up in himself, they were very real. They were the dream of his life. For forty years he kept them steadily in view. And one was anti-English and the other wholly American. It was in connection with these schemes that the latest and clearest declaration of intention was made by Mr. Winans.” 486 Lord Halsbury in Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287, 289: „[…] and, as I cannot bring myself to a conclusion, either way, whether Mr. Winans did or did not intend to change his domicil, his domicil of origin must remain, […]” 487 Vgl. dazu auch Collier, S. 43 und McClean/Abou-Nigm, S. 33, 2–020. 488 Vgl. McClean/Abou-Nigm, S. 33, 2–021. 489 Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] A.C. 588. 490 Lord Thankerton in Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] A.C. 588, 596.

§ 2 Das Konzept des domicile

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Das House of Lords urteilte einstimmig, dass die Absicht zur Begründung eines domicile of choice in England bei Ramsay nicht vorgelegen habe. Alleine aus der Dauer des Aufenthalts in einem Land dürfe nicht auf das Vorliegen der Absicht, dort ein domicile of choice zu erwerben, geschlossen werden.491 Sein Leben in Liverpool sei farb- und ereignislos gewesen.492 Der dortige Aufenthalt habe unter der Bedingung gestanden, dass er dort von seiner Familie versorgt werde.493 Er habe sich aus eigener Antriebslosigkeit nach dem Tod seines Bruders und seiner Schwester weiterhin in Liverpool aufgehalten. Dies sei mehr seiner eigenen Trägheit geschuldet als der Tatsache, dass er dort ein domicile of choice innehaben wollte.494 Die Tatsache, dass er sich in seinem Testament noch als „Glasgow man“ bezeichnet habe, müsse dann der beste Beweis dafür sein, dass er nicht den Willen gehabt habe, ein domicile of choice in England zu erwerben.495 bb) Bewertung In beiden Fällen hielt sich der Erblasser mehrere Jahrzehnte in einem vom domicile of origin abweichenden Staat auf. In beiden schied aber die Etablierung eines domicile of choice aufgrund vermeintlich subjektiver Vorbehalte aus. Die starke Vermutung zugunsten des domicile of origin lässt es fast unmöglich erscheinen, in den konkreten Fällen überhaupt zur Bejahung des domicile of choice zu kommen. 496 Das domicile of origin wirkt hier wie die anknüpfungsstabile Staatsangehörigkeit 497: (Britische) Bürger sollten trotz mehrjähriger Auslandsaufenthalte nicht das Privileg verlieren, nach ihrem Heimatrecht beurteilt zu werden.498 Die tatsächlichen Lebens491

Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] A.C. 588. Lord Thankerton in Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] A.C. 588, 595. 493 Vgl. auch Cheshire/North/Fawcett, S. 161. 494 Als Beleg für dieses Ergebnis zitiert Lord Buckmaster aus der WinansEntscheidung: „As Lord Macnaghten said, in Winans v Attorney-General, an intention to change a domicil of origin ‘is not to be inferred from an attitude of indifference or a disinclination to move increasing with increasing years.’” (Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] A.C. 588, 594). 495 Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] A.C. 588, 598. 496 Dies sah auch die Richterschaft wenige Jahrzehnte nach den Urteilen so: „In Ramsay v Liverpool Royal Infirmary, the House of Lords seemed to have regarded the continuance of a domicile of origin as almost an irrebuttable presumption.” (Scarman J in In the estate of Fuld (No. 3) [1968] P. 675, 685 f.) 497 Stone spricht insofern vom domicile als „nationality in disguise“ (S. 12). 498 The Law Commission and the Scottish Law Commission, Private International Law, the Law of Domicile, WP No 88 and CM No 63, 1985, S. 52: „Winans v Attorney General and Ramsay are anachronistic today, being a direct response to the demands of a now vanished Empire and the desire of imperial and colonial servants and the businessmen who accompanied them to retain their domiciles in the United Kingdom.” 492

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gegebenheiten der Erblasser ließ das House of Lords in diesen Entscheidungen aber praktisch außer Betracht. Zwar entsprach der dabei angelegte Maßstab nicht dem strafrechtlichen Darlegungsmaßstab „proof beyond reasonable doubt“, nach dem der Sachverhalt keinen Anlass zu begründeten Zweifel geben durfte.499 Dennoch wurden deutlich höhere Anforderungen als in anderen zivilrechtlichen Fragen gestellt.500 Dieser Beweismaßstab wurde regelmäßig bestätigt. 501 cc) Jüngere Entscheidungen In den letzten Jahrzehnten wurde der etablierte Beweismaßstab in zahlreichen Urteilen durchaus kritisch untersucht. In Re Fuld’s Estate (No 3) ging Scarman J maßgeblich davon aus, dass der Wechsel des domicile ohnehin ein schwerwiegender Schritt sei und schwache Indizien nicht ausreichen könnten, da das Gericht nur durch eindeutige Beweise überzeugt werden könne. 502 Wenngleich nun immer wieder von der Rechtsprechung vertreten wurde, dass der reguläre zivilrechtliche Maßstab anzuwenden sei, 503 so gibt es auch Urteile, die an den bisherigen Voraussetzungen festhalten: In Cyganik v Agulian betonte das Gericht, dass die Darlegungslast bezüglich des Verlustes eines domicile of origin höheren Anforderungen ausgesetzt sei als die Darlegungslast bezüglich des Verlustes eines domicile of choice. 504 In Barlow Clowes International Ltd v Henwood wurde 2008 aber festgestellt, dass Cyganik v Agulian insofern abzulehnen und der für das Zivilrecht übliche Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit anzuwenden 499 Cheshire/North/Fawcett, S. 56 f. unter Bezugnahme auf In the estate of Fuld (No. 3) [1968] P. 675, 685 f. 500 Vgl. auch Carter, 36 ICLQ (1987), 713, 718. 501 Vgl. bspw. Re Edwards (1969) 113 S.J. 108; Buswell v IRC [1974] 1 W.L.R. 1631; Megarry J in Re Flynn (Deceased) [1968] 1 WLR 103, 115: „The standard of proof is, I think, the civil standard of the balance of probabilities, subject to the overriding consideration […] that so serious a matter as to the acquisition of domicile of choice, or for that matter I think the abandonment of a domicile is ‘not to be likely inferred from slight indications or casual words.’” 502 Re Fuld’s Estate (No 3) [1968] P. 675, 684 f. Vgl. auch Cazalet J in Irvin v Irvin [2001] 1 FLR 178, 189: „As to the appropriate test of the change of one domicile of choice to another, the parties agreed that the court may conclude that the standard is the civil standard of proof; but, in the light of the gravity of the issue involved, the judicial conscience will need particularly convincing evidence to be satisfied that the balance of probabilities has been tipped. This formally allows for the flexibility of approach which is required in relation to the standard of proof necessary to deal with the different questions.” 503 Brown v Brown [1982] 3 FLR 212; Buswell v IRC [1974] 1 WLR 1631, 1637. 504 Cyganik v Agulian [2006] 1 FLR 406.

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sei. 505 Dahingehend tendiert auch Holliday v Musa.506 Unklar ist dabei jedoch, ob dieser „Trend“ sich fortsetzen wird oder ob es abermals zu Rückschritten wie in Cyganik v Agulian kommen wird.507 ee) Kritik Schon die Law Commissions kritisierten die unsichere Rechtslage bzgl. des Beweismaßstabs.508 Sie befürworteten den regulären Beweisstandard, der in Australien durch Sec. 11 der Domicile Acts509 und Sec. 12 des New Zealand Domicile Acts 1976 etabliert wurde.510 Durch diese Vorschriften wird auch klargestellt, dass das domicile of origin nicht durch eine besonders starke Vermutung geschützt wird. Sec. 5 des Domicile Act South Africa macht vergleichbare Vorgaben zum einheitlichen zivilrechtlichen Beweismaßstab. Sec. 12 Domicile Ordinance (Hong Kong) folgt dem Vorschlag der Hong Kong Law Reform Commission und verwendet einheitlich den zivilrechtlichen Beweisstandard „balance of probabilities“. 511 Mit der Anwendung dieses Standards gelang diesen Rechtsordnungen eine Modernisierung des Konzepts des domicile of choice. Durch die Beseitigung der übermäßig starken Vermutung zugunsten des domicile of choice und die Anwendung des zivilrechtlichen Maßstabs verliert das Konzept einen wesentlichen Bestandteil seiner Verwurzelung in der Viktorianischen Weltanschauung. Es gilt gerade nicht mehr die unbedingte „Vorprägung“ des Menschen durch die Heimat seiner Vorfahren. Die verwendete Vermutung gegen den domicile-Wechsel schützt zwar das Kontinuitätsinteresse der Person, die nicht bei jedem Ortswechsel einen Statu505 Vgl. auch Barlow Clowes International Ltd v Henwood [2008] EWCA Civ 577, Nr. 88: „In essence there is no need for any higher standard of proof where more serious allegations are made in civil cases because the civil standard has the inbuilt flexibility to take the seriousness of an allegation into account. Accordingly the more serious an allegation the more substantial will need to be the evidence to prove it on a balance of probabilities.” 506 Holliday v Musa [2010] EWCA Civ 335. 507 McEleavy, 56 ICLQ (2007), 453, 454 meint einen Trend zur Liberalisierung erkennen zu können, macht aber an der Entscheidung Cyganik v Agulian fest, dass sich dieser Trend (zumindest vor Barlow Clowes International Ltd v Henwood) noch nicht durchsetzen konnte. Abzuwarten bleibt die weitere Entwicklung. 508 Law Com No. 168, S. 24 f. 509 Vgl. die gleichlautende Sec. 12 Commonwealth Domicile Act 1982: “Evidence of acquisition of domicile of choice The acquisition of a domicile of choice in place of a domicile of origin may be established by evidence that would be sufficient to establish the domicile of choice if the previous domicile had also been a domicile of choice.” 510 Law Com No. 168, S. 24 f. 511 Vgl. auch Hong Kong Law Reform Commission Report, S. 89.

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tenwechsel beabsichtigen wird – zutreffend wird dabei aber die Bedeutung des domicile-Wechsels für die Person erkannt. Das domicile erhält damit eine zeitgemäßere Wandelbarkeit. In diesem Punkt hinkt das britische Recht hinterher, da insofern keine eindeutige, einheitliche Linie besteht. c) Beweismittel (means of proof) Allen Rechtsordnungen, die das domicile verwenden, bereitet insbesondere die subjektive Tatbestandsseite Nachweisschwierigkeiten. Eine Grundregel, welche Beweismittel zur Sachverhaltsbeurteilung heranzuziehen sind, gibt es nicht: „There is no act, no circumstance in a man‘s life, however trivial it may be in itself, which ought to be left out of consideration in trying the question whether there was an intention to change the domicile. A trivial act might possibly be of more weight with regard to determining this question than an act which was of more importance to a man in his lifetime”.512 Jedes Indiz für den Aufenthalt einer Person oder ihre Absicht513, sich dauerhaft in einem Land aufzuhalten, muss bei der Beurteilung berücksichtigt werden, ob ein domicile of choice in diesem Land begründet wurde.514 Das Gericht muss stets eine ausführliche Beurteilung der Lebensumstände der Person zum relevanten Zeitpunkt durchführen.515 Es kommt stets auf das Detail des Einzelfalles an, wobei dieselbe Tatsache im einen Fall entscheidend sein kann und im anderen Fall keine Bedeutung hat oder gar die gegenteilige Annahme stützen kann.516 aa) Residence/physical presence Der Nachweis des Elements der residence ist zumeist relativ unproblematisch und leicht feststellbar. Die Abgrenzung zum Aufenthalt als Reisender

512 V.C. Kindersley in Drevon v Drevon (1864) 34 L.J.Ch. 129, 133; zitiert nach Clarkson/Hill, S. 322. Vgl. auch Collier, S. 44 f. 513 Casdagli v Casdagli [1919] A.C. 145, (1)78: „the tastes, habits, conduct, actions, ambitions, health, hopes and projects […] were all considered as keys to his intention to make a home in England.” 514 Dicey/Morris/Collins, S. 148, 6R–046. 515 McClean/Abou-Nigm, S. 34, 2–022. Dabei wird teilweise sogar ein etwas philosophischer Ansatz zugrundegelegt. Lord Mummery zitiert in Agulian v Cyganik gar Søren Kierkegaard: „‘Life must be lived forwards, but can only be understood backwards’ resonates in the biographical data of domicile disputes.” Agulian v Cyganik [2006] EWCA Civ 129, Abs. 46 (1). 516 Vgl. nochmals V.C. Kindersley in Drevon v Drevon (1864) 34 L.J. Ch. 129, 133. Vgl. auch Dicey/Morris/Collins, S. 149 f., 6–048; Collier, S. 44.

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oder Tourist wird nur selten zu Problemen führen, da die Anforderungen an die residence insofern ohnehin niedrig sind.517 Für den Nachweis des Bleibewillens hat die Dauer der Anwesenheit in der Rechtsordnung nur wenig verlässliche Indizkraft. Ein langer Aufenthalt in einem Land kann als Indiz für den Willen zum Erwerb eines domicile of choice sprechen518 oder in einer anderen Konstellation diesbezüglich keine weitere Relevanz haben, was schon Winans und Ramsay eindrucksvoll zeigen. 519 Es wird dabei aber nie alleinentscheidend auf die Aufenthaltslänge ankommen, sondern es werden immer weitere Aspekte zu berücksichtigen sein.520 Insbesondere ist bezüglich der Absicht, sich dauerhaft oder unbegrenzt in einem Land aufzuhalten, zu berücksichtigen, was das Motiv bzw. die Gründe für den Aufenthalt sind, ob der Aufenthalt aus freien Stücken gewählt wurde und ob der Aufenthalt nur vorübergehend ist und unter ausländerrechtlichem Widerruf steht.521 bb) Parteieinvernahme und Zeugenbeweis Seit jeher kritisch ist die Rechtsprechung bezüglich mündlicher und schriftlicher Erklärungen, welche oftmals nur wenig verlässliche und brauchbare Schlüsse zulassen werden.522 Es besteht insbesondere die Gefahr, dass die Erklärung nur abgegeben wurde, um ein den eigenen Interessen dienendes Beweismittel zu produzieren, das aber nicht den wirklichen Absichten der Person zu ihrem domicile entspricht. 523 Dies gilt insbesondere bezüglich Aussagen in Testamenten. 524 Hier besteht nämlich zusätzlich die Gefahr, dass einem eigentlich unkundigen 517

Vgl. S. 52. Vgl. bspw. The President of the United States of America v Drummond, (1864) 55 E.R. 442, 452; Haji-Ioannou v Frangos, [2009] EWHC 2310 (QB). 519 Vgl. S. 73 ff. zu Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287 und Ramsay v Liverpool Royal Infirmary [1930] AC 588. 520 Clarkson/Hill, S. 322. 521 Dicey/Morris/Collins, S. 154, 6R-053. 6–054. 522 Vgl. Wahl v Attorney-General (1932) 147 L.T. 382; Clarkson/Hill, S. 322. Die Aussage, sein domicile in einer bestimmten Rechtsordnung innehaben zu wollen, könnte aber Indiz dafür sein, dass ein altes domicile aufgegeben werden soll. Vgl. Dicey/Morris/ Collins, S. 153, 6–051. 523 Vgl. Munro v Munro [2008] 1 FLR 1613, Nr. 39; Clarkson/Hill, S. 322. 524 Dies wird an dem Testament im Fall In Re Annesley [1926] Ch. 692, 695 deutlich. Die Erblasserin traf dabei nicht nur Verfügungen von Todes wegen, sondern gab auch eine ausführliche Erklärung zu ihrem domicile ab: „I declare that although I have lived in France for many years and own the house and grounds which I now occupy it has not been and is not my intention to abandon my domicil of origin namely England and I have 518

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Erblasser durch einen Rechtsanwalt vor der Abfassung Aussagen untergeschoben werden, die einer Rechtswahl und Zuständigkeitswahl gleichkommen können. 525 Eine Erklärung wird für sich genommen bei der Bestimmung des domicile of choice daher wenig Aussagekraft haben. Relevant sind vor allem der Kontext und die tatsächliche Umsetzung der Erklärung bzw. das Verhalten der Person.526 In Erbfällen kann insbesondere der Zeugenbeweis zur Bestätigung von Aussagen oder Handlungen des Erblassers taugliches Beweismittel sein. Aber auch hier bestehen dieselben Bedenken hinsichtlich der Brauchbarkeit und Motivation einer Aussage.527 cc) (Erwerb der) Staatsangehörigkeit/Pass Alleine aus dem Innehaben der Staatsangehörigkeit kann nicht auf den Willen geschlossen werden, im Land der Staatsangehörigkeit sein domicile of choice zu haben.528 Der Staatsangehörigkeit kann aber unterschiedlich starke Indizwirkung in der Gesamtabwägung zukommen: In Re Fuld’s Estate (No 3) änderte der Betroffene seine Staatsangehörigkeit, was aber keine Aussagekraft bezüglich des domicile haben sollte. In IRC v Bullock zog das Gericht aus der Tatsache, dass der Kläger nicht die britische Staatsangehörigkeit erworben hatte, den Schluss, dass er ein englisches domicile of choice nicht erworben hatte. 529 In Bheekun v Williams musste sich ein in England lebender Mauritier anlässlich der Unabhängigkeit von Mauritius zwischen dem britischen und dem mauritianischen Pass entscheiden. Seine Entscheidung für den britischen Pass wurde auch als Indiz für ein englisches domicile of choice gewertet.530

not made any application under article 13 of the French Civil Code or otherwise for a decree to fix my domicil in France nor have I done anything to become a naturalised subject of France and I intend to remain a British subject.” 525 McClean/Abou-Nigm, S. 35, 2–023. Vgl. dazu auch Dellar v Zivy [2007] EWHC 2266 (Ch). 526 Lord Buckmaster in Ross v Ross [1930] A.C. 1: „Declarations of intention are rightly regarded in determining the question of a change of domicil, but they must be examined by considering the person to whom, the purposes for which, and the circumstances in which they are made, and they must further be fortified and carried into effect by conduct and action consistent with the declared expression.“ 527 Kreitlow, S. 165. 528 Vgl. Wahl v Attorney-General (1932) 147 L.T. 382. 529 Vgl. auch Clarkson/Hill, S. 322. 530 Bheekhun v Williams [1999] 2 FLR 229.

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dd) Erwerb von Immobilien Insbesondere in alten Entscheidungen kam auch dem Erwerb von Immobilien in einer Rechtsordnung nicht unerhebliche Indizwirkung bzgl. des animus manendi zu.531 Heute wird dem wohl im Allgemeinen weniger Indizwirkung zuteil, da Zweitwohnungen und Ferienhäuser bzgl. des animus manendi ohnehin nur wenig Aussagekraft besitzen. 532 Des Weiteren ist es bei steigenden Mietpreisen wohl auch üblicher geworden, anstelle der Miete eine Immobilie zu erwerben und diese bei einem Wohnortwechsel weiterzuverkaufen.533 Der Erwerb einer Grabstätte am Wohnort wurde teils als aussagekräftig gewertet, teils auch als irrelevant betrachtet.534 ee) Wirtschaftliche, familiäre und soziale Integration Wirtschaftliche Gründe wie die Berufswahl oder der Ort der Arbeitsstelle können Einfluss auf die domicile-Wahl haben. 535 Besondere Indizwirkung für den animus manendi haben aber familiäre und soziale Kontakte zur der Umwelt und Gesellschaft in der Aufenthaltsrechtsordnung. Bei der Gesamtbeurteilung wird es auf die konkreten Lebensumstände des Betroffenen ankommen, also bspw. darauf, ob er mit einem Partner aus der domicile-Rechtsordnung verheiratet oder liiert 536 ist und ob er mit seiner Familie zusammenlebt. Dies muss aber immer in Relation zur wachsenden Mobilität der Bevölkerung gesetzt werden, weil Paare und Familien ohne Weiteres auch umziehen können. 537 Relevant kann außerdem sein, ob er die Landessprache flüssig spricht 538 und ob er am gesellschaftlichen Leben in der Rechtsordnung, bspw. in einer Kirchengemeinde539 oder in Vereinen540, teilnimmt. Bisweilen wurde angenommen, dass stärkere Beweise notwen531

Vgl. Re Flynn [1968] 1 WLR 103; Munro v Munro [2008] 1 FLR 1613, Nr. 39. Vgl. auch Dicey/Morris/Collins, S. 151, 6–049; Clarkson/Hill, S. 322. 532 Clarkson/Hill, S. 322 f. 533 Clarkson/Hill, S. 322 f. Vgl. auch Qureshi v Qureshi [1972] Fam 173, [1971] All ER 325, wo der Erwerb von Wohneigentum keine Beachtung bei der Beurteilung des domicile fand. 534 Vgl. Dicey/Morris/Collins, S. 151, 6–045. 535 Irvin v Irvin [2001] 1 FLR 178. Clarkson/Hill, S. 323. Vgl. Dicey/Morris/Collins, S. 153, 6–051 m.w.N. zur Rspr. 536 Re Fuld’s Estate (No 3) [1968] P 675. 537 Clarkson/Hill, S. 323. IRC v Bullock [1976] 1 WLR 1178. 538 Irvin v Irvin [2001] 1 FLR 178. Relevant kann auch die Sprache der Tageszeitung, die die Person liest, sein, vgl. IRC v Bullock [1976] 1 WLR 1178, 1182. 539 In Spence v Spence, 1995 SLT 335 wurden die Gemeindemitgliedschaft in einer Synagoge und einer jüdischen Beerdigungsgesellschaft berücksichtigt. Dicey/Morris/ Collins, S. 151, 6–045. 540 Bzw. Clubmitgliedschaften: Re Craignish [1892] 3 Ch. 180, 189 (CA). Clarkson/Hill, S. 323. Dicey/Morris/Collins, S. 150, 6–045 m.w.N. aus der Rspr.

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dig seien, um den domicile-Erwerb in einem fremden Kulturkreis nachzuweisen: Dies wurde sowohl bei Europäern in Asien 541 als auch bei Asiaten in Europa542 angenommen. Jüngere Entscheidungen tendieren aber dazu, eine multikulturelle Gesellschaft als Nebeneinander verschiedener Lebensstile zu akzeptieren und insofern keine Assimilation des Zuwanderers als Nachweis des Bleibewillens zu fordern.543 d) Erleichterungen durch Vermutungen bezüglich der subjektiven Tatbestandsseite? In der Vergangenheit wurde die Einführung von Vermutungsregeln zur Erleichterung des Nachweises des subjektiven Tatbestands mehrfach von den Law Commissions diskutiert. aa) Das deemed domicile im internationalen Steuerrecht In ihrem Mitte Dezember 2011 veröffentlichten Bericht zur gesetzlichen Erbfolge und zu Pflichtteilsrechten im englischen Recht544 setzte sich die Law Commission kurz mit der Vermutung des steuerrechtlichen deemed domicile auseinander, lehnte aber eine Verwendung außerhalb des internationalen Steuerrechts ab.545 Im internationalen Steuerrecht wird nämlich nach Sec. 267 (1) des Inheritance Tax Law Act 1984 ein domicile des Erblassers in Großbritannien vermutet, auch wenn nach common lawGrundsätzen ein solches nicht vorliegen würde: So wird eine Erbschaftssteuerpflicht aufgrund eines britischen domicile auch dann angenommen, wenn der Erblasser entweder (a) ein domicile in Großbritannien zu einem Zeitpunkt innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Erbfall innehatte oder (b) seine steuerrechtliche residence in Großbritannien in 17 der vorhergehenden 20 Jahre hatte. 541 Clarkson/Hill, S. 323. Vgl. Casdagli v Casdagli [1919] A.C. 145 und Steel v Steel (1888) 15 R 896, 909: „Nobody in his senses ever goes to Burma sine animo revertendi.” 542 Qureshi v Qureshi [1972] Fam 173, 193: „This seems to me not so much a proposition of law as an expression of common experience: people are generally unlikely to make a permanent home in a country which is ethnically and culturally alien – particularly where one which is culturally and ethnically congenial is available as an alternative. Nor am I bound, I think, to pretend ignorance of certain racial tensions and intolerances in this country of recent years and their possible repercussion on domiciliary intention.” 543 Vgl. F v F [2009] EWHC 1448 (Fam), Nr. 49: „well integrated into a substantial Islamic community”. Vgl. auch Clarkson/Hill, S. 323. 544 Law Com No. 331, Intestacy and Family Provision Claims on Death. 545 Law Com No. 331, Intestacy and Family Provision Claims on Death, S. 131. Konkret ging es dabei um die Frage, ob es weiterhin eine Bedingung für die Geltendmachung einer family provision sein sollte, dass der Erblasser ein inländisches domicile hatte, oder ob insofern Reformbedarf bestand.

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Mit dieser Regelung wird die Zahl der erbschaftssteuerpflichtigen Erbfälle erhöht. Zum einen werden Erblasser erfasst, die bereits innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Erbfall dauerhaft in ein anderes Land umsiedelten, zum anderen werden auch Erblasser erfasst, die seit langer Zeit in Großbritannien leben, ein domicile aber nicht erwarben. Winans, Ramsay und Bullock würden demnach heutzutage sicher ein domicile in England haben. Neben der möglichen „Vorverlagerung“ des domicile um drei Jahre wird mit der zweiten Fallgruppe ein objektiv bestimmbares Kriterium (residence) verwendet. bb) Ansatz des Private International Law Reform Committee 1954 Der Gedanke der Vermutungsregelungen ist jedoch nicht neu: Schon das Private International Law Reform Committee untersuchte in seiner Arbeit aus dem Jahre 1954, ob die Einführung von Vermutungen bezüglich der subjektiven Tatbestandsseite zu einer erleichterten Rechtsfindung führen könnte. In seinem Bericht sprach sich das Committee schließlich für eine Reihe von Vermutungen aus:546 “(a) subject to evidence to the contrary, a person should be presumed to intend to live permanently in the country in which he has his home; (b) where he has more than one home he should be presumed to intend to live permanently in the country where he has his principal home; (c) where a person is in a country to carry on a business, profession or occupation, and any wife and children have their home in another country, he should be presumed to intend to live permanently in that other country; and (d) no presumption should be raised in respect of diplomats, members of the armed and civil services of any country or persons working for an international organisation.”

Während gerade keine Vermutung für die oben diskutierten Fallgruppen der Soldaten und Diplomaten (und auch Mitglieder von Hilfsorganisationen) gelten soll, gelten im Übrigen abgestufte und differenzierte – widerlegbare – Vermutungen zugunsten des „Heimatortes“ (home). So soll die Vermutung gelten, dass die Person die Absicht hat, an dem Ort für unbestimmte Zeit zu bleiben, an dem sie ihr home, bei mehreren Orten ihr principal home, hat. Des Weiteren wird vermutet, dass eine Person, die im Ausland arbeitet, dort dauerhaft leben will, wo ihre Familie ihr Zuhause hat. Diese Vorschläge des Private International Law Committee wurden zwar 1958/1959 in ihrer Gesamtheit abgelehnt, beeinflussten die Diskussion aber nachhaltig. Der Manitoba Domicile and Habitual Residence Act 1983 verwendet eine Vermutung hinsichtlich der subjektiven Tatbestands-

546

Vgl. den Abdruck der Vermutungen im Working Paper No. 88, S. 54.

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seite. An Sec. 8 (2)547 sieht man die Parallele zum Vorschlag des Private International Law Committee sehr deutlich. Auch hier wird vermutet, dass die Person die Absicht hat, an dem Ort für unbestimmte Zeit zu bleiben, wo sie ihr principal home hat. Auf die Vermutung zugunsten des Aufenthaltsortes der Familie wurde aber verzichtet. cc) Ansatz der Law Commissions 1985/1987 Im Zuge der Beratungen für den Bericht von 1987 diskutierten auch die Law Commissions, ob eine Vermutung eingeführt werden solle, um die Bestimmung der subjektiven Tatbestandsseite zu erleichtern. Die Vorschläge des Private International Law Committee lehnten sie aber im Wesentlichen aus zwei Gründen ab:548 Zum einen konnten die Kommissionen keine Erleichterung bezüglich der Beweisführung zum Auffinden des home erkennen, zum anderen waren sie der Meinung, dass die Einführung des Konzepts nur zu einer Verlagerung des eigentlichen Problems führen würde. Anstelle der Frage, wo jemand sein domicile habe, würde nun über die Frage gestritten werden, wo jemand sein home habe. Ein Rechtskonzept würde also durch ein anderes, noch näher zu definierendes ersetzt werden müssen. Dieser Kritik an den Vorschlägen von 1954 schloss sich auch die Hong Kong Law Reform Commission an.549 Als Alternative zu diesen Vermutungen schlugen die Law Commissions in ihrem Working Paper No. 88 von 1985 vor, es solle die Vermutung gelten, dass eine Person den für das Innehaben eines domicile of choice erforderlichen Willen dann habe, wenn sie in einem Land seit sieben Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 550 In ihrem endgültigen Bericht entschieden sich die Commissions aber gegen die weitere Befürwortung einer solchen Vermutung und sprachen 547

Sec. 8 Manitoba Domicile and Habitual Residence Act 1983: “Basis of domicile and habitual residence 8 (1) The domicile and habitual residence of each person is in the state and a subdivision thereof in which that person's principal home is situated and in which that person intends to reside. Presumption of intent to reside 8 (2) For the purposes of subsection (1), unless a contrary intention is shown, a person is presumed to intend to reside indefinitely in the state and subdivision thereof in which that person's principal home is situated.” 548 Working Paper No. 88, S. 54. 549 Hong Kong Law Com Report, S. 72 f. 550 Working Paper No. 88, S. 53 ff., insb. S. 57: „Subject to evidence to the contrary, a person should be presumed to intend to make his home indefinitely in a country in which he has been habitually resident for a continuous period of seven years since reaching the age of 16.” Vgl. auch Law Com No. 168, S. 27.

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sich für die Beibehaltung der bisherigen Modalitäten zur Bestimmung des domicile und seiner subjektiven Tatbestandsseite aus.551 Man gab damit der starken Kritik an einer Vermutungsregelung im Konsultationsprozess nach:552 Es widerspreche schon dem Grundkonzept des domicile, dass Vermutungen in subjektiver Hinsicht verwendet werden, da bezüglich des domicile stets demjenigen die Beweislast auferlegt werde, der sich auf das Vorliegen eines domicile berufe. Außerdem wurde die Befürchtung geäußert, dass durch die Vermutungsregelung gleichzeitig eine „negative Vermutung“ entstehe, dass vor dem vollständigen Vorliegen eines siebenjährigen gewöhnlichen Aufenthalts in einem Land kein domicile erworben werden könne. Ferner wurde kritisiert, dass der gewöhnliche Aufenthalt ebenfalls ein unbestimmter Rechtsbegriff sei, den es wieder auszufüllen gelte. Motivation für die Einführung der Vermutungsregelung sollte das Erleichtern der Bestimmung des richtigen domicile sein. Die langwierige Untersuchung der Lebensgeschichte der relevanten Person sollten dem Gericht durch eine solche Vermutungsregelung abgenommen werden. Die Commissions befürchteten aber, dass es durch die Verwendung eines siebenjährigen gewöhnlichen Aufenthalts in zu vielen Fällen zu falschen und ungerechten Ergebnissen kommen würde. Insbesondere sei es schwierig, eine solche Vermutung in subjektiver Hinsicht zu widerlegen, gerade wenn der Erblasser bereits verstorben sei. Dieser Argumentation schloss sich schließlich auch die Hong Kong Law Reform Commission in ihrer Analyse an und lehnte Vermutungsregeln ab.553 dd) Stellungnahme Es ist nicht abzusehen, in wie vielen Fällen die Verwendung einer solchen Vermutung zu Beweiserleichterungen und in wie vielen Fällen sie zu zusätzlichen Schwierigkeiten führen würde. Die Kritik an den Vorschlägen ist aber in einem Punkt sicher zutreffend: Eine Erleichterung bezüglich der Sachverhaltserforschung durch die Verwendung einer Vermutung ist dann hinfällig, wenn ein unbestimmter Rechtsbegriff bzw. ein rechtliches Konzept durch ein anderes ersetzt wird. Beide Vorschläge der Kommissionen begehen diesen Fehler und führen „neue“ Konzepte in die Materie des domicile ein. Dieses Vorgehen kann aber nur zu einer Verlagerung der Probleme führen. Konsequenter wäre in beiden Fällen gleich gewesen, das Konzept des domicile komplett zu ersetzen. Mit ihrem „Zurückrudern“ haben die Law Reform Commissions allerdings eine gute Möglichkeit ver-

551

Law Com No. 168, S. 28. Vgl. insg. Law Com No. 168, S. 27 f. 553 Hong Kong Law Com Report, S. 72 f. 552

VI. Domicile und Wohnsitz im Kontext der Brüssel I-VO

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streichen lassen, auf die Kritik mit überarbeiteten Vermutungswirkungen zu reagieren.554

VI. Domicile und Wohnsitz im Kontext der Brüssel I-VO Dass Modernisierungen und Flexibilisierungen des domicile in beschränktem Maße möglich sind, zeigen Sec. 41 bis 46 des Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982. Im Rahmen der Europäisierung der internationalen Zuständigkeit kodifizierte Großbritannien mit dem Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 einen besonderen domicile-Begriff für den Kontext des EuGVÜ (jetzt Brüssel I-VO).555 Eine spezielle Normierung war nötig, um nicht nach den strengen Vorgaben des common law-Konzepts zahlreiche Bewohner des Vereinigten Königreichs mit ausländischem domicile vom Anwendungsbereich der Verordnung (bzw. vorher dem EuGVÜ) auszunehmen.556 Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO verankert den Grundsatz „actor sequitur forum rei“ und gibt vor, dass jede Person innerhalb des räumlichen, sachlichen und persönlichen Anwendungsbereichs der Verordnung vor dem Gericht ihres Wohnortes verklagt werden kann und grundsätzlich verklagt werden muss.557 Art. 59 Brüssel I-VO macht anders als für Gesellschaften und juristische Personen (Art. 60 Brüssel I-VO) keine verordnungsautonomen Auslegungsvorgaben für die Bestimmung des Wohnsitzes von natürlichen Personen. Nach Art. 59 Abs. 1 Brüssel I-VO beurteilt das angerufene Gericht einen inländischen Wohnsitz nach seinem nationalen Recht und einen ausländischen Wohnsitz nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates unter Ausschluss von dessen IPR (Art. 59 Abs. 2 Brüssel I-VO).558 Die Brüssel I-VO lässt mit dieser kollisionsrechtlichen Lösung zu, dass die nationalen Rechtsordnungen spezialgesetzliche Vorgaben zur Auslegung des Wohnsitzes der Brüssel I-VO machen, was Großbritannien auch getan hat.559 Äußerer Rahmen für das jeweilige nationale Wohnsitzverständnis 554

Auch Clarkson/Hill bedauern das Scheitern der Reform des domicile of choice, S. 327. 555 Zur Anpassung des Acts an die Verordnung wurde die Civil Jurisdiction and Judgments Order 2001, SI 2001/3929 erlassen. 556 Dicey/Morris/Collins, S. 336, 11–076. 557 Dabei muss nach Art. 2 Abs. 2 Brüssel I-VO Gleichbehandlung zwischen Inländern und Ausländern mit inländischem Wohnsitz herrschen. 558 Kropholler/v. Hein, EZPR, Art. 59 EuGVVO, Rn. 3, 7; Rauscher/Staudinger, EuZPR/ EuIPR, Art. 59 Brüssel I, Rn. 2 jeweils m.w.N. 559 Kropholler/v. Hein, EZPR, Art. 59 EuGVVO, Rn. 3.

§ 2 Das Konzept des domicile

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sind dabei lediglich die Vorgaben des EU-Rechts, insbesondere das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV. 560 Damit stehen im Kontext der Brüssel I-VO verschiedene, durchaus unterschiedliche Wohnsitzbegriffe nebeneinander. Der englische und der deutsche Begriff sollen hier in gebotener Kürze dargestellt werden. 1. Domicile in Sec. 41 ff. des Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 Sec. 41 des Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 regelt das domicile von natürlichen Personen: “Sec. 41 Domicile of individuals. (1) Subject to Article 52 (which contains provisions for determining whether a party is domiciled in a Contracting State), the following provisions of this section determine, for the purposes of the 1968 Convention [the Lugano Convention] and this Act, whether an individual is domiciled in the United Kingdom or in a particular part of, or place in, the United Kingdom or in a state other than a Contracting State. (2) An individual is domiciled in the United Kingdom if and only if – (a) he is resident in the United Kingdom; and (b) the nature and circumstances of his residence indicate that he has a substantial connection with the United Kingdom. (3) Subject to subsection (5), an individual is domiciled in a particular part of the United Kingdom if and only if – (a) he is resident in that part; and (b) the nature and circumstances of his residence indicate that he has a substantial connection with that part. (4) An individual is domiciled in a particular place in the United Kingdom if and only if he – (a) is domiciled in the part of the United Kingdom in which that place is situated; and (b) is resident in that place. (5) An individual who is domiciled in the United Kingdom but in whose case the requirements of subsection (3) (b) are not satisfied in relation to any particular part of the United Kingdom shall be treated as domiciled in the part of the United Kingdom in which he is resident. (6) In the case of an individual who – (a) is resident in the United Kingdom, or in a particular part of the United Kingdom; and (b) has been so resident for the last three months or more, the requirements of subsection (2)(b) or, as the case may be, subsection (3)(b) shall be presumed to be fulfilled unless the contrary is proved. (7) An individual is domiciled in a state other than a Contracting State if and only if— (a) he is resident in that state; and (b) the nature and circumstances of his residence indicate that he has a substantial connection with that state.”

Nach Sec. 41 Abs. 2 setzt ein domicile in Großbritannien voraus, dass sich die Person in Großbritannien aufhält (lit. a) und Art und Umfang ihres Aufenthaltes belegen, dass sie eine feste Verbindung („substantial connec560

Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 59 Brüssel I, Rn. 6.

VI. Domicile und Wohnsitz im Kontext der Brüssel I-VO

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tion“) zu Großbritannien (lit. b) hat. Abs. 3 präzisiert diese Regel dahingehend, dass ein domicile in dem Teil des Vereinigten Königreichs besteht (bzw. bestehen kann), in dem sich die Person aufhält (lit. a), wenn sie zu der Teilrechtsordnung eine entsprechende feste Verbindung (lit. b) hat. Gleiches nimmt Abs. 7 für die Bestimmung eines domicile in einem Drittstaat an. Abs. 4 konkretisiert das domicile an dem konkreten Wohnort der Person. Abs. 5 und 6 stellen Vermutungsregelungen zum Bestehen einer festen Verbindung auf. Soweit ein domicile nach Abs. 2 in Großbritannien besteht, es allerdings unklar ist, zu welcher Teilrechtsordnung nach Abs. 3 lit. b) eine feste Verbindung besteht, wird eine solche zu der Teilrechtsordnung des Aufenthaltsortes vermutet. Bezüglich des Bestehens einer festen Verbindung nach Abs. 2 lit. b) stellt Abs. 6 die Vermutungsregel auf, dass im Zweifelsfall eine feste Verbindung zu der (Teil-)Rechtsordnung besteht, in der sich die Person aufhält, vorausgesetzt, dass die Aufenthaltsdauer schon mindestens drei Monate beträgt. Mit der Ausgestaltung von Art. 41 wird bewusst auf wesentliche Kernelemente des common law-Konzepts des domicile verzichtet. Weder das domicile of origin noch das domicile of dependency finden in Art. 41 Berücksichtigung. Damit entfallen sämtliche Probleme im Zusammenhang mit der revival-Doktrin. Auch werden die strengen Anforderungen des domicile bezüglich des dauerhaften Aufenthalts und der dafür erforderlichen Absicht durch einen Aufenthalt von mindestens drei Monaten durch das Element der substantial connection ersetzt. Die großen Schwierigkeiten mit der subjektiven Tatbestandsseite werden in dieser Form also vollständig ausgeschlossen. 2. Deutscher Wohnsitz nach §§ 7 ff. BGB Im deutschen Recht finden hingegen die allgemeinen materiell-rechtlichen Vorschriften der §§ 7 ff. Anwendung. Der dort verankerte Wohnsitzbegriff fußt maßgeblich auf dem oben dargestellten römischen bzw. gemeinrechtlichen Domizil-Begriff.561 a) Gewillkürter Wohnsitz, § 7 BGB Der BGH fasst den Wohnsitz als räumlichen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse einer Person auf.562 Art. 7 BGB stellt eine Verbindung zwischen 561

MüKo/J. Schmitt, § 7 BGB, Rn. 9. Vgl. BGH DB 1985, 2693; BGHZ NJW 1984, 971; BGH NJW 06, 1808, 1809. Vgl. auch Erman/Saenger § 7 BGB, Rn. 1; MüKo/J. Schmitt, § 7 BGB, Rn. 9. Insofern etwas unpräziser definierte das Reichsgericht den Wohnsitz in einer Entscheidung aus dem Jahre 1907 als „den räumlichen Mittelpunkt des gesamten Lebens einer Person, ein Zustandsverhältnis, das durch die Verknüpfung der Lenkung und Leitung der Person an 562

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§ 2 Das Konzept des domicile

einer Person und der kleinsten politischen Verwaltungseinheit her.563 § 7 Abs. 1 geht vom (grundrechtlich gewährleisteten)564 gewillkürten Wohnsitz aus, der ermöglicht, sich an einem Ort seiner Wahl dauerhaft niederzulassen. 565 § 7 Abs. 1 BGB setzt das Innehaben einer tatsächlichen Niederlassung im Sinne einer Unterkunft voraus.566 Wer obdachlos ist, kann dementsprechend während der Dauer seiner Obdachlosigkeit nicht über einen Wohnsitz verfügen. 567 Es muss eine Unterkunft im Sinne der Niederlassung vorhanden sein, die alleine oder mit anderen genutzt werden kann.568 Ausreichend ist auch ein Zimmer bei Bekannten569 oder in einem Hotel.570 Eine polizeiliche Anmeldung ist für die Begründung eines Wohnsitzes weder erforderlich noch ausreichend. Sie kann aber ein Beweiszeichen sein.571 In subjektiver Hinsicht ist der Wille erforderlich, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse an einem Ort dauerhaft zu etablieren bzw. beizubehalten.572 Nicht ausreichend ist damit der Wille zur nur vorübergehenden Niederlassung.573 Der rechtsgeschäftliche Domizilwillen muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann (und wird) sich in aller Regel aus den Umständen ergeben.574 Gemäß § 7 Abs. 3 BGB setzt die Aufhebung eines Wohnsitzes voraus, dass der Wohnsitz getragen von dem Willen, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht an dem bisherigen Ort zu belassen, tatsächlich auf-

einem Ort hergestellt wird“. So RG RGZ 67, 191, 193; vgl. auch OLG Karlsruhe IPRax 2004, 433, 435; bespr. v. v. Hein, IPRax 2004, 418 f. 563 Jauernig, § 7 Rn. 1; vgl. insofern den Wortlaut von § 7 Abs. 1 BGB („Ort“). 564 Art. 11 GG garantiert das Recht der gewillkürten Wohnsitznahme; dazu näher Maunz/Dürig/Durner, Art. 11, Rn. 72 sowie BeckOK/Bamberger, § 7 Rn. 8. 565 MüKo/J. Schmitt, § 7 BGB, Rn. 1. 566 Vgl. MüKo/J. Schmitt, § 7 BGB, Rn. 9. 567 BayObLGZ 64, 109, 111. 568 BayObLG OLGE 12, 238; MüKo/J. Schmitt, § 7 BGB, Rn. 9. 569 BGH NJW 1984, 971; BVerwG NJW 1986, 674. 570 BVerfG RzW 1959, 94. 571 So der nichtamtliche Leitsatz der Entscheidung des BGH NJW-RR 90, 506. 572 BVerwG NJW 1968, 1059; BGH NJW 1984, 971; BGH NJW 06, 1809. Die Beweislast trifft stets denjenigen, der aus dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Wohnsitzes Rechte herleiten will. MüKo/J. Schmitt, § 7 BGB, Rn. 45. 573 Schulze/Dörner/Ebert/Dörner, § 7 Rn. 3. Ein kurzfristiger Aufenthalt in einem Frauenhaus begründet schon mangels ständiger Niederlassung an diesem Ort keinen Wohnsitz; BGH NJW 1995, 1224. 574 BGH NJW 1952, 1251; BGH NJW 2006, 1808, 1809; Palandt/Ellenberger, § 7 BGB, Rn. 7. So nimmt die Rspr. grundsätzlich auch an, dass der Wille zur Begründung eines Wohnsitzes bei einem Gefängnisaufenthalt fehlt; BGH NJW-RR 1996, 1217.

VI. Domicile und Wohnsitz im Kontext der Brüssel I-VO

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gegeben wird, was im Zweifel ebenfalls aus den Umständen geschlossen werden kann.575 § 7 Abs. 2 BGB lässt mehrere gleichzeitige Wohnsitze zu,576 was aber erfordert, dass dann an jedem der Orte dauernd Wohnungen unterhalten werden, in denen abwechselnd Aufenthalt genommen wird.577 Dies setzt insbesondere voraus, dass der jeweilige Wohnsitz nicht nur für Besuchsaufenthalte unabhängig von ihrer Dauer und Regelmäßigkeit aufgesucht wird, sondern der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse ungefähr gleichmäßig auf die verschiedenen Orte verteilt ist. 578 Ausreichend kann dabei sein, dass der dauernde, teilweise unterbrochene Aufenthalt in einer Weise zwischen den Aufenthaltsorten wechselt, dass von dem jeweiligen Aufenthaltsort aus die gesamten Lebensverhältnisse (und nicht nur ein eng begrenzter Teil) schwerpunktmäßig bestimmt werden.579 Die Zulassung des mehrfachen Wohnsitzes, welche ihre Wurzeln im römischen Recht bzw. den daraus entwickelten Regeln des Gemeinrechts hat, ist inzwischen zu einer Besonderheit des deutschen Domizilkonzepts im internationalen Vergleich geworden.580 Nicht nur die anglo-amerikanischen Rechtsordnungen, sondern auch Frankreich und die Schweiz sehen grundsätzlich nur einen Wohnsitz bzw. nur ein domicile vor.581 b) Gesetzliche Wohnsitze In Ausnahme zu § 7 BGB werden gesetzliche Wohnsitze zugewiesen: Soldaten haben ihren Wohnsitz gem. § 9 Abs. 1 S. 1 BGB an ihrem inländischen Standort bzw. während eines Auslandseinsatzes an ihrem letzten inländischen Standort, § 9 Abs. 1 S. 2 BGB. § 10 BGB, der den Wohnsitz der Ehefrau betraf, wurde durch Art. 1 Nr. 3 GleichberG vom 18.6.1957 abgeschafft. Der Wohnsitz von Kindern nach § 11 BGB wird in Abhängigkeit von den Eltern bzw. vom erziehungsberechtigten Elternteil bestimmt. Es kommt dabei nicht auf den tatsächlichen Aufenthalt und einen entsprechenden Aufenthaltswillen des Kindes an. Das Kind kann den abgeleiteten Wohnsitz rechtsgültig durch die Begründung eines eigenständigen Wohn575

BayOblG NJW-RR 1998, 85; Schulze/Dörner/Ebert/Dörner, § 7 BGB, Rn. 4; MüKo/J.Schmitt, § 7 BGB, Rn. 38 f.; BGH NJW 1988, 713. 576 Kritisch dazu insb. Staudinger/Kannowski, § 7 BGB, Rn. 18. 577 BayObLGZ 1984, 289; MüKo/J.Schmitt, § 7 BGB, Rn. 36; vgl. auch BGH, BeckRS 1962, 31377794. 578 BGH, BeckRS 1962, 31377794; BVerwG NJW 1986, 674. 579 BVerwG NJW 1986, 674. Eine Ferienwohnung wird damit aber in aller Regel keinen Wohnsitz darstellen, es sei denn, sie ist für den entsprechenden Aufenthaltszeitraum räumlicher Mittelpunkt der gesamten Lebensführung; vgl. RGRK/Krüger-Nieland, § 7 BGB, Rn. 40; Staudinger/Kannowski, § 7 BGB, Rn. 18. 580 Staudinger/Kannowski, § 7 BGB, Rn. 17 f. 581 Staudinger/Kannowski, § 7 BGB, Rn. 17 f.

§ 2 Das Konzept des domicile

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sitzes gem. §§ 7, 8 BGB aufheben, soweit die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters entsprechend § 182 ff. BGB vorliegt.582 Diese Möglichkeit besteht ebenso für volljährige beschränkt geschäftsfähige und geschäftsunfähige Personen. 3. Zuständigkeitskonflikte Die Tatsache, dass diese unterschiedlichen Wohnsitzbegriffe nebeneinander stehen und eine autonome Definition des Wohnsitzes auf Gemeinschaftsebene fehlt, ermöglicht dem Kläger in gewissem Umfang durch die Verlegung des Wohnsitzes forum shopping zu betreiben.583 Darüber hinaus ergeben sich durch die unterschiedlichen Wohnsitzbegriffe auch positive oder negative Kompetenzkonflikte. a) Positive Kompetenzkonflikte Ein positiver Kompetenzkonflikt liegt vor, wenn nach dem Recht von zwei oder mehreren Mitgliedstaaten jeweils ein inländischer Wohnsitz anzunehmen ist, weil die Partei in diesen Rechtsordnungen jeweils die Voraussetzungen des nationalen Rechts erfüllt.584 Wie schon Art. 7 Abs. 2 BGB zeigt, sind zum Teil auch mehrfache Wohnsitze möglich, was zu zusätzlichen Schwierigkeiten führen kann. 585 Nach richtiger Auffassung können positive Kompetenzkonflikte aber nach Art. 27 ff. Brüssel I-VO gelöst werden.586 b) Negative Kompetenzkonflikte Ein negativer Kompetenzkonflikt kann entstehen, wenn die Gerichte der „betroffenen” Staaten gleichermaßen einen inländischen Wohnsitz ablehnen. Die Behandlung negativer Kompetenzkonflikte ist in der Literatur äußerst umstritten. So wird vertreten, dass der Gerichtsstaat eine Rückverweisung zu seinen Gunsten annehmen solle. 587 Nach anderer Auffassung 582

BayObLGZ 1979, 142, 149; MüKo/J.Schmitt, § 8 BGB, Rn. 6 f. Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 59 Brüssel I-VO, Rn. 7; Kropholler/ v. Hein, EZPR, Art. 59 Brüssel I-VO, Rn. 1; Geimer/Schütze/Pörnbacher/Thiel, Art. 59 Brüssel I-VO, Rn. 11. 584 Schlosser, Art. 59 EuGVVO, Rn. 3. 585 In diesem Zusammenhang plädiert Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 59 Brüssel I-VO, Rn. 7 für ein Wahlrecht des Klägers in analoger Anwendung von § 35 ZPO. 586 MüKo ZPO/Gottwald, Art. 59 EuGVO, Rn. 6; Rauscher/Staudinger, EuZPR/ EuIPR, Art. 59 Brüssel I-VO, Rn. 7; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 59 EuGVVO, Rn. 4; Prütting/Gehrlein/Schinkels, Art. 59 EuGVO, Rn. 4. 587 Schlosser, Art. 59 EuGVVO, Rn. 3; Saenger/Dörner, Art. 59 EuGVVO, Rn. 7; MüKoZPO/Gottwald, Art. 59 EuGVO, Rn. 6. 583

VII. Zusammenfassung und Gesamtbewertung

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soll eine Notzuständigkeit in jedem der beteiligten Staaten anzunehmen sein.588 Eine weit verbreitete Ansicht will anstelle des Wohnsitzes auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellen. 589 Keine der vorgeschlagenen Lösungen vermag restlos zu überzeugen. Gegen die Ersetzung des Wohnsitzes durch den gewöhnlichen Aufenthalt sollte allerdings schon der Wortlaut von Art. 59 Brüssel I-VO sprechen.590 Im Endergebnis gelangen aber wohl alle Auffassungen zu dem Ergebnis, dass im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts der Zuständigkeitskatalog der Brüssel I-VO zur Anwendung kommt, wenn die betroffene Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Raum des Binnenmarktes hat und damit schutzbedürftig ist.591

VII. Zusammenfassung und Gesamtbewertung 1. Vergleich mit dem Ausgangspunkt des römischen Rechts Vergleicht man das römische domicilium mit dem englischen domicile, so wird deutlich, dass wesentliche Grundgedanken des römischen Rechts auch im englischen weiterhin Gültigkeit beanspruchen können, den unterschiedlichen inhaltlichen Regelungszusammenhängen zum Trotz. Dies gilt vor allem für die Lösung von Detailfragen, beispielsweise bezüglich der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes, bei der sich die englische Rechtsprechung immer noch an Digestenstellen orientiert. Grundlegende Abweichungen sind jedoch feststellbar beim domicile of origin und der revivalDoktrin. Bei diesen handelt es sich um eigenständige britische Entwicklungen, die zu einer sehr großen Anknüpfungsstabilität geführt haben. Insofern trifft es auch zu, das domicile als „nationality in disguise“ zu bezeichnen, ist das domicile of origin doch ähnlich schwer „abzulegen“.592 Andere Rechtsordnungen des common law, allen voran die USamerikanischen, sind durch ihre objektivere Ausrichtung wesentlich näher am „Original“, an dem sich auch das deutsche Recht stark orientiert. Die deutsche Besonderheit im internationalen Vergleich ist dabei die Möglichkeit des mehrfachen Wohnsitzes.

588

Schack, Rn. 278. Kropholler/v. Hein, EZPR, Art. 59 Brüssel I-VO, Rn. 9; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 59 EuGVVO, Rn. 3; wohl auch Saenger/Dörner, Art. 59 EuGVVO, Rn. 7. 590 So auch Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 59 Brüssel I, Rn. 8, der die Hoffnung ausspricht, dass der EuGH eine Klärung vornehmen könnte. 591 Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 59 Brüssel I, Rn. 8. 592 Vgl. Stone, S. 12. 589

§ 2 Das Konzept des domicile

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2. Kritikpunkte am domicile nach englischem Verständnis Die wesentlichen Kritikpunkte am englischen Konzept und dessen einzelnen Tatbeständen sind seit langer Zeit bekannt: Sowohl die Kriterien für die Bestimmung als auch die Bedeutung des domicile of origin aufgrund der revival-Doktrin spiegeln längst obsolete Wertvorstellungen wider und behindern eine zeitgemäße Beurteilung der mobilen Gesellschaft des 21. Jh.593 Dies gilt insbesondere im internationalen Familienrecht. Die Differenzierung nach den Eltern sowie die generelle Abhängigkeit der Kinder von den Eltern ist beim domicile of dependency unsachgemäß und diskriminierend. Gleiches gilt für die Beurteilung von Geschäftsunfähigen und Menschen mit geistiger Behinderung. Die Vermutung zugunsten eines bestehenden domicile in Verbindung mit hohen Anforderungen an die Darlegung eines neuen domicile of choice kann zwar dann angemessen sein, insbesondere wenn ein Erblasser ein besonderes Kontinuitätsinteresse hat und bzgl. der Beurteilung seines Nachlasses gerade keinen Statutenwechsel bei einem Umzug wünscht.594 Hier ist der Ansatz des domicile von einer Wahlmöglichkeit des Erblassers geprägt, der durch seinen dauerhaften Bleibewillen auch über die Anwendbarkeit des Rechts entscheiden kann. Ausschlaggebend ist der Wille und gerade nicht die bloße Anwesenheit, auch wenn diese länger andauern mag. Diese vermeintliche Wahlmöglichkeit ist jedoch dann unsachgerecht, wenn der Erblasser entweder kein diesbezügliches Bewusstsein hat und/oder der Wille (insbesondere im Nachhinein) nicht mehr aufklärbar ist. Der Nachweis der subjektiven Tatbestandsseite gestaltet sich dabei äußerst kompliziert. Die revival-Doktrin595 führt in solchen Fällen ggfs. zu einer Rechtsordnung, zu der der Erblasser keine wesentliche Verbindung (mehr) hat und nach der er bei Kenntnis der Anknüpfungssituation wohl auch nicht hätte beurteilt werden wollen: Während sich die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit in Fällen, in denen sich die Person seit Jahrzehnten im Ausland aufhält, schon alleine durch den Pass zumindest in gewissem Maße als identitätsstiftend erweisen kann, trägt der domicile-Inhaber sein Leben lang ein domicile of origin mit sich, zu dem er nicht zwangsläufig eine Verbindung haben muss. 3. Reformvorschläge Die Law Commissions machten in ihrem Gutachten insgesamt überzeugende Reformvorschläge: Aufgrund der Abschaffung der revival-Doktrin komme es nicht mehr auf das domicile eines Menschen zum Zeitpunkt der 593

So auch McEleavy, 56 ICLQ (2007), 453, 454. Vgl. dazu nochmals Clarkson/Hill, S. 321. 595 Vgl. S. 28 ff. 594

VII. Zusammenfassung und Gesamtbewertung

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Geburt an. Kinder sollen fortan nicht mehr in Abhängigkeit von ihren Eltern ein domicile haben, sondern vielmehr an dem Ort, zu dem sie die engsten Verbindungen haben. Dies gilt von der Geburt bis zum Erreichen der Altersgrenze für den Erwerb eines domicile of choice. Nach diesen Regeln soll sich auch das domicile of dependency bei Menschen mit geistiger Behinderung bemessen. Bei Erwachsenen soll das domicile in objektiver Hinsicht das Tatbestandselement der physical presence voraussetzen und in subjektiver Hinsicht einen abgesenkten Maßstab erfüllen, wobei der reguläre zivilrechtliche Beweismaßstab im Zivilrecht verwendet und keine besonderen Anforderungen an die Widerlegung eines bisherigen domicile gestellt werden sollten. Tendenzen zu einer Objektivierung des Konzepts, wie sie vor allem Fentiman aus bestimmten Urteilen lesen will, sind zwar im Ansatz erkennbar und einzelnen umsichtigen Richtern zu verdanken. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wesentlichen strukturellen Probleme nach wie vor bestehen bleiben. 596 Die in England noch bestehenden Kritikpunkte wurden unlängst in Australien, Neuseeland, Südafrika, Hong Kong und zumindest auch teilweise in Schottland ausgeräumt. Ihre Domicile Acts597 schafften die revival-Doktrin ab und führten auch im Übrigen wesentliche Verbesserungen hinsichtlich des domicile ein. An den Domicile Acts dieser Staaten wird deutlich, dass eine Modernisierung des Konzepts im Sinne der Law Reform Commissions durchaus auch praktisch erfolgreich umgesetzt werden kann. Diese Staaten näherten sich damit gleichzeitig dem schon seit langer Zeit wesentlich liberaleren Verständnis vom domicile nach USamerikanischer Sichtweise an. 4. Eine Insel im Meer der Commonwealth-Staaten – Das Extrembeispiel Nauru In Anbetracht der Kritikpunkte verwundert es kaum, dass bisweilen zu wesentlich radikaleren Reformen des Konzepts des domicile aufgerufen wurde: 1981 schlug die Irish Law Reform Commission schlug in ihrer Stellungnahme vor, das domicile gänzlich abzuschaffen und durch den gewöhnlichen Aufenthalt zu ersetzen.598 In Irland konnte sich dieser Ansatz allerdings nicht durchsetzen. Wesentlich couragierter war insofern der südpazifische Inselstaat Nauru. Mit Sec. 3 des Conflict of Laws Act 1974 ersetzte er die Anknüp596

So auch Clarkson/Hill, S. 326. Mit Ausnahme von dem Schottlands, der nur bezüglich des domicile von Kindern Änderungen herbeiführte. 598 Vgl. Irish Law Reform Commission, Working Paper, S. 13 und 101 ff. 597

§ 2 Das Konzept des domicile

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fung an das domicile vollständig durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt; 599 ein mutiger Schritt eines Staates, der aufgrund seiner Größe und Lage zwangsläufig zahlreiche Sachverhalte mit internationalem Bezug juristisch zu bewältigen hat. Die Hong Kong Law Reform Commission kam hingegen ebenso wie vorher schon die Law Reform Commissions zu dem Ergebnis, dass Reformen nur innerhalb des domicile stattfinden sollen und gerade keine ganzheitliche Aufgabe des Konzepts erfolgen solle.600 Insbesondere befürchtete die Hong Kong Law Reform Commission, dass durch die Ersetzung des domicile durch den gewöhnlichen Aufenthalt zu schnelle Statutenwechsel eintreten könnten, die keine Anknüpfung mehr an das permanent home (Heimat) der Person ermöglichen würden.601 Allen Makeln zum Trotz wird am Konzept als Teil der common lawTradition festgehalten. Umso bedauerlicher ist dieser Stillstand, wenn man bedenkt, dass eine Reform des domicile in Großbritannien, wie auch das Zitat am Anfang dieses Kapitels zeigt, kaum zu (noch größerer) Rechtsunsicherheit bei juristischen Laien führen kann. Diese sind im Zweifel ohnehin auf „professional advice“ angewiesen.

599

Sec. 3 Conflict of Laws Act 1974 (No. 14 of 1974): “Where the proper law to which effect would have to be given under the provisions of section 2 for the purpose of deciding any question would be the law of the country of any person's domicile, the proper law to which effect is to be given for the purpose of deciding that question is the law of the country in which that person habitually resides.” 600 Law Com No. 168, S. 9 f.; Hong Kong Law Com Report, S. 30 ff., insb. S. 32. 601 Hong Kong Law Com Report, S. 31.

§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR Der gewöhnliche Aufenthalt hat sich zum zentralen Anknüpfungspunkt des internationalen Verfahrens- und Privatrechts auf europäischer Ebene entwickelt. Die EU-Verordnungen der letzten Jahre verwenden allesamt den gewöhnlichen Aufenthalt als objektiven Hauptanknüpfungspunkt. Man kann insofern sicherlich von einem fortgesetzten „internationalen Trend“ zur Territorialanknüpfung anstelle der Staatsangehörigkeitsanknüpfung sprechen.1 Dabei ist der gewöhnliche Aufenthalt keine Neuschöpfung des europäischen Gesetzgebers: Der Begriff kann auf eine wechselhafte Vergangenheit in den nationalen Rechtsordnungen Kontinentaleuropas und auf internationaler Ebene zurückblicken. Der Schaffung des gewöhnlichen Aufenthalts lag dabei der Gedanke zugrunde, eine flexible Anknüpfung jenseits des schwer nachweisbaren Domizilbegriffs und der starren Staatsangehörigkeit zu schaffen. Im Kapitel zum gewöhnlichen Aufenthalt soll zunächst in gebotener Kürze dargestellt werden, wie sich der Begriff im ausgehenden 19. Jh. ausprägte und bis zum Anfang des 21. Jh. zu einem zentralen Anknüpfungspunkt auf europäischer internationaler Ebene wurde (Abschnitt I.). Dabei wird vor allem auf die zentralen bi- und multilateralen Abkommen eingegangen werden, die den gewöhnlichen Aufenthalt verwendeten und etablierten. Ausgehend von diesem kurzen Überblick sollen die wesentlichen Grundlagen eines gesamteuropäischen Verständnisses des gewöhnlichen Aufenthalts im internationalen Privat-und Verfahrensrecht auf Grundlage der Definition des Europarates von 1972 erarbeitet werden (Abschnitt II.) und deren Anwendbarkeit im spezifischen Kontext der europäischen Verordnungen dargestellt werden (Abschnitte III.–IX.).

1 U.a. Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 563; Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 111; allgemeiner auch Thorn, FS Jayme 2004, S. 955, 959.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

I. Entwicklungsgeschichte des Begriffes 1. Etablierung des gewöhnlichen Aufenthalts neben Wohnsitz und Staatsangehörigkeit Der von Savigny und Story diskutierte römisch-rechtlich geprägte Wohnsitzbegriff2 war in den entstehenden europäischen nationalen Rechtsordnungen zu Beginn des 19. Jh. durch die Staatsangehörigkeit zunehmend verdrängt worden.3 Ein durch Tatsachen konkretisierter und von einem Willenselement abhängiger Begriff des Wohnsitzes musste nicht mehr verwendet werden, da die politische Zugehörigkeit zu einem Staat und der dahinterstehenden Nation maßgebliches Kriterium für eine hinreichende Zuordnung des Bürgers als Untertan zu einer Gebietseinheit war.4 Geht man davon aus, dass der Wohnsitz zu Beginn des 19. Jh. durch aufkommendes nationales Gedankengut eine Neuinterpretation bezüglich der „Nähe zur Heimat“ erfuhr, welche sich in der Staatsangehörigkeit des Landes seines Wohnsitzes abbildete, so lässt sich insofern auch von einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Herausbildung der Staatsangehörigkeit aus dem Wohnsitzbegriff der Zeit sprechen.5 Die wesentliche Entwicklung des Anknüpfungspunktes des gewöhnlichen Aufenthalts setzte erst im zweiten Drittel des 19. Jh. ein und ist damit im Vergleich zu anderen Anknüpfungsattributen zur Bestimmung des Personalstatuts das jüngste.6 Zunächst fand er im deutschen Recht als gleichwertiges Kriterium neben dem Wohnsitz für die Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstands Verwendung, um Beweisschwierigkeiten beim Wohnsitzbegriff zu vermeiden.7 In der Folgezeit wurde der gewöhnliche Aufenthalt insbesondere in bilateralen Staatsverträgen, welche das neuentstandene Deutsche Reich seit Ende der 1870er Jahre mit europäischen Nachbarn schloss8, verwendet. 2 Vgl. zu den Parallelen des Verständnisses vom römisch-rechtlich geprägten Wohnsitzbegriff von Story und Savigny nochmals Kegel, RabelsZ (52) 1988, 431, 434 ff. 3 Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 22 ff., 135 ff., 164 ff.; vgl. die ausführliche Darstellung der Entwicklung der Staatsangehörigkeit zum „europaweiten“ Anknüpfungspunkt für das Personalstatut, Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, § 2. 4 Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, § 2 Rn. 10 f., S. 11. Vgl. auch Cavers, 21 Am.U.L.R. (1972), 475. 5 Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, § 2. Rn. 10 m.w.N. 6 Trips-Hebert, S. 36; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 3. 7 Vgl. ausführlich zu § 2 I 1 der Allgemeinen bürgerlichen Prozessordnung von Hannover vom 4.12.1847 und weiteren dt. Prozessordnungen der Zeit Neuhaus, S. 225 N. 616 und Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 2 ff. 8 So regelte die deutsch-belgische Übereinkunft vom 18.10.1878, dass Deutsche in Belgien und Belgier in Deutschland unter denselben Bedingungen und gesetzlichen Vo-

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Anwendung fand der gewöhnliche Aufenthalt für die von der Staatsangehörigkeit unabhängige Zulassung zum Armenrecht im Gegenseitigkeitsverhältnis nach dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung. Um diese Vorform der heutigen Prozesskostenhilfe zu erhalten, war ein sog. Armutszeugnis erforderlich. In den Abkommen wurde jeweils geregelt, dass die Behörde am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts unabhängig von der Staatsangehörigkeit für die Ausstellung des Zeugnisses zuständig war.9 Damit legten diese Regelungen einen gedanklichen Grundstein für die Haager Konferenz, die wenige Jahrzehnte später ins Leben gerufen werden sollte und die sich mit der Problematik auf multinationaler Ebene zu beschäftigen begann. 10 2. Haager Konventionen Die Entwicklung des gewöhnlichen Aufenthalts als europäischer Anknüpfungspunkt geht im Wesentlichen auf die Arbeit der Haager Konferenz zurück. Ausgehend vom Prozessrecht fand er zunehmend in familienrechtlichem Kontext Verwendung. a) Frühe Haager Konventionen Frühe Haager Konventionen waren von der vielfachen Verwendung der Staatsangehörigkeit geprägt, nutzten aber für „Randbereiche“ schon den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungskriterium.11 Eine erste Nennung findet sich im Zivilprozessübereinkommen von 1896.12 Wie bereits die oben erwähnten Abkommen stellte Art. 15 Abs. 1 bezüglich der Zuständigkeit für die Erteilung des Armutszeugnisses auf die Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts ab. Für den Fall, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht bestand, sollte hilfsweise auf den momentanen Aufenthaltsort abgeraussetzungen zum Armenrecht zugelassen werden, wie die Angehörigen des betreffenden Landes, in welchen der Prozess anhängig ist. Vgl. Deutsch-Belgische Übereinkunft vom 18.10.1878, RGBl. 1879, 316. Das Abkommen war dabei nicht nach Artikeln oder Paragraphen geordnet. Vgl. auch Art. 2 der Vereinbarung Deutschlands und Frankreichs vom 20.2.1880, RGBl. 1881, 81, sowie die Übereinkunft mit Österreich-Ungarn vom 9.5.1886; RGBl. 1887, 120. Näher dazu insg. Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 4 f. 9 Die deutsch-belgische Übereinkunft vom 18.10.1878 enthielt dazu folgende Formulierung: „[…] das Armutszeugnis dem Ausländer, welcher zum Armenrecht zugelassen werden will, in allen Fällen von der Behörde seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes auszustellen ist.“ 10 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 5. 11 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 5. 12 RGBl. 1899, 285; Baetge weist darauf hin, dass entgegen des irreführenden Wortlautes (Abkommen zur Regelung von Fragen des internationalen Privatrechts vom 14.11.1896) nur Fragen des Zivilprozessrechts behandelt wurden; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 5.

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stellt werden.13 Über den genauen Gehalt des Begriffes ist den Kommissionsunterlagen jedoch wenig zu entnehmen.14 Das Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige vom 12.6.190215 (Vormundschaftsabkommen von 1902) sowie das Abkommen über die Entmündigung und gleichartige Fürsorgemaßregeln vom 17.7.190516 verwenden erneut den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts. 17 Diese Abkommen sind sehr bedeutsam, weil in ihnen der gewöhnliche Aufenthalt zum ersten Mal nicht nur zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit, sondern auch zur Bestimmung des anwendbaren Rechts verwendet wurde.18 Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass im Zentrum beider Konventionen die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit stand.19 Beide Konventionen regelten, dass zunächst das Recht des Heimatstaates bezüglich Behördenzuständigkeit, Verfahren und materieller Vorschriften einschlägig sein sollte. Dies galt aufgrund der staatlichen Fürsorgepflichten grundsätzlich auch dann, wenn das Mündel im Ausland war.20 Griff der Heimatstaat aber nicht ein, so sollten die Behörden des gewöhnlichen Aufenthaltsortes handeln. 21 Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wurde also vor allem dann verwendet, wenn – wie im Armenrecht sowie in Vormundschafts- und Entmündigungssachen erkennbar – ein besonderes Schutzbedürfnis bestand.22 b) Die Entwicklung in der Zwischenkriegszeit Die VI. Haager Konferenz von 1928 war geprägt von den Folgen des Ersten Weltkrieges. Die durch die Pariser Vorortverträge23 verankerten Grenzverschiebungen führten zu einem vorher nicht gekannten Anstieg an Staatenlosen und Mehrstaatern. Verstärkt wurde dieses Phänomen durch 13

Die deutsche nicht amtliche Übersetzung spricht vom „derzeitigen Aufenthalt“. Vgl. Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 6. 15 RGBl. 1904, 240. 16 RGBl. 1912, 463. 17 Dazu Pirrung, FS Ferid (1988), 339, 340. 18 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 6. 19 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 6; vgl. auch von Overbeck, N.I.L.R. 40 (1993), 93, 97 f. zum Vormundschaftsabkommen. 20 Vgl. Art. 1 des Vormundschaftsabkommens sowie Art. 1, 2 des Entmündigungsabkommens. 21 Vgl. Art. 3 des Vormundschaftsabkommens sowie Art. 6, 11 des Entmündigungsabkommens. 22 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 7. 23 Neben dem berühmten Versailler Vertrag mit dem Deutschen Reich schlossen die Siegermächte der Triple-Entente auch mit den anderen unterlegenen Staaten Friedensverträge, die nach dem Abschlussort benannt wurden, bspw. den Vertrag von St. Germain mit Österreich. 14

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ein Dekret der Sowjetunion, welche Emigranten in deren Abwesenheit die russische Staatsangehörigkeit entzog. 24 Die Konferenz war daher gezwungen, die bestehenden Konventionen der Vorkriegszeit an diese veränderten Umstände anzupassen. Eine Beibehaltung der fast ausschließlichen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit konnte dieser Problemstellung nicht mehr gerecht werden. Nach intensiver Debatte entschied sich die Konferenz gegen die Verwendung des Wohnsitzbegriffs und für den gewöhnlichen Aufenthalt als ergänzenden Anknüpfungspunkt, was zu einer deutlichen Aufwertung des letzteren führen sollte.25 Der Wohnsitzbegriff galt angesichts seiner sehr unterschiedlichen Ausgestaltung in den teilnehmenden Staaten als vorbelastet und ließ wenig praktikable Anwendungsergebnisse befürchten.26 Die geplanten Änderungen wurden zwar auf Grund der sich verschlechternden politischen Gesamtsituation Europas in den 1930er Jahren nie umgesetzt, waren jedoch ein Ansatzpunkt für zukünftige Vorhaben.27 c) Die Haager Konventionen der unmittelbaren Nachkriegszeit Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der gewöhnliche Aufenthalt zentraler Anknüpfungspunkt der Haager Konventionen und löste die Staatsangehörigkeit ab.28 Auch jetzt wurde die Wohnsitzanknüpfung an vielen Stellen intensiv diskutiert, konnte sich aber nie effektiv durchsetzen. 29 Für den Bedeutungsverlust der Staatsangehörigkeit im Vergleich zum gewöhnlichen Aufenthalt sind mehrere Gründe zu nennen: Der Zweite Weltkrieg entwurzelte eine Vielzahl von Menschen und brachte Staatenlose hervor. Durch die Ansiedelung in neuen Gebieten und die damit verbundenen Ehen nahm auch die Anzahl der Doppelstaater zu. Der wirtschaftliche Aufschwung der Nachkriegszeit führte zu einer neuen Mobilitätswelle durch Wander- und Gastarbeiter, die diese Entwicklung nachhaltig verstärkten. 30 Die VII. Haager Konferenz von 1951 verwendete den gewöhnlichen Aufenthalt in der renvoi-Konvention. 31 Diese bot Lösungsansätze für Kollisionsfälle zwischen Rechtsordnungen, die an das Domizil, und Rechts24

Vgl. Nussbaum, S. 111; Siep, S. 10. Vgl. zum Verlauf der Diskussion Actes et Doc. VI 1928, 110 ff. sowie Papenfuß, S. 32 ff. 26 Herweg, S. 49. 27 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 11. 28 Cavers, 21 Am.U.L.R. (1972), 475, 477, Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 15. Vgl. allgemein zur Entwicklung des IPR im Europa der Nachkriegszeit, Siehr, FS Jayme 2004, S. 873 ff. 29 Cavers, 21 Am.U.L.R. (1972), 475, 477. 30 Cavers, 21 Am.U.L.R. (1972), 475, 476 ; vgl. auch Kropholler, MSA, 12 f. 31 Text in RabelsZ 17 (1952), 272 f.; Stellungnahme der Bundesregierung, RabelsZ 17 (1952), 276. 25

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ordnungen, die an die Staatsangehörigkeit anknüpften. Dabei bevorzugte die Konvention in solchen Fällen prinzipiell das Domizilprinzip.32 Um Differenzen zwischen den Konventionsstaaten aufgrund divergierender Auslegungen des Domizils zu vermeiden, wurde für den Anwendungsbereich der Konvention ein eigenständiger Domizilbegriff geschaffen. Nach Art. 5 des Übereinkommens ist der Wohnsitz einer Person als der Ort zu verstehen, an dem sich eine Person gewöhnlich aufhält, es sei denn, dass der Wohnsitz von dem einer anderen Person oder vom Sitz einer Behörde abhängt.33 Damit hing der Wohnsitz grundsätzlich vom gewöhnlichen Aufenthalt ab. Mit diesem Konstrukt versuchte man, eine Kollision der unterschiedlichen nationalen Begriffsverständnisse des Wohnsitzes durch das Ausweichen auf einen einheitlich anhand objektiver Tatsachen zu bestimmenden gewöhnlichen Aufenthalt zu verhindern.34 Bezüglich abhängiger Personen (insbesondere Minderjähriger und auch der Ehefrauen) ging man weiterhin nach den Grundsätzen des römisch-rechtlich geprägten Wohnsitzbegriffs vor. So wies man ihnen in Abhängigkeit von der Hauptperson an deren Konventionsdomizil ein Domizil zu, da sie nach Art. 5 der Konvention gerade keinen eigenen Wohnsitz innehaben konnten. 35 Im Vergleich zu vorherigen Konventionen ist dieses Vorgehen klar als Rückschritt zu werten. Hatte man sich vorher von den dem Domizilbegriff immanenten Abhängigkeitsverhältnissen durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern gerade erst losgelöst, so wurde diese Abhängigkeit nun erneut manifestiert. Praktische Auswirkungen sollte dies rückblickend nicht haben, da die Konvention nie in Kraft trat. Künftige Abkommen verzichteten sowohl auf den Rekurs auf den Wohnsitz als auch auf den abhängigen Kindeswohnsitz und verwendeten den gewöhnlichen Aufenthalt in der Tradition der vorherigen Abkommen.36 d) Haager Übereinkommen zum Kindschaftsrecht Das Minderjährigenschutzabkommen (MSA)37 von 1961 ersetzte das Vormundschaftsabkommen von 1902. Dieses war nach fast 60 Jahren Bestand aufgrund der Beschränkung seines sachlichen Anwendungsbereiches auf das in die Jahre gekommene Konzept der Vormundschaft und der klaren

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Dölle, RabelsZ 17 (1952), 161, 201; Gollrad, S. 198; dazu auch Papenfuß, S. 38 f. Vgl. den frz. Text in RabelsZ 17 (1952), 272 f. 34 Dölle, RabelsZ 17 (1952), 161, 202 f. Ähnlich war bereits 1928 auf der VI. Konferenz bzgl. der Vormundschafts- und Entmündigungsübereinkommen argumentiert worden. 35 Vgl. Gollrad, S. 198. 36 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 19. 37 Text abgedruckt in BGBl. 1971 II 219. 33

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Präferenz der Staatsangehörigkeit nicht mehr zeitgemäß.38 Die Heimatbehörden scheiterten in der Praxis vor allem daran, dass sie weder die sozialen Verhältnisse eines Minderjährigen selbst prüfen, noch die angeordneten Maßnahmen im Ausland durchführen und überwachen konnten.39 Die sog. Fernvormundschaften erwiesen sich als nutzlos, so dass die Praxis mehr und mehr dazu überging, an der Intention des Konventionstextes vorbei nur noch die – subsidiäre – Zuständigkeitsregelung des Art. 3 des Vormundschaftsabkommens anzuwenden.40 Nach Art. 2 des MSA waren nun von vornherein die Behörden des Aufenthaltsstaates für die Schutzmaßnahmen zuständig. Der Zuständigkeit folgte auch das anwendbare Recht, so dass gewöhnlich ein Gleichlauf erzielt werden konnte.41 Durchbrochen wurde die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt von Art. 3, demzufolge bereits bestehende ex-legeGewaltverhältnisse nach dem Heimatrecht auch in sämtlichen anderen Vertragsstaaten anzuerkennen waren. Nach rund 35-jährigem Bestehen des Minderjährigenschutzabkommens wurde auf der XVIII. Tagung der Haager Konferenz im Jahre 1996 eine Reform des Übereinkommens beschlossen. Der gewöhnliche Aufenthalt sollte als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht gestärkt werden, da er sich bewährt hatte.42 Der Nachfolger des MSA43, das Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ), ist nach längerer Verzögerung 44 inzwischen in den meisten Mitgliedstaaten der Europpäischen Union in Kraft getreten. 45 Verwendung findet der gewöhnliche Aufenthalt außerdem im Adoptionsabkommen (HAÜ)46 sowie 38

Kropholler, MSA, S. 12 f. Ferid, RabelsZ 27 (1962/63), 411, 433; Kropholler, MSA, S. 12. Vgl. auch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 20. 40 Kropholler, MSA, S. 12 f.; Staudinger/Kropholler, MindjSchBehZustÜ, Art. 1, Rn. 129. 41 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 20. 42 Staudinger/Pirrung, KSÜ, Rn. G 4. 43 Nach Art. 51 KSÜ wird das MSA vollständig durch das KSÜ in den Vertragsstaaten ersetzt. 44 Vgl. Wagner/Janzen, FPR 2011, 110. 45 Das KSÜ trat am 1.1.2011 für Deutschland, Rumänien und Spanien in Kraft. Es gilt seit dem 1.2.2011 in Frankreich, seit dem 1.3.2011 in Finnland, seit dem 1.4.2011 in Österreich, seit dem 1.5.2011 in den Niederlanden, seit dem 1.8.2011 in Portugal und seit dem 1.1.2012 auch für Malta. Aufgrund der eigenständigen Ratifikation gilt das Übereinkommen seit 1.11.2011 auch in Dänemark; vgl. BGBl. 2011 II 842 sowie Mansel/ Thorn/Wagner, IPRax 2012, 1, 10. 46 Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993; Text abgedruckt in BGBl. 2001 II 1035 ff. Dieses gilt seit 1.3.2002 in Deutschland und löste das Übereinkommen über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Ent39

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in dem Haager Kindesentführungsabkommen47, welches seit 1990 in Deutschland gilt. e) Internationales Unterhaltsrecht Im internationalen Unterhaltsrecht sind die Unterhaltsübereinkommen von 195648 und 197349 von Bedeutung. In beiden Abkommen kommt der Staatsangehörigkeit nur eine untergeordnete Rolle für die Anknüpfung zu.50 Die Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen vom 15.4.1958 51 und vom 2.10.1973 52 stellen jeweils flankierende verfahrensrechtliche Bestimmungen dar. f) Internationales Erbrecht Auch im internationalen Erbrecht der Haager Konventionen sollte der gewöhnliche Aufenthalt nach und nach Verwendung finden. Das Testamentsformübereinkommen von 196153 versuchte, den Grundsatz des favor testamenti dadurch zu verwirklichen, dass in Art. 1 die Anknüpfungspunkte des Errichtungsortes, der Staatsangehörigkeit des Testierenden, des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts aufgenommen wurden. Einen momentanen Schlusspunkt zum internationalen Erbrecht bildet das Erbrechtsübereinkommen von 1989.54 Das Übereinkommen wurde zwar auch von Argentinien, Luxemburg und der Schweiz gezeichnet, jescheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt vom 15.11.1965 ab. Dazu näher Ficker, RabelsZ 30 (1966), 605, 609 ff, insb. 625 ff. 47 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980. Text abgedruckt in BGBl. 1990 II 207 sowie in Jayme/Hausmann, Nr. 222; vgl. dazu u.a. Schuz, J. Transnat’l L. & Pol’y 11 [2001–2002], 101 ff. 48 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24.10.1956; Text abgedruckt in BGBl. 1961, II 1013. 49 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973. Text abgedruckt in BGBl. 1986 II 837. Dabei verdrängt das Abkommen von 1973 nach Art. 18 das ältere Abkommen für die Beziehungen zwischen den Vertragsstaaten. 50 So auch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 22. 51 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958; Text abgedruckt in BGBl. 1961 II 1006. 52 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973. Text abgedruckt in BGBl. 1986 II 826. 53 Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht. Text abgedruckt in BGBl. 1965 II 1145. 54 Haager Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vom 1.8.1989; Text abgedruckt in IPRax 2000, 56 ff.

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doch nur von den Niederlanden ratifiziert.55 Gemäß Art. 28 ist es damit noch nicht in Kraft getreten, gilt aber seit 1.10.1996 in den Niederlanden, welche die Bestimmungen des Übereinkommens in ihr nationales Recht übernahmen. 56 Das Übereinkommen ist von dem Versuch geprägt, die verschiedenen nationalen Rechtsvorstellungen in einem Kompromiss zwischen Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt zusammenzuführen.57 Zugleich lässt das Übereinkommen gemäß Art. 5 Abs. 1 die Rechtswahl zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit oder des gewöhnlichen Aufenthalts zu. Wohnsitz und domicile werden damit ganz in der Tradition der Haager Übereinkommen völlig verdrängt.58 „Artikel 3 (1) Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er in diesem Zeitpunkt Angehöriger dieses Staates war. (2) Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt ebenfalls dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er sich mindestens fünf Jahre unmittelbar vor seinem Tod in diesem Staat aufgehalten hatte. Unter außergewöhnlichen Umständen ist jedoch, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes offensichtlich mit dem Staat enger verbunden war, dem er in diesem Zeitpunkt angehörte, das Recht dieses Staates anzuwenden. (3) In anderen Fällen unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte, es sei denn, er war in diesem Zeitpunkt mit einem anderen Staat enger verbunden, in welchem Fall das Recht dieses anderen Staates anzuwenden ist.“

Grundsätzlich geht Art. 3 von der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt aus, setzt jedoch eines von zwei Qualifikationsmerkmalen voraus: Der Erblasser muss entweder die Staatsangehörigkeit des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts haben (Art. 3 Abs. 1) oder sich dort seit mindestens fünf Jahren aufhalten (Art. 3 Abs. 2). Art. 3 Abs. 2 geht damit also nicht davon aus, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt erst nach fünf Jahren Anwesenheit bestehen kann. Das Abkommen lässt lediglich eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt erst dann zu, wenn dieser in einer Rechtsordnung bestand, in der sich der Erblasser in den letzten fünf Jahren unmittelbar vor seinem Tod aufhielt. Es handelt sich damit folglich nicht um eine Mindestfrist zur Etablierung eines gewöhnlichen Aufenthalts, sondern um eine Verfestigung, welche das Fehlen der Staatsangehörigkeit als vermeintlich intensivere Verbindung substituieren soll. Art. 3 Abs. 3 55

Vgl. MüKo/Birk, Art. 25 EGBGB, Rn. 285 ff. sowie Groll/Kindler, F, Rn. 21. Näher zu den Auswirkungen auf deutsch-niederländische Erbfälle Schmellenkamp, MittRhNotK 1997, 245 ff. 57 Kritisch dazu rückblickend DNotI/Hayton, Les successions internationales dans l'UE, S. 359, 364. 58 Waters, Actes et Doc. 16 (1988-II) 549, § 51. 56

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hält eine Auffangklausel („engere Verbindung“) bereit, falls Abs. 1 und 2 im Einzelfall zu unsachgerecht erscheinenden Anknüpfungsergebnissen führen. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes wird im Übereinkommen nicht definiert und seine Auslegung damit der lex fori überlassen.59

II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses An diese Entwicklung anknüpfend hielt der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im internationalen Zivilprozess- und Privatrecht der Europäischen Union Einzug und wurde in den letzten Jahren zum zentralen Anknüpfungsmoment der Europäischen Kollisionsrechtsordnung.60 1. Vorüberlegungen „Mit dem gewöhnlichen Aufenthalt erscheint es mir so zu gehen wie mit einem Elefanten: Es ist leichter ihn zu erkennen, als ihn zu definieren.“61 Dieser Ausspruch des damaligen britischen Generalanwalts Warner am EuGH erinnert an die oben zitierte Aussage von Lord Cranworth in Whicker v Hume von 1858 zur schweren Fassbarkeit des Begriffes des domicile. 62 Ist der gewöhnliche Aufenthalt wie das domicile ein kaum definierbarer Heimatort, den man nach Lord Cranworth eher „fühlen“ als beschreiben kann? Ist der gewöhnliche Aufenthalt damit ebenfalls eine Versinnbildlichung der Utopie von Heimat, der Heimat als Nichtort, wie Bernhard Schlink sie auffasst? In der Tat handelt es sich beim gewöhnlichen Aufenthalt wie beim domicile um einen Begriff, der inhaltlich durchdrungen werden muss, um greifbar zu werden. Ebenso wenig wie beim domicile gibt es einen rechtsordnungsübergreifenden, standardisierten Einheitsbegriff des gewöhnlichen Aufenthalts. Wie Spellenberg zutreffend anmerkt, bestehen insofern nur bedingt gemeinsame Vorstellungen, die den unterschiedlichen Rechts59

Vgl. auch Schmellenkamp, MittRhNotK 1997, 245, 248. So auch Baetge, FS Kropholler, S. 77, 88. 61 Schlussanträge von Generalanwalt Warner, EuGH v. 17.2.1976, Delvaux/ Kommission, Rs. 42/75, Slg. 1976, 179; engl. Fassung: „It seems to me that habitual residence is, rather like an elephant, easier to recognize than to define.“ Dazu bereits Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 28; zuletzt aufgegriffen von Weller, S. 293, 296, welcher den gewöhnlichen Aufenthalt auch als das „Chamäleon“ unter den kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkten bezeichnet. 62 Whicker v Hume (1858) 7 H.L.C 124, 160): „By domicile we mean home, the permanent home; and if you do not understand your permanent home I am afraid that no illustration drawn from foreign writers or foreign languages will very much help you to it.” 60

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ordnungen entnommen werden können, was schon den zum Teil völlig unterschiedlichen praktischen Bedürfnissen geschuldet sein dürfte.63 Während sich inzwischen, ursprünglich ausgehend von den Haager Übereinkommen, insbesondere den Minderjährigenschutz-64 und den Unterhaltsabkommen,65 ein gesamteuropäisches Grundverständnis gebildet zu haben scheint,66 wird der Begriff im Übrigen in den nationalen Rechtsordnungen nicht einheitlich und zum Teil mit deutlichen Unterschieden aufgrund nationaler Besonderheiten verwendet.67 Während einige Rechtsordnungen eigenständige Definitionsversuche vornahmen und sich ganz anderen Ansätzen als die Haager Konferenzen zuwandten, orientierten sich andere sehr streng an deren Leitbildern. Auf die Besonderheiten nationalen Rechts soll in den folgenden Abschnitten jedoch nur in begrenztem Umfang eingegangen werden. In der Funktion als „europäischer“ Anknüpfungspunkt muss dem gewöhnlichen Aufenthalt ohnehin ein von nationalen Besonderheiten unabhängiges Begriffsverständnis zuteilwerden, welches damit auch insgesamt zur Herausbildung eines gemeinsamen europäischen internationalen Privat- und Verfahrensrechts beiträgt.68 2. Einordnung des gewöhnlichen Aufenthalts als Rechts- oder Tatsachenbegriff Die Haager Konferenzen ließen den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts stets undefiniert, in der Hoffnung, den Gerichten die erforderliche Flexibilität für das Auffinden einer sachgerechten engsten Verbindung zwischen Sachverhalt und Rechtsordnung zu erhalten. 69 Dabei ging man zunächst davon aus, dass es sich bei dem gewöhnlichen Aufenthalt um einen Tatsachenbegriff handele, dass der Begriff „rein faktischer Natur“70 sei und sich dem Anwender aus dem allgemeinen Sprachgebrauch heraus erschließen 63

Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 39. Text abgedruckt in BGBl. 1971 II 219. 65 Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24.10.1956. Text abgedruckt in BGBl. 1961, II 1013; Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973. Text abgedruckt in BGBl. 1986 II 837. Dabei verdrängt das Abkommen von 1973 nach Art. 18 das ältere Abkommen bzgl. der Beziehungen zwischen den Vertragsstaaten. 66 Ausführlich zu den Übereinkommen und deren Verwendung des gewöhnlichen Aufenthalts Holl, S. 94 ff. 67 Vgl. dazu Rogerson, 49 ICLQ (2000), 86, 89. 68 So auch Baetge, FS Kropholler, S. 77, 88; kritisch dazu u.a. Silberman, 8 U.C. Davis L. Rev. (2005) 1049, 1063 f. 69 Brandi, S. 106 f. 70 In den Dokumenten zu den Haager Konferenzen findet sich dafür die englische Formulierung „question of pure fact“ bzw. die fränzösische „notion de fait“; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 103. 64

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könne. 71 Dieses Verständnis wurde in bewusster Abgrenzung zum Rechtsbegriff des Wohnsitzes, den der gewöhnliche Aufenthalt als „faktischen Wohnsitz“ ja verdrängen sollte, vertreten.72 Als rein faktischer Begriff wurde dementsprechend auch kein Bedürfnis gesehen, den gewöhnlichen Aufenthalt einer (Legal-)Definition zu unterwerfen. Nur vereinzelt wurde auf diesen Konferenzen für die Einordnung als (unbestimmter) Rechtsbegriff plädiert.73 Zahlreiche europäische Rechtsordnungen schlossen sich in der Vergangenheit der Auffassung der Haager Konferenzen an und fassten den gewöhnlichen Aufenthalt als Tatsachenbegriff auf, so auch die deutsche Rechtsprechung. 74 Seit geraumer Zeit wird dieses Verständnis abgelehnt und verstärkt für eine Einstufung als Rechtsbegriff plädiert.75 So soll der gewöhnliche Aufenthalt schon deswegen ein Rechtsbegriff sein, weil nach der allgemeinen Methodenlehre jeder Begriff, der in Rechtsnormen gebraucht wird, Rechtsbegriff heißen dürfe.76 Zwar ist dieser allgemein methodologische Ansatz nicht von der Hand zu weisen. Allerdings würde man durch dieses Verständnis generell keinen Raum mehr für die Gattung des Tatsachenbegriffs im positiven Recht belassen, da es ausschließlich Rechtsbegriffe gäbe.77 Überzeugender scheint es anzunehmen, dass der gewöhnliche Aufenthalt durch den wiederholten Gebrauch in verschiedensten Rechtssätzen inzwischen zum juristischen Fachbegriff, zum Terminus technicus, geworden ist, der dem allgemeinen Sprachgebrauch fremd wurde und gerade nicht mehr ohne Auslegung und Präzisierung anwendbar ist.78 Das Wort „gewöhnlich“ wurde zum mehrdeutigen Bestandteil, das besondere kollisi-

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Vgl. Neuhaus, S. 226. Vgl. bspw. de Winter, Bericht zum Vorentwurf des Unterhaltsabkommens von 1956, Doc. 8 (1956 II) 127 1.; von Steiger, Abschlussbericht zum Minderjährigenschutzabkommen, Actes et Doc. 9 (1961-IV) 225 d); Maul, Schlussbericht zum Minderjährigenschutzabkommen, Actes et Doc. 10 (1964-II) 419. 73 Vgl. aber Nypels, Actes et Doc. 9 (1960-III) 69, der sich entschieden für dieses Verständnis aussprach mit der Begründung, dass der Begriff inzwischen in Rechtstexten etabliert und deswegen entsprechend als Rechtsbegriff einzuordnen sei. 74 Vgl. bspw. OLG Celle, FamRZ 1991 598, 599; OLG Hamm IPRax 1991, 191, mit Anm. Klinkhart, IPRax 1991, 174. Zum HKÜ auch BVerfG IPRax 2000, 216 ff., m. Anm. Staudinger, IPRax 2000, 194 ff. 75 Von Rogerson, 49 ICLQ (2000), 86, 89, als „juristischer Tatbestand“ bezeichnet. Vgl. auch Schwind, FS Ferid (1988), 423, 423 f.; Spickhoff, IPRax 1990, 225, 227; Baetge, IPRax 2001, 573, 574; Kropholler, IPR, § 39 II, S. 282. 76 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 105. 77 So richtig Brandi, S. 43. 78 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 105; vgl. auch Kropholler, IPR, § 39 II, S. 282 sowie Kropholler, FS Jayme 2004, S. 471, 475; zust. auch Holl, S. 115. 72

II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses

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onsrechtliche oder internationalverfahrensrechtliche Überlegungen erforderlich macht.79 Daran ändert auch nichts, dass der Begriff weitgehend tatsächlich ausgefüllt wird, was auch die weiteren Ausführungen zeigen werden.80 Richtigerweise ist der gewöhnliche Aufenthalt damit als unbestimmter Rechtsbegriff einzuordnen.81 3. Die besondere Qualität des gewöhnlichen Aufenthalts als Daseinsmittelpunkt Der gewöhnliche Aufenthalt setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: Zum einen muss ein physischer Aufenthalt in einer Rechtsordnung bestehen, zum anderen muss dieser Aufenthalt über eine besondere Qualität verfügen, die ihn zum „gewöhnlichen“ Aufenthalt macht. Das attributiv gebrauchte Adjektiv „gewöhnlich“ führt ein normatives Element in den Begriff ein, da es eine Wertung voraussetzt.82 Das Beiwort „gewöhnlich“ ist in seinem Wortsinn mehrdeutig, bezeichnet aber generell etwas Alltägliches oder Normales. 83 Im Zusammenhang mit dem Aufenthalt bedeutet dies also eine regelmäßige, alltägliche Anwesenheit an einem bestimmten Ort.84 Die damit erforderliche Abgrenzung zwischen schlichtem und gewöhnlichem Aufenthalt lässt sich grundsätzlich anhand von zwei unterschiedlichen, im internationalen Vergleich sichtbaren Auslegungs- bzw. Denkansätzen vollziehen: Zum einen wird der gewöhnliche Aufenthalt alleine nach der zeitlichen Länge und der Regelmäßigkeit bestimmt. Mit Erreichen einer gewissen Anwesenheitsdauer wird der Aufenthalt „gewöhnlich“. Zum anderen wird der gewöhnliche Aufenthalt anhand der tatsächlichen Bindungen der Person zu einem Aufenthaltsort bestimmt. Der Aufenthalt in einer Rechtsordnung wird dabei nicht durch seine Länge zu einem gewöhnlichen, sondern durch die besondere Qualität der Lebensmittelpunkt der Person zu sein.85 79

Kropholler, FS Jayme 2004, S. 470, 475. Brandi, S. 46. 81 So auch Weller, S. 293, 303; ausdrückl. für den gewöhnlichen Aufenthalt in der EuErbVO Dutta, FamRZ 2013, 4, 5. 82 Kropholler, IPR, § 39 II, S. 282; v. Hoffmann/Thorn, § 5 Rn. 75; Brandi, S. 38. 83 Kropholler, MSA, S. 59. 84 Brandi, S. 38 sowie Kropholler, IPR, § 39 II 3, S. 284, welcher insbesondere darauf hinweist, dass der gewöhnliche Aufenthalt nicht als Gegensatz zum außergewöhnlichen Aufenthalt zu verstehen ist und insofern keine Wertung über den Aufenthaltsort als „besonderen“ Ort enthält. 85 Rauscher, IPR, § 3 Rn. 276. 80

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

a) Quantitative Bestimmung Der erstgenannte Ansatz, der den Aufenthalt anhand der zeitlichen Dauer zu bestimmen versucht, wurde maßgeblich vom deutschen Reichsgericht geprägt und verwendet. So urteilte dieses in einer Entscheidung vom 20.11.1917 zum Erbschaftssteuerrecht, dass „die bloße Tatsache eines nicht nur vorübergehenden Verweilens, eines Verweilens von einer gewissen Dauer und Regelmäßigkeit einen gewöhnlichen Aufenthalt begründe.“86 Auch von den frühen Haager Konferenzen wurde dieser Denkansatz verwendet.87 Wenngleich ihn die deutschen Zivilgerichte überwiegend in den 1960er Jahren aufgaben,88 wird er noch heute in Teilbereichen von Rechtsordnungen verfolgt: aa) Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG (Schweiz) Das schweizerische Recht unternimmt in Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG den (im Rechtsvergleich seltenen) Versuch einer Definition des gewöhnlichen Aufenthalts, welcher hier maßgeblich nach dem Kriterium der Zeit beurteilt werden soll: „(1) Im Sinne dieses Gesetzes hat eine natürliche Person: b. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, in dem sie während längerer Zeit lebt, selbst wenn diese Zeit von vornherein befristet ist;“

Die Formulierung „während längerer Zeit“ stellt lediglich auf die Zeitdauer des Aufenthaltes ab und berücksichtigt andere Kriterien nicht.89 Damit bleibt Art. 20 IPRG vage und von der Auslegung durch die Rechtsprechung abhängig. Mehr als einen misslungenen Annäherungsversuch kann diese Formulierung nicht darstellen und sie eignet sich dementsprechend nicht als tragfähige Definition des gewöhnlichen Aufenthalts.90 bb) § 9 S. 1 AO und § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I Auch das deutsche Steuer- und Sozialrecht stellen wesentlich auf die Aufenthaltsdauer ab.

86

RGZ 91, 287, 288. Dazu bspw. OLG Hessen IPRspr. 1950–51 Nr. 133, S. 288; Brandi, S. 39 m.w.N. 88 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 45 m.w.N. 89 Baetge, FS Kropholler, S. 77, 79 f. 90 Vgl. dazu insbesondere Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 37 f.; Siehr, Das IPR der Schweiz, S. 139; zust. Baetge, FS Kropholler, S. 77, 79. Insgesamt zum Schweizer IPR auch Gerber, FS Rothoeft, S. 59 ff.; zum (letzten) Wohnsitz als Anknüpfungspunkt des internationalen Erbrechts der Schweiz vgl. Berther, S. 164, 205. 87

II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses

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Dabei ist die Definition jedoch so allgemein gehalten, dass sie nicht subsumtionsfähig scheint. § 9 S. 1 AO, mit dem § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I wortgleich ist, enthält folgende allgemeine Definition:91 „1Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. 2Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. 3Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.“

§ 9 AO hat Bedeutung für das gesamte Steuerrecht. Als alternativer Anknüpfungspunkt zum Wohnsitz hat er insbesondere für die Begründung der persönlichen Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG sowie für §§ 38 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 S. 3 EStG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Relevanz. 92 Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland führt hier dazu, dass der Steuerpflichtige mit seinem Welteinkommen/-vermögen zur Steuer herangezogen wird.93 Daneben kann nach § 19 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AO auch die örtliche Zuständigkeit des Finanzamtes am gewöhnlichen Aufenthaltsort begründet sein, falls ein Wohnsitz nicht vorliegt. Zwar stellen § 9 S. 2 und 3 AO eine Konkretisierung von § 9 S. 1 AO dar.94 Ausgangspunkt für die Prüfung ist aber § 9 S. 2 AO, nach dem ein gewöhnlicher Aufenthalt vermutet wird, wenn sich der Steuerpflichtige mehr als sechs Monate im Inland aufhält, wobei kurzfristige Unterbrechungen unberücksichtigt bleiben, also unter Weiterlaufen der Frist mitgerechnet werden.95 Die Vermutung des § 9 AO S. 2 ist unwiderleglich und kann damit S. 1 überspielen.96 Für einen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 Abs. 1 AO sind alle Begleitumstände zu berücksichtigen, die erkennen lassen, dass der Aufenthalt nicht nur ein vorübergehender ist. Dabei bezeichnet „nicht nur vorübergehend“ eine Dauer und ist nicht im Sinne von „ununterbrochen“ oder „immer“ zu verstehen.97 Nach der Tatsachenwürdigung im Einzelfall kann damit (auch) ein Aufenthalt unter sechs Monaten einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, insbesondere wenn er auf eine längere Dauer ausgelegt war.98 Für

91

Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 33. Pahlke/Koenig/Koenig, Abgabenordnung, § 9, Rn. 2. 93 Vgl. nur Löffler/Stadler, IStR 2008, 832, 833. 94 Jacobs/Endres/Spengel, S. 1357. 95 Jacobs/Endres/Spengel, S. 1357. 96 Klein, AO, § 9 AO, Rn. 2. 97 BFH v. 30. 8.1989 I R 215/85, BeckRS 1989, 22009147, Rn. 4. 98 Noch zur Vorgängernorm § 14 Abs. 1 StAnpG BFH BeckRS 1977, 22004146. Vgl. auch BFH BeckRS 1989, 22009147, Rn. 3 f. 92

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

diese Tatsachenwürdigung dient der Sechs-Monats-Zeitraum wiederum als Anhaltspunkt.99 b) Gewöhnlicher Aufenthalt als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen Die späteren Haager Konferenzen verstanden und verstehen den gewöhnlichen Aufenthalt hingegen als „Lebensmittelpunkt“ bzw. „Daseinsmittelpunkt einer Person“.100 Das Beiwort „gewöhnlich“ wird hier dementsprechend als Ausdruck einer inneren Prägung eines Menschen aufgefasst, welche ein Element der Stabilität und Dauerhaftigkeit voraussetzt.101 Dabei wird allgemein darauf abgestellt, wo die Person sozial integriert ist, also den Schwerpunkt ihrer Bindungen zu einem sozialen Umfeld aufweist und in einem Mindestmaß gesellschaftlich integriert ist.102 Schon der Schlussbericht von Steigers zum Minderjährigenschutzabkommen von 1961 schlug vor, dass der gewöhnliche Aufenthalt als „centre effectif de la mineur“ zum Recht des „sozialen Umfelds“ des Minderjährigen führen solle.103 Der Abschlussbericht Waters zum Erbrechtsübereinkommen von 1989 sieht den gewöhnlichen Aufenthaltsort einer Person als „centre of his living […] with which he is most closely associated in his pattern of life. For the purpose of determining this place, his family and personal ties are particularly important elements.“ 104 Der von von Steiger verwendete „tatsächliche Mittelpunkt der Lebensführung” konnte sich in der Folgezeit auch in Literatur und Rechtsprechung durchsetzen.105 c) Die Resolution 72 (1) des Europarates Maßgeblich von diesen Ansätzen beeinflusst, stellt die Resolution 72 (1) des Ministerrates des Europarates vom 18.1.1972 einen ersten Ansatz zur Schaffung eines gesamteuropäischen Verständnisses dar. Bei der Resolution handelt es sich um unverbindliche Empfehlungen an die nationalen Gesetzgeber, die keine zwingende Wirkung entfalten konnten. In Deutschland wurden die Empfehlungen nicht ins nationale Recht transferiert. In Österreich wurden die wichtigsten Aussagen in § 66 Abs. 2 JN übernommen.106 99

Jacobs/Endres/Spengel, S. 1357; vgl. auch FG München BeckRS 2012, 96239. Basedow/Hopt/Zimmermann/Baetge, Handwörterbuch, S. 758. 101 Brandi, S. 40; Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 39. 102 Baetge, FS Kropholler, S. 77, 80. 103 v. Steiger, Actes et Doc. 9 (1961-IV) 225 f.; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 75. 104 Waters, Actes et Doc. 16 (1988-II) 549, § 51. 105 Kropholler, MSA, S. 61. 106 § 66 Abs. 2 JN: „Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird auch durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Der Aufenthalt einer Person bestimmt sich ausschließlich nach tatsächlichen Umständen; er hängt weder von der Erlaubtheit noch von 100

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Die Resolution 72 (1) liefert einen Lösungsversuch zentraler Probleme, wobei sich die Aussagen zum gewöhnlichen Aufenthalt aber weitgehend mit den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu den Haager Abkommen decken und ebenfalls die Annäherungsformel des Daseinsmittelpunktes einer Person verwenden.107 Grundlage der Überlegungen des Europarats ist die auch heute noch im Kontext der gesamteuropäischen Vereinheitlichung des Kollisionsrechts zutreffende Annahme, dass „die Wirksamkeit der Bemühungen um die Vereinheitlichung der nationalen Rechte in weiterem Ausmaß von der Vereinheitlichung der Rechtsgrundbegriffe abhängt“.108 Die Regeln Nr. 7– 11 beschäftigen sich mit dem gewöhnlichen Aufenthalt. Insbesondere Nr. 9 verankert das Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts als Daseinsmittelpunkt, welcher eine soziale Integration erfordert. „Nr. 7. Der Aufenthalt einer Person bestimmt sich ausschließlich nach tatsächlichen Umständen; er hängt nicht von einer Aufenthaltserlaubnis ab. Nr. 8: Eine Person hat einen Aufenthalt in einem Land, in dem eine bestimmte Rechtsordnung gilt, oder an einem Ort, der in einem solchen Land liegt, wenn sie dort während eines gewissen Zeitraums wohnt. Die Anwesenheit muss nicht notwendigerweise ununterbrochen andauern. Nr. 9. Für die Frage, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthalts sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Nr. 10. Die freiwillige Begründung eines Aufenthalts und die Absicht des Betreffenden, diesen Aufenthalt beizubehalten, sind keine Voraussetzungen für das Bestehen eines Aufenthalts oder eines gewöhnlichen Aufenthalts. Die Absichten einer Person können aber bei der Bestimmung, ob sie einen Aufenthalt hat und welcher Art dieser Aufenthalt ist, berücksichtigt werden. Nr. 11. Der Aufenthalt oder der gewöhnliche Aufenthalt einer Person hängt nicht von dem einer anderen Person ab.“

Zwar bieten diese Grundsätze nur eine Ausgangsplattform für die weitere inhaltliche Durchdringung des Begriffs, da einige wesentliche Fragen offen gelassen werden und die Empfehlungen so „an der Oberfläche bleiben“.109 Allerdings dienen die Empfehlungen immer wieder als Argumender Freiwilligkeit des Aufenthalts ab. Bei der Beurteilung, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind seine Dauer und seine Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen.“ Vgl. dazu auch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 30 f. und Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 40. 107 Rauscher, IPR, § 3 Rn. 274. 108 4. Absatz der Präambel der Resolution; siehe Loewe, ÖJZ 1974, 144; vgl. auch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 29. 109 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 32; Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 40.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

tationsstütze. So hat die deutsche Rechtsprechung in der Vergangenheit bereits mehrfach auf die Empfehlungen als Auslegungshilfe zurückgegriffen. 110 d) Verwendung in europäischen Rechtsordnungen Dieses (Grund-)Verständnis hat sich, wie angedeutet, in den europäischen Rechtsordnungen weitestgehend, jedenfalls aber im internationalen Privatund Verfahrensrecht durchgesetzt.111 Der Ansatz der Resolution wurde zum Teil in den nationalen Rechtsordnungen durch entsprechende Rechtsakte verankert, zum Teil aber auch durch die obergerichtliche Rechtsprechung etabliert. Auch der EuGH geht in seiner Rechtsprechung zum internationalen Privat- und Verfahrensrecht sowie in anderen Bereichen des Unionsrechts von diesem aus. aa) Belgisches IPR-Gesetz Das seit 1.10.2004 geltende belgische IPR-Gesetz liefert in Art. 4 § 2 I einen Definitionsansatz, der den „europäischen“ Vorstellungen der Resolution des Europarates entlehnt ist:112 „Art. 4. § 2. Pour l'application de la présente loi, la résidence habituelle se comprend comme: 1° le lieu où une personne physique s'est établie à titre principal, même en l'absence de tout enregistrement et indépendamment d'une autorisation de séjourner ou de s'établir; pour déterminer ce lieu, il est tenu compte, en particulier, de circonstances de nature personnelle ou professionnelle qui révèlent des liens durables avec ce lieu ou la volonté de nouer de tels liens; 2° le lieu où une personne morale a son établissement principal.“

bb) Bulgarisches IPR-Gesetz Auch der bulgarische Gesetzgeber hat sich bei seiner Novellierung des IPR-Gesetzes stark an dem „europäischen“ Begriffsverständnis orientiert, wenngleich die Formulierung des „Daseinsmittelpunktes“ nicht verwendet wird. Die Definition soll aber das Verständnis vom gewöhnlichen Aufent-

110 Vgl. bspw. BGH NJW 1993, 2047 sowie IPRax 1994, 131, 133 m. Anm v. Bar, IPRax 1994, 100. 111 Vgl. Basedow/Hopt/Zimmermann/Baetge, Handwörterbuch, S. 758; ders., FS Kropholler, S. 77, 79; JurisPK/ders., Art. 5 EGBGB, Rn. 15. 112 So der belgische Gesetzgeber ausdrücklich in den Gesetzesmaterialien: Sénat de Belgique, Session extraordinaire de 2003, 7 juillet 2003, Proposition de loi portant le Code de d.i.p., n° 3–27/1, S. 29; dazu näher Francq, RabelsZ 70 (2006), 235 ff.; Baetge, FS Kropholler, S. 77, 78.

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halt wie im europäischen IPR wiedergeben.113 Dies macht vor allem S. 2 deutlich, der auf die dauerhaften Verbindungen einer Person zu einem Ort abstellt: „§ 48 (7) Im Sinne dieses Gesetzbuchs wird unter dem gewöhnlichen Aufenthalt einer natürlichen Person der Ort verstanden, an dem sie sich niedergelassen hat, um dort überwiegend zu leben, ohne dass dies mit der Notwendigkeit einer Registrierung oder Erlaubnis für den Aufenthalt oder die Niederlassung verbunden wäre. Für die Bestimmung dieses Ortes sind besonders die Umstände persönlichen oder beruflichen Charakters zu berücksichtigen, die aus dauerhaften Verbindungen der Person zu diesem Ort oder aus 114 ihrer Absicht herrühren, derartige Verbindungen herzustellen.“

cc) Deutsche Rechtsprechung Die deutsche Rechtsprechung verwendet Ansatz spätestens seit einer Leitentscheidung des BGH vom 5.2.1975 zum Haager Unterhaltsabkommen in ständiger Rechtsprechung: Demnach sei als gewöhnlicher Aufenthalt „der Ort oder das Land anzusehen, in dem der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, ihr Daseinsmittelpunkt, liegt“.115 Ähnliche Formulierungen hielten Einzug in die deutsche Rechtsprechung in allen relevanten Bereichen des IPR.116 Im Zuge der IPR-Reform von 1986 wurde eine Übernahme der Definition des Begriffes aus dem Sozial- und Steuerrecht abgelehnt, um die internationale Entscheidungsharmonie ausgehend von den Haager Grundlagen zum Aufenthaltsbegriff nicht zu gefährden.117 So wird in der deutschen Wissenschaft auch oftmals bezweifelt, ob für nicht tangierte Bereiche des Kollisionsrechts überhaupt nennenswerte Abweichungen von den Grundvorstellungen der Haager Konferenzen bestehen.118

113 Zidarova/Stanceva-Minceva, RabelsZ 71 (2007), 398, 414. Ähnlich auch das rumänische Recht; vgl. dazu Avasilencei, Rev. crit. DIP 2012, 247 ff. sowie Weller, S. 293, 307 f. 114 Abgedruckt in RabelsZ 71 (2007), 457, 469. 115 BGH NJW 1975, 1068. 116 Vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2003, 955, Rn. 34; OLG München, FamRZ 2012, 1142, m. Anm. Henrich; OLG München MittBayNot 2012, 306, m. Anm. Süß, MittBayNot 2012, 308 ff. Zum MSA bspw. BGH NJW 1981, 520; BGH FamRZ 1997, 1070; BGH FamRZ 2002, 1182 m. Anm. Henrich; BayObLGZ 1973, 345, 347 ff.); BGH IPRax 1994, 131, 133 m. Anm v. Bar, IPRax 1994, 100; OLG Koblenz FamRZ 1998, 756; LJV BW FamRZ 1990, 1015, 1017. Zum HKÜ auch BayOblGZ 1979, 193, 197; OLG Hamm, BeckRS 2012, 02845; bespr. v. Rauscher, FamFR 2012, 141. 117 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 43. Die BegrRegE, BT-Drucks. 10/504, S. 41 deutet dies schon an. Vgl. zur Diskussion im Zusammenhang mit der sozialgerichtlichen Rspr. auch Spickhoff, IPRax 1990, 225, 226 f. 118 So schon Hausmann, EuLF 2000/2001, 272, 276; Hau, FamRZ 2000, 1333, 1334; ähnlich auch Saenger/Dörner, Art. 3 EheGVVO Rn. 12 sowie Art. 8 EheGVVO, Rn. 3.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

4. Die Rechtsprechung des EuGH Die Rechtsprechung des EuGH zum gewöhnlichen Aufenthalt kann keineswegs als unabhängig von der durch die Haager Konferenzen erarbeiteten begrifflichen Vorgeschichte gesehen werden. Regelmäßig betont sie die Wurzeln des gewöhnlichen Aufenthaltes in den Haager Konferenzen.119 a) Rechtsprechung im Beamten- und Sozialrecht Im Beamten- und Sozialrecht beschäftigte sich der EuGH seit den 1990er Jahren mehrfach mit der Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts im weitesten Sinne. 120 Die in den Entscheidungen im Zentrum stehenden europarechtlichen Normen verwenden zwar nicht durchgehend den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungspunkt, sondern sprechen u.a. vom „gewöhnlichen Wohnort“ oder von „sich aufhalten“. Inhaltlich stehen diese jedoch dem gewöhnlichen Aufenthalt gleich, obschon die unterschiedlichen Ausdrücke irritieren.121 Die EuGH-Urteile aus diesem Bereich lassen allesamt eine Grundtendenz bezüglich der Auslegung erkennen: Der gewöhnliche Aufenthalt soll dort zu verorten sein, wo sich ein Interessenmittelpunkt der Person unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände befindet.122 In den Urteilen aus dem Beamten- und Sozialrecht finden sich dazu unterschiedliche Formulierungen, die aber den selben Kerngehalt teilen und subjektiv geprägt sind: 119

Vgl. Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 Brüssel IIa-VO, Rn. 11. Interessant sind dabei insbesondere folgende Urteile: EuGH v. 15.9.1994 – Rs. C452/93 P, Magdalena Fernández/Kommission, Slg. 1994, I-4295; EuGH v. 25.2.1999 – Rs. C-90/97, Swaddling/Chief Adjudication Officer, Slg 1999, I-1075. EuGH v. 12.7.2001 – Rs. C-262/99Louloudakis/Elleniko Dimosio, Slg. 2001 I 5547; EuGH v. 11.11.2004 – Rs. C-372/02, Adanez-Vega/Bundesanstalt für Arbeit aus dem Recht der Sozialen Sicherheit, Slg. 2004, I-10761; EuGH v. 17.7.2008 – Rs. C-66/08, Kozlowski, Slg. 2008, I-0000; EuGH v. 11.11.2004 – Rs. C-372/02, Adanez-Vega/Bundesanstalt für Arbeit aus dem Recht der Sozialen Sicherheit, Slg. 2004, I-10761; EuGH v. 15.9.1994 – Rs. C-452/93 P, Magdalena Fernández/Kommission, Slg. 1994, I-4295. 120 EuG v. 25.10.2005 – T-298/02, Slg. 2005, II-4599, II-4623 Rn. 51 m.w.N. zu der st. Rspr im europäischen Beamtenrecht; die Rechtsmittelentscheidung des EuGH v. 29.11.2007 – Rs. C-8/06 P, Herrero Romeu/Kommission, Slg. 2007, I-10333 zitiert zwar die Vorinstanz, musste sich aber nicht mehr mit der konkreten Formulierung auseinandersetzen; EuGH v. 11.11.2004 – Rs. C-372/02, Adanez-Vega/Bundesanstalt für Arbeit aus dem Recht der Sozialen Sicherheit, Slg. 2004, I-10761, Rn. 37; EuGH v. 8.7.1992, C102/91, Knoch, Slg. 1992, I-4341, BeckRS 2004, 74046, Rn. 22, 25; dazu auch Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. 121 Dies macht der EuGH in EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 36 nochmals deutlich. 122 EuGH v. 11.11.2004 – Rs. C-372/02, Adanez-Vega/Bundesanstalt für Arbeit aus dem Recht der Sozialen Sicherheit, Slg. 2004, I-10761, Rn. 37. 120

II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses

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In der Entscheidung Magdalena Fernández/Kommission zum Besoldungsrecht verortet der EuGH den „ständigen Wohnsitz“ einer Person am ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen, den der Betroffene in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen. Dafür seien alle hierfür wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, insbesondere der tatsächliche Wohnsitz des Betroffenen.123 Nochmals bestätigt wurde diese Formulierung in der Entscheidung Herrero Romeu/Kommission, T-298/02.124 Die Entscheidung Adanez-Vega/ Bundesanstalt für Arbeit, im Bereich der sozialen Sicherung sieht den „Wohnort“ einer Person (bzw. im konkreten Fall eines Arbeitnehmers) am gewöhnlichen Mittelpunkt der Interessen. Dabei seien die familiären Verhältnisse des Arbeitnehmers, die Gründe, die ihn zu der Abwanderung bewogen haben sowie die Art seiner Tätigkeit zu berücksichtigen. 125 Schon zuvor hatte der EuGH die Vermutungsregel aufgestellt, dass der Arbeitnehmer, seinen „Wohnort“ am Arbeitsort habe, für den Fall, dass der Arbeitnehmer über einen festen Arbeitsplatz verfüge.126 Die Entscheidung geht somit davon aus, dass im Falle eines Umzugs ins Ausland, um dort zu arbeiten, der Daseinsmittelpunkt dorthin verlagert wird, wo sich die Arbeitsstätte befindet. In einer jüngeren Entscheidung hat der EuGH in zivilrechtlichen Zusammenhängen dieser Auffassung zumindest indizielle Wirkung zugeschrieben.127 Die Entscheidung Swaddling/Chief Adjudication Officer128 sieht als „Wohnmitgliedstaat" iSd. Art. 10a der Verordnung Nr. 1408/71 123 EuGH v. 15.9.1994 – Rs. C-452/93 P, Magdalena Fernández/Kommission, Slg. 1994, I-4295. Rn. 22. 124 EuG v. 25.10.2005 – T-298/02, Slg. 2005, II-4599, II-4623 Rn. 51 m.w.N. zu der st. Rspr im europäischen Beamtenrecht. Die Rechtsmittelentscheidung des EuGH v. 29.11.2007 – Rs. C-8/06 P, Herrero Romeu/Kommission, Slg 2007, I-10333 zitiert zwar die Vorinstanz, musste sich aber nicht mehr mit der konkreten Formulierung auseinandersetzen. 125 EuGH v. 11.11.2004 – Rs. C-372/02, Adanez-Vega/Bundesanstalt für Arbeit aus dem Recht der Sozialen Sicherheit, Slg. 2004, I-10761, Rn. 37. 126 EuGH v. 8.7.1992, C-102/91, Knoch, Slg. 1992, I-4341, BeckRS 2004, 74046, Rn. 22, 25. Dazu auch Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. 127 EuGH v. 25. 10. 2011, verbundene Rs. C-509/09, C-161/10, C-161/10, eDate Advertising GmbH u. a., NJW 2012, 137 ff., Rn. 49: „Der Ort, an dem eine Person den Mittelpunkt ihrer Interessen hat, entspricht im Allgemeinen ihrem gewöhnlichen Aufenthalt. Jedoch kann eine Person den Mittelpunkt ihrer Interessen auch in einem anderen Mitgliedstaat haben, in dem sie sich nicht gewöhnlich aufhält, sofern andere Indizien wie die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit einen besonders engen Bezug zu diesem Staat herstellen können.“ Näher zum Urteil Heinze, EuZW 2011, 947 ff.; dazu auch Weller, S. 293, 299, 304. 128 EuGH v. 25.2.1999 – Rs. C-90/97, Swaddling/Chief Adjudication Officer, Slg 1999, I-1075, Rn. 29.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

denjenigen Staat an, „in dem die Betroffenen gewöhnlich wohnen und in dem sich auch der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet.“ Dabei seien insbesondere die Familiensituation des Arbeitnehmers, die Gründe, die ihn zum Wandern veranlasst haben, die Dauer des Wohnens, gegebenenfalls die Innehabung einer festen Anstellung und die Absicht des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wie sie sich aus einer Gesamtbetrachtung ergibt.129 Auch zu den Einfuhrsteuern entschied der EuGH im Urteil Louloudakis/Dimosio130 zum gewöhnlichen Wohnsitz ähnlich. Demnach sei als gewöhnlicher Wohnsitz der Ort zu verstehen, „den der Betroffene als ständigen Mittelpunkt seiner Interessen gewählt hat.“131 Dabei sei „sowohl auf die berufliche und persönliche Bindung einer Person an einen bestimmten Ort als auch auf die Dauer dieser Bindung“ abzustellen, welche kumulativ zu prüfen seien.132 Die Entscheidung Kozlowski133 stellte klar, dass auch im Kontext des europäischen Haftbefehls, das Tatbestandsmerkmal des „Sich Aufhaltens“ „anhand einer Gesamtschau mehrerer objektiver Kriterien zu ermitteln [ist], die die Situation dieser Person kennzeichnen und zu denen insbesondere die Dauer, die Art und die Bedingungen des Verweilens der gesuchten Person sowie ihre familiären und wirtschaftlichen Verbindungen zum Vollstreckungsmitgliedstaat gehören.“134 Die Entscheidungen sind zwar nicht völlig einheitlich, was die anzuwendenden Maßstäbe betrifft. Insgesamt aber lässt sich festhalten, dass der EuGH von einer subjektiven Gesamtbetrachtung ausgeht. 135 Der gewöhnliche Aufenthalt ist der Ort, den der Betroffenen als Mittelpunkt seiner Interessen gewählt hat und an den er regelmäßig zurückkehrt.136

129 EuGH v. 25.2.1999 – Rs. C-90/97, Swaddling/Chief Adjudication Officer, Slg. 1999, I-1075, Rn. 29. Dass die dort aufgestellten Kriterien zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts im Sozialrecht auch in den Mitgliedstaaten akzeptiert werden, zeigt bspw. die Normierung der Voraussetzungen für irische Sozialhilfe nach Sec. 30 Social Welfare and Pensions Act 2007. Hier wird auf die Grundaussagen von Swaddling Bezug genommen; vgl. FLAC Guide to the Habitual Residence Condition 2012, S. 3. 130 EuGH v. 12.7.2001 – Rs. C-262/99, Louloudakis/Dimosio, Slg. 2001, I-5547, Rn. 51. 131 EuGH v. 12.7.2001 – Rs. C-262/99, Louloudakis/Dimosio, Slg. 2001, I-5547, Rn. 51. 132 EuGH v. 12.7.2001 – Rs. C-262/99, Louloudakis/Dimosio, Slg. 2001, I-5547, Rn. 51. 133 EuGH v. 17.7.2008 – Rs. C-66/08, Kozlowski, Slg. 2008, I-0000, NJW 2008, 3201; bespr. v. Böhm, NJW 2008, 3183 ff. 134 EuGH v. 17.7.2008 – Rs. C-66/08, Kozlowski, Slg. 2008, I-0000, Rn. 48. 135 Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 56. 136 Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 56.

II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses

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b) Die Rechtsprechung des EuGH im int. Privat- und Zivilverfahrensrecht aa) Entscheidungen Die bisher im internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht ergangene EuGH-Rechtsprechung beschränkt sich auf den Bereich des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern nach der Brüssel IIa-VO. Die beiden Entscheidungen Rs. C-523/07137 und Barbara Mercredi/ Richard Chaffe (Rs. C-497/10 PPU)138 gehen bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts vom „Mittelpunkt der Interessen“ einer Person aus:139 Während in der Entscheidung Barbara Mercredi/Richard Chaffe140 ausdrücklich Bezug genommen wird auf die entsprechende Formulierung, wird in der Entscheidung C-523/07 die Verwendung nur indirekt deutlich. Bei Kindern solle sich an dem Ort der gewöhnliche Aufenthalt befinden, an dem eine gewisse Integration in ein soziales und familiäres Umfeld zu erkennen ist.141 Zwar fehlt hier die ausdrückliche Verwendung des Begriffes des Lebensmittelpunktes – die benutzten Einzelelemente lassen aber den Schluss zu, dass dieser inhaltlich ohne Weiteres gemeint ist. 142 bb) Kontextabhängige Auslegung Aufgrund der zahlreichen ähnlichen Formulierungen bezüglich dieser in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendeten Annäherungsformeln, die auf die (soziale) Integration des Betroffenen abstellen, drängt sich die Frage auf, ob der gewöhnliche Aufenthalt als ein kontextunabhängiges, einheitliches Konzept zu verstehen ist oder ob eine sachzusammenhangsspezifische Interpretation notwendig ist. (1) Vorüberlegungen Der Streit über diese Verständnisfrage beschäftigte Rechtsprechung und Wissenschaft bereits im nationalen Recht bzw. im Zusammenhang mit den 137 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, im Folgenden bezeichnet als: Rs. C-523/07; bespr. v. Rauscher, LMK 2009, 282910. 138 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309; bespr. v. Siehr, IPRax 2012, 316 ff.; bespr. v. Mankowski, GPR 2011, 209 ff. 139 Ausdrücklich EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/ Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51. Weniger deutlich EuGH v 2.4.2009, Rs. C523/07, A.; dazu näher sogleich. 140 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51. 141 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Ten. 1. 142 So zutr. Pirrung, IPRax 2011, 50, 53.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

Haager Übereinkommen. Eng verwoben mit dieser Frage ist, ob es sich beim gewöhnlichen Aufenthalt um einen Tatsachen- oder Rechtsbegriff handelt.143 In der deutschen Lehre ging man zunächst davon aus,144 dass dem gewöhnlichen Aufenthalt ein einheitliches Verständnis zugrunde zu legen sei, auch deswegen, weil es sich um einen Tatsachenbegriff handele.145 Auch die britische Rechtsprechung tendierte dazu, den gewöhnlichen Aufenthalt wie schon vorher das domicile als einheitliches Konzept in allen Rechtsbereichen zu verstehen. 146 Dagegen haben sich bedeutende Stimmen in der deutschen Lehre für ein funktionales Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts ausgesprochen.147 Hauptargument dafür ist, dass zahlreiche Detailprobleme keine pauschale Lösung zuließen, sondern der Daseinsmittelpunkt jeweils nur im konkreten Zusammenhang bestimmt werden könne. Kropholler und Neuhaus plädierten dafür, nach den unterschiedlichen Bereichen des Kollisionsrechts und nach dem jeweiligen speziellen Zweck des Anknüpfungspunktes zu differenzieren. 148 Soweit der gewöhnliche Aufenthalt Hauptanknüpfungspunkt für das Personalstatut oder für die ausschließliche Zuständigkeit ist, soll er eine engere Beziehung zum Aufenthaltsort erfordern als im Rahmen der Verwendung als zusätzlicher Anknüpfungspunkt neben Wohnsitz und Staatsangehörigkeit bzw. als Anknüpfungspunkt für eine konkurrierende Zuständigkeit. Andere Stimmen in der Literatur wollen vielmehr danach unterscheiden, ob es sich um einen punktuellen Rechtsakt wie die Eheschließung oder den Handkauf149 oder um ein Dauerrechtsverhältnis wie bspw. das eheliche Güterrecht handelt.150 Diese Auffassung trennt also

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Vgl. dazu schon oben S. 107 f. Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 94 f. Dieser konstatiert ein Problembewusstsein in der Rechtsprechung erst gegen Ende der 1980er Jahre und weist insbesondere auf KG OLGZ 1987, 211; KG NJW 1988, 649 m. Anm. Geimer hin. 145 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 87 m.w.N. Von einem einheitlichen Begriffsverständnis innerhalb des IPR geht wohl Erman/Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rn. 46 aus. 146 Vgl. Shah v Barnet London Borough Council [1983] 2 AC 309, 343 ff.; dazu auch Stone, 29 Anglo-Am. L. Rev. (2000) 342. 347; Re J (Abduction: Custody Rights) [1990] 2 AC 562, 578; Nessa v The Chief Adjucation Officer [1999] 1 WLR 1937; dazu insg. näher Clarkson/Hill, S. 330. Die Entscheidung Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., Nr. 15 zeigt jedoch das zwischenzeitliche Umschwenken der englischen Rechtsprechung. Baroness Hale of Richmond: „[…] whereas habitual residence may have a different meaning in different statutes according to their context and purpose.“ 147 Neuhaus, S. 227 f.; Kropholler, MSA, S. 59 f.; ausführlich auch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 86 ff.; vgl. auch Papenfuß, S. 136 ff. sowie Siep, S. 36 ff. 148 Kropholler, MSA, S. 59; Neuhaus, S. 227 f. 149 Schwind, FS Ferid (1988), S. 425, 330. 150 Schwind, FS Ferid (1988), S. 430. 144

II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses

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nicht nach Rechtsgebieten, „sondern verläuft quer zu diesen“.151 Eine weitere Auffassung will danach differenzieren, ob eine oder mehrere Personen an den Rechtsverhältnissen beteiligt sind und ob es sich dabei um Statusfragen oder reine Zahlungsverpflichtungen handelt.152 Wiederum eine andere Ansicht schlägt vor, zwischen gesetzlicher Verweisung und parteiautonomer Anknüpfung zu unterscheiden. 153 Am ausdifferenziertesten scheint die Auffassung von Baetge. Dieser will nach drei Stufen unterscheiden: Auf der ersten Stufe soll bezüglich der Anknüpfungsperson zwischen Erwachsenen und Minderjährigen zu unterscheiden sein. Auf der zweiten Stufe soll nach Rechtsgebieten zu differenzieren sein und auf der dritten Stufe schließlich der Zweck der Anknüpfung untersucht werden.154 (2) Der gewöhnliche Aufenthalt in den Verordnungen Die Diskussion setzte sich im Zusammenhang mit den EU-Verordnungen mit ähnlichen Argumentationsansätzen fort. Der noch zur Brüssel II-VO für die EU-Kommission verfasste Borrás-Bericht ging davon aus, dass die erörterten Definitionsansätze bzgl. des Interessenmittelpunktes der EuGHRechtsprechung auch für das europäische Verordnungsrecht Bedeutung erlangen würden.155 Der Bericht schlug vor, dass der gewöhnliche Aufenthalt wie in der beamtenrechtlichen Entscheidung Magdalena Fernández/ Kommission156 als der Ort aufzufassen sei, den der Betroffene als ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen, wobei alle hierfür wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte, insbesondere der tatsächliche Wohnsitz des Betroffenen, zu berücksichtigen seien.157 Dieser Auffassung schloss 151

Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 95. Van Rooij, N.I.L.R. 22 (1975), 165, 176 f. Dieser spricht in seinem Aufsatz zwar allgemein vom Oberbegriff des „domicile“, erfasst damit aber gerade auch den gewöhnlichen Aufenthalt, was mehrere Textstellen, bspw. S. 170, 179, zeigen. 153 Stoll, S. 143 ff. 154 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 98. Kritisch gegenüber allen Auffassungen zeigt sich Holl, S. 116, der zu bedenken gibt, dass sich die Fragen, ob und wie eine differenzierende Auslegung zu erfolgen hat, erst im Laufe des Auslegungsvorganges selbst beantworten lassen. Er spricht sich daher im Zusammenhang mit HKÜ, ESÜ und MSA für eine einheitliche Auslegung aus. 155 Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen erstellt von Prof. Dr. Alegría Borrás, (98/221/04), Nr. 32. 156 EuGH v. 15.9.1994 – Rs. C-452/93 P, Magdalena Fernández/Kommission, Slg. 1994, I-4295. Rn. 22. 157 Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Voll152

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

sich die französische Cour de Cassation in einem Urteil von 2005 zur internationalen Zuständigkeit in Eheverfahren nach der Brüssel II-VO an und bestimmte den gewöhnlichen Aufenthalt entsprechend. 158 Die beiden Entscheidungen C-523/07159 und Barbara Mercredi/Richard Chaffe (Rs C-497/10 PPU)160 stellen indes klar: Eine unmittelbare Übertragung der Maßstäbe der Rechtsprechung zum gewöhnlichen Aufenthalt 161 im übrigen EU-Recht auf das internationale Privat-und Zivilverfahrensrecht ist ausdrücklich abzulehnen.162 Dabei macht der EuGH deutlich, dass die in den o.g. Urteilen gefundenen Maßstäbe aufgrund der unterschiedlichen Kontexte nicht per se Anwendung auf kollisionsrechtliche oder verfahrensrechtliche Sachverhalte finden könnten, womit er der Argumentation der Schlussanträge von Generalanwältin Kokott folgte.163 Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes ist damit auf EU-Ebene verordnungsautonom und unter Berücksichtigung des konkreten Kontextes auszulegen. Dies überzeugt, weil eine Ausfüllung des gewöhnlichen Aufenthalts stets im Spannungsfeld zwischen Anpassungs- und Kontinuitätsinteresse im jeweiligen Sachzusammenhang stattfinden muss. Nur durch eine kontextuale Differenzierung können hier sachgerechte Ergebnisse erzielt werden. Dementsprechend kann anders als beim domicile nicht per se eine Unterscheidung zwischen gewöhnlichem Aufenthalt von Kindern, Erwachsenen und Geschäftsunfähigen ohne Berücksichtigung des konkreten Sachzusammenhangs erfolgen. 5. Objektive Indizien für den gewöhnlichen Aufenthalt Grundsätzlich werden im internationalen Privat- und Verfahrensrecht folgende grundlegende Überlegungen zu berücksichtigen sein, die im We-

streckung von Entscheidungen in Ehesachen erstellt von Prof. Dr. Alegría Borrás, (98/221/04), Nr. 32. 158 Urt. v. 14.12.2005, Bull. Civ. 2005 I N° 506; dazu näher Jayme/Kohler, IPRax 2006, 537, 547 f. 159 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805; bespr. v. Rauscher, LMK 2009, 282910. 160 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309; bespr. v. Siehr, IPRax 2012, 316 ff.; bespr. v. Mankowski, GPR 2011, 209 ff. 161 Zitiert werden EuGH v. 15.9.1994 – Rs. C-452/93 P, Magdalena Fernández/ Kommission, Slg. 1994, I-4295. Rn. 22; EuGH v. 11.11.2004 – Rs. C-372/02, AdanezVega/Bundesanstalt für Arbeit aus dem Recht der Sozialen Sicherheit, Slg. 2004, I10761, Rn. 37; EuGH v. 17.7.2008 – Rs. C-66/08, Kozlowski, Slg. 2008, I-0000. 162 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 36. 163 Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.1.2009, Rs. C-523/07, A, BeckEuRS 2009, 487612, Rn. 36.

II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses

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sentlichen zu den Haager Übereinkommen164 erschlossen worden sind und diesbezüglich auch in der nationalen Rechtsprechung etabliert sind.165 Eine Reihe von objektiven Kriterien, die kontextabhängig unterschiedliche Gewichtung erfahren können, fließen in die Beurteilung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein. a) Anwesenheit und Wohnung in einer Rechtsordnung Es muss keine Unterkunft vorliegen, um einen gewöhnlichen Aufenthalt anzunehmen: Auch der Obdachlose bzw. die Person ohne festen Wohnsitz hat seinen Daseinsmittelpunkt in der Rechtsordnung, in der er sich schwerpunktmäßig aufhält.166 Dementsprechend kann es nicht genügen, dass die Person die Reise zu einem neuen Aufenthaltsort (in itinere) antritt.167 Die polizeiliche Meldung ist weder notwendige Voraussetzung noch bedeutsames Indiz für den Aufenthalt.168 Auf die Legalität des Aufenthalts kommt es grundsätzlich nicht an, wenn die Person einen entsprechenden dauerhaften Lebensmittelpunkt mit tatsächlichen Bindungen im Aufenthaltsstaat erworben hat.169 Dabei kann es auch keinen Unterschied machen, ob die Person sich von Anfang an unrechtmäßig im Inland aufgehalten hat oder ob die Aufenthaltserlaubnis im Nachhinein entfallen ist.170 Schon Nr. 7 der Resolution 72 (1) enthält die Wertung, dass die soziale Integration unabhängig von der Erlaubtheit der Anwesenheit beurteilt werden muss.171 Auch international scheint sich diese Auffassung durchgesetzt zu haben:172 Die im Kapitel zum domicile diskutierte Entscheidung Mark v Mark173 des House of Lords hatte sich nicht nur mit der Legalität des Aufenthalts bezüglich des domicile, sondern auch bezüglich des gewöhnlichen

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Vgl. zu HKÜ, ESÜ, MSA: Holl, S. 94 ff. Hau, FamRZ 2000, S. 1334; Hausmann, EuLF 2000, 271, 276. 166 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 143. 167 Staudinger/Kropholler, MindjSchBehZustÜb, Art. 1, Rn. 136. 168 So zutr. bspw. BGH NJW 1983, 2771 im internationalen Deliktsrecht; dazu auch Weick, NJW 1984, 1993, 1994. 169 Baetge, FS Kropholler, S. 77, 83; Erman/Hohloch, Art. 5 EGBGB, Rn. 50; Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 82; so auch Geimer, IZPR, Rn. 299a; Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 33. In der dt. Rspr. zu § 606 ZPO a.F., Art. 5 EGBGB OLG Nürnberg FamRZ 2002, 324. 170 Baetge, FS Kropholler, S. 77, 83. Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 82. So auch Geimer, IZPR, Rn. 299a; Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 33 und Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 42 f. In der dt. Rspr. zu § 606 ZPO a.F., Art. 5 EGBGB: OLG Nürnberg FamRZ 2002, 324. 171 Vgl. schon S. 112 f. 172 Baetge, FS Kropholler, S. 77, 83. 173 Vgl. S. 56 ff. 165

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

Aufenthalts174 zu beschäftigen. Wie beim domicile urteilte das House of Lords auch bezüglich des gewöhnlichen Aufenthaltes, dass für dessen Begründung die Erlaubtheit der Anwesenheit nach englischem Ausländerrecht irrelevant ist.175 Sowohl kurz-, als auch längerfristige Unterbrechungen der tatsächlichen Anwesenheit müssen den gewöhnlichen Aufenthalt nicht aufheben:176 Auch Nr. 8 der Resolution 72 (1) des Europarates ist die Wertung zu entnehmen, dass der Aufenthalt nicht ununterbrochen bestehen muss,177 da der gewöhnliche Aufenthalt kein ständiger Aufenthalt sein muss.178 Voraussetzung ist dann aber, dass der Lebensmittelpunkt trotz der physischen Abwesenheit nicht in einen neuen Aufenthaltsstaat verlagert wird, sondern bestehen bleibt.179 Dies wird oft anzunehmen sein, wenn ein Auslandssemester180, oder ein Arbeitseinsatz im Ausland, bspw. als Saisonarbeiter,181 zu einer (momentanen) Veränderung des Aufenthaltes führt, aber nicht zu einer dauerhaften Verlagerung sozialer Bindungen.182 Ein gewöhnlicher Aufenthalt kann aber dann nicht mehr angenommen werden, „wenn eine

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Konkret im Kontext von Sec. 5(2) Domicile and Matrimonial Proceedings Act

1973.

175

Mark v Mark [2005] UKHL 42, [2006] 1 A.C., Nr. 36. Staudinger/Kropholler, MindjSchBehZustÜb, Art. 1, Rn. 151; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 112. 177 Auch § 9 Abs. 1 AO legt für das deutsche Steuerrecht fest, dass kurzfristige Unterbrechungen unschädlich sind. „Längere“ Abwesenheiten aber müssen damit aufgrund der quantitativen Betrachtung des Steuerrechts zur Aufhebung des gewöhnlichen Aufenthalts führen. 178 Vgl. u.a. Baetge, IPRax 2000, 573, 575; Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 43. 179 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 30; Staudinger/ Kropholler, MindjSchBehZustUeb, Art. 1, Rn. 151 m.w.N. zur Rspr. zum MSA. So schon von Steiger im Abschlussbericht zum MSA, Actes et Doc. 9 (1961-IV) 226. 180 Dem gleichzusetzen wird auch ein Internatsaufenthalt im Ausland sein. Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 36 m.w.N. zur deutschen Rspr. 181 Staudinger/Mankowski, HUÜ, Art. 4, Rn. 151. Dies muss selbst dann gelten, wenn die Arbeitskraft regelmäßig die Saison über im Ausland verbringt. Z.B.: Die ungarische Servicekraft, die jedes Jahr von Mitte Dezember bis Ende März im österreichischen SkiHotel arbeitet. 182 Vgl. OLG Hamm IPRax 1990, 59 zu einem Auslandsstudium im Zusammenhang mit Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ; außerdem Spickhoff, IPRax 1995, 185, 186, der für ein bzw. zwei Semester Erasmusstudium die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltes ablehnt. Findet eine solche dauerhafte Verlagerung sozialer Bindungen hingegen statt, so ist ein gewöhnlicher Aufenthalt trotz vermeintlich befristeter Anwesenheit möglich, so zutreffend OLG Hamm FamRZ 2002, 54 f. bzgl. Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ zu dem Fall einer Studentin, die für ein vierjähriges Studium in die USA zog. 176

II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses

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Rückkehr an den ursprünglichen Aufenthaltsort auf Grund der tatsächlichen Umstände nicht absehbar ist.“183 b) Berufliche Bindungen Die Bindungen der Person durch eine Erwerbstätigkeit fließen maßgeblich in die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes ein. Dabei ist grundsätzlich nach der Intensität der Bindungen zu unterscheiden: Besteht ein unbefristetes, auf Dauer angelegtes, intaktes Arbeitsverhältnis, so muss der Indizwert entsprechend höher eingestuft werden als bei einem Aushilfs-, Saison- oder Ferienjob.184 Insbesondere bei befristeten Tätigkeiten müssen gewichtige andere Indizien für die dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes sprechen. Auch die Gründung eines Unternehmens oder eine entsprechende Beteiligung können starke Indizien sein. 185 Dabei muss aber jeweils auf den Einzelfall abgestellt werden.186 c) Familiäre Bindungen und soziales Umfeld aa) Familiäre Bindungen Die familiären Bindungen der Person sind das wichtigste Kriterium für die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthaltes. Maßgeblich wird in die Beurteilung einfließen, ob die betreffende Person eine feste nichteheliche Beziehung oder eine Ehe im Inland eingegangen ist oder auch, ob die noch im Ausland lebende Familie nachzieht.187 Für Kinder werden die Familienangehörigen, welche sie unmittelbar betreuen, einen Großteil ihres sozialen Umfelds ausmachen. Gleichzeitig wird es insbesondere kleinen Kindern nur schwer möglich sein, ein von den Erziehungsberechtigten völlig unabhängiges soziales Umfeld aufzubauen.188 Am ehesten werden elternunabhängige(re) soziale Kontakte des Kindes zu Mitschülern am Schulort bestehen. Dementsprechend wird regelmäßig als starkes Indiz für einen gewöhnlichen Aufenthalt gewertet, 183 Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.1.2009, Rs. C-523/07, A, BeckEuRS 2009, 487612, Rn. 42. 184 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 115. 185 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 29; vgl. auch OLG Oldenburg IPRax 2012, 550, 551 [19]; bespr. v. Schulze, IPRax 2012, 526 ff. 186 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 115; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.1.2009, Rs. C-523/07, A, BeckEuRS 2009, 487612, Rn. 41. 187 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 29 sowie Leitsatz 1 von EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, welcher zwischen familiären und sozialen Verbindungen differenziert. 188 Vgl. dazu OLG Celle IPRax 2012, 544 und VG Berlin IPRax 2012, 548; bespr. v. Heiderhoff, IPRax 2012, 523 ff.

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dass das Kind am Aufenthaltsort eine Schule oder den Kindergarten besucht.189 Die Beurteilung eines Geschäftsunfähigen wird zumeist in starker tatsächlicher Abhängigkeit von der Bezugsperson erfolgen, wenngleich Geschäftsunfähige wie Kinder auch ohne die Zustimmung des Betreuers bzw. Vormunds190 einen gewöhnlichen Aufenthalt als tatsächlichen Lebensmittelpunkt innehaben können. 191 Man wird hier nach der tatsächlichen Wahrnehmungsfähigkeit des Geschäftsunfähigen unterscheiden müssen: Je stärker die tatsächliche Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt ist, desto schwieriger wird ein Aufenthaltswechsel sein. Nimmt die Bezugsperson ebenfalls einen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuzugsstaat ein, so wird analog zu der Situation von Kleinkindern anzunehmen sein, dass auch durch den bspw. Demenzkranken ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet wurde. Wenn der Geschäftsunfähige jedoch die Personen seines Umfeldes (Angehörige oder Pfleger) nicht mehr als Bezugspersonen wahrnehmen kann, so kann diese Beziehung nur schwerlich Indizkraft bezüglich sozialer Integration entfalten.192 bb) Soziales Umfeld Auch die Anwesenheit von Freunden und Bekannten und das gesellschaftliche Engagement der Person (bspw. Aktivitäten in Vereinen und Verbänden, kulturellen Einrichtungen und religiösen Gemeinschaften) sind Indizien für den gewöhnlichen Aufenthalt:193 Diese stellen regelmäßig ein soziales Umfeld dar, welches der Person die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes erschwert, gleichzeitig aber bei einer Rückkehr Ansatzpunkt für eine „Reintegration“ sein kann.194 Dabei kann es auch nicht darauf an189 Vgl. bspw. OLG Koblenz NJW 1989, 2201; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 116; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.1.2009, Rs. C-523/07, A, BeckEuRS 2009, 487612, Rn. 48. 190 Die Bezeichnung als Betreuer oder Vormund hängt dabei von der jew. Rechtsordnung ab, wird aber in diesem Zusammenhang funktional als äquivalent betrachtet werden können. 191 Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. 192 Vgl. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086 f. 193 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 29; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.1.2009, Rs. C-523/07, A, BeckEuRS 2009, 487612, Rn. 48 sowie Leitsatz 1 von EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, welcher zwischen familiären und sozialen Verbindungen differenziert. 194 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 58. So bspw. OLG Köln FamRZ 1995, 172 f. zu Art. 18 EGBGB; vgl. dazu auch die Schlussanträge von Generalanwalt Antonio Saggio vom 29.9.1998, Rs. C-90/97, Swaddling/Chief Adjudication Officer, Slg. 1999, I-1077, I-1085.

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kommen, ob die Person mit Staatsangehörigen des Zugzugslandes Kontakte pflegt oder sich nur innerhalb eines „ausländischen“ Milieus bewegt.195 Ausschlaggebend ist alleine das Bestehen von dauerhaften sozialen Bindungen im Inland.196 Soziale Integration kann und darf nicht Assimilation bedeuten.197 Beim Innehaben eines (neuen) Daseinsmittelpunktes geht es nicht um die Ersetzung jeglicher alter Werte durch ein neues kulturelles Gepräge, sondern vielmehr um eine gegenwärtige Verwurzelung am Aufenthaltsort.198 Ein Indikator für soziale Integration werden Sprachkenntnisse in Wort und Schrift bzw. das Bemühen um das Erlernen der Sprache des Aufenthaltsortes, um sich dort (besser) verständigen zu können, aber dennoch sein können. 199 cc) Staatsangehörigkeit Sehr umstritten ist, ob die Staatsangehörigkeit ein Indiz für einen gewöhnlichen Aufenthalt sein kann. Dafür spricht, dass sie oftmals Ausdruck einer natürlichen Verbundenheit zur einem Land und seiner Rechtsordnung ist.200 Die Staatsangehörigkeit steht damit für die kulturelle Identität einer Person.201 Dagegen spricht aber, dass sie per se gerade keine Auskunft über die aktuell bestehenden sozialen Bindungen einer Person geben kann.202 Der gewöhnliche Aufenthalt soll dort verortet werden, wo eine kulturelle Integration der Person stattgefunden hat. Er bringt also das räumlich und sachlich beste Recht zur Anwendung, unter der Annahme, dass eine Person, die sich in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht in einem Land integriert, auch dessen Recht auf sich angewendet wissen will.203 Kulturelle Identität und kulturelle Integration fallen oftmals zusammen, müssen

195 Vgl. Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 40; Staudinger/ Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 51, 65 f. 196 Zu Asylbewerbern auch OLG Nürnberg FamRZ 1989, 1304; zu geduldeten Ausländern OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 317. 197 Baetge, FS Kropholler, S. 77, 80. 198 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 52. 199 Vgl. bspw. LG Lüneburg v. 16.2.1965, IPRspr. 1964–65 Nr. 235; dazu auch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 117. 200 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 39; dazu Rauscher, LMK 2009, 282910; im Ergebnis auch OLG Oldenburg IPRax 2012, 550, 551 [19], zust. Schulze, IPRax 2012, 526 ff. 201 Sonnentag, EWS 2012, 457, 463; Jayme, RabelsZ 67 (2003), 211, 214 f. 202 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 119; Lamont, 47 CMLR (2010), 235, 241; Pirrung, IPRax 2011, 50, 53. 203 Sonnentag, EWS 2012, 457, 463.

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dies aber gerade nicht. Es muss somit auf den Einzelfallkontext ankommen, eine pauschale Gewichtung verbietet sich. dd) Freiwilligkeit des Aufenthalts Ein Daseinsmittelpunkt ist unabhängig davon zu beurteilen, ob sich die Person freiwillig oder gegen ihren Willen an dem Aufenthaltsort befindet.204 Der objektiven Feststellbarkeit des Daseinsmittelpunktes widerspricht nämlich das Erfordernis eines freiwilligen Aufenthaltes.205 Dies indiziert schon Nr. 10 der Resolution 72 (1).206 Es kommt für die Beurteilung der sozialen Bindungen der Person jeweils auf die Einzelfallkonstellation an. Auch Gefangene, die gegen ihren Willen im Gefängnis in einer fremden Rechtsordnung leben, können soziale Bindungen zu Mitgefangenen aufbauen, ebenso wie Patienten solche Bindungen zu Mitpatienten aufbauen oder sich Soldaten am Stationierungsort und Diplomaten am Ort ihres Auslandseinsatzes ein soziales Umfeld schaffen können. 207 Nur auf diese tatsächlichen Bindungen kommt es für den gewöhnlichen Aufenthalt an. 6. Gewichtung der Indizien bei Kontakten zu mehreren Rechtsordnungen Beurteilungsschwierigkeiten ergeben sich immer dann, wenn eine Person zu mehreren Rechtsordnungen intensive oder sehr lose Verbindungen pflegt. Dabei stellen sich zwei miteinander verbundene Fragen: Zum einen, ob zwingend ein gewöhnlicher Aufenthalt bestehen muss, und zum anderen, ob zwingend nur ein gewöhnlicher Aufenthalt bestehen kann.

204 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 65. A.A. Palandt/Thorn, Art. 5 EGBGB, Rn. 10 und Kegel/Schurig, S. 472, nach denen ein gewöhnlicher Aufenthalt verneint werden soll, wenn die Bewegungsfreiheit fehlt und sich die Person gezwungenermaßen an einem gewissen Ort aufhält. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn sich die Person aufgrund von Strafhaft, Verschleppung oder Kriegsgefangenschaft dort befindet. Eine Einschränkung sei aber dahingehend vorzunehmen, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden kann, wenn die Zwangslage beendet ist und sich die Person aus freien Stücken dafür entschließt zu bleiben. 205 So auch Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. 206 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 132; so auch OLG Frankfurt NJW-RR 2006, 938. 207 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 51, 65 f.; Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 40.

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a) Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts Anders als beim domicile gibt es keine generelle Pflicht zum gewöhnlichen Aufenthalt.208 Dies liegt schon daran, dass es grundsätzlich keine Fiktion wie beim domicile of origin gibt. Im deutschen Kollisionsrecht sieht der Gesetzgeber mit Art. 5 Abs. 2, 24 Abs. 1 EGBGB den Rückgriff auf den schlichten Aufenthalt für den Fall vor, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar ist. Auch der BGH nahm konsequenterweise an, dass es beim Fehlen jeglicher sozialer Integration möglich sein muss, keinen gewöhnlichen Aufenthalt zu haben.209 Die englische Rechtsprechung stellte ebenfalls fest, dass es Konstellationen geben kann, in denen eine Person nicht über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfügt.210 Auf Ebene der internationalen Zuständigkeit scheint dieses Ergebnis durchaus hinnehmbar, wenn die entsprechende Verordnung (bspw. Art. 13 Brüssel IIa-VO) selbst für den Fall der Nichtfeststellbarkeit des gewöhnlichen Aufenthalts eine Notzuständigkeit vorsieht. Auch im Kollisionsrecht kann ein Fehlen gegebenenfalls mittels einer Anknüpfungsleiter, beispielsweise durch Art. 8 lit. d Rom III-VO, kompensiert werden. Soweit solche Vorschriften jedoch fehlen, gefährdet man durch die vorschnelle Annahme einer Nichtfeststellbarkeit bzw. eines nicht eindeutig feststellbaren gewöhnlichen Aufenthalts die Anknüpfung insgesamt erheblich. b) Mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt Für das Kollisionsrecht wird ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt allgemein ausgeschlossen:211 Insbesondere für Rechtssicherheit und Praktikabilität im Kollisionsrecht muss ein doppelter gewöhnlicher Aufenthalt ausgeschlossen werden. Die relativ engste Verbindung zwischen Person und Rechtsordnung in Form eines Lebensmittelpunktes ließe außerdem schon begrifflich keine mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalte zu.

208

Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 143. BGH FamRZ 1993, 798; Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 46. 210 Re J (Abduction: Custody Rights) [1990] AC 562. 211 Gutzler, NJW 1949, 154; Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 44; Stoll, RabelsZ 22 (1957) 187, 190; MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 724; Palandt/Thorn, Art. 5 Rn. 10; beschränkt auf das IPR Kropholler IPR § 39 II, S. 287 f.; BeckOK/Lorenz, Art. 5, Rn.13; v. Hofmann/Thorn, Art. 5, Rn. 80; Dauner-Lieb/Heidel/Schulze, Art. 5 EGBGB, Rn. 17. Offengelassen von OLG Oldenburg, IPRax 2012, 550, 551 [19]; bespr. v. Schulze, IPRax 2012, 526 ff.; a.A. Holl, S. 133, der aber darauf hinweist, dass für HKÜ, ESÜ und MSA mehrfache gewöhnliche Aufenthalte zwingend ausgeschlossen seien. 209

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Für möglich gehalten wird ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt aber im Bereich der internationalen Zuständigkeit.212 Zum Teil wird auch vertreten, dass ein alternierender gewöhnlicher Aufenthalt bei Menschen mit jahreszeitlich unterschiedlichen Daseinsmittelpunkten möglich sein soll.213 Eine solche Annahme im internationalen Verfahrensrecht führte in der Regel nur zu einer Erweiterung der Gerichtsstände und hätte im Übrigen keine nachteiligen Folgen.214 Zudem wird argumentiert, dass die Anforderungen an die soziale Integration durchaus zulassen würden, an mehreren Orten zur gleichen Zeit sozial integriert zu sein, mithin also mehrere Daseinsmittelpunkte zu haben.215 In der Tat scheint es möglich, im Verfahrensrecht weniger starke Anforderungen an eine Bindung zwischen Person und Rechtsordnung zu fordern und hier zu mehreren gewöhnlichen Aufenthalten zu kommen. Die Verzahnung von Verfahrens- und Kollisionsrecht auf europäischer Ebene zeigt aber, dass durch eine Bejahung des mehrfachen gewöhnlichen Aufenthaltes auf der Ebene des Verfahrensrechts nur wenig gewonnen ist, wenn ein Gleichlauf zwischen forum und ius erzielt werden soll und letzten Endes doch eine Festlegung auf einen gewöhnlichen Aufenthalt notwendig ist.216 c) Auffinden der relativ engsten Verbindung Der EuGH konnte sich bisher einer eindeutigen Stellungnahme zu der Problematik entziehen. Er ging in den beiden Entscheidungen zur Brüssel

212 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 142; Geimer, IZPR, Rn. 300; vgl. in der dt. Rspr. BayObLG IPRax 1981, 183; BayObLG FamRZ 1997, 423, 424; KG v. 3.3.1987, OLGZ 1987, 211; KG NJW 1988, 649 m. Anm. Geimer; abl. OLG Bremen FamRZ 1992, 963; vgl. dazu auch Kropholler, IPR § 39 II 5 S 287; Dilger, Rn. 203 f. 213 Vgl. die englische Entscheidung Re V (Abduction: Habitual Residence) 2 F.L.R. [1995] 992, 1001f. Zur str. Konstellation eines alternierenden gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern, die jeweils abwechselnd im Aufenthaltsstaat eines Elternteils leben, vgl. Hausmann, N Rn. 114f. 214 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 142 im Anschluss an Kropholler, IPR, § 39 II 6, S. 288, welcher danach differenzieren will, ob eine ausschließliche oder konkurrierende Zuständigkeit betroffen sei. Vgl. auch Spickhoff, IPRax 1995, 185, 188 f. 215 So die englische Rechtsprechung in Ikimi v Ikimi [2002] Fam 72. Das Gericht vertrat hier die Auffassung, dass ein Ehepaar, welches gleichzeitig zwei eheliche Wohnsitze in England und Nigeria innehatte, auch zwei gewöhnliche Aufenthaltsorte haben könne; dazu Clarkson/Hill, S. 331. Auch die deutsche Rechtsprechung nahm für die internationale Zuständigkeit nach § 606 ZPO an, dass ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt möglich sei; vgl. bspw. KG NJW 1988, 649 m. Anm. Geimer, NJW 1988, 651 f.; so auch Holl, S. 133. 216 Vgl. auch MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 724.

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IIa-VO 217 jeweils davon aus, dass die vorliegenden Indizien ausreichten, um einen gewöhnlichen Aufenthalt bestimmen zu können. Unabhängig davon, ob man einen fehlenden oder mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalt grundsätzlich ablehnt oder mit einer differenzierenden Auffassung zumindest in gewissen Teilbereichen einen solchen annimmt, wird eine wirkliche „Pattsituation“ zwischen zwei Staaten jedenfalls äußerst selten vorkommen. So gilt es grundsätzlich, den Lebensmittelpunkt in Form einer (relativ) engsten Verbindung mittels einer wertenden Betrachtung der Gesamtumstände aufzufinden.218 Weicht der familiäre und soziale Lebensmittelpunkt von dem beruflichen Daseinsmittelpunkt ab, so wird je nach Kontext der gewöhnliche Aufenthalt am Ort der Arbeitsstelle oder bei der Familie aufzufinden sein.219 Im internationalen Familienrecht wird für Grenzpendler zumeist vertreten, dass die Person im Zweifel dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt innehat, wo sie zur Ruhe kommt und wo sie schläft.220 Personen, die zu mehreren Staaten lose Verbindungen haben (bspw. Zirkusartisten, Schausteller oder internationale Sportler), werden, auch wenn sie den Großteil des Jahres in verschiedenen Ländern unterwegs sind, zumeist ein (Winter-)quartier haben, an dem ein Daseinsmittelpunkt festgestellt werden kann. 221 Bestehen Wohnungen in mehreren Rechtsordnungen, so wird zu untersuchen sein, ob es sich bei der jeweils konkreten Wohnung um eine Zweitoder Ferienwohnung handelt und wo sich die Person in einer Gesamtbetrachtung schwerpunktmäßig aufhält und den Schwerpunkt ihrer sozialen Verbindungen aufweist.222 Ein wesentlicher Vorteil des Auffindens eines Lebensmittelpunktes ist dabei gerade, dass nicht mechanisch auf den Ort abgestellt werden muss, an dem sich die Person überwiegend aufhält.223

217 Insb. EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805; bespr. v. Rauscher, LMK 2009, 282910. 218 Kropholler, IPR, § 39 II 6, S. 288; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 143. Vgl. dazu auch OLG Oldenburg IPRax 2012, 550, 551 [19], welches vom „effektiveren“ Aufenthalt spricht; krit. insofern Schulze, IPRax 2012, 526, 528, der die Formulierung „engerer“ gewöhnlicher Aufenthalt verwenden will. 219 Vgl. dazu die Konstellation von OLG Oldenburg IPRax 2012, 550, in welcher der deutsche Ehemann die eine Hälfte seiner Zeit in Deutschland arbeitete und in der dortigen ehemaligen Ehewohnung lebte, die andere Hälfte in Norwegen „zu Besuch“ bei seiner Familie war. 220 Kegel/Schurig, S. 472; Spickhoff, IPRax 1995, 185, 187 f.; Staudinger/Mankowski, HUÜ, Art. 4, Rn. 151. 221 Kropholler, IPR, § 39 II 6, S. 288; Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 143. 222 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 53. 223 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 54.

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7. Begründung und Aufhebung des gewöhnlichen Aufenthalts Umstritten sind außerdem die Voraussetzungen der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts. a) Kein rechtsgeschäftlicher Wille erforderlich Einigkeit besteht darüber, dass in bewusster Abgrenzung zum Wohnsitz bzw. domicile kein rechtsgeschäftlicher Wille zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes notwendig ist:224 Zum einen handelt es sich bei der Einnahme und dem Innehaben eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht um ein Rechtsgeschäft. Zum anderen soll der große praktische Vorteil des gewöhnlichen Aufenthaltes sein, dass auch Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsfähige einen eigenständigen Aufenthalt ohne Abhängigkeit von einer Bezugsperson innehaben können.225 Dementsprechend müssen die Anforderungen niedriger sein, um nicht die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit zur Voraussetzung für den gewöhnlichen Aufenthalt machen. b) Berücksichtigung des Bleibewillens zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts Umstritten ist aber, ob ein subjektives Element für die Beurteilung der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts Berücksichtigung finden soll. aa) Irrelevanz eines Bleibewillens Nach einer strengen Ansicht 226 wird ein gewöhnlicher Aufenthalt erst dann begründet, wenn der neue Lebensmittelpunkt durch die tatsächliche soziale Integration eine gewisse Stabilität erlangt hat.227 Auf den „Willen zum gewöhnlichen Aufenthalt“ kommt es für die Begründung demnach nicht an. Der Wille soll lediglich mittelbar relevant sein, weil eine Integration entsprechend beschleunigt oder verlangsamt228 wird, wenn die Person den korrespondierenden Willen hat.229 Der Wille, in die alte Heimat zurückzukehren, kann den Erwerb eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts bei erfolg224 Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087; Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 68; Kegel/Schurig, S. 413; ebenso BGH FamRZ 1975, 272; BGH IPRax 1994, 130. 225 Vgl. Rauscher, IPR, § 3 Rn. 277. 226 Von Lehmann, Reform des internationalen Erb- und Erbprozessrechts, S. 36 ff., sehr treffend als „streng-objektive Theorie“ bezeichnet. 227 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 52. 228 Weil die sozialen Kontakte in der alten Heimat wohl entsprechend länger aufrechterhalten werden. 229 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 70.

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ter Integration aber nicht verhindern.230 Bis der neue gewöhnliche Aufenthalt hingegen entsprechend gefestigt ist und über die nötige Dauerhaftigkeit verfügt, besteht der alte gewöhnliche Aufenthalt fort.231 bb) BGH und EuGH Nach der deutschen Rechtsprechung und zahlreichen Stimmen in der Lehre soll ein gewöhnlicher Aufenthalt auf zwei Weisen begründet werden können: Grundsätzlich wird ein gewöhnlicher Aufenthalt in einem Staat begründet, wenn die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts und die damit verbundenen sozialen, familiären und wirtschaftlichen Bindungen die Feststellung eines entsprechenden Daseinsmittelpunkts in der Aufenthaltsrechtsordnung zulassen.232 Dieser Ansatz entspricht insofern auch der strengeren Ansicht und stellt auf die dargestellten objektiv bestimmbaren Indizien ab.233 Zusätzlich soll ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt aber bereits dann begründet werden können, „wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der neue Aufenthalt auf längere Zeit angelegt ist und künftig an die Stelle des bisherigen Daseinsmittelpunkt treten soll.“234 Ausreichend ist also, dass die zeitaufwendigere tatsächlich erfolgende soziale Integration durch eine Positivprognose ersetzt wird.235 Der Wille, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, wird dabei aus den Umständen zu schließen sein.236 Fehlt der Bleibewille oder kommt er erst später hinzu, so ist ein Erwerb des gewöhnlichen Aufenthalts durch die zeitintensivere dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes weiter möglich.237 Auch der EuGH stellt auf den Willen der Person zur Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts ab, wenn die Person erst vor Kurzem im Zuzugsstaat angekommen ist. Die in Magdalena Fernández/Kommission verwendete Formulierung stellte auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen ab, den der Betroffene in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen. 238 In der Entscheidung Swaddling/Chief Adjudication Officer 230

MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 668; Rogerson, 49 ICLQ (2000), 86, 94; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087; Kropholler, IPR, § 39 II, S. 282. 231 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 69. 232 Vgl. BGH NJW 1975, 1068. 233 Vgl. Lehmann, Reform des internationalen Erb- und Erbprozessrechts, S. 37. 234 BGH NJW 1981, 520; BGH NJW 1993 2047, 2049; vgl. Rauscher, IPR, Rn. 274. 235 Vgl. BGH NJW 1993 2047, 2049; Rauscher, IPR, Rn. 274. 236 Von Lehmann, Reform des internationalen Erb- und Erbprozessrechts, S. 36, sehr treffend als „streng-objektive Theorie“ bezeichnet. 237 Vgl. BGH NJW 1993, 2047, 2049. 238 EuGH v. 15.9.1994 – Rs. C-452/93 P, Magdalena Fernández/Kommission, Slg. 1994, I-4295.

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stellt der EuGH maßgeblich auf den Willen der Person zum Verbleib in einem Land ab und stellt klar, dass eine rein quantitative Bestimmung nicht möglich ist. 239 Dabei lässt der Maßstab von Swaddling/Chief Adjudication Officer zu, einen gewöhnlichen Aufenthalt mit Ankunft im Zuzugsstaat begründen zu können. 240 In Barbara Mercredi/Richard Chaffe (Rechtssache C-497/10 PPU)241 ging der EuGH für Kindschaftssachen davon aus, dass der gewöhnliche Aufenthalt von gewisser Dauer sein muss, damit ihm ausreichende Beständigkeit innewohnt.242 Maßgebend für die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts in den Aufnahmestaat ist im Zweifelsfall aber vor allem der Bleibewille, also der Wille, dort den ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen in der Absicht zu begründen, ihm Beständigkeit zu verleihen. 243 cc) Bewertung Für die strenge objektiv ausgerichtete Ansicht sprechen gute Argumente. Durch die Berücksichtigung der Absichten kann der Charakter des gewöhnlichen Aufenthalts als objektiv zu bestimmender Anknüpfungspunkt durchaus gefährdet werden.244 Denn setzt man eine Prognoseentscheidung anhand der Absichten der Person anstelle der tatsächlich objektiv vorliegenden Indizien, so kommt es im Enddeffekt nicht mehr darauf an, ob die Prognoseentscheidung tatsächlich zutreffend war und tatsächlich ein neuer Lebensmittelpunkt entstanden ist. 245 Wartet man in solchen Fällen dagegen ab, ob sich eine Verfestigung eines neuen Lebensmittelpunktes zeigt, ver-

239 EuGH v. 25.2.1999 – Rs. C-90/97, Swaddling/Chief Adjudication Officer, Slg. 1999, I-1075, Rn. 30; vgl. dazu auch Baetge, FS Kropholler, S. 77, 84. 240 Ausführlich dazu Lamont, 3 JPIL (2007), 261, 264 ff. 241 EuGH v. 22.12.2010, EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51; bespr. v. Siehr, IPRax 2012, 316 ff.; bespr. v. Mankowski, GPR 2011, 209 ff. 242 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51. 243 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51. In diesem Zusammenhang musste eine Anpassung an die Situation von Kindern vorgenommen werden, die unten ausführlich dargestellt wird. 244 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 69 f.; zust. Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 22; Geimer/Schütze/Dilger, Art. 3 Rn. 13 ff.; MüKo ZPO/Gottwald, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 7. So auch Lamont, 3 JPIL (2007), 261, 266, die zutreffend darauf hinweist, dass es merkwürdig erscheint, einen Aufenthalt mit bzw. kurz nach der Ankunft als „gewöhnlich“ zu bezeichnen. 245 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 69.

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meidet man entsprechend die vorschnelle Bejahung des Anknüpfungswechsels.246 Diese Ansicht vermeidet außerdem eine Annäherung an Wohnsitz und domicile (samt deren Probleme auf der subjektiven Seite), welche beide den Bleibewillen zur Voraussetzung des Statutenwechsels machen. Eine solche Prognoseentscheidung wird nämlich immer dann problematisch werden, wenn zwar der Wille besteht, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, der Aufenthalt aber schon objektiv nicht auf Dauer angelegt sein kann. Somit kann es auf Kritierien ankommen, die eigentlich gerade nicht Bestandteil eines tatsächlichen Lebensmittelpunktes nach der Ursprungsidee des gewöhnlichen Aufenthalts werden sollten: Die ausländerrechtliche Bleibeberechtigung wird ebenso wie die Frage nach einer Wohnung in der Rechtsordnung in die Prognoseentscheidung miteinzubeziehen sein.247 Für die Auffassung der Rechtsprechung spricht jedoch, dass es abhängig von den Umständen des Einzelfalles erforderlich sein kann, subjektiven Indizien hinreichend Platz einzuräumen, um so einen gewöhnlichen Aufenthalt schneller bejahen zu können und um insofern integrationsfreundlicher und flexibler zur Anwendung des inländischen Rechts zu kommen. Geht es um einen effektiven Schutz des Betroffenen, vor allem im Recht der internationalen Zuständigkeit, so ist dies sinnvoll, um zu vermeiden, dass die Zuständigkeit im Wegzugsstaat bleibt, wenn man davon ausgehen kann, dass die Behörden im Zuzugsstaat dauerhaft zuständig werden.248 Auf kollisionsrechtlicher Ebene führt dies entsprechend zu einem (ggf. auch gewünschten) schnelleren Statutenwechsel. Dennoch ist der Ansatz nicht unbedenklich, da die Rechtsprechung den Willen einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen damit über die „Hintertür“ zum Tatbestandsmerkmal erhebt.249 Zumindest stellt dieser Doppelweg jedoch eine flexible Erweiterung eines objektiven Grundansatzes um die subjektive Komponente dar, ohne dass diese zwingende Voraussetzung zur Begründung wird – denn fehlender Bleibewille verhindert gerade nicht die tatsächliche Integration am Zuzugsort, so dass mit zunehmender Anwesenheit mehr und

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Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 69. Vgl. dazu OLG Bremen BeckRS 2011, 03564; Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 42 f.; vgl. auch Schurig, FS Spellenberg, S. 343, 346; näher zu der Beurteilung der Indizien sogleich. 248 Lamont, 3 JPIL (2007), 261, 266 ff. Ein Negativbeispiel in dieser Hinsicht waren die wirkungslosen Fernvormundschaften des Haager Vormundschaftsabkommen von 1902; vgl. S. 102. 249 Vgl. Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 46; ähnlich Lamont, 3 JPIL (2007), 261, 263 im Anschluss an Rogerson, 49 ICLQ (2000), 86, 96. 247

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mehr die engste Verbindung zwischen Staat und Person durch den gewöhnlichen Aufenthalt abgebildet werden wird.250 c) Konsequenzen des Doppelwegs Hinsichtlich der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts nach einem Umzug ergeben sich damit ein „objektiver“ und ein „subjektiver“ Weg. aa) Objektiver Ansatz (1) Integrationsmaßstab Eine feste Zeitgrenze, wann der Aufenthalt zum gewöhnlichen Aufenthalt wird, ist nicht auszumachen. Eine Mindestfrist hinsichtlich der Anwesenheit wird auf objektiver Ebene allgemein abgelehnt. Es wird auf den Einzelfall ankommen, ab wann ein neuer dauerhafter Lebensmittelpunkt durch die entsprechende soziale Integration objektiv auszumachen ist. Mit zunehmender Anwesenheitsdauer wird eine soziale Integration jedenfalls wahrscheinlicher.251 Ist die Person bereits in der Vergangenheit regelmäßig umgezogen und verfügt über eine entsprechende Weltoffenheit, so wird eine soziale Integration oft zügig erfolgen können. 252 Kehrt die Person nach einem Auslandsaufenthalt in ihre ehemalige Heimat zurück, in der sie möglicherweise noch über ein familiäres und soziales Umfeld verfügt, so wird die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes sehr schnell erfolgen können. 253 Wenn der Erblasser hingegen Zeit seines Lebens in einer Rechtsordnung gelebt hat oder in einen völlig anderen Kulturkreis kommt, so wird zumeist eine längere Eingewöhnungsphase in der neuen Umwelt notwendig sein. 254 Ein notorischer Einzelgänger 255 wird ebenfalls länger für eine Integration benötigen als eine Person, die sich aktiv um soziale Kontakte bemüht. 250 Je länger der Aufenthalt andauert, desto weniger Gewicht wird eine subjektive Komponente dementsprechend auch haben; vgl. im Umkehrschluss Lamont, 3 JPIL (2007), 261, 263. 251 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 52; Mankowski, GPR 2011, 209, 210. So auch insb. bzgl. Kindern OLG Frankfurt FamRZ 2006, 883, 884; zust. auch Baetge, IPRax 2001, 573, 575. 252 Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 121. 253 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 58; so bspw. OLG Köln FamRZ 1995, 172 f. zu Art. 18 EGBGB. 254 Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 121. 255 Vgl. dazu den vom Hass auf England getriebenen Winans, der Jahrzehnte in England verbrachte und Kontakt zu Engländern weitestgehend vermied; vgl. zu Winans v Attorney-General [1904] A.C. 287 nochmals S. 74 ff. Kegel, FS Rehbinder, S. 699, 703 diskutiert, ob Robinson Crusoe einen gewöhnlichen Aufenthalt auf seiner einsamen Insel innehaben konnte. Entgegen der von Kegel geäußerten Auffassung kommt es auf eine

II. Grundlagen eines europäischen Begriffsverständnisses

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(2) Faustformeln zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts Einen von einer starren Mindestfrist zu unterscheidenden Ansatz verfolgen insbesondere die deutsche256 und österreichische257 Rechtsprechung hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern: So wird eine soziale Integration des Kindes im Zuzugsstaat im Regelfall (Faustformel) nach sechsmonatiger Anwesenheit des Kindes im Zuzugsstaat angenommen. Auch im englischen Recht wurde dieser Ansatz in Entscheidungen aufgenommen.258 Hinsichtlich des KSÜ wird gestützt auf Art. 12 Abs. 1 KSÜ auch vertreten, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes im Regelfall nach einer Anwesenheit von zwölf Monaten im Zuzugsstaat anzunehmen sei. 259 Die Verwendung dieser Faustformeln scheint nicht völlig unbedenklich, da während eines Aufenthalts mit einer solchen Dauer nicht zwingend eine soziale Integration des Kindes erfolgen muss.260 Bei der Faustformel handelt es sich jedoch um eine Richtschnur mit Indizwirkung, die einen Vergleichsmaßstab für die soziale Integration schafft.261 Diese kann im Einzelfall sowohl unter- als auch überschritten werden, hat also die nötige Flexibilität. 262 Vor allem aber dem nicht juristisch vorgebildeten Anwender hilft sie mit einem Ansatz zur Beurteilung des Regelfalls. Keinesfalls jedoch Gewichtung zwischen langjährigem Aufenthalt auf der Insel und den beruflichen, sozialen und familiären Bindungen in der alten Heimat an. Über die Jahre hinweg nahmen seine Verbindungen zu seiner Heimat ab und Crusoe richtete sich zunehmend auf der Insel ein, wo er in Person des Freitag auch ein gewisses soziales Umfeld hatte; so zutreffend Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 38, Fn. 157; in diese Richtung auch Seibl, S. 70. 256 Zum MSA bspw. BGH NJW 1981, 520; BGH NJW 1997, 3024, 3025; OLG Hamm NJW 1974, 1053; OLG Stuttgart NJW 1978, 1746; so auch OLG Hamm FamRZ 1991, 1346, 1347; OLG Hamm NJW 1992, 636, 637; zum HKÜ OLG Rostock IPRax 2001, 588; bespr. v. Baetge, IPRax 2001, 573 ff. Bezügl. Art. 15 EGBGB OLG Frankfurt FamRZ 1996, 1478, 1479. Zur Brüssel IIa-VO bspw. OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 1577; OLG Stuttgart NJW 2012, 2043. 257 Vgl. bspw. OGH IPRax 1984, 159, 164; bespr. v. Hoyer; OGH IPRax 1986, 385; bespr. v. Henrich, IPRax 1986, 364. 258 Bspw. Re B (Minors) Abduction (No. 2) [1993] 1 F.L.R. 887 (Fam. D.); vgl. auch Baetge, IPRax 2006, 313, 314. 259 Vgl. Baetge, IPRax 2001, 573, 575 m.w.N. 260 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 52; MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 722; BeckOK/Lorenz. Art. 5 EGBGB, Rn. 14. 261 MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 722; Mankowski, GPR 2011, 209, 210; so wohl auch Staudinger/Kropholler, MindjSchBehZustÜ, Art. 1, Rn. 141. Richtig insofern OLG Stuttgart NJW 2012, 2043, welches darauf hinweist, dass diese Frist „als Richtschnur zwar hilfreich sein kann, als formales Kriterium aber auch nicht überbewertet werden darf.“ 262 Baetge, IPRax 2001, 573, 575.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

ersetzt sie die Überprüfung der tatsächlichen Integration.263 Anders als diese Faustformel für den gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern konnte sich eine vergleichbare, auf die Lebensumstände von Erwachsenen angepasste Formel (drei Jahre) nicht durchsetzen.264 bb) Subjektive Prognoseentscheidung Die subjektive Prognoseentscheidung untersucht anhand der bereits vorliegenden Indizien, ob der neu eingenommene Aufenthalt auf Dauer angelegt ist und den Erwerb eines neuen Daseinsmittelpunktes wahrscheinlich macht. Der Wille dazu wird gegebenenfalls aus den Umständen geschlossen.265 Für die Prognose kommt es insbesondere darauf an, inwiefern eine erfolgende Integration und die Aufenthaltsverlagerung durch die spiegelbildliche Aufgabe von entsprechenden Bezugspunkten zum früheren Aufenthaltsstaat bereits objektiv angelegt sind.266 Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob Wohnraum angemietet oder erworben wurde, ob eine Ummeldung bei den Behörden erfolgte und ob ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis eingegangen wurde.267 Aber auch Sprachkenntnisse und soziale Kontakte müssen in das „Bild“ miteinfließen. Die Prognoseentscheidung führt in der Konsequenz bei Asylbewerbern und Menschen mit beschränkter Aufenthaltserlaubnis zu einem negativen Ergebnis. Der Aufenthalt kann schon objektiv nicht auf Dauer angelegt sein, wenn der Person kurzfristig die Abschiebung droht und die für eine zunehmende Integration sprechenden Indizien unter dem Vorbehalt der Genehmigung stehen. 268

263 Vgl. BGH FamRZ 1997, 1070; Rauscher, IPR, § 3 Rn. 279; ebenso Baetge, IPRax 2001, 573, 575 f.; JurisPK/Baetge, Art. 5 EGBGB, Rn. 17. 264 Vgl. zu diesem Ansatz Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 98 f., 110 f. Mansel, IPRax 1990, 283, 286 plädierte für eine Aufenthaltsdauer von zwei Jahren, wenn der gewöhnliche Aufenthalt aus der ex-post-Perspektive zu bestimmen sei. 265 BGH NJW 1981, 520. 266 Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.1.2009, Rs. C-523/07, A, BeckEuRS 2009, 487612, Rn. 44; Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EGUntVO, Rn. 32. 267 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 32. 268 Vgl. AG Landstuhl FamRZ 2002, 1343 zu § 606 ZPO mit krit. Anm. Gottwald. Das AG lehnte in dem Fall einen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt eines Asylbewerbers nach sechsjähriger Anwesenheit ab.

III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO

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III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO Die Brüssel IIa-VO gilt seit 1.3.2005 anstelle der Brüssel II-VO (VO Nr. 1347/2000). Sie regelt die internationale Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte in dem nach Art. 1 Abs. 2 lit. a Brüssel I-VO von der Brüssel I- VO nicht erfassten Bereich der Ehesachen und der (davon unabhängigen) Sorgerechtsentscheidungen.269 Im Rahmen der Brüssel IIa-VO nimmt der gewöhnliche Aufenthalt eine zentrale Stellung als verordnungsautonom zu bestimmender Anknüpfungspunkt ein. 270 Auch wenn die oben erwähnten Grundsätze gelten, so bestehen Unterschiede zwischen den Kontexten von Ehesachen (Art. 3 ff.) und Sorgerechtssachen bzgl. Minderjähriger (Art. 8 ff.). Inzwischen hat sich der EuGH intensiv mit dem gewöhnlichen Aufenthalt von (Klein-)Kindern auseinandergesetzt, so dass diese Rechtsprechung im Folgenden besonderer Beachtung bedarf. 1. Zuständigkeitsregelungen bezüglich der elterlichen Verantwortung In Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO finden sich die Zuständigkeitsregelungen bzgl. Entscheidungen betreffend die elterliche Sorge. Anders als noch die Brüssel II-VO beschränkt sich der Anwendungsbereich nicht auf eheliche Kinder und fordert nicht den verfahrensrechtlichen Zusammenhang mit einer Ehesache. 271 Wie Art. 60 und 61 der Brüssel IIa-VO klarstellen, genießen diese Vorschriften Vorrang vor zahlreichen völkerrechtlichen Übereinkommen, insbesondere dem KSÜ nach Art. 61 lit. a.272 Inhaltlich orientiert sich die Verordnung jedoch stark am KSÜ. 273 Vorrang genießt die Verordnung außerdem vor dem Vorläufer des KSÜ, dem MSÜ (Art. 60 lit. a), dem ESÜ (Art. 60 lit. d) und dem HKÜ (Art. 60 lit. e). Anders als Art. 3 Brüssel IIa-VO wird in Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO zwischen allgemeinen und besonderen Gerichtsständen unterschieden: Art. 8 Brüssel IIa-VO ist die allgemeine Zuständigkeit zu entnehmen. Nach Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO (wie nach Art. 5 Abs. 1 KSÜ und Art. 1 MSA) sind die Gerichte des Mitgliedstaats für Entscheidungen bzgl. der elterlichen Verantwortung zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der 269 Kritisch zur Erweiterung der EU-Kompetenzen im int. Familienrecht Heine, Ann. Surv. Int'l & Comp. L. 17 (2011), 9, 29 m.w.N. 270 So findet er insb. in Art. 3 ff., 8 ff. Brüssel IIa-VO Anwendung. 271 Saenger/Dörner, vor Art. 8–15 EheGVVO, Rn. 1. 272 Vgl. dazu auch Saenger/Dörner, vor Art. 8–15 EheGVVO, Rn. 1. Zur Abgrenzung zum KSÜ außerdem auch Gruber, IPRax 2013, 409, 411 f. 273 Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.1.2009, Rs. C-523/07, A, BeckEuRS 2009, 487612, Rn. 24.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, soweit nicht gem. Art. 8 Abs. 2 Brüssel IIa-VO ein besonderer Gerichtsstand nach Art. 9, 10 oder 12 Brüssel IIa-VO einschlägig ist. 274 Diese Anknüpfung ermöglicht ein schnelles Eingreifen und reduziert die Belastungen des Kindes durch das Verfahren, sichert aber gleichermaßen Beweisnähe und Nähe zu den Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe. 275 Art. 9 und 10 Brüssel IIa-VO behandeln Fälle, in denen das Kind in einen anderen Mitgliedstaat umzieht. Nach Art. 9 Abs. 1 Brüssel IIa-VO verbleibt die Zuständigkeit für Entscheidungen während einer Dauer von drei Monaten beim früher zuständigen Gericht, wenn in der Zwischenzeit ein rechtmäßiger Umzug des Kindes in einen anderen Mitgliedstaat erfolgte. Voraussetzung dafür ist aber, dass der umgangsberechtigte Elternteil dort nach wie vor seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Art. 9 Abs. 2 Brüssel IIa-VO kann dieser Elternteil aber auch die Zuständigkeit der Gerichte im Zuzugsstaat durch rügeloses Einlassen im Verfahren anerkennen. Art. 10 Brüssel IIa-VO regelt hingegen die Fälle, in denen ein unrechtmäßiger Umzug (ein Verbringen oder ein Zurückhalten des Kindes in einem anderen Mitgliedstaat), also eine Kindesentführung durch einen Elternteil in einen anderen Mitgliedstaat stattfand. Hier bleiben die ursprünglich international zuständigen Gerichte solange zuständig, bis das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt mit Zustimmung aller Sorgeberechtigten zum Umzug hat (Art. 10 lit. a) Brüssel IIa-VO) oder sich das Kind mindestens ein Jahr in diesem Mitgliedstaat aufgehalten hat und ein Einleben unter den Voraussetzungen des Art. 10 lit. a Brüssel IIa-VO sichergestellt ist. Nach Art. 12 Brüssel IIa-VO ist auch eine unter den dort genannten Voraussetzungen erfolgte Zuständigkeitsvereinbarung vorrangig vor der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des Art. 8 Brüssel IIa-VO zu prüfen. Kann der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht bestimmt werden, so sind gemäß Art. 13 Abs. 1 Brüssel IIa-VO die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem sich das Kind befindet. Art. 13 Abs. 1 Brüssel IIa-VO stellt somit auf den schlichten Aufenthalt ab.276 Schon der EU-Gesetzgeber geht also davon aus, dass nicht in jedem Fall ein gewöhnlicher Aufenthalt vorhanden bzw. bestimmbar ist. Dabei wird nicht danach unterschieden, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt komplett fehlt oder eine Entscheidung zwischen zwei gleichermaßen engen Verbindungen zu treffen ist.277

274

Vgl. auch Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 Brüssel IIa-VO, Rn. 6. Coester-Waltjen, FamRZ 2005, 241, 242; Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 Brüssel IIa-VO, Rn. 6; ebenso Junker, IZPR, § 19, Rn. 12; Gruber, IPRax 2013, 409. 276 Vgl. auch Junker, IZPR, § 19, Rn. 12. 277 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 13 Brüssel IIa-VO, Rn. 9. 275

III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO

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Dies ist im Zusammenhang mit Kindern sachgerecht und verhindert, dass langwierige Nachforschungen betrieben werden müssen. In der Konsequenz bedeutet dies auch, dass die oben dargestellten Grundsätze nicht aufgeweicht werden müssen, um „auf Biegen und Brechen“ einen gewöhnlichen Aufenthalt bestimmen zu können. Andererseits darf dies nicht dazu führen, dass das Gericht in einem schwierigen Fall vorschnell von einem fehlenden gewöhnlichen Aufenthalt ausgeht und gleich auf Art. 13 Brüssel IIa-VO abstellt. 2. Leitfaden zur Anwendung der neuen Verordnung Brüssel II278 Der 2005 erschienene Leitfaden der Kommission soll Privatpersonen, Richtern, Anwälten und zentralen Behörden als Richtschnur dienen und den Durchführenden eine Hilfestellung bei der Umsetzung der Verordnung geben. 279 Rechtliche Verbindlichkeit kommt dem Leitfaden zwar ausdrücklich nicht zu, jedoch scheint er zumindest in der Praxis Beachtung zu finden. Der Leitfaden spricht sich dafür aus, dass grundsätzlich nur ein gewöhnlicher Aufenthalt bestehen soll und der Erwerb eines neuen und Verlust des alten gewöhnlichen Aufenthalts am Tage der Ankunft in dem neuen Mitgliedstaat erfolgen sollen.280 Der Leitfaden plädiert damit für eine pragmatische, dem Kindeswohl dienende Auslegung des Begriffes, die dem angerufenen Gericht des Zuzugsstaates einen schnellen Zugriff auf den zu entscheidenden Fall sichern soll. Der oben zitierte Borrás-Bericht geht hingegen zumindest für Erwachsene von einer Übernahme des zuvor etablierten Verständnisses im Rahmen der Anwendung der Brüssel IIa-VO aus.281 3. Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts durch den EuGH Die vom EuGH gemachten Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern haben über den Anwendungsbereich von Art. 8 Brüssel IIa-VO hinaus Relevanz und bedürfen der genaueren Untersuchung.

278 Der Leitfaden ist im Internet abbrufbar unter: . 279 Vgl. Leitfaden zur Anwendung der neuen Verordnung Brüssel II, Einleitung S. 5. 280 Leitfaden zur Anwendung der neuen Verordnung Brüssel II, S. 16. 281 Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen erstellt von Prof. Dr. Alegría Borrás, (98/221/04) Nr. 32; so auch noch Baetge, FS Kropholler, S. 77, 79.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

a) Entscheidung C-523/07 aa) Sachverhalt und konkrete Vorlagefrage Im Rahmen des schon oben282 erwähnten Vorlageverfahrens eines finnischen Verwaltungsgerichts musste sich der EuGH konkret mit der Vorlagefrage beschäftigen, wie der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO auszulegen ist, wenn ein Kind in einem Mitgliedstaat über einen festen Wohnsitz verfügt, sich aber in einem anderen Mitgliedstaat aufhält und dort ein Wanderleben führt.283 Die Kinder C, D und E lebten zusammen mit ihrer Mutter A und ihrem Stiefvater F in Schweden. Alle besaßen die schwedische Staatsangehörigkeit. Nach einem Urlaub in Finnland blieben die Kinder dort und lebten geraume Zeit in einem Wohnwagen auf unterschiedlichen Campingplätzen ohne die Eltern. Die finnischen Behörden schritten ein und nahmen die Kinder in Obhut (vgl. Art. 20 Brüssel IIa-VO). bb) Aussagen des EuGH zum gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern Der EuGH wählt eine autonome Auslegung im Anschluss an die Kinderschutzübereinkommen. Hinsichtlich des Begriffsverständnisses des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern kann die Entwicklungsgeschichte der Brüssel IIa-VO als Fortsetzung einer Reihe von völkerrechtlichen Übereinkommen284 und deren Ausgestaltung des Begriffs berücksichtigt werden.285 Insofern kann auf international etablierte, einheitliche Maßstäbe zurückgegriffen werden, was Kontinuität und Harmonisierung auch in neuen EU-Mitgliedstaaten fördert.286 Eine Übertragung der Maßstäbe der Rechtsprechung zum gewöhnlichen Aufenthalt 287 aus anderen Bereichen des EU-Rechts lehnt der EuGH wie oben gesehen ausdrücklich ab.288 Schon die Generalanwältin Kokott hatte vorgebracht, dass der subjektiven Komponente in der Formel zu viel Platz eingeräumt werde.289 Dies 282

Vgl. S. 119 f. Vgl. die 2. Vorlagefrage des finnischen Gerichts. 284 So das MSA vom 5.10.1961 und das diesem folgende Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern (KSÜ) vom 19.10.1996. 285 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 Brüssel IIa-VO, Rn. 11. Vgl. bspw. zu den zum HKÜ entwickelten Grundsätzen OLG Schleswig FamRZ 2000, 1426, 1427 f. 286 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 Brüssel IIa-VO, Rn. 11. 287 Vgl. schon oben EuGH v. 15.9.1994 – Rs. C-452/93 P, Magdalena Fernández/ Kommission, Slg. 1994, I-4295, Rn. 22; EuGH v. 11.11.2004 – Rs. C-372/02, AdanezVega/Bundesanstalt für Arbeit aus dem Recht der Sozialen Sicherheit, Slg. 2004, I10761, Rn. 37. 288 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 36. 289 Ebenso Linke/Hau, Rn. 183. 283

III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO

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könne bei Kindern nur zu unzutreffenden Ergebnissen führen. 290 Grundsätzlich ist nach dem EuGH jeweils eine Entscheidung unter Abwägung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zu treffen.291 Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes ist in diesem Zusammenhang an dem Ort zu verorten, der „Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist.“292 Bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts muss neben der körperlichen Anwesenheit auch aus anderen Faktoren hervorgehen, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende oder gelegentliche Anwesenheit handelt.293 Hierfür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts, aber auch die Gründe für den Aufenthalt bzw. für den Umzug in einen Mitgliedstaat von Bedeutung.294 Auch die sich objektiv manifestierte Absicht der Eltern, sich mit dem Kind in einem Mitgliedstaat dauerhaft niederzulassen, kann ein Indiz sein.295 290

Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.1.2009, Rs. C-523/07, A, BeckEuRS 2009, 487612, Rn. 35 f.: „Die in Bezug genommene Rechtsprechung betrifft eine spezifische dienstrechtliche Fragestellung, nämlich die Voraussetzungen für die Gewährung einer Auslandszulage. […] Abgesehen davon, dass dieser dienstrechtliche Hintergrund keinerlei Berührungspunkte zu dem hier vorliegenden familienrechtlichen Kontext aufweist, ist die Definition auch inhaltlich nicht für eine Übertragung geeignet. Sie stellt nämlich die Absicht des Betroffenen zu sehr in den Vordergrund. Dies mag im Falle von Erwachsenen möglich sein. So verweist der Borrás-Bericht auch nicht zufällig im Zusammenhang mit der Zuständigkeit für Ehescheidungen auf die zitierte Rechtsprechung. Jedenfalls bei jüngeren Kindern ist der eigene Wille jedoch nicht ausschlaggebend, sondern der Wille der Eltern, denen als Teil des Sorgerechts auch das Recht auf Bestimmung des Aufenthaltsorts des Kindes zukommt. Gerade im Rahmen von Sorgerechtsstreitigkeiten fallen die Vorstellungen der sorgeberechtigten Personen darüber, wo sich das Kind aufhalten soll, aber möglicherweise auseinander. Daher kann die Absicht des Vaters und/oder der Mutter, sich mit dem Kind an einem bestimmten Ort niederzulassen, nur ein Indiz für dessen gewöhnlichen Aufenthalt sein, aber keine allein entscheidende Voraussetzung.“ Vgl. zur Ablehnung des Maßstabes von Swaddling/Chief Adjudication Officer, Slg. 1999, I-1075 im Kontext der Brüssel IIa-VO ausführlich auch Lamont, 3 JPIL (2007), 261 ff. 291 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 37. 292 Vgl. Rn. 38, 44, sowie Leitsatz Nr. 2 „Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 ist dahin auszulegen, dass darunter der Ort zu verstehen ist, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist. Hierfür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes festzustellen.“ 293 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 40. 294 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 39. 295 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 40.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

Ferner müssen die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen sein. 296 cc) Bemerkungen Das Gericht soll seine Zuständigkeit großzügig zum Schutz des Kindeswohls bestimmen können, um eine Entscheidung – getragen von diesem in der Brüssel IIa-VO gleichermaßen wie in den Haager Übereinkommen zum internationalen Kindschaftsrecht deutlich werdenden Schutzgedanken – einzelfallgerecht und rasch treffen zu können.297 Die Auslegung erfolgt anhand eines kindgerechten, sehr objektiven Maßstabes, da den Absichten und dem Willen des Kindes nur wenig Bedeutung zukommen kann. Zwar misst der EuGH den Absichten der Eltern, sich dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen zu wollen, Indizwirkung zu. Allerdings steht dieses Indiz auf einer Ebene mit den übrigen oben genannten Faktoren zur Integration in ein soziales und familiäres Umfeld.298 Damit wird dem elterlichen Willen deutlich weniger Gewicht als beim domicile of dependency eingeräumt.299 Kinder können sich schnell in eine neue Umwelt integrieren. Falls ihre Bezugspersonen, zumeist zumindest ein Elternteil, mit dem Kind umziehen, bleibt eine wichtige Konstante für das Kind umweltunabhängig bestehen. 300 Im Übrigen sind Kinder anpassungsfähig. Sie lernen schneller eine Fremdsprache als Erwachsene und sind gewöhnlich auch in der Lage, sich in einer neuen Schule rasch einzuleben. Faktisch sind Kinder sehr stark den Umzugsplänen der Eltern ausgesetzt. Oftmals sind sie die Leidtragenden wiederkehrender Umzüge der Eltern. Durch die entsprechende Gewichtung stellt der EuGH aber klar, dass der Wille der Eltern gerade nicht die Analyse der objektiven Umstände ersetzen kann und darf. Hervorzuheben ist ferner ein weiterer Aspekt: Der EuGH sieht in der Staatsangehörigkeit des Kindes ein Indiz für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts. Er nimmt damit den in Art. 3 I lit. a, 6. Sp.Str. Brüssel IIa-VO verkörperten Gedanken auf, wonach im Zweifel im Heimatstaat eine Integration leichter möglich ist als in einem anderen Mitgliedstaat.301 Außerdem gesteht er damit, bei aller Pragmatik zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zum Schutze des Kindeswohls, auch Kindern ein Mindestmaß an kultureller Verwurzelung zu.302 296

EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 39. Winkler von Mohrenfels, FPR 2001, 189, 190; Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769. 298 So auch Rauscher, LMK 2009, 282910. 299 Vgl. oben S. 35 ff. 300 Vgl. auch Rauscher, IPR, § 3 Rn. 278. 301 So auch Rauscher, LMK 2009, 282910. 302 Rauscher, LMK 2009, 282910. 297

III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO

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b) Rechtssache C-497/10 PPU aa) Sachverhalt und konkrete Vorlagefrage Im ebenfalls schon oben angesprochenen303 Urteil zur Rechtssache C497/10 PPU vom 22.10.2010 304 nahm der EuGH Stellung zum gewöhnlichen Aufenthalt von rechtmäßig verbrachten Kindern unter der Brüssel IIa-VO. Der EuGH hatte sich im Rahmen eines sorgerechtlichen Eilverfahrens nach Art. 20 Brüssel IIa-VO mit folgendem Sachverhalt auseinanderzusetzen: Die von La Réunion stammende Mutter (M) arbeitete wie der englische Vater (V) am Londoner Flughafen. Nach mehreren Jahren Beziehung wurde M schwanger. Wenige Tage nach der Geburt der Tochter (T) trennten sich M und V und V zog aus der gemeinsamen Wohnung aus. Zwei Monate nach der Geburt verließ M London und kehrte mit der Tochter nach La Réunion zurück, wo sie auch dauerhaft bleiben wollte.305 Fraglich war vor dem englischen Gericht schließlich, wo sich der gewöhnliche Aufenthalt des Säuglings befand. Der englische Court of Appeal legte dem EuGH die Frage vor, nach welchen Kriterien der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes für die Zwecke von Art. 8 und 10 Brüssel IIa-VO zu bestimmen sei. Der Fall wies insofern zwei Besonderheiten auf: Zum einen handelte es sich hier um den gewöhnlichen Aufenthalt eines Säuglings, der kurze Zeit nach seiner Geburt in einen anderen Staat verbracht wurde. Zum anderen waren zwischen der Ankunft auf La Réunion und der Rechtshängigkeit des Verfahrens in London nur wenige Tage vergangen. bb) Aussagen zum gewöhnlichen Aufenthalt von verbrachten Kindern Der EuGH beginnt seine Begriffsauslegung mit der Wiederholung seines Standpunktes zur verordnungsautonomen Auslegung. Bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO beruft er sich auf die oben dargestellte Entscheidung C-523/07 und die dort vorgebrachte

303

Vgl. oben S. 119 ff. EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309; bespr. v. Siehr, IPRax 2012, 316 ff.; bespr. v. Mankowski, GPR 2011, 209 ff. 305 V erhob zwei Tage nach dem Verlassen Großbritanniens durch M und das Kind Klage auf Information über den Aufenthaltsort des Kindes und nochmals drei Tage später Klage auf Übertragung der elterlichen Verantwortung, ein geteiltes Aufenthaltsbestimmungsrecht und ein Umgangsrecht auf ihn in London. Daraufhin erhob die Mutter vor dem örtlichen Gericht in La Réunion Klage auf Übertragung der ausschließlichen elterlichen Verantwortung auf sie. Als Reaktion darauf beantragte V später in London eine Rückkehranordnung. 304

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

Definition:306 Auch hier sind die aufgeführten objektiven Kriterien zur Bestimmung zu berücksichtigen.307 Neben der körperlichen Anwesenheit muss auch aus anderen Faktoren hervorgehen, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende oder gelegentliche Anwesenheit im konkreten Mitgliedstaat handelt.308 Der gewöhnliche Aufenthalt muss grundsätzlich von einer gewissen Dauer sein, damit er über ausreichende Beständigkeit verfügt, ohne dass es auf eine Mindestdauer ankommen soll. Die Dauer des Aufenthalts kann dementsprechend nur Indiz im Rahmen der Beurteilung sämtlicher objektiver Umstände des Einzelfalls sein. Für die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts in den Aufnahmestaat soll vielmehr der Wille, dort seinen dauerhaften Interessensmittelpunkt begründen zu wollen, ausschlaggebend sein.309 Bezüglich der Eingliederung in ein soziales familiäres Umfeld kam hier dem Alter des Kindes besondere Bedeutung zu. Je nach Alter (und der damit verbundenen Selbstständigkeit) ist unterschiedlich zu gewichten: Das familiäre Umfeld eines kleinen Kindes und erst recht eines Säuglings wird maßgeblich durch die Bezugsperson(en), mit denen das Kind zusammenlebt und von denen es betreut wird, bestimmt.310 Beim Säugling beurteilt sich der gewöhnliche Aufenthalt daher in Abhängigkeit von der betreuenden Person, in diesem Fall der Mutter, und deren Integration in ihr soziales und familiäres Umfeld. Denn sein Umfeld entspricht dem ihrem vollständig. Dementsprechend ist eine Untersuchung dieser Integration der Mutter in La Réunion notwendig. Ihre geographische und familiäre Herkunft und ihre Bindungen sind dabei zu berücksichtigen. c) Bewertung Das Urteil ist hinsichtlich seiner Aussagen zum gewöhnlichen Aufenthalt von Säuglingen zu begrüßen. Es baut maßgeblich auf den Maßstäben der Entscheidung C-523/07 auf und verfeinert diese im konkreten Zusammenhang mit Kleinstkindern.311 306 Verweis in EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 47 auf EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I02805, Rn. 44. 307 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 49. 308 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 49. 309 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51. 310 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 55. 311 Vgl. Leitsatz 1 von C-497/10 PPU: „1. Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist für die Zwecke der Art. 8 und 10 der Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit

III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO

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Eine durchaus interessante Frage musste der EuGH nicht beantworten: Da die Beteiligten unstreitig gestellt hatten, dass die Tochter zunächst einen gewöhnlichen Aufenthalt in England (London) hatte, kam es nicht auf die Frage an, ob (und wenn ja anhand welcher Kriterien) ein Neugeborenes unmittelbar nach der Geburt einen gewöhnlichen Aufenthalt innehaben kann.312 Ein solcher „gewöhnlicher Aufenthalt (= habitual residence) of origin“ wird bisweilen in der Literatur gefordert.313 Dies scheint jedoch nur wenig überzeugend, wenn man sich die Entwicklungsgeschichte des gewöhnlichen Aufenthalts als Gegenentwurf zum Wohnsitz bzw. domicile mit seinen Vermutungsregelungen vor Augen führt. Ein anderer Ansatz könnte aber eine Lösung über Art. 13 Abs. 1 Brüssel IIa-VO sein, weil beim Neugeborenen ein gewöhnlicher Aufenthalt wohl nur schwerlich feststellbar ist und eine Vermutung zugunsten einer habitual residence of origin gekünstelt erscheint. Einen anderen Problempunkt löst der EuGH zutreffend: Der neu begründete Aufenthalt auf La Réunion war von so kurzer Dauer, dass sich die Abgrenzung zwischen schlichtem und gewöhnlichem Aufenthalt gerade nicht nur anhand des Kriteriums der Aufenthaltsdauer, sondern auch nach weiteren Indizien richten musste. Grundsätzlich muss der gewöhnliche Aufenthalt von gewisser Dauer sein, damit ihm ausreichende Beständigkeit innewohnt.314 Eine Wiedereingliederung von M konnte hier aber schon deswegen schnell erfolgen, da sie in ihre alte Heimat zurückkehrte und entsprechend mit den sozialen und kulturellen Gegebenheiten vor Ort vertraut war. Hinzu kam der Wille von M, dort den ständigen oder gewöhnliund die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung Nr.1347/2000 dahin auszulegen, dass darunter der Ort zu verstehen ist, an dem eine gewisse Integration des Kindes in ein soziales und familiäres Umfeld zu erkennen ist. Dabei sind, wenn es sich um einen Säugling handelt, der in einen anderen Mitgliedstaat als den seines gewöhnlichen Aufenthalts verbracht wurde und der sich dort mit seiner Mutter erst seit einigen Tagen befindet, u.a. zum einen die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Mutter in diesen Staat zu berücksichtigen und zum anderen, insbesondere wegen des Alters des Kindes, die geografische und familiäre Herkunft der Mutter sowie die familiären und sozialen Bindungen der Mutter und des Kindes in dem betreffenden Mitgliedstaat. Es ist Sache des nationalen Gerichts, den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls festzustellen.“ 312 Vgl. Mankowski, GPR 2011, 209. 313 So: Kropholler, FS Jayme 2004, S. 471, 472 f. Vgl. dazu auch OLG Celle IPRax 2012, 544 und VG Berlin IPRax 2012, 548; bespr. v. Heiderhoff, IPRax 2012, 523 ff. 314 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51.

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chen Mittelpunkt ihrer Interessen in der Absicht zu begründen, ihm Beständigkeit zu verleihen. 315 Dieser Bleibewille konnte sich trotz der kurzen Anwesenheit in gewissem Maße bereits objektiv manifestieren. 4. Zusammenfassung und Bewertung der Rechtsprechung des EuGH Bezüglich der Rechtsprechung des EuGH ist für den gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern und Kleinstkindern insgesamt Folgendes festzuhalten: Anhand der objektiven Umstände jedes Einzelfalls ist festzustellen, wo eine gewisse Integration des Kindes in ein soziales und familiäres Umfeld zu erkennen ist. Bei dieser Ermittlung des Lebensmittelpunktes kommt es insbesondere aber nicht abschließend auf die Gründe des Aufenthalts, das Alter der Person, Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts an.316 Der EuGH vertritt damit für Kindschaftssachen ein pragmatisches und das Kindeswohl schützendes Begriffsverständnis des gewöhnlichen Aufenthalts. Dies ist geboten, denn es ermöglicht einem Gericht mit enger räumlicher Verbindung eine schnelle Entscheidung317 und führt sachgerechte Ergebnisse herbei.318 5. Der gewöhnliche Aufenthalt in Ehesachen, Art. 3 ff. Brüssel IIa-VO Art. 3 Abs. 1 Brüssel IIa-VO verwendet für seine „Prüfungsleiter“ insbesondere den Begriff des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, kennt aber auch den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt sowie den gewöhnlichen Aufenthalt eines Beteiligten. Bemerkenswert ist dabei das „Zusammenspiel“ zwischen gewöhnlichem Aufenthalt und domicile, das in Art. 3 Abs. 1 5. Sp.Str. und Abs. 2 Brüssel IIa-VO geregelt ist. In temporaler Hinsicht ist für das Vorliegen des jeweiligen Anknüpfungspunktes jeweils die Zeit unmittelbar vor der Antragstellung maßgeblich. Insgesamt ergeben sich so sieben alternative Gerichtsstände.319

315

EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51. 316 Vgl. Siehr, IPRax 2012, 316, 317. 317 So auch Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769. 318 Vgl. bspw. OLG Stuttgart NJW 2012, 2043 bespr. v. Finger, FamFR 2012, 288. Einen schnellen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts bereits unmittelbar mit der Ortsveränderung bejahend auch KG, BeckRS 2013, 00926. 319 Dabei empfiehlt sich für die praktische Anwendung der Norm folgende gedankliche Prüfungsreihenfolge: Abs. 1 lit. b: gemeinsame Staatsangehörigkeit, Abs. 1 lit. a 1./3. Sp.str.: gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners, Abs. 1 lit. a 2., 4., 5. 6. Sp.str.: Alternativen des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts; Prüfungsreihenfolge nach Prütting/Gehrlein/Völker, Art. 3 Brüssel IIa, Rn. 4 m.w.N.

III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO

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a) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 1 und 2 Brüssel IIa-VO Nach Art. 3 Abs. 1 sind die Gerichte eines Mitgliedstaats für Entscheidungen in Ehesachen dann international zuständig, wenn beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dessen Hoheitsgebiet haben (erster Sp.Str.) oder wenn die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Hoheitsgebiet hatten, sofern einer der beiden dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt innehat (zweiter Sp.Str.). Die Formulierung „noch“ indiziert dabei, dass der gewöhnliche Aufenthalt nicht durch eine mehr als nur kurzfristige Unterbrechung zwischenzeitlich aufgehoben wurde.320 Bei einem Ehepaar wird sich im Regelfall ohne besondere Schwierigkeiten ein gemeinsamer räumlicher Schwerpunkt bzw. Lebensmittelpunkt in Form einer Ehewohnung finden lassen. 321 Eine gemeinsame Ehewohnung darf jedoch nicht Voraussetzung für einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt sein, da mittels des Anknüpfungspunkts lediglich eine enge Verbindung zu einer Rechtsordnung322 aufzufinden ist.323 Insofern reicht aus, dass beide Ehepartner in derselben Rechtsordnung, nicht aber derselben Wohnung leben bzw. gelebt haben.324 Dementsprechend beschränkt die Formulierung des „letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts“ diesen auch nicht auf die Zeit der intakten Ehe – ausreichend muss vielmehr auch ein solcher sein, der erst nach der Trennung begründet wurde.325 Dies hat deswegen zu gelten, weil die Brüssel IIa-VO den Beteiligten in der Rechtsordnung einen Gerichtsstand geben will, zu der beide einen qualifizierten Bezug haben. Ein solcher kann sich für ein Scheidungsverfahren ohne Weiteres aus einem späteren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt ergeben. Der Sinn hinter dem letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt ist, dass beide Beteiligten an dem Forum ihrer „gemeinsamen Vergangenheit“ festgehalten werden und der Antragsgegner sich nicht durch das Verlassen dieses Staates dem Antragsteller entziehen kann. 326 Um eine hinreichend feste Verbindung zu dem Gerichtsstaat für diesen Fall bejahen zu können, muss aber zumindest einer der Beteiligten seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch im Gerichtsstaat ha320

Prütting/Gehrlein/Völker, Art. 3 Brüssel IIa, Rn. 8. Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn.19. 322 In einem Land mit mehreren Teilrechtsordnungen muss ein Aufenthalt dementsprechend in derselben Teilrechtsordnung bestehen; vgl. Art. 66 Brüssel IIa-VO sowie Zöller/Geimer, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 3. 323 Zöller/Geimer, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 2; Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 23. 324 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 23, 27. 325 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 23, 27; Zöller/Geimer, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 3. 326 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 26. 321

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

ben. Es muss also gewissermaßen noch ein aktueller Bezug zu dieser gemeinsamen Vergangenheit fortwähren. b) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 3 und 4 Brüssel IIa-VO Ebenso reicht es für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 Brüssel IIa-VO aus, wenn gegenüber dem Antragsgegner im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts eine Entscheidung herbeigeführt werden soll (dritter Sp.Str.). Wird ein gemeinsamer Antrag von den Ehegatten gestellt, so ist es ausreichend, dass einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat hat (vierter Sp.Str.). Die Gerichtstände der Sp.Str. 3 und 4 ermöglichen Beteiligten, die eine einvernehmliche Scheidung durchführen wollen, (theoretische) Möglichkeiten zum forum shopping, da hier durch die Aufnahme eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts eines Beteiligten ein neuer Gerichtsstand begründet werden kann. Eine solche Manipulationsmöglichkeit scheint jedoch in der Praxis vernachlässigbar, da wohl nur äußerst wenige Beteiligte ein identisches Manipulationsinteresse hinsichtlich des Gerichtsstands haben werden.327 c) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 5 Brüssel IIa-VO Liegt kein gemeinsamer Antrag der Beteiligten vor, so kann ein Gerichtsstand im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers begründet werden, wenn dieser seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung besteht (Sp.Str. 5). Diese Alternative geht von einem verfestigten Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts aus: So setzt sie ihrem Wortlaut nach gerade keine Mindestdauer zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts voraus, sondern vielmehr einen bereits seit einem Jahr bestehenden gewöhnlichen Aufenthalt. Ein schlichter Aufenthalt seit einem Jahr kann also gerade nicht ausreichen.328 d) Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 6 Brüssel IIa-VO aa) Grundsätzliches Der Sp.Str. 6 liefert eine weitere Alternative, wobei diese sich deutlich von den vorhergehenden unterscheidet: Ein Gericht eines Mitgliedstaates ist auch dann international zuständig, wenn der Antragsteller sich im Ge327

Prütting/Gehrlein/Völker, Art. 3 Brüssel IIa, Rn. 10. So auch Zöller/Geimer, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 6; Prütting/Gehrlein/Völker, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 11 m.w.N. und Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 43. 328

III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO

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richtsstaat seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung gewöhnlich aufgehalten hat und entweder Staatsangehöriger dieses Staates ist oder im Falle von Großbritannien und Irland dort sein domicile hatte. Art. 3 Abs. 2 Brüssel IIa-VO stellt dabei noch klar, dass sich der Begriff des domicile nach dem Recht Großbritanniens oder Irlands im konkreten Fall bestimmt und spricht somit eine Qualifikationsverweisung aus.329 bb) Verstoß gegen Art. 18 AEUV Wertungsmäßig ersetzt die Kombination von Staatsangehörigkeit und bestehendem gewöhnlichen Aufenthalt von sechs Monaten im Gerichtstaat also den insofern stärker verfestigten gewöhnlichen Aufenthalt nach Sp.Str. 5, welcher, wie gesehen, einen zwölf-monatigen gewöhnlichen Aufenthalt voraussetzt. Diese Verkürzung wird von einer stark vertretenen Meinung in der Literatur330 als offene Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und damit als Verstoß gegen Art. 18 AEUV (ex Art. 12 EGV) gesehen. 331 Dementsprechend wird auch die Differenzierung bzgl. der Mindestdauer für das Bestehen eines domicile als versteckte Diskriminierung beurteilt.332 Für das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 18 AEUV wird vorgebracht, dass es für die Verkürzung bzw. Verlängerung der Bestehensdauer eines gewöhnlichen Aufenthalts (eines domicile) gerade keinen sachlichen Grund gäbe.333 Eine solche Auslegung des Art. 18 AEUV ist jedoch als zu pauschal oder mit den Worten von Basedow als zu „mechanistisch“ 334 abzulehnen. Es lässt sich durchaus eine sachgerechte Differenzierung in der Unterscheidung erkennen. Verlegt nämlich der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, so wird er in der Regel in sein „Heimatland“ zurückkehren, zu dem er bereits früher eine feste Beziehung gehabt hat.335 Verlegt ein Beteiligter seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen Gerichtsstaat, dessen Staatsangehörigkeit 329

Vgl. auch Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 62. Von Dilger, IPRax 2006, 617, 619 gar als „weit herrschende Lehre“ bezeichnet. 331 Dilger, IPRax 2006, 617, 619; Saenger/Dörner, Art. 3 EheGVVO, Rn. 8; Zöller/Geimer, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 6, 14, Einl. 151; Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 3 EuEheVO, Rn. 9 m.w.N. Grundlegende Überlegungen zur Diskriminierung durch die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit schon bei Drobnig, RabelsZ 34 (1970), 636 ff. 332 Dilger, IPRax 2006, 617, 619. 333 Dilger, IPRax 2006, 617, 619. 334 Basedow, IPRax 2011, 109, 114. 335 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 47; Basedow, IPRax 2011, 109, 114. 330

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

er nicht besitzt, so ist in der Regel davon auszugehen, dass er diese, durch die Staatsangehörigkeit manifestierte früher bestehende Bindung gerade nicht wiederaufleben lassen kann, sondern erst neue Bindungen schaffen muss.336 Hier pauschal davon auszugehen, dass eine qualifizierte Bindung des Antragstellers in jedem Mitgliedstaat gleich schnell erfolgen kann, scheint unrealistisch. 337 Diese Annahme würde nämlich unterstellen, dass der europäische Bürger nicht einmal über ein Minimum an kultureller und sozialer Verwurzelung in der Rechtsordnung seiner Staatsangehörigkeit verfügt, sondern vielmehr ein Europäer ohne Heimat ist bzw. werden soll.338 Ziel ist gerade die Bestimmung eines Gerichtsstandes, der eine gewisse Nähe zum Sachverhalt hat, was damit auch die Forderung nach einer qualifizierten Verbindung rechtfertigt.339 Ohnehin wird das Gericht anhand der oben dargestellten Kriterien überprüfen müssen, ob ein tatsächlicher Lebensmittelpunkt in dem Gerichtsstaat besteht. Hierbei wird gerade keine unterschiedliche Bewertung nach der Staatsangehörigkeit erfolgen dürfen. Der Staatsangehörige wird diesbzgl. auch nicht bessergestellt. Die kürzere Aufenthaltsdauer kommt unterschiedslos jedem Unionsbürger in seinem jeweiligen Heimatstaat zugute und erleichtert damit allen Unionsbürgern das Erlangen eines Gerichtsstandes.340 Es muss daher als zu eng angesehen werden, nur auf einen konkreten Verfahrensbeteiligten abzustellen, der von einem bzw. „seinem“ Heimatstaat gegenüber Ausländern bevorzugt behandelt wird.341 Hier wird vielmehr eine zulässige Gewichtung zwischen Antragssteller- und Antragsgegnerinteressen vorgenommen, denn es handelt sich hier um ein forum actoris, das der Antragsteller durch seinen Umzug bzw. Wegzug maßgeblich beeinflussen, gar manipulieren kann.342 Insgesamt ist die Regelung damit im Einklang mit Art. 18 AEUV. 343

336

Basedow, IPRax 2011, 109, 114. Basedow, IPRax 2011, 109, 114; Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 47. 338 Vgl. auch Rauscher, FS Jayme 2004, S. 719, 732 f., der seinen dortigen Aufsatz schon mit der Fragestellung „Heimatlos in Europa?“ überschreibt. 339 Basedow, IPRax 2011, 109, 114. 340 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 47; Prütting/Gehrlein/Völker, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 11. 341 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 47; Prütting/Gehrlein/Völker, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 11. 342 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 47. 343 So auch Kohler, NJW 2001, 10, 11 bzgl. der Vorgängernorm in der Brüssel II-VO. 337

III. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO

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e) Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO begründet die internationale Zuständigkeit eines Gerichts, wenn beide Ehegatten die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates besitzen oder im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands ein gemeinsames domicile im Gerichtsstaat haben. Wiederum gilt Art. 3 Abs. 2 Brüssel IIa-VO für die Bestimmung des domicile. Die Regelung des Art. 3 Abs. 2 Brüssel IIa-VO erinnert dabei an die kollisionsrechtliche Lösung der Auslegungsproblematik in Art. 59 Brüssel I-VO. Dieser Vorschrift zufolge ist der Begriff des domicile nach dem Recht des betroffenen Mitgliedstaats (Irland oder Großbritannien) auszulegen. Art. 3 Abs. 1 lit. a Sp.Str. 5 und lit. b Brüssel IIa-VO verwenden gleichermaßen den Begriff des domicile nach spezifischem mitgliedstaatlichen Verständnis. Dabei wird das domicile als wertmäßiges Äquivalent zum Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit verwendet. Dies ist zum einen vor dem Hintergrund zu erklären, dass Großbritannien und Irland als Mehrrechtsstaaten – wie bereits oben ausführlich dargestellt – traditionell mit dem Konzept der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt große Probleme haben. Lässt man die Normierung eines europäisierten domicile im Zusammenhang mit der Brüssel I-VO außer Betracht, so fällt hier deutlich auf, dass Staatsangehörigkeit und domicile dieselbe Stoßrichtung verfolgen und eine schwer wandelbare Anknüpfung bedingen. Damit stehen beide gleichermaßen im Gegensatz zum gewöhnlichen Aufenthalt, der eine flexible, wandelbare Betrachtung des anzuknüpfenden Sachverhaltes ermöglichen soll. f) Bewertung der Regelungen von Art. 3 Brüssel IIa-VO Der (gemeinsame) gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel IIa-VO bezüglich Scheidungsverfahren ist zunächst von einem gemeinsamen Lebensmittelpunkt der Ehegatten geprägt. Dort, wo der Verordnungsgeber eine besonders gefestigte Bindung zu einem Gerichtsstand für nötig erachtete, hat er sich für die Angabe einer Mindestdauer des gewöhnlichen Aufenthaltes entschieden. Vor dem Hintergrund des potentiellen forum shopping dürfen die Voraussetzungen zur Bejahung eines räumlichen Lebensmittelpunktes nicht vorschnell und leichtfertig von Gerichten bejaht werden, um Manipulationsversuche weitgehend einzuschränken. Insofern sollte auch hier ein strenger Maßstab gelten. Insgesamt lädt Art. 3 Brüssel IIa-VO mit seinen sieben zur Verfügung stehenden Gerichtsständen aber dennoch zum forum shopping ein – den Rechtsanwalt, der sich nicht regresspflichtig machen will, verpflichtet sie

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

gerade dazu.344 Denn nach Art. 19 Brüssel IIa-VO gilt der Prioritätsgrundsatz, so dass der schnellere Scheidungsantrag Vorrang hat. 345 Durch die Schaffung der Rom III-VO soll ein solcher Wettlauf nun aber dadurch verhindert werden, dass „europaweit“ einheitlich dieselbe Rechtsordnung auf die Scheidung anwendbar ist, so dass der insofern bestehende materiellrechtliche Anreiz zum forum shopping beseitigt bzw. maßgeblich verringert wird. g) Übertragbarkeit der Rechtsprechung des EuGH in Sorgerechtsentscheidungen – Konsequenzen des funktionalen Verständnisses Die grundlegenden Aussagen des EuGH zum gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern346 können grundsätzlich auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute im Kontext der Art. 3 ff. Brüssel-IIa-VO übertragen werden. Dafür spricht zunächst schon, dass der EuGH in der Entscheidung C497/10 PPU den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter untersucht, so dass er zwar im Zusammenhang mit der elterlichen Verantwortung, aber immerhin indirekt zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Erwachsenen, der Mutter, Stellung nimmt. Bei Erwachsenen wird eine intensivere Bindung zum Aufenthaltsstaat als bei Kindern zu fordern sein.347 Denn anders als beim Kontext der Sorgerechtsentscheidungen mit seinem Schutzinteresse hinsichtlich des Kindeswohls geht es beim Scheidungsrecht nicht primär um den Schutz eines Beteiligten. Ziel ist hier, eine enge Verbindung zwischen dem Beteiligten/der Partei und einer Rechtsordnung aufzufinden. Ein wesentlicher Unterschied muss sich aber dadurch ergeben, dass es Erwachsenen insbesondere beim Umzug in ein anderes Land wesentlich leichter als Kindern möglich ist, ihre sozialen Kontakte auch über weite Entfernungen aufrechtzuerhalten. Sie sind nicht auf ihre unmittelbaren Bezugspersonen fixiert und im Übrigen mobiler, flexibler und finanziell unabhängig(er).348 Zudem muss bzgl. der Scheidungssachen auch der konkrete Kontext berücksichtigt werden: Ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt ermöglicht dem Ehegatten einen Gerichtsstand, zu dem beide eine vermeintlich enge

344

Prütting/Gehrlein/Völker, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 3, 7. Prütting/Gehrlein/Völker, Art. 3 Brüssel IIa-VO, Rn. 3. 346 Vgl. nochmals S. 142 ff., 145 f. und 148. 347 Helms, FamRZ 2011, 1765, 1770. 348 Helms, FamRZ 2011, 1765, 1770; zust. Hausmann, A Rn. 48; vgl. auch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 98 f. Wie bei Kindern werden jedoch die sozialen Kontakte und Bindungen des Geschäftsunfähigen maßgeblich von der Bezugsperson abhängen, so dass insofern eine wertungsmäßige Übertragung geboten scheint. 345

IV. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom III-VO

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Beziehung haben. Im Zweifel sollte also zugunsten eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts entschieden werden.349

IV. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom III-VO Die Rom III-VO 350 trat am 21.6.2012 in 14 europäischen Mitgliedstaaten (darunter Deutschland) in Kraft.351 Ab 22.5.2014 wird sie auch in Litauen Anwendung finden.352 Da diese Verordnung im Rahmen einer sog. „Verstärkten Zusammenarbeit“ nach Art. 326 ff. AEUV entstand, bindet sie nur die mitwirkenden Mitgliedstaaten.353 Konzipiert als kollisionsrechtliches Pendant zu einem Teil der Brüssel IIa-VO, erfasst sie das internationale Privatrecht hinsichtlich Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Allerdings decken sich die Vorschriften der Verordnungen nicht vollständig: So erfasst Art. 1 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO anders als die Rom III-VO (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. c) Rom III-VO) nicht die Ungültigerklärung einer Ehe.354 Wie schon Erw. 9 und 21 der Rom III-VO klarstellen, soll ein einheitliches Kollisionsrecht für Ehescheidung und Trennung sachgerechte Falllösungen gewährleisten und Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für den Rechtsanwender erhöhen. Durch die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts unter Sicherstellung einer engen Verbindung zwischen den Ehegatten und dem anzuwendenden Recht soll gleichzeitig das forum shopping verhindert werden (bzw. zumindest seine Attraktivität stark eingeschränkt werden).355

349

Vgl. auch Dilger, Rn. 203 f. VO (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts. 351 Deutschland, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn. 352 Beschluss der Kommission vom 21.11.2012 zur Bestätigung der Teilnahme Litauens an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2012/714/EU), ABl. 2012, L323/18). 353 Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 behält weiterhin vorrangige Gültigkeit. 354 Vgl. auch Prütting/Wegen/Weinreich/Martiny, Art. 17 Anhang I EBGBG, Rn. 6; Erman/Hohloch, Anh. Art. 17 EGBGB Art. 1 Rom III-VO, Rn. 1. 355 Dethloff, StAZ 2006, 253, 254. 350

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

1. Relevanz des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom III-VO Von Bedeutung ist vor allem die objektive Anknüpfung nach Art. 8 Rom III-VO, auf die es immer dann ankommt, wenn die Ehegatten keine Rechtswahl nach Art. 5 Rom III-VO getroffen haben.356 a) Gewöhnlicher Aufenthalt und Rechtswahl nach Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO Die Zulassung der Rechtswahl in Art. 5 Rom III-VO ist eine der Errungenschaften der Verordnung und eine grundsätzliche Neuerung für einige der teilnehmenden Mitgliedstaaten.357 Das nach Art. 5 Abs. 1 lit. a und b Rom III-VO wählbare Recht hängt maßgeblich vom gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ab: Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a Rom III-VO können die Ehegatten das Recht des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der Rechtswahl wählen, nach lit. b das Recht des Staates des letzten gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten, sofern einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hatte. Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO gibt vor, dass eine Rechtswahl, soweit dies das Recht des Gerichtsstaates vorsieht, auch während des laufenden Verfahrens vor Gericht zu Protokoll vorgenommen werden kann. Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO sieht für alle anderen Fälle vor, dass eine Rechtswahlvereinbarung zumindest bis zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes geschlossen oder abgeändert werden kann. In jedem Fall muss die Rechtswahl die Formvorschriften nach Art. 7 Rom IIIVO einhalten. b) Gewöhnlicher Aufenthalt und Anknüpfung nach Art. 8 Rom III-VO Die Anknüpfungsleiter von Art. 8 Rom III-VO erinnert an die von Art. 3 Brüssel IIa-VO und spricht Sachnormverweisungen (vgl. Art. 11 Rom IIIVO) aus: Nach Art. 8 Rom III-VO ist das Scheidungsstatut bzw. Trennungsstatut anhand einer vierstufigen Leiter zu bestimmen.358 Maßgebend ist jeweils der Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, was schon aus der Formulierung der einzelnen Stufen hervorgeht.359 356 Daneben hat der gewöhnliche Aufenthalt sowohl für Formfragen (Art. 7) als auch für Fragen der Zulässigkeit einer Rechtswahl (Art. 5) Bedeutung. 357 Das bisherige autonome deutsche Recht lässt hingegen in Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 2–4 EGBGB zumindest eine beschränkte Rechtswahlmöglichkeit zu. 358 Prütting/Wegen/Weinreich/Martiny, Art. 17 Anhang I EBGBG, Rn. 22. Erman/ Hohloch, Anh. Art. 17 EGBGB Art. 8 Rom III-VO, Rn. 1 geht insofern von einer dreistufigen Prüfungsleiter aus, da er auf erster Stufe beide Varianten des gewöhnlichen Aufenthalts prüfen will; dazu auch Becker, NJW 2011, 1543, 1544. 359 Vgl. auch Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769.

IV. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom III-VO

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Zunächst ist nach Art. 8 lit. a Rom III-VO zu untersuchen, ob die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ein solcher ist (auf zweiter Stufe) auch nach Ende des gemeinsamen Aufenthalts nach Art. 8 lit. b Rom III-VO von Bedeutung, wenn einer der Ehepartner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat noch innehat und zwischen Wegfall des gemeinsamen Aufenthalts und Anrufung des Gerichts weniger als ein Jahr vergangen ist. Damit unterscheidet sich die Norm von Art. 3 Abs. 1 lit. a 2. Sp.Str. Brüssel IIa-VO, welcher einen konkreten Zeitrahmen hier gerade nicht kennt. Die Zeitgrenze von einem Jahr soll eine enge Beziehung zwischen Sachverhalt und anwendbarem Recht sicherstellen und sorgt dafür, dass der Anknüpfungspunkt einen aktuellen Bezug zum Leben der Beteiligten beibehält. 360 Auf dritter Stufe ist nach Art. 8 lit. c Rom III-VO zu untersuchen, ob die Ehegatten beide die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaats besitzen. Insofern gleichlautend ist Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO. Kann auch dies nicht bejaht werden, so ist auf vierter Stufe das Recht des Gerichtsstaats anzuwenden, Art. 8 lit. d Rom III-VO. Die Regelung von Art. 8 lit. d Rom III-VO sorgt zunächst dafür, dass das angerufene Gericht im Zweifelsfall sein eigenes Recht anrufen kann. Das erzeugt einen Gleichlauf von forum und ius. Ausgemachte Intention der Vorschrift war es dabei, denjenigen Staaten entgegenzukommen, die bevorzugt ihr eigenes Recht anwenden wollen.361 Gleichzeitig sorgt die Regelung dafür, dass ein gewisses Maß an forum shopping weiterhin möglich ist.362 Denn Art. 8 Abs. 1 lit. d Rom III-VO erfasst nicht die Klägergerichtsstände von Art. 3 Abs. 1 lit. a 5. und 6. Sp.Str. Rom III-VO. Nachdem diese bedingt durch die Mindestfristen eine gewisse „Vorlaufzeit“ erfordern, besteht insofern ein gewisser Schutz. Dieser Schutz besteht jedoch gerade nicht bei Art. 3 Abs. 1 lit. a 2. Sp.Str. Brüssel IIa-VO. Soweit einer der Ehepartner noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Gerichtsstaat hat, sollte er das anwendbare Recht nach Art. 8 Abs. 1 lit. d Rom III-VO weiterhin durch die Anrufung des Gerichts nach Art. 3 Abs. 1 lit. a 2. Sp.Str. Brüssel IIa-VO vorbestimmen können. 363 Insgesamt aber wurde das Potenzial zum forum shopping durch Vereinheitlichung des Kollisionsrechts, das nun mit Ausnahme der beschriebenen Fälle mit der Brüssel IIa-VO gleichläuft, verringert.

360

Erman/Hohloch, Anh. Art. 17 EGBGB Art. 8 Rom III-VO, Rn. 1. Wagner, StAZ 2007, 101, 105 f. 362 Hausmann, A Rn. 330. 363 Hausmann, A Rn. 330. 361

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

2. Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts Um Gleichlauf zu erzeugen mit der Brüssel IIa-VO, spricht generell alles dafür, die vom EuGH vorgegebenen Grundsätze unter Anpassung an Erwachsene anzuwenden. 364 Auch für Erwachsene sollte sich in diesem Kontext die Integration in sozialer und familiärer Hinsicht anhand der Kriterien der Dauer, der Regelmäßigkeit und der Umstände des Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats (unter Berücksichtigung der Sprachkenntnisse und auch der Staatsangehörigkeit des Betroffenen) sowie der Gründe für diesen Aufenthalt bestimmen lassen. Zu berücksichtigen ist aber gerade, dass die Rom III-VO diejenige Rechtsordnung auffinden soll, welche in enger Beziehung zum konkreten Sachverhalt steht. 365 Sie soll den Parteien keinen im Zweifel „kompromissfähigen“ Gerichtsstand eröffnen.366 Insofern entsteht hier ein Spannungsverhältnis zwischen Gleichlaufinteresse einerseits und Verwirklichung der engsten Verbindung andererseits.367 Ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt muss im Scheidungskollisionsrecht der Rom III-VO ausgeschlossen sein, da eine Scheidung weder nach zwei kumulativ noch alternierend auf eine Person anwendbaren Rechtsordnungen möglich sein kann. 368 Dementsprechend ist hier auch auf der Zuständigkeitsebene durch die Zulassung mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalte wenig gewonnen. Ohnehin sollten nach der Brüssel IIa-VO hinreichend viele Gerichtsstände für beide Parteien zur Verfügung stehen.

364

So auch Palandt/Thorn, Art. 5 Rn. 13; für ein gleiches Verständnis des gewöhnlichen Aufenthaltes im IZPR und IPR der Ehe auch Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 43; grundsätzl. auch Hausmann, A Rn. 318. 365 Vgl. Erw. 21 „Für den Fall, dass keine Rechtswahl getroffen wurde, sollte diese Verordnung im Interesse der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit und um zu vermeiden, dass ein Ehegatte alles daran setzt, die Scheidung zuerst einzureichen, um sicherzugehen, dass sich das Verfahren nach einer Rechtsordnung richtet, die seine Interessen seiner Ansicht nach besser schützt, harmonisierte Kollisionsnormen einführen, die sich auf Anknüpfungspunkte stützen, die einen engen Bezug der Ehegatten zum anzuwendenden Recht gewährleisten. Die Anknüpfungspunkte sollten so gewählt werden, dass sichergestellt ist, dass die Verfahren, die sich auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes beziehen, nach einer Rechtsordnung erfolgen, zu der die Ehegatten einen engen Bezug haben.“ 366 Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769; zust. Hausmann, A Rn. 317; vgl. auch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 100. 367 Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769f.; Hausmann, A Rn. 317; vgl. auch Palandt/Thorn, Art. 5 EGBGB, Rn. 13. 368 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 43; Hausmann, A Rn. 317.

V. Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuUnthVO

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V. Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuUnthVO Die EuUnthVO schafft ein spezielles Regime für Unterhaltssachen, die aus dem Anwendungsbereich der Brüssel I-VO ausgegliedert werden, und macht Vorgaben zum Verfahren bezüglich der Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in den Unterhalt, der sich in diesem Kontext aus Ehe, Familie, Verwandtschaft und Schwägerschaft ergeben kann.369 Damit scheint eine Revision des Luganer Übereinkommen von 2007 ebenfalls geboten.370 1. Relevanz des gewöhnlichen Aufenthalts in der EuUnthVO a) Internationale Zuständigkeit Nach Art. 4 Abs. 1 EuUnthVO können die Parteien u.a. eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaates, in dem zumindest ein Beteiligter seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit. a), vornehmen. Daneben ist der gewöhnliche Aufenthalt das zentrale Anknüpfungskriterium für die internationale Zuständigkeit in Art. 3 EuUnthVO. 371 Nach Art. 3 lit. a EuUnthVO sind die Gerichte im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsschuldners, nach Art. 3 lit. b EuUnthVO die des Unterhaltsberechtigten zuständig. Vergleicht man diese Regelungen mit der Brüssel IIa-VO, so fällt auf, dass der Beklagtenschutz bezüglich der gerichtlichen Zuständigkeit reduziert wurde.372 Art. 3 lit. c und lit. d EuUnthVO sind vom gewöhnlichen Aufenthalt unabhängig, bieten aber grundsätzlich als sinnvolle Annexzuständigkeiten die Möglichkeit einer Verfahrensbündelung in Personenstands- oder Sorgerechtsverfahren.373 b) Anwendbares Recht Seit dem 18.6.2011 findet das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 (HUP 2007) gem. Art. 15

369

Rauscher, IPR, § 8 Rn. 903, § 12 Rn. 1593. Sie regelt damit auch Bereiche, die ursprünglich von der Brüssel I-VO erfasst waren, ohne dass der Verordnungstext darauf hinweist, welche Normen genau erfasst sind. Art. 68 Abs. 1 EuUntVO spricht insofern nur von „Unterhaltssachen“, ohne konkrete Artikel zu bezeichnen. Selbiges gilt für die EU-VollstrTitelVO, in deren Anwendungsbereich die EU-UntVO ebenso eingreift. 370 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1, 11. 371 Für zwei von vier alternativ nebeneinander stehenden Gerichtsständen ist der gewöhnliche Aufenthalt relevant. 372 Boele-Woelki/Mom, FPR 2010, 485, 486. 373 Vgl. auch Boele-Woelki/Mom, FPR 2010, 485, 486.

160

§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

EuUnthVO bzgl. der Bestimmung des anwendbaren Rechts Anwendung.374 Das HUP 2007 ersetzt das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973375 sowie das Haager Übereinkommen vom 20.10.1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anwendbare Recht.376 Wie Art. 2 HUP 2007 klarstellt, gilt das Protokoll universell, also auch wenn das berufene Recht das Recht eines Nichtvertragsstaates ist. Unter den Voraussetzungen von Art. 7 bzw. 8 HUP 2007377 können Unterhaltsverpflichteter und -berechtigter (gemeinsam) das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht wählen. Dabei werden mehrere Rechtswahlmöglichkeiten eröffnet. Art. 8 Abs. 3 HUP 2007 stellt jedoch klar, dass eine Rechtswahl betreffend den Unterhalt Minderjähriger und „volljähriger Geschäftsunfähiger“378 nicht möglich ist. Nach Art. 3 HUP 2007 ist grundsätzlich das Recht des Staates maßgebend, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dabei stellt Art. 3 Abs. 2 HUP 2007 klar, dass im Falle eines Wechsels des gewöhnlichen Aufenthalts ab dem Zeitpunkt des Wechsels das Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts Anwendung finden soll. Daneben kommt in der EuUnthVO jedoch auch der lex fori, insbesondere durch Art. 4 und 7 HUP 2007, Bedeutung zu. Nach Art. 4 Abs. 2 HUP 2007 ist bspw. das Recht des Gerichtsstaats anwendbar, wenn der Unterhaltsberechtigte nach dem gemäß Art. 3 HUP bestimmten Recht keinen Unterhalt erhalten kann. Art. 4 Abs. 3 HUP 2007 führt zur Anwendung der lex fori, wenn der Unterhaltsgläubiger die Behörden/Gerichte des Staates, in dem der Unterhaltsschuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, anruft. c) Inhaltliche Ausfüllung des gewöhnlichen Aufenthalts Der gewöhnliche Aufenthalt ist anhand der oben dargestellten Grundsätze zu den familienrechtlichen Rechtsakten der Gemeinschaft und der Rechtsprechung des EuGH an dem Ort aufzufinden, an dem sich der Daseinsmit374

Das HUP 2007 ist dabei mit Wirkung für die Mitgliedstaaten (ohne Dänemark und das Vereinigte Königreich) vorläufig anwendbar, wenngleich dieses Protokoll völkerrechtlich noch nicht in Kraft getreten ist; vgl. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2012, 1, 10, sowie dies. IPRax 2013, 1, 11. Zum HUP 2007 ausführlich Arnold, IPRax 2012, 311 ff. 375 BGBl. 1986 II 837. 376 Vgl. dazu Rauscher, IPR, § 8 Rn. 899. 377 So gibt Art. 8 Abs. 2 insbesondere vor, dass eine Vereinbarung schriftlich zu erstellen oder auf einem Datenträger zu erfassen ist und beide Parteien unterschreiben müssen. 378 Bspw. ein Erwachsener, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen.

V. Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuUnthVO

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telpunkt der Person befindet, also dort wo ein Schwerpunkt objektiv feststellbarer Bindungen der Person auszumachen ist.379 Dabei sind die unterschiedlichen Maßstäbe für Kinder380 und Erwachsene381 zu berücksichtigen. 382 Die Verweisung der Verordnung auf das HUP 2007 trägt zur Vereinheitlichung des Kollisionsrechts auf völkerrechtlicher Ebene bei.383 Bezüglich der Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts muss für die internationale Zuständigkeit wie für das Kollisionsrecht ein möglichst einheitliches, autonomes Begriffsverständnis verwendet werden, um insofern den Gleichlauf zwischen forum und ius zu gewährleisten. 384 Als Bestandteil des Europäischen Gemeinschaftsrechts kann das HUP 2007 aber auch Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH sein.385 Die EuUnthVO sieht anders als die Brüssel IIa-VO bezüglich der elterlichen Verantwortung keine Ersatzzuständigkeiten vor für den Fall, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes nicht auffindbar ist. Dementsprechend kann im Kontext der EuUnthVO nicht offengelassen werden, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt überhaupt besteht – dieser muss notwendigerweise stets bestimmt werden.386 Die oben aufgeführten Kriterien zum Auffinden eines gewöhnlichen Aufenthalts müssen im Einzelfall „ausreichen“, ggfs. also großzügiger als im Kontext der Brüssel IIa-VO angewendet werden, um in jedem Fall den gewöhnlichen Aufenthalt bestimmen zu können.387 Ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt ist hingegen abzulehnen, da auf kollisionsrechtlicher Ebene die materielle Unterhaltsverpflichtung nur nach jeweils einer Rechtsordnung festgestellt werden kann. 2. Bewertung Leben Unterhaltsschuldner und Unterhaltsgläubiger im selben Staat, so scheint eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit bisweilen nicht sachgerecht – die Anknüpfung an das Heimatrecht könnte hier zu einer Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Unterhaltsgläubigern führen, 379

Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 27. Vgl. zu den Aussagen des EuGH zur Auslegung von Art. 8 Brüssel IIa-VO oben S. 144 f., 148 f. 381 Vgl. zu den (möglichen) Abweichungen von der EuGH-Rspr. zu Art. 8 Brüssel IIaVO für die Auslegung von Art. 3 Brüssel IIa-VO oben S. 154 f. und Art. 8 Rom III-VO oben S. 158. 382 Hausmann, C Rn. 88, 89 ff. 383 Rauscher, IPR, § 1 Rn. 91. 384 Hausmann, C Rn. 88. 385 Hausmann, C Rn. 447. 386 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 28. 387 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 28. 380

162

§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

obwohl beide den gleichen Lebensverhältnissen unterliegen.388 Art. 3 Abs. 2 HUP 2007 bewirkt, dass mit dem Aufenthaltswechsel auch ein Wechsel der rechtlichen Beurteilung des Unterhaltsanspruchs einhergehen kann.389 Dies ist zwar konsequent, weil dadurch auch eine stärkere Orientierung an den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen des Unterhaltsgläubigers möglich ist. Es kann aber auch zur Überraschung der Beteiligten ein ungünstigeres/günstigeres Unterhaltsrecht auf einen Fall für anwendbar erklären.390

VI. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel I-VO 1. Regelungsgehalt und Einordnung der Brüssel I-VO Die Brüssel I-VO 391 gilt seit 1.3.2001 anstelle des EuGVÜ392 bezüglich der internationalen Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte in Zivil- und Handelssachen. 393 Parallel zur Brüssel I-VO gilt seit 1.1.2010 das revidierte Lugano Übereinkommen von 2007, welches den Anwendungsbereich der einheitlichen Zuständigkeits- und Anerkennungsregeln auch auf die EWR-Staaten ausweitet.394 Eine Überarbeitung des vormals geltenden Lugano Übereinkommens war notwendig geworden, um mit der mit Einführung der Brüssel I-VO erfolgten Modernisierung des Systems des EuGVÜ gleichzuziehen. 395 Die revidierte Fassung vom 6.12.2012 396 ändert inhaltlich nichts an der Struktur der Gerichtsstände, reagiert u.a. aber auf die Einführung der 388 Arnold, IPRax 2012, 311, 312; Hausmann, C Rn. 500; vgl. auch Palandt/Thorn, HUP, Rn. 12. Grundlegend Explanatory Report von Prof. Dr. Andrea Bonomi, insb. Rn. 37 ff. 389 Schaal, BWNotZ 2011, 142, 142 f.; Boele-Woelki/Mom, FPR 2010, 485, 487; Arnold, IPRax 2012, 311, 312. Vgl. auch Palandt/Thorn, HUP, Rn. 12. 390 Schaal, BWNotZ 2011, 142, 142 f. 391 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Oftmals auch als EuGVO bzw. EuGVVO bezeichnet. 392 Vgl. den Wortlaut von Art. 68 Abs. 1 Brüssel I-VO. 393 Für die seit 2002 beigetretenen, „neuen“ Mitgliedstaaten gilt die Verordnung ab dem jeweiligen Stichtag ihres Beitritts. Dänemark wendet die Verordnung nach Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags (ABl. EU 2005 L 299/62) mit der EU seit dem 1.7.2007 an; vgl. auch Rauscher, IPR, § 14 Rn. 1673 und § 12 Rn. 1589. 394 So gilt das Luganer Übereinkommen bspw. in Norwegen seit 1.1.2010, in der Schweiz seit 1.1.2011 und in Island seit 1.5.2011. 395 Rauscher, IPR, § 12 Rn. 1581. 396 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012. Sie ist ab 10.1.2015 anwendbar. Ausgangspunkt für das Reformvorhaben war dabei der von Hess, Pfeiffer und Schlosser verfasste Bericht

VI. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Brüssel I-VO

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EuUnthVO durch die Streichung der Normen mit entsprechendem Bezug. Hauptanliegen der Reform war die Ersetzung des Exequaturverfahrens durch ein einheitliches Überprüfungsverfahren.397 Im Kontext der Brüssel I-VO wird überwiegend auf den Wohnsitz zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit zurückgegriffen. Der gewöhnliche Aufenthalt spielt in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle. Durch die Einführung der EuUnthVO hat sich die Bedeutung des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Brüssel I-VO nochmals deutlich verringert. Dies gilt jedoch nicht für die Parallelvorschriften des Luganer Übereinkommens von 2007. 2. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt Art. 5 Brüssel I-VO schafft besondere Gerichtsstände, die nicht ausschließlich, sondern fakultativ gelten. 398 In Art. 5 Nr. 2 und Art. 17 Nr. 3 Brüssel I-VO wurde bzw. wird jedoch der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts verwendet. a) Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO sieht wie Art. 5 Nr. 2 LugÜ 2007 vor, dass in Unterhaltssachen die Gerichte des Landes, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, international zuständig sind. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird in Anlehnung an die Haager Unterhaltsübereinkommen von 1958 und später 1973 ausgelegt als der Ort, an dem der Daseinsmittelpunkt, also der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person liegt.399 Dabei sind die oben gefundenen Wertungen zugrunde zu legen. Für Klagen in Unterhaltssachen, die nach dem 18.6.2011 eingereicht wurden, gilt Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO gem. Art. 68 Abs. 1, 76 EuUnthVO nicht mehr. An dessen Stelle treten die Regelungen der Art. 3 ff. EuUnthVO. 400 In der Fassung vom 6.12.2012 wurde der besondere Gerichtsstand für Unterhaltssachen komplett gestrichen, was zur Folge hat, dass keine Study JLS/C4/2005/03 von 2008 („Heidelberg Report"). Vgl. insgesamt zur Entstehungsgeschichte v. Hein, RIW 2013, 97 f. 397 Vgl. schon den Verordnungsentwurf vom 14.12.2010, KOM 2010/744 endg. 398 Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, Art. 5 Brüssel I-VO, Rn. 1. Vgl. zu Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO EuGH v. 25.10.2011, verbundene Rs. C-509/09, C-161/10, C-161/10, eDate Advertising GmbH u. a., NJW 2012, 137 ff., Rn. 49; dazu auch Leible/Unberath/Weller, S. 293, 299, 304. 399 MüKo ZPO/Gottwald, Art. 5 EuGVO, Rn. 44; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR, Art. 5 Brüssel I, Rn. 71. 400 Adolphsen, S. 90 nimmt hingegen unzutreffend eine Wirksamkeit ab dem 18.9.2011 an.

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

familienrechtlichen Vorschriften mehr in der revidierten Brüssel I-VO enthalten sind.401 Nach wie vor hat dieses vormals geprägte Begriffsverständnis jedoch Relevanz für den fast identischen Art. 5 Nr. 2 LugÜ 2007. b) Art. 17 Brüssel I-VO Art. 17 Brüssel I-VO 402 regelt die Fälle, in denen vorformulierte Gerichtsstandsklauseln gegenüber Verbrauchern verwendet werden können. Nach Nr. 3 können die Vertragsparteien die internationale Zuständigkeit der Gerichte an ihrem gemeinsamen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort im Rahmen der dort gültigen Regelungen vereinbaren. 403 Schon aufgrund der Formulierung müssen die beiden Begriffe hier gleichgestellt werden.404 Es muss also für die Prorogation ausreichen, dass eine Partei ihren Wohnsitz, die andere Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hat.405 Bezüglich der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Kontext wird vertreten, dass in analoger Anwendung von Art. 59 Brüssel IVO auf die lex fori prorogati abgestellt werden soll.406 Dafür spricht, dass insofern ein Gleichlauf mit der Bestimmung des Wohnsitzes durch die lex domicilii erzielt wird, für den Fall, in dem ohnehin von den Parteien eine Rechtswahl vorgenommen wurde. Dagegen spricht aber, dass hier eine planwidrige Regelungslücke (zumindest inzwischen) verneint werden sollte: Der gewöhnliche Aufenthalt kann ohne Weiteres auch verordnungsautonom nach den allgemeinen Grundgedanken des Europäischen Kollisionsrechts bestimmt werden. Es erscheint insbesondere naheliegend, bei der Auslegung auf das Verständnis vom gewöhnlichen Aufenthalt der Rom IVO abzustellen, um einen größeren inhaltlichen Gleichlauf mit dem IPR zu erlangen und den Verbraucherschutz zu erhöhen. Somit ist ein analoger Rückgriff auf Art. 59 Brüssel I-VO nicht nötig. 3. Abschließende Bewertung vor dem Hintergrund der aktuellen Reform Sowohl der am 14.12.2010 von der Kommission vorgelegte Entwurf zur Revision der Brüssel I-VO als auch die endgültige, revidierte Fassung der Brüssel I-VO 407 halten am Wohnsitz des Beklagten zur Bestimmung der 401

Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2013, 1, 9. Vgl. auch den insofern inhaltlich identischen Art. 17 LuGÜ (2007). 403 Kropholler/v. Hein, EZPR, Art. 17 EuGVVO, Rn. 2; Rauscher/Staudinger, EuZPR/ EuIPR, Art. 17 Brüssel I, Rn.3. 404 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 17 EuGVVO, Rn. 11. 405 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 17 EuGVVO, Rn. 12. 406 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 17 EuGVVO, Rn. 11. 407 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012; ausführlich dazu v. Hein, RIW 2013, 97 ff. 402

VII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom I-VO

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internationalen Zuständigkeit des Gerichts fest. Die durchgeführte Reform der Verordnung ändert insofern nichts an der grundsätzlichen Handhabung des Wohnsitzbegriffs.408 Führt man sich aber die mit den angesprochenen möglichen Zuständigkeitskonflikten und der Möglichkeit des forum shopping verbundenen Probleme vor Augen, so wäre es nach wie vor wünschenswert, die Brüssel I-VO auch insoweit zu reformieren, als dass gänzlich auf die Anknüpfung an den Wohnsitz verzichtet wird. An dessen Stelle sollte der gewöhnliche Aufenthalt treten.409 Eine verordnungsautonome Auslegung dieses Begriffs würde die Kompetenzkonflikte ausräumen und darüber hinaus einen starken wertungsmäßigen Gleichlauf mit den übrigen Verordnungen herbeiführen.

VII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom I-VO Die Rom I-VO und die Rom II-VO sind das Pendant zur Brüssel I-VO auf der Ebene des internationalen Privatrechts. Die Rom I-VO erfasst dabei vertragliche Schuldverhältnisse, die Rom II-VO außervertragliche Schuldverhältnisse. Anders als die Brüssel I-VO verwenden beide Verordnungen aber als Anknüpfungspunkt den gewöhnlichen Aufenthalt anstelle des Wohnsitzes. So wird der gewöhnliche Aufenthalt an zahlreichen Stellen in der Rom IVO als Anknüpfungspunkt verwendet.410 Für die in Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO aufgezählten Vertragstypen (Katalogverträge) soll stets an den gewöhnlichen Aufenthalt desjenigen Vertragspartners angeknüpft werden, der die charakteristische Leistung des Vertragstyps erbringt. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO ist dies beispielsweise der Verkäufer beim Kaufvertrag und nach Art. 4 Abs. 1 lit. e Rom I-VO der Franchisenehmer beim Franchisevertrag. Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO übernimmt den Grundgedanken des Abs. 1 und stellt auch bei Vertragstypen, die nicht unter die Aufzählung des Abs. 1 fallen, auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Partei ab, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat. Die charakteristische Leistung in Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO ist dabei die Leistung, die dem Vertrag sein „Gepräge“ gibt und ihn dadurch von anderen Vertragstypen unterscheidbar macht.411 Oftmals lässt sich bereits an der Bezeichnung des Vertragstyps eine schwerpunktmäßige Charakterisierung der vertraglichen 408

Vgl. v. Hein, RIW 2013, 97, 101 f. So u.a. auch Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 59 Brüssel I, Rn. 9. 410 Insb. in Art. 4 bis 7, 10 Abs. 2, 11. Art. 19 Rom I-VO. Kindler, IPR, S. 36. Dazu auch Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 535; Clausnitzer/ Woopen, BB 2008, 1798, 1806. 411 So zutreffend Kindler, IPR, S. 31. Ebenso Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1171. 409

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§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

Verpflichtungen vornehmen. 412 Nur wenn eine solche charakteristische Leistung nicht bestimmbar ist, findet die „engste Verbindung“ von Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO Anwendung. Dies ist vor allem bei gegenseitigen Verträgen anzunehmen, bei denen keiner der Leistungen lediglich Entgeltcharakter zuzuschreiben ist. Ein Beispiel hierfür ist der Tauschvertrag.413 1. Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom I-VO Art. 19 Rom I-VO macht Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt, insbesondere von Gesellschaften und Gewerbetreibenden. Nach Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO ist für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Nur bei Vertragspartnern, die nicht im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit kontrahieren, ist im Umkehrschluss zu Art. 19 Abs. 1 und 2 Rom I-VO eine eigenständige verordnungsautonome Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts notwendig. a) Gewöhnlicher Aufenthalt von Gewerbetreibenden, Art. 19 Abs. 1, 2 Rom I-VO In Fällen, in denen es auf den gewöhnlichen Aufenthalt von Gewerbetreibenden ankommt, verdienen Art. 19 Abs. 1 und 2 Rom I-VO bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts besondere Beachtung: Art. 19 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO verortet den gewöhnlichen Aufenthalt von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen am Ort ihrer Hauptverwaltung. Zumeist wird sich die Hauptverwaltung am Ort des Sitzes der Organe befinden, wo die Willensbildung und die eigentliche unternehmerische Leitung der Gesellschaft erfolgen. 414 Es kommt folglich auf den faktischtatsächlichen Sitz der Gesellschaft und nicht auf den Gründungs- oder Registersitz an.415 Art. 19 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO bestimmt, dass bei einer natürlichen Person, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit handelt, auf den Ort der Hauptniederlassung für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen ist. Eine berufliche Tätigkeit liegt immer dann vor, wenn es

412

Kindler, IPR, S. 31, Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1171. Kindler, IPR, S. 35, Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1172. 414 Kindler, IPR, S. 36. So auch Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I, Rn. 3; MüKo/Martiny, Art. 19 Rom I, Rn. 6; vgl. dazu auch Kropholler/v. Hein, EZPR, Art. 60 EuGVVO, Rn. 2. 415 Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I, Rn. 3; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 19 Rom I, Rn. 8. 413

VII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom I-VO

167

sich um eine Tätigkeit handelt, die nicht der privaten Sphäre einer Person zugerechnet werden kann.416 Art. 19 Abs. 2 Rom I-VO findet gleichermaßen auf Gesellschaften wie auf natürliche Personen, die gewerblich handeln, Anwendung: Für beide Gruppen ist es gleichermaßen möglich, dass sie über mehrere Niederlassungen verfügen. 417 Bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts ist in einem solchen Fall jeweils auf diejenige Niederlassung abzustellen, welche für den Vertragsschluss oder die Erfüllung des Vertrages verantwortlich ist. b) Der gewöhnliche Aufenthalt von Nichtgewerbetreibenden Auch im Kontext der Rom I-VO ist der gewöhnliche Aufenthalt als ein auf Dauer angelegter Lebensmittelpunkt der Vertragspartei zu verstehen, der aus den tatsächlichen Lebensverhältnissen ersichtlich wird.418 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der gewöhnliche Aufenthalt hier dazu dient, die engste Verbindung für ein Vertragsverhältnis zu finden. Es sind in diesem Kontext damit gerade nicht die Anforderungen hinsichtlich der Kontinuität des Aufenthalts zu stellen, welche im Rahmen des Personalstatuts erforderlich wären oder sein könnten.419 2. Bewertung der Rom I-VO und des gewöhnlichen Aufenthalts Die Rom I-VO kann über weite Strecken auf eine eigenständige verordnungsautonome Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts verzichten. Durch Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt derjenigen Vertragspartei, die die für den Vertragstypus charakteristische Leistung erbringt, ist auf eine verhältnismäßig einfach zu bestimmende geschäftliche bzw. gewerbliche Niederlassung abzustellen. Auch in den Fällen, in denen die relevante Vertragspartei rein privat handelt, bereitet die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts dieser Person vor dem Hintergrund des internationalen Kaufrechts und dessen Fokussierung auf das Auffinden der engsten Verbindung eines Vertragsverhältnisses deutlich weniger Schwierigkeiten als beim Personalstatut.

416 MüKo/Martiny, Art. 19 Rom I, Rn. 9; ebenso Palandt/Thorn, Art. 19 Rom I, Rn. 5; Rauscher/Thorn, EuZPR/EuIPR, Art. 19 Rom I, Rn. 15; BeckOK/Spickhoff, Art. 19 Rom I, Rn. 5; zustimmend Staudinger/Magnus, Art. 19 Rom I-VO, Rn. 16. 417 So auch Kindler, IPR, S. 37. 418 MüKo/Martiny, Art. 19 Rom I, Rn. 11; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 19 Rom I, Rn. 15; ähnlich Magnus, IPRax 2010. 27, 35. 419 MüKo/Martiny, Art. 19 Rom I, Rn. 11; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari, Art. 19 Rom I, Rn. 15.

168

§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

VIII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom II-VO Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt spielt in der Rom II-VO eine eher untergeordnete Rolle.420 Nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO wird grundsätzlich an den Ort des Schadenseintritts angeknüpft, also den Ort, an dem der „Erfolg der unerlaubten Handlung“ eingetreten ist. 421 Nach Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO soll dann vorrangig als Sonderanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt von Schädiger und Geschädigtem angeknüpft werden, wenn dieser in demselben Staat liegt (lex domicilii communis).422 Beide Beteiligten nehmen dann ihr heimisches Deliktsrecht mit ins Ausland, was als „Käseglockentheorie“ bezeichnet wird.423 Art. 4 Abs. 3 S. 1 Rom II-VO lässt eine Anknüpfung an das Recht eines anderen Staates zu, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Staat aufweist. Als Regelbeispiel für einen solchen Fall nennt Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO ein zwischen den Parteien bereits bestehendes Rechtsverhältnis 424, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. Die restriktiv anzuwendende Norm zeigt damit deutlich, dass wiederum das Auffinden des sachnächsten Rechts für ein spezifisches schuldrechtliches Verhältnis zwischen den Parteien im Vordergrund steht. 1. Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Rom II-VO Mit Art. 23 Rom II-VO enthält die Verordnung ebenfalls eine Norm zum gewöhnlichen Aufenthalt. a) Gemeinsamkeiten mit Art. 19 Rom I-VO Art. 23 Rom II-VO zeigt nur kleine Abweichungen im Vergleich zu Art. 19 Rom I-VO. Diese ergeben sich aus dem unterschiedlichen Sachzusammenhang:425 Art. 23 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO stellt auf die Zweigniederlassung ab, aus deren Betrieb ein schadensbegründendes Ereignis her420

An verschiedenen Stellen in der Verordnung wird aber auf ihn zurückgegriffen: Art. 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 lit. a, 5 Abs. 1 S. 2, 10 Abs. 2, 11 Abs. 2, 12 Abs. 2 lit. b Rom IIVO. Von Bedeutung ist insbesondere Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO. 421 Kindler, IPR, S. 141; Dem Handlungsort kommt anders als im früheren deutschen Recht keine Bedeutung mehr zu. 422 Vgl. Rauscher, IPR, § 10 Rn. 1342; Kindler, IPR, S. 142 f. 423 Kindler, IPR, S. 142 f. 424 Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO nennt hier selbst den Vertrag als ein solches Rechtsverhältnis. 425 Palandt/Thorn, Art. 23 Rom II, Rn. 1.

VIII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom II-VO

169

rührt.426 Auch fehlt in Art. 23 Rom II-VO eine dem Art. 19 Abs. 3 Rom IVO korrespondierende Regelung des für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblichen Zeitpunkts. Der maßgebliche Zeitpunkt wird bereits in den Kollisionsnormen festgesetzt, da diese jeweils auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts abstellen. Im Übrigen zeigen Art. 19 Rom I-VO und Art. 23 Rom II-VO große Gemeinsamkeiten. b) Der gewöhnliche Aufenthalt von Nichtgewerbetreibenden Auch im Kontext der Rom II-VO ist eine verordnungsautonome Auslegung des gewöhnlichen Aufenthaltes von natürlichen, nichtgewerbetreibenden Personen nötig.427 Wie in der Rom I-VO muss eine Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen zum gewöhnlichen Aufenthalt, die bereits aus dem Kontext der Brüssel IIa-VO bekannt sind, erfolgen. 428 Dabei sind ebenfalls nicht die Anforderungen hinsichtlich der Kontinuität des Aufenthalts zu stellen, welche im Rahmen des Personalstatuts erforderlich wären.429 c) Analoge Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO Die spezifische Sichtweise des internationalen Deliktsrechts wird anhand der Streitfrage um die analoge Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 2 Rom IIVO unter Bejahung eines „gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts“ in Staaten mit vergleichbaren materiellen Regelungen deutlich. 430 Beispiel:431 Verletzt ein französischer Tourist einen belgischen Touristen während einer Safari in Kenia, so scheitert eine unmittelbare Anwendung des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO, womit kenianisches Recht Anwendung findet, obwohl das belgische und das französische Recht materiell im Wesentlichen übereinstimmen.432 Insbesondere Autoren anglo-amerikanischer Herkunft plädieren für eine analoge Anwendung, da der Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 2 Rom

426

Art. 19 Abs. 2 stellt demgegenüber auf die Zweigniederlassung ab, mit der der Vertrag geschlossen wurde oder die für die Erfüllung verantwortlich ist. 427 Vgl. auch Huber/Altenkirch, Art. 23 Rome II, Rn. 11. 428 Schulze/Dörner/Ebert/Dörner, Art. 23, Rn. 5; vgl. auch Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 23 Rom II, Rn. 7. 429 Vgl. MüKo/Junker, Art. 23 Rom II, Rn. 16 f.; vgl. insofern auch EuGH v. 25.10.2011, verbundene Rs. C-509/09, C-161/10, C-161/10, eDate Advertising GmbH u.a., NJW 2012, 137 ff., Rn. 49; dazu auch Weller, S. 293, 299, 304. 430 Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 68 m.w.N. 431 Nach Symeonides, 56 AmJCompL (2008), 173, 196 auch diskutiert bei Rauscher/ Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 68. 432 Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 68.

170

§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

II-VO zu schmal sei:433 Die Konstellationen seien funktional äquivalent434 und daher gleich zu behandeln. 435 Dafür spreche, dass auf diese Weise die Anwendung von Drittstaatenrecht in einem Kontext vermieden werden könne, in der die Rechtsmaterie stark europäischer Harmonisierung ausgesetzt ist.436 Auch habe der Drittstaat kein Interesse daran, im o.g. Beispielsfall sein eigenes Recht angewendet zu sehen, so dass hier ein false conflict vorliege und die belgische oder französische Rechtsordnung Anwendung finden solle.437 Gegen die analoge Anwendbarkeit sprechen aber vor allem zwei Argumente: Eine analoge Anwendung von Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO in einer solchen Konstellation zieht das Folgeproblem nach sich, dass stets festgestellt werden muss, welche der beiden (europäischen) Rechtsordnungen anstelle des Rechts des Erfolgsortes Anwendung finden soll: Telos des Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO ist gerade die Anwendung einer Rechtsordnung, zu der beide Parteien eine enge Verbindung haben.438 Eine Einschränkung müsse insofern gelten, als dass eine konkrete Vorbeziehung beider Parteien zu einer Rechtsordnung bestehe: Im Beispiel müsste die Organisation bzw. Durchführung in einer der Rechtsordnungen in einem der Länder erfolgt sein.439 In vielen Fällen dürfte eine solche aber nicht aufzufinden sein. Des Weiteren lassen sich die sehr am materiellen Ergebnis orientierten Wertungen des amerikanischen intranationalen Konfliktrechts in der von Symeonides geforderten Form auch nicht auf die europäischen Rechtsordnungen übertragen.440 Europa besteht gerade nicht aus Bundesstaaten – auch wenn man der Auffassung zugestehen muss, dass in der dargelegten Problemkonstellation im Ergebnis oftmals durchaus vergleichbare Ergebnisse in den unterschiedlichen Rechtsordnungen vorliegen werden. Zumindest aber scheitert eine Anwendung an den fehlenden Voraussetzungen für eine Analogie. So kann eine planwidrige Regelungslücke nicht angenom433

Stone, 4 Ank L Rev (2007), 95, 109; Symeonides, 56 AmJCompL (2008), 173, 196. Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 68 verwendet hier diese Formulierung. Symeonides, 56 AmJCompL (2008), 173, 196 verwendet die Formulierung „functionally analogous“. 435 Symeonides, 56 AmJCompL (2008), 173, 196. 436 Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 68 unter Bezugnahme auf Stone, 4 Ank L Rev (2007), 95, 109. Dieser führt als weiteres Beispiel einen Autounfall zwischen einem Engländer und einem Iren auf. 437 Symeonides, 56 AmJCompL (2008), 173, 196. 438 Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 69. 439 Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 69. 440 Symeonides, 56 AmJCompL (2008), 173, 196 führt den Louisiana Civil Code Art. 3544 Abs. 1 zur Begründung an: “Persons domiciled in states whose law on the particular issue is substantially identical shall be treated as if domiciled in the same state.” 434

VIII. Der gewöhnliche Aufenthalt in der Rom II-VO

171

men werden. 441 Art. 4 Abs. 3 S. 1 des Verordnungsentwurfes von 2005 sah nämlich die Berücksichtigung eines identischen sachlich-materiellen Regelungsgehaltes ausdrücklich vor.442 Diese Fassung wurde jedoch abgelehnt und die Formulierung gestrichen. Gegen diesen ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers darf durch eine analoge Anwendung des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO nicht verstoßen werden.443 2. Fazit zur Rom II-VO Der gewöhnliche Aufenthalt im Kontext der Rom II-VO ist stark an der Rom I-VO orientiert und weist Ähnlichkeiten zum Wohnsitz nach der Brüssel I-VO auf. Wie bei der Rom I-VO werden lediglich sehr spezifische Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt von Gewerbetreibenden gemacht. Die Rom II-VO muss hauptsächlich im wirtschaftlichen Kontext internationaler Schadensfälle gesehen werden. Dies bedingt in der Regel eine punktuelle Anknüpfung für einen konkreten, klar umgrenzten Zeitpunkt. Die Unterscheidung nach Gesellschaften bzw. juristischen Personen und natürlichen Personen, die im Wesentlichen schon aus der Brüssel I-VO bekannt ist, wird in der Rom I-VO und der Rom II-VO fortgeführt, wodurch starke Ähnlichkeiten zwischen der Ausgestaltung von Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt bestehen. 444 Mit der Formulierung von Art. 19 Rom I-VO und 23 Rom II-VO wird bzgl. Gesellschaften und juristischer Personen jedoch kein vollständiger Gleichlauf mit den Zuständigkeitsregeln der Brüssel I-VO erreicht: Art. 60 Abs. 1 lit. a–c Brüssel I-VO verankern den Wohnsitz von Gesellschaften und juristischen Personen wahlweise445 an dem Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes, dem Sitz der Hauptverwaltung oder ihrer Hauptniederlassung.446 Die Begriffe der Gesellschaft und der juristischen Person, die beide nicht in der Verordnung legaldefiniert sind, sollen weit ausgelegt werden, um 441

Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 69. Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 69. 443 v. Hein, ZEuP 2009, 6, 17; Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 69. 444 Die EU-Kommission wies in ihrem Verordnungsentwurf für die Rom II-VO (KOM 2003, 427 endg.) auf S. 30 ausdrücklich darauf hin, dass die Brüssel I-VO bzgl. der Niederlassung von juristischen Personen als Vorbild diente; dazu auch Bitter, IPRax 2008, 96, 100. 445 Ein Wahlrecht kann dabei nur infrage kommen, wenn die Alternativen in verschiedene Staaten verweisen würden. Thomas/Putzo/Hüßtege, Art. 60 EuGVVO, Rn. 1; Piltz, NJW 2002, 789, 792. 446 Völlig zu Recht weist Staudinger in Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 60 Brüssel I, Rn. 3 auf die übereinstimmende Formulierung in Art. 54 Abs. 1 AEUV hin, an der sich wegen des Grundsatzes der primärrechtskonformen Auslegung auch die Brüssel I-VO als Sekundärrecht orientieren muss. 442

172

§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

auch Personenmehrheiten oder Vermögensmassen, die parteifähig447 sind, einen Wohnsitz zuweisen zu können. 448 Ein Stufenverhältnis zwischen Art. 60 Abs. 1 lit. a, b und c kann schon aufgrund des insofern eindeutigen Wortlauts nicht angenommen werden.449 Art. 60 Abs. 2 Brüssel I-VO macht schließlich für das Vereinigte Königreich und Irland nähere Angaben zum Begriff des „satzungsmäßigen Sitzes“, welcher in beiden Ländern aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltungen nicht zwingend existieren muss.450 Das insofern weite Verständnis des Wohnsitzes von Gesellschaften und juristischen Personen verstärkt damit bewusst deren Gerichtspflichtigkeit. 451

IX. Zusammenfassung und Gesamtbewertung Der gewöhnliche Aufenthalt spielt im Europäischen Verordnungsrecht sowohl im Verfahrensrecht als auch im Kollisionsrecht eine maßgebliche Rolle. Während die Brüssel I-VO auch in ihrer revidierten Version noch am Wohnsitz zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit festhält, spielen die Anknüpfungspunkte der Staatsangehörigkeit und des Wohnsitzes in den übrigen Verordnungen nur noch eine untergeordnete Rolle. Ausgehend von seinen Wurzeln in den Haager Übereinkommen verfügt der gewöhnliche Aufenthalt auch auf EU-Ebene zunächst über eine einheitliche Grundstruktur. Der gewöhnliche Aufenthalt wird am Daseinsmittelpunkt einer Person verortet. Die Ermittlung dieses Schwerpunkts erfolgt anhand objektiver und subjektiver Indizien, wobei jeweils eine zumindest ansatzweise objektive Manifestierung der betreffenden Indizien erforderlich ist. Dem subjektiven Element der Bleibeprognose kommt insbesondere dann Gewicht zu, wenn die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts infrage steht. Dabei bildet sich eine funktionale Differenzierung zwischen den Regelungsbereichen heraus. Der gewöhnliche Aufenthalt im Rahmen der Rom I-VO und Rom II-VO orientiert sich stark an den Vorgaben der Brüssel IVO zum Wohnsitz. Nur sehr eingeschränkt kommt es in der Rom I-VO auf 447 Die Parteifähigkeit ist in der Verordnung jedoch gerade nicht geregelt und richtet sich demnach nach mitgliedstaatlichem Recht, Schlosser, Art. 60, Rn. 3. 448 Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 60 Brüssel I, Rn. 3; so auch MüKo/ZPO, Gottwald, Art. 60, Rn. 2. 449 Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 60 Brüssel I, Rn. 3. 450 Schlosser, Art. 60, Rn. 4; Rauscher/Staudinger, EuZPR/EuIPR, Art. 60 Brüssel I, Rn. 8. 451 Schack, Rn. 280.

IX. Zusammenfassung und Gesamtbewertung

173

den gewöhnlichen Aufenthalt ohne die Modifizierung von Art. 19 Rom IVO an, nämlich wenn ein Privater die charakteristische vertragliche Leistung erbringt, was gerade im grenzüberschreitenden Warenverkehr eher die Ausnahme darstellen wird. Geprägt wird das Verständnis hier von einer wirtschaftlich orientierten Betrachtungsweise. Ein gewöhnlicher Aufenthalt muss im Bezug zu den vertraglichen Pflichten und dem Geschäftsverkehr der betreffenden Person pragmatisch aufgefasst werden. Ähnliches muss im Kontext der Rom II-VO gelten: Auch hier wird eine kontextorientierte Schwerpunktbetrachtung hinsichtlich des Zeitpunktes des Schadensereignisses vorzunehmen sein. Die Brüssel IIa-VO enthält zwei bedeutende Regelungsbereiche im Rahmen der internationalen Zuständigkeit: Scheidungsverfahren und Sorgerechtsverfahren. Hierbei stehen zwei kontextual sehr unterschiedliche Regelungsbereiche unter Verwendung des Anknüpfungspunktes des gewöhnlichen Aufenthaltes nebeneinander. Im Scheidungsverfahren besteht in der Regel für die Ehegatten zumindest grundlegend ein gemeinsamer Daseinsmittelpunkt in dem Staat, in dem die Ehe geführt und gemeinsam gelebt wurde. Auch wenn die beiden Eheleute stärkere soziale und familiäre Bindungen außerhalb dieses Staates haben, so besteht durch das „Eheband“ dennoch eine Verbindung der beiden zueinander und zu dem Aufenthaltsstaat. Besteht ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt nicht, so muss der gewöhnliche Aufenthalt im konkreten Kontext eine immerhin so starke Verbindung zu einer Rechtsordnung aufweisen, dass der Manipulation von Gerichtsständen Einhalt geboten werden kann. An dieses Begriffsverständnis muss sich auch der gewöhnliche Aufenthalt im Rahmen der Rom III-VO anlehnen. Zwar soll er hier keine Gerichtsstände „liefern“, sondern klassischerweise die engste Verbindung zwischen Person und Rechtsordnung herstellen. Dennoch muss dem Gleichlauf zwischen forum und ius hinreichend Berücksichtigung eingeräumt werden. Der EuGH geht davon aus, dass ein (Klein-)Kind bezüglich der Etablierung eines gewöhnlichen Aufenthaltes flexibler als ein Erwachsener ist. Dies bedingt schon das kindliche Zeitverständnis, das noch anderen Relationen unterliegt. Drei Monate haben für einen Dreijährigen einen anderen Stellenwert als für einen Dreißigjährigen. Je jünger das Kind ist, desto eher hängt es bzgl. seines familiären und sozialen Umfelds von der es betreuenden Person ab. Insgesamt spricht sich der EuGH also für einen pragmatischen Aufenthaltsbegriff zum Schutze des Kindeswohles aus. Je nach Alter kann das Kind folglich auf objektivem Weg schneller einen gewöhnlichen Aufenthalt erwerben, was die Tatsache substituiert, dass der Kindeswille zum sofortigen Erwerb des gewöhnlichen Aufenthalts nicht berücksichtigt werden kann, sondern nur der Wille und das Aufenthaltsbestimmungsrecht

174

§ 3 Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR und IZVR

der Eltern einfließen können. Die Unterhaltsverordnung erfasst sowohl Kinder als auch Erwachsene. Für beide Gruppen kann auf die etablierten Grundsätze zurückgegriffen werden, wobei jeweils die Schutzinteressen des Unterhaltsberechtigten dazu führen müssen, dass in jedem Fall ein gewöhnlicher Aufenthalt gefunden wird. Die Wandelbarkeit des gewöhnlichen Aufenthalts als grundsätzliche Entscheidung der Unterhaltsverordnung führt aber dazu, dass sich sowohl Gläubiger als auch Schuldner ggfs. auf einen Wechsel der anwendbaren Rechtsordnung einstellen müssen. Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass ein vollständig einheitliches Verständnis des gewöhnlichen Aufenthaltes im internationalen Familienund Familienverfahrensrecht zwar nicht besteht. Es werden jedoch im Kern dieselben Grundsätze anzuwenden sein.451 Unterschiede im Ergebnis resultieren zum einen aus den unterschiedlichen Anforderungen an den Schutzzweck der jeweiligen Norm, zum anderen aus den individuellen Einzelfallbesonderheiten. Durch das Zusammenspiel von Verordnungen zum Verfahrens- und Kollisionsrecht werden elementare Unterschiede bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts in einem konkreten Fall in der Regel ausbleiben. Diesbezüglich wird vor Gericht stets das Interesse am Gleichlauf zwischen forum und ius überwiegen. Neben die dargestellten Regelungsbereiche tritt nun das internationale Erb- und Erbverfahrensrecht der EuErbVO, das nach der rechtsvergleichenden Gegenüberstellung von gewöhnlichem Aufenthalt und domicile dargestellt werden soll.

451

So auch Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 27.

§ 4 Gegenüberstellung Die Gegenüberstellung von domicile und dem EU-rechtlich geprägten gewöhnlichen Aufenthalt zeigt zahlreiche Gemeinsamkeiten, aber auch deutliche Unterschiede, die sich sowohl aus der Entstehungsgeschichte als auch aus dem Anwendungskontext erklären lassen. Die Entwicklung des domicile fand hauptsächlich in einem Zeitalter statt, in dem britische Bürger auf allen Kontinenten der Welt zum Teil für viele Jahre lebten. Zugrundeliegender Gedanke der Anknüpfung an das domicile war, dass der Bürger für seinen Ruhestand stets in seine Heimat zurückkehren wolle und ein entsprechendes Zugehörigkeitsgefühl in sich trage. Nur wenn feststand, dass der Bürger sich von seiner Heimat abwendete, um dauerhaft auszuwandern und bis zu seinem Lebensende in einem anderen Land zu bleiben, war der Statutenwechsel möglich. Der gewöhnliche Aufenthalt hingegen wurde maßgeblich in den Nachkriegszeiten des Ersten und Zweiten Weltkrieges geprägt. In diesen Zeiten musste anstelle von Zugehörigkeitsgefühl vor allem Pragmatik ausschlaggebend sein und der Daseinsmittelpunkt eines Menschen losgelöst von Idealbildern wie der kulturellen Identität gefunden werden. Hinzu kam, dass der gewöhnliche Aufenthalt gerade bei Kindern als Gegenentwurf zu Staatsangehörigkeit und Wohnsitz dienen musste, um deren Lebenswirklichkeit entsprechen zu können.

I. Erwachsene 1. Aufenthaltselement Domicile of choice und gewöhnlicher Aufenthalt enthalten jeweils ein Aufenthaltselement. Die an dieses Element gestellten Anforderungen sind ähnlich, aber nicht identisch.

§ 4 Gegenüberstellung

176

a) Grundsätze des Aufenthaltselements (domicile of choice) Das domicile of choice stellt eine Beziehung zwischen einer konkreten Rechtsordnung und einer Person her.1 Es kommt nicht auf einen konkreten Wohnsitz oder eine Wohnung an, sondern auf den Aufenthalt in der Rechtsordnung. Allerdings setzt das englische Recht für die Begründung eines domicile of choice mehr als die bloße Anwesenheit in einer Rechtsordnung voraus: Vielmehr soll eine „Anwesenheit als Bewohner“ vorliegen (presence as inhabitant).2 Mit diesem Kriterium soll eine Abgrenzung bei Kurzzeitaufenthalten, Aufenthalten als Tourist, Reisender o.ä. erleichtert und so gleichzeitig verhindert werden, dass ein domicile of choice in Fällen begründet werden kann, in denen die Anwesenheit schon objektiv nicht auf Dauer angelegt ist. Damit wird das domicile of choice bereits auf objektiver Ebene in gewissem Umfang subjektiv aufgeladen, wenngleich ein animus manendi hier nicht erforderlich ist.3 Ein Mindestaufenthalt, um eine residence annehmen zu können, wird aber gerade nicht gefordert.4 Andere Commonwealth-Rechtsordnungen, insbesondere die von Australien und Neuseeland, haben durch ihre Domicile Acts den Begriff der residence durch die physical presence ersetzt. Dieses Vorgehen forderten auch die Law Commissions in ihrem Bericht von 1987 ein. Sie wiesen darauf hin, dass man mit der residence zwar hohe Ansprüche vorgebe, andererseits aber bei der Prüfung auf objektiver Ebene großzügig sei und auch kürzeste Aufenthalte genügen lasse. Um dies klarer zum Ausdruck zu bringen, sei der Begriff der physical presence angemessener.5 Kurzfristige Unterbrechungen des Aufenthalts führen nicht zu einer Aufhebung des domicile of choice, was in der Regel jedoch eher auf subjektiver als auf objektiver Tatbestandsebene relevant werden wird. Im USamerikanischen Recht wird diskutiert, ob eine körperliche Anwesenheit zur Begründung eines domicil of choice notwendig ist, wenn bereits das soziale Umfeld am geplanten neuen Daseinsmittelpunkts existiert und keine Verbindungen zum alten Wohnort mehr bestehen, sich die Person aber noch in itinere in einem Drittstaat befindet.6 Für die Begründung eines domicile of choice in den britischen Rechtsordnungen kommt es nicht auf eine Aufenthaltsgenehmigung an. Restriktiver erscheint die Rechtslage insbesondere in Australien.7 1

Vgl. Vgl. 3 Vgl. 4 Vgl. 5 Vgl. 6 Vgl. 7 Vgl. 2

S. S. S. S. S. S. S.

25 f. 51. 52 f. 52. 58 f. 52 f. 56 ff.

I. Erwachsene

177

b) Gewöhnlicher Aufenthalt Der gewöhnliche Aufenthalt setzt eine gewisse körperliche Anwesenheit voraus.8 Auch der gewöhnliche Aufenthalt als Anknüpfungspunkt im europäischen internationalen Privatrecht setzt nicht die Existenz einer Wohnung oder Unterkunft voraus, sondern stellt eine Verbindung zu einer Rechtsordnung her. 9 Eine vorübergehende Abwesenheit unterbricht den gewöhnlichen Aufenthalt nicht. Ein Mindestaufenthalt, um einen gewöhnlichen Aufenthalt bejahen zu können, wird vom EuGH nicht angenommen, so dass bei Vorliegen des entsprechenden Willens ebenfalls kurz nach bzw. mit der Ankunft im Zuzugsstaat ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden kann. 10 Je länger die Anwesenheit aber dauert, desto wahrscheinlicher wird der Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts auch objektiv. Die von der deutschen Rechtsprechung für Kinder verwendete Faustformel, der zufolge nach sechsmonatigem Aufenthalt regelmäßig auf objektiver Ebene ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt angenommen wird, überzeugt durchaus, konnte sich angepasst auf Erwachsene allerdings nicht durchsetzen.11 Ein unrechtmäßiger Aufenthalt wird den Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts verzögern, im Ergebnis aber nicht verhindern.12 c) Bewertung Hinsichtlich des Aufenthaltselements ergeben sich große Übereinstimmungen. Während die britischen Rechtsordnungen noch an dem Element der residence festhalten, so ergeben sich jedenfalls in der Praxis keine wesentlichen Unterschiede zur physical presence, die in zahlreichen Domicile Acts verankert wurde, oder zur körperlichen Anwesenheit im Kontext des gewöhnlichen Aufenthalts. Kurzfristige Unterbrechungen schaden weder dem domicile of choice noch dem gewöhnlichen Aufenthalt. Bei Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen kann auch ein sehr kurzer Aufenthalt ein domicile oder einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Der gewöhnliche Aufenthalt hat sich insofern von einem sehr objektiven Standard zu einem „Wohnsitz light“ entwickelt, um bereits mit der Ankunft im Zuzugsstaat einen Statutenwechsel annehmen zu können.

8

Vgl. S. 123 f., 133 ff. Vgl. S. 123 f. 10 Vgl. S. 133 ff. 11 Vgl. S. 137 f. 12 Vgl. S. 123 f. 9

§ 4 Gegenüberstellung

178

2. Subjektiver Tatbestand, Wille und Daseinsmittelpunkt Während das domicile of choice eine räumlich-persönliche Verbindung zwischen Rechtsordnung und Rechtsobjekt anhand der subjektiven Komponente eines „Zugehörigkeitsgefühls“ untersucht, überprüft der gewöhnliche Aufenthalt objektive und subjektive Indizien der Integration in der Aufenthaltsrechtsordnung als Daseinsmittelpunkt der Person. Bei beiden Konzepten wird das subjektive Element relevant, wenn die Begründung eines domicile bzw. gewöhnlichen Aufenthalts beurteilt werden muss. a) Domicile Das Konzept des domicile of choice setzt nach englischem Verständnis den rechtsgeschäftlichen bedingungslosen Willen zum „ultimate home“, also den Willen zum Verbleiben auf unbestimmte Zeit voraus.13 Hält sich die Person ohne diesen Willen (auch über längere Zeiträume) in einer Rechtsordnung auf, so findet das Recht des domicile of origin Anwendung.14 Dieses führt oftmals zu wenig sachgerechten Ergebnissen, da Konstellationen denkbar sind, in denen die Person zu keinem Zeitpunkt eine persönliche Verbindung zum Recht ihres „Vaterlandes“ hatte. Die US-amerikanischen Rechtsordnungen legen im Vergleich einen weniger strengen Maßstab an. Sie fordern zwar ebenfalls den Willen, auf unbestimmte Zeit in der Rechtsordnung zu bleiben,15 verwenden jedoch ebenso wie zahlreiche andere Commonwealth-Rechtsordnungen die continuance rule an Stelle der revival-Doktrin und wenden das Recht des letzten feststellbaren domicile (of choice) an, bis der Erwerb des domicile of choice in der Aufenthaltsrechtsordnung dargelegt werden kann.16 b) Gewöhnlicher Aufenthalt Der gemeinsame Aufenthalt der Haager Übereinkommen und der europäischen Verordnungen stellt mit der Annäherungsformel des Daseinsmittelpunktes bzw. Lebensmittelpunktes darauf ab, wo die Person sozial und familiär integriert ist.17 Mit dieser Formel verfügt der Anknüpfungspunkt auch über die nötige Flexibilität, in verschiedenen Kontexten unterschiedlich zu gewichten und einzelfallgerechte Ergebnisse zu erzielen. Der gewöhnliche Aufenthalt bei einem Umzug kann im Aufenthaltsstaat auf zwei Wegen etabliert werden: Hat die Person den Willen, ihrem Aufenthalt in der Rechtsordnung Beständigkeit zu verleihen und diese zum 13

Vgl. Vgl. 15 Vgl. 16 Vgl. 17 Vgl. 14

S. S. S. S. S.

61 f. 31 ff. 66 f. 31 f. 112 ff.

I. Erwachsene

179

ständigen Lebensmittelpunkt zu machen, so ist anhand einer Prognose künftiger sozialer und familiärer Integration über die Erfolgsaussichten zu entscheiden. In diesem Fall soll der Wille zum gewöhnlichen Aufenthalt ausreichen, wenn er in einem Mindestmaß objektiv manifestiert (zum Beispiel Anmietung einer Wohnung, familiäre Kontakte) ist. Andernfalls kann die Person einen tatsächlichen Daseinsmittelpunkt erwerben, wenn ein solcher objektiv feststellbar ist, wofür aber eine gewisse Zeitspanne notwendig sein wird. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt das Recht des momentanen gewöhnlichen Aufenthaltes anwendbar.18 Durch die Übernahme des subjektiven Ansatzes wurde der gewöhnliche Aufenthalt „anpassungsfähiger“, entfernte sich aber gleichzeitig zunehmend von seiner ursprünglichen Konzeption und wurde mit verschiedenen Wohnsitzproblemen aufgeladen – ein Schritt hin zu Rechtsunsicherheiten und Abwägungsentscheidungen. 19 c) Bewertung Der gewöhnliche Aufenthalt ist aufgrund seines Doppelweges deutlich flexibler. Ebenso wie das domicile of choice ermöglicht er einen schnellen Statutenwechsel bei entsprechendem „Begründungswillen“.20 Gleichzeitig verhindert aber ein entgegenstehender Wille gerade nicht wie beim domicile of choice den Statutenwechsel. Der gewöhnliche Aufenthalt passt sich mit zunehmender Anwesenheitsdauer der tatsächlichen Lebenswirklichkeit der Person an, auch wenn diese sich weder Gedanken noch konkrete Vorstellungen zum auf sie anwendbaren Recht macht. Das domicile of choice räumt der Parteiautonomie größeres Gewicht ein, da es der Person ermöglicht, das auf sie anwendbare Recht anhand des Willens zu „steuern“.21 Durch seine hohen subjektiven Anforderungen führt das domicile of choice (nach englischem Verständnis) aber dazu, dass selbst Personen, die lange Zeit in der Rechtsordnung leben, zum Teil keinen Statutenwechsel erfahren (können).22 3. Darlegung des Vorliegens eines domicile/gewöhnlichen Aufenthalts a) Domicile Große praktische Schwierigkeiten bereitet der Nachweis des Bleibewillens für das domicile. Die uneinheitliche britische Rechtsprechung stellt hier 18

Vgl. S. 133 ff. Vgl. Schurig, FS Spellenberg, S. 343, 346; Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 44. 20 Vgl. S. 134 f. 21 Vgl. auch Kohler, Internationales Familienrecht für das 21. Jahrhundert, S. 9, 13. 22 Vgl. S. 62 ff. 19

180

§ 4 Gegenüberstellung

bisweilen sehr hohe Anforderungen an den Träger der Darlegungslast, insbesondere wenn dargelegt werden soll, dass ein neues domicile of choice begründet wurde. Der Wille zum domicile ist schwierig nachzuweisen, da er positiv nur selten vorliegen wird und die Rechtsprechung bezüglich eigener Aussagen des domicile-Inhabers äußerst kritisch ist – auch, um Missbrauch zu verhindern.23 Der Wille wird anhand einer Gesamtbetrachtung der Lebensumstände der Person untersucht, in die auch die soziale Integration und die tatsächlichen Bindungen mit einfließen und jeweils als Beleg für den Bleibewillen dienen. Liegt er nicht vor, so wird auf die Vermutungsregeln zurückgegriffen, da die Pflicht zum Bestehen eines domicile of choice in allen common law-Rechtsordnungen gilt. b) Gewöhnlicher Aufenthalt Diese großen Probleme kann der gewöhnliche Aufenthalt weitgehend vermeiden. Die Gesamtbeurteilung der Lebensumstände erfordert wie beim domicile oftmals eine umfassende Beleuchtung der Vita des Betroffenen, um die relativ engste Verbindung zwischen Person und Rechtsordnung aufzufinden.24 Das Abstellen auf die objektiv vorliegenden und manifestierten Indizien erleichtert jedoch die Arbeit des Rechtsanwenders erheblich. Beim gewöhnlichen Aufenthalt dient ein vorhandener Bleibewille als Indiz für eine (künftige) Integration und ist gerade nicht Grundvoraussetzung. Das subjektive Element kann zwar begründende Indizkraft haben, das Nichtvorliegen schließt aber den Erwerb und den Nachweis des gewöhnlichen Aufenthalts nicht aus. c) Bewertung Beiden Konzepten liegt eine Einzelfallbeurteilung der Lebensumstände zugrunde. Der gewöhnliche Aufenthalt kann aber vermeiden, zwingend einen Bleibewillen nachweisen zu müssen, und stellt damit den praktischeren und „realistischeren“ Ansatz dar.

II. Kinder 1. Domicile Sehr unterschiedlich stellt sich die rechtliche Beurteilung des domicile von Kindern in den verschiedenen common law-Rechtsordnungen dar.25 23

Vgl. S. 80 f. Vgl. S. 128 ff. 25 Vgl. S. 40 ff. 24

II. Kinder

181

Das englische Recht ist geprägt von komplizierten Differenzierungen: Da Minderjährige nicht den für die Begründung eines domicile of choice erforderlichen Willen bilden können, bestimmt sich ihr domicile of dependency in Abhängigkeit vom domicile des Erziehungsberechtigten. Die relevante Bezugsperson ist bei intakten Ehen der Vater. Im Übrigen kann es je nach Fallkonstellation auf die Mutter ankommen.26 Moderner sind diesbezüglich Südafrika, Schottland und Hong Kong, welche die Kritikpunkte am überkommenen domicile of dependency aufgriffen und dem Kind ein domicile in der Rechtsordnung zuweisen, zu der es die engste Beziehung hatte (closest connection). Diese Rechtordnungen verfolgen damit auch einen moderneren Ansatz als das deutsche Recht bzgl. des Wohnsitzes von Minderjährigen – § 11 BGB stellt nämlich ebenfalls auf die Eltern als Bezugspersonen ab. 2. Gewöhnlicher Aufenthalt Die Rechtsprechung des EuGH folgt den wesentlichen zu den Haager Kinderschutzübereinkommen entwickelten Grundsätzen und untersucht die familiären und sozialen Bindungen des Kindes. Je jünger ein Kind ist, desto mehr wird sein soziales Umfeld von den Erziehungsberechtigten beeinflusst werden und eine entsprechende Orientierung an deren gewöhnlichem Aufenthalt notwendig sein. Je älter es ist, desto mehr wird es auf seine eigenständigen Bindungen und seine tatsächliche soziale Integration am Aufenthaltsort ankommen. 3. Bewertung Der Anknüpfungspunkt für Kinder wird auf sehr unterschiedlichen Wegen konstruktiv gelöst. In einer intakten Familie wird der gewöhnliche Aufenthalt mit dem domicile of dependency übereinstimmen und am Ort des Familienwohnsitzes sein. Im Übrigen ist der gewöhnliche Aufenthalt aber wesentlich flexibler und praxisgerechter. Seine Grundsätze werden auf pragmatische Weise dem Kindeswohl gerecht. Schottland und Südafrika haben auf die anhaltende Kritik, welche von den Law Commissions erneut vorgetragen wurde, reagiert, und mit dem Abstellen auf die engste Verbindung einen deutlichen Schritt in Richtung gewöhnlicher Kindesaufenthalt getan. Das domicile of dependency nach englischer Lesart wird den Anforderungen an einen modernen Anknüpfungspunkt für Kindschaftssachen hingegen kaum gerecht.

26

Vgl. S. 36 ff.

§ 4 Gegenüberstellung

182

III. Geschäftsunfähige 1. Domicile Der für das domicile of choice erforderliche Wille fehlt auch Geschäftsunfähigen, insbesondere Menschen mit geistiger Behinderung. Eine absolute Regel zur Behandlung dieser Fälle lässt sich im common law nicht finden. Überwiegend wird an das letzte domicile vor Eintritt der Geschäftsunfähigkeit bzw. an das domicile of dependency angeknüpft.27 Das domicile of dependency eines geistig behinderten Kindes nach Erreichen der Altersgrenze bleibt dauerhaft an das der Eltern gebunden.28 2. Gewöhnlicher Aufenthalt Der gewöhnliche Aufenthalt von Geschäftsunfähigen scheint insofern weniger problematisch feststellbar zu sein, da man anhand der objektiven Kriterien in der Regel einen Daseinsmittelpunkt finden kann. Dabei wird es sehr auf den Einzelfall und die Fähigkeit des Geschäftsunfähigen ankommen, seine Umwelt wahrzunehmen. Tatsächliche Abhängigkeitsverhältnisse von der Bezugsperson können dazu führen, dass entsprechend der Situation von Kleinstkindern anzunehmen sein wird, dass ein gemeinsamer Umzug von Betreuer und Betreutem zu einer Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts führen können. Der gewöhnliche Aufenthalt des Geschäftsunfähigen ist aber gleichwohl nicht von der Zustimmung des Betreuers abhängig und kann gegebenenfalls gegen dessen Willen entstehen. 29 3. Bewertung Die Anknüpfung bezüglich Geschäftsunfähiger ist sowohl beim domicile als auch beim gewöhnlichen Aufenthalt mitunter rechtlich problematisch. Ein starrer Anknüpfungspunkt wie die Staatsangehörigkeit kann hier alle tatsächlichen Beurteilungsprobleme vermeiden, da gerade nicht die Wahrnehmungs- und Einsichtsfähigkeit der Person überprüft werden müssen. Wie der Satzungssitz bei Gesellschaften ist die Staatsangehörigkeit ein fiktiver Anknüpfungspunkt, der unabhängig von den tatsächlichen (Lebens-)Umständen bestimmt werden kann. Demgegenüber stellt die Anknüpfung an das domicile und den gewöhnlicher Aufenthalt (wie die an den Verwaltungssitz einer Gesellschaft) prinzipiell auf die Lebenswirklichkeit der Person ab. 27

Vgl. S. 43; Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 68 ff. Vgl. Law Com No. 168, S. 30. 29 Vgl. S. 125 f. Je nach Rechtsordnung tritt an die Stelle des Betreuers der Vormund. 28

IV. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt

183

Das domicile of dependency verhindert in Fällen der Geschäftsunfähigkeit jedoch grundsätzlich einen Statutenwechsel und hält an der bestehenden Anknüpfung fest. Die starre Festlegung des domicile kann so an der tatsächlichen Lebensrealität von geistig Behinderten und Geschäftsunfähigen vorbeigehen, da eine tatsächliche Aufenthaltsverlagerung keine Berücksichtigung findet.30 Vergleicht man den gewöhnlichen Aufenthalt mit dem domicile of dependency in Hinsicht auf Geschäftsunfähige, so scheint ersterer besser geeignet, praxisgerechte Ergebnisse herbeizuführen. Umso bedauerlicher ist es, dass sich die Law Commissions mit ihrem an das domicile von Kindern angelehnten Vorschlag, auch bei Geschäftsunfähigen auf das Recht der engsten Verbindung abzustellen, nicht durchsetzen konnten. Die Reformen in Südafrika und Hong Kong haben sich diesem Ergebnis angenähert und suchen nach der engsten Verbindung, was dem Ansatz des gewöhnlichen Aufenthalts zu entsprechen scheint.

IV. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt stellen, wie dies die Definitionsansätze der deutschen Rechtsprechung zeigen, jeweils auf den Daseinsmittelpunkt der Person ab.31 Dies ist aber durchaus mit dem Ansatz des domicile als „permanent home“ vergleichbar. (Deutscher) Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt unterscheiden sich in drei wesentlichen Merkmalen:32 1. Wie § 7 Abs. 1 („niederlassen“) und § 8 Abs. 1 BGB („ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters“) zeigen, ist das Vorliegen der Willenskomponente für die Begründung und Aufgabe des Wohnsitzes zwingend notwendig. Eine Ausnahme bildet insofern nur § 9 BGB. Dementsprechend kommt es für den Wohnsitz prinzipiell auf die Geschäftsfähigkeit an. Zwar kann es bei der Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts auch auf den Bleibewillen ankommen, insbesondere wenn nur eine sehr kurze Aufenthaltsdauer vorweisbar ist. Der Bleibewille ist jedoch keine zwingende Voraussetzung. Geschäftsfähigkeit wird ebenso nicht vorausgesetzt. 2. Der gewöhnliche Aufenthalt verzichtet auf die (zwingende) Ableitung des Anknüpfungspunktes des Kindes von den Eltern, wenngleich diese eine wichtige Rolle auch für den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes einnehmen. 30

Vgl. Law Com No. 168, S. 30. Rauscher, IPR, § 3 Rn. 282. 32 Rauscher, IPR, § 3 Rn. 282. 31

§ 4 Gegenüberstellung

184

3. Ein mehrfacher Wohnsitz (§ 7 Abs. 2 BGB) ist möglich, ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt ist dagegen nur in sehr beschränktem Maße denkbar.33 Das domicile nach englischem Verständnis ist von der Grundstruktur dem deutschen Wohnsitz ähnlich, aber noch deutlich strenger, da die Vermutung zugunsten eines bestehenden domicile, die strengeren subjektiven Anforderungen und die revival-Doktrin dafür sorgen, dass ein domicile-Wechsel schwer möglich ist. Nahe kommen sich amerikanisches domicile und deutscher Wohnsitz. Ein wesentlicher Unterschied wird hier ebenfalls der mehrfache Wohnsitz des deutschen Rechts sein.

V. Gesamtfazit 1. Bezüglich der Anknüpfung von Kindern und Geschäftsunfähigen vermag das englische domicile nicht zu überzeugen. Das domicile ist hier veraltet und erfüllt die Anforderungen an einen modernen Anknüpfungspunkt nicht mehr, was nicht zuletzt an den Reformen in anderen domicileRechtsordnungen deutlich wird. Wie der deutsche Wohnsitz steht das englische domicile of dependency weiterhin in der Tradition des römischen Rechts. Dem gewöhnlichen Aufenthalt gelingt eine wesentlich flexiblere und praxistauglichere Beurteilung der Lebenswirklichkeit. 2. Bezüglich der Anknüpfung von Erwachsenen verfolgt das domicile of choice einen anderen Ansatz als der gewöhnliche Aufenthalt. Das Kontinuitätsinteresse der Person wird vom domicile grundsätzlich stärker geschützt als vom gewöhnlichen Aufenthalt. Der Statutenwechsel hängt maßgeblich von dem Willen der Person ab, die Aufenthaltsrechtsordnung dauerhaft nicht mehr zu verlassen. Der gewöhnliche Aufenthalt ist insbesondere im internationalen Zuständigkeits- und im Familienrecht einem großen „Anpassungsdruck“ ausgesetzt. Gleichzeitig verfügt er aber über den flexibleren Ansatz, komplexe Problemfälle mit größerer Einzelfallgerechtigkeit zu bewältigen. 3. Dem mobilen Zeitalter begegnet der gewöhnliche Aufenthalt integrationsfreundlicher, weil er auf die tatsächlichen Gegebenheiten schneller reagiert und eine tatsächliche Integration als ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des Rechts des Aufenthaltsstaates ansieht. Denn der Wille, die Aufenthaltsordnung nicht als „neue Heimat“ zu akzeptieren, verhindert gerade nicht den Erwerb eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts. Zwar werden ein neues domicile of choice und ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt ähnlich schnell begründet, wenn die Person bedingungslos und dauerhaft in der Aufenthaltsrechtsordnung verbleiben will. Liegt dieser 33

Vgl. S. 129 ff.

V. Gesamtfazit

185

Wille jedoch nicht eindeutig vor, so gelingt nur dem gewöhnlichen Aufenthalt eine sachgerechte Anpassung. Damit lässt der gewöhnliche Aufenthalt auch zu, dass ein Bürger mehrere Identitäten bspw. als Deutscher und Londoner in sich vereinen, aber auch um eine Identität als Südfranzose oder Madrilene erweitern kann. Das Konzept des domicile (insbesondere durch das domicile of origin als Ersatz für die Staatsangehörigkeit) mag zwar ebenso eine nationale Vorprägung vorgeben und durch ein domicile of choice erweitern, unterscheidet aber stets zwischen dem Einwohner und dem „zeitweiligen Gast“, dem der Bleibewille fehlt, auch wenn er zwischenzeitlich vielleicht längst Teil der örtlichen Gesellschaft werden konnte. 4. Auf diese Entwicklungen reagierten einige domicile-Rechtsordnungen mit der Absenkung subjektiver Anforderungen und der Abschaffung der revival-Doktrin. Damit fand eine Annäherung an das Konzept des gewöhnlichen Aufenthalts statt. Auch der gewöhnliche Aufenthalt entwickelte sich weiter: Wenngleich er einstmals als rein objektiv zu bestimmender Anknüpfungspunkt aufgefasst wurde, so sind inzwischen „Anleihen“ der subjektiven Tatbestandsseite von Wohnsitz und domicile unverkennbare Bestandteile des Konzepts geworden.

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO Die EuErbVO wird insbesondere für Deutschland eine erhebliche Relevanz haben. Dies belegt nicht nur die Tatsache, dass deutsche Staatsangehörige 1 weiterhin in die verschiedensten Staaten auswandern werden, sondern auch, dass sich die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von über 65 Jahren in den nächsten 20 Jahren nach Schätzungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auf die Zahl von 2,8 Millionen verdoppeln wird.2 Neben den „Outbound“-Sachverhalten werden also auch die „Inbound“-Sachverhalte immer wichtiger für die deutsche Praxis.3 Die erste Generation von Gastarbeitern, die nun schon seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, gerät zunehmend in den „Einzugsbereich“ der Erbrechtsverordnung. Dies gibt Anlass dazu, den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungspunkt der Erbrechtsverordnung aus mehreren Perspektiven genau zu untersuchen. Zunächst sollen die wesentlichen Schritte in der Entwicklung der Verordnung dargestellt werden. Insbesondere sollen dabei die Reaktionen auf das Grünbuch und der Verordnungsentwurf von 2009 dargestellt werden. Dieses Hintergrundwissen soll für die wesentlichen Probleme im Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Aufenthalt in der EuErbVO sensibilisieren und aufzeigen, dass dieses Thema bei den Arbeiten an der Verordnung von Anfang an im Fokus stand. Im Anschluss daran soll kurz das neue System der internationalen Zuständigkeit und der objektiven Anknüpfung der EuErbVO dargestellt werden, bis schließlich der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes im konkreten Kontext erschlossen werden kann.

1 Zugunsten der einfacheren Lesbarkeit wird im Folgenden sowohl für die männliche, als auch für die weibliche Form die männliche Form verwendet. 2 Vgl. dazu 9. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland., Juni 2012, S. 158 unter Bezugnahme auf Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Pflegebedürftigkeit und Nachfrage nach Pflegeleistungen von Migrantinnen und Migranten im demographischen Wandel. Kohls, Forschungsbericht 12, 2012, S. 15. 3 Vgl. Kalbfleisch/Schlote, UVR 2013, 82 f.

I. Die Entstehungsgeschichte der EuErbVO

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I. Die Entstehungsgeschichte der EuErbVO4 1. Erste Vorarbeiten 2000–2004 Die EuErbVO kann auf eine rund zehnjährige Entstehungsgeschichte zurückblicken. Der Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1997 gab der Europäischen Union in Art. 61 lit. c i.V.m. Art. 65 lit. b EGV erstmals ausdrücklich eine Kompetenz zur Vereinheitlichung des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts. 5 Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sollte aufgebaut werden. Der Wiener Aktionsplan von 1998, der eine „Roadmap“ für die in den folgenden Jahren in Angriff genommenen Vorhaben auf Grundlage dieser neuen Rechtsetzungskompetenz darstellen sollte, räumte der Harmonisierung des Erbkollisionsrechts eine entsprechende Priorität ein: In einem Zeitraum von fünf Jahren sollte überprüft werden, ob „Rechtsakte betreffend die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht sowie die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Güterstands- und Erbschaftssachen“ erlassen werden konnten.6 In den Schlussfolgerungen von Tampere vom Oktober 1999 zog der Europäische Rat zwischenzeitig Bilanz und zeigte zukünftige Prioritäten im Bereich der Angleichung des Zivil- und Zivilverfahrensrechts auf.7 Das darauf aufbauende Maßnahmenprogramm des Rates und der Kommission von 20008 sah für den Bereich des Erbrechts ein Tätigwerden in drei Stufen vor: 1. Stufe: Zunächst sollte ein Rechtsinstrument zur gegenseitigen Anerkennung bei Testamenten und Erbrechtssachen ausgearbeitet werden: Die in der Brüssel I-VO vorgesehenen Mechanismen sollten übernommen werden. 2. Stufe: bei der Überarbeitung des auf der ersten Stufe ausgearbeiteten Rechtsinstruments sollten folgende Punkte beachtet werden: 1. Anwendung der vereinfachten Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren der Brüssel I-VO. 2. Maßnahmen zur Stärkung der Rechtsfolgen, die im Herkunftsstaat ergangene Entscheidungen im ersuchten Staat haben

4

Vgl. dazu insb. auch Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1 ff.; Dörner, ZEV 2010, 221 ff.; Navrátilová, GPR 2008, 144 ff.; Wagner, DNotZ 2010, 506 ff. 5 Vgl. dazu nur Staudinger/Leible, EuLF 2001, 225, 235. Zur Rechtslage nach dem Lissabonner Vertrag (Art. 81 AEUV) vgl. bspw. Andrae, FPR 2010, 505 ff. 6 ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 10; vgl. dazu auch Navrátilová, GPR 2008, 144, 145 f. 7 Vgl. Schlussfolgerung 39. Die Schlussfolgerungen sind teilweise in NJW 2000, 1925 abgedruckt; vgl. i.Ü. ; vgl. dazu auch Jayme/Kohler, IPRax 2000, 454, 465; dies. in IPRax 2004, 481, 493; Wagner, IPRax 2005, 66; Navrátilová, GPR 2008, 144, 145 f. 8 ABl. 2001 C 12/01, S. 3, 9.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

(vorläufige Vollstreckung und Sicherungsmaßnahmen). 3. Stufe: Abschaffung des Exequaturverfahrens. 9 Ende 2001 beauftragte die EU-Kommission das deutsche Notarinstitut in Zusammenarbeit mit Prof. Lagarde und Prof. Dörner mit der Erstellung einer rechtsvergleichenden Studie über das materielle Erbrecht und das Erbkollisionsrecht in den seinerzeit 15 Mitgliedstaaten.10 Die im November 2002 vorgestellte, viel beachtete Studie11 legte auf rund 160 Seiten den Sachstand und die Ausgangslage im internationalen Erbrecht Europas dar. Außerdem enthielt sie Vorschläge zur Ausgestaltung einer zukünftigen europäischen Regelung, unter anderem auch zum Konzept des gewöhnlichen Aufenthalts 12, welche insgesamt maßgeblich in das Grünbuch der Kommission von 2005 einflossen.13 Die Studie war Gegenstand eines internationalen Symposiums des Deutschen Notarinstituts in Brüssel 2004.14 Sie wurde überwiegend positiv bewertet, wobei die von ihr vorgeschlagene Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers von den Tagungsteilnehmern besonders begrüßt wurde.15 2. Das Grünbuch für Erb- und Testamentsrecht 2005 Durch das Haager Programm vom 4./5.11.2004, dem Nachfolgeprogramm des Maßnahmenprogramms von 2000, wurde die Kommission ersucht, ein Grünbuch zu den Regelungen des Kollisionsrechts im Bereich des Erb9

ABl. 2001 C 12/01, S. 9. Im Internet abrufbar unter: . Zusammenfassend dazu auch Dörner/Hertel/Lagarde/ Riering, IPRax 2005, 1 ff. 11 Navrátilová bezeichnet sie in GPR 2008, 145 f. gar als „Meilenstein im Prozess der Vereinheitlichung des Erbrechts“, wobei sie sich auf Mansel, FS Ansay, 2006, 185 f. bezieht. 12 Vgl. dazu DNotI, Les successions internationales dans l'UE: zur internationalen Zuständigkeit: S. 205 ff.; zur Anerkennung und Vollstreckung: S. 221 ff.; zum internationalen Privatrecht: S. 259 ff.; zum Nachlassverfahren: S. 291 ff. 13 Vgl. auch Dörner, ZEV 2010, 221; Stumpf, EuZW. 2006, 587 f. 14 Tagungsband abgedruckt als Les successions internationales dans l'UE. Perspectives pour une harmonisation = Conflict of Law of Succession in the European Union: Perspectives for a Harmonisation = Internationales Erbrecht in der EU: Perspektiven einer Harmonisierung (Deutsches Notarinstitut, 2004). Zusammenfassend dazu Voltz, IPRax 2005, 64 ff. 15 Vgl. DNotI/Hayton, Les successions internationales dans l'UE, S. 359 ff.; DNotI/Pajor, Les successions internationales dans l'UE, S. 371 ff. Bajons hingegen übte in ihrem Beitrag „Zur Interdependenz von IPR und IZVR bei der Schaffung eines europäischen Justizraums für grenzüberschreitende Nachlassangelegenheiten“ Fundamentalkritik am Konzept einer europäischen Regelung; DNotI/Bajons, Les successions internationales dans l'UE, S. 465 ff. 10

I. Die Entstehungsgeschichte der EuErbVO

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rechts, einschließlich der Fragen der Zuständigkeit, der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in diesem Bereich, eines europäischen Erbscheins und eines Mechanismus zur eindeutigen Feststellung des Bestehens von Testamenten von in der Europäischen Union Ansässigen, im Jahr 2005 zu erstellen.16 Am 1.3.2005 legte die Kommission schließlich das Grünbuch für Erb- und Testamentsrecht in Brüssel vor.17 a) Inhalt des Grünbuchs In dem zwölf Seiten langen Grünbuch18 forderte die Kommission zur Beantwortung von 39 Fragen zu den genannten Problemfeldern auf. Dabei berief sie sich explizit auf den Wiener Aktionsplan von 1998.19 Richtigerweise erkennt die EU-Kommission, dass bei einer Erbschaft mit Auslandsbezug Schwierigkeiten für die EU-Bürger sowohl aufgrund der Unterschiede im materiellen Recht als auch im Verfahrensrecht und im Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten bestehen. 20 Das Grünbuch befasst sich mit diesen Problemfeldern gleichermaßen. Zunächst sollte beantwortet werden, welcher Anwendungsbereich den zu schaffenden harmonisierten Kollisionsnormen als „Kern einer Legislativinitiative“ 21 zukommen sollte. Die Kommission erfasst dabei die Wahl eines objektiven Anknüpfungspunktes für die Verordnung als zentrales Problem.22 Auf S. 4 diskutiert das Grünbuch kurz an, welcher Anknüpfungspunkt für die Verordnung geeignet sein könnte. Es nennt dabei die Staatsangehörigkeit und den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts. Letzteren bezeichnet das Grünbuch als die „modernere Lösung“. Im internationalen Erbrecht gebe es jedoch kein Anknüpfungskriterium, mit dem nicht auch Nachteile verbunden seien. In Kapitel „2. Kollisionsnormen“ stellt die EU-Kommission 13 Fragen. Insbesondere Frage 2 ist für die vorliegende Arbeit interessant: „Frage 2: Wonach bestimmt sich das anwendbare Recht? Sollte für den gesamten Anwendungsbereich derselbe Anknüpfungspunkt gelten, oder könnten für die verschiedenen erbrechtlichen Aspekte unterschiedliche Anknüpfungspunkte herangezogen werden?

16 KOM/2005/0184 endgültig, S. 13, sowie: Anhang Nr. 314, abrufbar unter: . Vgl. dazu insgesamt Wagner, IPRax 2005, 66f. und Jayme/Kohler, IPRax 2005, 481, 482. 17 KOM (2005) 65 endgültig, abrufbar unter: . 18 Zum Inhalt des Grünbuchs vgl. insgesamt Dörner, ZEV 2005, 137 f. 19 KOM (2005) 65 endgültig, S. 3 unter Verweis auf ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1; vgl. dazu auch Jud, GPR 2005, 133. 20 KOM (2005) 65 endgültig, S. 3. 21 KOM (2005) 65 endgültig, S. 3. 22 Vgl. dazu auch Kohler, IPRax 2005, 180.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Muss die gemeinschaftsrechtliche Kommissionsnorm beispielsweise zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterscheiden? Müssen dem Recht des Staates, in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, gewisse Prärogativen vorbehalten werden?“

b) Stellungnahmen zum Grünbuch Über 50 Stellungnahmen wurden bei der Kommission eingereicht.23 Erwartungsgemäß wurde Frage 2 ausführlich beantwortet: aa) Deutsche Stellungnahmen zum gewöhnlichen Aufenthalt Der Bundesrat, das Justizministerium von Baden-Württemberg, der Deutsche Richterbund, der Deutsche Anwaltsverein, die Bundesrechtsanwaltskammer und die Bundesnotarkammer reichten Stellungnahmen ein. Auch die Bundesregierung gab eine Stellungnahme ab. Die Bundesnotarkammer sprach sich für die Verwendung des gewöhnlichen Aufenthalts als objektiven Anknüpfungspunkt aus. Jedoch gab sie zu bedenken, dass hinreichende Kriterien für die Bestimmung dieses Anknüpfungspunktes wünschenswert seien.24 Ähnlich argumentierte das Justizministerium von Baden-Württemberg, das eine Definition des gewöhnlichen Aufenthalts in der Kollisionsnorm forderte.25 Auch die Bundesregierung befürwortete die Verwendung des gewöhnlichen Aufenthalts. 26 Offen ließ diesen Punkt die Stellungnahme des Bundesrates, die als mögliche Anknüpfungspunkte die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz sowie den tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes nannte.27 Die Bundesrechtsanwaltskammer hingegen zog die Verwendung der Staatsangehörigkeit in Betracht.28 Dem schloss sich der Deutsche Anwaltverein an.29 Auch der Deutsche Richterbund legte sich nicht auf ein objektives Anknüpfungskriterium fest.30 Mansel plädierte in seiner Eingabe für die Verwendung des gewöhnlichen Aufenthalts als objektiven Anknüpfungspunkt. Sei ein solcher nicht feststellbar, so sollte hilfsweise auf die Staatsangehörigkeit, höchst hilfs23 Die Stellungnahmen sind im Internet abrufbar unter: . Zum Überblick vgl. Lehmann, IPRax 2006, 204 ff., außerdem Bauer, IPRax 2006, 202 f.; Mansel, FS Ansay 2006, 185 ff. 24 Stellungnahme der Bundesnotarkammer vom 9.8.2005, S. 2. 25 Stellungnahme des Justizministeriums Baden Württemberg vom 19.8.2005, S. 2. 26 Stellungnahme der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zum Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zum Erb- und Testamentsrecht, S. 2. 27 Beschluss des Bundesrates vom 23.9.2005, BR-Drucks. 174/05 B, S. 2. 28 Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer vom September 2005, S. 4. 29 Stellungnahme des Deutschen Anwaltverein, S. 3. 30 Stellungnahme des deutschen Richterbundes vom Juni 2005, S. 2 f.

I. Die Entstehungsgeschichte der EuErbVO

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weise auf den letzten Aufenthalt abzustellen sein.31 Er sprach sich dabei für die Aufnahme einer Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts in der Verordnung aus. Diese solle auf der „Wohnsitz“-Definition des EuGH basieren. 32 bb) Stellungnahmen aus Großbritannien Die britischen Stellungnahmen waren von großer Skepsis gegenüber dem Vorhaben geprägt. Die britische Regierung ging in ihrer Stellungnahme nicht näher auf die Problematik des Anknüpfungspunktes ein. 33 Dafür setzten sich andere britische Institutionen mit der Thematik auseinander: Der Bar Council of England and Wales übte Grundsatzkritik am Grünbuch. So bestünde schon keine Notwendigkeit bzw. kein Bedarf für den Erlass einer Verordnung im internationalen Erbrecht.34 Bezüglich des Anknüpfungspunktes sprach sich der Bar Council für einen Kompromiss zwischen domicile und gewöhnlichem Aufenthalt im Sinne von Art. 4 Abs. 2 des OECD Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen von 200335 aus:36 „(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt Folgendes: a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen); b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist; d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen.“

Genau dieser Vorschlag war bereits von der englischen Regierung zum Vorentwurf des Haager Erbrechtsübereinkommens von 1989 gemacht wor-

31

Stellungnahme Mansel, S. 20. Stellungnahme Mansel, S. 21. 33 Vgl. Stellungnahme UK Government, S. 7. 34 Bar Council of England and Wales, Response to the Green Paper on Succession and Wills, S. 1. 35 Aktuelle Version des Musterabkommens abrufbar unter: . 36 Bar Council of England and Wales, Response to the Green Paper on Succession and Wills, S. 3. 32

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

den.37 Es handelt sich folglich um einen „aufgewärmten“ Definitionsansatz, der sich bereits in der Vergangenheit nicht durchsetzen konnte. Ähnlich wie der Bar Council argumentierte auch das schottische Parlament und verneinte bereits die Notwendigkeit einer Rechtsvereinheitlichung. 38 Das schottische Parlament allerdings hielt den Anknüpfungspunkt des domicile für den geeignetsten, unter anderem deswegen, weil es als einziges Konzept für die objektive Anknüpfung die Absichten (intention) des Erblassers berücksichtige. 39 Dabei war man sich allerdings der Kritik am domicile durch die kontinentaleuropäischen Rechtssysteme bewusst. Die Stellungnahme der schottischen Kanzlei Pagan Osborne sprach sich für die Verwendung des gewöhnlichen Aufenthalts aus.40 Zwar sei die Verwendung des domicile in der restlichen Welt gebräuchlicher, in Europa würde der Begriff aber nur von wenigen Ländern verwendet. In ihrer Stellungnahme schlug die Law Society of Scotland vor, sich an der Version des gewöhnlichen Aufenthalts des Haager Erbrechtsabkommens von 1989 zu orientieren. 41 cc) Weitere Stellungnahmen Die Groupe européen de droit international privé (GEDIP) sprach sich für die Verwendung des gewöhnlichen Aufenthalts aus, aber gerade gegen eine Orientierung am Haager Erbrechtsübereinkommen.42 Dessen Regelung sei zu kompliziert. Außerdem sei die Festlegung einer fixen Aufenthaltsdauer willkürlich. Die Stellungnahme des EESC diskutierte die Problematik der objektiven Anknüpfung zwar an, legte sich aber nicht auf einen konkreten Vorschlag fest.43 Die Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) ging davon aus, dass ein eigenständiger objektiver Anknüpfungspunkt angenähert an die bestehenden Konzepte des gewöhnlichen Aufenthalts/Domizils zu verwenden sei, der neu und europäisch bestimmt werden müsse.44 37

Actes et Doc. 16 (1988-II), S. 298 ; vgl. dazu auch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 42. 38 Stellungnahme des schottischen Parlaments, S. 1. 39 Stellungnahme des schottischen Parlaments, S. 2. 40 Stellungnahme von Pagan Osborne, S. 2. 41 Stellungnahme der Law Society of Scotland, S. 3 f. Das Haager Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht ist bei Staudinger/Dörner, vor Art. 25 f. EGBGB, Rn. 120 abgedruckt. 42 Stellungnahme der GEDIP vom 1.10.2005, S. 2. 43 INT/267, Stellungnahme des EESC (Bericht mit Empfehlungen an die Kommission zum Erb- und Testamentrecht) vom 26.10.2005, S. 4. 44 Stellungnahme der CCBE, S. 3.

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dd) Fazit Von den Stellungnahmen wurde im Großen und Ganzen die Verwendung des gewöhnlichen Aufenthalts als Anknüpfungspunkt befürwortet. Von zahlreichen Beteiligten wurde eine genaue Definition des neuen Anknüpfungspunktes erwartet. Völlig neue und eigenständige Konzepte zur Ausfüllung des Begriffes wurden dabei nicht entwickelt. 3. Die weitere Entwicklung bis 2009 In der Folgezeit war hauptsächlich das Europäische Parlament beim Vorantreiben des Projekts aktiv. 45 Nach einer Expertenanhörung im November 200546 legte der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments am 16.11.2006 den nach dem Berichterstatter benannten Gargani-Report mit Empfehlungen an die Kommission vor.47 Ein Legislativakt wurde darin befürwortet.48 Auf einer öffentlichen Anhörung wurden am 30.11.2006 auf Anregung der Kommission die Stellungnahmen auf Expertenebene diskutiert.49 Anders als bei vielen anderen Vorhaben folgte dem Grünbuch kein Weißbuch zum internationalen Erbrecht.50 Obwohl zunächst erwartet wurde, dass bereits 2007 ein Verordnungsentwurf von der Kommission vorgelegt werde51, stellte sich bald Ernüchterung ein.52 Die Verabschiedung eines Verordnungsvorschlags durch die Kommission vertagte sich mehrfach im Laufe des Jahres 2009.53 4. Der Verordnungsentwurf vom 14.10.2009 Nach rund vierjähriger Wartezeit legte die Kommission schließlich am 14.10.2009 den Verordnungsentwurf KOM [2009] 0154 endgültig

45

Vgl. dazu insg. auch Buschbaum, GS Hübner, 589, 591 f. Vgl. Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 685. 47 2005/2148(INI). Vgl. auch Dörner, ZEV 2010, 221. 48 Dazu auch Süß/Süß, Erbrecht in Europa 2008, § 9, Rn. 24. 49 Ziegert, ZErb 2007, 218. 50 Heggen, RNotZ 2007, 1, 10 schätzt dies schon Ende 2006 bzw. Anfang 2007 zutreffend ein. 51 Vgl. Lehmann, ZEV 2007, 193, 197, der sich dabei auf die Ankündigung einen Kommissionsmitarbeiters bezieht. Vgl. auch Heggen, RNotZ 2007, 1, 15; Wagner, EuZW 2007, 626, 628. 52 Jayme/Kohler betiteln ihren Jahresüberblick zum Kollisionsrecht gar mit „Windstille im Erntefeld der Integration“, Jayme/Kohler, IPRax 2007, 493 f. Auch Lehmann fragt in der Überschrift seines Aufsatzes, Lehmann, FPR 2008, 203, „Ernüchternde Entwicklung beim Europäischen Erbrecht?“. 53 Baldus, GPR 2009, 105; Schmidt-Kessel/Meyer, GPR 2009, 147, 148 und Wagner, NJW 2008, 2225, 2227; ders., NJW 2009, 1911, 1913; ders., DNotZ 2010, 506, 507. 46

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

(ErbVO-E) vor.54 Der Verordnungsentwurf sah den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungspunkt für das internationale Verfahrens- und Privatrecht (Art. 4 und 16 ErbVO-E) im Anwendungsbereich der Verordnung vor. Flankiert wurde der objektive Anknüpfungspunkt des Art. 16 ErbVO-E von der Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des Heimatrechts, Art. 17 ErbVO-E. Im Rahmen der Diskussion um diesen Verordnungsentwurf wurde die Debatte um den „richtigen“ Anknüpfungspunkt weitergeführt. Überwiegend wurde auch in diesem Zusammenhang der Übergang von Staatsangehörigkeit auf gewöhnlichen Aufenthalt befürwortet.55 Jedoch fanden sich eine Reihe kritischer Stimmen in der Literatur, die wie bereits im Vorfeld für die Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips im IPR plädierten.56 So sei die kulturelle Verwurzelung der meisten Menschen in ihrem Heimatstaat und damit auch in ihrem Heimatrecht zu sehen.57 Zudem spreche ein wichtiger Demokratieaspekt für die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt: Diese besitze eine erhöhte individuelle Legitimation, da der Erblasser in der Regel in seinem Heimatstaat durch die Wahrnehmung seines Wahlrechts (soweit vorhanden) unmittelbar die Zusammensetzung der nationalen Legislative und damit mittelbar auch das Erbrecht seines Heimatstaats beeinflussen kann. 58 Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass Rechtssicherheit und Anknüpfungsstabilität wesentlich effektiver durch die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit oder das Domizil bzw. domicile gewährleistet werden können.59 In einem Zeitalter der europäischen Freizügigkeit bedeute eine Arbeitsmigration keine „Auswanderung im klassischen Sinne“ mit dem einhergehenden Bindungswechsel der Per54

Zahlreiche Mitgliedstaaten und Institutionen gaben Erklärungen zu diesem Verordnungsentwurf ab. Nennenswert sind vor allem die kritischen Stellungnahmen des DNotI, abrufbar unter: , und des MPI, RabelsZ 74 (2010), 522 ff. Vgl. auch eine engl. Bewertung von Garb/Wood, S. XXXV ff. 55 Dörner, ZEV 2010, 221, 222; Dutta, RabelsZ 73 (2009) 547, 562 ff.; Kindler, Liber Amicorum Siehr, S. 251, 253 ff.; ders., IPRax 2010, 44, 46. 56 Frantzen, FS Jayme 2004 S. 187, 189; Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einf. EG-ErbVO, Rn. 49 ff.; ders., FS Jayme 2004, S. 719, 732 ff.; zuletzt Sonnentag, EWS 2012, 457 ff. 57 Mansel, FS Ansay 2006, 185; ausführlich dazu auch Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, S. 41 ff.; Jayme/Mansel, Kulturelle Identität und IPR, S. 119, 130 ff.; Kindler, IPRax 2010, 44, 46. Vgl. zu den Argumenten für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit bspw. schon ausführlich Rohe, FS Rothoeft, S. 1, 11 ff.; Denkinger, S. 366 ff. 58 Jayme/Mansel, Kulturelle Identität und IPR, S. 119, 135 ff.; Mansel, FS Ansay 2006, 185, 208. 59 Reichelt/Rechberger/Geimer, S. 17, 24; Kindler, IPRax 2010, 44, 47; zust. Lorenz, ErbR 2012, 39, 43.

I. Die Entstehungsgeschichte der EuErbVO

195

son und einer entsprechenden rechtskulturellen Sozialisation.60 Der gewöhnliche Aufenthalt sei damit im internationalen Erbrecht als Verkörperung der engsten Verbindung nicht geeignet.61 Durchsetzen konnten sich die kritischen Stimmen aber zu keinem Zeitpunkt. 5. Verabschiedung der Verordnung 650/2012 vom 4.7.2012 Nur langsam kam das Gesetzgebungsverfahren auch in der Folgezeit voran:62 Am 3./4.6.2010 verabschiedete der Rat in der Zusammensetzung „Justiz und Inneres“ seine Leitlinien für die künftigen Beratungen.63 Der neue Berichterstatter im Europäischen Parlament, Kurt Lechner, legte seinen Berichtsentwurf zum Vorschlag am 23.2.2011 vor.64 Nachdem sich der Rat in der Zusammensetzung „Justiz und Inneres“ Mitte Dezember 2011 politisch und inhaltlich weitgehend auf einen endgültigen Verordnungstext verständigen konnte65, nahm das Europäische Parlament nach Aussprache in erster Lesung den letzten Verordnungsentwurf am 13.3.2012 mit sehr deutlicher Mehrheit an.66 Der Rat stimmte auf der Tagung vom 7./8.6.2012 zugunsten des letzten Entwurfs ab.67 So vergingen rund zweieinhalb Jahre intensiver Diskussion,68 welche mitunter zu wesentlichen Veränderungen zum Verordnungsentwurf führten,69 bis die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die 60

Rauscher, FS Jayme 2004, S. 719, 734. Frantzen, FS Jayme 2004, S. 187, 189. 62 Zum Gang der Gesetzgebung vgl. auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2011, 1, 10; dies. IPRax 2012, 1, 4 f., Wagner, NJW 2011, 1404, 1405; Lange, ZErb 2012, 160. 63 Vgl. die Pressemitteilung, 10630/1/10 REV 1 PRESSE 161 PR CO 1, abrufbar unter: . 64 2009/0157(COD), abrufbar unter: . 65 Vgl. 18498/11 PRESSE 491 PR CO 79, abrufbar unter: . 66 Vgl. auch Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393; der Abstimmung waren noch Anfang März Vorarbeiten des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments vorangegangen. Der Berichtsentwurf von Kurt Lechner wurde am 1. März vom Rechtsausschuss angenommen (Änderungsantrag 246). 67 Vgl. 10865/12 PRESSE 245 unter: . 68 Vgl. allgemein zu den Problemschwerpunkten der Diskussion um den Verordnungsentwurf aus dem Jahre 2010 Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106 ff. und 162 ff.; Dörner, ZEV 2010, 221; Kindler, IPRax 2010, 44 ff.; Remde, RNotZ 2012, 65 sowie Wagner, DNotZ 2010, 506. 69 Vgl. Bajons, Europäische Erbrechtsverordnung, S. 29, 30. 61

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses schlußendlich verabschiedet werden konnte.

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen Der gewöhnliche Aufenthalt hat sowohl für die internationale Zuständigkeit als auch für das internationale Erbrecht der EuErbVO eine zentrale Bedeutung. Wichtig sind dabei vor allem Art. 4 EuErbVO, der den gewöhnlichen Aufenthalt als maßgebliches Kriterium für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit etabliert, und Art. 21 EuErbVO, welcher den gewöhnlichen Aufenthalt als objektiven Anknüpfungspunkt für das Erbstatut der Verordnung verwendet.70 Art. 64 verweist auch für die Zuständigkeit bezüglich des Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) auf die Zuständigkeitsnormen der Art. 4 ff. EuErbVO. So wird das Bemühen des Verordnungsgebers, einen Gleichlauf zwischen forum und ius zu erreichen, schon auf den ersten Blick deutlich.71 Im Vergleich zur Rom I-VO und zur Rom II-VO sind die Regelungen der EuErbVO mit ihren 84 Artikeln wesentlich umfassender und tiefgehender. Bezüglich des Aufbaus der Verordnung sind Ähnlichkeiten zu der europäischen Unterhaltsverordnung (EuUnthVO) erkennbar.72 Dem mehrseitigen Katalog von Erwägungsgründen (insgesamt 83) folgen zunächst die Normen zum Anwendungsbereich (Art. 1–3 EuErbVO). Daran anschließend enthalten die weiteren Abschnitte Normen zur internationalen Zuständigkeit (Art. 4–19 EuErbVO), zum anwendbaren Recht (Art. 28–38 EuErbVO), zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen (Art. 39–58 EuErbVO), und zur Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden und gerichtlicher Vergleiche (Art. 59–61 EuErbVO). Abgeschlossen wird die Verordnung mit dem Kapitel zum Europäischen Nachlasszeugnis (Art. 62– 73 EuErbVO).

70 Die Verordnung 650/2012 nennt an folgenden Stellen den gewöhnlichen Aufenthalt: In den Erwägungsgründen 24–26 werden Hinweise zum intendierten Begriffsverständnis gegeben. In Art. 4, 6, 10, 13, 16, 21, 27, 28, 36 und 83 EuErbVO findet sich ein Bezug zum Begriff. 71 Vgl. auch Bajons, Europäische Erbrechtsverordnung, S. 29, 30. 72 So auch Wilke, RIW 2012, 601.

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

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1. Anwendungsbereich der EuErbVO a) Sachlicher Anwendungsbereich Die Verordnung ist gem. Art. 1 Abs. 1 auf die „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ anwendbar. Unter diesen Begriff fällt nach Art. 3 Abs. 1 lit. a „jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge, durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge“. In Art. 1 Abs. 2 wird anhand eines ausführlichen Ausnahmekatalogs 73 klargestellt, dass gerade nur das Erbrecht von der Verordnung erfasst ist. Insbesondere güterrechtliche (Art. 1 Abs. 2 lit. d EuErbVO) und gesellschaftsrechtliche Fragestellungen (Art. 1 Abs. 2 lit. h, i EuErbVO) fallen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Damit bleiben diese schon dem deutschen Recht bekannten Abgrenzungs- und Qualifikationsprobleme auch nach neuem europäischem Recht bestehen.74 Steuer-, Zoll- und Verwaltungsrechtsangelegenheiten fallen schon nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 EuErbVO nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Wie Art. 75 Abs. 1 EuErbVO klarstellt, genießen bi- und multilaterale Staatsverträge Vorrang vor der EuErbVO. Für die Erbfolge nach einem iranischen oder einem türkischen Erblasser gelten die bilaterale Staatsverträge mit dem Iran75 und der Türkei76, welche gleichermaßen Vorrang vor den autonomen, als auch den europäischen Regelungen beanspruchen. Abzuwarten bleibt aber, ob insbesondere das deutsch-türkische Nachlassab73

Der Ausnahmekatalog war im Gesetzgebungsverfahren Gegenstand intensiver Diskussionen und unterlag diversen Änderungen und Erweiterungen. 74 So schon Dörner, ZEV 2010, 221, 223 zum insofern nicht veränderten Verordnungsentwurf. Näher dazu auch Kowalczyk, GPR 2012, 212 ff.; Kunz, GPR 2012, 253 ff.; Leitzen, ZEV 2012, 520ff; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 359 f; Burandt, FuR 2013, 377, 378 f; Schmidt, RabelsZ 2013, 1 ff. 75 Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929 (RGBl. 1930 II Nr. 30, 1006), dazu BeckOK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 11 f. Aufgrund des Vorrangs der staatsvertraglichen Regelungen muss hier eine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB wegen des Vorrangs der staatsvertraglichen Regelung nach h.M. ausgeschlossen bleiben. So u.a. MüKo/Birk, Art. 25 EGBGB, Rn. 296, BeckOK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 11. A.A. aber Staudinger/Dörner, vor Art. 25 EGBGB, Rn. 151, der argumentiert, dass zur Zeit des Abschlusses der Staatsverträge die Rechtswahl im int. Erbrecht unbekannt war – um das Abkommen zeitgemäß anwenden zu können, müsse diese Lücke folglich durch die Anwendung von Art. 25 Abs. 2 EGBGB geschlossen werden. 76 Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags zwischen dem Deutschen Reich und der türkischen Republik vom 28.5.1929, RGBl. 1930 II 748 (Nachlassabkommen). Näher dazu BeckOK/Lorenz, Art. 25 EGBGB, Rn. 6 ff.; Hausmann/Hohloch/Hohloch/Heckel, Kapitel 26, Rn. 16; Bonefeld/Wachter/Süß, § 26, Rn. 8.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

kommen auch zukünftig anwendbar bleiben wird. Völlig zu Recht wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass dessen Regelungen bereits jetzt nicht mehr den sozialen Verhältnissen von Migranten entsprechen und spätestens mit Inkrafttreten der EuErbVO als anachronistisch empfunden werden müssen.77 Auch das Haager Testamentsformübereinkommen (HTFÜ) ist zu berücksichtigen (Art. 75 Abs. 1 S. 2. EuErbVO). Es gilt in 16 Mitgliedstaaten.78 Deutschland hat es bisher nur bezüglich Testamenten, nicht aber bezüglich anderer letztwilliger Verfügungen in Art. 26 Abs. 4 EGBGB überschießend inkorporiert.79 Anders als es noch der Entwurf von 2009 in Art. 19 Abs. 2 lit. k vorsah, erfasst die Verordnung nun mit Art. 27 Abs. 1 und 2 EuErbVO das Formstatut. Um insofern schwierige Vorrangkonflikte zu vermeiden,80 wurden hier Art. 1 und Art. 2 HTFÜ inkorporiert und der Anwendungsbereich dieser Normen auf Erbverträge erweitert. Mit seiner Aufzählung in den lit. a bis e enthält Art. 27 Abs. 1 EuErbVO die fünf Anknüpfungsvarianten des Art. 1 HTFÜ. Die nach geltendem deutschen Recht bestehende Variante des Art. 26 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB wird künftig keine Beachtung mehr finden können: Sie war eine eigenständige Schöpfung im deutschen Recht und findet gerade keine Entsprechung im HTFÜ und der EuErbVO.81 b) Räumlicher Anwendungsbereich Auf Dänemark findet die EuErbVO wie schon die Rom I-VO und Rom IIVO keine Anwendung. England und Irland haben die ihnen offenstehende Möglichkeit 82 nicht wahrgenommen, die EuErbVO anzuwenden. Dies wird zwar in der Verordnung nicht normiert, aber in den Erwägungsgründen Nr. 82 und 83 klargestellt. Anders als Art. 2 Nr. 2 Brüssel IIa-VO und auch noch Art. 1 Abs. 2 ErbVO-E beschränkt die EuErbVO den Begriff des Mitgliedstaats nicht 77

Dazu näher Majer, ZEV 2012, 182 ff., der eine Kündigung der Nachlassabkommens fordert, um den Weg frei zu machen für eine zeitgemäßere Regelung der immer bedeutender werdenden deutsch-türkischen Erbfälle. So auch BeckOK/Lorenz Art. 25 EGBGB, Rn. 6; vgl. auch Hausmann/Hohloch/Hohloch/Heckel, Kapitel 26, Rn. 18; Bonefeld/Wachter/Süß, § 26, Rn. 9. Kritisch zu Art. 75 EuErbVO auch Mankowski, ZEV 2013, 529 ff. 78 Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Slowenien, Spanien. 79 Vgl. Schurig, FS Spellenberg 2010, S. 343, 344. 80 Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einf EG-ErbVO-E, Rn. 77. 81 So auch Wilke, RIW 2012, 601, 607. 82 Art. 1, 2 Protokoll Nr. 21 zu EUV/AEUV sowie Art. 1, 2 Protokoll Nr. 22 zu EUV/AEUV.

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

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auf die teilnehmenden Mitgliedstaaten, so dass man insofern annehmen könnte, dass das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark jeweils von dem Terminus „Mitgliedstaat“ erfasst werden.83 Dagegen spricht jedoch schon, dass erbrechtliche Entscheidungen dieser Staaten dann bspw. nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO von den übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen wären, obwohl die eigenen Behörden die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen verweigern könnten.84 Der Mitgliedstaat in der EuErbVO ist daher entsprechend einschränkend auszulegen.85 c) Zeitlicher Anwendungsbereich Die EuErbVO ist auf Erbsachen von am oder nach dem 17.8.2015 verstorbenen Erblassern anzuwenden. Vorher eintretende Erbfälle werden weiterhin nach den einschlägigen nationalen Kollisionsnormen behandelt. Nach Art. 83 Abs. 2 EuErbVO ist eine vor dem Stichtag getroffene Rechtswahl wirksam, wenn die Voraussetzungen der Kollisionsnormen des Kapitels III (bereits) erfüllt sind oder wenn die Rechtswahl nach Vorschriften des, vom IPR des Staates der Staatsangehörigkeit oder des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zum Zeitpunkt der Vornahme, berufenen Sachrechts 86 gültig ist.87 Art. 83 Abs. 3 EuErbVO bestimmt weiter, dass vor dem Stichtag errichtete Verfügungen von Todes wegen sowohl zulässig als auch formell und materiell wirksam sind, wenn sie die in Art. 83 Abs. 2 EuErbVO genannten Voraussetzungen wahlweise erfüllen.88 Wenn der Erblasser vor dem 17.8.2015 eine Verfügung von Todes wegen errichtet nach dem Recht seines Heimatstaates (das er künftig gem.

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Lehmann, ZErb 2013, 25. So schon Dutta am 22.11.2012 auf der Tagung „Grenzüberschreitende Erbfälle in Europa!“ der Europäischen Rechtsakademie Trier. Ebenfalls zitiert bei Lehmann, ZErb 2013, 25. 85 Lehmann, ZErb 2013, 25. 86 Janzen, DNotZ 2012, 484, 489; Dörner, ZEV 2012, 505, 506. Zutreffend hierzu die Anmerkung von Dörner, ZEV 2012, 505, 506 in Fn. 9: Der Wortlaut der deutschen Fassung ist hier fehlleitend: Nicht „nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des internationalen Privatrechts“, sondern vielmehr nach dem Sachrecht, das nach diesen Vorschriften bestimmt wird, ist die formelle und materielle Wirksamkeit der Rechtswahl zu beurteilen. 87 Vgl. dazu Dörner, ZEV 2012, 505, 506 mit Fn. 8, welcher davon ausgeht, dass, obwohl der Wortlaut von Art. 83 Abs. 2 insofern von Art. 83 Abs. 3 abweicht, auch in Abs. 2 sowohl formelle als auch materielle Wirksamkeit der Rechtswahl Voraussetzung sein müsse. 88 Vgl. dazu ABl. EU 2013 L 41/16 hat inzwischen eine Berichtigung von Art. 83 Abs. 3 EuErbVO vorgenommen und die Aufzählung des letzten Halbsatzes um den Mitgliedstaat der befassten Behörde ergänzt. Zu Art. 83 auch Schoppe, IPRax 2014, 27 ff. 84

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Art. 22 EuErbVO wählen könnte), so fingiert Art. 83 Abs. 4 EuErbVO eine entsprechende Rechtswahl.89 2. Internationale Zuständigkeit a) Allgemeine Zuständigkeit, Art. 4 EuErbVO Die Unterscheidung zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit kennt die EuErbVO nicht, was schon Erwägungsgrund 59 andeutet.90 Nach Art. 4 EuErbVO sind damit für sämtliche erbrechtlichen Entscheidungen grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Art. 4 EuErbVO geht damit von dem Grundsatz der Allzuständigkeit bzw. dem Grundsatz der zuständigkeitsrechtlichen Nachlasseinheit aus.91 b) Subsidiäre Zuständigkeit, Art. 10 EuErbVO Art. 10 EuErbVO gibt den mitgliedstaatlichen Gerichten die Möglichkeit ihre Zuständigkeit zu bejahen, wenn der Erblasser zwar seinen letzten Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat hatte, aber einer der subsidiären Zuständigkeitstatbestände bejaht werden kann. Die Zuständigkeit nach Art. 10 EuErbVO setzt allerdings zwingend voraus, dass sich Nachlassgegenstände in dem Gerichtsstaat befinden. Beispiel: Der italienische Staatsangehörige Gianluca verlegte seinen gewöhnlichen Aufenthalt zehn Jahre vor seinem Tod in ein Altenheim mit Seeblick im schweizerischen Lugano, Kanton Tessin. Er hinterlässt ein Haus auf der italienischen Seite des Lago di Lugano in Valsolda, Region Como. Nach Art. 4 und 5 EuErbVO ergibt sich keine Zuständigkeit für ein italienisches Gericht. Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Italien oder eine Wahl italienischen Rechts wurde nicht vorgenommen. Da Gianluca bis zu seinem Tod die italienische Staatsbürgerschaft besaß, ergibt sich die Zuständigkeit italienischer Gerichte aus Art. 10 lit. a EuErbVO. Besaß der Erblasser mehrere mitgliedstaatliche Staatsangehörigkeiten und verfügte über Vermögen in diesen Staaten, so bestehen konkurrierende internationale Zuständigkeiten, welche gem. Art. 14, 17 EuErbVO einen Wettlauf zu den Gerichten hervorrufen können. 92 Art. 10 Abs. 2 EuErbVO weicht vom Grundsatz der Allzuständigkeit ab und ermöglicht eine beschränkte internationale Zuständigkeit bzgl. im Ge89

Janzen, DNotZ 2012, 484, 489; Dörner, ZEV 2012, 505, 506. Vgl. schon die Begr. zu Art. 4 ErbVO-E 2009, S. 5. 91 Dutta, FamRZ 2013, 4, 7. Zur Schiedsgerichtsbarkeit in int. Erbsachen vgl. Haas, SchiedsVZ 2011, 289 ff. 92 Bajons, Europäische Erbrechtsverordnung, S. 29, 33. 90

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

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richtsstaat belegenen Nachlassvermögens. Durch diese Beschränkung wird ein Kompetenzkonflikt mit anderen mitgliedstaatlichen Gerichten vermieden.93 Beispiel: Erwirbt Gianluca noch vor seinem Tod die Schweizer Staatsbürgerschaft anstelle der italienischen, so greifen weder Art. 10 lit. a noch lit. b EuErbVO, da Gianluca nicht mehr italienischer Staatsbürger war und sein vorhergehender gewöhnlicher Aufenthalt aufgrund des Ablaufs der 5Jahres-Frist nicht mehr zu berücksichtigen ist. Die internationale Zuständigkeit der italienischen Gerichte ergibt sich hier aber aus Art. 10 Abs. 2 EuErbVO, soweit sich das Verfahren nur auf Nachlassgegenstände in Italien (hier das Haus am See) bezieht. c) Verfahrensbeschränkung nach Art. 12 EuErbVO Nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO kann auch eine Beschränkung des Verfahrens nach Art. 12 EuErbVO zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der zuständigkeitsrechtlichen Nachlasseinheit führen. Sind Vermögenswerte des Erblassers in einem Drittstaat belegen, so kann das befasste Gericht auf Parteiantrag hin das Verfahren auf in Mitgliedstaaten belegene Nachlassgegenstände beschränken. Voraussetzung dafür muss sein, dass Anerkennung oder Vollstreckung im Drittstaat keine Aussicht auf Erfolg haben. Damit wird die Prüfung der Zuständigkeit mit einer Anerkennungsprognose nach drittstaatlichem Recht überfrachtet.94 Immerhin werden so aber Kollisionen mit potentiell international zuständigen Drittstaatengerichten vermieden, die bei unbeweglichem Vermögen oftmals ihre Zuständigkeit bejahen werden, wenn keine völkervertraglichen Grundlagen zur Anerkennung von Entscheidungen bestehen. 95 d) Internationale Zuständigkeit bei erfolgter Rechtswahl Die Zuständigkeit der Gerichte des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts kann jedoch durchbrochen werden. Art. 6–8 EuErbVO machen genaue Vorgaben für den Fall, dass die Gerichte mehrerer Staaten mit einem Nachlassverfahren befasst sind. Art. 9 EuErbVO bestimmt, dass die einer Gerichtsstandsvereinbarung96 entstammende Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts von den übrigen Verfahrensbeteiligten durch die sog. rügelose Einlassung bestätigt werden kann. Art. 11 EuErbVO eröffnet Notzuständigkeiten für die Gerichte. 93

Bajons, Europäische Erbrechtsverordnung, S. 29, 33. Dutta, FamRZ 2013, 4, 7. 95 Bajons, Europäische Erbrechtsverordnung, S. 29, 36. 96 Zur Bedeutung von Gerichtsstandsvereinbarungen in Familiensachen vgl. Rauscher, FamFR 2013, 25 ff. 94

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

aa) Gerichtsstandsvereinbarung, Art. 5 i.V.m. Art. 7 EuErbVO Eine Zuständigkeit der Gerichte der vom Erblasser gewählten Rechtsordnung kann von den Beteiligten des Nachlassverfahrens auf drei Wegen erreicht werden.97 Art. 5 EuErbVO i.V.m. Art. 7 lit. b EuErbVO lässt eine förmliche Gerichtsstandsvereinbarung der Beteiligten zugunsten der Gerichte des von der Rechtswahl erfassten Staates zu.98 Art. 5 Abs. 2 EuErbVO macht dabei genaue Vorgaben zu den Formvorschriften. In Art. 7 lit. b EuErbVO wird aus einem Umkehrschluss zu Art. 7 lit. a EuErbVO deutlich, dass eine Unzuständigerklärung durch das nach Art. 4 EuErbVO bezeichnete Gericht nicht notwendig ist, wenn es noch nicht mit der Sache befasst war. Eine förmliche Gerichtsstandsvereinbarung erscheint vor allem dann wahrscheinlich, wenn die Erben im Heimatstaat des Erblassers leben.99 Beispiel:100 Der deutsche Rentner Karl-Heinz verbringt seine letzten Lebensjahre in Ruhe und Abgeschiedenheit im warmen Marbella. In seinem Testament wählt er formgültig deutsches Recht. Nach seinem Tod treffen seine drei in Deutschland lebenden Kinder, Dieter, Günther und Wilfried, eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des AG in Dillingen, wo Karl-Heinz früher mit seiner Familie lebte. Ohne die Gerichtsstandsvereinbarung wäre die internationale Zuständigkeit spanischer Gerichte zu bejahen. Nach Art. 6 lit. b EuErbVO erklärt sich dieses für unzuständig, falls es bereits mit der Sache befasst war. Nach Art. 7 lit. a EuErbVO ist das angerufene Gericht an die Verweisung durch das Ausgangsgericht gebunden, wodurch negative Kompetenzkonflikte verhindert werden.101 Des Weiteren ist nach Art. 5 i.V.m. Art. 7 lit. c EuErbVO auch eine formlose Gerichtsstandsanerkennung möglich.102 Kommt keine Gerichtsstandsvereinbarung oder Anerkennung der Beteiligten zustande, so können die Beteiligten als dritte Möglichkeit nach Art. 6 lit. a i.V.m. 7 lit. a EuErbVO beim nach Art. 4 EuErbVO zuständigen Gericht einen Aussetzungsantrag stellen und anregen, den Rechtsstreit

97

Dutta, FamRZ 2013, 4, 6. Zwar können Drittstaater mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO treffen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO muss in solchen Fällen jedoch daran scheitern, dass eine EU-Verordnung nicht bindend über die Zuständigkeit drittstaatlicher Gerichte entscheiden kann; Magnus, IPRax 2013, 393, 395. 99 So auch Kunz, GPR 2012, 208, 209. 100 Eine ähnliche Konstellation wird nun auch von Magnus, IPRax 2013, 393, 395 andiskutiert. 101 Kunz, GPR 2012, 208, 209. 102 Dutta, FamRZ 2013, 4, 6. 98

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

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(gem. Art. 7 lit. a EuErbVO bindend) an die Gerichte des Mitgliedstaates zu verweisen, dessen Recht der Erblasser gewählt hat. Wenn das nach Art. 4 oder 10 EuErbVO zuständige Gericht der Auffassung ist, dass dies sachdienlich ist, weil die dortigen Gerichte die Streitigkeit besser beurteilen können, so erklärt es sich selbst für unzuständig. Explizit werden von Art. 6 lit. a der gewöhnliche Aufenthalt und die Belegenheit von Vermögenswerten als entscheidungserhebliche Faktoren aufgeführt, welche Kriterien für größere Beweisnähe sein müssen.103 Bei einer Verweisung nach Art. 6 lit. a i.V.m. 7 lit. a EuErbVO kommt es ausschließlich auf die Ermessensentscheidung des Ausgangsgerichts an. Hiermit wird ausdrücklich der „forum non conveniens“-Gedanke in eine EU-Verordnung einbezogen. Zwar kennt auch die Brüssel IIa-VO diesen Ansatz. Er wird in Art. 15 Brüssel IIa-VO jedoch nur als Ausnahmefall und unter Absprache der beteiligten Gerichte zugelassen.104 Beispiel von oben: Können sich Dieter, Günther und Wilfried nicht auf eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte verständigen, so kann jeder Beteiligte den Antrag stellen, die Streitigkeit an ein deutsches Gericht zu verweisen. Das spanische Gericht prüft dann, ob die Verweisung sachdienlich ist. Die Verweisungsentscheidung wäre für das angerufene Gericht bindend. Art. 8 EuErbVO bietet die Möglichkeit, durch die Vereinbarung einer außergerichtlichen einvernehmlichen Regelung durch die Verfahrensbeteiligten in dem Mitgliedstaat, dessen Recht vom Erblasser gewählt wurde, die internationale Zuständigkeit der Gerichte nach Art. 4, 10 EuErbVO zu durchbrechen.105 bb) Bewertung Denkbar wäre auch eine automatische Verweisung an das mitgliedstaatliche Gericht, dessen Recht durch die Rechtswahl des Erblassers berufen wurde, gewesen. 106 Die zusätzliche Möglichkeit, eine Gerichtsstandsvereinbarung für die Gerichte des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers vorzunehmen, hätte die Interessen der Verfahrensbeteiligten wie die jetzige Fassung geschützt, das Verfahren aber beschleunigt. Mit den bestehenden Regelungen bleibt die EuErbVO deutlich hinter den Lösungsansätzen von Art. 23 Brüssel I-VO und Art. 12 Abs. 1 und 3 Brüssel IIa-VO zurück, wodurch die verfahrensrechtliche Privatautonomie zugunsten des Gleichlaufs von forum und ius stark eingeschränkt wird.107 An den Regelungen von Art. 5 und 7 EuErbVO wird auch deutlich, dass 103

Kunz, GPR 2012, 208, 209; Dutta, FamRZ 2013, 4, 6. Dazu auch weiterführend Wilke, RIW 2012, 601, 603. 105 Näher dazu Dutta, FamRZ 2013, 4, 6. 106 So auch Lehmann, DStR 2012, 2085, 2088. 107 Dutta, FamRZ 2013, 4, 6. 104

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

eine einseitige Gerichtsstandswahl des Erblassers nicht vorgesehen ist. Allenfalls scheint damit eine Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen eines Erbvertrages des Erblassers mit den zukünftigen Verfahrensbeteiligten möglich.108 cc) Rügeloses Einlassen, Art. 9 EuErbVO Auch wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung unvollständig im Sinne von Art. 9 Abs. 1 EuErbVO getroffen wurde, kann das Gericht international zuständig sein bzw. bleiben, wenn sich alle Beteiligten auf das Verfahren einlassen. Beispiel von oben: Dieter, Günther und Wilfried treffen eine Gerichtsstandsvereinbarung. Der nichteheliche Sohn Gustav aus einer über Jahrzehnte verheimlichten Affäre des Karl-Heinz mit dessen Sekretärin erfährt erst jetzt vom Tod des Vaters. Auch wenn er nicht an einer vorherigen Gerichtsstandsvereinbarung seiner Halbbrüder teilnahm, so kann sich Gustav auf das Verfahren vor einem deutschen Gericht einlassen. Andernfalls bietet Art. 9 Abs. 2 EuErbVO die Möglichkeit, die Zuständigkeit des deutschen Gerichts zu beanstanden. In diesem Fall muss sich dieses für unzuständig erklären und verweisen. Dies kann aber die schwierige und von der Verordnung unbeantwortet gelassene Frage aufwerfen, welche Konsequenz der Zuständigkeitswechsel auf bereits vom Ausgangsgericht getroffenen Maßnahmen hat. Sinnvoll scheint es hier, eine Entscheidung über den Fortbestand der Maßnahmen durch das Gericht zu fordern, anstatt pauschal von der Unwirksamkeit der Maßnahmen auszugehen. 109 e) Notzuständigkeit, Art. 11 EuErbVO In Härtefällen kann die internationale Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts ausnahmsweise begründet werden, wenn das sonst in einem Drittstaat durchzuführende Verfahren unzumutbar oder unmöglich betrieben werden kann. Wie Erwägungsgrund 31 S. 2 belegt, soll die Notzuständigkeit des Art. 11 EuErbVO äußerst restriktiv gebraucht werden – als Beispiel wird hier ein Bürgerkrieg in dem Drittstaat genannt. In jedem Fall muss auch ein ausreichender Bezug zu dem Mitgliedstaat herrschen, in dem nach Art. 11 EuErbVO ein Gericht angerufen wurde. Damit orientiert sich die Norm an Art. 7 EuUnthVO.110 108 Offen gelassen noch von Kunz, GPR 2012, 208, 209; bejaht von Dutta, FamRZ 2013, 4, 6. 109 So zutr. Dutta, FamRZ 2013, 4, 7. 110 Dutta, FamRZ 2013, 4, 7.

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

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f) Bewertung im Vergleich zum deutschen autonomen Recht Die Verordnung wird mit ihren Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in vielen Fällen die Rechtsanwendung erleichtern. Art. 4 ff. EuErbVO schaffen ein einheitliches, geschlossenes System zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit. Damit entfällt künftig das Nebeneinander von §§ 12 ff., 27 f. ZPO111 und §§ 105, 109, 343 f. FamFG, § 2369 BGB112 bzgl. streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit und der damit verbundenen Abgrenzungsprobleme.113 Durch die Zuständigkeitskonzentration des Art. 4 EuErbVO wird die bisherige Rechtslage, nach der oftmals mehrere Staaten (zumindest teilweise) zuständig sind, deutlich vereinfacht.114 Gleichzeitig wird die Gefahr des forum shopping verringert.115 Ein weiterer großer Vorteil der EuErbVO ist der Gleichlauf zwischen forum und ius, der in den allermeisten Fällen dazu führt, dass das international zuständige Gericht sein eigenes Recht anwenden kann, was insbesondere vor dem Hintergrund der engen Verflechtungen von verfahrens- und materiellrechtlichen Bestimmungen im Erbrecht überzeugt.116 Derzeit ist noch nicht absehbar, ob die örtliche Zuständigkeit weiterhin nach den Vorschriften des bisherigen autonomen deutschen Rechts bestimmt werden wird. Das zu erwartende Einführungsgesetz zur EuErbVO sollte insofern klarstellende Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit enthalten.117

111 Art. 27 ZPO ist dabei ein besonderer aber nicht ausschließlicher Gerichtsstand, der alle den Erbfall betreffenden Rechtsstreitigkeiten bei einem sachnahen Gericht bündeln soll; Zöller/Vollkommer, § 27 ZPO, Rn. 1. 112 Nach § 105 FamFG, welcher den Grundsatz der Doppelfunktionalität verankert, sind die deutschen Gerichte auch international zuständig, wenn sie örtlich zuständig sind, wobei aber die internationale Zuständigkeit stets zuerst zu prüfen ist; vgl. Prütting/Helms/Hau, § 105 FamFG, Rn. 1; Keidel/Zimmermann, § 343 FamFG, Rn. 48; Schulte-Bunert/Weinreich/Tchichoflos, § 343 FamFG, Rn. 7, sowie insg. Groll/Kindler, F, Rn. 202 ff. 113 Vgl. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO und Erw. 20; näher Seyfarth, S. 143. 114 Weber, S. 99, 112. 115 Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 2; Weber, S. 112 f. 116 Vgl. Lehmann, Reform des internationalen Erb- und Erbprozessrechts, S. 91 f. m.w.N. 117 Ein deutsches Einführungsgesetz zur EuErbVO, das insbesondere Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit, zu Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen und zum Europäischen Nachlasszeugnis enthalten soll, ist in Arbeit, Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 10.

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3. Objektive Anknüpfung des Erbstatuts, Art. 21 EuErbVO a) Grundsätzliches „Artikel 21 Allgemeine Kollisionsnorm (1) Sofern in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.“

Grundsätzlich knüpft Art. 21 EuErbVO die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an. Entscheidender Zeitpunkt dafür ist kaum überraschend der Zeitpunkt des Todes des Erblassers. b) Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO „Artikel 21 Allgemeine Kollisionsnorm (2) Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat hatte, dessen Recht nach Absatz 1 anzuwenden wäre, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“

Die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO war im Verordnungsentwurf von 2009 noch nicht enthalten und wurde erst in der Folgezeit eingeführt. Sie sollte Bedenken gegenüber dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts entschärfen und eine Einzelfallkorrektur des nach Art. 21 Abs. 1 gefundenen Ergebnisses ermöglichen. 118 Soweit sich aus der Gesamtheit der Umstände im Zeitpunkt des Todes eine offensichtlich engere Beziehung des Erblassers zu einem anderen als dem Aufenthaltsstaat ergibt, so soll dessen Recht Anwendung finden. Eine entsprechende Ausweichklausel für die internationale Zuständigkeit gibt es gerade nicht, so dass die Anwendung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO den Gleichlauf von forum und ius unterbricht. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO erinnert an Art. 4 Abs. 4 Rom IVO119 und Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO120 sowie an Art. 3 Abs. 2 S. 2 Haager Erbrechtsübereinkommen. Auch dort wird darauf abgestellt, ob sich aus der Gesamtheit der Umstände eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Art. 4 Abs. 1, 2 Rom I-VO/Art. 4 Abs. 1, 2 Rom II-VO, Art. 3 Abs. 2 S. 2 Haager Erbrechtsübereinkommen gefundenen Recht ergibt. Wie Art. 34 Abs. 2 EuErbVO klarstellt, handelt es sich auch bei Art. 21 Abs. 2 EuErbVO um eine Sachnormverweisung.

118

Vgl. dazu Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2012, 1, 5. Vgl. dazu Erwägungsgrund 20 und 21 S. 2. 120 Näher zum Verständnis beider Ausweichklauseln Sonnenberger, FS Kropholler, S. 227, 237 f. 119

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

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4. Rechtswahl, Art. 22, 25 Abs. 3 EuErbVO Schon die Reaktionen auf das Grünbuch zeigten, dass die Zulassung der Rechtswahl durch die Verordnung, welche für viele Staaten Neuland 121 bedeutet, ein großer Diskussionspunkt werden sollte. 122 a) Sachliche Berechtigung der Rechtswahl Überwiegend wird die kollisionsrechtliche Parteiautonomie als Ausfluss der sachrechtlichen Testierfreiheit verstanden.123 Ein anderer Ansatz in der Literatur sieht die Menschen- und Grundrechte, welche die freie Persönlichkeitsentfaltung gewährleisten, als Basis für die Parteiautonomie.124 Diese Auffassung begreift die Rechtswahl als ein Grundprinzip des Kollisionsrechts, welchem Vorrang vor objektiven Anknüpfungsmomenten im Regelfall einzuräumen ist.125 Unabhängig davon, welche Auffassung man als rechtstheoretische Grundlage für überzeugender empfindet, wird die Rechtswahlfreiheit im europäischen internationalen Privatrecht inzwischen in fast allen Regelungsbereichen verwendet und ist insofern anerkannt. b) Die Regelungen von Art. 22 EuErbVO Art. 22 EuErbVO macht für die Rechtswahl Vorgaben bzgl. des gesamten Nachlasses und gibt die für die Rechtswahl erforderlichen Formerfordernisse vor. aa) Wahlmöglichkeiten des Erblassers Die Rechtswahlmöglichkeiten des Art. 22 EuErbVO wurden auf die Wahl zugunsten der Staatsangehörigkeit beschränkt. Bereist beim Grünbuch gingen die Meinungen zum wählbaren Recht weit auseinander.126 Schon im Vorfeld wurde gefordert, auch die Rechtswahl zugunsten des gewöhnlichen Aufenthaltes im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtswahl zuzulassen.127 Für die Zulassung weiterer Rechtswahlmöglichkeiten sprachen sich

121

Vgl. dazu Dörner/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 5. Allgemein wurde die Rechtswahlmöglichkeit aber positiv bewertet; vgl. zu den Stellungnahmen Lehmann, IPRax 2006, 204, 206. 123 Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 5; Mansel, FS Ansay 2006, S. 185, 212; Kindler, IPRax 2010, 44, 49. 124 Jayme, Kollisionsrecht in der Europäischen Union, S. 63, 65. 125 Wilke, RIW 2012, 601, 605 unter Bezug auf Jayme, Kollisionsrecht in der Europäischen Union, S. 63, 65. Ähnlich auch Reichelt/Rechberger/Dutta, S. 60, 66 f. 126 Vgl. Lehmann, IPRax 2006, 204, 206. 127 Dörner/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 5. 122

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

auch im Kontext des ErbVO-E einige Stimmen aus.128 Auf die Wahlmöglichkeit zugunsten eines (vorherigen) gewöhnlichen Aufenthalts wurde mit dem Argument verzichtet, möglichen Missbrauch der Rechtswahl zu verhindern.129 Bedenken bestanden dahingehend, dass potentiellen Erblassern nicht ermöglicht werden sollte, durch eine zeitweise Aufenthaltsverlagerung eine Rechtsordnung wählen zu können, die einen schwächeren bzw. keinen Schutz der Pflichtteilsberechtigten gewährleisten.130 Bezüglich der Staatsangehörigkeit wird in Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 der Verordnung in zwei Fallgruppen unterschieden: Zum einen ist die Wahl des Rechts der Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Rechtswahl, zum anderen im Zeitpunkt des Todes möglich. Diese Unterscheidung ist irritierend: Einleuchtend erscheint die Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des Heimatrechts im Zeitpunkt der Rechtswahl. Diese Rechtswahl kommt vor allem denjenigen Erblassern zugute, die bezüglich ihres Nachlasses Planungssicherheit erhalten wollen. Bei einer beabsichtigten/möglichen zukünftigen Aufenthaltsverlagerung ins Ausland kann so das Risiko ausgeschlossen werden, dass der Nachlass durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt einer ungewünschten ausländischen Rechtsordnung unterstellt wird – eben, dass es zum ungewünschten Statutenwechsel kommt.131 Die zweite Alternative, die Möglichkeit der Rechtswahl zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt des Todes, scheint jedoch nur für die ex-post-Betrachtung durch das mit dem Nachlassverfahren befassten Gericht Vorteile zu bringen. Aus Sicht des planenden Erblassers ist für die Alternative prinzipiell nur ein sehr geringer Anwendungsbereich denkbar. Ändert sich die Staatsangehörigkeit zwischen dem Zeitpunkt der Rechtswahl und dem des Todes nicht, so greift ohnehin schon die erste Alternative ein. In allen anderen Fällen scheint eine Wahlmöglichkeit zugunsten der zukünftigen Staatsangehörigkeit keinen Vorteil zu bringen, denn der Erblasser trägt dann das Risiko, dass diese neue Staatsangehörigkeit vor seinem Tod möglicherweise nicht mehr erworben werden kann und die Rechtswahl unwirksam bleibt.132 128 MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 607 f. insb. Nr. 134; Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 112; Reichelt/Rechberger/Dutta, S. 57, 71; zumindest im Ansatz auch Kindler, IPRax 2010, 44, 49; nochmals Wilke, RIW 2012, 601, 606; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2088; zuletzt auch Lechner, NJW 2013, 26, 27. 129 Lehmann, DStR 2012, 2085, 2088. Zur Diskussion über die mögliche Reichweite einer Rechtswahl vgl. schon Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 562. 130 Leitzen, ZEV 2013, 128. 131 Wilke, RIW 2012, 601, 605; Everts, ZEV 2013, 126. 132 Wilke, RIW 2012, 601, 605 f.

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Wenn eine Rechtswahl Jahrzehnte zurückliegt, bedeutet die zweite Alternative allerdings eine wesentliche Erleichterung für die Gerichte.133 Hat der Erblasser zum Todeszeitpunkt die Staatsangehörigkeit des Landes inne, dessen Recht er damals wählte, so muss das Gericht gerade nicht mehr anhand des alten ausländischen Rechts die Voraussetzungen der fremden Staatsangehörigkeit überprüfen. Dies spart dem Gericht nicht nur Zeit, sondern auch den Erben viel Geld, weil das Gericht selbst in möglicherweise schwierigen Fällen kein Gutachten bzgl. des ausländischen Staatsangehörigkeitsrechts einholen muss. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gestattet dem Erblasser, der über mehrere Staatsangehörigkeiten verfügt, zwischen diesen zu wählen und gibt insofern keine Beschränkung auf eine effektive Staatsangehörigkeit vor.134 bb) Vornahme der Rechtswahl Gem. Art. 22 Abs. 2 EuErbVO kann die Rechtswahl ausdrücklich erfolgen oder konkludent aus dem Inhalt einer Verfügung von Todes wegen geschlossen werden. In der Praxis wird die zweite Möglichkeit zu Auslegungsschwierigkeiten führen, was aber hinzunehmen ist, um auch rechtsunkundigen Erblassern eine Rechtswahl zu ermöglichen.135 Nach Erwägungsgrund 39 S. 2 soll sich eine Rechtswahl insbesondere aus einer Bezugnahme auf Bestimmungen der nationalen Rechtsordnung ergeben können. Eine solche bloße Erwähnung wird in aller Regel jedoch lediglich Indizwirkung haben und keineswegs zwingend sein. 136 Gem. Art. 22 Abs. 3 EuErbVO unterliegt die materielle Wirksamkeit der Rechtswahl dem in der Erklärung bezeichneten Recht. Die Formgültigkeit bemisst sich hingegen nach der nach Art. 27 EuErbVO zu bestimmenden Rechtsordnung. Art. 22 Abs. 4 EuErbVO gibt dies auch für die Änderung und den Widerruf einer Rechtswahl vor. c) Bewertung im Vergleich zum deutschen autonomen Recht Auch wenn man im Kontext der EuErbVO nicht von „freier Rechtswahl“ sprechen kann,137 so ist die Rechtswahlmöglichkeit der EuErbVO im Ver-

133

Wilke, RIW 2012, 601, 606. Vollmer, ZErb 2012, 227, 231. 135 Dörner, ZEV 2012, 505, 511. 136 Dörner, ZEV 2012, 505, 511. 137 Wie Wilke, RIW 2012, 601, 605 richtig bemerkt, war Art. 17 ErbVO-E noch mit „Freie Rechtswahl“ überschrieben. In der Folgezeit wurde dies zu „Rechtswahl“ abgeändert. 134

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

gleich zu der (noch) bestehenden Rechtslage in Deutschland nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB dennoch ein deutlicher Fortschritt. Art. 25 Abs. 2 EGBGB lässt lediglich die Wahl deutschen Rechts für im Inland belegene Immobilia zu. Damit hat Art. 25 Abs. 2 EGBGB für deutsche Staatsbürger deklarative Bedeutung. Nur für Ausländer kann die Rechtswahlmöglichkeit überhaupt relevant werden. 138 Besitzt der Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten, so kann er das Recht jedes dieser Staaten wählen, Art. 22 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO. Eine Unterscheidung bezüglich der „Wertigkeit“ der Staatsangehörigkeit kennt die Verordnung nicht. Anders geht bisher das deutsche Recht mit dieser Konstellation in Art. 5 Abs. 1 EGBGB um. Nach Art. 5 Abs. 1 S. l EGBGB richtet sich das Erbstatut des ausländischen Mehrstaaters nach dem effektiven Heimatrecht. Dabei kommt es darauf an, welche von mehreren Staatsangehörigkeiten „gelebt“ wird.139 Bei Vorhandensein einer deutschen Staatsangehörigkeit nimmt der Gesetzgeber diese Bewertung vorweg: Das deutsche Heimatrecht ist bei einem deutschen Mehrstaater gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB stets vorrangig. 140 5. Verweisungsgrundsätze In Art. 36 bis 38 EuErbVO werden notwendige Regelungen für Staaten mit mehreren Teilrechtsordnungen getroffen: Nach Art. 38 EuErbVO sind interlokale Konflikte nicht von der Verordnung erfasst. Soweit ein Staat mehrere Gebietseinheiten mit unterschiedlichen Teilrechtsordnungen hat, so wird jede der einzelnen Gebietseinheiten als eigener Staat betrachtet. Es kommt dann also auf den jeweiligen konkreten Aufenthaltsort innerhalb des Staates an, Art. 36 Abs. 2 EuErbVO bzw. auf die internen Vorschriften nach Art. 36 Abs. 1 EuErbVO.141 Eine vergleichbare Regelung wird in Art. 37 EuErbVO für Staaten mit interpersonalen Kollisionsvorschriften getroffen. Israel unterscheidet, wie oben schon ausgeführt, zwischen jüdischen und muslimischen Staatsangehörigen. Art. 23 Abs. 1 EuErbVO stellt klar, dass die Verordnung vom Grundsatz der Nachlasseinheit ausgeht. Die Verweisung gilt universell, also selbst bei Verweisung auf das Recht eines Nicht-EU-Staates (Art. 20 EuErbVO). Die in Deutschland derzeit noch durch Art. 3a Abs. 2 EGBGB erzeugte Nachlassspaltung bezüglich im Ausland belegener Immobilia 138 Schulze/Dörner/Ebert/Staudinger, Art. 25, Rn. 12; vgl. dazu auch MüKo/Birk, Art. 25 EGBGB, Rn. 69. 139 Näher zur Bestimmung MüKo/Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rn. 4 ff. 140 Dazu näher Staudinger/Bausback, Art. 5 EGBGB, Rn. 18 ff. 141 Ausführlich zur Verweisung auf einen Mehrrechtsstaat nach deutschem IPR und der EuErbVO nun auch v. Sachsen Gessaphe, Internationales Recht im Wandel, S. 163 ff.

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

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wird dadurch künftig vermieden: Ein Mittel, den Pflichtteil eines ungeliebten Erben zu schmälern, ist nach bisheriger Rechtslage in Deutschland der Immobilienerwerb in einer Rechtsordnung, die kein oder nur ein eingeschränktes Pflichtteilsrecht kennt.142 Unterstellt diese Rechtsordnung Immobiliarvermögen der lex rei sitae, so ist dies vom deutschen Recht nach Art. 3a Abs. 2 EGBGB hinzunehmen und eine Nachlassspaltung wird herbeigeführt.143 Da die Pflichtteilsrechte im Falle der Nachlassspaltung grundsätzlich für jeden Nachlassteil gesondert zu bestimmen sind, erstreckt sich der Pflichtteilsanspruch an der deutschen Nachlassmasse gerade nicht auf die im Ausland belegene Immobilie.144 Eine entsprechende Umstrukturierung des Nachlassvermögen 145 zugunsten eines großen Spaltnachlasses in einer solchen Rechtsordnung kann das pflichtteilsfähige Vermögen daher wesentlich einschränken. Der Vorteil eines solches Vorgehens ist, dass § 2325 BGB nicht zugunsten des Pflichtteilserben einschlägig ist, da gerade keine Veräußerung und Schmälerung von Nachlassvermögen vorliegt, sondern lediglich eine Umwandlung von Vermögenswerten.146 Der BGH sieht in diesem Vorgehen nach noch nicht geänderter Rechtsprechung auch keinen Verstoß gegen den ordre public des Art. 6 EGBGB.147 Die diesbezüglichen Möglichkeiten zur Nachlassschmälerung sind nun ausgeschlossen.148 Statt das Vermögen zu verlagern, müsste nun der gewöhnliche Aufenthalt der Person verlagert werden.149 6. Rückverweisung nach Art. 34 EuErbVO Eine etwaige Rück- oder Weiterverweisung durch das am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers geltende Kollisionsrecht eines Drittstaates wird nun nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO berücksichtigt. Der Entwurf von 2009 kannte eine dem Art. 34 EuErbVO vergleichbare Regelung noch nicht und ließ, ganz ähnlich wie die Rom I-VO und Rom II-VO, den renvoi nicht zu. Negativ formuliert hätte dies dazu führen können, dass das mitgliedstaatliche Gericht auch dann dazu verpflichtet gewe142 Dafür bieten sich vor allem die anglo-amerikanischen Teilrechtsordnungen an, bspw. Florida (USA), England. Aber auch die spanische Region Navarra und die Insel Menorca kennen kein Pflichtteilsrecht; Everts, ZEV 2013, 124, 126. 143 Everts, ZEV 2013, 124; Hausmann/Hohloch/Hohloch/Heckel, Kapitel 26, Rn. 127. 144 Vgl. Graf, Rn. 556; Groll/Kindler, F, Rn. 145 m.w.N. 145 Auflösung des inländischen Mobiliarvermögens zugunsten des ausländischen Immobiliarvermögens. 146 Everts, ZEV 2013, 124, 125. 147 BGH NJW 1993, 1920, 1921; vgl. dazu Everts, ZEV 2013, 124, 125. 148 So auch Odersky, notar 2013, 3, 4; Lehmann, ZErb 2013, 25. 149 Everts, ZEV 2013, 124, 126.

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sen wäre, drittstaatliches Recht anzuwenden, wenn die Rechtsordnung dieses Staates selbst nicht die Anwendbarkeit ihres materiellen Rechts vorgesehen hätte. a) Diskussion um die diesbezügliche Rechtssetzungskompetenz der Union Dieses Vorgehen ist in Bezug auf die Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Union nicht unproblematisch. Im Rahmen des Entstehungsprozesses der Erbrechtsverordnung wurde dieser Punkt vom Schrifttum daher sehr ambivalent beurteilt: Der Lissabonner Vertrag sieht in Art. 67 Abs. 1 i.V.m. Art. 81 Abs. 1 AEUV eine EU-Rechtssetzungskompetenz für Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug vor.150 Damit soll eine Stärkung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und der Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten (Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV) erreicht werden, soweit diese dafür erforderlich ist.151 Die EuErbVO liegt als kollisionsrechtsvereinheitlichende Maßnahme, die der Stärkung der Personenfreizügigkeit der Unionsbürger dienen soll, damit grundsätzlich im Rahmen dieser Rechtssetzungskompetenz.152 Unklar ist aber, ob eine unmittelbare Binnenmarktrelevanz eine weitere Voraussetzung nach Art. 81 Abs. 2 AEUV sein muss. Die Vorschrift besagt, dass eine Rechtsetzungskompetenz besteht, insbesondere153 wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist“. Dies wird überwiegend so verstanden, dass eine unmittelbare Binnenmarktrelevanz nicht mehr notwendig ist, weil die Rechtsetzungskompetenz vielmehr „dem Aufbau des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art. 3 Abs. 2 EUV)“ diene.154 Die frühere Rechtslage nach Art. 61 lit. c i.V.m. Art. 65 EGV,155 welche ausdrücklich den Binnenmarktbezug einforderte, wird dementsprechend als überholt aufgefasst.156 Bereits zu Art. 61 lit. c i.V.m. Art. 65 EGV hatte der EuGH im Kontext des EVÜ vertreten, dass der Begriff des Binnenmarktbezugs zwar eigentlich Verbindungen zu zwei Mitgliedstaaten voraussetze, aber „dass ganz sicher die Vereinheitlichung […], die hinsichtlich der Vorschriften über Kompetenz150

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 1 zum Verordnungsentwurf. Kindler, IPRax 2010, 44, 48. 152 Mansel, FS Ansay, 2006, S. 185, 191 f. m.w.N.; dies bestärkend auch Kindler, IPRax 2010, 44, 48. 153 Hervorh. d. Verf. 154 So Grabitz/Heß, Art. 81, Rn. 37. 155 Vgl. Heggen, RNotZ 2007, 1, 8; Mansel, Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 1 ff.; Stumpf, EuR 2007, 291, 302; Navratilova, GPR 2008, 144, 146 ff. 156 So Grabitz/Heß, Art. 81, Rn. 37. 151

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konflikte und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen durch das EuGVÜ für Rechtsstreitigkeiten mit einem Auslandsbezug erfolgt ist, als solche zum Ziel gehabt hat, die Hemmnisse für das Funktionieren des Binnenmarktes, die sich aus den Unterschieden in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften ergeben können, zu beseitigen.“157 Diese Entscheidung betraf aber gerade keinen Fall mit Anknüpfungstatsachen in einem Drittstaat.158 Im Erst-Recht-Schluss schien der universellen Anwendbarkeit der Verordnung unter Zugrundelegung von Art. 81 Abs. 2 AEUV nichts im Wege zu stehen: Wie auch bei der Rom II-VO wurde argumentiert, dass eine universell anwendbare Verordnung nicht Gefahr laufen kann, schwierige Abgrenzungen zwischen Binnenmarkt- und Drittstaatenfällen treffen zu müssen.159 Dagegen wurde aber angeführt, dass eine binnenmarktindifferente Gesetzgebungskompetenz ersichtlich nicht von der Kompetenzeinräumung durch die Mitgliedstaaten gedeckt sei, so wie sie das BVerfG verstehe. 160 Wie Kindler ausführt, geht es auch weiterhin „in Art. 81 AEUV um die justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und auch der grenzüberschreitende Bezug ist selbstverständlich ein solcher zwischen den Mitgliedstaaten“.161 Dementsprechend vertrat er, dass die durch die Verordnung ausgesprochene Verweisung gegenüber Drittstaaten nur eine IPRVerweisung sein dürfe:162 Für die Beschränkung auf Binnenmarktsachverhalte führte er das gemeinschaftsrechtliche Subsidiaritätsprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an.163 Das Lissabon-Urteil des BVerfG habe der Gemeinschaftskompetenz genau dort eine Grenze gezogen, wo es nicht mehr um die sachlich notwendige Koordinierung grenzüberschreitender Sachverhalte gehe.164 Außerdem müssten die auf europäischer Ebene bestehenden Einzelermächtigungen in einer die mitgliedstaatlichen Zu157

EuGH v. 1.3.2005 – Rs. C-281/02, Owusu, Slg. 2005, I-1445, Rn. 34. Darauf bezugnehmend Jayme/Kohler, IPRax 2005, 481 f.; Mansel, FS Ansay 2006, S. 185, 195 ff., 213 f.; sowie Kindler, IPRax 2010, 44, 48. 158 Kindler, IPRax 2010, 44, 48 mit Verweis auf Jayme/Kohler, IPRax 2005, 481. 159 Kindler, IPRax 2010, 44, 48 m.w.N. zu den Befürwortern einer Gemeinschaftskompetenz für die Normierung der universellen Anwendung der Rom II-VO. 160 So Kindler, IPRax 2010, 44, 48 mit Verweis auf BVerfG NJW 2009, 2269. Kritisch auch Sonnenberger, IPRax 2011, 325, 327. 161 Kindler, IPRax 2010, 44, 48. 162 Kindler, IPRax 2010, 44, 48 f. Auch Schurig sprach vom Ausschluss des renvoi nach Art. 26 ErbVO-E als „einem schweren rechtspolitischen Fehler“; Schurig, FS Spellenberg S. 343, 348 f. Das MPI schlug ebenfalls die Verwendung des renvoi vor; MPI, RabelsZ 74 (2010), 522, 656 ff. Ebenso befürwortend Reichelt/Rechberger/Vékás, S. 41, 55. 163 Kindler, IPRax 2010, 44, 48; zust. Reichelt/Rechberger/Vékás, S. 41, 55. 164 Kindler, IPRax 2010, 44, 48 m. Verw. auf BVerfG NJW 2009, 2269, Rn. 251.

214

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

ständigkeiten schonenden Weise wahrgenommen werden.165 Entscheidend aber sei, dass die Freizügigkeit der Unionsbürger – auf welche sich die Kommission bei der Begründung zur Erbrechtsverordnung mehrfach berufe166 – nur im Hoheitsgebiet der EU als Rechtfertigungsgrund dienen könne.167 Zudem ist die Anwendbarkeit des drittstaatlichen Rechts als Resultat der objektiven Anknüpfung, anders als bei der Rechtswahl, gerade kein (hinnehmbarer) Ausfluss des Willens des Erblassers.168 Diese Kritik mag man zwar mit Verweis auf den offenen Wortlaut von Art. 81 Abs. 2 AEUV unbeachtet lassen. Unabhängig davon aber, wie weit oder eng man eine Rechtsetzungskompetenz der EU im internationalen Privatrecht ziehen will, überzeugen die Argumente der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit insbesondere in Bezug auf Drittstaatenfälle und den renvoi. Auch die Kommission folgte schließlich diesem Ansatz und schuf mit Art. 34 EuErbVO eine differenzierte Regelung des renvoi. Damit kehrte man zu der traditionellen Vorgehensweise im IPR zurück.169 b) Die Vorgaben von Art. 34 EuErbVO im Einzelnen Die Regelungen von Art. 34 EuErbVO sind komplex ausgestaltet. Anders als in den Art. 20 Rom I-VO und Art. 24 Rom II-VO ist der renvoi nicht völlig ausgeschlossen. Art. 34 Abs. 2 EuErbVO stellt zunächst klar, dass die Kollisionsnormen Art. 21 Abs. 2 EuErbVO (Ausweichklausel) und Art. 22 EuErbVO (Rechtswahl) Sachnormverweisungen darstellen. Dasselbe gilt für die Anknüpfung von Formfragen nach Art. 27 und Art. 28a EuErbVO. Art. 34 Abs. 2 EuErbVO verfolgt damit den traditionellen Ansatz im Kollisionsrecht.170 Hinsichtlich der allgemeinen Kollisionsnorm des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ist zu differenzieren. Das nach Art. 4 EuErbVO zuständige mitgliedstaatliche Gericht wendet ohnehin nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO sein eigenes Recht an. Es bedurfte insofern keiner gesonderten Feststellung in Art. 34 Abs. 1 EuErbVO.171 Ergibt sich die internationale Zuständigkeit hingegen nicht aus Art. 4 EuErbVO, sondern aus Art. 10 oder 11 EuErbVO, so ist zu unterscheiden: Befand sich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in einem 165

Kindler, IPRax 2010, 44, 48 m. Verw. auf BVerfG NJW 2009, 2269, Rn. 251. Erwägungsgrund Nr. 32 des Verordnungsentwurfes; allgemeine Begründung auf S. 2, Begründung zu Art. 17, S. 7. 167 Kindler IPRax 2010, 44, 48. 168 Vgl. Reichelt/Rechberger/Vékás, S. 41, 55 unter Bezugnahme auf Mansel, FS Ansay 2006, S. 185, 212. 169 Bajons, Europäische Erbrechtsverordnung, S. 29, 31. 170 Dutta, FamRZ 2013, 4, 12. 171 So auch Bajons, FS Rüßmann, S. 751, 758. 166

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

215

Drittstaat, so ist die Verweisung zunächst als Gesamtverweisung daraufhin zu überprüfen, welches Recht hypothetisch anwendbar ist.172 Verweist das Kollisionsrecht des Drittstaats auf das Recht eines Mitgliedstaates (nicht notwendigermaßen das Recht des Gerichtsstaates) zurück, so ist die Verweisung gem. Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO als Sachnormverweisung aufzufassen und die Verweisungskette abzubrechen. 173 Beispiel:174 Der Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt und sein domicile in England, aber eine Immobilie in Deutschland. Die Verweisung von Art. 21 Abs. 1, 34 Abs. 1 lit. a, 36 Abs. 2 lit. a EuErbVO führt zunächst in das englische Kollisionsrecht, welches die lex rei sitae, also deutsches Recht anwenden will. Es kommt damit zur Nachlassspaltung, da im Übrigen das englische Recht Anwendung findet.175 Entsprechendes gilt, wenn das Recht des Drittstaates nach Art. 34 Abs. 1 lit. b EuErbVO auf das Recht eines weiteren Drittstaates verweist, welches die Verweisung annimmt. Insofern ist von einer Gesamtverweisung mit Verweisungsannahme auszugehen. 176 7. Eingriffsnormen Art. 30 stellt klar, dass in seltenen Ausnahmefällen die Regelanknüpfung nach Art. 21 EuErbVO durchbrochen werden kann und das Belegenheitsrecht mit besonderen Regelungen zur Anwendung kommen kann. Um einen Ausnahmefall zu bejahen, muss der Mitgliedstaat, in dem ein Vermögenswert belegen ist, diesen aber so unter Schutz stellen, dass die Schutzvorschriften unabhängig vom Erbstatut eingreifen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Umgang mit Art. 3a Abs. 2 EGBGB, der auch die Nachlassspaltung aufgrund der Anknüpfung von Immobilia an die lex rei sitae als Unterfall zulässt.177 8. Erbverträge Für den Erbvertrag bringt Art. 25 Abs. 3 EuErbVO durch die Verweisung auf die Rechtswahlmöglichkeiten des Art. 22 EuErbVO eine wesentliche Erleichterung durch größere Flexibilität.178 172

Bajons, Europäische Erbrechtsverordnung, S. 29, 39. Bajons, FS Rüßmann, S. 751, 758. 174 Vgl. zur Konstellation und Lösung Odersky, notar 2013, 3,4. 175 Vgl. Odersky, notar 2013, 3,4; Bajons, Europäische Erbrechtsverordnung, S. 29, 173

38.

176

Bajons, FS Rüßmann, S. 751, 759. MüKo/Sonnenberger, Art. 3a EGBGB, Rn. 12 sowie Schurig, FS Spellenberg, S. 343, 350. 178 Vgl. insg. zur Behandlung von Erbverträgen Nordmeier, ZErb 2013, 112 ff.; ders., ZEV 2013, 117 ff.; Döbereiner, ZEV 2013, 437 ff. 177

216

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

9. Gemeinschaftliche Testamente Eine explizite Kollisionsnorm für gemeinschaftliche Testamente ist in der EuErbVO nicht zu finden. Gemäß der in Art. 3 Abs. 1 lit. c EuErbVO vorgegebene verordnungsautonome Definition ist unter einem gemeinschaftlichen Testament ein von zwei oder mehr Personen in einer einzigen Urkunde errichtetes Testament zu verstehen. Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO ist des Weiteren zu entnehmen, dass das gemeinschaftliche Testament wie andere Testamente und Erbverträge als Verfügungen von Todes wegen verstanden wird. Das gemeinschaftliche Testament unterliegt damit dem „hypothetischen Erbstatut“179: Zulässigkeit, formelle und materielle Wirksamkeit richten sich nach der Rechtsordnung, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nach Art. 22 oder 21 EuErbVO auf den Erbfall anwendbar gewesen wäre. Um die Planungssicherheit zu erhöhen, werden die Erblasser hierbei wohl meist eine Rechtswahl vornehmen.180 10. Ordre public Nach Art. 35 EuErbVO kann die Anwendung ausländischen Erbrechts nur versagt werden, wenn sie einen Verstoß gegen den inländischen ordre public nach sich ziehen würde.181 Damit korrespondiert Art. 40 lit. a EuErbVO bzgl. der Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen. Mit der neuen Fassung des Art. 35 EuErbVO wurde auf die an Art. 27 ErbVO-E182 geäußerte Kritik reagiert. Art. 27 ErbVO-E schloss einen Rückgriff auf den ordre public aus für Fälle, in denen das ausländische Recht einen niedrigeren Pflichtteilsanspruch gewährleistet. Dies wurde im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG183, nach dem das Pflichtteilsrecht von Art. 14 GG geschützt ist, sehr kritisch gesehen.184 Die jetzige Formulierung 179

Auch die Bezeichnung „Errichtungsstatut“ wird verwendet. Näher zur Behandlung des gemeinschaftlichen Testaments Nordmeier, ZEV 2012, 513 ff.; zur str. Frage der Bindungswirkung von gemeinschaftlichen Testamenten vgl. auch Buschbaum/Simon, NJW 2012, 2393, 2396; Lechner, NJW 2013, 26 f.; Lehmann, ZErb 2013, 25; Lehmann/Hahn, ZEV 2013, 192, 195¸ Döbereiner, ZEV 2013, 437, 438. 181 Vgl. Dörner, ZEV 2012, 505, 512. 182 Art. 27 Öffentliche Ordnung (ordre public) „2. Die Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nicht allein deshalb als mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts unvereinbar angesehen werden, weil sie den Pflichtteilsanspruch anders regelt als das Recht am Ort des angerufenen Gerichts.“ 183 BVerfG NJW 2005, 1561. 184 Dazu schon Kindler, IPRax 2010, 44, 48: In der Entscheidung „Vertrag von Lissabon“, BVerfG NJW 2009, 2269, Rn. 337, bestätigte das BVerfG zwar die Entscheidung „Solange II“ und den damit verbundenen grundsätzlichen Verzicht auf die Prüfung des Gemeinschaftsrechts am Maßstab der deutschen Grundrechte. Dennoch betonte es zu180

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

217

orientiert sich stark an den fast wortgleichen Formulierungen des ordre public in Art. 21 Rom I-VO und Art. 26 Rom II-VO.185 Die Bedeutung des Art. 35 EuErbVO wird in der Praxis voraussichtlich sehr gering ausfallen: Der intendierte Gleichlauf von forum und ius kann nur durch die Rechtswahl zugunsten eines ausländischen Heimatrechts (Art. 22 EuErbVO), durch die Anwendung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO oder durch eine Zuständigkeit eines Gerichts nach Art. 10 oder Art. 11 EuErbVO durchbrochen werden, so dass das Gericht in der weit überwiegenden Mehrheit der Fälle sein eigenes Recht anwenden wird.186 11. Anerkennung und Vollstreckung Die Anerkennung und Vollstreckung erbrechtlicher Entscheidungen in Art. 39 ff. EuErbVO orientiert sich sehr stark an Art. 33 ff. Brüssel I-VO. Die Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts muss nach Art. 39, 41 EuErbVO in den übrigen Mitgliedstaaten ohne besonderes Verfahren und ohne Prüfung in der Sache anerkannt werden. Ist zwischen den Parteien streitig, ob die Entscheidung anzuerkennen ist, so verweist Art. 39 Abs. 2 EuErbVO auf das Feststellungsverfahren der Art. 38 ff. Brüssel IVO. Die Gründe für die Verweigerung der Anerkennung ausländischer Entscheidungen sind auf den Katalog des Art. 40 EuErbVO beschränkt. Auch bezüglich der Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung wird auf Art. 38 ff. Brüssel I-VO verwiesen. Wie Art. 43 EuErbVO vorgibt, kann eine (vollstreckbare) Entscheidung nach Durchführung des Antragsverfahrens nach Art. 45–48 EuErbVO auch in einem anderen Mitgliedstaat für vollstreckbar erklärt werden. Art. 46 EuErbVO gibt die wesentlichen Förmlichkeiten für die Antragstellung vor. Sind diese Förmlichkeiten erfüllt, so wird die Entscheidung unverzüglich ohne Prüfung nach Art. 40 EuErbVO für vollstreckbar erklärt. Gegen die Entscheidung über die Vollstreckbarkeitserklärung kann aber nach Art. 50 EuErbVO Rechtsbehelf eingelegt werden. 12. Annahme öffentlicher Urkunden Neuland betritt die Verordnung mit dem Kapitel zu öffentlichen Urkunden und gerichtlichen Vergleichen.187 Das Kapitel V regelt in den Art. 59 ff. EuErbVO den Umgang mit öffentlichen Urkunden. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO ist unter einer öffentlichen Urkunde ein Schriftstück in Erbsagleich die sozial- und gesellschaftspolitische Bedeutung des Freiheitsgrundrechts auf Eigentum (Rn. 377). 185 Zum Grundgehalt dieser Normen vgl. Heinze, FS Kropholler, S. 105, 121 ff. 186 Dörner, ZEV 2012, 505, 512. 187 Vgl. Dutta, FamRZ 2013, 4, 13 f.

218

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

chen zu verstehen, das als öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet und eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht und durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgelegt worden ist. Insbesondere fallen darunter das notarielle Testament und der Erbvertrag. Nach Art. 59 EuErbVO hat die öffentliche Urkunde in jedem Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft, die sie im Ursprungsmitgliedstaat hat bzw. die am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern dies mit dem dortigen ordre public vereinbar ist. Bezüglich der Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden verweist Art. 60 EuErbVO wiederum auf die Vorschriften der Art. 45 ff. EuErbVO. Dies entspricht wiederum dem Prozedere des Art. 57 Brüssel I-VO.188 13. Das europäische Nachlasszeugnis Ein „heimlicher Schwerpunkt“189 der Verordnung findet sich im Kapitel VI: Mit der EuErbVO wird erstmals ein einheitliches europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) eingeführt, welches in Art. 62 ff. EuErbVO geregelt wird. Ziel der Einführung ist die Erleichterung der grenzüberschreitenden Nachlassabwicklung, da Erbfälle, in denen Nachlassgegenstände in mehreren Mitgliedstaaten existieren, mit der grenzüberschreitenden Mobilität der europäischen Bürger zunehmen. 190 Nach Art. 62 II Rom IV ist das ENZ weder verbindlich noch tritt es an die Stelle des innerstaatlichen Zeugnisses.191 Anders als der deutsche Erbschein ist das Europäische Nachlasszeugnis mit einer Fülle von Informationen „vollgestopft“.192 So enthält das ENZ kumulativ alle Anforderungen der in Betracht kommenden mitgliedstaatlichen Zeugnisse, die nach bisheriger Rechtslage zum Teil sehr unterschiedlich gestaltet sind.193 Damit sind auch Vermächtnisnehmer und einzelne Nachlassgegenstände aufzunehmen, vgl. Art. 63 Abs. 1 und 2 EuErbVO. Das nationale Erbscheinsverfahren wird daher also weiterhin schneller und einfacher im Vergleich zum europäischen Nachlasszeugnisverfahren sein.194 188

Vgl. Wilke, RIW 2012, 601, 608. So Dörner, ZEV 2010, 505, 506; vgl. auch Burandt, FuR 2013, 443, 445. 190 So auch DNotV Stellungnahme S. 29. 191 Zur Erbsscheinserteilung in int. Erbfällen nach deutschem autonomem Recht siehe Schäuble, ZErb 09, 200 ff. Näher zum Verhältnis zum deutschen Erbschein: Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 528. 192 Schurig, FS Spellenberg, S. 342, 352. 193 Näher zu den unterschiedlichen Ausgestaltungen Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 7. 194 Vgl. dazu schon DNotV, Stellungnahme S. 29. 189

II. Die Regelungen der EuErbVO im Einzelnen

219

a) Zuständigkeit Das nach Art. 4 ff. EuErbVO zuständige Gericht ist auch für die Erteilung des ENZ zuständig, um einen Gleichlauf von forum und ius zu erzielen. Die einheitliche Nachlassabwicklung hinsichtlich des gesamten Vermögens des Erblassers setzt aber voraus, dass sich dieses vollständig innerhalb von Mitgliedstaaten (ohne die nicht an der Verordnung teilnehmenden Staaten Großbritannien, Irland und Dänemark) befindet, da das ENZ in Drittstaaten allein kraft Unionsrechts keine Geltung beanspruchen kann. 195 b) Antrag nach Art. 65 EuErbVO Dabei muss der Antragsteller die Anforderungen des Art. 65 EuErbVO erfüllen. Diese gehen zum Teil deutlich über die Anforderungen des deutschen Rechts in §§ 2351, 2355 BGB hinaus.196 c) Wirkungen des Nachlasszeugnisses Vorteil des ENZ ist vor allem, wie Art. 69 Abs. 1 EuErbVO zum Ausdruck bringt, dass es von sämtlichen Mitgliedstaaten als Nachweis der Erbenstellung oder der Stellung als Vermächtnisnehmer akzeptiert werden muss. Insbesondere kommen dem ENZ dabei drei Funktionen zu: Beweiswirkung, Gutglaubenswirkung und Legitimationswirkung.197 Art. 69 Abs. 2 EuErbVO spricht eine Vermutung bzw. Beweiswirkung bezüglich der Rechtsstellung und Befugnisse aus, die im Zeugnis genannt werden. Art. 69 Abs. 3 und Abs. 4 EuErbVO sprechen jeweils eine Gutglaubenswirkung bei Leistungen an den laut Nachlasszeugnis Berechtigten aus. Art. 69 Abs. 5 EuErbVO berechtigt bezüglich der Eintragung des Nachlassvermögens in mitgliedstaatliche Register, wobei insbesondere das Grundbuch von Bedeutung ist. 198 14. Bewertung Die Verordnung wird durch ihr klares Bekenntnis zur Nachlasseinheit, zu Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht sowie zur Aufenthaltsanknüpfung die Planung und Abwicklung der ab 17.8.2015 eintretenden Erbfälle mit Auslandsbezug wesentlich vereinfachen.199 An die Stelle mehrerer Nachablassabwicklungsverfahren tritt nun 195

Bajons, Europäische Erbrechtsverordnung, S. 29, 31. Vgl. dazu Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525. 197 Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 527 f. 198 Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 528 f., sowie insb. Wilsch, ZEV 2012, 530 ff.; Hertel, ZEV 2013, 539 ff. 199 Dörner, ZEV 2012, 505, 513; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2089. 196

220

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

in allen an der Verordnung beteiligten Mitgliedstaaten ein einheitliches Verfahren. 200 Auswirkungen auf Erbfälle ohne Auslandsbezug hat die Verordnung hingegen nicht. Für Erblasser, die in einem Staat leben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, nehmen die Gestaltungsmöglichkeiten mittels Rechtswahl deutlich zu.201 Die Möglichkeit der Rechtswahl wurde allerdings nur in beschränktem Umfang „freigegeben“. Sie kompensiert für den Rechtsanwender den Verlust an Anknüpfungssicherheit durch die Aufgabe der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit. Der informierte Erblasser kann durch eine Rechtswahl sein Kontinuitätsinteresse durchsetzen und den gewöhnlichen Aufenthalt komplett ausschalten. Eine offene Frage bleibt, wie dem Kontinuitätsinteresse von potentiellen Erblassern gerecht zu werden ist, die von der Rechtswahl keinen Gebrauch machen. Das ENZ ist ein völlig neues Konzept – die EU begibt sich hier auf Neuland.202 Im Detail gibt es noch einige Fragen zu klären und das ENZ muss sich in der Praxis erst bewähren.203

III. Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt 1. Verordnungsautonome Auslegung Während des Gesetzgebungsverfahrens war zunächst unklar, ob der gewöhnliche Aufenthalt von der lex fori zu bestimmen oder ob eine verordnungsautonome Auslegung vorzunehmen ist. So nahm Kindler in seiner Reaktion auf den Entwurf noch an, dass bezüglich des Begriffsverständnisses ein Gleichlauf mit dem Haager Testamentsformübereinkommen (HTFÜ) erreicht werden müsse, da Art. 19 Abs. 2 lit. k ErbVO-E die Formgültigkeit von Verfügungen von Todes wegen ausdrücklich vom Geltungsbereich der Verordnung ausgeschlossen hatte.204 Diesen Gleichlauf hätten die nationalen Gerichte durch eine am HTFÜ orientierte Auslegung anhand der lex fori erreichen können. Inso-

200

Vgl. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2089. Vgl. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2089. 202 Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525, 529. 203 Ein deutsches Einführungsgesetz zur EuErbVO mit Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit, zu Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen und zum Europäischen Nachlasszeugnis kann dabei einen wesentlichen Beitrag zur Problemlösung leisten, Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 10. 204 Kindler, IPRax 2010, 44, 46. 201

III. Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt

221

fern wurde der vielfach geäußerten Kritik aber stattgegeben: 205 Art. 27 Abs. 1 und 2 EuErbVO integrieren inzwischen die Regelungen des HTFÜ, so dass insofern kein „Auslegungsgleichlauf“ erzeugt werden muss. Damit erübrigt sich auch die Möglichkeit bzw. das Bedürfnis einer Definition nach der lex fori.206 Der gewöhnliche Aufenthalt ist daher grundsätzlich verrordnungsautonom auszulegen.207 2. Fehlende Legaldefinition a) Diskussion Eine Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts fehlt trotz dessen Stellung als Schlüsselbegriff in der EuErbVO. Das gleiche Problem ergibt sich, wie oben mehrfach angesprochen, bei sämtlichen anderen europäischen Verordnungen im internationalen Privat- und Verfahrensrecht sowie den Haager Übereinkommen.208 Im Gesetzgebungsverfahren war dieser Punkt sehr kontrovers diskutiert worden. Vielfach war im Schrifttum eine Definition des Begriffs gefordert worden.209 Für eine Definition wurde insbesondere angeführt, dass eine solche die einheitliche Auslegung des Begriffs im spezifisch erbrechtlichen Kontext in der gesamten europäischen Union erleichtern könne. 210 So könnten auch genauere inhaltliche Anforderungen transparenter an den Rechtsanwender vermittelt werden. Dennoch war die Entscheidung des Verordnungsgebers eine bewusste: Gegen eine Legaldefinition wurde vorgebracht, dass eine solche dem Wesen des gewöhnlichen Aufenthalts als „Kind der Haager Konferenzen“ widerspräche, da diese den Begriff stets undefiniert ließen.211 Gewissermaßen in deren Fortsetzung hat auch die Europäische Union stets auf eine 205

So insb. Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einf EG-ErbVO-E, Rn. 78; Dutta, RabelsZ 43 (2009), 547, 586; vor diesen schon Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 6. 206 So richtig auch Wilke, RIW 2012, 601, 603. Unzutreffend in seiner Analyse insofern jedoch Seyfarth, S. 243 Fn. 807, der Kindlers berechtigte Annahme eines Gleichlaufbedürfnisses mit dem HTFÜ völlig zu verkennen scheint. 207 Vgl. auch Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 568 f.; Odersky, notar 2013, 3, 4. 208 Vgl. S. 107. 209 So bspw. Lehmann, FPR 2008, 203, 204, ders., DStR 2012, 2085, 2086; Volz, IPRax 2005, 64, 65; Mansel, FS Ansay 2006, 185, 211; Lorenz, ErbR 2012, 39, 44. Grundsätzlich wohl auch Kindler, IPRax 2010, 44, 45. Vgl. schon die Stellungnahme des Justizministeriums Baden Württemberg vom 19.8.2005, S. 2, welche sich bereits frühzeitig für eine Legaldefinition aussprach. 210 So schon die Stellungnahme des Justizministeriums Baden Württemberg vom 19.8.2005, S. 2. 211 Lehmann, FPR 2008, 203, 205.

222

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Legaldefinition verzichtet. Nun für die EuErbVO erstmals eine Definition zu verwenden, wäre inkonsequent gewesen. Des Weiteren wurde gegen eine Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts eingewendet, dass eine solche genauso viele Probleme schaffen wie lösen würde. Im Zweifel würde dann über die Auslegung weiterer Begriffe diskutiert werden müssen.212 Einzig möglich sei eine allgemein gehaltene Umschreibung des Begriffs, welche die Auslegungsschwierigkeiten ohnehin nicht beseitigen würde.213 b) Bewertung Rechtspolitisch wäre eine Legaldefinition wünschenswert gewesen, hätte man den gewöhnlichen Aufenthalt in eine bestimmte Richtung weiterentwickeln wollen. Zwar ist auch ohne Legaldefinition eine eigenständige inhaltliche Ausfüllung durch die Rechtsprechung möglich, der Gesetzgeber hat aber letztendlich die Chance verpasst, genauere Vorgaben zur Ausgestaltung zu machen. Im Kontext der EuErbVO wird es trotz der Rechtswahlmöglichkeit in sehr vielen Fällen auf die genaue Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ankommen, so dass hier Vorgaben normativer Art durchaus sinnvoll gewesen wären, wenngleich auch zuzugeben ist, dass zahlreiche Gesetzesvorhaben214 durch den Versuch einer Legaldefinition von unbestimmten Rechtsbegriffen nur eine Verlagerung der Definitionsprobleme herbeiführten. Immerhin aber geben die Erwägungsgründe 23, 24 und 25 eine Hilfestellung bei der Auslegung. 3. Die Auslegungshilfe der Erwägungsgründe 23 und 24 a) Entwicklung der Erwägungsgründe im Gesetzgebungsverfahren Die Erwägungsgründe des Verordnungsentwurfs von 2009 enthielten noch keine Vorgaben zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts. Erst gegen Ende des Rechtssetzungsprozesses wurden in den Verhandlungen im Europäischen Parlament Hilfestellungen in die Erwägungsgründe aufgenommen.215 Der eingefügte Erwägungsgrund 12 a)216 in der Fassung vom 212 Wagner, DNotZ 2010, 506, 514. Diese Problematik ist bspw. auch aus dem Kontext des Domicile and Matrimonial Proceedings Act von 1973 bekannt. 213 Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 112. 214 Vgl. schon die oben angeführten Domicile Acts. 215 Die Einführung von Erwägungsgründen als „Zwischenlösung“ schlug Wagner, DNotZ 2010, 506, 514 vor. 216 2009/0157(COD), Fassung vom 23.2.2011: “(12a) For determining the habitual residence as the centre of interests, account should be taken of the circumstances of the life of the deceased at the time of his or her death, and during the preceding years, in

III. Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt

223

23.2.2011 enthielt erstmals Vorgaben zur Begriffsfüllung. Er wurde in der Folgezeit mehrmals überarbeitet.217 Die am 13.3.2012 vom Europäischen Parlament verabschiedete Fassung enthielt neben dem inzwischen ausführlicheren Erwägungsgrund 12 a) auch 12 b), in welchem eine Vorgängerversion von Erwägungsgrund 25 zu erkennen ist. Erst in der Zeitspanne zwischen der Verabschiedung im Parlament und der im Rat 2012 wurden die bisherigen Versionen neu nummeriert (23–25), teilweise umformuliert und um die Inhalte des Erwägungsgrundes 24 ergänzt. b) Maßgebliche Indizien nach Erwägungsgrund 23 Insgesamt klingen die Vorgaben von Erwägungsgrund 23 wenig greifbar.218 „(23) In Anbetracht der zunehmenden Mobilität der Bürger sollte die Verordnung zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege in der Union und einer wirklichen Verbindung zwischen dem Nachlass und dem Mitgliedstaat, in dem die Erbsache abgewickelt wird, als allgemeinen Anknüpfungspunkt zum Zwecke der Bestimmung der Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes vorsehen. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen.“ particular the duration and regularity of his or her presence, and the circumstances of and reasons for it.” 217 Die konsolidierte Fassung vom 16.1.2012 enthielt als Erwägungsgrund 12 b) folgende Formulierung: „Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts als Lebensmittelpunkt sollte eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes und den Jahren davor erfolgen. Dabei sollte insbesondere die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts in dem betreffenden Staat, deren Umstände und Gründe berücksichtigt werden. Wenn der Erblasser einen Aufenthaltsort hatte, von dem aus er einer beruflichen, wirtschaftlichen oder sonst besonderen Tätigkeit oder Interessen nachgegangen ist, gleichwohl aber eine enge und feste Bindung insbesondere in familiärer und sozialer Hinsicht zu einem anderen Ort bestand, so sollte im Zweifel der Ort als gewöhnlicher Aufenthalt bestimmt werden, an dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht der Lebensmittelpunkt befunden hat. In verbleibenden Zweifelsfällen, insbesondere bei häufigerem Wechsel des Staates und Fehlen eines familiären und sozialen Lebensmittelpunktes könnten auch die Staatsangehörigkeit oder die örtliche Belegenheit der wesentlichen Vermögenswerte bei der Gesamtbeurteilung herangezogen werden.“ 218 So auch Wilke, RIW 2012, 601, 603, welcher zutreffend anmerkt, dass der Erwägungsgrund schlecht formuliert ist: Er spricht nämlich von den Lebensumständen im Zeitpunkt des Todes.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Der gewöhnliche Aufenthalt soll sich aus einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt des Todes ergeben. Der Dauer und der Regelmäßigkeit des Aufenthalts sollen hierbei genauso wie den Begleitumständen Beachtung zukommen. Immerhin lässt sich aber aus dem Bekenntnis „zur Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung“ herauslesen, dass der Verordnungsgeber eine verordnungsautonome Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts wünscht, die eine besonders enge und feste Bindung zwischen Erblasser und Rechtsordnung voraussetzt. Ob damit auf einen eigenständigen, funktional-spezifischen erbrechtlichen gewöhnlichen Aufenthaltsbegriff abgezielt werden soll, bedarf weiterer Klärung. c) Maßgebliche Indizien nach Erwägungsgrund 24 Erwägungsgrund 24 liefert einige Kriterien für „komplexe“ Fälle, in denen der Verordnungsgeber von vornherein praktische Schwierigkeiten erwartet: „(24) In einigen Fällen kann es sich als komplex erweisen, den Ort zu bestimmen, an dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat. In diesem Fall könnte – entsprechend den jeweiligen Umständen – davon ausgegangen werden, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in seinem Herkunftsstaat hat, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befand. Weitere komplexe Fälle können sich ergeben, wenn der Erblasser abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.“

Wenig hilfreich wird in Erwägungsgrund 24 zunächst ausgeführt, dass es sich in einigen Fällen als komplex erweisen kann, den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers zu bestimmen. In Erwägungsgrund 24 werden drei Problemfallgruppen genannt und „Anknüpfungskriterien“ vorgeschlagen: aa) „Dienst im Ausland“ Zum einen wird der im Ausland Tätige, der nach wie vor enge und feste Bindungen zu seinem Heimatstaat hat, erwähnt. Dabei spricht der Erwägungsgrund nur eine Gruppe der Grenzpendler an: Die Formulierung „in einen anderen Staat begeben“ beschränkt sich auf diejenigen Arbeitneh-

III. Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt

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mer, welche vollständig in einen anderen Staat umgezogen sind. Gerade nicht erfasst scheinen von dieser Formulierung diejenigen Arbeitnehmer, die zwei „Wohnsitze“ haben und nur am Wochenende zu ihrer Familie in den Heimatstaat kommen. Dabei setzt sich die EuErbVO deutlich in Widerspruch zu der oben dargestellten EuGH-Rechtsprechung der Urteile im Bereich der sozialen Sicherung. 219 Für die EuErbVO soll der Daseinsmittelpunkt nämlich regelmäßig nicht am Arbeitsort, sondern bei der Familie lokalisiert werden.220 Dieser Ansatz entspricht auch der von einer weitverbreiteten Literaturauffassung im Bereich des Personalstatuts verwendeten Formel, dass sich jemand gewöhnlich dort aufhält, „wo er zur Ruhe kommt, wo er schläft“.221 bb) „Langzeit-Pendler“, „Zugvogel“ und „Wanderarbeiter“ Die andere Fallgruppe besteht eigentlich aus zwei verschiedenen Typen: Zum einen wird der Erblasser genannt, welcher abwechselnd in verschiedenen Staaten lebt („Langzeit-Pendler“, „Zugvogel“), zum anderen derjenige, der reist (bzw. wohl auch an wechselnden Arbeitsorten zum Einsatz kommt), ohne sich dauerhaft niederzulassen („Wander(arbeit)er“).222 Für beide soll es in der Gesamtbeurteilung insbesondere auf die Staatsangehörigkeit oder die Belegenheit von Vermögensgegenständen ankommen. Zwar ist beiden Untergruppen gemein, dass sie sich nicht dauerhaft an lediglich einem Ort aufhalten. Im Übrigen aber unterscheiden sich die Lebensmodelle der Gruppen deutlich. d) Normativer Charakter und Aussagekraft der Erwägungsgründe Hinsichtlich dieser Erwägungsgründe drängt sich aber die Frage nach deren Aussagekraft und Verbindlichkeit für den Rechtsanwender auf. Wie schon der „Gemeinsame Leitfaden des europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission für Personen, die in Gemeinschafsorganen an der Abfassung an Rechtstexten mitwirken“ unter 10.1 zum Ausdruck bringt, sind Erwägungsgründe unverbindlich und dürfen keinen normativen

219 EuGH v. 8.7.1992, C-102/91, Knoch, Slg. 1992, I-4341, BeckRS 2004, 74046, Rn. 22, 25; dazu auch Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. 220 Befürwortend Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. 221 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 115; Spickhoff, IPRax 1995, 185, 187; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086 m.w.N. 222 Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, S. 31 f. spricht in diesem Zusammenhang plastisch von modernem Nomadentum des „nomadisme“; vgl. dazu auch Weller, S. 293, 317.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Inhalt haben.223 Grundsätzlich kommt ihnen aber (bzw. nur) im Rahmen der teleologischen Auslegung Bedeutung zu.224 Damit sind sie zwar zu berücksichtigen, ihre Vorgaben sind aber keineswegs absolut oder zwingend. Anders als bestehende Verordnungen im Internationalen Privatrecht macht die EuErbVO insbesondere in Erwägungsgrund 24 dezidierte Vorgaben zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts. Dieser gibt konkrete, im Vorfeld diskutierte Problemfälle wieder und schlägt „unverbindliche“ Lösungen vor. Vor dem Hintergrund der eben genannten, von den EU-Organen selbst als verbindlich angesehenen Vorgabe, dass Erwägungsgründe gerade keinen normativen Charakter aufweisen dürfen, erscheint dieses Vorgehen nicht unproblematisch. Gerade der juristische Laie wird hier Differenzierungsschwierigkeiten haben und sich stark am Wortlaut der Erwägungsgründe orientieren wollen. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Kriterien aus Erwägungsgrund 24 nur für die genannten Problemfälle gelten sollen oder allgemein für die Gesamtbeurteilung Wertungsschwerpunkte darstellen können. Nach der weiteren Vorgabe des Erwägungsgrundes 23, welche eine Gesamtbeurteilung sämtlicher Lebensumstände fordert, kann eine Beschränkung des Erwägungsgrundes 24 auf die aufgeführten Fälle nicht beabsichtigt sein. Nach oben Gesagtem kann und darf ein normativer Charakter der Erwägungsgründe, der eine Beschränkung der Reichweite von Erwägungsgrund 24 herbeiführen könnte, nicht angenommen werden. Vielmehr müssen die Vorgaben nur in der teleologischen Auslegung berücksichtigt werden. Dementsprechend ist hier eine Übertragung und Verallgemeinerung der Maßstäbe des Erwägungsgrunds 24 möglich. Dies lässt den Schluss zu, dass in der durchzuführenden Gesamtabwägung der Lebensumstände vorrangig gegenüber wirtschaftlichen Verbindungen auf soziale und familiäre Bindungen des Erblassers abzustellen ist.225 Außerdem können in der Gesamtabwägung sowohl die Staatsangehörigkeit als auch Vermögenswerte berücksichtigt werden. Nimmt man die Formulierungen beider Erwägungsgründe zusammen, so fällt die Ähnlichkeit zu der vom EuGH insbesondere im Kontext der

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Europäische Gemeinschaften, Gemeinsamer Leitfaden des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission für Personen, die in den Gemeinschaftsorganen an der Abfassung von Rechtstexten mitwirken, S. 31. 224 Kropholler, FS MPI 2001, S. 583, 592. 225 Dutta, FamRZ 2013, 4, 6.

III. Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt

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Brüssel IIa-VO 226 verwendeten Formel vom Daseinsmittelpunkt der Person am Ort der sozialen und familiären Integration auf.227 Dies liegt auf einer Linie mit der Begründung zum Kommissionsvorschlag von 2009, welche den gewöhnlichen Aufenthalt am Mittelpunkt der Lebensinteressen des Erblassers ausmachen wollte.228 e) Bewertung Nachdem der ErbVO-E noch keinerlei Hilfestellung in den Erwägungsgründen gegeben hatte, ist der Verordnungsgeber den Kritikern des gewöhnlichen Aufenthalts insoweit entgegenkommen, als dass gewisse Vorgaben gemacht werden, die im Rahmen des Möglichen die Rechtssicherheit bezüglich der Anknüpfung erhöhen sollen. Einen Anspruch auf umfassende Lösungsansätze können und dürfen die Erwägungsgründe ohnehin nicht erheben.229 Mehr als eine Hilfestellung, die dem Rechtsanwender einen „vernünftigen“ Ansatz zum Auffinden des gewöhnlichen Aufenthalts liefert, können sie damit nicht darstellen.230 4. Maßgebliche Indizien nach Erwägungsgrund 25 Nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO soll – ausnahmsweise – eine offensichtlich engere Verbindung des Erblassers zu einer Rechtsordnung berücksichtigt werden können. Diese engere Verbindung soll sich aus den Gesamtumständen ergeben können. Die Ausweichklausel gefährdet damit den beab-

226 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309 (vgl. oben S. 145 ff) sowie EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805 (vgl. oben S. 142 ff.). 227 EuGH v. 2.4.2009 – Rs. C-523/07, A, Slg. 2009, I-02805, Rn. 38, 44, sowie Leitsatz Nr. 2: „Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 ist dahin auszulegen, dass darunter der Ort zu verstehen ist, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist.“ EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Leitsatz 1 von C-497/10 PPU: „1. „Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist für die Zwecke der Art. 8 und 10 […] dahin auszulegen, dass darunter der Ort zu verstehen ist, an dem eine gewisse Integration des Kindes in ein soziales und familiäres Umfeld zu erkennen ist.“ 228 KOM (2009) 154 endg., S. 6. 229 Vor über 200 Jahren zeigte das Allg. Preußische Landrecht eindrucksvoll, dass eine überbordende Kasuistik ohnehin nicht praxisgerecht ist; vgl. Zweigert/Kötz, S. 136. 230 Als „vernünftige Zwischenlösung“ wurden solche Erwägungsgründe auch in der Literatur gefordert; Wagner, DNotZ 2010, 506, 514.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

sichtigten Gleichlauf zwischen forum und ius.231 Erwägungsgrund 25 bringt dabei kein Licht ins Dunkel: „(25) In Bezug auf die Bestimmung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts kann die mit der Erbsache befasste Behörde in Ausnahmefällen – in denen der Erblasser beispielsweise erst kurz vor seinem Tod in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts umgezogen ist und sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass er eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat hatte – zu dem Schluss gelangen, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers unterliegt, sondern dem Recht des Staates, zu dem der Erblasser offensichtlich eine engere Verbindung hatte. Die offensichtlich engste Verbindung sollte jedoch nicht als subsidiärer Anknüpfungspunkt gebraucht werden, wenn sich die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes als schwierig erweist.“

Erwägungsgrund 25 deutet, wie schon Art. 21 Abs. 2 EuErbVO durch die Formulierung „offensichtlich“ und „ausnahmsweise“, an, dass die engere Verbindung nicht als zweiter, subsidiärer Anknüpfungspunkt gebraucht bzw. ausgebaut werden sollte232, wenn die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers Schwierigkeiten aufweist. Dies wird im letzten Satz des Erwägungsgrundes besonders betont. Während in Erwägungsgrund 23 die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes vornehmen soll, um den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO zu bestimmen, so soll sich hier (ausnahmsweise und offensichtlich) aus den Gesamtumständen eine engere Verbindung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 ergeben können. Diese fast identischen Formulierungen müssen den Rechtsanwender irritieren. Hinzu kommt, dass sowohl Art. 21 Abs. 1 EuErbVO als auch Art. 21 Abs. 2 EuErbVO und die dazugehörigen Erwägungsgründe bezüglich der vorzunehmenden Beurteilung jeweils nur auf den Erblasser selbst abstellen und „externe“ Umstände gerade nicht mit einbeziehen.233 Insofern bietet Art. 21 Abs. 2 EuErbVO dem Anwender keine weitere Perspektive als Art. 21 Abs. 1 EuErbVO.

231 So auch Dörner, ZEV 2012, 505, 511. Zust. insofern auch Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393, 2395, welche eine schärfere Konturierung des gewöhnlichen Aufenthalts durch den EuGH fordern. 232 In der englischen Fassung: „That manifestly closest connection should, however, not be resorted to as a subsidiary connecting factor [...] “ (Hervorh. des Verf.). Ebenso die französische Fassung: „Les liens manifestement les plus étroits ne devraient toutefois pas être invoqués comme facteur de rattachement subsidiaire […]“ (Hervorh. des Verf.). 233 So auch Wilke, RIW 2012, 601, 605.

IV. Ausgangsüberlegungen für die Auslegung

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IV. Ausgangsüberlegungen für die Auslegung 1. Spannungsverhältnisse des gewöhnlichen Aufenthaltes in der EuErbVO a) Internationale Zuständigkeit und objektive Anknüpfung Die Erschließung des gewöhnlichen Aufenthalts als Anknüpfungspunkt für die EuErbVO ist vom Spannungsverhältnis zwischen internationaler Zuständigkeit und Kollisionsrecht geprägt, welches durch das Gleichlaufprinzip hervorgerufen wird. Auf der einen Seite soll im Rahmen der internationalen Zuständigkeit ein sachgerechter Gerichtsstand für das Nachlassverfahren (für die Erben) eröffnet werden. So finden bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit oftmals Praktikabilitätserwägungen besondere Berücksichtigung.234 Demgegenüber soll auf kollisionsrechtlicher Ebene ein hinnehmbares Ergebnis in einer Gesamtschau der Lebensumstände des Erblassers herbeigeführt werden, wobei die Wertungen des materiellen Rechts umgesetzt werden müssen.235 Zwar führt die Anwendung des eigenen Rechts, der lex fori, zu einer größeren Richtigkeitsgewähr als die Anwendung ausländischen Rechts und spart in zahlreichen Fällen das Einholen kostenintensiver Gutachten zum ausländischen Recht.236 Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass ein kollisionsrechtlich schlechtes Ergebnis erzielt wird, das die engste Verbindung zwischen Rechtssubjekt und -objekt nicht hinreichend aufspürt.237 In dieses Spannungsverhältnis „mischt sich“ die Ausweichklausel von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zusätzlich ein. b) Spannungsverhältnis zwischen Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 EuErbVO Des Weiteren besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 EuErbVO. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO soll nach Erwägungsgrund 25 Ausweichklausel und gerade nicht subsidiärer Anknüpfungspunkt sein.238 Die Ausgestaltung des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO erinnert an Art. 3 Abs. 3 des Haager Erbrechtsübereinkommens, aber auch an Art. 4 Abs. 4 234

Vgl. Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einf. EG-ErbVO, Rn. 52; Sonnentag, EWS 2012, 457, 460. 235 Sonnentag, EWS 2012, 457, 460. 236 Kindler, Liber Amicorum Siehr, S. 251, 255; zust. Sonnentag, EWS 2012, 457, 460. 237 Vgl. auch Sonnentag, EWS 2012, 457, 460. 238 Vgl. nochmals die engl. Fassung „That manifestly closest connection should, however, not be resorted to as a subsidiary connecting factor […]“ (Hervorh. d. Verf.) und die französische Fassung: „Les liens manifestement les plus étroits ne devraient toutefois pas être invoqués comme facteur de rattachement subsidiaire […]“ (Hervorh. d. Verf.).

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Rom I-VO und Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO. Dort wird ebenfalls darauf abgestellt, ob sich aus der Gesamtheit der Umstände eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem nach Art. 4 Abs. 1, 2 Rom I-VO bzw. Art. 4 Abs. 1, 2 Rom II-VO maßgeblichen Recht ergibt. In diesen Zusammenhängen scheint eine Anpassungsmöglichkeit des Anknüpfungsergebnisses nachvollziehbar, weil durch das vertragliche oder außervertragliche Schuldverhältnis punktuell – im Einzelfall – ein besonderer, engerer Bezug zu einer Rechtsordnung bestehen kann.239 Im Haager Erbrechtsübereinkommen ist eine Ausweichklausel ebenfalls plausibel, da in Art. 3 Abs. 1 von einem gefestigten Aufenthaltsbegriff ausgegangen wird. So findet der gewöhnliche Aufenthalt nur Berücksichtigung, wenn er sich in der Heimatrechtsordnung befindet oder in einem Staat, in dem sich der Erblasser die letzten fünf Jahre seines Lebens aufhielt. Über die Ausweichklausel können korrekturbedürftige Ausnahmefälle mit kürzerer Anwesenheitsdauer flexibel gelöst werden. Anders ist der Fall aber im Kontext der EuErbVO, wo ohnehin schon anhand der Lebensumstände des Erblassers über seine letzten Jahre hinweg die engste Verbindung in Gestalt des gewöhnlichen Aufenthaltes gefunden werden muss. Dies wird durch die Formulierung des Erwägungsgrunds 25 noch verschärft. Die sehr ähnlichen Formulierungen müssen zwangsläufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten und zu erhöhter Rechtsunsicherheit führen. Wie Lehmann richtig anführt, bleibt bei korrekter Durchführung einer Gesamtbetrachtung bezüglich des gewöhnlichen Aufenthaltes kein Raum mehr für eine Beurteilung der Gesamtumstände für das Auffinden einer engeren Verbindung, zumal beide Absätze ausschließlich die Perspektive des Erblassers verwenden.240 c) Spannungsverhältnis von Erwägungsgrund 23 und 25 Außerdem fällt ein drittes problematisches Spannungsverhältnis in der EuErbVO auf. Erwägungsgrund 23 und 25 scheinen unterschiedliche Verständnisse vom gewöhnlichen Aufenthalt vorauszusetzen: Erwägungsgrund 23 S. 3 postuliert, dass der gewöhnliche Aufenthalt „unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen“ solle. Erwägungsgrund 25 geht hingegen davon aus, dass eine Ergebniskorrektur nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO die Anwendbarkeit des Rechts des 239

Näher zu Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO Seibl, IPRax 2010, 347, 349 f. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. Diesbzgl. zust. Dörner, ZEV 2012, 505, 510. Vgl. nochmals Wilke, RIW 2012, 601, 605; skeptisch auch Bonomi, Riv. dir. int. priv. proc. 2013, 294, 305. 240

IV. Ausgangsüberlegungen für die Auslegung

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gewöhnlichen Aufenthalts verhindern können solle, wenn der Erblasser „beispielsweise erst kurz vor seinem Tod in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts umgezogen ist und sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass er eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat hatte.“ Erwägungsgrund 25 geht also davon aus, dass der gewöhnliche Aufenthalt eines Erblassers bereits kurz nach der Ankunft im Zuzugsstaat bestehen kann.241 Dies spricht für einen „schnellen“ Erwerb des gewöhnlichen Aufenthaltes und gegen eine besonders enge und feste Verbindung, die im Regelfall nicht unmittelbar nach der Ankunft im Zuzugsstaat bestehen können wird.242 2. Einordnung in das Gefüge der europäischen kollisionsrechtlichen Verordnungen Vergleicht man den Anwendungsbereich der europäischen kollisionsrechtlichen Verordnungen, so wird Folgendes deutlich: Das Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts im Kontext der Rom I-VO und der Rom II-VO kann nur wenig Aussagekraft für das internationale Erbrecht haben. Dies liegt zum einen daran, dass, wie bei der Rom I-VO, lediglich sehr spezifische Vorgaben zum gewöhnlichen Aufenthalt von Gewerbetreibenden gemacht werden. Zum anderen liegt es daran, dass die Rom I-VO und die Rom II-VO hauptsächlich in einem wirtschaftlichen Kontext gesehen werden müssen. Im Wirtschaftsleben geht es um größtmögliche Flexibilität, weil dieses durch Schnelllebigkeit gekennzeichnet ist.243 Ziel der Rom IIVO ist gerade, internationale Schadensfälle einer sachnahen Rechtsordnung zu unterwerfen. Dies bedingt in der Regel wie im Kontext der Rom IVO eine punktuelle Anknüpfung für einen konkreten, klar umgrenzten Zeitpunkt, da der Großteil der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse auf eine einmalige Abwicklung ausgerichtet ist. 244 Dies ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO) bzw. der Zeitpunkt des Schadenseintritts (bspw. Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO). Die Unterscheidung nach Gesellschaften bzw. juristischen Personen und natürlichen Personen, die im Wesentlichen schon aus der Brüssel I-VO bekannt ist, wird auch in Rom I-VO und der Rom II-VO fortgeführt. Insofern bestehen starke Ähnlichkeiten zwischen der Ausgestaltung von Wohnsitz und

241

Befürwortend schon Solomon, Liber Amicorum Schurig 2012, 237, 257. Krit. bzgl. der Notwendigkeit einer engen und festen Verbindung Dörner, ZEV 2012, 505, 510. Vgl. zu grundsätzlichen Bedenken zur Geeignetheit des gewöhnlichen Aufenthalts als Verkörperung der engsten Verbindung im Erbrecht Frantzen, FS Jayme 2004, S. 187, 189. 243 Sonnentag, EWS 2012, 457, 465. Vgl. oben S. 171. 244 Sonnentag, EWS 2012, 457, 465. 242

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

gewöhnlichem Aufenthalt.245 Im Vergleich dazu erfordern familien- und erbrechtliche Angelegenheiten (mehr) Kontinuität und Stabilität, da persönliche Rechtsbeziehungen auf Dauer angelegt sind.246 Rom III-VO, Brüssel IIa-VO und EuUnthVO behandeln in der Tradition der Haager Übereinkommen „klassische“ Felder des internationalen Familienrechts. Die Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts in diesen Verordnungen erfolgt anhand derselben Kriterien und stellt auf die soziale und familiäre Integration zum Auffinden eine Daseinsmittelpunktes ab. Abhängig vom Kontext wird es zu unterschiedlichen Gewichtungen der Indizienlage kommen können.247 Die Brüssel IIa-VO erfasst zum einen Kinder von der Geburt bis zur Volljährigkeit. Zum anderen regelt sie die Zuständigkeit in Ehesachen, erfasst also (in der Regel) volljährige Personen unabhängig vom konkreten Alter. Im Kontext der beiden Entscheidungen hebt der EuGH stets das Kindeswohl bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes hervor.248 In Ehesachen wird vordergründig die Zurverfügungstellung von Scheidungsgerichtsständen im Gleichlauf mit den kollisionsrechtlichen Vorschriften der Rom III-VO stehen. Die EuErbVO hingegen erfasst im Vergleich die weiteste Altersspanne und enthält die umfassendsten Regelungen. 3. Heranziehen der EuGH-Rechtsprechung Sowohl im Kommissionsentwurf als auch in den Erwägungsgründen wird hinreichend deutlich, dass der Verordnungsgeber eine Verwendung der Formel des Daseinsmittelpunkts zur Ausfüllung des gewöhnlichen Aufenthalts wünscht. Auch im internationalen Erb- und Erbverfahrensrecht können mit dieser Formel sachgerechte Anknüpfungsergebnisse gefunden werden.249 Dieser Ansatz wirft die Frage auf, ob die vom EuGH getroffenen Entscheidungen zur Ausfüllung des gewöhnlichen Aufenthaltes herangezogen werden können. a) Entscheidungen zum „Wohnsitz“ im Beamten- und Sozialrecht Für Art. 4 und 21 Abs. 1 EuErbVO kommt zunächst eine Auslegung anhand der Entscheidungen des EuGH im Beamten- und Sozialrecht infrage. Der EuGH hat in den Entscheidungen Rs. C-497/10 PPU (Barbara Mercredi/Richard Chaffe) und Rs. C-523/07 deutlich gemacht, dass er seine in

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Sonnentag, EWS 2012, 457, 465. Sonnentag, EWS 2012, 457, 465. 247 Vgl. S. 154. 248 Vgl. S. 144. 249 Dörner ZEV 2010, 221, 225; ders., ZEV 2012, 505, 510. 246

IV. Ausgangsüberlegungen für die Auslegung

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den Bereichen des Beamten- und Sozialrechts sowie in anderen Gebieten ergangene Rechtsprechung250 nicht auf die Brüssel IIa-VO- anwenden will. Es ließe sich jedoch argumentieren, dass nur das internationale Kindschaftsrecht eine Sonderrolle einnehmen sollte und nicht anhand der vom EuGH entwickelten Rechtsprechungslinie im Beamten- und Sozialrecht beurteilt werden dürfte. Ein Argument gegen die Verwendung der EuGHRechtsprechung war nämlich gewesen, dass diese zu sehr auf subjektive Komponenten abstellte, die der Konstellation von Minderjährigen nicht gerecht werden könnten.251 Man könnte nun aber für die Erbrechtsverordnung folgern, dass eine Übertragung der Rechtssprechungslinie erfolgen kann, da im Fokus der Erbrechtsverordnung hauptsächlich Volljährige stehen. 252 Gegen eine Übernahme der diesbezüglichen Rechtsprechung spricht jedoch, dass eine wesentlich größere Sachnähe zwischen den Teilbereichen des IPR und IZVR besteht und die dargelegten Entscheidungen zur Brüssel IIa-VO den gewöhnlichen Unterhalt aus spezifisch kollisionsrechtlichem Blickwinkel betrachten. Als zentraler Anknüpfungspunkt im europäischen Kollisionsrecht sollte eine Auslegung auch konkret kollisionsrechtlich erfolgen. Zum anderen scheidet ein Rückgriff auf die bestehende Rechtsprechung des EuGH zum Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt253 auch aus einem anderen, weniger starken Grund aus: Schon Art. 27 Abs. 1 S. 1 lit. c EuErbVO, welcher bezüglich der Formgültigkeit von Verfügungen auf den Wohnsitz alternativ zum gewöhnlichen Aufenthalt abstellt, zeigt, dass keine Gleichstellung von Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt möglich ist.254 Insofern sollte man missverständliche Rückgriffe auf Entscheidungen zum Wohnsitz ohnehin vermeiden. b) Rs. C-497/10 PPU und Rs. C-523/07 In der Literatur wird dafür plädiert, die vom EuGH in den Entscheidungen Rs. C-497/10 PPU (Barbara Mercredi/Richard Chaffe) und Rs. C-523/07 geprägten Grundsätze auf die EuErbVO (soweit wie möglich) zu übertra250 EuGH v. 15.9.1994 – Rs. C-452/93 P, Magdalena Fernández/Kommission, Slg. 1994, I-4301, Rn. 22: „Ort, den der Betroffene als ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen, wobei für die Feststellung des ständigen Wohnsitzes alle hierfür wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind.“ 251 Vgl. dazu nochmals Lamont, 3 JPIL (2007), 261, 264 ff.; vgl. oben S. 121 f. 252 Grundsätzlich befürwortend Mansel, FS Ansay, S. 185, 211; ähnlich auch Weller, S. 293, 295, 317 in der wissenschaftlichen Diskussion um eine Rom 0-Verordnung. 253 Vgl. nochmals insb. EuGH v. 15.9.1994 – Rs. C-452/93 P, Magdalena Fernández/ Kommission, Slg. 1994, I-4301, Rn. 22. 254 So schon Kindler, IPRax 2010, 44, 45; vgl. auch Weber, S. 108.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

gen. 255 Dies habe den Vorteil, dass eine gewisse dogmatische Kontinuität und Parallelität zwischen der Anknüpfung der Haager Übereinkommen und der der europäischen Verordnungen gewahrt werde. Dies ermögliche außerdem einen Rückgriff auf bereits vorhandene Rechtsprechung.256 Dieser Ansatz leuchtet grundsätzlich ein. Im Detail muss aber geklärt werden, ob und wo Abweichungen von den zitierten Entscheidungen zur Brüssel IIa-VO notwendig sind, um die der EuErbVO immanenten und oben aufgeworfenen 257 Spannungsverhältnisse hinreichend zu berücksichtigen. aa) Funktionale Unterschiede Der gewöhnliche Aufenthalt dient im Rahmen der Brüssel IIa-VO als Anknüpfungspunkt im internationalen Verfahrensrecht, in der EuErbVO darüber hinaus im internationalen Privatrecht. Im internationalen Kindschaftsrecht muss eine pragmatische „Momentaufnahme“ der näheren Vergangenheit des Kindes erfolgen, in der EuErbVO eine Gesamtbetrachtung der letzten Jahre des Lebens des Erblassers. Unabhängig davon, welche Anforderungen man konkret an eine besonders enge und feste Bindung zum betreffenden Staat unter Berücksichtigung der Ziele der Verordnung stellt, wird hier der Anknüpfungsstabilität mehr Gewicht zukommen als im „pragmatischen“, vom Fürsorgegedanken beherrschten internationalen Kindschaftsrecht.258 bb) Konstruktive Unterschiede Auch im Kontext der EuErbVO stellt sich die Frage, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt in einer Rechtsordnung existieren muss und/oder ob ein gewöhnlicher Aufenthalt in mehreren Rechtsordnungen möglich ist, sei es alternierend, sei es gleichzeitig. (1) Mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt Bezüglich der Möglichkeit eines mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalts im Recht der internationalen Zuständigkeit kann zunächst nach oben verwiesen werden259: Grundsätzlich wäre ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt (gleichzeitig in verschiedenen Rechtsordnungen) durchaus denkbar. Dafür müsste man davon ausgehen, dass der Erblasser seinen Aufenthalt 255 So Dörner ZEV 2010, 221, 225; ders., ZEV 2012, 505, 510; Remde, RNotZ 2012, 65, 81. 256 Dörner ZEV 2010, 221, 225. 257 Vgl. S. 229 ff. 258 Süß, ZErb 2009, 342, 343 f. 259 Vgl. die Diskussion auf S. 129.

IV. Ausgangsüberlegungen für die Auslegung

235

auf zwei oder mehrere Orte (bzw. Rechtsordnungen) in identischem Maße aufgeteilt hat und sich in keiner Weise ein Ort durchsetzen kann. Die am Nachlassverfahren beteiligten Personen würden dadurch im Zweifel einen weiteren Gerichtsstand gewinnen. Realistischer scheint ein Fall des alternierenden gewöhnlichen Aufenthalts. Ein solcher könnte durchaus zu bejahen sein in den Fällen der Langzeitpendler, also wenn sich der Erblasser mehrere Monate im Jahr in einem Staat und den Rest des Jahres in einem anderen Staat aufhält. Diese Fallkonstellation nennt Erwägungsgrund 24 als einen der „komplexen“ Fälle. Schon der Formulierung von Erwägungsgrund 24 kann man aber entnehmen, dass eine Entscheidung zugunsten eines Aufenthaltsortes notwendig ist. Im internationalen Erbrecht kann es einen gewöhnlichen Aufenthalt nur an einem Ort geben.260 Denn mit der Annahme von zwei parallel existierenden gewöhnlichen Aufenthaltsorten wäre zwar womöglich das Leben des Erblassers – wenn dieser sich nicht zwischen zwei völlig gleichberechtigt nebeneinander stehenden Aufenthaltsorten entscheiden konnte – realistischer abgebildet. Von dieser Grundidee geht schließlich auch der deutsche Wohnsitzbegriff mit § 7 Abs. 2 BGB aus. Ein praktikables Ergebnis zur Abwicklung des Nachlassverfahrens wäre damit aber unmöglich gemacht, wenn man eine Einzelfallbetrachtung bezüglich jedes Nachlassgegenstandes nicht ad absurdum führen wollte. 261 (2) Möglichkeit des fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts Schon grundsätzlich unmöglich hingegen scheint das Ergebnis, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt vollständig fehlt. Auf Ebene der internationalen Zuständigkeit sind nur Notzuständigkeiten für Fälle zu finden, in denen sich ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat befindet, vgl. Art. 10 und 11 EuErbVO. In den übrigen Fällen muss daher stets ein gewöhnlicher Aufenthalt in einem Mitgliedstaat gefunden werden. Dies muss auch im Kollisionsrecht gelten. Erwägungsgrund 24 geht auf die Möglichkeit des fehlenden gewöhnlichen Aufenthalts nicht ein, sondern spricht nur von Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines gewöhnlichen Aufenthalts. Erwägungsgrund 25 geht gerade davon aus, dass Art. 21 Abs. 2 EuErbVO nur dann Anwendung finden soll, wenn eine engere Beziehung als der gewöhnliche Aufenthalt vorliegt. Dies darf nur so verstanden werden, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt stets anhand der relativ

260 So auch Dörner, ZEV 2012, 505, 510; Odersky, notar 2013, 3, 4; zust. auch Lehmann, Reform des internationalen Erb- und Erbprozessrechts, S. 123 f.; Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 6. 261 So auch Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 123 f.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

engsten Beziehung zwischen Rechtsordnung und Sachverhalt aufzufinden ist.262 c) Zwischenergebnis Bei der Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts in der EuErbVO ist die EuGH-Rechtsprechung zur Brüssel IIa-VO unter der Berücksichtigung funktionaler und konstruktiver Unterschiede grundsätzlich anwendbar.

V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien Wie Erwägungsgrund 23 zu entnehmen ist, sollen die Gesamtumstände des Lebens des Erblassers in den letzten Jahren vor dem Tod ausschlaggebend sein. Anhand dieser muss der Daseinsmittelpunkt der Person im Einzelfall aufgefunden werden. Wenige Probleme scheint der Katalog objektiver Kriterien, die für eine Gesamtabwägung zur Verfügung stehen, zu machen. Diese decken sich im Wesentlichen mit den vom EuGH zur Brüssel IIa-VO untersuchten Kriterien.263 Nimmt man eine „Bereinigung“ um den kindschaftsverfahrensspezifischen Kontext vor264 und stellt für volljährige Erblasser grundsätzlich nicht auf Ort und Umstände der Einschulung ab, so stehen grundsätzlich folgende Indizien zur Beurteilung zur Verfügung: Körperliche Anwesenheit sowie deren Dauer und Regelmäßigkeit, polizeiliche Registrierung bzw. angemeldeter Wohnsitz, Ort der Arbeitsstelle, Vorliegen einer Arbeitserlaubnis, familiäre und soziale Bindungen, Sitz der Erben, wirtschaftliche Bindungen (Vermögenswerte, Sitz der Schuldner), Staatsangehörigkeit und Sprachkenntnisse. Eine Abwägung der Gesamtumstände muss auch bedeuten, dass nicht per se ein Kriterium stärker als das andere wiegt. Dabei kommt es wiederum jeweils auf eine Einzelfallbetrachtung an. 1. Körperliche Anwesenheit sowie deren Dauer und Regelmäßigkeit Schon Erwägungsgrund 23 nennt Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts als ein maßgebliches Kriterium für den gewöhnlichen Aufenthalt. Dass kurzfristige Unterbrechungen den gewöhnlichen Aufenthalt nicht aufheben, sollte auch für die EuErbVO gelten. Insofern kann in Kontinuität 262 Dutta, FamRZ 2013, 4, 6. Zuvor bereits schon DNotI/Hayton, Les successions internationales dans l'UE, S. 359, 365. 263 Dieser Kriterienkatalog wird auch von der deutschen Rechtsprechung verwendet, vgl. Palandt/Thorn, Art. 5 EGBGB, Rn. 2, Rn. 10 sowie oben S. 122 ff.; vgl. außerdem Basedow/Hopt/Zimmermann/Stier/Baetge, Encylopedia of European Private Law. S. 814. 264 Dutta, FamRZ 2013, 4, 5.

V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien

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zu der bisherigen Rechtsprechung auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen werden. Der EuGH geht grundsätzlich davon aus, dass der gewöhnliche Aufenthalt von gewisser Dauer sein muss, damit ihm ausreichende Beständigkeit innewohnt.265 Ein Mindestaufenthalt zur Verfestigung des gewöhnlichen Aufenthaltes wurde bereits im Rahmen der Diskussion zum Grünbuch gefordert. Dabei wurde auch eine Orientierung am Haager Erbrechtsübereinkommen von 1989 gefordert.266 Dieses sieht eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt erst dann vor, wenn der Aufenthalt nach Art. 3 Abs. 1 in dem Staat lag, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß, oder in dem Staat, in dem er sich gem. Art. 3 Abs. 2 seit fünf Jahren aufhielt. Stellt man Art. 21 EuErbVO und die dazugehörigen Erwägungsgründe den Bestimmungen von Art. 3 des Haager Erbrechtsübereinkommens gegenüber, so wird klar, dass die im Erbrechtsübereinkommen verwendete Konstruktion nicht der EuErbVO zugrunde gelegt werden kann. Zwar kennt auch Art. 3 Abs. 2 S. 2 des Haager Erbrechtsübereinkommens eine Ausweichklausel, die eine offensichtlich engere Bindung zwischen Rechtsordnung und Erblasser berücksichtigt. Insofern besteht eine gewisse konstruktive Ähnlichkeit. Eine Verfestigung des Aufenthalts mittels einer Mindestfrist muss aber als unvereinbar mit dem Wortlaut Art. 21 Abs. 1 EuErbVO angesehen werden. Auch eine entsprechende teleologische Auslegung scheint ausgeschlossen. Dazu wäre ein Ansatzpunkt mittels einer ausdrücklichen Formulierung zumindest in den Erwägungsgründen notwendig gewesen. 267 Der Wortlaut von Erwägungsgrund 23, der von einer besonders engen und festen Verbindung zwischen Erblasser und Rechtsordnung spricht, kann dafür nicht ausreichen, wenngleich diese Formulierung durchaus eine stärkere Verbindung als im familienrechtlichen Kontext rechtfertigt. Diese muss aber auf anderem Wege erreicht werden. Unabhängig von dem Ansatz des Haager Erbrechtsübereinkommens, den gewöhnlichen Aufenthalt durch eine Mindestbestehensdauer oder durch das Zusammenfallen mit der Staatsangehörigkeit zu verfestigen, wurde in der Diskussion um den Verordnungsentwurf von 2009 auch ein Mindestaufenthalt für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts zu-

265 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51. 266 Vgl. S. 191f zur Stellungnahme der Law Society of Scottland, die eine Orientierung am Haager Erbrechtsübereinkommen fordert; Jud, GPR 2005, 133, 134, 138. Abl. hingegen die Stellungnahme der GEDIP, S. 2. Vgl. S. 192. 267 Vgl. auch v. Hinden/Müller, ErbStB 2013, 97, 99.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

meist eindeutig abgelehnt.268 Dabei wurde in der Regel ins Feld geführt, dass jede Fristsetzung hinsichtlich eines Mindestaufenthalts willkürlich sei. 269 Gegen eine starre Frist sprechen noch weitere Gründe: Geht man vom gewöhnlichen Aufenthalt als Daseinsmittelpunkt unter Berücksichtigung von sozialen, familiären und wirtschaftlichen Beziehungen aus, so scheint eine solche Frist nur wenig hilfreich, da sie entweder dazu führt, dass eine detaillierte Einzelfallbeurteilung unterbleibt oder die Frist übergangen werden muss, um insbesondere den tatsächlichen Willen des Erblassers untersuchen zu können. 270 Je länger ein Aufenthalt allerdings andauert, desto wahrscheinlicher wird die soziale Integration.271 Insofern besteht auch eine Wechselwirkung zwischen Aufenthaltsdauer und Integration.272 2. Polizeiliche Registrierung bzw. angemeldeter Wohnsitz Ein schwaches und wenig aussagekräftiges Indiz wird sein, wo die Person einen Wohnsitz angemeldet hat bzw. polizeilich registriert ist. Verfügt die Person über mehrere angemeldete Wohnsitze, so mindert sich die Indizkraft dementsprechend. Ohnehin sagt ein angemeldeter Wohnsitz in der Regel wenig über die soziale Integration eines Erblassers aus, wenngleich im Regelfall ein Wohnsitz am Ort der sozialen Integration bestehen wird. Nach den allgemeinen Grundsätzen muss auch gelten, dass es im entgegengesetzten Fall gerade nicht auf das Innehaben eines festen Wohnsitzes ankommt, so dass auch Obdachlose über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfügen. 273 Für Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ist dies eine kollisionsrechtliche Notwendigkeit, für Art. 4 EuErbVO aufgrund des Gleichlaufgrundsatzes ebenso zwingend. 3. Legalität des Aufenthaltes/Vorliegen einer Arbeitserlaubnis In Anknüpfung an die oben ausgeführten Grundsätze und unter besonderer Berücksichtigung der Empfehlungen des Ministerrats 72 (1) sollte grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, ob der Erblasser eine Aufenthaltsgeneh268 Vgl. bspw. Mansel, FS Ansay, S. 185, 211; vgl. außerdem die Stellungnahme des Deutschen Rates für IPR in Bauer, IPRax 2005, 202, 203, sowie Dörner/Hertel/Lagarde, Paul/Riering, IPRax 2005, 1, 4. 269 Mansel, FS Ansay, S. 185, 211; vgl. außerdem die Stellungnahmen des Deutschen Rates für IPR in Bauer, IPRax 2005, 202, 203, sowie Dörner/Hertel/Lagarde, Paul/Riering, IPRax 2005, 1, 4. 270 Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 120; zust. auch Odersky, notar 2013, 3, 4. 271 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EG-UntVO, Rn. 31. 272 Seibl, S. 68. 273 Vgl. S. 123.

V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien

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migung im Staate seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts hatte. Insbesondere aus der ex-post-Betrachtung sollte es an diesem Ort auf eine tatsächliche soziale Integration ankommen. 4. Wirtschaftliche Aspekte a) Ort der Arbeitsstelle und berufliche Bindungen Schon Erwägungsgrund 24 gibt vor, dass die beruflichen Bindungen des Erblassers nachrangig zu den familiären und sozialen Beziehungen des Erblassers sind. Diese Wertung erscheint auch angemessen für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im internationalen Erbrecht, da eine Vielzahl der Erblasser nicht mehr erwerbstätig, sondern bereits im Ruhestand ist. Nicht unterschätzt werden darf jedoch die integrative Wirkung der Berufstätigkeit, die dem Neuankömmling oftmals als Ausgangspunkt für soziale Kontakte in einer Rechtsordnung dienen wird. b) Vermögenswerte und Gläubiger Ein wichtiges Indiz für den Daseinsmittelpunkt des Erblassers wird die Belegenheit von Vermögenswerten sein. Oftmals wird der Erblasser an seinem letzten (wirtschaftlichen) Daseinsmittelpunkt einen Großteil der Vermögens- und Nachlassgegenstände „bündeln“.274 In der Regel wird der Erblasser auch einen persönlichen Bezug zu dieser Rechtsordnung haben.275 Allerdings kann die Aussagekraft wirtschaftlicher Werte trotz ihrer vermeintlich einfachen objektiven Nachweisbarkeit nur bedingt berücksichtigt werden, weil familiäre und soziale Bindungen im Vergleich zu beruflichen und wirtschaftlichen Bindungen stärkere Bindungskraft zu einer Rechtsordnung entfalten können. 5. Staatsangehörigkeit Erwägungsgrund 24 schreibt auch der Staatsangehörigkeit Indizkraft zu. Nach Erwägungsgrund 24 soll der Staatsangehörigkeit im Zweifelsfall sogar ausschlaggebende Relevanz zukommen in den Fällen, in denen der Erblasser mehrere Wohnsitze hat.276 Damit bewegt sich die EuErbVO auf der vom EuGH entwickelten Linie, die auch im Kontext der Brüssel IIaVO der Staatsangehörigkeit Indizkraft zuweist.277 Insofern scheint eine 274

Mansel, FS Ansay, 185, 210; Kindler, IPRax 2010, 44, 47. Vgl. Sonnentag, EWS 2012, 457, 460; Mansel, FS Ansay, 185, 210; Kindler, Liber Amicorum Siehr, S, 251, 254; ders., IPRax 2010, 44, 47. 276 Dazu sogleich bei S. 244. 277 Vgl. S. 144 f. 275

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Orientierung an der Rechtsprechung auch entgegen der prinzipiell in der Literatur geäußerten Kritik geboten.278 Für eine Berücksichtigung der Staatsangehörigkeit im Rahmen dieser Gesamtbeurteilung sprechen gewichtige Gründe. Insbesondere sollte der gewöhnliche Aufenthalt, so wie dies Erwägungsgrund 24 andeutet, auch die kulturelle Identität des Erblassers berücksichtigen. Jayme ist zuzustimmen, wenn er sagt: „Nichts spiegelt die kulturelle Identität eines Systems so deutlich, wie die rechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses des einzelnen zum Tod.“279 Gerade die öffentliche Wahrnehmung der EU-Schuldenkrise zeigt auch, dass ein europäisches Gemeinschaftsgefühl noch nicht so weit entwickelt ist, dass man von einem EU-Bürger ohne nationale Identität ausgehen kann. Nach seiner eigenen Wahrnehmung ist der Bürger in der Regel wohl zunächst Staatsangehöriger seiner Rechtsordnung und erst dann willfähriger Arbeitsmigrant, der sich überall und jederzeit zur Wahrnehmung seiner Fortbewegungs- und Niederlassungsfreiheit problemlos einfügen kann.280 Die Erwartungshaltung wird eher dahingehen, nach nationalem Recht, nach dem Recht seiner Staatsangehörigkeit beurteilt und beerbt zu werden.281 Allerdings darf der Staatsangehörigkeit im Rahmen der Gesamtabwägung kein zu großes Gewicht eingeräumt werden: Eine Vermutung dafür, dass sich im Zweifel der gewöhnliche Aufenthalt in der Heimatrechtsordnung befindet, sollte gerade nicht etabliert werden. Die Entscheidung für den gewöhnlichen Aufenthalt und gegen die Staatsangehörigkeit darf nicht zu einer Aushöhlung des Begriffs in Art. 21 Abs. 1 EuErbVO durch die Hintertür der Gesamtabwägung führen. Mit der Einführung des gewöhnlichen Aufenthalts hat der Verordnungsgeber eine bewusste Entscheidung gegen die Staatsangehörigkeit als objektiven Anknüpfungspunkt getroffen. Die Staatsangehörigkeit ist ausschlaggebendes Kriterium für die Rechtswahlmöglichkeit des Art. 22 EuErbVO. Insofern ist auch die vermeintliche Erwartung des Bürgers nach dem Recht seiner Staatsangehörigkeit beerbt zu werden nur bedingt geschützt, was aber hinzunehmen ist.282 Insofern achtet die EuErbVO zwar die kulturelle Identität, entscheidet dieses Spannungsverhältnis auf objektiver Ebene aber zugunsten der kulturellen Integration des Erblassers.283 278

Vgl. S. 127 sowie S. 144. Jayme, RabelsZ 63 (2003), S. 211, 215. Ähnlich auch Lorenz, ErbR 2012, 39. 280 Krit. insofern auch Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einf EG-ErbVO-E, Rn. 50; Sonnentag, EWS 2012, 457, 462. 281 Sonnentag, EWS 2012, 457, 462. 282 Kritisch dazu Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einf EG-ErbVO-E, Rn. 54; Sonnentag, EWS 2012, 457, 462, welche beide auf das Risiko „unkorrigierbarer Überraschungen“ hinweisen. 283 Große Bedenken demgegenüber Sonnentag, EWS 2012, 457, 463 ff. 279

V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien

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6. Familiäre und soziale Bindungen Nach den oben dargestellten Grundsätzen wird es maßgeblich auf die sozialen und familiären Verbindungen des Erblassers ankommen. a) Grundsätzliches Diese Schwerpunktsetzung wird – wie gerade dargestellt – schon an Erwägungsgrund 24 deutlich. Die familiären und sozialen Bindungen sollen stärker als die wirtschaftlichen Indizien wiegen. Das Abstellen auf die familiären und sozialen Bindungen trägt damit dazu bei, dass der Anknüpfungspunkt des gewöhnlichen Aufenthalts eine gewisse Kontinuität und Stabilität ausstrahlen kann. Dort, wo sich ein Großteil von Familie, Freunden und Bekannten des Erblassers aufhält, wird in der Regel auch der Daseinsmittelpunkt des Erblassers zu verorten sein. Hier wird wieder im Einzelfall zu untersuchen sein, mit welchen Familienmitgliedern der Erblasser zusammenlebte, mit wem er in engem/freundschaftlichem Kontakt stand und wo er sich am gesellschaftlichen Leben beteiligte. Der Ehegatte/Partner wird bei älteren Menschen die Hauptbezugsperson sein und die gemeinsamen Bindungen und Kontakte werden in der Regel ausschlaggebend sein. Bei einem Umzug wird zu untersuchen sein, ob der Erblasser mittels Fernkommunikationsmitteln die Kontakte in seinem ehemaligen Aufenthaltsstaat aufrecht erhält oder diese (vollständig) abbricht und neue Kontakte aufbaut. Je älter eine Person ist, desto unwahrscheinlicher wird es werden, dass sie sich ein völlig neues soziales Umfeld an einem ihr nicht vertrauten Ort aufbauen wird. b) Sitz der Erben Der Sitz der Erben kann dabei ein Indiz zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers darstellen. 284 Sind die Erben Familienmitglieder, werden sie als Bestandteil der familiären und sozialen Integration des Erblassers für die Bestimmung des Daseinsmittelpunktes Beachtung finden können. Je enger die Familienbande sind, desto auschlaggebender sind sie. Diesbezüglich kann es auch keinen Unterschied machen, ob die gesetzliche Erbfolge gilt oder ob der Erblasser testamentarisch (ohne Rechtswahl) verfügt hat. Eine gewisse „Verwurzelung“ wird sich im Regelfall am Sitz der Erben feststellen lassen. Allerdings kann der Sitz der Erben und Familienmitglieder nicht verhindern, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland erworben wird.

284

Mansel, FS Ansay, 185, 210; Kindler, IPRax 2010, 44, 47.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Weit weniger Indizkraft muss der Sitz der Erben haben, wenn der Erblasser nicht Familienmitglieder oder enge Freunde beruft. Insgesamt wird dabei einzelfallabhängig unterschieden werden müssen, wie eng die soziale Bindung tatsächlich war. c) Sprachkenntnisse Sprachkenntnisse werden die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich beschleunigen können. Sie sind jedoch nur eines von mehreren Indizien bezüglich der Integration. Es wird gerade nicht danach unterschieden, ob die Kontakte im Aufenthaltsstaat zur inländischen Bevölkerung bestehen oder zu Menschen, die ebenfalls in der Rechtsordnung „fremd“ sind. d) Soziale Integration von Kindern In der Praxis wird es wohl (hoffentlich) selten auf den gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern für die objektive Anknüpfung im Kontext der Verordnung ankommen.285 Hier scheint eine grundsätzliche Orientierung an der Rechtsprechung des EuGH zur Brüssel IIa-VO durchaus sachgerecht. Je kleiner das Kind ist, desto eher werden die familiären Bindungen für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ausschlaggebend sein.286 e) Soziale Integration Geschäftsunfähiger Maßgeblich sind auch bei Geschäftsunfähigen die tatsächlichen Bindungen, insbesondere zu den Bezugspersonen. Dies können Familienangehörige oder auch Pflegepersonal in einem Heim sein. Hier zeigt sich der Wechsel des Anknüpfungspunkts von der Staatsangehörigkeit zum gewöhnlichen Aufenthalt besonders stark. Die hohe Anknüpfungsstabilität der Staatsangehörigkeit ermöglichte einen Aufenthaltswechsel des Geschäftsunfähigen ohne kollisionsrechtliche Konsequenzen. Dies war insofern „angenehm“, weil nicht untersucht werden musste, inwiefern der Geschäftsunfähige tatsächliche Ortswechsel wahrnimmt und inwiefern er tatsächlich eigene Beziehungen zu seiner Außenwelt überhaupt noch zu führen imstande ist. Der gewöhnliche Aufenthalt macht nun eine nähere Auseinandersetzung mit solchen Konstellationen im Einzelfall notwendig. Je stärker die psychische Beeinträchtigung den Erblasser einschränkt, desto eher wird sich seine Situation der von Kleinkindern annähern. Je 285 Wissenschaft und Lehre haben diesem Problemfeld sowohl hinsichtlich der Endfassung der EuErbVO als auch der Verordnungsentwürfe zunächst keine Beachtung geschenkt. Dazu nun Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 6. 286 Im Ergebnis nun auch Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 6.

V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien

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nach Grad seiner Wahrnehmungsfähigkeit wird man aber unterscheiden müssen: Wenn der Geschäftsunfähige die Personen seines Umfeldes (Angehörige oder Pfleger) nicht mehr als Bezugspersonen wahrnehmen kann, so kann diese Beziehung nur schwerlich Indizkraft bezüglich sozialer Integration entfalten.287 7. Zwischenfazit Die im Kontext der Brüssel IIa-VO vorgegebenen objektiven Indizien können auch im Rahmen der Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts für die EuErbVO herangezogen werden. Zusätzliche Aspekte wie der Sitz potentieller Erben und von Vermögenswerten werden im Kontext des internationalen Erb- und Erbverfahrensrechts ebenfalls eine Rolle spielen, wobei es jeweils sehr auf die individuelle Fallkonstellation ankommen wird. Wie auch im Kontext der anderen kollisionsrechtlichen Verordnungen zeigen sich Konstellationen, die nur einzelfallspezifisch gelöst werden können. 8. Beurteilung besonderer Fallgruppen anhand der sozialen Integration Das schwerpunktmäßige Abstellen auf die familiären und sozialen Bindungen ist dabei für eine Vielzahl von Fallkonstellationen interessengerecht: a) Parallelgesellschaften In vielen modernen Großstädten bestehen Stadtviertel, die ethnisch sehr einheitlich strukturiert sind. 288 Oftmals wird nur die eigene Sprache, nicht aber die Landessprache, gesprochen und auch das öffentliche Leben im Viertel ist ausschließlich von der Kultur und dem Lebensstil der Ethnie geprägt (Parallelgesellschaft). Dies erfasst insbesondere die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern 289, Weltanschauung sowie Fragen der Erziehung und der Bildung. Das Phänomen der Parallelgesellschaften ist jedoch keine Entwicklung der jüngsten Vergangenheit, sondern ist an vielen Stellen in der Entwicklungsgeschichte moderner Einwanderungsstaaten erkennbar.290 In Bezug auf die Erbrechtsverordnung stellt sich nun aber erneut die Frage, wie mit diesen umzugehen ist. 287

Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086 f. Bspw. die türkisch geprägten Stadtviertel Berlins, Chinatown in Bangkok. 289 Das traditionelle Rollenverständnis der Ethnie (bspw. Patriarchat) wird dabei oftmals zulasten der Frau von dem in modernen, westlichen Staaten geprägten Bild von Mann und Frau abweichen. 290 Man denke an Little Italy oder Little Germany im New York des ausgehenden 19. Jh. 288

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Wie bereits zum Ausdruck gebracht 291, kann und darf soziale Integration nicht Assimilation bedeuten.292 Auch der Bewohner eines Staates, der nicht dem kulturellen und soziologischen Leitbild der Mehrheit der Bevölkerung folgt, kann dennoch lokal in ein bestimmtes Umfeld integriert sein.293 Beim Innehaben eines (neuen) Daseinsmittelpunktes geht es nicht um die Ersetzung jeglicher alter Werte durch ein neues kulturelles Gepräge, sondern vielmehr um eine gegenwärtige Verwurzelung am Aufenthaltsort.294 b) Wanderarbeiter Für die Fallgruppe der Wanderarbeiter scheint es kein „Patentrezept“ zu geben. Es wird hier jeweils auf den Einzelfall anzukommen. Die Belegenheit von Vermögen, auf die nach Erwägungsgrund 24 abgestellt werden soll, kann zwar entscheidend sein, da sie Beleg für einen Interessenmittelpunkt im Leben des Erblasser sein kann. In der Regel wird aber die relativ engste Verbindung in sozialer und familiärer Hinsicht aufzuspüren sein. Insofern gelten für diese wohl relativ seltenen Fälle keine Besonderheiten. Gleiches gilt auch für Erblasser, die vor ihrem Tod zwischen mehreren Rechtsordnungen umherreisten. c) Wochenendpendler Ein Arbeitnehmer, der während der Arbeitswoche an seinem Arbeitsort in Brüssel lebt und am Wochenende zu seiner Familie nach Aachen zurückkehrt, hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Regel am Familienwohnsitz. Dies ergibt sich schon aus einem Erst-Recht-Schluss zu Erwägungsgrund 24 und entspricht wertungsmäßig auch der von einer weitverbreiteten Literaturauffassung im Bereich des Personalstatuts verwendeten Formel, dass sich jemand gewöhnlich dort aufhält, „wo er zur Ruhe kommt, wo er schläft“.295 d) Langzeitpendler/Transmigranten Schwieriger zu beurteilen ist hingegen die ebenfalls in Erwägungsgrund 24 aufgeführte Fallgruppe der Langzeitpendler, welche zwischen zwei Wohnsitzen bedingt wechseln. Dabei wird es sehr auf den Einzelfall ankommen, 291

Vgl. S. 126. Baetge, FS Kropholler, S. 77, 80. 293 Vgl. Hunter-Henin, Rev. crit. DIP 2006, 743, 762. zur plastischen französischen Formel „milieu d’integration“; vgl. dazu auch MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 722. 294 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 52. 295 Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 115; Spickhoff, IPRax 1995, 185, 187; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086 m.w.N. 292

V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien

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wobei jeweils eine Gesamtschau der letzten Jahre des Lebens des Erblassers vorzunehmen ist. Vier Konstellationen sollen jeweils anhand der Elemente Dauer des Aufenthaltes und Intensität der sozialen Bindungen näher untersucht werden: aa) Eindeutiger Daseinsmittelpunkt Ein Daseinsmittelpunkt kann in der Regel eindeutig festgestellt werden, wenn der Erblasser sich die meiste Zeit des Jahres in dem Staat aufhielt, in dem er auch eine Großzahl familiärer und sozialer Bindungen hatte. Beispiele: (1) Ein deutsches Ehepaar verbringt den Winter von November bis März in seiner Wohnung auf der thailändischen Insel Koh Samui. Die restliche Zeit des Jahres verbringen sie in Deutschland. (2) Der Erblasser verbrachte Juni bis September in seinem Haus am Lago Maggiore in Italien und den Rest des Jahres in Deutschland. Hier wird man davon ausgehen können, dass diese regelmäßigen Unterbrechungen durch den Aufenthalt in Thailand/Italien den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nicht beeinträchtigen. Die sozialen Bindungen und die Dauer des Aufenthalts in einer Rechtsordnung überwiegen die Bindungen in der anderen Rechtsordnung. Das Gleiche muss auch für Saisonarbeitskräfte gelten, die während der Feriensaison in einem Hotel arbeiten und die restliche Zeit des Jahres in ihrem Heimatland.296 Sie begründen in der Regel keinen gewöhnlichen Aufenthalt am Arbeitsort, können dort aber durchaus schneller einen solchen erwerben (bspw. für den Fall einer Vollzeitstelle) als in einem anderen Staat, der ihnen fremd ist. Hinzu kommen die von Erwägungsgrund 24 vorgegebenen Indizien der Staatsangehörigkeit und der Belegenheit wesentlicher Vermögenswerte. Die Staatsangehörigkeit erscheint hier grundsätzlich als Kriterium geeignet. Oftmals wird eine Verbundenheit des Erblassers zum Recht seiner Staatsangehörigkeit oder seiner Herkunft bestehen und ein diesbezügliches Kontinuitätsinteresse dementsprechend auch zu berücksichtigen sein. 297 bb) Identische Aufenthaltszeiten Weitaus seltener wird der Fall vorliegen, dass ein Erblasser seine Zeit zwischen zwei vermeintlichen Lebensmittelpunkten gleichmäßig oder identisch aufteilt.

296

Vgl. auch S. 125. Vgl. dazu nochmals OLG Oldenburg IPRax 2012, 550, 551 [19], zust. Schulze, IPRax 2012, 526 ff. 297

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Denkbar sind hier vor allem Fälle, in denen eine Person ihre Anwesenheit in beiden Rechtsordnungen jeweils genau abzählt, um Vorteile bzgl. der persönlichen Steuerpflicht für sich zu erlangen oder um eine „günstige“ Staatsbürgerschaft zu erhalten.298 Beispiel: Der Allgäuer Unternehmer U möchte die Vorteile des Schweizer Steuerrechts genießen. Er meldet seinen Hauptwohnsitz in der Schweiz an, zählt Anwesenheitstage in seinem schweizerischen Haus, sammelt Belege und achtet genauestens darauf, dass er keinen steuerrechtlichen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 S. 1 und S. 2 AO in Deutschland hat. In Deutschland hat er in seiner dortigen Villa einen Zweitwohnsitz, leitet weiterhin sein Unternehmen und ist auch sozial und gesellschaftlich aktiv. Selbst in einem solchen Fall wird aber in der Regel ein sozialer und familiärer Daseinsmittelpunkt ermittelt werden können. Eine besondere steuerrechtliche Gestaltung führt nicht per se zum Innehaben eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts für das Erbrecht. In der ex-post-Betrachtung wird man anhand der Aufzeichnungen und steuerrechtlichen Unterlagen einen guten Anhaltspunkt für die Beurteilung des Lebens des Erblassers bekommen können. Fraglich wird aus kollisionsrechtlicher Perspektive aber immer sein, ob die sozialen Bindungen wirklich „identisch und gleichmäßig“ verteilt sind. Dies scheint beim ebengenannten Beispiel schon äußerst zweifelhaft. Auch bei der Fallgruppe der „Mallorca-Rentner“ wird eine völlig gleichmäßige Aufteilung zwischen zwei Wohnorten wohl äußerst selten vorkommen. Zum anderen wird das Innehaben von zwei „parallelen“ Lebensmittelpunkten über mehrere Jahre oder Jahrzehnte wohl kaum angenommen werden können. Es gilt dann, die jeweils relativ engste soziale und familiäre Verbindung der letzten Lebensjahre aufzuspüren. cc) Aufenthalt vs. tatsächliche Bindungen Problematisch ist vor allem der Fall, in dem ein Erblasser die meiste Zeit in einer Rechtsordnung lebt, seine sozialen und familiären Bindungen aber hauptsächlich in der anderen Rechtsordnung hat. Beispiel: Der deutsche Erblasser lebt jährlich im Schnitt acht Monate in Spanien und vier Monate in Deutschland, wo er Familie und Freunde hat. Legt man zugrunde, dass der Erblasser auch in Spanien soziale Kontakte hat und in gewissem Umfang integriert ist, so wird es sehr auf den Einzelfall ankommen, was nach Erwägungsgrund 23 („Umstände des Einzelfalls“) auch hinzunehmen ist. Im konkreten Fall könnte grundsätzlich trotz des längeren Aufenthalts in Spanien ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland bestehen bleiben. 298

Vgl. zu solchen Vorhaben im Steuerrecht Löffler/Stadler, IStR 2008, 832 ff.

V. Bestimmung anhand objektiver Kriterien

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Denn die zeitliche Aufenthaltsdauer allein ist nach oben Gesagtem nicht ausschlaggebend. Wenn an beiden Orten soziale (und ggf. familiäre) Bindungen bestehen, so wird es wiederum auf die relativ engste Verbindung des Erblassers ankommen.299 Die nach Erwägungsgrund 24 relevanten Indizien der Staatsangehörigkeit und der Belegenheit von Vermögensgegenständen werden – in der Regel – zusammenfallen und für Deutschland sprechen. In der ex-post-Betrachtung wird der Erblasser dort auch einen Großteil seines Lebens verbracht haben und entsprechend „verwurzelt“ sein. Je länger aber der Aufenthalt in der einen Rechtsordnung andauert und je kürzer die Unterbrechungen zugunsten eines Aufenthalts in einer anderen Rechtsordnung sind, desto eher wird sich das Ergebnis der ersten Fallgruppe annähern, weil eine soziale Integration mit zunehmender Anwesenheitsdauer in der Rechtsordnung (hier Spanien) und mit kürzeren Unterbrechungen des Aufenthalts (Aufenthalte in Deutschland) wahrscheinlicher werden wird. Nimmt das Gericht bspw. eine Gesamtschau der letzten zehn Jahre des Lebens des Erblassers vor, so wird es insbesondere untersuchen müssen, ob sich eine Tendenz bzgl. der Aufenthaltsdauer (Veränderung zugunsten einer Rechtsordnung) feststellen lässt, so dass eine schrittweise Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts angenommen werden kann. Diese schrittweise Verlagerung wird der absolute Regelfall sein, da insbesondere Ruheständler keine Veranlassung dazu haben werden, mit ihren sozialen und familiären Kontakten im In-/Ausland zu brechen. Anders als „klassische“ Auswanderer (bspw. Gewinner einer US-amerikanischen Green Card) wird hier kein Stichtag für die dauerhafte Verlagerung des Aufenthalts feststellbar sein, sondern die Verlagerung fließend sein. Eher werden beschwerliche Reisen seltener und damit die jeweilige Aufenthaltsdauer länger. dd) Transmigration Eine besondere Herausforderung für deutsche Nachlassgerichte werden in Zukunft auch Menschen mit Migrationshintergrund aus der ersten Generation der Gastarbeiter sein. Die prozentual größte Gruppe der türkischstämmigen Gastarbeiter wird zwar von der Verordnung nicht erfasst.300 Vergleichbare Konstellationen ergeben sich aber bei Italienern oder Griechen. 299

Vgl. nochmals S. 245 f. Es gilt nach Art. 75 Abs. 1 UAbs. 1 EuErbVO der Vorrang der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags zwischen dem Deutschen Reich und der türkischen Republik vom 28.5.1929 (Nachlassabkommen). 300

248

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Diese kamen in den 1960er Jahren zum Arbeiten nach Deutschland, blieben aber dauerhaft. In vier Jahrzehnten haben sie Deutschland zu ihrer neuen Heimat gemacht, ihre Kinder und Enkelkinder sind hier geboren. Neben dem beruflichen Umfeld haben sie auch ihr soziales Umfeld dauerhaft und beständig in Deutschland etabliert. Teilweise haben sie die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Dennoch verspüren viele der ehemaligen Gastarbeiter den Wunsch, in ihrem Ruhestand (mehr) Zeit in der alten Heimat, ihrem Herkunftsland, zu verbringen. Das soziale und familiäre Umfeld ist aber nach wie vor fest in Deutschland verankert, so dass ein Pendeln zwischen beiden Rechtsordnungen üblich sein wird. Oftmals wird eine Verlagerung des Daseinsmittelpunktes – wie schon dargestellt – auch hier fließend und schrittweise erfolgen, ohne dass es einen klar bestimmbaren Zeitpunkt geben wird, an dem der Ruheständler bewusst die Absicht fasst, fortan seinen Daseinsmittelpunkt in der Rechtsordnung seiner Staatsangehörigkeit zu haben. Die anfänglich kurzen Urlaube in der alten Heimat werden nach und nach immer länger, bis sich über die Jahre hinweg womöglich ein schwerpunktmäßiger Aufenthalt in der alten Heimat feststellen lässt. Eine „Reintegration“ in seiner alten Heimat wird dem Erblasser generell leichter fallen, wenn er dort noch über soziale Bindungen verfügt und ihm Sprache, Gesellschaft und Kultur bekannt und vertraut sind. Diese Vertrautheit wird auch einer der ausschlaggebenden Gründe sein, warum ein Gastarbeiter in das Land seiner kulturellen Prägung zurückkehren wird. Schon anhand dieser Kriterien wird man eine rasche Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts bejahen können.301 Voraussetzung muss dann aber auch ein feststellbarer Daseinsschwerpunkt sein. Oft wird dieses Land nicht mehr das Land seiner familiären Verbindungen sein und ggf. auch nicht mehr das Land seiner Staatsangehörigkeit. Man wird sogar eher davon ausgehen müssen, dass der Gastarbeiter aus Griechenland nach Deutschland zurückkehren wird, wenn er sich alleine nicht mehr versorgen kann, weil dort seine Familie sein wird und er nicht in ein Pflegeheim fernab der Familie will. Die Familie wird ihn dann nach Deutschland „nach Hause“ holen. ee) Fazit Schon eine objektive Betrachtung der möglichen Fallgruppen zeigt, dass die meisten der relevanten Fälle von Langzeitpendlern anhand objektiver Kriterien zutreffend gelöst werden können. Geht man davon aus, dass eine Verlagerung des Aufenthalts im Alter vor allem schrittweise erfolgen wird, 301 Vgl. dazu auch die Schlussanträge von Generalanwalt Antonio Saggio vom 29.9.1998, Rs. C-90/97, Swaddling/Chief Adjudication Officer, Slg. 1999, I-1077, I-1085.

VI. Subjektive Kriterien

249

so kann mit der Formel der sozialen und familiären Integration der Daseinsmittelpunkt mit großer Einzelfallgerechtigkeit abgebildet werden. Völlig ohne die Beachtung der Absichten des Erblassers scheint aber eine sachgerechte Beurteilung unvollständig, so dass diese Fallkonstellation weiterer Untersuchung auf subjektiver Ebene bedarf.

VI. Subjektive Kriterien Auf subjektiver Ebene muss ebenfalls geklärt werden, inwiefern die Rechtsprechung des EuGH für den Aufenthaltsbegriff im Kontext der EuErbVO berücksichtigt werden kann oder ob andere Ansätze Einzug finden müssen. 1. Natürlicher Bleibewille Fraglich ist, wie der natürliche Bleibewille der Person einzustufen ist. a) Motiv der Aufenthaltsverlagerung Bleiben wir beim Beispiel des Langzeitpendlers, der acht Monate im Jahr in Spanien lebt und vier Monate in Deutschland. Man wird hier die Motive des Erblassers zu untersuchen haben: Die Konstellation des Einzelfalls wird sich maßgeblich danach unterscheiden, ob der Erblasser seinen Daseinsmittelpunkt von Deutschland nach Spanien verlegen und nur noch „zu Besuch“ nach Deutschland kommen wollte oder ob er weiterhin seinen Daseinsmittelpunkt in Deutschland beibehalten, sein Leben aber um die „Sonnenseite des Lebens in Spanien“ erweitern wollte. Denn davon wird auch in der Folgezeit abhängen, wie intensiv die soziale Integration vorangetrieben wird. Ein entsprechender „Wille zur Verlagerung“ wird sich dabei in der Regel objektiv durch die Indizien des Einzelfalles manifestieren. 302 Je älter eine Person wird und je schwerer und aufwändiger Reisen werden, desto eher wird die Person einen ihrer beiden Wohnorte als „den“ Lebensmittelpunkt „auswählen“. Dieser wird oftmals dort sein, wo die Familie lebt und die ärztliche Versorgung den Vorstellungen der Person entspricht. Der andere Wohnsitz (bspw. das Häuschen auf Mallorca oder am Gardasee) wird dann schrittweise der nächsten Generation übergeben werden.

302 Bspw.: Dauerhafte Mitnahme der Haustiere, konkrete Ausgestaltung der Versorgung des Anwesens/Wohnung in Abwesenheitszeiten, Regelung von Postnachsendungen für die Abwesenheitszeiten, Engagement in Vereinen, Stammtischen, Kartenspielrunden usw.

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

250

b) Fehlende Aussagekraft der Staatsangehörigkeit Diese subjektive Komponente wird auch immer dann relevant sein, wenn die Staatsangehörigkeit als Indiz zugunsten des alten bzw. bestehenden gewöhnlichen Aufenthalts versagt, weil Aufenthaltsrecht und Recht der Staatsangehörigkeit nicht übereinstimmen. Dies ist ohne Weiteres denkbar, wenn beispielsweise der in München lebende und verwurzelte Österreicher M zusammen mit seiner deutschen Frau F zwischen Mallorca und München pendelt. Hier ist der Rekurs auf die Staatsangehörigkeit nicht sachgerecht. Es wird hier daher zu untersuchen sein, ob die Vorstellung bzw. der Wille des M, in München seinen Lebensmittelpunkt beizubehalten, objektiv hinreichend manifestiert war. Dies gilt schon deswegen, weil M anders als F gerade nicht die Möglichkeit hatte, deutsches Recht zu wählen, vgl. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO. c) Reintegration Unterstützende Indizwirkung wird der Wille auch haben, wenn ein Erblasser nach einem (längeren) Auslandsaufenthalt in seine Heimatrechtsordnung zurückkehrt. Kehrt eine Person in ihre alte Heimat zurück, so spricht objektiv viel für eine rasche Integration, weil die Person mit der örtlichen Kultur vertraut ist und noch eine Verbundenheit zu Land und Leuten besitzen wird. Liegt beim Erblasser beim Umzug auch die Vorstellung/der Wille vor, „heimzukehren“, also dem Aufenthalt Beständigkeit zu verleihen, so ist diese subjektive Komponente nicht mehr ausschlaggebend, wenn schon die objektiven Umstände für den schnellen Erwerb eines Daseinsmittelpunktes sprechen. Sie wird aber das Ergebnis für die Verlagerung positiv bestärken. 303 2. Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts mit Ankunft im Zuzugsstaat Brisanz hat aber die Frage, ob ein Erblasser mit Ankunft im Zuzugsstaat einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann, wenn man davon ausgeht, dass er dort noch nicht sozial integriert ist, sondern nur den Willen hat, dauerhaft in dem Land zu bleiben und sich künftig zu integrieren (Bleibewillen). Es stellt sich also die Frage, ob der bisherige Doppelansatz zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts auch auf die EuErbVO übertragen werden kann. Schon angesprochen wurde das Spannungsverhältnis zwischen Erwägungsgrund 23 S. 3 und 25 mit ihren unterschiedlichen Grundverständnissen des Aufenthaltsbegriffs.

303

Im Ergebnis wohl auch Weller, S. 293, 323.

VI. Subjektive Kriterien

251

Erwägungsgrund 25 geht von einem „schnellen“ Erwerb des gewöhnlichen Aufenthalts mit Ankunft im Zuzugsstaat aus. Fordert man mit Erwägungsgrund 23 S. 3 eine besonders enge und feste Verbindung, die im Regelfall nicht unmittelbar nach der Ankunft im Zuzugsstaat bestehen können wird, so ist für Erwägungsgrund 25 nur mittels einer Prognoseentscheidung anhand subjektiver Indizien eine Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts möglich. Diese Konstellation erinnert an die oben diskutierte EuGHEntscheidung Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe zur Brüssel IIa-VO.304 Nähere Überlegungen zur Übernahme der Rechtsprechung sollen anhand des folgenden Beispielfalls veranschaulicht werden: Beispielfall: Der deutsche Witwer W (66 Jahre alt) beschließt in einer „Residenz für Junggebliebene“ (Einzelapartment, Möglichkeit des betreuten Wohnens) mit deutschsprachiger Betreuung und ärztlicher Versorgung sowie überwiegend deutschen Bewohnern auf Mallorca zu leben. Seine erwachsenen Kinder samt Enkel, mit denen er weiterhin Weihnachten verbringen will, leben nach wie vor in Deutschland. Nach sieben Monaten in Spanien stirbt er auf Mallorca überraschend an einer Hirnblutung. 305 Wie verhält es sich in diesem Zusammenhang mit der internationale Zuständigkeit und dem anwendbaren Recht? Der Erblasser hat noch starke Verbindungen nach Deutschland, weil dort soziale und familiäre Verbindungen vorhanden sind. Seine frühere Hauptbezugsperson, die Ehefrau, ist zwar verstorben. Kontakt zu seinen Kindern und Enkeln hat er aber nach wie vor. Sein tatsächlicher Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Todes befand sich auf Mallorca, wo er seit mehreren Monaten zur Miete in der Residenz lebte und sich auch entsprechend eingerichtet hatte. Erste Kontakte zu anderen Senioren und dem Personal konnte er schon deswegen knüpfen, weil keine Sprachbarriere bestand. Nach den Grundsätzen des gewöhnlichen Aufenthalts kann es bei der Beurteilung der sozialen Kontakte im Zuzugsstaat gerade nicht darauf ankommen, ob diese zu Inländern oder zu dort lebenden Ausländern bestanden.

304 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309; zum Sachverhalt vgl. S. 145. 305 Einen ähnlichen Beispielfall wirft jetzt auch Burandt, FuR 2013, 314, 316 auf, ohne jedoch einen Lösungsansatz zu liefern.

252

§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

a) Orientierung an Erwägungsgrund 23 Eine restriktive, objektive Gesamtabwägung kommt hier zum Ergebnis, dass der Aufenthalt auf Mallorca und die erfolgte soziale Integration noch nicht ausreichend waren, um eine Verlegung des Daseinsmittelpunktes anzunehmen. Für dieses Ergebnis kann man sich auf die Aussage von Erwägungsgrund 23 S. 3 stützen und eine besonders enge und feste Bindung zu Spanien ablehnen. Nach diesem objektiven Ansatz konnte W seinen alten gewöhnlichen Aufenthalt dementsprechend noch nicht durch einen neuen in Spanien ersetzen. Es liegt gerade kein Fall der „Reintegration“306 vor, in dem der Erblasser bei Aufnahme eines neuen Wohnsitzes bereits über so starke soziale, familiäre und kulturelle Verbindungen verfügt, so dass es zu einem sofortigen Wiederaufleben eines alten gewöhnlichen Aufenthaltes kommt.307 Zwar hätte der Aufenthalt in Mallorca in der Zukunft zu einem gewöhnlichen Aufenthalt werden können. In den sieben Monaten zwischen Aufenthaltswechsel und Tod liegt eine, den Statutenwechsel rechtfertigende Stabilität der Verbindung zu Spanien hingegen noch nicht vor. Zu stark sind noch seine alten Verbindungen. Damit würde die internationale Zuständigkeit für deutsche Gerichte gem. Art. 4 EuErbVO zu bejahen sein. Anwendbares Recht wäre deutsches Recht gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO. Würde sich das spanische Gericht aufgrund des Todes in Spanien mit der Sache befassen, so müsste es sich gem. Art. 15 EuErbVO für unzuständig erklären und die Sache an deutsche Gerichte verweisen. b) Orientierung an Erwägungsgrund 25 Erwägungsgrund 25 zu Art. 21 Abs. 2 EuErbVO scheint hingegen eine Übernahme der Rechtsprechung zur Brüssel IIa-VO zu indizieren. Im Kontext der Brüssel IIa-VO lässt die Rechtsprechung zu, dass der gewöhnliche Aufenthalt schon mit der Ankunft im Zuzugsstaat begründet wird, wenn der entsprechende Wille zu bleiben vorliegt und in gewissem Umfang auch objektiv manifestiert ist.308 Maßgebend für die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts in den Aufnahmestaat soll vor allem der Wille sein, dort den ständigen oder ge-

306

Vgl. nochmals das Ebengesagte zur Reintegration, S. 250. Vgl. auch Odersky, notar 2013, 3, 4. 308 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309. So nun auch Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 6. 307

VI. Subjektive Kriterien

253

wöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen in der Absicht zu begründen, ihm Beständigkeit zu verleihen. 309 Übernimmt man diesen Ansatz, so kann man hier (anhand einer Prognoseentscheidung) von einem gewöhnlichen Aufenthalt auf Mallorca ausgehen. W hatte die Absicht, seinen Lebensmittelpunkt fortan auf Mallorca zu haben. Sprachkenntnisse sind wenig relevant, weil er komplett in einem deutschen Umfeld auf Mallorca leben kann. Er hat ein Apartment in der Residenz angemietet, was für eine objektive Manifestierung dieses Willens spricht. Eine soziale Integration im Zuzugsstaat wäre weiter vorangetrieben worden, wenn er nicht zuvor gestorben wäre. Der alte gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland wurde damit mit dem Umzug beendet und ein neuer in Spanien begründet. Denn ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt setzt nicht einen Abbruch der alten sozialen Kontakte im letzten Aufenthaltsstaat voraus. Dies führt dazu, dass die internationale Zuständigkeit gem. Art. 4 EuErbVO für die spanischen Gericht zu bejahen ist. Gem. Art. 21 Abs. 1 i.V.m. 36 Abs. 1 bzw. 2 lit. a EuErbVO kommt mallorquinisches Recht zur Anwendung.310 c) Korrektur mittels Art. 21 Abs. 2 EuErbVO? Bejaht man den gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien mittels Prognoseentscheidung, so scheint eine Korrektur nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO auf kollisionsrechtlicher Ebene konsequent. Der vorliegende Fall entspricht der in Erwägungsgrund 25 in Erläuterung zu Art. 21 Abs. 2 EuErbVO genannten Fallkonstellation, in der „der Erblasser beispielsweise erst kurz vor seinem Tod in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts umgezogen ist und sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass er eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat hatte.“ Folgt man dem Ansatz, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt zwar schon begründet wurde, so bleibt die internationale Zuständigkeit spanischer Gerichte gem. Art. 4 EuErbVO bestehen, jedoch würde deutsches Recht gem. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zur Anwendung kommen, wenn man annimmt, dass W noch starke Bindungen zu seiner Familie, Verwandten und Bekannten in Deutschland hat, wo er auch sein ganzes Leben verbrachte. Damit wird der Gleichlauf zwischen forum und ius durchbrochen. Auf kollisionsrechtlicher Ebene wird jedoch dasselbe Ergebnis wie nach der restriktiven objektiven Auffassung erreicht. Art. 10 EuErbVO könnte in 309 EuGH v. 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU, Barbara Mercredi/Richard Chaffe, Slg. 2010, I-14309, Rn. 51. 310 Zur Rechtsspaltung im span. Int. Erbrecht vgl. Hierneis, Das besondere Erbrecht der sogenannten Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Jayme, RabelsZ 55 (1991), 303 ff.; Mayer/Süß, § 19, Rn. 450 f. Zur Anwendung von Art. 36 EuErbVO in Spanien nun auch Steinmetz/Löber/Alcázar, ZEV 2013, 535 ff.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

solchen Fällen für die Erben in Deutschland nur einen Gerichtsstand eröffnen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat befand. d) Bewertung Diese zweite Lösungsalternative, welche die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts mit dem Umzug bejaht, vermag im erbrechtlichen Kontext nicht zu überzeugen. Dies liegt schon daran, dass dieser Ansatz einen unnötigen „Umweg“, eine Ergebniskorrektur, über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO erforderlich macht. Anders formuliert: Die Existenz von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO und Erwägungsgrund 25 legt die Übernahme der bisherigen Rechtsprechung nahe, ohne dafür ein überzeugendes dogmatisches oder praktisches Bedürfnis vorweisen zu können. Ein Erklärungsversuch in der Literatur führt zwei Vorzüge des RegelAusnahmeverhältnisses von Art. 21 Abs. 1 und 2 EuErbVO auf: Zum einen soll es von Vorteil sein, dass das sachnächste Recht zur Anwendung kommen, gleichzeitig aber das von den Nachlassberechtigten angerufene Gericht zuständig bleiben kann. 311 Des Weiteren soll das Regel-Ausnahmeverhältnis von Absatz 1 und 2 ermöglichen, Sonderfälle zu lösen, ohne die zum gewöhnlichen Aufenthalt entwickelten Grundsätze zu „verbiegen“. 312 Es sei wenig sinnvoll, hier einen eigenständigen gewöhnlichen Aufenthalt im erbrechtlichen Sinne zu etablieren.313 Das erste Argument erscheint wenig plausibel. Vorteil des gewöhnlichen Aufenthalts als einheitlicher Anknüpfungspunkt sollte gerade der Gleichlauf zwischen forum und ius sein. Die Annäherungsformel des Daseinsmittelpunkts sollte dabei gerade auch flexibel genug sein, um den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden. Dabei ist die Sinnhaftigkeit der Ausweichklausel – gerade in Verbindung mit Erwägungsgrund 25 – durchaus zu bezweifeln.314 Die sehr ähnlichen Formulierungen müssen zwangsläufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten und zu erhöhter Rechtsunsicherheit führen. Bei korrekter Durchführung einer Gesamtbetrachtung bezüglich des gewöhnlichen Aufenthaltes bleibt kein Raum mehr

311

Dörner, ZEV 2012, 505, 511. Dörner, ZEV 2012, 505, 511. 313 Dörner, ZEV 2012, 505, 511. 314 Kritisch auch Wilke, RIW 2012, 601, 605, Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086; Vollmer, ZErb 2012, 227, 231; Odersky, notar 2013, 3, 5; Dutta, FamRZ 2013, 4, 6. 312

VI. Subjektive Kriterien

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für eine Beurteilung der Gesamtumstände zur Auffindung einer engeren Verbindung.315 Hierbei zeigt sich das Spannungsverhältnis zwischen gewöhnlichem Aufenthalt im Rahmen der internationalen Zuständigkeit und im Kollisionsrecht. Eine Ergebniskorrektur bezüglich Art. 4 EuErbVO wird im Regelfall nämlich nicht durchführbar sein. Nur wenn ein Drittstaatenbezug vorliegt, kann ein Gerichtsstand außerhalb der Rechtsordnung des gewöhnlichen Aufenthalts vorliegen. Dementsprechend überlagern entweder die strengen Anforderungen an den gewöhnlichen Aufenthalt im Kollisionsrecht das Interesse, schnell und einfach einen Gerichtsstand zu eröffnen, oder das Gericht wird gezwungen sein, ausländisches Recht anzuwenden. Dabei ist nicht erkennbar, welchen Vorteil es haben soll, dass das angerufene Gericht hier zuständig bleiben „darf“.316 Dass dieses dann mittels Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ausländisches bzw. hier konkret deutsches Recht anwenden könnte, ist nur ein schwacher Trost. In der Praxis bietet es sich für das Gericht daher an, die Ausweichklausel in diesem Fall zu umgehen:317 Bestehen für das Gericht nur wenig Zweifel an der Begründung eines neuen Daseinsmittelpunktes, weil der Erblasser objektiv bereits „genügend“ Zeit hatte, um seinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu verfestigen, so wird es eine vermeintlich starke Bindung zum alten Heimatrecht ablehnen und auch Art. 21 Abs. 2 EuErbVO verneinen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Erblasser noch Vermögenswerte im Ausland hat, so müsste man nach Erwägungsgrund 23 den sozialen Bindungen in der Gesamtbeurteilung den Vorrang einräumen. Ist das Gericht hingegen überzeugt, dass keine starke Bindung zum alten Aufenthaltsrecht besteht, so wird es im Zweifel in der Gesamtabwägung den gewöhnlichen Aufenthalt verneinen und gerade nicht mit der EuGH-Rechtsprechung die Bleibeabsicht/Bleibeprognose ausreichen lassen. Im konkreten Fall werden auch die Erben des W an einer solchen Entscheidung des Gerichts großes Interesse haben, da sie ermöglicht, dass die deutschen Gerichte nach der Unzuständigkeitserklärung in Spanien gem. Art. 7 lit. a EuErbVO über den Fall entscheiden können. Der vermeintliche Vorteil der Ausweichklausel wird sich also für diese Konstellation in der Praxis wohl regelmäßig nicht positiv auswirken.

315 Wilke RIW 2012, 601, 605; Vollmer, ZErb 2012, 227, 231; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. Diesbzgl. zustimmend Dörner, ZEV 2012, 505, 510, außerdem wohl Dutta, FamRZ 2013, 4, 8. 316 Im Beispielfall (aber nicht nur in diesem) werden die Angehörigen des Erblassers nur dann ein „ausländisches“ Gericht anrufen, wenn sich dies nicht vermeiden lässt. 317 Vgl. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Größeres Gewicht hat hingegen das zweite Argument. Lehnt man nämlich ab, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt mit Ankunft im Zuzugsstaat bei Vorliegen eines entsprechenden Bleibewillens erworben werden kann, so verlässt man die dargestellte Linie der Rechtsprechung des EuGH.318 Dies müsste in der Konsequenz zu einem eigenständigen Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts in der EuErbVO führen, welches dementsprechend strengere objektive oder subjektive Anforderungen an die Aufenthaltsbegründung stellt. 319 Gegen ein solches eigenständiges Verständnis lässt sich anführen, dass der Rechtsanwender durch die Möglichkeit kontextabhängiger unterschiedlicher Aufenthalte irritiert werden könnte. So scheint es durchaus möglich, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt im Kontext der Scheidungszuständigkeit von dem gewöhnlichen Aufenthalt im Erbrecht abweicht, wenn man für die EuErbVO eine höhere Anknüpfungsstabilität fordert. Dem ist jedoch vor allem entgegenzuhalten, dass es nur selten tatsächlich zu einer Konfrontation zwischen zwei gewöhnlichen Aufenthaltsverständnissen kommen wird. Dies liegt schon daran, dass sich die erbkollisionsrechtliche Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Regel aus einer Retrospektive, also aus einer ex-post-Betrachtung der letzten Lebensjahre des Erblassers ergibt.320 Selbst wenn der Erblasser Rechtsberatung bzgl. seiner Nachlassplanung in Anspruch nimmt, so wird wohl nur selten gleichzeitig zu Fragen der Brüssel IIa-VO und Rom III-VO beraten werden. Eine Kollision mit einem möglicherweise anderen Aufenthaltsverständnis der geplanten Verordnung zum Ehegüterrecht 321 ist ebenfalls nicht zu befürchten, da Art. 3 EuGüVO-E bzgl. der internationalen Zuständigkeit für Fälle mit Nachlassbezug auf die Vorschriften der EuErbVO verweist.322 Die objektive Anknüpfung des Art. 17 Abs. 1 lit a) EuGüVO stellt auf den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ab, so dass hier in der Regel eine Kollision mit einem erbrechtlichen Begriffsverständnis schon aufgrund der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts nicht vorliegen wird.323 318

Insb. im Kontext der Brüssel IIa-VO, vgl. oben S. 141 ff. Grundsätzlich zust. auch Hausmann, A Rn. 48, welcher unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Erw. 23 davon ausgeht, dass je nach Kontext unterschiedliche Maßstäbe anwendbar sein können. Insofern auch zustimmend Weller, S. 293, 312. 320 Vgl. schon Erw. 23. 321 Kom [2011] 126 endg. 322 Vgl. Wagner, NJW 2013, 1653, 1654 zum Gesetzgebungsverfahren. 323 Näher dazu Hausmann, R Rn. 17. Auch das autonome deutsche int. Güterrecht des Art. 15 Abs. 1 i.V.m. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB knüpft an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt an und stellt dabei auf den Zeitpunkt der Eheschließung ab, so dass hier in der Regel ein zeitliches Auseinanderfallen der Anküpfung Irritationen bzgl. unterschiedlicher Ergebnisse verhindern wird. 319

VI. Subjektive Kriterien

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Eine Prognoseentscheidung, die den Willen des Betroffenen mit einbezieht, kann in familienrechtlichen Verfahren auf die aktuelle Situation des Verfahrensbeteiligten eingehen und künftige Entwicklungen antizipieren. Insofern kommt es auf eine prospektive Beurteilung an. Hier ist der integrative Faktor des gewöhnlichen Aufenthalts auch gerade darauf ausgerichtet, dass die Person im Regelfall der „aktuellen“ Aufenthaltsrechtsordnung unterstellt wird.324 Bei erhöhter Mobilität ist ein entsprechender rascher Wechsel gewünscht, um den Gleichlauf von forum und ius abbilden zu können. In der retrospektiven Beurteilung des Erbfalls durch das Gericht325 kann der Erblasser hingegen von der Prognoseentscheidung nicht profitieren, da ihm eine künftige Integration schon tatsächlich nicht (mehr) möglich ist. Hier handelt es sich gerade nicht mehr um einen fließenden Integrationsprozess, und der Erblasser selbst kann im Verfahren auch nicht mehr befragt werden. 326 Somit führt die Ersetzung von tatsächlich vorliegenden objektiven Kriterien durch eine Prognoseentscheidung anhand der Absichten der Person zur ungewünschten Folge des zu schnellen Statutenwechsels, ohne dass tatsächlich ein neuer Lebensmittelpunkt entstanden ist und jemals entstehen wird.327 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO ist, wie auch in der Brüssel IIa-VO, verordnungsautonom auszulegen.328 Wie oben dargestellt, wird im Rahmen der Auslegung für die Brüssel IIa-VO je nach Kontext vor allem das Kindeswohl berücksichtigt und ein schneller Statutenwechsel zum effektiven Schutz des Kindes bejaht.329 Dieser schnelle Statutenwechsel kann ebenfalls berechtigt sein, wenn den Beteiligten eine reibungslose Scheidung ermöglicht werden soll. Die EuErbVO muss hingegen gem. Erwägungsgrund 23 S. 3 vor allem den Erblasser vor einem zu raschen Statutenwechsel schützen.330 Nimmt man nämlich die dortige Aussage ernst, so muss man zu dem Ergebnis gelangen, dass ein neuer Aufenthalt 324

Vgl. nochmals S. 138 f. Auf diese Perspektive des Gerichts muss sich auch die vorsorgliche Rechtsberatung einstellen. 326 Wilke, RIW 2012, 601, 605; vgl. auch Lorenz, ErbR 2012, 39, 44, der dem Integrationsargument im Erbrecht ebenfalls geringeres Gewicht als im Familienrecht zuschreiben will. 327 Staudinger/Spellenberg, Art. 3 EheGVO, Rn. 69. 328 Vgl. S. 220 f. So ausdrückl. auch Odersky, notar 2013, 3, 4; vgl. auch Hausmann, A Rn. 45 m.w.N. A.A. Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 5. 329 Vgl. S. 144. 330 Kindler, IPRax 2010, 44, 47 sieht in Anknüpfung an Mansel, FS Ansay 2006, 185, 190 f. in dem möglichen Statutenwechsel eine potentielle Gefahr für die Verwirklichung der Niederlassungs- und Personenverkehrs- und Kapitalverkehrsfreiheit des Unionsbürgers. 325

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

über eine gewisse Intensität verfügen muss und eine kurze Anwesenheit die enge Bindung zum alten Recht jedenfalls nicht sofort und ohne Weiteres in Frage stellt.331 Erwägungsgrund 24 stützt diesen Ansatz, da auch die dortigen Indizien für eine dauerhafte soziale Integration sprechen.332 Ein Vorzug des gewöhnlichen Aufenthalts ist seine „Integrationsfreudigkeit“ und seine Offenheit gegenüber Neuankömmlingen in einer Gesellschaft. 333 Diesem Bedürfnis, die gesamte Bevölkerung einer Rechtsordnung einzubeziehen, entspricht ein räumlich wirkender Anknüpfungspunkt eher als die Staatsangehörigkeit. 334 Denn der Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit verhinderte oftmals, dass es mittels eines Statutenwechsels zur Anpassung des Anknüpfungsergebnisses an die Lebenswirklichkeit des Betroffenen kam. 335 Der der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt zugrundeliegende Regelfall sollte der (EU-)Bürger sein, der seit langer Zeit in einer anderen Rechtsordnung lebt und dort eine „zweite Heimat“ gefunden bzw. sich integriert hat, auf den das inländische Erbrecht aber keine Anwendung fand. Gerade im internationalen Erbrecht darf dies aber nicht dazu führen, dass ein Statutenwechsel bei fast jedem Umzug stattfinden kann.336 Das Bedürfnis nach Kontinuität ist anders als im Kindschaftsrecht wesentlich höher. Auch die Tatsache, dass Nachlassvermögen in der Regel schwerpunktmäßig in der Mitte des Lebens des Erblassers erwirtschaftet wurden, spricht für ein Kontinuitätsinteresse des Erblassers und im Regelfall gegen einen Statutenwechsel aufgrund eines Umzugs wenige Monate vor dem Tod.337 Nur die bloße Existenz des Erwägungsgrundes 25 kann nicht dazu führen, dass ein an sich nicht gewünschtes Ergebnis auf einem unnötig kompliziert konstruierten Weg wieder beseitigt werden muss. Insgesamt sprechen damit die besseren Argumente gegen die diesbezügliche Übernahme der EuGH-Rechtsprechung und die erforderliche Korrektur über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. Der gewöhnliche Aufenthalt sollte bei einem Aufenthaltswechsel erst dann begründet werden, wenn, um bei der Formulierung von Erwägungs331

Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086. Vgl. auch Dutta, FamRZ 2013, 4, 5 f. 333 Mansel, FS Ansay 2006, 185, 210; Kindler, IPRax 2010, 44, 47. 334 Vgl. Kindler, IPRax 2010, 44, 47. 335 Vgl. auch v. Hinden/Müller, ErbStB 2013, 97, 99, welche ebenfalls den Vorteil einer sozialbezogenen Anknüpfung bei Migranten hervorheben. 336 So auch Odersky, notar 2013, 3, 4, der darauf hinweist, dass ein entsprechendes Bedürfnis nicht besteht. Vgl. auch Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086; Bedenken diesbzgl. auch bei Kindler, IPRax 2010, 44, 47. 337 Vgl. Lehmann, ZErb 2005, 320, 321. 332

VI. Subjektive Kriterien

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grund 23 S. 3 zu bleiben, eine besonders enge und feste Bindung zwischen Rechtsordnung und Erblasser feststellbar ist.338 e) Konsequenzen In der Konsequenz wirft dies die Frage auf, welche Anforderungen an eine hinreichend feste und enge Verbindung in solchen Fällen festgestellt werden sollten. Es bestehen zwei Möglichkeiten, um eine besonders enge und feste Bindung zwischen Rechtsordnung und Erblasser zu erreichen: Ein Ausbau der subjektiven Tatbestandsseite mittels der Voraussetzung eines strengen animus manendi oder eine Erhöhung der objektiven Anforderungen an die soziale Integration. aa) Subjektive Komponente Zunächst wäre es denkbar, strengere Anforderungen auf subjektiver Ebene zu stellen, um eine starke Bindung zwischen Rechtsordnung und Individuum sicherzustellen und zu erreichen, dass eine fehlende Integration kompensiert werden kann. Es müsste also mehr als der Wille, dem Aufenthalt Beständigkeit zu verleihen, gefordert werden.339 Denn das bloße dauerhafte Verbleibenwollen könnte eine fehlende tatsächliche soziale Integration nicht kompensieren, wenn man nur eine Prognose durchführen kann. Vielmehr würde zu fordern sein, dass der Erblasser dauerhaft und bis an sein Lebensende in der Rechtsordnung verweilen will, um von einem starken Zugehörigkeitsgefühl („neue Heimat“) ausgehen und eine entsprechend enge Verbindung sofort nach dem Umzug annehmen zu können. Formelhaft könnte der gewöhnliche Aufenthalt dann begründet werden, wenn ein Aufenthalt in der Rechtsordnung besteht, in welcher der Erblasser bis zu seinem Lebensende einen dauerhaften Lebensmittelpunkt innehaben will. Dieses Willenselement erinnert stark an die subjektive Tatbestandsseite des domicile nach englischem Verständnis, der es nachempfunden sein müsste.340 Will der Erblasser ernsthaft und dauerhaft bleiben, so ermöglicht ein Nachweis dieses Willens aber eine verdeckte Rechtswahl. 341 Auch ein kur338

Grundsätzlich zust. wohl Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086; DNotI, DNotI-Report 2012, 121, 122; Dutta, FamRZ 2013, 4, 5 f.; ebenso v. Hinden//Müller, ErbStB 2013, 97, 99. Buschbaum/Simon, NJW 2012, 2393, 2395 sehen ebenfalls ein Bedürfnis nach einer eigenständigen Auslegung anhand von Erwägungsgrund 23 und 24. 339 Vgl. zu diesem Ansatz im Kontext der wissenschaftlichen Diskussion um eine Rom 0-Verordnung Weller, S. 293, 295, 317. 340 Vgl. nochmals oben S. 61 ff.

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zer Aufenthalt, welcher fast unmittelbar vor dem Tod aufgenommen wurde, könnte zur Anwendung des Aufenthaltsrechts führen, was ggf. wieder zu einer Diskussion um die Korrektur des Anknüpfungsergebnisses führen wird. Der Nachweis der Willenskomponente wird sich aber in der Regel als schwierig erweisen: Wenngleich man diesen Willen im obigen Beispiel durchaus annehmen könnte, wenn man unterstellt, dass ein Erblasser, der mit Mitte 60 in eine betreute Altersresidenz zieht, dort auch sterben will, wird dieser Wille nur in den seltensten Fällen positiv vorliegen.342 Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung kann der Erblasser aber auch durchaus nach 15 Jahren in Spanien in den Kreis seiner Familie zurückkehren (wollen), so dass eine pauschale Annahme wenig hilfreich ist. Schon hier zeigt sich die Schwachstelle dieses Ansatzes. Ist dieser Wille des Erblassers positiv nicht ersichtlich, so müssten Vermutungen das Vorliegen substituieren,343 was zu großen praktischen Schwierigkeiten führen und in der Konsequenz wenig sachgerechte Ergebnisse erzielen wird. Der Erblasser steht nach seinem Tod nicht mehr zur Befragung zur Verfügung, und nicht jeder Erblasser wird ausführliche Aufzeichnungen zu seinen Motiven niedergelegt haben. Selbst der testamentarisch verfügende Erblasser wird ohne entsprechendes Problembewusstsein nicht ohne fremden Anstoß 344 Erwägungen zu seinem Aufenthaltsort mit in ein Testament aufnehmen. Und selbst wenn der Erblasser entsprechende Angaben in sein Testament aufnahm, wird stets zu untersuchen sein, wie glaubwürdig diese eingestuft werden können.345 Insofern besteht bei der Testamentsgestaltung durchaus Manipulationsgefahr, was schon englische Fälle zum domicile zeigen. 346

341 Nicht zu Unrecht wird der gewöhnliche Aufenthalt als „kleiner Bruder der Parteiautonomie“ bezeichnet, vgl. Weller, S. 293, 295 m.w.N. zu diesem Ausspruch. 342 Vgl. S. 68 f. zu den strengen Anforderungen des engl. domicile und den Kritikpunkten der Law Reform Commissions. 343 Dafür Weller, S. 293, 321, der auf diese Weise den Primat des Bleibewillens wahren will. 344 Vgl. bspw. Bieler/Frieser/Martiny, Nach Art. 26 EGBGB (EuErbVO), Rn. 91 sowie Jayme, Zugehörigkeit und kultuerelle Identität, S. 35, nach dem in der Bevölkerung noch kaum ein „kollisionsrechtliches Bewusstsein“ besteht. 345 Ein auch für den gewöhnlichen Aufenthalt verwendbarer Ansatz wäre die Aussage von Lord Buckmaster in Ross v Ross [1930] A.C. 1: „Declarations of intention are rightly regarded in determining the question of a change of domicil, but they must be examined by considering the person to whom, the purposes for which, and the circumstances in which they are made, and they must further be fortified and carried into effect by conduct and action consistent with the declared expression.“ Es kommt bei der Beurteilung damit vor allem auf den Kontext und die tatsächliche Umsetzung der Erklärung an. 346 Vgl. zu der kritischen Haltung der engl. Rspr. insg. S. 80 f.

VI. Subjektive Kriterien

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In der Konsequenz würde der gewöhnliche Aufenthalt aber zu einem zweiten domicile mit all seinen oben ausführlich beschriebenen Nachteilen. Insbesondere würde sich die Gefahr erhöhen, dass künstliche Ergebnisse, die deutlich von der Lebenswirklichkeit des Erblassers abweichen, erzeugt würden.347 De facto könnten strenge subjektive Anforderungen zu einer Vermutungswirkung zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit führen,348 wenn der Wille dauerhaft zu bleiben nicht dargelegt werden kann und sich der gewöhnliche Aufenthalt entweder in der Heimatrechtsordnung befand oder am letzten Aufenthaltsort ebenfalls der animus manendi fehlte. 349 Jedenfalls aber würde eine Vermutung zugunsten eines bestehenden gewöhnlichen Aufenthalts sprechen müssen, um zu verhindern, dass ein überraschender Statutenwechsel mit einem Umzug einherginge. Diejenigen Stimmen in der Lehre, welche ohnehin für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit plädierten, mögen diesem Ergebnis zustimmen, da sie im internationalen Erbrecht den Wert der kulturellen Identität höher einstufen als die kulturelle Integration.350 So kann der Erblasser schließlich unter denselben Wertungsgesichtspunkten eine Rechtswahl vornehmen. Damit setzt man sich allerdings bewusst in Widerspruch zu den grundlegenden Gedanken der Haager Übereinkommen, die auf einen (rechtsgeschäftlichen) Willen als Voraussetzung für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes in Abgrenzung zu Wohnsitz/domicile verzichtet haben.351 Zwar könnte man auch hiergegen argumentieren, dass die Haager Konferenzen den gewöhnlichen Aufenthalt zunächst nur als sehr objektivierten Anknüpfungspunkt für Kindesschutzsachen entwickelt haben und auch der EuGH schließlich von einer subjektiven Aufladung des gewöhnlichen Aufenthalts ausgeht. Dies darf jedoch nicht zu einer Ersetzung und Verdrängung des gewöhnlichen Aufenthalts durch ein anderes Konzept führen. Noch dazu nicht durch ein Konzept, welches der gewöhnliche Aufenthalt einst ersetzen und verdrängen sollte.352 Eine Vielzahl auch der komplexen Fälle kann aber auf objektiv-wertender Ebene sachgerecht ge-

347

Vgl. dazu insb. S. 179 f. Nicht grundlos wird das domicile als „nationality in disguise“ bezeichnet; vgl. nochmals Stone, S. 12, sowie oben S. 28. 349 So müsste man entsprechend dem domicile annehmen, dass der Erblasser grundsätzlich in seine Heimrechtsordnung zurückkehren wollte, wenn ein entgegengesetzter Wille nicht hinreichend deutlich wird; vgl. Frantzen, FS Jayme, S. 187, 188. 350 Sonnentag, EWS 2012, 457, 463 ff. Vgl. auch Frantzen, FS Jayme 2004, S. 187, 189, welcher die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit oder das Domizil bevorzugt. 351 Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086 f.; Dörner, ZEV 2012, 505, 510. 352 Vgl. auch Baetge, The Max Planck Encyclopedia on European Private Law, S. 498: „All in all, from a uniform law perspective domicile represents an outdated concept.” 348

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

löst werden, wobei ein subjektives Element zumeist nur bekräftigende Wirkung bei der Ergebnisfindung hat.353 Ein weiteres, politisches Argument muss angeführt werden: Es fände eine starke Annäherung an gerade die beiden Staaten statt, die der Erbrechtsverordnung die Zustimmung versagten: Großbritannien und Irland. Während ein solches Vorgehen im Entstehungsprozess durchaus als Kompromiss zwischen common law und civil law denkbar gewesen wäre354, so wirkt es jetzt obsolet. Richtiger scheint es insgesamt, nicht vom Ausnahmefall aus zu denken und einen vermeintlich sachgerechten Lösungsweg zum allgemeingültigen zu machen. Der gewöhnliche Aufenthalt hat – wie jeder Anknüpfungspunkt – Stärken und Schwächen. Eine der Stärken ist es, dass eine flexible Einzelfalllösung möglich ist. Diese Errungenschaft sollte nicht zusätzlich durch die Aufwertung der subjektiven Tatbestandsseite gefährdet werden.355 bb) Objektivierter Integrationsmaßstab Um die soziale Integration eines Erblassers nach einem Umzug in den Jahren vor seinem Tod zu untersuchen, scheint ein Integrationsmaßstab in zeitlicher Hinsicht sachgerechter. Eine enge und feste Bindung des Erblassers zu der Rechtsordnung des gewöhnlichen Aufenthalts liegt dann vor, wenn der Erblasser sich an dem Ort innerhalb eines gewissen Regelzeitraums einen permanenten Lebensmittelpunkt erschlossen hat. Dabei handelt es sich gerade nicht um eine Mindestaufenthaltsfrist, sondern lediglich um einen Vergleichsmaßstab für die Integration des Erblassers in seine Umwelt. Lehmann schlug 2005 überzeugend vor, dass die von der deutschen Rechtsprechung entwickelte Faustformel, wonach Minderjährige grundsätzlich nach sechsmonatiger Anwesenheit im Zuzugsstaat einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen würden, entsprechend angepasst auch im Kontext der EuErbVO Anwendung finden könnte. 356 Dementsprechend solle nach einer Drei- oder Fünfjahresfrist im Regelfall von der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthaltes durch den Erblasser ausgegangen werden.357 Dabei komme es aber wie bei der oben dargestellten 353

Vgl. S. 243. Vgl. Mansel, FS Ansay, S. 185, 211. 355 Vgl. auch Denkinger, S. 369. 356 Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 120 ff.; vgl. dazu Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 110 f. 357 Im Ergebnis sprach sich Lehmann – anders als noch Baetge, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 110 f. – für einen Fünfjahreshorizont aus, Lehmann, Reform des int. Erb- und 354

VI. Subjektive Kriterien

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Faustformel grundsätzlich auf den jeweiligen Einzelfall an. Abweichungen zugunsten einer schnelleren oder langsameren Integration358 könnten in die Gesamtbeurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts ohne Weiteres einzelfallgerecht einfließen. 359 Dies scheint insbesondere deswegen notwendig, weil der gewöhnliche Aufenthalt hier einer großen Altersspanne der Erblasser gerecht werden muss. Für Minderjährige scheint die Faustformel der sechsmonatigen Anwesenheit hinsichtlich der Integration interessengerecht. Hier bestehen wenig Bedenken gegen eine Weiterverwendung der bestehenden Rechtsprechung in Deutschland. Weder ist zu erwarten, dass eine Vielzahl von Fällen in der Praxis der EuErbVO auftreten werden, noch dass der Erwägungsgrund 23 S. 3 insofern dieselben strengen Anforderungen wie an volljährige Erblasser stellen würde. Ein Zeitraum von drei Jahren scheint bei Volljährigen im Regelfall für die Zwecke der EuErbVO angemessen, um von hinreichend festen und engen Verbindungen in der Zuzugsrechtsordnung auszugehen. Legt man einen solchen Maßstab an, verhindert man für den Regelfall, dass Statutenwechsel zu schnell eintreten und das Erbrecht ständig mit dem zukünftigen Erblasser „umzieht“. Gleichzeitig ist dieser Maßstab für den Einzelfall offen und schließt die Berücksichtigung einer schneller erfolgten Integration und Reintegration nicht aus. Auch kann dieser Maßstab den Erwartungen des Erblassers hinreichend entsprechen. Lebte dieser mehrere Jahre vor seinem Tod in einer ihm „fremden“ Rechtsordnung, so ist der Maßstab flexibel genug, um anhand der tatsächlichen Integration zu überprüfen, ob seitens des Erblassers auch das Bewusstsein bestand, dass ein Statutenwechsel möglich sei. Denn je länger eine Person in einer ihr fremden Rechtsordnung lebt, desto eher wird in ihr ein Bewusstsein entstehen können, dass sie in allen rechtlichen Beziehungen und Verhältnissen diesem Recht unterstellt wird. Damit wird der „Überraschungseffekt“ des Statutenwechsels beim Umzug ausgeschlossen.360 Auch bzgl. der Nachlassplanung lässt sich mit diesem Ansatz arbeiten: Will der Erblasser sicher sein Heimatrecht angewendet wissen, so wird er ohnehin eine Rechtswahl vornehmen und ein etwaiges Restrisiko hinsichtlich der Aufenthaltsanknüpfung ausschließen. Im umgekehrten Fall hingeErbprozessrechts, S. 121 f. Dabei bringt er die Befürchtung zum Ausdruck, dass ein solcher „gefestigter“ Aufenthalt keinen Rückhalt im künftigen Verordnungstext finden würde. Die Formulierung von Erw. 23 zerstreut diese berechtigten Bedenken jedoch. 358 Vgl. dazu die Überlegungen auf S. 243 ff. 359 Lehmann, Reform des int. Erb- und Erbprozessrechts, S. 121 f. 360 Kritisch diesbzgl. Schurig, FS Spellenberg, S. 343, 346; Sonnentag, EWS 2012, 457, 462.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

gen darf der Erblasser erst dann sicher von der Anwendbarkeit des Aufenthaltsrechts ausgehen, wenn die Einnahme eines neuen Lebensmittelpunkts hinreichend objektiviert ist. 3. Mangelnde Freiwilligkeit des Aufenthalts Lehnt man den Ausbau der Willenskomponente durch Anleihen beim domicile ab, so stellen sich weitere Detailfragen bzgl. subjektiver Komponenten. a) Rückkehrwille Fraglich ist, ob alleine der Wille nicht dauerhaft am Aufenthaltsort zu bleiben (Rückkehrwille) ausreichen kann, um den Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts zu verhindern. Dies ist insbesondere denkbar bei Personen, die sich gegen ihren Willen in der Rechtsordnung aufhalten, bspw. als Flüchtlinge oder als Gefängnisinsassen. Diese Gruppen werden oft den Wunsch haben, sobald wie möglich in ihre frühere Heimat zurückkehren. Aber auch bei Diplomaten und Arbeitnehmern („expats“), die nur für eine befristete Zeit im Ausland arbeiten, stellt sich diese Frage. Bereits festgehalten wurde, dass von vornherein befristete Aufenthalte den alten gewöhnlichen Aufenthalt nicht notwendig unterbrechen.361 Eine Befristung des Aufenthalts verhindert aber auch nicht den Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts durch eine tatsächlich erfolgte soziale Integration in die Rechtsordnung.362 Dabei sollte der allgemeine Grundsatz gelten, dass die tatsächliche soziale Integration relevant ist und ein entgegengesetzter Wille diese lediglich verzögern kann.363 Ein Rückkehrwille sollte bei der Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts also keine unmittelbare Beachtung finden.364 Besteht ein solcher Rückkehrwille dennoch, so muss er mittels Rechtswahl manifestiert und ansonsten nur als Indikator für eine verlangsamte Integration bewertet werden.

361

Vgl. S. 236. So ausdrücklich auch Odersky, notar 2013, 3, 5. 363 Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. A.A. Weller, S. 293, 322. 364 Ebenso Odersky, notar 2013, 3, 5; DNotI/Hayton, Les successions internationales dans l'UE, S. 359, 365 schlug die Formulierung „freiwilliger gewöhnlicher Aufenthalt“ vor, um insbesondere den Erwerb eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts bei Kriegsgefangenen oder Insassen einer Anstalt zu verhindern. Dieser Ansatz wurde im Gesetzgebungsverfahren aber nicht weiter berücksichtigt. 362

VI. Subjektive Kriterien

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b) Mangelnde Integrationsbereitschaft Dasselbe muss auch für fehlende Integrationsbereitschaft gelten, da der gewöhnliche Aufenthalt wie oben gesehen nicht die Assimilierung des Zuwanderers erfordert und dementsprechend auch nicht voraussetzt, dass dieser sich als Inländer auffassen muss.365 Anders formuliert muss der Erblasser gerade nicht ein Nationalbewusstsein des gewöhnlichen Aufenthaltsortes entwickeln, um nach dem Recht der dortigen Rechtsordnung beerbt werden zu können. Zwar könnte eine gewünschte Anknüpfungsstabilität auch durch höhere Anforderungen an den Willen des Erblassers, sich am Aufenthaltsort „in der Mitte der Gesellschaft“ zu integrieren, erhöht werden.366 Würde man dies jedoch fordern, so würde der Aufenthaltsbegriff zur staatlichen Erziehungsmaßnahme, welche nur denjenigen dem nationalen Recht unterstellt, der eine entsprechende Integration „nachweisen“ kann und so die Funktion des internationalen Privatrechts als Integrationsrecht einschränken würde.367 Überdies scheint ein Integrationswille praktisch nur schwer nachvollziehbar, wenn in einem Land große regionale Unterschiede und Befindlichkeiten herrschen. 368 Eine Integration kann dabei nämlich ohnehin nur in ein spezifisches Milieu erfolgen. 369 c) (Unterlassene) Rechtswahl als Indiz für Bleibe- oder Rückkehrwillen Eng verbunden mit der Beurteilung des Rückkehrwillens ist die Frage, ob Schlüsse aus einer unterlassenen Rechtswahl gezogen werden können. Probleme könnten sich vor allem bei einem vermeintlich unerwünschten Statutenwechsel ergeben, wenn durch den Aufenthaltswechsel ein Statutenwechsel stattfindet, der ein Rechtsgeschäft unter Lebenden auf den Todesfall, insbesondere einen Pflichtteilsverzicht außer Kraft setzt. Dies ist denkbar bei einem Umzug in ein Land, welches den Pflichtteilsverzicht nicht kennt oder akzeptiert.370 Der Erblasser kann ohne Weiteres eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts vornehmen, um den ungewollten Statutenwechsel zu verhin-

365

Vgl. S. 236. Grundsätzl. bejahend Süß, ZErb 2009, 342, 344; vgl. auch den Ansatz von Weller, S. 293, 313, 321. 367 Zum Begriff des Integrationsrechts vgl. auch Jayme/Jayme, Kulturelle Identität und IPR, S. 5, 12. 368 Man denke nur an „die Schwaben“ als Überbegriff für „Süddeutsche mit Migrationshintergrund“ in Berlin. 369 Vgl. nochmals Hunter-Henin, Rev. crit. DIP 2006, 743, 762 zur plastischen französischen Formel „milieu d’integration“. Vgl. dazu auch MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 722. 370 Beispielkonstellation nach Everts, ZEV 2013, 124, 126. 366

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

dern. Nimmt er eine Rechtswahl nicht vor, so könnte dies dafür sprechen, dass er das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts annehmen will. Eine diesbezügliche Schlussfolgerung scheint jedoch sowohl generell wenig geeignet als auch konkret wenig ergiebig. Schon allgemein ist die Indizwirkung der unterlassenen Rechtswahl nur sehr gering. Die vorgenommene Rechtswahl bringt nur zum Ausdruck, dass der Erblasser die Rechtsordnung seiner Staatsangehörigkeit zur Anwendung bringen will. Die Rechtswahl schließt gerade nicht aus, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt, ein Daseinsmittelpunkt, in einer anderen Rechtsordnung besteht. Vielmehr setzt die Rechtswahl, um eine sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit für den Erblasser darzustellen, einen (zumindest wahrscheinlichen) Daseinsmittelpunkt im Ausland gerade voraus. Eine unterlassene Rechtswahl kann damit nicht zwingend den Umkehrschluss erlauben, dass der Erblasser sowohl einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erwarb als auch nach dem dortigen Recht beerbt werden wollte. Auch konkret scheint die Indizkraft einer unterlassenen Rechtswahl nur sehr gering. Zunächst müsste nämlich geklärt werden, ob der Erblasser überhaupt Kenntnis von der Rechtswahlmöglichkeit hatte. Hatte er keine Kenntnis, so kann aus dem Unterlassen nur wenig schlussgefolgert werden. Wusste er hingegen von seinen Gestaltungsmöglichkeiten, so stellt sich die schwierige Frage, ob er die Rechtswahl bewusst nicht vorgenommen hat, weil er nach seinem Aufenthaltsrecht beurteilt werden wollte, oder ob er von dem Fortgelten des Heimatrechts mangels Erwerb eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts ausging. Existiert ein Testament, so stellt sich eher die Frage, wie das Testament des Erblassers auszulegen ist und ob eine Rechtswahl in einer Bezugnahme auf eine konkrete Rechtsordnung feststellbar ist.371 Liegt hingegen kein Testament vor, so müsste im Regelfall spekuliert und auf den hypothetischen Willen des Erblassers abgestellt werden. Dies kann nur in besonders eindeutig gelagerten Fällen, bspw. bei umfassenden Aufzeichnungen des Erblassers, erfolgversprechend sein. Selbst wenn festgestellt werden kann, dass eine Rechtswahl trotz des bestehenden Willens nicht mehr vorgenommen wurde, weil der Erblasser zu früh starb, lässt sich daraus nur der Schluss ziehen, dass eine Rechtswahl nicht vorgenommen wurde, nicht jedoch, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt beabsichtigt war. 371

Vgl. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087; Leitzen, ZEV 2013, 128, 132; Odersky, notar 2013, 3, 5; Bieler/Frieser/Martiny, nach Art. 26 EGBGB (EuErbVO), Rn. 91. Vgl. zu den Grundsätzen der Auslegung von Testamenten nach deutschem Recht Schmoeckel, S. 140 ff.; Michalski, S. 108 ff.; Zimmermann, S. 108 ff.; Tanck/Uricher/Tanck, S. 786 ff.; Leipold, S. 129 ff.; Brox/Walker, § 16, S. 121 ff.

VII. Subjektive Elemente in Art. 21 Abs. 2 EuErbVO?

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d) Fazit Zur Ausfüllung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte weitestgehend auf eine subjektive Aufladung des gewöhnlichen Aufenthalts verzichtet werden.

VII. Subjektive Elemente in Art. 21 Abs. 2 EuErbVO? Oben wurde bereits zum Ausdruck gebracht, dass sich die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO berechtigter Kritik ausgesetzt sieht. Das in Erwägungsgrund 25 genannte Anwendungsbeispiel scheint eine Anwendung gerade nicht zu rechtfertigen. Im Folgenden soll daher nun überprüft werden, ob Art. 21 Abs. 2 EuErbVO in weiteren Problemfällen sinnvoll sein könnte. 1. Rückkehrwille Geht man – wie hier vertreten – davon aus, dass Rückkehrwille und mangelnder Integrationswille lediglich als Indikatoren verlangsamter Integration im Rahmen der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts Beachtung finden sollten, so scheint eine Korrektur über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zumindest erwägenswert. In der Literatur wird angeregt, insbesondere bei vorhandenem Rückkehrwillen gegebenenfalls eine Korrektur über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO vorzunehmen:372 Die Beachtung des Rückkehrwillens des Erblassers im Kontext von Art. 4 und Art. 21 Abs. 1 EuErbVO würde zu einem Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen führen, so dass diese Sonderfälle mithilfe der Ausweichklausel zu lösen seien. Beispielfall:373 Der leitende Angestellte A zieht mit seiner gesamten Familie nach Spanien, weil er dort den Aufbau eines neuen Standortes seines Unternehmens für mehrere Jahre betreuen soll. Die Familie des A integriert sich problemlos in ihr neues Umfeld in Spanien. Bevor sich A entscheiden muss, ob er weiter in Spanien bleiben oder die in Aussicht gestellte Beförderung in Deutschland annehmen soll, verstirbt er nach 4jährigem Aufenthalt bei einem Autounfall in Spanien. Geht man hier davon aus, dass A und seine Familie (auch unter Berücksichtigung eines Integrationsmaßstabes von drei Jahren 374) einen gewöhn372

Dörner, ZEV 2012, 505, 511. Die von Dörner, ZEV 2012, 505, 511 angeregte Korrektur bezieht sich auf eine vergleichbare Fallkonstellation. 374 Vgl. S. 262 f. 373

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

lichen Aufenthalt erworben haben, so stellt sich die Frage, ob eine Korrektur nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO geboten ist. Geht man davon aus, dass eine soziale Integration des Arbeitnehmers in der Zeit des Aufenthaltes erfolgt ist und ein gewöhnlicher Aufenthalt gem. Art. 4 und Art. 21 Abs. 1 EuErbVO bejaht werden kann, so bietet sich hier die Anwendung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO an, um nach wie vor bestehende Verbindungen und den Willen zur Rückkehr zu berücksichtigen. Dies scheint insbesondere angemessen, wenn es sich gerade nicht um einen „Integrationsverweigerer“ handelt, sondern um einen Erblasser, der im Zuzugsstaat auch Kontakte knüpfte, sein neues Leben angenommen hat und sich „eingelebt“ hat. Steht es für den Erblasser fest, dass er zurückkehren will und die Rechtsordnung seiner Staatsangehörigkeit wieder zur Anwendung kommen würde, so könnte sein Wille gerade auch dann berücksichtigt werden, wenn keine Rechtswahl vorgenommen wurde. Dagegen spricht jedoch, dass Art. 21 Abs. 2 EuErbVO damit zum subsidiären subjektiven Anknüpfungsunkt würde. Die Berücksichtigung des Rückkehrwillens würde dazu führen, dass der nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO in einer Gesamtbeurteilung gefundene Daseinsmittelpunkt zugunsten des Willens des Erblassers ausgehöhlt wird. Damit würde die in Art. 22 EuErbVO beschränkte Rechtswahl umgangen werden, weil der mutmaßliche Wille in die Rechtsordnung des früheren gewöhnlichen Aufenthalts zurückzukehren, deren Recht zur Anwendung bringen würde, wenngleich der Erblasser dieses Ergebnis mittels Rechtswahl nicht erzielen hätte können bzw. nur dann, wenn er in seine Heimatrechtsordnung zurückkehren würde. Außerdem sprechen auch Beweisschwierigkeiten gegen die Berücksichtigung eines entgegenstehenden Willens für Art. 21 Abs. 2 EuErbVO.375 Wie oben schon zum Ausdruck gebracht, kann der Wille des Erblassers nur dann eine vernünftige Entscheidungsgrundlage darstellen, wenn er zur Überzeugung des Gerichts feststeht. Dies wird vor allem dann gelingen können, wenn der Erblasser seine Motive schriftlich oder in anderer Form niedergelegt hat und diese so in die Gesamtbeurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts einfließen können. Aus rechtsberatender Sicht muss dem Erblasser, der eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts nicht vornehmen kann oder will, dementsprechend sogar geraten werden, Aufzeichnungen zum Daseinsmittelpunkt für eine nachträgliche Beurteilung zu verwahren oder testamentarisch festzuhalten. 376 Eine praktische Frage wird dann 375

Kunz, GPR 2012, 208, 210 f.; Wilke, RIW 2012, 601, 605. Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. Leitzen, ZEV 2013, 128, 132 gibt für die Übergangszeit bis 2015 folgenden Formulierungsvorschlag für einen Testator, welcher das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zur Anwendung bringen will: „Mir ist bekannt, dass ich ab dem 17. August 2015 nach dem Recht des Staates beerbt werde, in dem sich mein 376

VII. Subjektive Elemente in Art. 21 Abs. 2 EuErbVO?

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aber immer sein, ob das Gericht Aussagen zum vermeintlichen Lebensmittelpunkt auch tatsächlich Glauben schenken kann. Die Rechtsprechung der Commonwealth-Rechtsordnungen ist – wie schon oben gesehen – diesbezüglich äußerst kritisch und schenkt lebzeitigen Aussagen (mündlich oder schriftlich bzw. testamentarisch) des Erblassers wenig Beachtung, um Manipulationen des Anknüpfungsergebnisses zu verhindern bzw. einzuschränken.377 Liegen eindeutige Anzeichen nicht vor, so bliebe nur die Möglichkeit, eine positive oder negative Vermutung hinsichtlich des Rückkehrwillens aufzustellen. Damit liefe man jedoch Gefahr, sich einer der deutlichsten Schwachstellen des domicile anzunähern, welches sich nach englischem Verständnis nur mit der revival doctrine zu helfen weiß.378 Im konkreten Beispielfall zeigt sich diese Beweisproblematik bereits deutlich. Im Regelfall wird nicht klar sein, ob der Erblasser den Willen hatte, einen Statutenwechsel verhindern zu wollen. Sachgemäßer scheint es daher, eine Anwendung des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO (im Beispielfall und auch ganz allgemein) abzulehnen. 2. Leben in einer „Enklave“ / Parallelgesellschaft In der Literatur werden weitere Fälle diskutiert, die der Korrektur von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO bedürfen könnten. Eine Fallgruppe sollen (neben den Mallorca-Rentnern) Erblasser sein, die an der Grenze zum Staat ihrer Staatsangehörigkeit in einer anderen Rechtsordnung leben, ihr soziales Leben aber nach wie vor komplett in der alten Heimat haben. Als Beispiel für eine solche Konstellation wird das niederländische Ehepaar genannt, welches aus Kostengründen in Deutschland im Grenzgebiet lebt, seine sozialen Bindungen aber weiterhin vollständig in den Niederlanden hat und für jegliche soziale Betätigung die nur wenige Minuten entfernte Grenze überschreitet.379 Selbst bei solchen Einzelfallkonstellationen scheint jedoch eine Anwendung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO nicht geboten, da mittels der oben ausgearbeiteten Grundlagen zu Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ein Daseinsmittelpunkt sachgerecht aufgefunden werden kann und unklar ist, anhand welletzter gewöhnlicher Aufenthalt vor dem Tod befunden hat. Ich stelle hiermit nach Belehrung durch den Notar über die Möglichkeiten einer Rechtswahl klar, dass dies meinem Willen entspricht und dass mit den vorstehenden Verfügungen keine stillschweigende Rechtswahl meines derzeitigen oder zukünftigen Heimatrechts gemäß Art. 22, Art. 24 und/oder Art. 83 Abs. 4 EuErbVO verbunden ist.“ Einen vergleichbaren Vorschlag liefert auch Odersky, notar 2013, 3, 5. 377 Vgl. oben S. 80 f. sowie S. 259 f. 378 Vgl. S. 31 ff, 33 f. 379 Süß, ZErb 2009, 342, 344.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

cher Grundlage ein „noch sachgerechteres“ Ergebnis gefunden werden sollte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche Indizien für Art. 21 Abs. 2 EuErbVO herangezogen werden könnten, die nicht schon für Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berücksichtigt wurden. Schon anhand der objektiven Tatsachenlage wird sich eine soziale Integration in Deutschland feststellen oder verneinen lassen, so dass es auf den etwaigen Integrationswillen für Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ohnehin nicht mehr ankommen wird. Zweifelsfälle können Erblasser mit der Rechtswahl zugunsten ihres Heimatrechts ohne Weiteres ausräumen. Unabhängig davon wird es bei solchen Fällen ohnehin auf jeden Einzelfall ankommen, so dass eine Fallgruppenbildung hier ungeeignet scheint, da sie mehr Probleme heraufbeschwört als löst. Auch die schon mehrfach angesprochene Fallgruppe der Langzeitpendler bedarf keiner weiteren Berücksichtigung eines mangelnden Integrationswillens über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. 3. Einschränkung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO in zeitlicher Hinsicht Art. 21 Abs. 2 sollte mithin nicht zu einem subsidiären Anknüpfungspunkt ausgebaut werden, der subjektive Defizite des Erblassers zu korrigieren vermag. Falls man ein solches Vorgehen dennoch bejahen will, so sollte zumindest eine Faustformel in zeitlicher Hinsicht einen Ausschluss der Ausweichklausel von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO gewährleisten. Hat der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt länger als fünf Jahre inne, so kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass der gewöhnliche Aufenthalt soweit gefestigt ist, dass eine engere Verbindung zu einer Rechtsordnung nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO nicht mehr aufzufinden ist. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO will gerade eine Gesamtbetrachtung vornehmen, die den gewöhnlichen Aufenthalt ausschaltet. Erwägungsgrund 25 reagiert auf den Fall, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt angenommen wird, wenn noch starke Bindungen zum Heimatrecht oder zum früheren Aufenthaltsrecht bestehen. Spiegelbildlich scheint es daher einleuchtend, die Anwendung der Ausweichklausel zu begrenzen, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt von derartiger Beständigkeit ist, dass eine Gesamtbeurteilung nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ausscheiden muss. Damit könnte man insofern einen gedanklichen Gleichlauf mit den Vorgaben von Art. 10 lit. b EuErbVO erreichen, der ebenfalls eine Zeitgrenze von fünf Jahren für die Beachtlichkeit des letzten gewöhnlichen Aufenthalts setzt. Die Verwendung einer solchen Faustformel verhindert damit nicht eine abweichende Extremfallbeurteilung. Sie gibt den Verfahrensbeteiligten jedoch einen gewissen Anhaltspunkt, ab wann eine Argumentation mittels der Ausweichklausel abgeschnitten werden sollte.

VIII. Bekämpfung von Gesetzesumgehungen?

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VIII. Bekämpfung von Gesetzesumgehungen? Wiederholt wurde in der Literatur auf die Missbrauchsgefahr der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalts hingewiesen.380 Art. 21 Abs. 2 EuErbVO könnte hier womöglich als Korrekturmöglichkeit Verwendung finden, um Gesetzesumgehungen (fraud à la loi, fraus legis) zu verhindern. Zwei grundsätzlich unterschiedliche Fallgruppen sind ersichtlich: Zum einen sind Umgehungsversuche durch den Erblasser selbst denkbar. Zum anderen könnte der gewöhnliche Aufenthalt von Geschäftsunfähigen (insbesondere Demenzkranken) durch eine betreuende Person manipuliert werden. 1. Gesetzesumgehungen durch den Erblasser selbst Der Begriff der Rechtsumgehung (Gesetzesumgehung, fraus legis) wird nach der allgemeinen Rechtslehre definiert als „Veränderung eines Sachverhalts mit dem Ziel, diesen dem an sich, das heißt ohne Sachverhaltsänderung, maßgebenden Rechtssatz und damit dessen missliebigen Rechtsfolgen zu entziehen und einem anderen Rechtssatz und damit dessen gewünschten Rechtsfolgen zu unterstellen.“381 Während eine Gesetzesumgehung sowohl auf Ebene des materiellen Privatrechts als auch des internationalen Privatrechts möglich ist, interessiert kollisionsrechtlich lediglich die Manipulation der Anknüpfung, also des kollisionsrechtlich relevanten Sachverhalts. 382 Hier wird somit nicht eine konkrete Sachnorm gezielt ausgeschaltet, sondern vielmehr ein Statutenwechsel herbeigeführt, der von diesem Endziel getragen wird.383 Die Verortung und Behandlung der kollisionsrechtlichen Gesetzesumgehung ist unklar und umstritten. Eine weitere Unterscheidung von Fallgruppen scheint diesbezüglich hilfreich: a) Vortäuschen eines gewöhnlichen Aufenthalts (Simulation) Eine Fallkonstellation bezüglich eines manipulierten Statutenwechsels stellt das Vortäuschen einer Aufenthaltsverlagerung bei der Beibehaltung des tatsächlichen Lebensmittelpunktes (Simulation) dar. Ein solches Vorhaben scheint vor allem dann vorstellbar, wenn der Erblasser über mehrere Wohnsitze verfügt und denjenigen als Daseinsmittelpunkt postuliert, der 380

Vgl. bspw. Sonnentag, EWS 2012, 457, 463; Herweg, S. 54. Kegel/Schurig, § 14 I, S. 476 f.; MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 746 m.w.N. Vgl. dazu auch Junker, IPR, Rn. 184. 382 Junker, IPR, Rn. 184; MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 747. 383 MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 747. 381

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seinem Interesse, beispielsweise Pflichtteile zu schmälern, am ehesten entspricht. Auch dem internationalen Steuerrecht sind derartige Fälle der simulierten Wohnsitzverlegung bekannt.384 Eine solche Manipulation, also eine simulierte Anknüpfung muss generell unbeachtlich bleiben.385 In der Praxis wird sich vor allem die Schwierigkeit ergeben, die Simulation aufzudecken und eine richtige Sachverhaltsfeststellung vornehmen zu können. 386 Geht man davon aus, dass das Gericht eine umfassende Gesamtbeurteilung des Lebens des Erblassers in den Jahren vor dem Tod vornimmt, so lässt dies darauf hoffen, dass ein vorgetäuschter gewöhnlicher Aufenthalt aufgefunden werden kann. Denn hier gilt es den Ort der tatsächlichen sozialen Integration aufzuspüren. Einem gewieften Erblasser wird es dennoch gelingen können, seine Lebensgeschichte entsprechend zu „gestalten“. Eine Simulation des gewöhnlichen Aufenthalts erfordert jedoch große Disziplin, da der Erblasser über einen langen Zeitraum (zumindest die letzten Jahre vor seinem Tod) manipulieren müsste, um sicherzugehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt nicht ex post zu seinen Ungunsten in der ungewünschten Rechtsordnung verortet wird. Eine Restunsicherheit, entdeckt zu werden, wird aber für den Erblasser über den Tod hinaus bestehen bleiben. Fraglich wird dann auch sein, ob dieser Aufwand tatsächlich von künftigen Erblassern betrieben wird, nur um den/die Erben zu schädigen. Für die Fallgruppe der simulierten Aufenthaltsverlagerung scheidet eine Korrektur nach 21 Abs. 2 EuErbVO nach eben Gesagtem aus. Wird der wahre Sachverhalt zutreffend vom Gericht erkannt, so kann ein gewöhnlicher Aufenthalt nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ordnungsgemäß bestimmt werden. Bleibt die Simulation unentdeckt, so hilft auch keine Ausweichklausel, da der simulierte gewöhnliche Aufenthalt als entscheidungserheblich eingestuft werden wird. Ähnliches muss auch für einen Erben gelten, der in der Retrospektive durch Manipulation der Unterlagen des Erblassers einen für ihn günstigen Gerichtsstand und anwendbares Recht zu erreichen versucht.387 Hier bleibt 384 Vgl. bspw. die Steuerfälle von Luciano Pavarotti und Boris Becker; näher dazu und zu Fällen im int. Steuerrecht insgesamt Pohl, IStR 2002, 541 ff. 385 Allgemein BeckOK/Lorenz, Einl. IPR, Rn. 73; Junker, IPR, Rn. 185; MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 750; Kegel/Schurig, § 14 VII, S. 490. 386 Kegel/Schurig, § 14 VII, S. 490 m.w.N; MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 750. Dementsprechend intensiv werden lebzeitige Aussagen oder Ausführungen des Erblassers betrachtet werden müssen. 387 Vgl. Horn/Kroiß/Seitz, ZEV 2013, 24 ff. zur Problematik der „Testamentsfälschung“ im deutschen Erbscheinsverfahren.

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zu hoffen, dass die Gerichte einen entsprechenden Manipulationsversuch aufdecken können. b) Tatsächliche Aufenthaltsverlagerung (Gesetzesumgehung) Eine zweite Fallgruppe beinhaltet die bewusste tatsächliche Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts in eine Rechtsordnung, die den eigenen Vorstellungen zur Nachlassgestaltung am ehesten entspricht, aber als missbräuchlich empfunden wird (echte Gesetzesumgehung, fraus legis).388 Wie es Schurig bildhaft ausdrückt, findet die Gesetzesumgehung juristisch schwer fassbar „im Graubereich zwischen kreativer Tatbestandsplanung und Missbrauch rechtlicher Möglichkeiten“ statt.389 Im bisherigen deutschen internationalen Erbrecht ist die Bedeutung der Gesetzesumgehung verständlicherweise äußerst gering.390 Vergleicht man den gewöhnlichen Aufenthalt mit der Staatsangehörigkeit, so wird offensichtlich, dass ein Erblasser in der Regel wesentlich größere Bemühungen vornehmen muss, um eine andere Staatsangehörigkeit zu erwerben und dadurch einen Statutenwechsel herbeizuführen, als einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Nur höchst selten wird ohnehin anzunehmen sein, dass eine Person ausschließlich deswegen die Staatsangehörigkeit wechselt, um eine gezielte Rechtsfolge zu erreichen.391 Die Leitentscheidung zum fraud à la loi im französischen IPR „Prinzessin Bauffremont-Bibesco“ ist einer von wenigen solcher Fälle.392 Die deutsche Rechtsprechung ist großzügig und lässt einen Staatsangehörigkeitswechsel zu, unabhängig davon, auf welchen Motiven er beruht.393 Dieses Ergebnis kann für die Rechtslage nach der EuErbVO jedoch nicht ohne Weiteres übertragen werden. In solchen Fallkonstellationen könnte die vorgenommene Gesetzesumgehung aber mittels Art. 21 Abs. 2 EuErbVO korrigiert werden.

388 Eine zum Teil in der Literatur verwendete Kategorie ist die (unechte) Rechtsumgehung: Eine solche soll vorliegen, wenn durch die Manipulation zwar nicht das nationale Kollisionsrecht mit seiner Ergebnisfindung ausmanövriert, wohl aber die internationale Entscheidungszuständigkeit zugunsten der Gerichte einer ausländischen Rechtsordnung begründet werden kann; vgl. v. Bar/Mankowski, I, § 7 Rn. 136; Kegel/Schurig, § 14 VII, S. 492 f.; Junker, IPR, Rn. 186. 389 Kegel/Schurig, § 14 I, S. 476. 390 So u.a. auch BeckOK/Lorenz, EinlIPR, Rn. 73. 391 Vgl. Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB, Rn. 65. 392 Cour de Cassation, Clunet 1878, 50; vgl. dazu v. Hoffmann/Thorn, § 6, Rn. 128; Jayme, Gesammelte Schriften Band 4, S. 166; Kindler, NJW 1999, 1993, 1999. 393 Vgl. dazu BGH NJW 1971, 2124; Raape/Sturm, IPR I, S. 328 f.; Neuhaus, S. 195 f.

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aa) Mögliche Ausgangskonstellationen Grundsätzlich scheint die Konstellation einer Gesetzesumgehung ein Gericht in zwei Konstellationen beschäftigen zu können: 1. Das nach Art. 4 EuErbVO international zuständige Gericht hat Zweifel daran, ob das von Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufene Recht missbräuchlich zur Anwendung gebracht wurde und erwägt eine Korrektur über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. 2. Ein nach Art. 10 lit. a EuErbVO international zuständiges Gericht hat Zweifel an der Anwendung des ausländischen Rechts nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und erwägt eine Korrektur über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. Ein solcher Fall kann sich ergeben, wenn der Erblasser Vermögen im Inland hinterließ und noch die inländische Staatsangehörigkeit besaß, seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt aber in einem Drittstaat innehatte. Deutsche Gerichte könnten damit ihre internationale Zuständigkeit bejahen, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt bspw. in Florida hatte, aber Vermögen in Deutschland beließ. Tut er dies nicht oder befand sich sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt in einem Mitgliedstaat, so bleibt es ohnehin bei der Anwendung von Art. 4 und Art. 21 Abs. 1 EuErbVO der Gerichte des letzten gewöhnlichen Aufenthalts. bb) Einordnung der Fraus legis Während es allgemein anerkannt zu sein scheint, dass es sich bei der Simulation nicht um eine Gesetzesumgehung im eigentlichen Sinne handelt, ist im Übrigen sehr umstritten, wie eine tatsächliche Veränderung von Anknüpfungstatsachen – hier des gewöhnlichen Aufenthalts – zu behandeln ist.394 Teilweise wird diskutiert, ob die Problematik der Gesetzesumgehung als Unterfall des ordre public zu lösen sei, teilweise wird sie mit einer eigenständigen Lehre zur Gesetzesumgehung gelöst, mittels eigenständiger Ahndungsnorm oder teilweise im Rahmen der teleologischen Auslegung der umgangenen Norm.395 (1) Abgrenzung zum Ordre public Eine Abgrenzung der Gesetzesumgehung zum ordre public erscheint wegen möglicher Überlagerungen der Problemkreise oft unscharf.396 Es besteht durchaus ein Spannungsverhältnis zwischen dem vermeintlich unver-

394

Vgl. BeckOK/Lorenz, Einl. IPR, Rn. 73; Junker, IPR, Rn. 185. Kropholler, IPR, § 23 II, S. 158 ff.; MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 746. 396 Kegel/Schurig, § 14 VII, S. 494. 395

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zichtbaren inländischen und dem anwendbar gemachten ausländischen Recht, wenn inländisches Recht verdrängt wird.397 Eine Behandlung der Gesetzesumgehung als Untergruppe des ordre public muss aber aus mehreren Gründen ausscheiden.398 Die Zielrichtung der Gesetzesumgehung ist eine grundsätzlich andere als die der ordre public-Konstellation: Der ordre public soll die Anwendung bestimmter ausländischer Rechtsnormen wegen ihres materiellen Ergebnisses ausschalten. 399 Auf dieser Prüfstufe ist die kollisionsrechtliche Anknüpfung aber bereits abgeschlossen.400 Anders formuliert verhindert der ordre public die Anwendung des ausländischen Rechts, wenn dieses wegen seines Inhalts anstößig ist. Die Gesetzesumgehung verwendet hingegen einen anstößigen Weg zur Erreichung der Anwendbarkeit des ausländischen Rechts. 401 Es sollte also schon im Interesse methodischer Klarheit strikt zwischen dem kollisionsrechtlichen Problemfeld der Rechtsumgehung und der materiellrechlichen Korrektur mittels ordre public unterschieden werden.402 Zum anderen scheidet eine Zuordnung zum ordre public schon deswegen aus, weil sonst nur Fälle erfasst werden könnten, in denen ausländisches Recht anwendbar gemacht wird, nicht aber inländisches. 403 Diese Überlegungen überzeugen auch konkret auf die EuErbVO angewendet: Würde man die Gesetzesumgehung als Unterfall des ordre public auffassen, so müsste entweder Art. 35 EuErbVO zur kollisionsrechtlichen Korrektur verwendet werden oder Art. 21 Abs. 2 EuErbVO (zumindest gedanklich) zu einem zweiten ordre-public-Vorbehalt ausgebaut bzw. dementsprechend inhaltlich aufgeladen werden. Weder der Wortlaut des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO noch der des Erwägungsgrundes 25 lassen diesbezügliche Absichten des Verordnungsgebers erkennen. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO soll nach Erwägungsgrund 25 eine Korrektur auf Ebene der Anknüpfung ermöglichen, wenn die offensichtlich engste Verbindung des Erblassers nicht zu der Rechtsordnung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes besteht. Eine inhaltliche Korrektur im Sinne eines ordre public-Vorbehalts scheint davon gerade nicht gedeckt. Argumentativ ließe sich dieses Vorgehen vom Gericht auch nur schwerlich begründen. Will das Gericht ausländisches Recht mittels Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zur Anwendung bringen, so müsste es die Anwendung der eigenen Rechtsordnung ablehnen, weil der Erblasser sein Heimatrecht umgehen wollte. Das Gericht müsste also eine 397

Kegel/Schurig, § 14 VII, S. 494; MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 746. Ausführlich dazu Heeder, S. 119 ff. 399 MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 751; Kegel/Schurig, § 14 VII, S. 494. 400 Kegel/Schurig, § 14 VII, S. 494; MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 751. 401 Junker, IPR, Rn. 189. 402 MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 751. 403 BeckOK/Lorenz, Einl. IPR, Rn. 73; dazu auch Heeder, S. 120 f. 398

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inzidente ordre-public-Prüfung am Maßstab des ausländischen Rechts vornehmen. Nur wenn das Gericht gem. nach Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO zuständig wäre, könnte es auf Art. 35 EuErbVO rekurrieren. (2) Anwendung des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO Wenngleich es damit richtig erscheint, den gezielt herbeigeführten Statutenwechsel durch Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht als Unterfallgruppe des ordre-public-Vorbehaltes aufzufassen, stellt sich die Frage, ob dies in der Konsequenz bedeuten muss, dass mögliche Umgehungssachverhalte im Rahmen der Prüfung des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO korrigiert werden müssen. Dabei käme es nicht auf die Frage der Einordnung der fraus legis als Teil der teleologischen Auslegung der Norm404 oder der Etablierung als eigenständige Rechtsfigur an – entscheidende Frage wäre ohnehin, ob die zugrundeliegenden Überlegungen in Rahmen der Auslegung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO herangezogen werden können. Dagegen bestehen jedoch schon grundlegende Bedenken. Die Anwendung der Umgehungslehre würde nach einer überwiegenden, strengen Auffassung bedeuten, dass neben einer rechtsmissbräuchlichen Umgehungshandlung (Umgehung einer zwingenden Vorschrift und Hinüberwechseln zu einem niedrigeren Schutzniveau)405 auch eine Umgehungsabsicht 406 darzulegen ist. 407 Zweifel bestehen hier sowohl bezüglich der rechtsmissbräuchlichen Umgehungshandlung als auch der Umgehungsabsicht. Die Umgehungshandlung soll dann rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Schaffung oder Veränderung der anknüpfungs- oder qualifikationserheblichen Tatsachen im Hinblick auf den verfolgten Zweck verwerflich erscheinen, was sich sowohl aus der Bedeutung der umgangenen Norm, dem Vorgehen oder den Motiven der Beteiligten ergeben kann.408 Eine Verhaltensweise, mit der der Gesetzgeber rechnen musste ohne ihr entgegenzuwirken, kann jedoch nicht per se als Manipulation qualifiziert werden.409 Liegen die Voraussetzungen zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts vor, so muss dies respektiert und hingenommen wer-

404 So die wohl die h.M. in Deutschland, vgl. Kropholler, IPR, § 23 II, S. 160; Heeder, S. 91 m.w.N. 405 Vgl. Süß/Haas, Erbrecht in Europa, § 5 Rn. 15 ff. 406 Näher zu den unterschiedlichen Auffassungen: v. Lackum, S. 39 ff.; Schurig, FS Ferid (1988), 375, 403 f. sowie Raape/Sturm, S. 328. 407 Junker, IPR, Rn. 187; Kegel/Schurig, § 14 II, S. 478. 408 Junker, IPR, Rn. 187 m.w.N.; Kegel/Schurig, § 14 II, S. 478. 409 v. Bar/Mankowksi, § 7, Rn. 132; zust. BeckOK/Lorenz, EinlIPR, Rn. 73; vgl. auch Junker, IPR, Rn. 187.

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den.410 Mit der Verwendung des gewöhnlichen Aufenthalts als dem zentralen objektiven Anknüpfungspunkt für das internationale Erb- und Erbverfahrensrecht nahm der Verordnungsgeber nämlich einen bewussten Wechsel des Anknüpfungspunktes für die meisten Mitgliedstaaten im internationalen Erbrecht vor. Die ausführliche Diskussion um den „richtigen“ Anknüpfungspunkt im Vorfeld zeigt, dass der Verordnungsgeber sich der Risiken eines Wechsels des Anknüpfungspunkts durchaus bewusst war.411 Schon das Grünbuch bekennt sich in seiner Einleitung dazu, dass kein Anknüpfungspunkt ohne Nachteile verwendet werden kann. 412 Generell muss der Fortbewegungs- und Handlungsfreiheit des Erblassers ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Die Rechtswahlmöglichkeiten des Erblassers wurden in der EuErbVO begrenzt, um Missbrauchsmöglichkeiten insofern stark einzuschränken.413 Die Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des Heimatrechts sollte eine Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten darstellen. Im Übrigen wurde aber der gewöhnliche Aufenthalt trotz seiner im Vergleich zur Staatsangehörigkeit stärkeren Wandelbarkeit bewusst gewählt. Die Anwendung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO auf solche Missbrauchskonstellationen würde zu einer starker Einschränkung führen. Dies gilt selbst dann, wenn man eine postmortale Anknüpfungskorrektur vornehmen würde, die seinen Lebenswandel nicht mehr direkt beeinflussen könnte. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO würde im Ergebnis dazu führen, dass der Erblasser sein Heimatrecht nicht „abschütteln“ könnte und de facto am Recht seiner Staatsangehörigkeit trotz des Systemwechsels zugunsten des gewöhnlichen Aufenthalts festgehalten würde. Dies stünde dem Bestreben des Verordnungsgebers, die Wandelbarkeit des Erbstatuts zu erhöhen, diametral gegenüber. Eine rechtsmißbräuchliche Umgehungshandlung muss somit ausscheiden und eine Korrektur über die Umgehungslehre abgelehnt werden. Diese Argumente überzeugen ebenso, wenn man im Rahmen einer teleologischen Rechtsanwendung untersucht, ob die Kollisionsnorm auch für einen solchen ungewöhnlichen Fall gelten soll. 414 Ein ungewöhnlicher Anwendungsfall kann nicht vorliegen, wenn der Verordnungsgeber mögliche Umgehungskonstellationen bewusst toleriert. Sachgerechter scheint es daher, mit der oben vertretenen Auffassung einen Integrationsmaßstab von drei Jahren auszulegen, um sicherzugehen, dass eine soziale Integration im 410

Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB, Rn. 744; zust. wohl auch v. Hoffmann/Thorn, § 6, Rn. 127. 411 So auch Rauscher/Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einf. EG-ErbVO-E, Rn. 49. Zustimmend auch Sonnentag, EWS 2012, 457, 463. 412 Vgl. S. 189. 413 Vgl. Pfundstein, Rn. 579. 414 Kropholler, IPR, § 23 II, S. 160.

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Aufenthaltsland tatsächlich erfolgt ist.415 Dies beschränkt die Missbrauchsfälle ohnehin bereits deutlich. Denn es ist dann schon fraglich, ob unter diesen Voraussetzungen eine Aufenthaltsverlagerung realistischerweise vorgenommen wird, nur um die Erben zu schädigen. Die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthaltes wird gerade für ältere Menschen große Anstrengungen und Umstellungen bedeuten. Zieht eine Person für ihren Lebensabend um und bricht damit einen Großteil der sozialen Kontakte zum gewohnten Umfeld ab, so wird dies eher deswegen sein, eine höhere Lebensqualität zu erhalten, beispielsweise um Beeinträchtigungen von Krankheiten durch bessere klimatische Verhältnisse zu minimieren. Um es drastisch zu formulieren: Aus Hass und Verachtung gegenüber seinen Erben wird ein Mensch nur selten fern der Heimat auf seinen Tod warten. Damit bleibt zu hoffen, dass die Möglichkeit, Pflichtteilsberechtigte durch die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts auszuschalten, in der Praxis wenig relevant werden wird. Aber selbst wenn man bejahen würde, dass im „gezielten“ Aufenthaltswechsel eine rechtsmissbräuchliche Umgehungshandlung gesehen werden kann, sprechen weitere Argumente gegen eine Korrektur mittels Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. Um den berechtigten Interessen des Erblassers (Handlungs-, Fortbewegungs- und Niederlassungsfreiheit) zu entsprechen, müsste man zumindest eine Umgehungsabsicht seitens des Erblassers fordern. Würde man eine solche Absicht nämlich nicht fordern, würde ein Statutenwechsel de facto unmöglich gemacht, wenn der Erblasser das Bewusstsein hatte, dass sich die rechtliche Beurteilung seines Nachlasses mit der Aufenthaltsverlagerung verändern könnte. Gegen ein solches Vorgehen bestehen sowohl dogmatische als auch praktische Bedenken. Bereits oben wurde abgelehnt, subjektive Komponenten im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zu berücksichtigen. Dies muss auch hier gelten, um zu vermeiden, dass ein weiterer subjektiver Anknüpfungspunkt neben der Rechtswahl etabliert wird. Selbst wenn man eine Umgehungsabsicht befürworten würde, wird der Nachweis einer Schädigungsabsicht wohl nur äußerst selten gelingen.416 Der Wille des Erblassers kann nur dann eine vernünftige Entscheidungsgrundlage darstellen, wenn er zur Überzeugung des Gerichts feststeht. Im Falle der Aufenthaltsverlagerung um Zwecke eines bewussten Statutenwechsels, wird eine eindeutige Beweislage aber nicht vom Erblasser „geliefert“ werden. Liegen eindeutige Anzeichen nicht vor, so bliebe wiederum nur die Möglichkeit eine positive oder negative Vermutung hinsichtlich des Wil415

Vgl. S. 262 f. Kropholler, IPR, § 23 II, S. 159. So auch ausdrücklich zum noch geltenden deutschen Recht: Everts, ZEV 2013, 124, 125. 416

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lens aufzustellen, was dazu führen würde, dass man den vermeintlich „gewitzten“ Erblasser unter Generalverdacht stellen müsste.417 Insgesamt scheint es somit nicht notwendig, etwaige Missbrauchsfälle nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zu korrigieren. Der Verordnungsgeber hat einen neuen instabileren Anknüpfungspunkt eingeführt, dessen vermeintliche Nachteile hinzunehmen sind. Liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bejahung eines gewöhnlichen Aufenthalts vor, so muss eine etwaige missbilligenswerte Motivation des Erblassers toleriert werden. Im Einzelfall mögen Korrekturen mittels des ordre public gerechtfertigt sein, welche dann aber unabhängig vom grundsätzlichen Anknüpfungsergebnis erfolgen. cc) Fazit Damit kann Art. 21 Abs. 2 EuErbVO nicht zur Missbrauchsbekämpfung bei vom Erblasser hervorgerufenen Umgehungskonstellationen verwendet werden. Ohnehin scheint jedoch eine „Seniorenmigrationswelle“ auf der Suche nach dem günstigsten Erbrecht zur Schädigung Pflichtteilsberechtigter nicht zu drohen. 2. Geschäftsunfähige und demente Erblasser – Probleme des „OmaExports“ Eine Korrektur des Anknüpfungsergebnisses könnte aber in Fällen geboten sein, in denen der gewöhnliche Aufenthalt eines Geschäftsunfähigen verlagert wurde. a) Mögliche Konstellationen Die Verlagerung des (gewöhnlichen) Aufenthalts von dementen bzw. an Alzheimer erkrankten Personen ist in mehrerlei Hinsicht problematisch, wobei im Wesentlichen zwei Konstellationen zu unterscheiden sind. aa) Konstellation „Oma-Export“418 Eine aus deutscher Perspektive zunehmend bedeutende Konstellation ist die Verbringung einer dementen Person in ein ausländisches Pflegeheim. Es ist insofern zu differenzieren zwischen Fällen, in denen nur der Geschäftsunfähige ins Ausland verbracht wird und solchen, in denen Geschäftsunfähiger und Betreuer gemeinsam umziehen: 417

Vgl. auch Kropholler, IPR, § 23 II, S. 159 f. Der Ausdruck „Oma-Export“ findet sich auch im Artikel „Altenheim in Polen – Man pflegt deutsch“, FAZ vom 13.4.2013, abrufbar unter: . 418

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(1) Florida Wohl sehr selten werden dabei gezielte Manipulationsversuche wie das Verbringen in ein Pflegeheim im pflichtteilslosen „Rentnerparadies Florida“ sein. 419 Der sehr hohe organisatorische und finanzielle Aufwand wird eine solche Vorgehensweise ohnehin meist verhindern: Zwar wird hier der Pflichtteil ausgeschaltet, die in den USA anfallenden hohen Pflegekosten werden den Nachlass aber insgesamt schmälern, womit wenig gewonnen sein wird. (2) Europäisches Ausland Wesentlich bedeutender hingegen ist das inzwischen aufkommende Angebot für pflegebedürftige Deutsche in osteuropäischen Nachbarstaaten, insbesondere in Polen. Dort entstehen immer mehr ausschließlich von Deutschen bewohnte Pflegeheime, die die Pflegeleistungen durch deutschsprachige Krankenpfleger und Angestellte für weniger als die Hälfte der in Deutschland anfallenden Kosten erbringen können. Nicht nur bei sehr pflegeintensiven Personen können dabei die Kosten ein maßgeblicher Beweggrund der Angehörigen sein, den Großvater oder die Großmutter in eine solche Einrichtung zu verlegen. 420 Hinzu kommt, dass in den polnischen Einrichtungen durchaus eine bessere Betreuung als in den deutschen Heimen möglich ist.421 Problematisch ist bei (dementen) Heimbewohnern aber dann, ob sie einen gewöhnlichen Aufenthalt in Polen begründen können. Dies hängt maßgeblich von ihrer Wahrnehmungsfähigkeit ab.

419 Interessant ist die momentane Entwicklung in den USA: Zahlreiche Rentner tun es den deutschen „Mallorca-Rentnern“ gleich und siedeln sich in amerikanischen Enklaven in Costa Rica an. Es gelten die gleichen Gründe wie in Europa: besseres Wetter und niedrigere Lebenshaltungskosten. 420 Ist das unterhaltspflichtige Kind aufgrund eigener finanzieller Belastungen nicht in der Lage, die Zuzahlungen zur Pflege zu leisten, wird die Verbringung in ein polnisches Pflegeheim eine Alternative sein, da dort durch die niedrigeren Gesamtkosten keine Zuzahlungen notwendig sein werden. In der „Vorstufe“ dazu ist auch denkbar, dass eine demente Person ins Ausland verbracht ist, um das noch bestehende Eigenvermögen weniger schnell zu verbrauchen und den Erben noch einen gewissen Nachlass belassen zu können. Vgl. zum „Demenztourismus“ nach Thailand auch Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, S. 35. 421 Vgl. dazu den Beitrag in der Sendung QUER vom 4.4.2013; abrufbar unter: .

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(3) Lösungsansätze Der Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts wird in einem ausländischen, nicht deutschsprachigen Pflegeheim schon unabhängig von der konkreten Wahrnehmungsfähigkeit der Person nur langwierig erfolgen können, denn neben den psychischen (und physischen) Einschränkungen wird oftmals eine Sprachbarriere zu den Pflegern bestehen, die eine Gewöhnung an die neue Situation deutlich erschweren wird. Man sollte hier insofern von einem strengen Integrationsmaßstab ausgehen, was zugleich auch dazu führt, dass ein manipulatives Vorgehen von vornherein als zu wenig vorhersehbar und erfolgversprechend einzustufen ist. Ein „Export“ nach Florida oder England wird also stets ein großes Risiko für die Angehörigen darstellen, da ein gewöhnlicher Aufenthalt des zukünftigen Erblassers nur schwer „planbar“ sein wird. Erhält die demente Person aber deutsche Pflege und Betreuung und hat eine tatsächliche Kommunikationsmöglichkeit, so stellt sich die Frage nach der Wahrnehmungsfähigkeit der Person. Kann der Geschäftsunfähige noch insofern „selbstständig“ leben, als im begrenzten Maße ein soziales Leben im Heim stattfinden kann, so scheint eine Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts denkbar. Kann er eigenständige soziale Kontakte aufbauen, so wird selbst ein geäußerter Rückkehrwillen nicht die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts dauerhaft verhindern können, da es auf die tatsächliche Integration des Erblassers ankommt.422 Eine demenzkranke Person hingegen, die ihr Umfeld nicht mehr wahrnehmen kann, wird einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt durch soziale Integration kaum erwerben, da sie eigenständige soziale Kontakte nicht aufbauen und aufrechterhalten kann.423 Es wird insofern beim bestehenden gewöhnlichen Aufenthalt bleiben, wenn man davon ausgeht, dass die Staatsangehörigkeit, Vermögenswerte und weitere Indizien eine Bindung zum Heimatrecht erkennen lassen. Liegen solche Kontakte oder Indizien nicht vor, so wird ein gewöhnlicher Aufenthalt im Zuzugsstaat jedenfalls nach einer längeren Zeitdauer anzunehmen sein, da dieser dann immerhin die relativ engste Verbindung zwi422 Dazu Lehmann, DStR 2012, 2085, 2087. A.A. Weller, S. 293, 323. Palandt/Thorn, Art. 21 EuErbVO, Rn. 6 geht unter Bezug auf Odersky, notar 2013, 1, 5 davon aus, dass der natürliche Aufenthaltswille des Pflegebedürftigen oder Altersdementen grundsätzlich zu berücksichtigen sei. 423 Vgl. auch die Aussage eines Angehörigen in der FAZ vom 13.4.2013: „Aus meiner Sicht und auch aus derjenigen der Ärzte spielt es aufgrund der stark fortgeschrittenen Demenz für meine Mutter keine Rolle mehr, ob sie in Deutschland in den Garten guckt oder in Polen.“ Der Artikel ist abrufbar unter: .

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schen Rechtsordnung und Person vorweist und ein Lebensmittelpunkt in einem anderen Staat gerade nicht (mehr) indiziert ist. bb) Umzug mit dem Betreuer / „Heimkehr zur Familie“ (1) Konstellation Eine weitere Konstellation ist der gemeinsame Umzug von Betreuer und Betreutem oder der Umzug des Betreuten zum Betreuer. Ein Beispiel für letzteres wäre der dauerhaft im Ausland lebende Sohn, der aufgrund eines Verkehrsunfalls zum Wachkomapatient wird und in einer Einrichtung bei seiner Familie im Inland versorgt wird. (2) Lösungsansatz Fehlt dem Geschäftsunfähigen jegliche Wahrnehmungsfähigkeit, so scheint analog der Situation von Kleinstkindern ein gewöhnlicher Aufenthalt im Zuzugsstaat dann begründbar, wenn die soziale Integration des Geschäftsunfähigen von dem ebenso umgezogenen Betreuer abgeleitet werden kann. Je stärker der Geschäftsunfähige in seiner Wahrnehmung beeinträchtigt ist, desto eher nähert er sich dem Zustand eines Säuglings an. Es besteht aber die Gefahr, dass der Betreuer eigenmächtig eine Verlagerung des Aufenthalts in eine Rechtsordnung vornimmt, welche seinen Interessen besser entspricht, der Geschäftsfähige sich dagegen aber nicht mehr „zur Wehr setzen“ kann bzw. diese gar nicht wahrnehmen kann. Hier geht die Aufenthaltsverlagerung vom Betreuer aus und der Geschäftsunfähige ist selbst dem möglichen Statutenwechsel ausgesetzt. Es stellt sich folglich unabhängig vom Ausgang potentieller Streitigkeiten der Erben mit dem Betreuer (betreuenden Erben) vor dem Betreuungsgericht424 die Frage, ob eine Korrektur notwendig ist, um insofern eine habitual residence of dependency zu vermeiden.

424 Dass bereits als Vorstufe dazu erhebliche Streitigkeiten vor Gericht ausgetragen werden können, zeigt der Fall von Alfredo di Stéfano (*1926), Fußballlegende der 1950er und 1960er Jahre und Ehrenpräsident von Real Madrid: Die fünf Kinder von di Stéfano versuchen, wie die Süddeutsche Zeitung vom 14.5.2013 berichtet, die geplante Hochzeit mit der 50 Jahre jüngeren Lebensgefährtin gerichtlich zu verhindern, da er nicht mehr zurechnungsfähig sei. Kritisch insofern auch Reichelt/Rechberger/Geimer, S. 17; DNotV Stellungnahme, S. 19. Vgl. zum deutschen betreuungsgerichtlichen Verfahren nach §§ 271 ff. FamFG Damrau/Zimmermann, S. 678 ff. Zur Entwicklung des deutschen Betreuungsrechts ausführlich Brunozzi, S. 161 ff.

VIII. Bekämpfung von Gesetzesumgehungen?

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b) Korrekturmöglichkeiten In beiden besprochenen Fallgruppen scheint der Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts nach den dargestellten Lösungsansätzen denkbar, ohne dass die Person konkret orientiert ist und die entsprechende Wahrnehmungsfähigkeit besitzt. Entspricht eine Aufenthaltsverlagerung dem Willen/Interesse des Geschäftsunfähigen, so scheint er insofern nicht schutzbedürftig und ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt kann begründet werden: Entspricht es den Wünschen 425 des Geschäftsunfähigen, in einem Pflegeheim im Ausland zu leben oder mit dem Betreuer (bspw. Ehefrau) in ein anderes Land umzuziehen, so muss insofern das oben Gesagte gelten und die Motivation von Erblasser und Betreuer respektiert werden, selbst wenn sie als fraus legis einzustufen ist.426 Auch im Fall des Umzuges des Betreuten zum Wohnsitz des Betreuers im Beispielsfall eines Wachkomapatienten wird es im (mutmaßlichen) Interesse aller Beteiligten sein, eine Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltes anzunehmen. Andernfalls könnte eine erbrechtsspezifische Anpassung der Anknüpfung erforderlich sein. Konstruktiv bestehen mehrere Möglichkeiten: Man könnte, wie dies für das domicile befürwortet wird, davon ausgehen, dass der vor dem Eintritt der Geschäftsunfähigkeit bestehende Rechtszustand grundsätzlich als weiterbestehend fingiert wird und ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt nicht mehr begründet werden kann. 427 Dies widerspricht jedoch dem Wesen des gewöhnlichen Aufenthalts als „tatsächlichem Wohnsitz“ der Person, bei dem es gerade nicht auf Fiktionen ankommen soll. In dieser Pauschalität wird das Risiko erhöht, dass eine Anknüpfung auch in unbedenklichen Fällen nicht mehr die tatsächlichen Lebensumstände des Geschäftsunfähigen widerspiegelt. Ein anderer Ansatz wäre, im Fall von Demenzpatienten von einer widerlegbaren Vermutung zugunsten des Heimatrechts auszugehen. Dies ließe sich aber nur insofern in den Aufenthaltsbegriff „hineinlesen“, als dass man in der Gesamtabwägung der Staatsangehörigkeit besonderes Gewicht zukommen lassen würde. Nach oben Gesagtem ist die Einführung von Vermutungsregeln jedoch weder sinnvoll noch geboten, da man andernfalls eine zu starke Orientierung an den Schwachstellen des domicile vornehmen würde. Denn es gälte hier, eine objektiv unmögliche Rechtswahl

425 Bspw., weil er vor Eintritt der Geschäftsunfähigkeit oder in einem „lichten Moment“ den Willen geäußert hat, in einem „Pflegeheim unter der Sonne Spaniens“ alt werden zu wollen oder weil seine Einsichtsfähigkeit noch so groß ist, dass er einen Aufenthaltswechsel wahrnimmt und diesem auch zustimmt. 426 Vgl. S. 279. 427 Vgl. S. 44.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

zugunsten eines Geschäftsunfähigen anzunehmen und ihm zu unterstellen, dass er Heimatrecht auf sich angewendet wissen will. Auch scheint es wenig erfolgversprechend, strengere Maßstäbe wie einen Mindestaufenthalt zu fordern. Zum einen kann dies nach oben Gesagtem schon grundsätzlich nicht mehr durchgesetzt werden, zum anderen würden sich damit kaum verlässlichere Ergebnisse erzielen lassen. Ein Mindestaufenthalt ändert an der Beurteilungsfähigkeit der Situation des Dementen nichts und man liefe Gefahr, einzelfallunabhängig zu pauschalisieren. Sinnvoller scheint es insbesondere, einen gewöhnlichen Aufenthalt des Geschäftsunfähigen, der nach den Grundsätzen der EuGH-Rspr. erworben wird, streng beschränkt auf den Einzelfall über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zu korrigieren. 428 Dabei wird es sich weniger um eine bewusste Missbrauchsbekämpfung als vielmehr um eine umfassende Gesamtbeurteilung des Einzelfalles des „abgeleiteten gewöhnlichen Aufenthalts“ handeln. Vor allem wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt in Anlehnung an den Betreuer/Vormund erworben werden kann, kann sich insofern Handlungsbedarf ergeben: Hierbei könnte damit argumentiert werden, dass zwar der Betreuer eine hinreichende Eingliederung im Zuzugsstaat vorweisen kann und diese auch für den davon abhängigen Geschäftsunfähigen zu berücksichtigen ist. Die Gesamtheit der Lebensumstände kann aber gleichwohl nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO eine engere Verbindung seitens des Geschäftsunfähigen zu der Rechtsordnung des früheren Aufenthaltsstaates ergeben, insbesondere, wenn der Geschäftsunfähige dort zuvor sehr lange gelebt hat und einen entsprechenden Lebensmittelpunkt hatte. Im Nachlassverfahren wird es maßgeblich auf den Sachvortrag der Beteiligten ankommen. Dies wirft aber große praktische Probleme hinsichtlich der Beweisbarkeit auf. Insofern kann auf das oben Gesagte verwiesen werden.429 Fraglich wird außerdem sein, ob ein „Umweg“ über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO überhaupt notwendig ist, da Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ebenso über die notwendige Einzelfallflexibilität verfügt und die wertende Betrachtung auch in die dortige Gesamtbetrachtung inkorporiert werden könnte. Immerhin wird ein vom Betreuer manipulierter gewöhnlicher Aufenthalt wohl ein extrem seltener Fall sein. Der „Feldzug“ eines erbenden Betreuers, beispielsweise der zweiten Ehefrau gegen die übrigen Erben (Kinder des Erblassers), setzt nämlich einen sehr hohen persönlichen Einsatz voraus. Um den Statutenwechsel tatsächlich durchzuführen, müsste der Betreuer seinen eigenen gewöhnlichen Aufenthalt über Jahre hinweg ins Aus428 429

So auch Odersky, notar 2013, 3, 5. Vgl. S. 281, 242 f.

IX. Ergebnisse und Ausblick

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land verlagern und dort mit dem Geschäftsunfähigen bis zu dessen Tod ausharren. Gegen ein solches Vorgehen könnte Art. 21 Abs. 2 EuErbVO abschreckende Wirkung entfalten. 3. Schlussfolgerungen Insgesamt scheint Art. 21 Abs. 2 EuErbVO damit zur Bekämpfung von vermeintlichen Missbrauchsfällen ungeeignet. Für keine der diskutierten Fallgruppen kann eine Anwendung der Ausweichklausel durchgehend überzeugen. Am ehesten scheint eine Anwendung bei Geschäftsunfähigen denkbar, was jedoch mit sehr großen Beweisproblemen verbunden sein wird. Auch Art. 21 Abs. 1 EuErbVO ermöglicht eine praxisgerechte Bewertung möglicher Aufenthaltsmanipulationen im Einzelfall. Da in der vorliegenden Arbeit auch im Übrigen kein Bedürfnis für Art. 21 Abs. 2 EuErbVO festgestellt werden konnte, kann dies nur den Schluss zulassen, dass die Ausweichklausel de lege ferenda bei einer künftigen Revision der Verordnung gestrichen werden sollte. Folgt man dem nicht, so sollte zumindest eine Überarbeitung von Erwägungsgrund 25 vorgenommen werden, um die bestehenden Unklarheiten aus dem Weg zu räumen und so zu mehr Rechtsklarheit beizutragen.

IX. Ergebnisse und Ausblick 1. Ergebnisse und Thesen Unsere Ausgangsfrage war, ob die Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts in der EuErbVO von den Erfahrungen des anglo-amerikanischen Rechtskreises mit dem domicile profitieren kann. 430 Ausgehend von der durchgeführten Rechtsvergleichung 431 fällt die Antwort darauf differenziert aus: Der gewöhnliche Aufenthalt nach dem hier vertretenen objektiven Verständnis würde eine Gegenposition zum subjektiv geprägten domicileKonzept einnehmen. Ein schneller, nur vom Willen der Person abhängiger Erwerb ist dabei ebenso wenig möglich wie eine von der Lebenswirklichkeit der Person unabhängige Anknüpfung anhand fiktiver Tatsachen. Zusammenfassend lassen sich sieben Thesen zum gewöhnlichen Aufenthalt nach der EuErbVO formulieren:

430 431

Vgl. S. 1 f. Vgl. S. 175.

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

1. Mit der bisherigen EuGH-Rechtsprechung sollte der gewöhnliche Aufenthalt auch im Kontext der EuErbVO als Daseinsmittelpunkt der Person aufgefasst und anhand einer umfassenden Gesamtbetrachtung der letzten Lebensjahre des Erblassers ermittelt werden. 2. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung kann im Kontext der EuErbVO ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht schon mit der Ankunft im Zuzugsstaat begründet werden, wenn lediglich ein Bleibewille besteht, konkrete Indizien für das Wiederaufleben noch bestehender sozialer Verbindungen („schnelle Reintegration“) indessen fehlen. Eine Bleibeprognose kann ebenso wie der bloße Wille, bis zum Lebensende zu bleiben, nicht ausreichen, um einen Statutenwechsel anzunehmen. Eine subjektive Überfrachtung des Begriffs durch eine Annäherung an das Konzept des domicile ist zu vermeiden, um die erheblichen Beweisprobleme, die vom Umgang mit dem englischen domicile bekannt sind, auszuschließen. Ausschlaggebend muss die tatsächliche soziale und familiäre Integration sein und nicht der Bleibewille. Dies macht eine von Erwägungsgrund 25 indizierte Korrektur nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO unnötig. Erwägungsgrund 25 sollte bei einer Revision der Verordnung um die insofern unnötige, missverständliche Formulierung bereinigt werden. 3. Für erbrechtliche Zusammenhänge sollte ein gewöhnlicher Aufenthalt damit erst dann angenommen werden, wenn aus der ex-post-Perspektive eine Verlagerung des Daseinsmittelpunktes anhand objektiver Indizien einwandfrei festgestellt werden kann. Dies greift die in zahlreichen Commonwealth-Rechtsordnungen bekannte continuance rule auf. Gleiches gilt aus einer rechtsberatenden Perspektive: Erst wenn anhand objektiver Indizien ein gewöhnlicher Aufenthalt feststellbar ist, wird das Recht des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts verdrängt. 4. Um dem erbrechtsspezifischen Kontinuitätsinteresse hinreichend Genüge zu tun, sollte bei einer vollständigen Aufenthaltsverlagerung sowohl aus der gerichtlichen ex-post-Perspektive als auch aus der beratenden exante-Perspektive ein Regelintegrationsmaßstab von drei Jahren angenommen werden. Dieser Maßstab erleichtert die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts, da er für die Praxis eine Faustformel vorgibt und zugleich den „Überraschungseffekt“ eines sofortigen Statutenwechsels vermeidet. 5. In Fällen, in denen bspw. durch zwei Wohnsitze Bezugspunkte zu mehreren Rechtsordnungen bestehen, ist stets eine umfassende, wertende Schwerpunktbetrachtung der letzten Lebensjahre des Erblassers vorzunehmen, die einen einzelfallgerechten objektiven Lebensmittelpunkt auffinden muss. Die 183-Tage-Regel des deutschen Steuerrechts ist für diese umfassende Schwerpunktbetrachtung auf Grund ihrer zu begrenzten, nur auf ein Steuerjahr ausgerichteten Perspektive nicht verwendbar.

IX. Ergebnisse und Ausblick

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Dabei muss verhindert werden, dass eine Vermutung zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit zur Etablierung des habitual residence of origin/original nationality führt. Oftmals wird eine natürliche Verbindung zur Rechtsordnung der Staatsangehörigkeit bestehen („(alte) Heimat“), die sich wie ein roter Faden durch das Leben des Erblassers zog. Diese berechtigte Annahme darf jedoch nicht zu einer pauschalen Vermutungsregel mutieren. 6. Vermeintlich missbräuchliche Aufenthaltsverlagerungen sind grundsätzlich hinzunehmen, weil der Verordnungsgeber den gewöhnlichen Aufenthalt bewusst als neuen, instabileren Anknüpfungspunkt ausgewählt hat. Damit scheidet auch eine Ergebniskorrektur mittels Art. 21 Abs. 2 EuErbVO für Missbrauchskonstellationen aus. Aufgrund der durch einen erhöhten Integrationsmaßstab geschaffenen Hürden und der Beschwerlichkeit eines „Wohnortwechsels“ im hohen Alter würden Manipulationsversuche auf dieser Ebene ohnehin selten vorkommen. 7. Der gewöhnliche Aufenthalt von Geschäftsunfähigen ist anhand der objektiven Kriterien des Einzelfalles zu bestimmen und ggf. zu korrigieren, wenn ein gemeinsamer Umzug mit dem Betreuer bzw. Vormund zum Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthaltes führt, der ohne den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit nicht erworben worden wäre. Für diese Korrektur wäre eine Anwendung von Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zwar möglich, aber aufgrund des umfassenden Ansatzes von Art. 21 Abs. 1 EuErbVO nicht nötig, so dass insgesamt kein Bedürfnis nach einer Ausweichklausel besteht. 2. Ausblick Anfang 2013 regte Kurt Lechner in einem Beitrag zur Erbrechtsverordnung 432 an, im Rahmen einer Novellierung der Verordnung künftig die Rechtswahl in beschränktem Umfang um die Möglichkeit einer Wahl zugunsten des momentanen gewöhnlichen Aufenthalts weiterzuentwickeln. 433 Dieser Ansatz ist grundsätzlich zu begrüßen und würde vielen Erblassern die Gewissheit geben, nach dem Recht ihres wahren Lebensmittelpunktes beerbt zu werden – unabhängig von Herkunft, kultureller Identität und Staatsangehörigkeit. Der hier vertretene Ansatz eines objektiv zu bestimmenden gewöhnlichen Aufenthaltes mit erhöhtem Integrationsmaßstab ermöglicht eine solche Erweiterung, weil er die vermeintlichen Missbrauchsmöglichkeiten ohnehin beschränkt. 432

Lechner, NJW 2013, 26, 27 f. Für diese Rechtswahlmöglichkeit auch Sonnentag, EWS 2012, 462, 467 m.w.N. zu Befürwortern. 433

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§ 5 Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO

Aufgrund der offenen Formulierung von Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und der Erwägungsgründe 23 und 24434 sowie sehr individueller Lebensentwürfe von „Weltbürgern“ wird es immer wieder zu praktischen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts kommen. Dies ist in gewissem Umfang auch hinzunehmen. Die große Ungewissheit, die für den Erblasser mit dem domicile verbunden ist,435 wird nach dem hier vertretenen Ansatz bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts jedoch ausbleiben. Aber auch in einem weiteren Punkt ist Kurt Lechner zuzustimmen: Die Verordnung muss sich in der Praxis bewähren, bevor man ernsthaft über Novellierungen nachdenken kann. Die EuErbVO muss erst bei den Menschen ankommen.

434

Stichwort: „umfassende Abwägung der Lebensumstände“. Vgl. nochmals das Anfangszitat zum domicile „The fact that you were born in the UK, have lived here for most of your life or are now living here permanently gives a good indication that you might be domiciled in the UK, but this is a complicated legal issue and you might want to get professional advice if you are unsure about your domicile status.” 435

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Sachregister

Abschiebung 70, 138 Adoptivkind 28 allectio 8 Allzuständigkeit 200, 201 Altersresidenz 260 Anknüpfungsergebnis 279 Anknüpfungskriterium 13, 14, 16, 99, 159, 189, 190, 224 Anknüpfungspunkt 2, 5, 7, 14, 16, 22, 97 ff., 103, 107, 110 f., 116, 120, 134, 139, 153, 157, 165, 177 f., 181 ff., 185 f., 189 f., 192 ff., 196, 223, 228 f., 233 f., 240 ff., 254, 258, 261, 262, 270, 277 ff., 287 Anknüpfungsstabilität 29, 73, 93, 194, 234, 242, 256, 265 Anwesenheitsdauer 109, 136, 179, 230, 247 Anwesenheitstage 246 Arbeitserlaubnis 236, 238 Arbeitsmigration 194, 240 ärztliche Versorgung 249 Assimilation 83, 127, 244 Aufenthaltsgenehmigung 57, 176, 239 Aufenthaltsort 27, 45, 53, 70, 91, 99, 109 ff., 120, 123, 125 ff., 145, 164, 181, 210, 223 f., 228, 244, 251, 260 f., 264 f. Aufenthaltsverlagerung 138, 183, 208, 249, 271 ff., 278, 282 f., 286 Aufenthaltswechsel 126, 162, 242, 252, 258, 265, 278, 283 Aufenthaltswille 29, 59, 281 Aussetzungsantrag 203 Auswanderung 15, 194, 296 Ausweichklausel 206, 214, 227, 229, 230, 237, 254, 255, 267, 270, 272, 285, 287, 301 Beamte 10, 116, 232, 233 Belgien 98, 155, 198, 296

Betreuer 45, 46, 126, 182, 279, 282, 283, 284, 287 Beweisnähe 140, 203 Beweisproblematik 269 Bezugsperson 242 Bindungen siehe Integration Bleibeprognose 172, 255, 286 Bleibewille 50, 133 ff., 148, 180, 183, 185, 249, 286 Bologna 11 Bulgarien 155, 309 Bürgerrecht 7, 8, 9 cives 7, 8 Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 23, 87, 88 common law 2, 5 ff., 15 ff., 20 ff., 33 ff., 41, 43 ff., 49, 50, 54, 56, 60, 66, 72, 83, 87, 89, 93, 96, 180 ff., 262 Commonwealth 5, 19, 20, 32, 40, 43, 44, 49, 58, 59, 60, 66 f., 78, 95, 176, 178, 269, 286 Constitutional Reform and Governance Act 2010 23 Corpus Iuris Civilis 6, 11, 15 D‘Argentre 12 Dänemark 103, 160, 162, 198 f., 219 Daseinsmittelpunkt 109, 112 ff., 117, 120, 123, 128, 131, 133, 161, 163, 172 f., 175, 178 f., 182 f., 225, 227, 236, 238 f., 241, 245 ff., 266, 268 f., 271, 285 Demenz 281 Demenzpatienten 283 Deutsch-türkisches Nachlassabkommen 198, 300 Diplomat 56, 264 Diskriminierung 30, 151, 301 domicile – domicile of birth 27

310

Sachregister

– domicile of origin 24, 26 ff., 37, 39, 41, 47, 51, 54, 56, 63 ff., 73 ff., 89, 93 f., 129, 178, 185 – domicile-Wechsel 26, 34, 38, 51, 68, 69, 71, 72, 78, 184 – Pflicht zum domicile 24 Domicile and Habitual Residence Act 1983 20 f., 43, 45, 48, 84 Domicile and Matrimonial Proceedings Act 1973 22, 34, 36, 39, 46 ff., 64, 124 domicilium 6 ff., 19, 56 f., 72, 93 domicilium habitationis 13 domicilium originis 13 Drittstaat 88, 170, 176, 201, 204, 213, 214, 274 droit coutumier 13 Dumoulin 12 Ehegatte 158, 241 Eheliches Kind 9, 30 Ehemann 10, 22, 30, 46 ff., 56, 65, 131 Einzelfallbeurteilung 180, 238 Einzelfallentscheidung 37, 60, 63 Einzelrechtsordnung 13 Empire 17, 29, 70, 76 engste Verbindung 305 Enklave 269 ErbVO-E 193 f., 208, 216, 220 Ergebniskorrektur 230, 254, 255, 287 Erwägungsgründe 222, 225, 226 ff., 237, 288 Erziehungsberechtigte 38 EuGH 93, 106, 114, 116 ff., 121 f., 125 ff., 130 f., 133 f., 139, 141 ff., 154, 158, 160 ff., 169, 173, 177, 181, 191, 212 f., 225 ff., 232 f., 236 f., 239, 242, 249, 251 ff., 255 f., 258, 261, 284 f., 290, 298, 300, 303 EuGüVO-E 256 EuGVVO 87, 92, 162 ff., 166, 171, 294, 296, 304 Europäisches Nachlasszeugnis 1, 196, 220 Europäisches Parlament 193, 195 ex-ante-Perspektive 286 ex-post-Betrachtung 208, 239, 246, 247, 256 expats 264 Familienangehörige 241 f.

Family Law (Scotland) Act 2006 21, 41 f. Ferienhaus 55 Findelkind 28 Florida 211, 274, 280 f. Flüchtling 70 Formvorschriften 156, 202 forum non conveniens 203 fraus legis 274, 296 Freizügigkeit 11, 194, 214 Gargani-Report 193 Gastarbeiter 101, 247, 248 Geburt 8, 11, 13, 27, 29, 31, 33 f., 94, 145, 147, 232 Gemeinde 6 ff., 12, 56 Gerichtsstandsanerkennung 202 Gerichtsstandsvereinbarung 159, 201, 202, 203, 204 Gerichtsstandswahl 204 Gesamtbeurteilung 82, 180, 223, 224, 225, 226, 228, 240, 255, 263, 268, 270, 272, 284 Geschäftsunfähigkeit 43, 44, 182, 183, 242, 283, 287 Gesetzesumgehung 271, 273 ff., 296, 299, 305 gewöhnlicher Aufenthalt 98 ff. 154 ff., 220 ff. – fehlender gewöhnlicher Aufenthalt 131, 141, 235 – mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt 129 f., 158, 161, 184, 234 Gewohnheitsrecht 13 Gläubiger 28, 174, 239 Gleichlauf von forum und ius 130, 161, 173, 174, 196, 204 f., 228, 253, 254 Gleichlaufgrundsatz siehe Gleichlauf von forum und ius Grabstätte 82 Griechenland 198, 248 Grünbuch 186, 188 ff., 193, 207, 237, 277, 291 ff., 298, 300, 303, 307 Güterrechtsstatut 299 Haager Erbrechtsübereinkommen 192, 206, 230, 237, 304 Haager Konferenz 99 ff., 293 f., 302 Haager Konventionen 2, 99 ff. Handelsbrauch 16 Heim 18, 242, 281

Sachregister

Heimat 1, 18, 29, 31, 33, 39, 53, 59, 62, 68, 70, 72, 78, 96, 98, 106, 132, 136 f., 147, 152, 175, 184, 248, 250, 258 f., 264, 269, 278, 287, 304 Heimatland 53, 70, 151, 245 Heimatrecht 76, 103, 161, 194, 210, 255, 263, 270, 275, 277, 281, 284 Heimatrechtsordnung 12, 230, 240, 250, 261, 268 Heimatstaat 100, 144, 152, 194, 202, 224 Heimbewohner 280 Heimkehr 282 Heirat 9, 35, 47 Herkunftsland 31, 248 House of Commons 21, 23 House of Lords 3, 6, 16, 19, 21, 23, 25, 28, 47, 55 f., 65, 74 ff., 123, 297 HTFÜ 198, 220 f. Huber, Ulrich 16 Identiät siehe Integration Immobilie 82, 211, 215 incola 9 Integration 82, 113, 119, 123, 126 f., 129 ff., 136 ff., 143 ff., 158, 178 ff., 184, 186, 193, 227, 232, 238, 239, 240 ff., 247, 249, 250, 252 f., 257 ff., 261 ff., 267 f., 270, 272, 277, 281 f., 286, 293, 298 – berufliche und wirtschaftliche Bindungen 125, 239 – besonders enge und feste Bindung 223 f., 230, 234, 252, 259 – familiäre Bindungen 125, 143, 147, 181, 241, 243 – „Inbound“-Sachverhalt 186 – kulturelle Identität 127, 225, 240, 280, 297 – „Outbound“-Sachverhalt 186 – soziale Bindungen 128, 236, 239, 241, 248 – soziale Integration 242 – soziales Umfeld 241 – Verwurzelung 39, 78, 127, 144, 152, 194, 241, 244 Integrationswille 265, 267 – kulturelles und soziologisches Leitbild 244 – Zugehörigkeitsgefühl 175, 259 Integrationsmaßstab 136, 262, 267, 277, 281, 287

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Integrationsverweigerer 268 intent to make home permanently or indefinitely 24 Interessenmittelpunkt 116, 244 Iran 197 Irish Law Reform Commission 21, 32, 49, 50, 66, 95, 307 ius gentium 7, 16 Kapitalverkehrsfreiheit 257 Kindergarten 126 Kodifikation 14 Kollisionsnorm 158, 169, 189, 190, 199, 206, 212, 214, 216, 277, 290, 305, 307 Kontinentaleuropa 14 f., 17 Kontinuitätsinteresse 78, 94, 122, 184, 220, 245, 258, 286 Krankenpfleger 280 Langzeitpendler 235, 244, 270 law district 25 f., 29, 50, 52, 59 law merchant 16 Lebensmittelpunkt 46, 109, 112, 123, 124, 126, 131 f., 134, 136, 149, 152, 153, 167, 179, 190, 223 f., 249 f., 253, 257, 259, 262, 269, 282, 284, 286, 303 f. Lebenswirklichkeit 46, 65, 175, 179, 182, 184, 258, 261, 285 Lehensherr 13 lex fori 15, 26, 44, 106, 160, 164, 220, 229 lex originis 11, 12 Lord Cranworth 18 f., 106 Lord Westbury 17, 61, 66 Mallorca-Rentner 246 Manitoba, 21, 32 f., 42 f., 48, 84 manumissio 8 Maßnahmenprogramm des Rates und der Kommission von 2000 187 Migrationshintergrund 186, 247, 265 Milieu 244, 265 milieu d’integration 244, 265 Mindestaufenthaltsfrist 262 Mitgliedstaat 117, 140 ff., 146 f., 152, 199, 200, 202 f., 205, 215, 217 f., 223, 235, 254, 274 municeps 8 Mutter 9, 11, 27, 30, 33, 36, 38, 39, 41, 75, 142, 143, 145 ff., 154, 181, 281

312 Nachlassgegenstände 23, 200 f., 218, 239 Nachlassplanung 256, 263, 295 Nachlassverfahren 188, 201, 208, 229, 235, 284 Nachlassvermögen 211, 258 Nationalbewusstsein 14, 17, 265 nationale Identität 240 Nationalisierung 14, 17 Nauru 20, 95 New Zealand Domicile Act 20, 26, 28, 32, 44, 48, 59, 60, 66 f. Norditalien 12, 13 Obdachlose 123, 238 objektive Nachweisbarkeit 239 offensichtlich engere Verbindung 168, 206, 227, 228, 230, 231, 253 Oma-Export 279 ordre public 216, 274 örtliche Zuständigkeit 111, 205 örtliches Recht 11 Ortswechsel 78, 242 Österreich 99 f., 103, 112, 155, 198, 296 Parallelgesellschaft 243, 269 Parteiautonomie 179, 207, 260, 297 permanent home 18, 83, 96, 106, 183 Personalitätsprinzip 7, 11 Personalstatut 14, 98, 120, 167, 194, 301 Pflegeheim 248, 279 ff., 283 Pflichtteilsberechtigter 208 Pflichtteilsverzicht 265 Plummer v IRC 54, 55 polizeiliche Registrierung 238 Postglossatoren 11, 12 Prinzessin Bauffremont-Bibesco 273 Private International Law Committee 20, 84 ff. Prognoseentscheidung 134 f., 138, 251, 253, 256, 257 Ramsay Ramsay v Liverpool Royal Infirmary 19, 52, 62, 73, 75, 76, 80, 84 Re Fuld’s Estate (No 3) 62 ff., 67 f., 70, 77, 81 f. Rechtsvereinheitlichung 17 Rechtswahl 2, 81, 105, 156, 158, 160, 164, 197, 199, 200 ff., 207 ff., 214,

Sachregister

216 ff., 220, 241, 259, 261, 263 ff., 268 ff., 278, 283, 287, 298, 300, 304, 307 – Missbrauch der Rechtswahl 208 – Rechtswahlmöglichkeit 156, 160, 194, 207 ff., 215, 222, 240, 266, 277, 287 Rechtswahlfreiheit 207, 293 Regelintegrationsmaßstab 286 Reintegration 126, 248, 250, 252, 263, 286 residence 23 f., 50 ff., 58, 61, 67, 69 f., 72, 79, 83 f., 88, 106, 120, 147, 176 f., 222, 282, 286, 294, 302 Resolution 72 (1) des Europarates 112, 124, 238 Retrospektive siehe ex-postBetrachtung revival-Doktrin 24, 28 f., 31 römisches Recht 5, 7, 11 ff., 16 f., 30, 56, 91 Rückkehrwille 264, 267 Rückverweisung 92, 211 Ruhestand 47, 64, 175, 239, 248 Ruheständler 247, 248 v. Savigny, Friedrich Carl 14 Scarman J 62, 63, 77 Schlussfolgerungen von Tampere 187 Schulort 125 Schweiz 91, 104, 110, 162, 246, 296, 305 Simulation 271 f., 274 Sitz der Erben 236, 241, 242 Soldaten 10, 18, 72, 84, 91, 128 Sondergericht 15 Sozialisation 195 Sprachbarriere 251, 281 Sprachkenntnisse 127, 138, 143, 158, 236, 242, 253 Staatsangehörigkeit 2, 14 f., 17, 28, 73, 76, 81, 94, 97, 98 ff., 120, 127, 142 ff., 148, 151 ff., 157 f., 161, 172, 175, 182, 185, 189 f., 194, 199, 207 ff., 220, 223 ff., 236 f., 239, 240, 242, 245, 247, 248, 250, 258, 261, 266, 268 f., 273 f., 277, 281, 283, 286 f., 293, 295, 301, 304, 306 Staatsbürgerschaft siehe Staatsangehörigkeit Stadtstaat 12 f. statuta personalia 12, 14

Sachregister

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Statutenlehre 11 f., 14 Statutenwechsel 29, 45, 78, 94, 96, 135, 175, 177, 179, 183 f., 208, 252, 257 f., 261, 263, 265, 269, 271, 273, 276, 278, 282, 284, 286 Steuerpflichtigkeit 9 Story, Joseph 10, 13, 16, 17, 18, 24, 67, 98, 298, 307

Verordnungsentwurf KOM [2009] 0154 193 Viktorianisches Zeitalter 17 Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden 196, 218 Vortäuschen eines gewöhnlichen Aufenthalts 271 Vorversterben 11

Territorialitätsprinzip 11 Testament 74, 76, 80, 202, 216, 218, 260, 266 Testierfreiheit 207 Transmigration 247

Wachkomapatient 282 Wächter, Georg v. 14 Wahrnehmungsfähigkeit 126, 243, 280, 281, 282, 283 Wanderarbeiter 225, 244 Wegzugsstaat 135 Weißbuch 193 Weltanschauung 33, 78, 243 Willenskomponente 68, 183, 260, 264 Wochenendpendler 244 Wohnsitz 6, 8 ff., 14 f., 17, 42, 52, 72, 87, 89 ff., 98, 102, 105, 108, 110 f., 117 f., 120 f., 123, 132, 135, 142, 147, 162, 163 f., 171 f., 175 ff., 183 ff., 190 f., 205, 231 ff., 236, 238, 249, 261, 283, 298, 300 – fester Wohnsitz 238 – mehrere Wohnsitze 239, 271 – mehrfacher Wohnsitz 184, 244

Umgehungsversuch 271 Unionsbürger 152, 212, 214, 257 Unzuständigerklärung 202 Unterhaltsgläubiger 160 f. Unterhaltsschuldner 160 f. Vater 9, 13, 27, 30, 35, 36, 39, 41, 145, 181 Verfahrensbeteiligte 152, 201, 203, 204, 257, 270 Verfügung von Todes wegen 197, 200, 209 Verlagerungswille 249 Vermögensgegenstände 16, 18, 22, 29, 63, 190 f., 200 f., 211, 244, 274 Vermögenswerte 201, 223, 226, 236, 239, 245, 255, 281 Vermutungswirkung 26, 261

Zugvogel 225 Zuständigkeitskonzentration 205 Zuzugsrechtsordnung 263 Zweitwohnsitz 246