Heiligkeiten: Konstruktionen, Funktionen und Transfer von Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter 351512134X, 9783515121347

Welche Funktionen hatten Heiligkeiten, Heilige und Heiligenviten im europäischen Früh- und Hochmittelalter? Wie wurden s

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INHALTSVERZEICHNIS
(Fiona Fritz)
Heiligkeiten. Konstruktionen, Funktionen und Transfer von
Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter.
Zur Einführung
(Andreas Bihrer)
Heiligkeiten im europäischen Früh- und Hochmittelalter.
Forschungsstand und Forschungsaufgaben
I. KONSTRUKTIONEN
(Paul Gazzoli)
Monk and Bishop, Missionary and Martyr: Different Approaches
to the Sanctity of St Ansgar
(Steffen Hope)
Reformulating the Sanctity of Olaf Haraldsson.
Archbishop Eystein Erlendsson and the Ecclesiastical Image of Saint Olaf
(Sara E. Ellis Nilsson)
Forming and Fashioning Early Scandinavian Sanctity:
Liturgy and its Narrative Context
II. FUNKTIONEN
(Christian Oertel)
Funktionen und Transfer von Heiligkeitsidealen im Schweden
des 13. Jahrhunderts
(Karolin Künzel)
St Ælfheah von Canterbury. Funktionalisierung und Instrumentalisierung
eines angelsächsischen Heiligen im Kontext der normannischen Eroberung
(Jérémy Winandy)
Hagiographie in Fleury – Heiligkeit im Dienste der Gemeinschaft?
III. TRANSFER
(Julia Weitbrecht)
Fülle durch Mangel. Logiken des Verzichts und die Modellierung
von Herrscherheiligkeit in der mittelalterlichen Oswaldlegendarik
(Uta Kleine)
Von Thomas Becket zu Engelbert von Köln: Die Erneuerung der Idee
des blutigen Martyriums im Zeichen der libertas ecclesiae
(Klaus Herbers)
Übertragene Heiligkeit – Reliquientranslationen und die Folgen
IV. SCHLUSS
(Philipp Frey und Fiona Fritz) Das ‚Hagiography Sourcebook‘: Eine Sammlung online verfügbarer
Materialien zu hagiographischen Fragen
(Felicitas Schmieder) Heiligkeiten. Konstruktionen, Funktionen und Transfer von
Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter –
einige Gedanken zum Schluss
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Heiligkeiten: Konstruktionen, Funktionen und Transfer von Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter
 351512134X, 9783515121347

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Heiligkeiten Konstruktionen, Funktionen und Transfer von Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter Herausgegeben von Andreas Bihrer und Fiona Fritz

Geschichte Franz Steiner Verlag

Beiträge zur Hagiographie 21

Andreas Bihrer / Fiona Fritz (Hg.) Heiligkeiten

Beiträge zur HagiograpHie herausgegeben von Dieter R. Bauer, Klaus Herbers, Volker Honemann und Hedwig Röckelein Band 21

Heiligkeiten Konstruktionen, Funktionen und Transfer von Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter Herausgegeben von Andreas Bihrer und Fiona Fritz

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2019 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12134-7 (Print) ISBN 978-3-515-12140-8 (E-Book)

INHALTSVERZEICHNIS Fiona Fritz Heiligkeiten. Konstruktionen, Funktionen und Transfer von Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter. Zur Einführung ...................................................................................................

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Andreas Bihrer Heiligkeiten im europäischen Früh- und Hochmittelalter. Forschungsstand und Forschungsaufgaben ........................................................ 13 I KONSTRUKTIONEN Paul Gazzoli Monk and Bishop, Missionary and Martyr: Different Approaches to the Sanctity of St Ansgar ............................................................................... 31 Steffen hope Reformulating the Sanctity of Olaf Haraldsson. Archbishop Eystein Erlendsson and the Ecclesiastical Image of Saint Olaf ..... 45 Sara E. ellis NilssoN Forming and Fashioning Early Scandinavian Sanctity: Liturgy and its Narrative Context ...................................................................... 73 II FUNKTIONEN Christian oertel Funktionen und Transfer von Heiligkeitsidealen im Schweden des 13. Jahrhunderts ........................................................................................... 91 Karolin KüNzel St Ælfheah von Canterbury. Funktionalisierung und Instrumentalisierung eines angelsächsischen Heiligen im Kontext der normannischen Eroberung ..... 127 Jérémy WiNaNdy Hagiographie in Fleury – Heiligkeit im Dienste der Gemeinschaft? ................. 141

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Inhaltsverzeichnis

III TRANSFER Julia WeitBrecht Fülle durch Mangel. Logiken des Verzichts und die Modellierung von Herrscherheiligkeit in der mittelalterlichen Oswaldlegendarik .................. 157 Uta KleiNe Von Thomas Becket zu Engelbert von Köln: Die Erneuerung der Idee des blutigen Martyriums im Zeichen der libertas ecclesiae .............................. 175 Klaus herBers Übertragene Heiligkeit – Reliquientranslationen und die Folgen ...................... 205 IV SCHLUSS Philipp Frey und Fiona Fritz Das ‚Hagiography Sourcebook‘: Eine Sammlung online verfügbarer Materialien zu hagiographischen Fragen ........................................................... 225 Felicitas schmieder Heiligkeiten. Konstruktionen, Funktionen und Transfer von Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter – einige Gedanken zum Schluss ........................................................................... 229 Ortsregister ......................................................................................................... 233 Personenregister ................................................................................................. 236

HEILIGKEITEN Konstruktionen, Funktionen und Transfer von Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter. Zur Einführung Fiona Fritz Heiligkeit wird gemeinhin im Singular gedacht. Betrachtet man allerdings die vielfältigen Heiligentypen in der Geschichte, so wird deutlich, dass dieses Konzept nicht durch eine feste Menge von Eigenschaften und Lebensformen definiert ist, sondern in vielfältigen Erscheinungsformen realisiert ist: Heilige konnten vorbildliche Christen sein, die andere von ihrem Glauben überzeugen wollten, die sich für die christliche Gemeinschaft einsetzten, die ihren Glauben im Kampf verteidigten oder die bereit waren, für ihren Glauben zu sterben. Die einen werden lokal verehrt, andere überregional, manche wurden in Rom kanonisiert, bei anderen wurde die Verehrung von lokalen Bischöfen angestoßen. Mit den Begriffen Märtyrer, Bischofsheilige, heilige Missionare, Königsheilige, Bekenner (confessores), Soldatenheilige oder weibliche Heilige werden zwar in allen Fällen heilige Personen bezeichnet, deren Heiligkeit konnte sich allerdings in wesentlichen Punkten unterscheiden. Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, werden wir in dieser Publikation von Heiligkeiten im Plural sprechen. Diese Pluralität zeigt sich unter anderem in der Vielzahl der Quellengattungen, die sich mit der Vermittlung von Heiligkeiten befassen, die unter anderem in Lebensbeschreibungen von Heiligen, in Wundersammlungen, Legenden, Sagas, Translationsberichten, Briefmartyrologien oder in liturgischen Texten verhandelt werden. Dabei finden sich sowohl lateinische als auch volkssprachliche Traditionen. Aber in Sach- und Bildquellen werden Heiligkeiten gleichermaßen thematisiert, konstruiert und verhandelt1. In diesem Sammelband wird die schriftliche Medialität von Heiligkeiten und Heiligen im Mittelpunkt stehen, in einzelnen Beiträgen werden allerdings auch nichtschriftliche Quellen ergänzend herangezogen. Die Pluralität der Heiligkeiten zeigt sich neben der Quellenvielfalt besonders deutlich in den Formen der Zuschreibung des Heiligenstatus und seiner Begründung in hagiographischen Texten. Diese Praxis der Zuschreibung kann mit dem Begriff der Konstruktion erfasst werden, der für die Aufsätze dieses Bandes eine zentrale Rolle spielt. Bei der historischen Entwicklung von Konstruktionen wird 1

Neben bildlichen Darstellungen von Heiligkeiten in Kunst und Architektur seien hier noch Reliquiare und Schreine genannt. Die Breite der Sachquellen, die sich mit Heiligen und Heiligkeiten befasst, kann hier allerdings nicht weiter ausgeführt werden. Zu dieser Vielzahl vgl. beispielsweise den Sammelband Heilige und geheiligte Dinge: Formen und Funktionen (Beiträge zur Hagiographie 20), hg. von Andrea Beck / Klaus HerBers / Andreas NeHriNg, Stuttgart 2017.

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Fiona Fritz

in den Untersuchungen zudem auf Rekonstruktionen, oder réécriture, eingegangen. Was die Funktionen von hagiographischen Texten angeht, so kann man nicht nur feststellen, dass verschiedene Texte unterschiedliche Funktionen besitzen können, sondern dass darüber hinaus einzelne Texte als multifunktional betrachtet werden müssen. Solche Funktionen, die ebenfalls in der vorliegenden Publikation behandelt werden, sind beispielsweise die Konstruktion des Heiligen, aber auch machtpolitische Zwecke sowie Gruppen- und Identitätsbildung. Mit dem Begriff des Transfers wird darauf hingewiesen, dass Konzepte von Heiligkeit und Formen der Konstruktion von Heiligkeit häufig von einer Region in die andere übertragen, aus unterschiedlichen Kontexten übernommen und dabei für den spezifischen historischen Zusammenhang angepasst und aktualisiert werden. So wurden beispielsweise angelsächsische Darstellungsformen und -motive im 11. und 12. Jahrhundert in den nordischen Ländern übernommen und an die dortigen historischen Bedingungen angepasst. Diese Aspekte der Konstruktionen, Funktionen und des Transfers hängen auf vielfältige Weise zusammen, und so ist es nicht überraschend, dass in den Beiträgen dieses Sammelbandes diese Gesichtspunkte in vielfältigen Kombinationen auftreten. Der regionale Fokus dieser Publikation und der einzelnen Untersuchungen liegt auf Nordeuropa2: Neben Skandinavien, England und dem Reich nimmt dieser Band aber auch Frankreich und den Süden Spaniens in den Blick. Der zeitliche Fokus liegt auf dem Früh- und Hochmittelalter, der aber durch Untersuchungen zum Spätmittelalter ergänzt wird. Einige Aufsätze befassen sich dezidiert mit größeren Zeiträumen und untersuchen Ähnlichkeiten und Veränderungen von Heiligkeiten 2

Das Interesse der Forschung an den hagiographischen Texten der Angelsachsen, Normannen sowie des Reichs ist seit langem ungebrochen. Auch die volkssprachlichen Heiligendarstellungen aus dem skandinavischen Raum wurden bereits ausführlich untersucht. Die Untersuchung lateinischer Heiligenviten des skandinavischen Raums hat allerdings erst in den letzten Jahren einen starken Zuwachs erfahren. Der Fokus übergreifender Untersuchungen lag dabei vor allem auf funktionalen Aspekten von Heiligenviten und Heiligenkulten im Kontext von Identitätsbildung, dem Status Skandinaviens als Peripherie bzw. der Integration Skandinaviens in das christliche Europa sowie auf Fallstudien zu einzelnen Heiligen. Vgl. hierzu The Making of Christian Myths in the Periphery of Latin Christendom (c. 1000–1300), hg. von Lars Boje MorteNseN, Copenhagen 2006, Saints and Their Lives on the Periphery: Veneration of Saints in Scandinavia and Eastern Europe (c. 1000–1200), hg. von Haki ANtoNssoN / Ivan gAripzANov, Turnhout 2010, Sanctity in the North: Saints, Lives, and Cults in Medieval Scandinavia, hg. von Thomas A. DuBois, Toronto 2008, sowie die Fallstudien zu einzelnen skandinavischen Heiligen von Anette creutzBurg, Die heilige Birgitta von Schweden: bildliche Darstellungen und theologische Kontroversen im Vorfeld ihrer Kanonisation (1373–1391), Kiel 2011, Lenka JirouškovA, Der Heilige Wikingerkönig Olav Haraldsson und sein hagiographisches Dossier. Text und Kontext der Passio Olavi (Mittellateinische Studien und Texte 46), Leiden 2014, Sara ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery: A Study of the Emergence of Cults of Native Saints in the Ecclesiastical Provinces of Lund and Uppsala from the Eleventh to the Thirteenth Centuries, Göteborg 2015, Christian oertel, The Cult of St Erik in Medieval Sweden: Veneration of a Royal Saint, Twelfth-Sixteenth Centuries (Acta Scandinavica: Aberdeen Studies in the Scandinavian world 5), Turnhout 2016, sowie Steffen Hope, Constructing Institutional Identity through the Cult of Royal Saints, c. 1050–1200, Odense 2017, und Fiona Fritz, The Multifunctionality of a Medieval Hagiography. A Historical Case Study of the ‚Gesta et Passio‘ and the Making of the Danish Royal Saint Knut (c. 1100) (in Vorbereitung).

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im Verlauf mehrerer Jahrhunderte. So verdeutlichen die einzelnen Fallstudien die Dynamik und Pluralität der Heiligkeitsmodelle. Im Mittelpunkt der ersten Sektion des Bandes stehen Konstruktionen von Heiligkeiten. Anhand der Analyse der narrativen Gestaltungsstrategien und verwendeten Darstellungsmittel wird untersucht, inwiefern die Begründungs- und Argumentationsstrategien für unterschiedliche Heiligentypen differieren. Dabei wird neben den Eigenschaften von Heiligen, die bei der Konstruktion besonders hervorgehoben werden, auch nach jenen Facetten gefragt, die in den Texten umgangen werden. Die Vielzahl der Quellengattungen wirft dabei die Frage auf, inwieweit sich Konstruktionen und Rekonstruktionen von Heiligkeiten in diesen unterschiedlichen Gattungen unterscheiden. Weitere Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind: Wie werden Heiligkeiten durch Rekonstruktion verändert oder aktualisiert? Wie beeinflussen die zeitlichen, räumlichen, kirchlichen, sozialen, religions- und gesellschaftspolitischen Kontexte diese Konstruktionen? Wie Veränderungen der Konstruktion des Heiligen im Laufe der Jahrhunderte aussehen konnten, stellt Paul gAzzoli am Beispiel der Textüberlieferung hagiographischer Schriften über den heiligen Ansgar dar. In unterschiedlichen Zeiträumen vom 12. bis zum 17. Jahrhundert wurden unterschiedliche Facetten der Heiligkeit Ansgars hervorgehoben und so dessen Heiligkeit immer wieder aktualisiert. In seinem Beitrag zeigt Steffen Hope, wie das frühe, traditionelle Bild des heiligen Olaf von Norwegen unter den historischen Bedingungen des 12. Jahrhunderts so rekonstruiert wurde, dass das Bild seiner Heiligkeit den kirchenpolitischen Zielen der Zeit entgegenkam: Der Kriegerkönig wurde in einen königlichen Märtyrer umstilisiert. Sara E. ellis NilssoN analysiert in ihrem Aufsatz, wie vier Frauen in Schweden im 13. Jahrhundert zu Heiligen gemacht wurden und wie die Konstruktionen der Heiligen zur Einbindung von Skandinavien als Peripherie in die europäische christliche Welt genutzt wurden. In den Beiträgen der zweiten Sektion steht die Frage im Zentrum, welche Funktionen Heiligkeiten, Heilige sowie hagiographische Texte erfüllen können. Dabei wird der Blick auf die Nutzungskontexte und -möglichkeiten gelenkt, wobei unter anderem folgende Fragen behandelt werden: Welche Personen oder Gruppen waren an der Produktion der hagiographischen Texte und der Verehrung der Heiligen beteiligt? Welche Interessen konnten in hagiographische Texte eingebracht werden und wie wurden Heiligenverehrung und Heiligenviten als kommunikative Mittel genutzt, um diese Interessen zu vertreten? Dieser Zugang ermöglicht es zudem, die Bildung von Diskursgemeinschaften um Heilige und Heiligkeiten nachzuvollziehen und die Funktionalisierung von hagiographischen Texten in sozialen, religiösen, gesellschafts- sowie religionspolitischen Fragen nachzuzeichnen. Christian oertel zeigt in seinem Aufsatz unter anderem, wie sich Heiligenkulte in Schweden im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts entwickelten und wie im 14. Jahrhundert auf der Transferlinie von der französischen Metropole Paris nach Schweden nicht nur Heiligkeitsvorstellungen übermittelt wurden, sondern auch viel grundlegenderes Wissen nach Skandinavien transportiert wurde, mit dem die neuen einheimischen Heiligen adäquat verehrt werden konnten. Als wichtigste Funktion

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sieht er die Begründung bzw. Festigung der Identität des jeweiligen Bistums und damit die langfristige Etablierung der Kulte. Karolin küNzel weist am Beispiel des heiligen Alfheah (um 1070) auf den interessanten Fall hin, dass Heiligkeit umstritten sein konnte und hagiographische Schriften die Funktion besitzen konnten, sich in einem solchen Streit zu positionieren. Darüber hinaus zeigt sie, wie der Verfasser von Alfheahs Lebensbeschreibung versuchte, der sich im normannischen England neu formierenden geistlichen Elite Identifikationsmaterial zu bieten. Auf die Multifunktionalität hagiographischer Texte macht besonders Jérémy WiNANDy in seiner Untersuchung über das hagiographische Schaffen des westfränkischen Klosters Fleury aufmerksam. So zeigt er, dass die ‚Vita Abbonis‘ aus dem frühen 11. Jahrhundert gleichzeitig dazu dienen konnte, dem Nachfolger Abbos ein Modell für den Kampf gegen den Bischof vor Augen zu führen und der Gemeinschaft den erfolgreichen Einsatz Abbos für die monastische Reform zu demonstrieren. In den Beiträgen der dritten Sektion stehen Fragen des Transfers von Heiligkeiten, deren Konstruktionen und Funktionen im Mittelpunkt. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Bedingungen und Bewertungen räumlicher Transferprozesse gelegt: Welche Aspekte von Heiligen wurden übertragen und in andere regionale hagiographische Traditionen integriert? Wie wurden Modelle und Konzepte von Heiligkeit aktualisiert? Inwiefern können Transferprozesse bestimmter Heiligkeiten erkennbar gemacht werden? So kann gezeigt werden, welche Dynamik Heiligkeiten im europäischen Früh- und Hochmittelalter entfalteten und wie produktiv sich die hagiographischen Traditionen ergänzten und austauschten. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive demonstriert Julia WeitBrecHt, wie unterschiedliche Optionen zur narrativen Modellierung von Heiligkeit genutzt werden konnten. Am Beispiel der mittelalterlichen Oswaldslegendarik von Beda bis zum ‚Münchener Oswald‘ macht sie deutlich, dass der Modellierungsprozess nicht nur durch Optionen geprägt war, sondern jeweils auch durch die narrativen Formate. Uta kleiNe befasst sich mit der Frage, wie die traditionelle Martyriumsidee auf den Fall Beckets angewendet wurde und wie sie von dort wiederum auf den Kölner Heiligen Engelbert übertragen wurde. Unter Berücksichtigung einer Vielfalt von Quellengattungen untersucht sie die Kontexte, Motive und Faktoren der Übertragung der Martyriumsidee. Am Beispiel von iberischen Reliquientranslationen, unter anderem der Translation des heiligen Isidor von Sevilla nach León, zeigt Klaus HerBers die Komplexität unterschiedlicher Quellenarten und deren Funktionen für den Transfer von Heiligkeit in Zusammenhang mit Translationen: So wurden traditionelle Verehrungsnormen und -formen von Córdoba in den Pyrenäenraum delegiert und die normative Kraft katholisch-westgotischer Traditionen des Isidor gelangte durch diesen Translationsprozess zu neuer Wirksamkeit auch im Norden. Im Zusammenhang seiner Analysen weist Herbers zudem darauf hin, dass sich aus den Beispielen möglicherweise eher Erzählstrategien als Heiligkeitskonzepte erschließen lassen.

Heiligkeiten

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Philipp Frey und Fiona Fritz stellen das ‚Hagiography Sourcebook‘ vor, eine digitale Sammlung online verfügbaren Materials zu hagiographischen Fragen. In ihrem Schlussbeitrag fasst Felicitas scHMieDer zentrale Thesen und Anliegen des Sammelbands zusammen und eröffnet weitere Perspektiven auf das Thema ‚Heiligkeiten‘, indem sie die Vielfältigkeit der Heiligkeiten, Heiligen und hagiographischen Quellen noch einmal betont und für eine Überwindung starrer Typologien plädiert. In diesem Band werden die Ergebnisse einer internationalen Tagung präsentiert, die im Rahmen des von der DFG geförderten Projekts ‚Heilige Heroen – Heroische Heilige. Interdependenzen, Verflechtungen und Transformationen von Leitbilddiskursen im skandinavischen Früh- und Hochmittelalter‘ vom 27. bis 29. Oktober 2016 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel veranstaltet wurde. Für die Finanzierung des Projekts, der Tagung und dieses Tagungsbands sind wir der DFG zu großem Dank verpflichtet. Der internationale Charakter der Tagung spiegelt sich darin, dass dieser Sammelband sowohl englische als auch deutsche Beiträge enthält. Den Untersuchungen in den Sektionen ist jeweils ein kurzer englischer Abstract vorangestellt. An dieser Stelle möchten wir vor allem den Autorinnen und Autoren danken, deren Beiträge diesen Sammelband erst möglich gemacht haben. Ein besonderer Dank gilt Julia Böhrk und Bea Grothkopf für die redaktionelle Betreuung des Gesamtmanuskripts. Für ihre Unterstützung bei der Organisation der Tagung danken wir herzlich Gabriele Langmaack, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abteilung Stephan Bruhn, Janina Lillge, Rike Szill sowie den Hilfskräften Julia Böhrk, Markus Kranz und besonders Philipp Frey, der das gesamte Projekt und den Aufbau des Hagiography Sourcebook mitbetreut hat. Unser Dank gilt auch Klaus Böldl, Professor für Literatur und Kulturgeschichte des skandinavischen Mittelalters, der bei der Tagung die Moderation einer Sektion übernommen hat. Den Herausgebern der ‚Beiträge zur Hagiographie‘, Dieter R. Bauer, Klaus Herbers und Hedwig Röckelein, danken wir für die Aufnahme dieses Bandes in die Reihe. Für die freundliche Betreuung und Unterstützung seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Franz Steiner Verlags, insbesondere bei Katharina Stüdemann und Stefanie Ernst, möchten wir uns für Verständnis, Geduld und Entgegenkommen in allen Phasen der Drucklegung bedanken.

HEILIGKEITEN IM EUROPÄISCHEN FRÜHUND HOCHMITTELALTER Forschungsstand und Forschungsaufgaben Andreas Bihrer I. HEILIGKEITEN ALS ‚TOTALPHÄNOMEN‘ Wenn man einen Forschungsbericht zum Inhalt eines Sammelbands beginnt, müsste man eigentlich zunächst Satz für Satz betonen, dass sich bislang noch niemand wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigt habe, man ein unkartiertes Neuland betrete, ja in völlig unbekannte Sphären vorstoße, doch für das Thema ‚Heiligkeiten‘ würde man sich mit so einer Einführung lächerlich machen, denn wollte man die bisherige Forschung hierzu auch nur in groben Zügen wiedergeben, dann müsste man mehrere Monographien verfassen und diese beinahe täglich aktualisieren. Heiligkeiten sind in der Vormoderne ein ‚Totalphänomen‘. Wohl zu keinem anderen Gegenstand des Mittelalters sind so viele schriftliche, visuelle und materielle Zeugnisse erhalten geblieben: hagiographische Schriften wie Heiligenviten, Mirakel- oder Translationsberichte, liturgische Quellen wie Predigten, Lectiones, Hymnen oder Litaneien, Sammlungen wie Kalendare, Martyrologien oder Legendare, Rechtsdokumente zu Altarweihen, Patronaten oder Stiftungen, Kanonisationsakten, Pilgerberichte, Chroniken, Dichtungen, Geistliche Spiele, dazu Reliquien, Architektur, Kunst- und Kultgegenstände oder Musik, ganz zu schwiegen von den für das Mittelalter so schwer rekonstruierbaren mündlichen Äußerungen oder den Veranschaulichungen im Medium des Körpers, schließlich denke man noch an die medial hybriden Darstellungen – und viele weitere Gattungen ließen sich nennen1. Aufgrund dieser Vielfalt an hagiographischen Artikulationen, für die hier der Übergriff ‚Hagiographik‘ verwendet werden soll, haben sich zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen, die Guy Philippart in ihrer Gesamtheit als ‚Hagiologie‘ bezeichnete2, mit Heiligkeiten beschäftigt. Nach Hans-Werner Goetz erlebt diese Gat1

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Eine breite Übersicht über hagiographische Gattungen bietet René AigrAiN / Robert goDDiNg, L’hagiographie. Ses sources, ses méthodes, son histoire (Subsidia hagiographica 80), Bruxelles 2000, 11–192, eine aktuelle Aufstellung von Editionsreihen, Einzeleditionen, Quellenrepertorien und Handschriftenverzeichnissen findet sich in Umberto loNgo, La Santità medieval (Il timone bibliografico 1), Rom 2006, 95–124. Guy Philippart plädierte für den Terminus ‚Hagiologie‘, mit welchem alle Wissenschaftszweige, die sich mit der Hagiographie beschäftigen, bezeichnet werden sollten, vgl. Guy pHilippArt, Hagiographes et hagiographie, hagiologes et hagiologie. Des mots et des concepts, Hagiographica, Rivista di agiografia e biografia della Società Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino 1 (1994), 1–16. Für den Begriff ‚hagiographischer Diskurs‘ machte sich vor allem Marc

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Andreas Bihrer

tung seit etwa 1970 sogar „eine wahre Forschungsrenaissance“3: Die Erforschung der Hagiographik erstreckt sich zeitlich über die gesamte Epoche des Mittelalters hinweg und bis in die Gegenwart sowie räumlich auf beinahe alle europäischen, inzwischen auch außereuropäischen Räume4. Und so verwundert es nicht, dass im ‚Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft‘, in welchem zu jedem noch so umfassenden Stichwort wie ‚Gattung‘ oder ‚Text‘ gemäß der Systematik des Lexikons in einem Abschnitt die Forschungsgeschichte nachgezeichnet wird, lediglich beim Artikel ‚Vita‘ der lapidare Satz steht: „Die Erforschung der Heiligenleben lässt sich als zentraler Teil eines überaus umfangreichen interdisziplinären Forschungszweiges (Hagiologie) hier nicht skizzieren“5. Und Friedrich Prinz schloss seinen Bericht über die Erforschung der Hagiographie in der deutschen Mediävistik zwischen 1968 und 1998 gar mit dem Fazit, dass der Versuch einer Strukturierung des Felds ein aussichtsloses Unterfangen sei: „Lassen Sie mich mit der grundsätzlichen Bemerkung schließen, daß die Vielfalt und der thematische Reichtum hagiographischer Texte sich eigentlich einer Systematisierung und Klassifizierung verschließt“6. Wo also beginnen?

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van Uytfanghe stark, vgl. Marc vAN uytFANgHe, L’origine et les ingrédients du discours hagiographique, Sacris erudiri, A journal on the Inheritance of Early and Medieval Christianity 50 (2011), 35–70, hierzu auch Marc vAN uytFANgHe, Die Vita im Spannungsfeld von Legende, Biographik und Geschichte (mit Anwendung auf einen Abschnitt aus der Vita Amandi prima), in: Historiographie im frühen Mittelalter (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 32), hg. v. Anton scHArer / Georg scHeiBelreiter, Wien/München 1994, 194–221, hier 204. Während mit der Formulierung ‚hagiographischer Diskurs‘ sämtliche Gattungen gemeint sind, in denen über das Heilige gesprochen wird, soll der Terminus ‚Hagiographik‘ enger gefasst sein und nur diejenigen schriftlichen, mündlichen, visuellen etc. Artikulationen umgreifen, in welchen vornehmlich und eingehender das Heilige verhandelt wird. Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, hg. v. Hans-Werner goetz, Darmstadt 1999, 162, vgl. auch die ähnliche Einschätzung bei vAN uytFANgHe, Vita (wie Anm. 2), 196–199. Hier sei nur verwiesen auf die DFG-Forschergruppe 1533 ‚Sakralität und Sakralisierung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Interkulturelle Perspektiven in Europa und Asien‘ an der Universität Erlangen sowie auf deren neuesten Tagungsband Sakralität und Devianz. Konstruktionen – Normen – Praxis (Beiträge zur Hagiographie 16), hg. v. Klaus HerBers / Larissa DücHtuNg, Stuttgart 2015. Ebenfalls regionen- und epochenübergreifend ist der Fokus eines jüngst erschienenen Sammelbands, der jedoch eher populärwissenschaftlich ausgerichtet und auf einzelne Fallbeispiele beschränkt ist, vgl. Heilig. Transkulturelle Verehrungskulte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Dietlind HücHtker / S. Kerstin JoBst, Göttingen 2017. Konrad kuNze, Vita, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 3, Berlin/New York 2007, 786–789, hier 788. Friedrich priNz, 30 Jahre Hagiographie-Forschung in Deutschland, in: Gli studi agiografici sul Medioevo in Europa (Quaderni di ‚Hagiographica‘ 1), hg. v. Emore pAoli, Firenze 2000, 91– 102, hier 102.

Heiligkeiten im europäischen Früh- und Hochmittelalter

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II. KARTIERUNGEN DER BISHERIGEN FORSCHUNG Die einfachste Antwort auf die Frage, was für die zukünftige Forschung noch zu tun sei, wäre der Hinweis darauf, dass trotz der ‚Société des Bollandistes‘, der ‚Hagiography Society‘ und des ‚Arbeitskreises für hagiographische Fragen‘, trotz der ‚Acta Sanctorum‘ und der ‚Bibliotheca Hagiographica Latina‘, trotz der ‚Acta Sanctorum Database‘, der ‚BHLms‘ und der ‚agiografico Database‘, trotz der inzwischen sechs ‚Hagiographies‘-Bänden, der ‚Histoire des saints et de la sainteté chrétienne‘ oder der ‚Bibliotheca Sanctorum‘, trotz der Zeitschriften wie ‚Analecta Bollandiana‘ oder ‚Hagiographica‘, trotz der Reihen wie ‚Subsidia Hagiographica‘, ‚Hagiologia‘ oder ‚Beiträge zur Hagiographie‘ das wohl unermessliche Feld der Heiligkeiten bislang nur ansatzweise wissenschaftlich erschlossen werden konnte7. Eine im Jahr 2006 publizierte Bibliographie listet 2558 Titel auf und beschränkt sich dabei noch fast ausschließlich auf zentrale Forschungen vorrangig in italienischer, französischer und englischer Sprache8. Selbst in aktuellen online-publizierten Bibliographien werden oftmals nur die zentralen Forschungsarbeiten aufgeführt9. Auch Lexikonartikel können stets nur eine erste Hinführung bieten10. Dies gilt desgleichen für Einführungen und Übersichtsdarstellungen, aus denen zudem ersicht7

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Vgl. neben den in Anm. 9 erwähnten Internet-Ressourcen die 2006 publizierte, 281 Nennungen umfassende Auflistung von Zeitschriften, Reihen, Lexika, Einführungen, Sammelbänden und Webseiten bei loNgo, La Santità medieval (wie Anm. 1), 77–95; einen neueren Überblick über Tagungen und Tagungsbände bietet François DolBeAu, Les travaux français sur l’hagiographie médiolatine (1968–1998), in: Gli studi agiografici sul Medioevo in Europa (1968–1998) (Quaderni di ‚Hagiographica‘ 1), hg. v. Emore pAoli, Firenze 2000, 23–68, hier 38–44. Vgl. loNgo, La Santità medieval (wie Anm. 1), 77–263; diese Bibliographie ist zum einen nach Gattungen gegliedert, vgl. ebd., 124–165, zum anderen nach den Feldern „forme“, „spazi“ und „temi“, vgl. ebd., 165–263. Eine 1983 publizierte Bibliographie verzeichnete noch insgesamt 1309 Publikationen, vgl. Saints and their Cults. Studies in Religious Sociology, Folklore and History, hg. v. Stephen WilsoN, Cambridge/London/New York u. a. 1983, 309–417. Eine neuere Einführung in das Forschungsfeld ist in erster Linie als eine kommentierte Bibliographie anzusprechen, vgl. Jacques DuBois / Jean-Loup leMAître, Sources et méthodes de l’hagiographie médiévale (Histoire), Paris 1993. Vgl. das ‚Hagiography Sourcebook‘ (http://www.hagiographysourcebook.uni-kiel.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]), in welchem Internet-Ressourcen unterschiedlichen Typs für die Hagiographieforschung verzeichnet sind, vgl. hierzu den Aufsatz von Philipp Frey und Fiona Fritz im selben Band. Weiterhin sind elektronische Bibliographien zur Hagiographie zu nennen, so an erster Stelle die ‚Hagiography Society Ongoing Bibliography‘ (https://www. hagiographysociety.org/?page_id=237 [abgerufen am 30. Oktober 2017]), außerdem die in das Themenfeld einführenden Bibliographien ‚Charles D. Wright’s Online Medieval Studies Bibliographies: Hagiography‘ (https://bibliography.arc-humanities.org/hagiography/ [abgerufen am 30. Oktober 2017]) und ‚The ORB (On-Line Reference Book für Medieval Studies) Encyclopedia: Hagiography‘ (https://www.arlima.net/the-orb/encyclop/religion/hagiography/ hagindex.html [abgerufen am 30. Oktober 2017]), wobei letztere, erstellt von Thomas F. Head, allerdings nur bis zum Jahr 2002 reicht. Bei loNgo, La Santità medieval (wie Anm. 1), 92–95, werden knapp 50 Lexika bzw. Lexikonartikel aufgeführt, eine Zahl, die sich aber noch problemlos vergrößern lassen könnte durch zahlreiche, vor allem national ausgerichtete Lexika oder durch nach 2006 erschienene Lexikonartikel wie zum Beispiel Klaus scHreiNer, Heiligkeit, in: Enzyklopädie des Mittelalters, Bd. 1, hg. v. Gert Melville / Martial stAuB, Darmstadt 2008, 340 f.

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Andreas Bihrer

lich wird, dass die zeitlichen Forschungsschwerpunkte bislang zum einen auf der Spätantike und der Merowingerzeit sowie zum anderen auf dem Spätmittelalter liegen11. Die jüngeren Forschungsberichte zu Heiligen und Hagiographie im Mittelalter, aber auch die Gliederung des gegenwärtig ambitioniertesten Übersichtswerks ‚Hagiographies‘ machen schließlich deutlich, wie stark die Beschäftigung mit diesem Themenfeld auf die Diskussion innerhalb der jeweiligen nationalen Fachwissenschaften beschränkt ist, die sich überdies vor allem den Heiligen ihres eigenen Sprachraums widmen12. 11

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An Einführungen vgl. zum Beispiel die Übersichtsdarstellung zur Geschichte der christlichen Heiligen und Reliquien von der Spätantike bis zur Gegenwart bei Arnold ANgeNeNDt, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, Hamburg 22007, hierin auch ein kurzes Kapitel zur Hagiographie, vgl. ebd., 138–148, den Überblick bei Thomas J. HeFFerNAN, Sacred Biography. Saints and Their Biographers in the Middle Ages, New York/Oxford 1988, das Standardwerk Walter BerscHiN, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, 4 Bde. (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 8, 1–4), Stuttgart 1986–2001, oder das Einführungswerk zur lateinischen Hagiographie Dieter voN Der NAHMer, Die lateinische Heiligenvita. Eine Einführung in die lateinische Hagiographie (Das lateinische Mittelalter. Einführungen in Gegenstand und Ergebnisse seiner Teilgebiete und Nachbarwissenschaften), Darmstadt 1994, das zwar über weite Strecken nur an ausgewählten Fallbeispielen orientiert ist, das Thema aber auf die Behandlung beispielsweise von Kult oder Kanonisation hin weitet. Hinführungen zu diesem Themenfeld bieten auch Aufsatzsammlungen wie Claudio leoNArDi, Agiografie medievali (Millennio medievale 89), Firenze 2011, oder Aufsätze wie Guy pHilippArt, L’hagiographie, histoire sainte des ‚amis de Dieu‘, in: Hagiographies. Histoire internationale de la littérature hagiographique latine et vernaculaire en Occident des origines à 1550, Bd. 4 (Corpus Christianorum), hg. v. DeMs. / Monique goullet, Turnhout 2006, 13–40, oder Martin HeiNzelMANN, L’hagiographie au service de l’histoire: l’évolution du ‚genreʻ et le rôle de l’hagiographie sérielle, in: Des saints et des rois. L’hagiographie au service de l’histoire (Colloques, congrès et conférences sur le Moyen Âge 16), hg. v. Françoise lAureNt, Paris 2014, 23–44, hier insbes. 23–26. Vgl. auch die bibliographische Übersicht über Einführungswerke zur Hagiographie bei loNgo, La Santità medieval (wie Anm. 1), 24–49, sowie den Überblick vor allem über zentrale englischsprachige Werke bei Thomas F. HeAD, Introduction, in: Medieval Hagiography: An Anthology (Garland Reference Library of the Humanities 1942), hg. v. DeMs., New York/London 2001, xiii–xxxviii, hier xxvi– xxxii, außerdem immer noch die beiden älteren Einführungen AigrAiN/goDDiNg, L’hagiographie (wie Anm. 1) (Neudruck einer Einführung aus dem Jahr 1953 mit ergänzter Bibliographie, vgl. ebd., 389–536), und Reginald grégoire, Manuale di Agiologia. Introduzione alla letteratura agiografica (Bibliotheca Montisfani 12), Fabriano 21996 (Neudruck einer Einführung von 1982), sowie die beiden Aufsatzsammlungen Agiografia altomedioevale, hg. v. Sofia BoescH gAJANo, Bologna 1976, und WilsoN, Saints (wie Anm. 8). Vgl. zum einen Hagiographies. Histoire internationale de la littérature hagiographique latine et vernaculaire en Occident des origines à 1550, 7 Bde. (Corpus Christianorum), hg. v. Guy pHilippArt / Monique goullet, Turnhout 1994–2017, zum anderen jüngere Forschungsüberblicke, so den Sammelband Gli studi agiografici sul Medioevo in Europa (Quaderni di ‚Hagiographica‘ 1), hg. v. Emore pAoli, Firenze 2000, zur Hagiographieforschung zwischen 1968 und 1998, in welchem ausschließlich Beiträge versammelt sind, in welchen die Forschung einzelner Nationen skizziert werden, so zum Beispiel für Frankreich bei DolBeAu, Les travaux français (wie Anm. 7), ja sogar nur einzelner ‚Schulen‘, vgl. priNz, 30 Jahre Hagiographie-Forschung (wie Anm. 6). Eine regionale Behandlung des Themenfelds findet sich zum Beispiel auch im ‚Lexikon des Mittelalters‘, vgl. Claudio leoNArDi / Louise gNäDiger / Konrad kuNze u. a., Hagiographie, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München/Zürich 1989, 1840–1862.

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Weder disziplinär noch interdisziplinär, weder für das Christentum noch über dieses hinaus, weder zeitlich noch räumlich lässt sich das Phänomen ‚Heiligkeiten‘ also in seiner Totalität darstellen, ja aus forschungspragmatischen Überlegungen musste man sich stets stark einschränken: auf Fallstudien, auf einen Heiligen oder eine Heilige, eine Kirche, eine Region, einen Zeitraum, eine Quellengattung13. Auch der vorliegende Sammelband muss sich beschränken und unternimmt dies in vierfacher Weise: So stehen (1) disziplinär die Literaturwissenschaften und die Geschichtswissenschaft, (2) in Hinblick auf die Quellen in erster Linie schriftliche Zeugnisse, (3) räumlich Nordwest-Europa und (4) zeitlich das Früh- und Hochmittelalter im Zentrum, mithin also Regionen und Zeiträume, die aufgrund der sehr viel breiteren Überlieferung in West- und Südeuropa bzw. im Spätmittelalter bislang weniger im Fokus der Heiligkeiten-Forschung waren14. III. DIE TRANSFORMATIONSPHASE DES 10. BIS 12. JAHRHUNDERTS Der vorliegende Sammelband entstand im Rahmen des DFG-Projekts ‚Heilige Heroen – Heroische Heilige. Interdependenzen, Verflechtungen und Transformationen von Leitbilddiskursen im skandinavischen Früh- und Hochmittelalter‘15. Das 13

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Vgl. hierzu zwei um das Jahr 2000 entstandene Übersichten über neuere Forschungsansätze der Hagiographieforschung, nämlich Moderne Mediävistik, hg. v. goetz (wie Anm. 3), 162–165, und Anne-Marie Helvétius, Les saints et l’histoire, L’apport de l’hagiologie à la médiévistique d’aujourd’hui, in: Die Aktualität des Mittelalters (Herausforderungen. Historisch-politische Analysen 10), hg. v. Hans-Werner goetz, Bochum 2000, 135–163, zudem die Übersicht über zentrale Forschungsgebiete bei DolBeAu, Les travaux français (wie Anm. 7), 45–58. Darstellungen der Forschungsgeschichte, die bis zu den Bollandisten, ja bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, finden sich zudem noch bei loNgo, La Santità medieval (wie Anm. 1), 50–72; Helvétius, Les saints et l’histoire (wie Anm. 13), 137–147, oder Klaus HerBers / Lenka Jiroušková / Bernhard vogel, Zur Einführung: Mittelalterliche Mirakelberichte, in: Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 43), hg. v. DeNs., Darmstadt 2005, 1–48, hier 10–14. Zur breiteren hagiographischen Überlieferung im Spätmittelalter vgl. zum Beispiel Michael gooDicH, Vita perfecta. The Ideal of Sainthood in the Thirteenth Century (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 25), Stuttgart 1982; Michael gooDicH, Lives and Miracles of the Saints. Studies in Medieval Latin Hagiography (Variorum Collected Studies Series 798), Aldershot/Burlington 2004, oder André vAucHez, Sainthood in the Later Middle Ages, Cambridge u. a. 2005. Zur Konzeption des vorliegenden Sammelbandes vgl. die Einleitung von Fiona Fritz im selben Band. Das Vorgängerprojekt innerhalb des Freiburger Sonderforschungsbereichs ‚Helden – Heroisierungen – Heroismen. Transformationen und Konjunkturen von der Antike bis zur Moderne‘ firmierte unter dem Titel ‚Hagiographik als Heroisierung. Transformationen und Synkretismen im französischen, englischen und deutschen Frühmittelalter‘; das hier vorgestellte DFG-Projekt ‚Heilige Heroen – Heroische Heilige. Interdependenzen, Verflechtungen und Transformationen von Leitbilddiskursen im skandinavischen Früh- und Hochmittelalter‘ ist in drei Arbeitsbereiche untergliedert: ‚Arbeitsbereich 1: Heldenartikulationen in der lateinischen Hagiographik des frühchristlichen Skandinavien‘, ‚Arbeitsbereich 2: Transmission, Distribution und

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Projekt untersucht Verschränkungen der Semantik und Darstellungsformen von Heiligen anhand hagiographischer Texte des Frühmittelalters am Beispiel Skandinaviens, Englands, Frankreichs und Norditaliens mit einem zeitlichen Schwerpunkt auf dem 10. bis 12. Jahrhundert. Dieser Zeitraum ist für Zentraleuropa als wichtige Umbruchszeit zu werten, denn die Christianisierung des Nordens und die monastische Reformbewegung in Mitteleuropa löste eine Steigerung von Kulten aus und brachte zugleich neuartige Formen der Heiligenverehrung hervor. Ab dem 11. Jahrhundert nahm eine neue laikale Frömmigkeitskultur ihren Anfang, zugleich erlaubte die zunehmende Mobilität zahlreichere und weiter reichende Pilgerfahrten, was sich in der Steigerung von Zahl und Dichte der Heiligen und ihrer Kulte niederschlug. Auf der anderen Seite ist durch die deutlich zunehmende Zahl der Heiligen eine Regionalisierung der Kulte zu beobachten. Weiterhin kommt mit dem 10. bis 12. Jahrhundert eine Phase in den Blick, in der die als gemeinsam verstandene Christenheit sich stärker von Heiden wie den Wikingern, Slawen oder Sarazenen abzugrenzen versuchte, was eine intensivierte Debatte über Heilige und ihre heiligen Qualitäten zur Folge hatte. Die Konflikte mit den Heiden ‚produzierten‘ zwar weitere neue christliche Blutzeugen, zugleich wuchs aber besonders die Zahl der Bekenner und Bekennerinnen sowie der Asketen und Asketinnen an, die nicht durch ein Martyrium zu Tode gekommen waren, weswegen neue Artikulationen des Heiligen etabliert wurden. Der Untersuchungszeitraum endet im späten 12. Jahrhundert, denn diese offene Situation wurde ab diesem Zeitpunkt durch das nun an der Kurie zentralisierte Kanonisationsverfahren immer stärker reguliert und normiert, was eine neue Kanonbildung heiliger Qualitäten zur Folge hatte. War die Kultkonkurrenz in den Jahrhunderten davor noch in erster Linie mit Hagiographik ausgefochten worden, so rückte nun immer mehr eine juristische Definition von Heiligkeit in den Mittelpunkt. Auch kam die Christianisierung des Nordens zu einem ersten Abschluss. Weiterhin wurden Vorstellungen von Heiligkeit im Lauf des 12. Jahrhunderts im Gefolge der Reformbewegung im Zeichen des Investiturstreits, einer sich neu formierenden Laienfrömmigkeit, der prägenden Kraft der Kreuzzüge mit den Ritterorden und einem neuen Ritterbild sowie schließlich der in Frankreich und England ihren Ausgang nehmenden höfischen Kultur, aber auch der entstehenden urbanen Kultur neu justiert. Im Kontext der Konkurrenz von Kulten und Hagiographik sowie der zunehmenden Professionalisierung hagiographischer Produktion entstanden vom 10. bis zum 12. Jahrhundert in Zentraleuropa zahlreiche neue Kombinationen und Verbindungen und folglich neue synkretistische Formen in großer Vielfalt – Heiligkeiten.

Verflechtungen von Modellen des Heroischen und des Heiligen im interkulturellen Transferraum der Nordsee (ca. 850–1300)‘ und ‚Arbeitsbereich 3: Hagiographik digital‘, vgl. hierzu https://www.histsem.uni-kiel.de/de/abteilungen/mittelalterliche-geschichte-und-historischehilfswissenschaften/forschungsprojekte/heilige-heroen-2013-heroische-heilige-dfg-projekt [abgerufen am 30. Oktober 2017].

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IV. HEILIGKEITEN Um sich dieser Vielfalt und Dynamik annähern zu können, soll im Folgenden konsequenterweise von ‚Heiligkeiten‘ die Rede sein: Die deutliche Zunahme der Zahl der Heiligen im Lauf des Mittelalters und die Etablierung zahlreicher neuer Heiligenkulte hatte eine verstärkte Kultkonkurrenz, ja in manchen Fällen ein Wettbewerb der Kulte mehrerer Heiliger an einem Ort oder in einer geistlichen Institution zur Folge. Dies führte zum einen zur Konkretion und Profilierung der Vorbildhaftigkeit und der Ausnahmestellung der oder des eigenen Heiligen, zum anderen zur Steigerung und Überbietung anderer Heiliger. Unterschiedliche Gemeinschaften brachten vielfältige, zum Teil konkurrierende Personifikationen, Typen und Formen von Heiligkeit hervor, neue und alternative Konzepte entstanden in Auseinandersetzung mit bestehenden Modellen, auch als bewusste Neuschöpfungen und als Gegenbilder. Die Mannigfaltigkeit an Heiligkeiten im Mittelalter besaß mehrere Gründe: Unterschiedliche Produzenten- und Rezipientengruppen passten die Heiligkeitsmodelle ihren aktuellen, oftmals situativen Absichten und Bedürfnissen an. Anhand ihrer narrativen und performativen Strategien bei der Nutzung des Modell ‚Heiliger oder Heilige‘ verfolgten diese Gemeinschaften Intentionen wie zum Beispiel ein Leitbild zu entwerfen oder die Anziehungskraft des Heiligenkults zu stärken; ihr Vorgehen diente in manchen Fällen auch dazu, zwischen unterschiedlichen Vorstellungswelten und Kulturen zu vermitteln oder sich bestimmter Rezipientengruppen und deren Interessen anzudienen. Diese Zuschreibungen und Entwürfe beschränkten sich oftmals nicht auf eine einzelne Zielrichtung, sondern waren vielfach multifunktional. Abgesehen von diesen adressatenorientierten Funktionalisierungen wurden die Heiligkeitsmodelle stets den Anforderungen der eigenen Zeit angepasst und hierbei die Hagiographik stets ‚modernisiert‘. Weiterhin begünstigte der dauernde räumliche Transfer dieser Modelle Umdeutungen, Neubestimmungen und damit Transformationen bisheriger Vorstellungen, denn im Mittelalter wurde Hagiographik in großem Umfang untereinander ausgetauscht und verglichen. Schließlich wurden die Vorstellungen von Heiligkeiten verändert bei der Übersetzung in eine andere Sprache, zunächst der Übersetzung von Latein in eine Volkssprache, außerdem bei der Umformung in eine andere Gattung, zum Beispiel von der Lebensbeschreibung in eine liturgische Fassung oder in einen Martyrologiumseintrag, sowie schließlich bei der Transposition in ein anderes Medium, so beispielsweise vom mündlichen Bericht über eine schriftliche Fassung zu einer visuellen Abbildung oder zu einer musikalischen Umsetzung. Dieser stetige Wandel, die unterschiedlichen Konjunkturen und die prinzipielle Offenheit bewirkten eine Pluralisierung von Modellen des Heiligen; sie erzeugte somit im Mittelalter eine synchrone Pluralität an Konzepten – an Heiligkeiten16.

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Zu den unterschiedlichen Formen, Typen und Eigenschaften von Heiligkeiten im europäischen Mittelalter vgl. die Einleitung von Fiona Fritz im selben Band.

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V. KONSTRUKTIONEN Im vorliegenden Sammelband soll ein thematischer Fokus gesetzt werden, indem sich die Beiträge mit Konstruktionen, Funktionen und Transfers beschäftigen. Diese drei Ebenen wurden von der Forschung durchaus schon in den Blick genommen, aber meist getrennt voneinander behandelt, zudem schwerpunktmäßig von unterschiedlichen Disziplinen. So waren es im Feld der ‚Konstruktionen‘ in erster Linie die Theologie und die Literaturwissenschaften, welche Darstellungsformen und -strategien, Motiviken und Semantiken, Narrationen und ästhetische Techniken, Poetiken und mediale Modellierungen analysierten. Dies geschah zum Beispiel in Hinblick auf Erzählsequenzen wie die Beschreibung des Äußeren oder der Attribute des oder der Heiligen, die Summe der zugeschriebenen Qualitäten und Eigenschaften, die Form der Figurenrede und des Handelns der Protagonisten, außerdem in Hinblick auf den Entwurf von Kontexten, Konstellationen und Situationen bzw. von Akteuren, Figuren und Gegenfiguren. Den Kern der Bemühungen bildete dabei vor allem die Analyse der Zuschreibungen von Qualitäten eines oder einer Heiligen, weiterhin die Erforschung von Heiligenbild und Heiligenideal. Oftmals wurde dies mit der Frage verbunden, welche Vorbilder, Tugendideale und Wertesysteme vermittelt werden sollten17. In diesem Rahmen wurden vielfach Mechanismen hagiographischer Produktion und der Entwurf von Heiligenbildern auch für das Frühmittelalter untersucht18. Insbesondere das Zusammenspiel der Konzepte des Heroischen und des Heiligen 17

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Zur frühmittelalterlicher Hagiographik als Ausdruck theologischer Konzeptionen und gelehrten Wissens vgl. Marie Anne MAyeski, New Voices in the Tradition: Medieval Hagiography Revisited, Theological Studies 63 (2002), 690–710, hier insbes. 691, vgl. auch die Studie zum ‚Vir Dei‘ Derek BAker, Vir Dei. Secular Sanctity in the Early Tenth Century, in: Popular Belief and Practice. Papers Read at the Ninth Summer Meeting and the Tenth Winter Meeting of the Ecclesiastical History Society (Studies in Church History 8), hg. v. DeMs. / Geoffrey J. cuMiNg, Cambridge/New York 1972, 41–53, und den Sammelband zum Diskurs über das Märtyrertum More than a Memory: The Discourse of Martyrdom and the Construction of Christian Identity in the History of Christianity (Annua nuntia Lovaniensia 51), hg. v. Johan leeMANs, Leuven/ Paris/Dudley 2005. An aktuellen literaturwissenschaftlichen Zugängen seien hier nur genannt das Kommunikationsmodell in Eva voN coNtzeN, Heiligkeit als narratives Konstrukt. Maria Magdalena in der Schottischen Legendensammlung des späten 14. Jahrhunderts, in: Convivium. Bochumer Nachwuchskolloquium für Mittelalterstudien 2009 (Schriften des Studentischen Arbeitskreises Mittelalter der Ruhr-Universität Bochum 3), hg. v. Christina clever / Torben geBHArDt, Nordhausen 2010, 9–22, hier insbes. 125–127, ein Sammelband zu ‚Hagiographie als Literatur‘, vgl. Sanctity as Literature in Late Medieval Britain (Manchester Medieval Literature and Culture), hg. v. Eva voN coNtzeN / Anke BerNAu, Manchester 2015, 1–17, sowie die Übersicht bei Andreas HAMMer, Erzählen vom Heiligen. Narrative Inszenierungsformen von Heiligkeit im Passional (Literatur – Theorie – Geschichte. Beiträge zu einer kulturwissenschaftlichen Mediävistik 10), Berlin/Boston 2015, insbes. die methodischen Ausführungen 1–24. Vgl. zum Beispiel HeFFerNAN, Sacred Biography (wie Anm. 11); Images of Sainthood in Medieval Europe, hg. v. Renate BluMeNFelD-kosiNski / Timea K. szell, Ithaca/London 1991; Zwischen Niederschrift und Wiederschrift. Hagiographie und Historiographie im Spannungsfeld von Kompendienüberlieferung und Editionstechnik (Denkschriften der österreichischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse 405 / Forschungen zur Ge-

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wurde für das Mittelalter eingehender von den volkssprachlichen Philologien erforscht. Dabei konzentrierte man sich zum einen auf die Missionszeit bis in das 9. Jahrhundert und beschäftigte sich, vor allem auf Grundlage althochdeutscher, altsächsischer und altenglischer Literatur, mit der Frage, inwiefern Kleriker heidnische Heldenvorstellungen in ihre Heiligenkonzeptionen integrierten, um die neu bekehrten Laien von der Überlegenheit der christlichen Religion zu überzeugen19. Zum anderen interessierte sich die philologische Forschung für die Figur des Helden und Heiligen im Hoch- und Spätmittelalter, unter anderem in Mythen und in der Heldenepik20. Hierbei wurden Held bzw. Heiliger als deutlich kontrastierte Idealbilder von getrennt zu denkenden Kulturen, einer ritterlich-agonalen ‚Adelskultur‘ und einer ‚Klerikerkultur‘ mit ihren geistlichen Lebensformen, gedeutet, nicht jedoch Überschneidungen in den Blick genommen21. Die ältere Forschung fragte außerdem verstärkt nach den Intentionen der Verfasser und ordnete die mittelalterliche Entwicklung in eine Gattungsgeschichte der Biographie ein22. In jüngeren Arbeiten wurden jedoch vermehrt Modifikationen im Prozess der réécriture von Heiligenviten oder das enge Netz an hagiographischen Repräsentationen in unterschiedlichen medialen Artikulationen und Modellierungen analysiert, um die Um-Schreibungen von Heiligkeiten beschreiben und erklären zu können. Die oftmals dichte Überlieferung erlaubt den Vergleich von Texten über unterschiedliche Heilige, insbesondere aber eine Gegenüberstellung von Ver-

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schichte des Mittelalters 18), hg. v. Richard corrADiNi / Max DieseNBerger / Meta NieDerkorNBruck, Wien 2010, und leoNArDi, Agiografie medievali (wie Anm. 11). Vgl. beispielsweise Michael D. cHerNiss, Ingeld and Christ. Heroic Concepts and Values in Old English Christian Poetry (Studies in English Literature 74), The Hague/Paris 1972; Bernard F. Huppé, The Concept of the Hero in the Middle Ages, in: Concepts of the Hero in the Middle Ages and the Renaissance, hg. v. Norman T. BurNs / Christopher J. reAgAN, Albany 1975, 1–26; Brian MurDocH, The Germanic Hero. Politics and Pragmatism in Early Medieval Poetry, London/Rio Grande/Ohio 1996, und Heinrich tieFeNBAcH / Hermann reicHert / Heinrich Beck, Held, Heldendichtung und Heldensage, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 14, Berlin/New York 1999, 260–282. Vgl. mit ganz unterschiedlichen Zugängen und Resultaten zum Beispiel Wolfgang HAuBricHs, ‚Labor sanctorumʻ und ‚labor heroumʻ. Zur konsolatorischen Funktion von Legende und Heldenlied, in: Die Funktion außer- und innerliterarischer Faktoren für die Entstehung deutscher Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 603), hg. v. Christa BAuFelD, Göppingen 1994, 27–49; Herrscher, Helden, Heilige (Mittelalter-Mythen 1), hg. v. Ulrich Müller / Werner WuNDerlicH, St. Gallen 1996; Bernd BAstert, Heros und Heiliger. Literarische Karlbilder im mittelalterlichen Frankreich und Deutschland, in: Karl der Große und das Erbe der Kulturen. Akten des 8. Symposiums des Mediävistenverbandes. Leipzig 15.–18. März 1999, hg. v. Franz-Reiner erkeNs, Berlin 2001, 197–220, und Bernd BAstert, Helden als Heilige. Chanson-de-geste-Rezeption im deutschsprachigen Raum (Bibliotheca Germanica. Handbücher, Texte und Monographien aus dem Gebiet der Germanischen Philologie 54), Tübingen/Basel 2010. Diese These wird formuliert in Andreas HAMMer / Stephanie seiDl, Einleitung in: Helden und Heilige. Kulturelle und literarische Integrationsfiguren des europäischen Mittelalters (Germanisch-Romanische Monatsschrift, Beiheft 42), hg. v. DeNs., Heidelberg 2010, IX–XX, hier IX–XI. Vgl. beispielsweise BerscHiN, Biographie und Epochenstil (wie Anm. 11), der eine Geschichte der lateinischen Biographie des Mittelalters verfasst hat.

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sionen und Redaktionen, von Bearbeitungen und Umarbeitungen von Viten einer oder eines Heiligen. So konnte an zahlreichen Beispielen die Genese von Um- und Neuformulierungen und damit von Um- und Neudeutungen präzise verfolgt werden, indem zum einen Prozesse von Transfer, Selektion und Modifikation in den Blick kamen und indem zum anderen narrative Aspekte der Rekontextualisierung und des Re-Writing nachgezeichnet wurden23. Aus all diesen Forschungen wurde deutlich, dass bis in das Hochmittelalter die hagiographischen Artikulationen die entscheidende Rolle bei der Austragung des Wettbewerbs um Heiligkeiten spielten. In ihnen wurde ausgehandelt, wer eine Heilige oder ein Heiliger war und welche Qualitäten Heilige besitzen. Damit kommt der wissenschaftlichen Analyse der Medialisierung, der poetologischen Techniken und Strategien sowie der narrativen, visuellen und performativen Konstruktionen auch zukünftig eine zentrale Rolle zu. VI. FUNKTIONEN Auf der Ebene der ‚Funktionen‘ war es vor allem die Geschichtswissenschaft, welche die religiösen, politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Nutzungsformen und Instrumentalisierungen sowie die Gebrauchssituationen von Hagiographik untersuchte. Anfangs stand die Problematik der Faktizität von hagiographischen Texten und des hierfür angemessenen methodischen Instrumentariums im Zentrum24. Inzwischen fragt die Geschichtswissenschaft verstärkt nach der causa scribendi, der 23

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Vgl. hierzu als Forschungsüberblick Helvétius, Les saints et l’histoire (wie Anm. 13), 147– 163, sowie die zentralen Studien und Sammelbände Martin HeiNzelMANN, Manuscrits hagiographiques et travail des hagiographes (Beihefte der Francia 24), Sigmaringen 1992; La réécriture hagiographique dans l’Occident médiéval. Transformations formelles et idéologiques (Beihefte der Francia 58), hg. v. Monique goullet / Martin HeiNzelMANN, Ostfildern 2003; Monique goullet, Écriture et réécriture hagiographiques. Essai sur les réécritures des Vies de saints dans l’Occident latin médiéval (VIIIe–XIIIe s.) (Hagiologia. Ètudes sur la Sainteté en Occident – Studies on Western Sainthood 4), Turnhout 2005; Miracles, vies et réécritures dans l’Occident médiéval. Actes de l’Atelier ‚La Réécriture des Miracles‘ (IHAP, juin 2004) et SHG X–XII. Dossiers des saints de Metz et Laon et de saint Saturnin de Toulouse (Beihefte der Francia 65), hg. v. Monique goullet / Martin HeiNzelMANN, Ostfildern 2006; Livrets, collections et textes. Études sur la tradition hagiographique latine (Beihefte der Francia 63), hg. v. Martin HeiNzelMANN, Ostfildern 2006, und Zwischen Niederschrift und Wiederschrift, hg. v. corrADiNi/DieseNBerger/NieDerkorN-Bruck (wie Anm. 18), außerdem die modellhafte Untersuchung eines gesamten hagiographischen Dossiers bei Lenka Jiroušková, Der heilige Wikingerkönig Olav Haraldson und sein hagiographisches Dossier. Text und Kontext der Passio Olavi (mit kritischer Edition), 2 Bde. (Mittellateinische Studien und Texte 46,1–2), Leiden/ Boston 2014. Ein für die deutsche Forschung grundlegender Aufsatz zum Aussagepotential mittelalterlicher Hagiographie für Fragen der Geschichtswissenschaft war Friedrich lotter, Methodisches zu Gewinnung historisches Erkenntnisse aus hagiographischen Quellen, Historische Zeitschrift 229 (1979), 298–356; vgl. außerdem die Übersicht über diese Diskussion innerhalb der Geschichtswissenschaft mit allen wichtigen Nachweisen in Moderne Mediävistik, hg. v. goetz (wie Anm. 3), 163–165, sowie das Kapitel ‚Die Vita als Geschichtsquelle‘ in voN Der NAHMer, Die lateinische Heiligenvita (wie Anm. 11), 106–123.

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sozialen Logik von Texten, zudem nach Einfluss, Wirkung und Rezeption der Kulte in unterschiedlichen Gesellschaften sowie nach Projektionen von Kultgemeinschaften und nach deren Aneignungsprozessen25. Fokussiert war die Geschichtswissenschaft insbesondere auf die Kultpropaganda für herausragende Leitfiguren und vor allem auf die sogenannten ‚politischen Heiligen‘, also auf Königsheilige, Adelsheilige, Bischofsheilige oder Stadtheilige26: Mit Blick auf das Frühmittelalter wurde in erster Linie die Verehrung von heiligen Königen und Königinnen auf ihre politisch-dynastische Instrumentalisierung hin untersucht27. Daneben entstan25

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Die intensive Beschäftigung mit der sozialen Funktion hagiographischer Texte wurde vor allem angestoßen durch die 1981 publizierte, wegweisende Monographie ‚The Cult of Saints‘ von Peter Brown zum Heiligenkult in der Spätantike, vgl. Peter R. L. BroWN, Die Heiligenverehrung. Ihre Entstehung und Funktion in der lateinischen Christenheit, Leipzig 1991, und die Aufsatzsammlung mit Studien zur sozialen Funktion von Heiligkeit in der Spätantike und im Frühmittelalter in einer Festschrift für Peter Brown, vgl. The Cult of Saints in Late Antiquity and the Middle Ages. Essays on the Contribution of Peter Brown, hg. v. James HoWArD-JoHNstoN / Paul Antony HAyWArD, Oxford u. a. 2002. Ebenfalls grundlegend für diesen Zugang war eine 1982 veröffentlichte, umfassende Auswertung von Heiligenviten der Zeit zwischen 1000 und 1700, vgl. Donald WeiNsteiN / Rudolph M. Bell, Saints & Society. The Two Worlds of Western Christendom, 1000–1700, Chicago u. a. 1986. Die deutschsprachige Forschung wurde besonders von Gerd Althoffs 1988 zur Diskussion gestelltem Konzept der Causa scribendi beeinflusst, vgl. Gerd AltHoFF, Causa scribendi und Darstellungsabsicht. Die Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde und andere Beispiele, in: Litterae medii aevi. Festschrift für Johanne Autenrieth zu ihrem 65. Geburtstag, hg. v. Michael Borgolte / Herrad spilliNg, Sigmaringen 1988, 117–133. Wichtig war außerdem ein im Jahr 2000 erschienener Sammelband des ‚Arbeitskreises für hagiographische Fragen‘ unter dem Titel ‚Hagiographie im Kontext‘, in welchem nicht nur der historische Kontext von hagiographischen Texten und damit in erster Linie die politische Instrumentalisierung untersucht wurde, sondern desgleichen der Kontext einer Heiligenvita in ihrem Überlieferungszusammenhang, vgl. Hagiographie im Kontext. Wirkungsweisen und Möglichkeiten historischer Auswertung (Beiträge zur Hagiographie 1), hg. v. Dieter R. BAuer / Klaus HerBers, Stuttgart 2000. Zu dieser Forschungsperspektive vgl. auch die Forschungsübersicht bei Patrick J. geAry, Saints, Scholars, and Society. The Elusive Goal, in: Saints. Studies in Hagiography (Medieval and Renaissance Texts and Studies 141), hg. v. Sandro sticcA, Binghamton, NY 1996, 1–22, sowie den Sammelband mit in erster Linie osteuropäischen Fallbeispielen Fonctions sociales et politiques du culte des saints dans les sociétés de rite grec et latin au Moyen Âge et à l’époque moderne. Approche comparative (Opera ad historiam monasticam spectantia 1,3), hg. v. Marek DerWicH / Michail DMitriev, Wroclaw 1999. Zum Begriff ‚Kultpropaganda‘ und zur Rolle von Auftraggebern und ‚Mäzenen‘ für hagiographische Texte vgl. Friedrich priNz, Hagiographie als Kultpropaganda. Die Rolle der Auftraggeber und Autoren hagiographischer Texte des Frühmittelalters, Zeitschrift für Kirchengeschichte 103 (1992), 174–194. Bahnbrechend für die Beschäftigung mit mittelalterlichen Königsheiligen war die Monographie František grAus, Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger. Studien zur Hagiographie der Merowingerzeit, Prag 1965. Weitere wichtige Publikationen waren Erich HoFFMANN, Die heiligen Könige bei den Angelsachsen und den skandinavischen Völkern. Königsheiliger und Königshaus (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins 69), Neumünster 1975; Robert Folz, Les saints rois du moyen âge en occident (VIe–XIIIe siècles) (Subsidia hagiographica 68), Bruxelles 1984; Patrick corBet, Les saints ottoniens. Sainteté dynastique, sainteté royale et sainteté féminine autour de l’an Mil (Beihefte der Francia 15), Sigmaringen 1986; Robert Folz, Les saintes reines du moyen âge en occident (VIe–

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den neben Studien zu Soldatenheiligen in erster Linie Arbeiten zu Adelsheiligen28. Hierbei stand der Aspekt der dynastischen Legitimation im Vordergrund der Deutungen, wohingegen Bischofs- und Stadtheilige meist als Integrationsfiguren für größere Gemeinschaften gedeutet wurden29. In den geschichtswissenschaftlichen

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XIIIe siècles) (Subsidia hagiographica 76), Bruxelles 1992; Gábor klANiczAy, Holy Rulers and Blessed Princesses. Dynastic Cults in Medieval Central Europe, Cambridge 2002, und Les cultes des saints souverains et des saints guerriers et l’idéologie du pouvoir en Europe Centrale et Orientale, hg. v. Ivan BiliArsky / Radu G. pAuN / Irina vAiNovski-MiHAi, Bukarest 2007. Auch in den letzten Jahren fand dieses Themenfeld großes Interesse, wovon beispielsweise auch die beiden Sammelbände Des saints et des rois. L’hagiographie au service de l’histoire (Colloques, congrès et conférences sur le Moyen Âge 16), hg. v. Françoise lAureNt, Paris 2014, 9–22, und Of Chronicles and Kings. National Saints and the Emergence of Nation States in the High Middle Ages (Danish Humanist Texts and Studies 52), hg. v. John D. BergsAgel / David Hiley / Thomas riis, Copenhagen 2015, zeugen. Für den skandinavischen Raum sind zu diesem Heiligentypus jüngst zwei Monographien veröffentlicht worden, nämlich zu Olaf II. von Norwegen und dessen politischer Funktionalisierung, vgl. Jiroušková, Der heilige Wikingerkönig (wie Anm. 23), sowie zur Verehrungsgeschichte Eriks IX. von Schweden vom 12. bis ins 16. Jahrhundert, vgl. Christian oertel, The Cult of St Erik. Veneration of a Royal Saint, Twelfth – Sixteenth Centuries (Acta Scandinavica 5), Turnhout 2016, vgl. auch zukünftig die Untersuchung zum dänischen König Knut IV. in Fiona Fritz, The Multifunctionality of a Medieval Hagiography. A Historical Case Study of the ‚Gesta et Passio‘ and the Making of the Danish Royal Saint Knut (c. 1100). Die aktuellste Übersicht über die Forschung zu Königsheiligen findet sich bei oertel, The Cult of St Erik (wie Anm. 27), 1–13. Vgl. hierzu BAker, Vir Dei (wie Anm. 17); John E. DAMoN, Soldier Saints and Holy Warriors. Warfare and Sanctity in the Literature of Early England, Aldershot 2003; Les cultes des saints souverains, hg. v. BiliArsky/pAuN/vAiNovski-MiHAi (wie Anm. 27); Adrian S. HocH, St Martin of Tours. His Transformation into a Chivalric Hero and Franciscan Ideal, Zeitschrift für Kunstgeschichte 50 (1987), 471–482; Samantha J. E. ricHes, St George. Hero, Martyr and Myth, Stroud 2000, und Helden und Heilige. Kulturelle und literarische Integrationsfiguren des europäischen Mittelalters (Germanisch-Romanische Monatsschrift, Beiheft 42), hg. v. Andreas HAMMer / Stephanie seiDl, Heidelberg 2010, IX–XX. Karl Bosls Konzept eines ‚Adelsheiligen‘, vgl. Karl Bosl, Der ‚Adelsheilige‘. Idealtypus und Wirklichkeit, Gesellschaft und Kultur im merowingischen Bayern des 7. und 8. Jahrhunderts. Gesellschaftsgeschichtliche Beiträge zu den Viten der bayerischen Stammesheiligen Emmeram, Rupert und Korbinian, in: Speculum historiale. Geschichte im Spiegel von Geschichtsschreibung und Geschichtsdeutung, hg. v. Clemens BAuer / Laetitia BoeHM / Max Müller, Freiburg im Breisgau/München 1965, 167– 187, wurde jedoch in der Forschung kritisch diskutiert, so insbesondere von František grAus, Sozialgeschichtliche Aspekte der Hagiographie der Merowinger- und Karolingerzeit. Die Viten der Heiligen des südalemannischen Raumes und die sogenannten Adelsheiligen, in: Mönchtum, Episkopat und Adel zur Gründungszeit des Klosters Reichenau (Vorträge und Forschungen 20), hg. v. Arno Borst, Sigmaringen 1974, 131–176. Zu Bischofsheiligen vgl. Stephanie coué, Hagiographie im Kontext. Schreibanlass und Funktion von Bischofsviten aus dem 11. und vom Anfang des 12. Jahrhunderts (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung. Schriftenreihe des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster 24), Berlin/New York 1997, und Stephanie HAArläNDer, Vitae episcoporum. Eine Quellengattung zwischen Hagiographie und Historiogaphie, untersucht an Lebensbeschreibungen von Bischöfen des Regnum Teutonicum im Zeitalter der Ottonen und Salier (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 47), Stuttgart 2000, zur Verehrung von Heiligen in der frühmittelalterlichen Stadt vgl. zuletzt die Übersicht bei Frank G. HirscHMANN, Die Anfänge des Städtewesens in Mitteleuropa. Die Bischofssitze des Reiches bis ins 12. Jahrhundert, 3 Bde. (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 59, 1–3), Stuttgart 2011–2012, 1102–1138.

Heiligkeiten im europäischen Früh- und Hochmittelalter

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Studien wurde somit meist das Zusammenspiel von Politik und Heiligenverehrung in den Mittelpunkt gerückt30. Angeregt von den ‚Annales‘ und der Alltagsgeschichte analysierte die Forschung zudem die Kultausübung und Verehrung vor Ort, wobei anfangs zum Teil unkritisch hagiographische Texte als Belege für die Verehrung eines oder einer bestimmten Heiligen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort herangezogen wurden31. Ein neueres Interesse gilt den performativen Strategien, die in Ritualen gerinnen konnten, und den transmedialen Verknüpfungen: Über die Verbindung medialer Artikulationsformen wie die hagiographischen Texte, die künstlerische Ausstattung bei der Präsentation von Reliquien, die Architektur des Graborts oder die liturgische und musikalische Inszenierung vor allem des Festtags und insbesondere der Translation bekam die Forschung Einblick in Genese und Entwicklung mittelalterlicher Kulte32. Gegenstand waren ferner die seit dem Beginn der Moderne gesellschaftlich ebenso wie wissenschaftlich umstrittenen Themen wie die Kirchenreform, die päpstliche Kanonisation, die Märtyrer oder der Wunderglaube33. Lange dominierte in der Geschichtswissenschaft die Frömmigkeits- und 30

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Vgl. hierzu die beiden richtungweisenden Sammelbände Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter (Vorträge und Forschungen 42), hg. v. Jürgen petersoHN, Sigmaringen 1994, und Patriotische Heilige. Beiträge zur Konstruktion religiöser und politischer Identitäten in der Vormoderne (Beiträge zur Hagiographie 5), hg. v. Dieter R. BAuer / Klaus HerBers / Gabriele sigNori, Stuttgart 2007, sowie den Forschungsüberblick zur politischen Dimension der mittelalterlichen Heiligenverehrung Jan-Marco sAWillA, Heiligenverehrung und Politik im Spiegel aktueller Forschungsinteressen, in: Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, hg. v. Hans-Werner goetz, Darmstadt 1999, 218–224. Das nach dem Zweiten Weltkrieg neu erwachende Interesse in der Geschichtswissenschaft an der mittelalterlichen Hagiographie als Quelle für religiöse Vorstellungen, Mentalitäten und Lebenswelten wurde maßgeblich durch die Forschungen der ‚Annales-Schule‘ ausgelöst, vgl. die Übersicht bei HerBers/Jiroušková/vogel, Zur Einführung (wie Anm. 13), 11–12. Der Artikel im ‚Lexikon des Mittelalters‘ zu Heiligen demonstriert eindrücklich den in den 1970er und 1980er Jahren dominierenden Fokus der Forschung auf der Verehrungsgeschichte mittelalterlicher Heiliger in der Liturgie und in Formen der Volksfrömmigkeit, vgl. André vAucHez / Christoph DAxelMüller / Géza JászAi u. a., Heilige, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München/Zürich 1989, 2014–2020. Vgl. hierzu die Übersicht bei ANgeNeNDt, Heilige und Reliquien (wie Anm. 11). Zur Heiligenverehrung in der Kunst vgl. Barbara ABou-el-HAJ, The Medieval Cult of Saints. Formations and Transformation, Cambridge u. a. 1994, zu illustrierten Heiligenviten des Hochmittelalters, sowie zudem den Sammelband Hagiographie und Kunst. Der Heiligenkult in Schrift, Bild und Architektur, hg. v. Gottfried kerscHer, Berlin 1993, unter anderem zu Architektur und Bilderzyklen. An jüngeren breiten Studien zur päpstlichen Kanonisation vgl. Thomas WetzsteiN, Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen Spätmittelalter (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 28), Köln/Weimar/Wien 2004, und Otfried krAFFt, Papsturkunde und Heiligsprechung. Die päpstlichen Kanonisationen vom Mittelalter bis zur Reformation. Ein Handbuch (Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, Beiheft 9), Köln/Weimar/Wien 2005, zu Wundern vgl. beispielsweise den Sammelband zu Heiligen, Wundern und Dämonenglauben Santi e demoni nell’Alto Medioevo Occidentale (secoli V–XI) (Settimane di studio del Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo 36), hg. v. Ovidio cApitANi, Spoleto 1989, die Textsammlung Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters.

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Mentalitätsgeschichte, zuletzt widmete man sich wieder verstärkt und unter neuen Vorzeichen der Christianisierungs- und Institutionengeschichte34. Daneben beleuchtete die jüngere Forschung – allgemeinen Trends der Geisteswissenschaften folgend – das Verhältnis von Heiligkeit und Geschlechtszuschreibung oder Zusammenhänge von Heiligkeit und Gewalt35. Als Perspektive kann formuliert werden, dass zum einen ältere Deutungen, in welchen oftmals die herrschaftliche Instrumentalisierung speziell von Königsheiligen in den Blick genommen wurde, und dass zum anderen die gegenwärtig dominierenden Interpretationen, nach welchen hagiographische Texte in erster Linie der Kultpropaganda dienten oder gar auf ihre liturgische bzw. kultische Funktion zu reduzieren seien, zu modifizieren sind. Vielmehr sollte zukünftig gezeigt werden, wie beispielsweise im Kontext von Reformen und Christianisierung die Hagiographik der diskursiven Formierung von Gemeinschaften, insbesondere ihrer Stabilisierung und Selbstvergewisserung diente, indem Normen und Leitbilder in Heiligenfiguren gleichsam personalisiert wurden.

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Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 43), hg. v. Klaus HerBers / Lenka Jiroušková / Bernhard vogel, Darmstadt 2005, oder die Einführung Gabriela sigNori, Wunder. Eine historische Einführung (Historische Einführungen 2), Frankfurt/New York 2007. Für den skandinavischen Raum ist an neueren Sammelbänden zu nennen Sanctity in the North. Saints, Lives, and Cults in Medieval Scandinavia (Toronto Old Norse and Icelandic Series 3), hg. v. Thomas A. DuBois, Toronto/Buffalo/London 2008, und Saints and Their Lives on the Periphery. Veneration of Saints in Scandinavia and Eastern Europe (c. 1000–1200) (Cursor mundi 9), hg. v. Haki T. ANtoNssoN / Ildar H. gAripzANov, Turnhout/Abingdon 2010, sowie die jüngst publizierte Monographie zur Ausbreitung von Heiligenkulten im Rahmen der Christianisierung Südschwedens vom 11. bis zum 13. Jahrhundert Sara E. ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery. A Study of the Emergence of Cults of Native Saints in the Ecclesiastical Provinces of Lund and Uppsala from the Eleventh to the Thirteenth Centuries, Göteborg 2014, https://gupea.ub.gu.se/handle/2077/37695 [abgerufen am 17. Oktober 2017]. Zum Verhältnis von Heiligkeit und Geschlechtszuschreibung vgl. unter anderem WeiNsteiN/ Bell, Saints & Society (wie Anm. 25), 220–238; Jane tiBBetts scHuleNBurg, Saints’ Lives as a Source for the History of Women, 500–1100, in: Medieval Women and the Sources of Medieval History, hg. v. Joel Thomas roseNtHAl, Athens/London 1990, 285–320; Birgit stuDt, Helden und Heilige. Männlichkeitsentwürfe im frühen und hohen Mittelalter, Historische Zeitschrift 276 (2003), 1–36, und Holiness and Masculinity in the Middle Ages (Religion and Culture in the Middle Ages), hg. v. Patricia H. culluM / Katherine J. leWis, Cardiff 2005; außerdem die Übersicht bei Eva voN coNtzeN, Introduction. Sanctity as Literature, in: Sanctity as Literature in Late Medieval Britain (Manchester Medieval Literature and Culture), hg. v. Ders. / Anke BerNAu, Manchester 2015, 1–17, hier 16. Zum Themenfeld Heiligkeit und Gewalt vgl. beispielsweise Daniel köNig, Christliche ‚Helden‘ und Gewalt, in: Mittelalter im Labor. Die Mediävistik testet Wege zu einer transkulturellen Europawissenschaft (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 10), hg. v. Michael Borgolte / Juliane scHiel / Bernd scHNeiDMüller u. a., Berlin 2008, 483–492, aber auch weitere Studien insbesondere zu Königs-, Soldaten- und Adelsheiligen, vgl. hierzu Anm. 27 und Anm. 28.

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VII. TRANSFER Den dritten Bereich, die ‚Transfers‘, erforschte im Besonderen die Handschriftenkunde und die Kunstgeschichte. Diese Fächer nahmen die Motive und Bedingungen für Austauschprozesse in den Blick, sie untersuchten die Trägergruppen und fragten nach Transferwegen36. Im Zentrum stand dabei die Rekonstruktion der Verbreitung von Kulten, die anhand der Wanderung von Texten, Handschriften, Patrozinien, Bildmotiven, Bauformen, Kunstgegenständen, Reliquien oder Pilgerabzeichen nachgezeichnet wurde37. Hierbei stand die Erforschung der Kultausbreitung meist einzelner Heiliger im Vordergrund. Umstritten ist dabei stets, inwieweit man bei Nennungen von Heiligen beispielweise in Litaneien oder Kalendern, selbst beim Erwerb von Reliquien oder der Abfassung einer Vita immer auf tatsächlich praktizierte Kulte schließen kann. Weiterhin ist zu fragen, ob diese Transfers von Heiligkeiten wirklich stabile und dauerhafte Beziehungen zwischen den Austauschpartnern stifteten. Weiterhin hat die Forschung erst ansatzweise ein besonderes Augenmerk auf die Prozesse von Selektion und Modifikation sowie auf Umformungen und Rekontextualisierungen geworfen38. Bislang fehlt ein Überblick über Umbruchszeiten und Konjunkturen von Heiligkeitsvorstellungen über einen regional eng begrenzten Raum hinaus. Zukünftig müssten zudem noch stärker die Transfers der Konzepte und die produktive Aneignung der weitergegebenen Modelle in neuen Kontexten insbesondere in der Transformationsphase des 10. bis 12. Jahrhunderts in Zentraleuropa untersucht werden, denn erst durch die Analyse der Austauschprozesse lässt sich die Genese der Konzepte angemessen erklären. VIII. FAZIT Der knappe Forschungsüberblick hat gezeigt, dass die drei hier im Fokus stehenden Felder bislang in unterschiedlicher Intensität erforscht worden sind: So wurden die Konstruktionen schon in einer längeren Tradition und anhand zahlreicher Beispiele 36

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Zum Bereich ‚Transfers‘ seien im Folgenden nur einige knappe Ausführungen formuliert, weiterführende Hinweise finden sich bei Andreas BiHrer, Begegnungen zwischen dem ostfränkisch-deutschen Reich und England (850–1100). Kontakte – Konstellationen – Funktionalisierungen – Wirkungen (Mittelalter-Forschungen 39), Ostfildern 2012, insbes. in der Übersicht über Ansätze der Transfergeschichte 26–38. Einen Forschungsbericht zur Ausbreitung von Heiligenkulten in Skandinavien bietet ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (wie Anm. 34), 18–25, vgl. auch Sanctity in the North, hg. v. DuBois (wie Anm. 34), und Saints and Their Lives on the Periphery, hg. von ANtoNssoN/gAripzANov (wie Anm. 34); zu Reliquientranslationen am Beispiel Sachsens im 9. Jahrhundert vgl. umfassend Hedwig röckeleiN, Reliquientranslationen nach Sachsen im 9. Jahrhundert. Über Kommunikation, Mobilität und Öffentlichkeit im Frühmittelalter (Beihefte der Francia 48), Stuttgart 2002. Zu Transfers zwischen England und dem ostfränkisch-deutschen Reich zwischen 850 und 1100 in Hinblick auf die Heiligenverehrung vgl. BiHrer, Begegnungen (wie Anm. 36), 436–455, vor allem das Beispiel der Verbreitung des Oswald-Kults, vgl. ebd., 440–443.

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aufgearbeitet, auch durch eine präzise Analyse der handschriftlichen Überlieferung. Zwar liegen zum Feld der Funktionen ebenfalls schon zahlreiche Forschungsarbeiten vor, doch waren diese durch eine Konzentration auf die herrschaftliche Instrumentalisierung einerseits und die Kultgeschichte andererseits auf ein enges Feld an Funktionalisierungen begrenzt; Forschungen zur Multifunktionalität von Hagiographik sind bislang noch selten. Demgegenüber wurde der Bereich der Transfers noch deutlich weniger erforscht, hierbei lag die Konzentration auf der Ausbreitung einzelner Heiligenkulte. Lohnend sind somit Forschungen, die alle drei Ebenen miteinander in Verbindung bringen. Hierbei mag das Konzept der Heiligkeiten hilfreich sein, da es die Perspektive auf die Vielgestaltigkeit und Dynamik richtet. Eine solche Verknüpfung durch die internationale wie interdisziplinäre Forschung wird dann auch neue Heiligkeiten herausarbeiten, neue Fragestellungen generieren – und neue Ebenen definieren.

I KONSTRUKTIONEN

MONK AND BISHOP, MISSIONARY AND MARTYR: DIFFERENT APPROACHES TO THE SANCTITY OF ST ANSGAR Paul Gazzoli Abstract This paper examines the different strands of Ansgar’s sanctity in the Vita and how they are emphasised or neglected by different manuscripts at different times, thus allowing us to map how his sanctity was conceived in different areas of Europe (mainly northern Germany and Scandinavia) from the ninth through the sixteenth centuries. Beyond the A and B versions known to previous scholarship, work with hitherto unknown or neglected manuscripts reveals that a further revision of the text was carried out in the later middle ages at Hamburg-Bremen and systematically distributed. The individual manuscripts representing this revision can be very selective in what sections of the text they choose to copy and which they choose to leave out, choices which represent the radically diverging interests of different copyists in different times and places.

St Ansgar (d. 865) is remembered today mainly for his missionary work among the Danes, Swedes and Nordalbingians, and those who read his life today do so overwhelmingly due to its value as a historical source for the ninth-century North. But even in the modern era, the interest in him is far from strictly historical: for the Catholic communities that have grown in the last two centuries in largely-protestant northern Germany and Scandinavia, he is a popular choice of church-patron, his name gracing, amongst others, the Catholic Cathedral of Copenhagen. Protestants too have been interested in his sanctity and in 1997 a group of authors from across the religious divide produced an edition and translation of a recension of the ‘Series Romana’ of prayers on the psalms that had circulated in late-medieval northern Germany as the ‘Pigmenta’ (‘Spices’) of St Ansgar, with supplementary material focusing on Ansgar’s legacy in a spiritual, rather than strictly historical, way1. 1

See Friedrich Delius / Gaudentius sAuerMANN / Arnd HeliNg et al., Die ‘Pigmenta’ des Heiligen Ansgar. Gebete der frühen Kirche im heidnischen Norden, Hamburg 1997. Although Rimbert (riMBert, ‘Vita Anskarii auctore Rimberto. Accedit Vita Rimberti’, ch. 35, ed. Georg WAitz (MGH SSRG 55), Hannover 1884, 68) says that Ansgar had composed some private prayers which he would say after every psalm as a way of adding ‘spice’ to it (hence the name ‘Pigmenta’), which he was only persuaded to reveal to others on the condition that they remain secret until after his death, see Stüben’s contribution to the volume above, Die Pigmenta des Heiligen Ansgar und ihre Überlieferung, 149–165, esp. 159–161 for an explanation of why this collection cannot be the prayers Rimbert talks about: aside from the fact that they represent nothing more than a variant of the ‘Series Romana’ (only about ten out of 150 of the prayers as printed by Stüben show any noteworthy differences from those in Brou’s edition of the ‘Series Romana’; the manuscripts and one printing of the ‘Pigmenta’ also differ against one another in places, so even these few more unique prayers do not appear in every version of the ‘Pigmenta’, which thus shows different strands of the ‘Series Romana’s’ textual history), they also show the

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Paul Gazzoli

The fact that these prayers had come to be attributed to Ansgar at some point before the fourteenth century in northern Germany2 also attests to the continued interest his sanctity attracted throughout the Middle Ages, particularly north of the Elbe. This interest had different angles to it – which, broadly speaking, fall into two categories, the devotional and the historical, although it is impossible to completely separate the two – which are revealed not only in the manuscripts of the ‘Pigmenta’, but also the manuscripts of Rimbert’s ‘Vita Anskarii’3. These devotional and historical interests reveal in turn different aspects to the construction of Ansgar’s sanctity: his life as a monk, ascetic and visionary, as a missionary and as a bishop. The construction (or, perhaps more accurately, de-construction or even re-construction, as I will look at how some manuscripts choose to disregard some aspects of his sanctity and put emphasis on others) of these different aspects in the various manuscripts will be my focus in this paper. Merely working from a modern edition, even when giving due attention to the apparatus criticus, often cannot communicate the different characters of manuscripts. It is one of the privileges of an editor producing a new edition (a work I have been engaged in since 2012)4 that they get to work with all of the manuscripts and come to appreciate the background and personality of each one. This is not a strictly subjective, romantic exercise, however, as there is much historical value

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use of cursus (prose rhythm) and often flowery language (Louis Brou, The Psalter Collects: from V–VIth-century sources, edited with an introduction, apparatus criticus and indexes from the papers of the late Dom André Wilmart (Henry Bradshaw Society 83), London 1949, Wilmart’s remark at 43), and Rimbert places stress on the fact that Ansgar’s ‘Pigmenta’ were simple compositions. Stüben suggests that Ansgar may have had a hand in the production of this particular variant on the ‘Series Romana’, but it must be stressed that there is no proof for this, and that the attribution to Ansgar could have easily arisen at some point in the following centuries. Rimbert’s description of Ansgar’s practice is in line with the usage of the Psalter Collects: although they had their origins in the late fourth century as readings for communal prayer, by three centuries later they were used for private prayer (Ibidem, 19). The fact that Rimbert says that the ‘Pigmenta’ were Ansgar’s own compositions means that these ‘Series Romana’ variants cannot be the ‘Pigmenta’; and as they were not his own compositions but a widely circulated text, there would have been no reason for Ansgar to keep these texts a secret as he did the ‘Pigmenta’. The work survives in two manuscripts, both in the National Library, Prague. The oldest (which can be traced to the library of the Augustinian house of Segeberg in Holstein, although whether it was produced there cannot be certain) dates from the fourteenth century (XIV.H.7), and thus the attribution must pre-date this; while the younger one (I. F.44) is fifteenth-century, as is the only other source for the text, a rare printing from Lübeck of 1478. The older manuscript and the printing are discussed by stüBeN, Die Pigmenta des Heiligen Ansgar und ihre Überlieferung (cf. n. 1), 150–155. Although I here use the common modern spelling of the name Ansgar (which reflects the name’s etymological meaning, ‘God-spear’, cognate with Old Icelandic Ásgeirr), I prefer the oldest spelling of the name (used in the earliest manuscript, written in the ninth century – see below) in the title of the Latin work. The most common spelling throughout the Middle Ages was Anscharius. Thanks to the generous support of the British Academy who awarded me a post-doctoral fellowship for the project, and to the Department of Anglo-Saxon, Norse and Celtic at Cambridge for hosting it.

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in understanding a manuscript, even one that is, strictly speaking, of little value in reconstructing the original text of a work. I will endeavour to show this in the case of the ‘Vita Anskarii’. I. OVERVIEW OF ANSGAR’S LIFE As Ansgar’s career is itself not the chief object of concern, it will serve well enough here to sketch it briefly. Ansgar began his religious life at the monastery of Corbie in what is now northern France, and does not seem to have been of any noble origin (at least, none is mentioned in his ‘Vita’, and vitae normally do mention it if their subject is of noble birth); he was presumably either native to the region around Corbie or else, given his later association with Saxony, he or his parents may have been among the Saxons moved by Charlemagne to Francia in 799 or 8045. From Corbie he was later moved to its Saxon daughter house Corvey, where he worked as a teacher. In 826 he was called on by Abbot Wala of Corbie and the Frankish Emperor Louis the Pious to accompany the recently converted Danish ruler Harald Klak back to Denmark, an assignment which he accepted, although due to Harald’s subsequent expulsion from the country after his return (or, alternatively, his inability to return to Denmark at all), Ansgar spent little or no time in Denmark at this juncture6. A couple of years later, Louis dispatched him on a mission to Birka in Sweden. On his return, according to the Vita’s narrative, he was made archbishop of the new see of Hamburg in 831, and given responsibility for the mission to the peoples north of the Elbe: the Slavs (of Holstein), the Danes and the Swedes7. Following the destruction of Hamburg in 845, he was made bishop of 5

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See Thomas klApHeck, Der heilige Ansgar und die Karolingische Nordmission, Hannover 2008, 39–40. Saxons are indeed said to have been present at Corbie during this period in the ‘Translatio Viti’, ch. 3, in: Translatio Sancti Viti martyris / Übertragung des heiligen Märtyrers Vitus (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XLI, Fontes minores 1), ed. Irene scHMAle-ott, Münster, 1979, 36. According to the ‘Annales regni Francorum’ 826–7, in: ‘Annales regni Francorum inde ab anno 741 usque ad 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi’ (MGH SSRG 6), ed. Friedrich kurze, Hannover 1895, 169–170; 173. Harald was expelled shortly after his return, while the ‘Vita’, ch. 7, ed. Georg WAitz (MGH SSRG 55), Hannover 1884, 29 says he was unable to return and consequently Ansgar’s missionary efforts took place in Nordalbingia. An ingenious alternative interpretation of Ansgar’s career and the early history of the Archdiocese of Hamburg-Bremen has been presented by Eric kNiBBs, Ansgar, Rimbert and the Forged Foundations of Hamburg-Bremen (Church, Faith and Culture in the Medieval West), Farnham, 2011. Knibbs argues that the narrative presented by the ‘Vita’ is heavily falsified and built on documents fabricated by Ansgar and Rimbert, and consequently that Ansgar was only made a papal legate, not a bishop and certainly not an archbishop in 831: he became a missionary bishop to the Danes in 834, and was only recognised as an archbishop in 864. Although Knibbs’ argument is built on solid work with the diplomatic evidence, some historians have had critical responses: for objections, see Henrik JANssoN, Ansgar und die frühe Geschichte des Erzbistums Hamburg, in: Mythos Hammaburg: Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs (Veröffentlichungen des Helms-Museums, Archäologisches Museum Hamburg, Stadtmuseum Harburg 107), eds. Rainer-Maria Weiss / Anne klAMMt, Hamburg 2014, 262–279; Hans-Wer-

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Paul Gazzoli

Bremen in 848, and the two sees were ultimately united, not without some controversy as Bremen had previously been a suffragan of Cologne. Ansgar continued his missions to Denmark and Sweden, according to Rimbert becoming a close friend of the Danish King Horic I (d. 854) and visiting Sweden as a missionary once more, probably in 852. Nowhere did Ansgar’s missionary efforts result in a full-scale conversion, but he was able to establish churches in some of the main trading-ports of Scandinavia, namely Hedeby, Ribe and Birka, probably largely – though not exclusively – for the benefit of foreign traders and local Christian slaves8. In the later years of his life, he was concerned with copying documents relating to his mission and circulating them to the bishops in the realm of Louis the German9. This was either due to Ansgar’s anxiety over the decline in royal interest in the northern mission, which threatened to leave it with no means of survival, or (if we follow Knibbs) an attempt to spread the fictions he had created surrounding the mission and Hamburg-Bremen. In either case, these concerns were shared by Rimbert, Ansgar’s disciple, successor and biographer10, and help to form his portrait of his master. Here, however, I would like to explore not so much how Ansgar and Rimbert’s own political concerns shaped the work, but how later copyists’ concerns, be they political, historical or devotional, shaped the transmission of the ‘Vita’ in its various manuscripts.

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ner goetz, The Archbishopric of Hamburg-Bremen and its claim on Scandinavia from the ninth through the eleventh century, in: Mission, Empire and the North: The Archdiocese of Hamburg-Bremen and Scandinavia, c. 830 – c. 1200, eds. Paul gAzzoli / Erik NiBlAeus, forthcoming. As my concern here is not so much with the details of Ansgar’s life and career as with the later understanding of his sanctity as formed by Rimbert’s work, I will here keep to events as they are portrayed in the ‘Vita’. Although Morten søvsø, Excavations and metal-detecting as sources for assessing the scale and impact of Christian missions to southern Scandinavia in the ninth and tenth centuries, in: Mission, Empire and the North: The Archdiocese of Hamburg-Bremen and Scandinavia, c. 830 – c. 1200, eds. Paul gAzzoli / Erik NiBlAeus, forthcoming has suggested, on the basis of excavations at Ribe, that there was also a local Christian community that was Danish and freeborn. See riMBert, ‘Vita Anskarii’, ch. 41 (ed. WAitz, cf. n. 1, 75) refers to Ansgar distributing a dossier of privileges relating to his mission among the bishops of the realm of Louis the German. A letter written by Ansgar which seems to have been attached to this dossier has been edited by Ernst DüMMler, Epistolae variorum inde ad saeculo nono medio usque ad mortem Karoli II. (Calvi) imperatoris collectae, in: MGH Epp. VI, Berlin 1925, 163. Authorship of the ‘Vita’ is attributed to Rimbert and an anonymous condiscipulus in the anonymous ‘Vita Rimberti’, ch. 9 (ed. WAitz, cf. n. 1, 87–88). Although some scholars have questioned this attribution, it is largely accepted in modern scholarship, and it seems impossible that Rimbert could have had no role in a work produced in his own circle; there is no great inconsistency of style or tone throughout the work, and I see little reason to doubt the report of the ‘Vita Rimberti’ in this. For an overview of the scholarship on the matter, see kNiBBs, Ansgar, Rimbert and the Forged Foundations of Hamburg-Bremen (cf. n. 7), 185.

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II. THE ORIGINAL (A) VERSION OF THE ‘VITA’ As a consequence of the approach of this article, the three manuscripts which most faithfully present the ‘Vita’ in its original form will only be discussed briefly. Suffice it to say that they clearly reflect Ansgar and Rimbert’s own milieux and connections: the oldest, Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek HB XIV 7 (Siglum: S)11, was produced at Corvey in Saxony, where both Ansgar and Rimbert were monks, in the last third of the ninth century12. The other two were both produced at Corvey’s mother-house of Corbie, to whom Rimbert addressed the work and must have sent a presentation-copy: these are Paris, Bibliothèque Nationale, Fonds Latin 13772 (P), and Amiens, Bibliothèque Louis Aragon, MS 461 (M)13, from c. 1200 and c. 1300 respectively. Given the revisions to the text that will be discussed in the next section, it is noteworthy that this version of the ‘Vita’ does not survive in any of the areas where Hamburg-Bremen had direct influence. III. THE B-VERSION: HAMBURG-BREMEN C. 1100 AND THE RE-FASHIONING OF THE ‘VITA’ INTO THE B-VERSION In 1103, the see of Lund in Denmark was elevated to the status of Archbishopric over Scandinavia, effectively depriving Hamburg-Bremen of most of its raison d’être as an archbishopric. Hamburg-Bremen had been anticipating (and fighting against) this development for decades already, and by no means did it accept Lund’s elevation as irreversible in the decades that followed14. It was thus probably shortly after 1103 that a new recension (later known as the B-version) of the ‘Vita’ was prepared in and circulated from Bremen. The earliest manuscript of the B-version, Münster, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Msc. I, 228, known as the Codex Vicelini (V)15 was presented by Vicelin, later missionary bishop of Oldenburg (in Slavic Holstein) but previously master of schools at Bremen Cathedral, to the monastery of Abdinghof. Thanks to the names on the first folio (recording the donation), the presentation can be dated to between 1114 and 1123, and the manuscript was presumably created not long before that. On a later folio (81v) Vicelin adds his requests for the readers’ prayers in his own hand, suggesting that he oversaw the com11 12

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The sigla used are those of my forthcoming edition. In Waitz’s edition, this manuscript is notated as 1, and in most subsequent scholarship as A1. According to the judgement of Bernhard Bischoff, quoted in a personal communication in: Theodor scHieFFer, Adnotationes zur Germania Pontificia und zur Echtheitskritik überhaupt, Archiv für Diplomatik 32 (1986), 503–545, at 512–513. See also Bernhard BiscHoFF, Die Schriftheimat der Münchner Heliand-Handschrift, in: Bernhard BiscHoFF, Mittelalterliche Studien: Ausgewählte Aufsätze zur Schriftkunde und Literaturgeschichte Vol. III, Stuttgart 1981, 115; 118–119. In Waitz, 2 and 3 respectively, and in later scholarship A2 and A3. See Erik NiBlAeus’ forthcoming chapter in: Mission, Empire and the North: The Archdiocese of Hamburg-Bremen and Scandinavia, c. 830 – c. 1200, eds. Paul gAzzoli / Erik NiBlAeus forthcoming. In Waitz and subsequent scholarship, B1.

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position of the volume. Vicelin thus seems to be a likely candidate for the creator of this new recension, known as the B-version: in any case, it must have been created after Adam of Bremen finished his work in c. 1076, as Adam cites from the A-version of the ‘Vita’. The B-version is somewhat abbreviated, in particular cutting any material that related to the loss of property, notably the cell of Turholt, by Hamburg-Bremen, or anything that might have cast any doubt on Hamburg-Bremen’s authority. This version also contained a few additions, notably in the quotations of papal documents, where the original was not felt to be explicit enough in defining Ansgar’s authority: his missionary field is thus expanded from the A-version’s Swedes, Danes and Slavs to ‘Swedes, Danes, Faroes16, Norwegians, Greenlanders, Icelanders, Scride-Finns, Slavs and all northern and eastern nations, howsoever they are called’17; in the same passage, wording is added to make it explicit that this authority should pass to all of Ansgar’s successors. However, this more institutional side of the ‘Vita’ is not our primary concern here, but rather Ansgar’s personal sanctity. When we look at the B-version through this lens, it contains one significant alteration: the final chapter, in which Rimbert had attempted to argue that Ansgar was a martyr, in spite of his lack of a violent death, is stripped away18. This leaves the work with an abrupt ending at the moment of Ansgar’s death. One can only speculate as to why this chapter was stripped away – perhaps it was later felt that Rimbert’s arguments in favour of Ansgar’s status as a martyr were superfluous, or even embarrassing (as they could be used to argue that nearly any confessor should be seen as a martyr). Even if it was a 16 17 18

Or Perhaps Heligoland; Farria in Latin can refer to Heligoland, but in this case, given the presence of Iceland and Greenland, the Faroes is most likely. riMBert, Vita Anskarii, ch. 23: gentibus sueonum, danorum, farriae, norvveorum, gronlondon, islondon, scrideuindun, slauorum, necnon omnium septentrionalium et orientalium nationum, quocumque modo nominaturum. My translation and edition, but cf. WAitz (cf. n. 1), 50. In an early vision, Ansgar is said to have heard the voice of God saying ‘Go, and you will return to me crowned with martyrdom’ (Vade, et martyrio coronatus ad me reuerteris) (riMBert, Vita Anskarii, ch. 3, my edition and translation, but cf. Waitz (cf. n. 1), 23). At the end, Rimbert thus attempts to explain why this promise seemingly was not fulfilled in that Ansgar died a peaceful death. He argues that Ansgar had an inner, “secret” martyrdom, that only failed to become full, open martyrdom due to a lack of opportunity: ad apertum corporis martyrium persecutor sibi, non animus, defuit (riMBert, Vita Anskarii, ch. 42, ed. Waitz (cf. n. 1), 78). This idea draws on Gregory the Great’s Dialogues III.26.7–9: Duo sunt, Petre, martyrii genera: unum in occulto, alterum quoque in publico […] De his autem talibus tantisque uiris, quorum superius memo­ riam feci, cur dicamus quia, si persecutionis tempus existeret, martyres esse potuissent, – qui occulti hostis insidias tolerantes, suosque in hoc mundo aduersarios diligentes, cunctis carnali­ bus desideriis resistentes, per hoc quod se omnipotenti Deo in corde mactauerunt, etiam pacis tempore martyres fuerunt (‘there are two kinds of martyrdom […] one that is secret and one that is public […] In referring to the saints I mentioned above, men of outstanding quality, why should we say that they would have been martyrs had they lived during times of persecution? Did they not endure the assaults of a hidden enemy? Did they not love their enemies in this world? Did they not resist every carnal desire? By sacrificing themselves in this way to almighty God on the altar of their hearts they became true martyrs even in times of peace’), Gregoire le Grand: Dialogues, Tome II (Livres I–III) (Sources Chrétiennes MMLX), ed. Adalbert De vogüé, Paris 1979, 370–372; Saint Gregory the Great: Dialogues (Fathers of the Church XXXIX), trans. Odo John ziMMerMAN, New York 1959, 160–161.

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simple space-saving measure, this would still imply that the idea of Ansgar as a martyr was no longer important. If Vicelin was indeed responsible for the creation of the B-version, it may have some significance that nothing in Helmold of Bosau’s account of his life suggests that Vicelin’s missionary work was driven by a desire for martyrdom – we hear more of his work as an educator, a founder of institutions and a bishop19. Perhaps the headstrong desire for martyrdom that seems to have motivated some missionaries – a desire that often set back the actual progress of missions – was not something Vicelin thought should be encouraged by more talk of martyrdom in a missionary life (it must be stressed, however, that this is speculation). In any event, Ansgar’s “martyrdom” seems to have been the first aspect of his sanctity to have been shed by the later tradition, in a conscious decision by Hamburg-Bremen20. But Ansgar’s sanctity was nonetheless of paramount importance to Hamburg-Bremen: his relics, along with those of Rimbert and the first bishop of Bremen, Willehad, were distributed with the ‘Vita’ in its new recension21. Ansgar’s life as a missionary bishop would have held personal relevance for Vicelin, who himself was a missionary to the Slavs of eastern Holstein and bishop of Oldenburg. In 1127, he founded the house of canons at Neumünster to support Christianity in the region, and it seems highly likely that he took a copy of the ‘Vita’, in a very similar form to that preserved in V, with him for its library. In 1328, the canons of Neumünster relocated to Bordesholm22, and it was there that another manuscript containing the ‘Vita’ was produced in the years 1511–151223. It shares enough features with two other Schleswig-Holstein manuscripts that it seems likely that they all ultimately derive from the copy presumably brought by Vicelin to Neumünster24.

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See HelMolD oF BosAu, Chronica Slavorum, ed. Bernhard scHMeiDler (MGH SSRG 32), Hannover, 31937. Another mention of martyrdom, at the end of chapter 25 (Waitz (cf. n. 1), 55) is also cut, which suggests that it was not simply a matter of cutting the last chapter for reasons of space but rather that there was a desire to remove Anskar’s “martyrdom” from the text. This is recorded on the first folio of V, that documents Vicelin’s donation of the manuscript to Abdinghof. The presence of the relics of the same three saints in the crypt of Lund Cathedral at its consecration (see Erik NiBlAeus, German Influence on Religious Practice in Scandinavia, c. 1050–1150, unpublished PhD dissertation, King’s College, London 2010, 198: this is mentioned in the ‘Necrologium Lundense’: Necrologium Lundense. Lunds domkyrkas nekrologium (Monumenta Scaniae historica), ed. Lauritz WeiBull, Lund 1923, 80) suggests that they may have made their way there as gifts from Bremen, most likely accompanied by a copy of the ‘Vita’ in its B-version. Hans Harald HeNNiNgs, ‘Bordesholm’, in: Monasticon Windeshemense, Teil 2: Deutsches Sprachgebiet, Brussels 1977 (Archives et Bibliothèques de Belgique / Archief- en Bibliotheekwezen in België Numéro Spécial / Extranummer 16), eds. Wilhelm koHl / Ernest persooNs / Anton G. Weiler, Brüssel 1977, 86–87. Heiligenkreuz, Klosterbibliothek, Fonds Neukloster D.21 (N). Not known to Waitz or previous scholarship (my thanks to Jonathan Grove for bringing it to my attention). The years of copying are written before or after some texts in the manuscript. These are Copenhagen, Det kongelige bibliotek, GKS 820 4° (R) (c. a. 1550) (B2* to Waitz) and Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. Hist. 22 (L) (B2 to Waitz).

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IV. LATER DEVELOPMENTS These manuscripts reveal different facets of the interest in Ansgar in later Schleswig-Holstein. All give the B-text of the ‘Vita’ as faithfully as they can. The Bordesholm manuscript (N) is the last to have been produced in a monastic context, while the Dithmarschen (R) and Gottorf (L) manuscripts are the work of post-Reformation protestant antiquarians. The compiler of N, a particularly hard-working scribe who calls himself Johannes cum Naso, collected a wide range of material, mostly saints’ lives of the north-German and Scandinavian region (though not exclusively) as well as material relating to the history of the Church of Hamburg-Bremen into this volume. In this, he seems to have both a devotional and a historical interest in Ansgar’s ‘Vita’, in line with other medieval copyists. Although the two post-Reformation manuscripts from Schleswig-Holstein do not share the same specifically Catholic devotional interest in Ansgar, and the manuscript context of both R (produced by the Dithmarscher antiquarian, Johann Witte Russe, and bound in a volume with the date 1550) and its copy L (written by the Hamburg antiquarian Heinrich Lindenbrog between 1610 and 1616, at Gottorf Castle where he was at that time librarian)25 betray that both were motivated to copy the text more out of historical interest, they nonetheless show no signs of consciously cutting any material – L faithfully reproduces R down to copying text it could not understand and only reproduced in garbled manner, and even including a stray mark26, while R itself begins artlessly in the middle of a sentence in chapter 2, as the first folio of its exemplar must have been lost. Both Ansgar and the ‘Vita’ itself, were, for them, objects of reverence. Even if that reverence had lost – though by no means completely – some of its spiritual charge with the end of Catholicism in the area, it was sustained and nourished by the different reverence of the historian. A different approach was taken by the Danish antiquarian Stephan Hansen Stephanius (1599–1650), who sometime before 1645 copied a now-lost manuscript of the ‘Vita’, in all likelihood one in the Royal Library of Copenhagen27. He chose not only to ‘improve’ and classicise Rimbert’s Latin, but also to omit Ansgar’s visions and to significantly condense the material about his monastic way of life. Although we are thus not in a position to compare his transcript with the original,

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Brigitte loHse, Die historischen Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Cod. Hist. 1–100, Hamburg 1968, 21. L on page 182 (I opt for this term rather than folio, as each side of the folia is given a different number in the manuscript) Lindenbrog reproduces as “ma” with a star-sign over it R’s uici (on fo. 202r – which has been written oddly but is still legible as such) and has an “x” over it – perhaps Russe could not read his exemplar either? Stephanius’ copy is now Stockholm, Kungliga Biblioteket, K 92:2 (T; unkown to Waitz). Stephanius makes reference to and quotes from a transcription of the ‘Vita’ in his Notae uberiores in Saxonem Grammaticum, Sorø 1645, 193–194, and thus presumably transcribed it before the publication of this volume; although the text differs slightly (little more than the order of a few words being changed and a sentence being omitted) there is nothing to suggest that this was a quotation from a different transcription than the one that has survived.

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we can observe his similar treatment of the text of Svend Aggesen’s works28, and thus it seems safe enough to conjecture that these alterations were Stephanius’ own. Stephanius thus seems to have had little use for what he may have seen as Papist superstitions recorded in barbarous Latin, but he was very interested in any material related to Scandinavia’s past, and edited his version of the text accordingly. This had the effect of stripping away several aspects of Ansgar’s sanctity: namely those of visionary and monk, and choosing to focus on his life as a bishop and especially as a missionary. Stephanius’ text is not derived from the version of the text that circulated in Schleswig-Holstein, descended (as argued above) from the hypothetical exemplar brought to Neumünster by Vicelin. Rather, it is a representative of a different group of manuscripts, which I believe can be identified as a later editing of the text by Hamburg-Bremen – something that has gone unnoticed by previous editors. In addition to Stephanius’ copy (T), this version is preserved in four leaves written in Paris (m) added into the M manuscript in the seventeenth century in order to replace part of the text that had been removed29, and by a fifteenth-century manuscript written in Frenswegen (near Nordhorn in Lower Saxony) (F)30. Intriguingly, they all share some telltale similarities with the editio princeps of 1642 (C), which is, however, clearly not derived from a manuscript of the same group, but an earlier one, more similar to V than any other, and probably dating from the twelfth century. This printing was edited by Philippus Cæsar, who, although he was working roughly contemporaneously, could not have used a more different approach from that of Stephanius: he not only included all of the ‘Vita’ as he had found it, but included ample notes explaining when he had emended (or considered emending) the text and noting corrections and marginalia, in a manner not dissimilar from that employed by modern editors. In his introduction, however, Cæsar describes his path to producing his edition as a deeply religious experience: as a protestant pastor of St Ansgar’s parish church in Bremen, he had long been searching for more material about Ansgar when he happened upon a ‘codex pervetustus Hamburgensis Ecclesiae’ containing the ‘Vita’: this he took as a divine sign to convert to Catholicism (something that was no light decision in a Germany that was still riven by the Thirty 28 29

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See Karsten cHristeNseN, Om overleveringen av Sven Aggesens værker (Skrifter udgivet af Historisk Institut ved Københavns Universitet, X), Copenhagen, 1978. I am grateful to Prof. Michael Gelting for drawing this to my attention. These four leaves are referred to in Waitz’s apparatus as 3a and are not much discussed in subsequent scholarship. The lost medieval leaves of M were stolen, the copyist of m writes (at the bottom of 40v), by Fr Dominicus de Jesu (or Gérard Vigier), a Discalced Carmelite who in 1623 undertook to compile the lives of the royal saints of France (Martialis A s. JoANNe BAptistA, Bibliotheca scriptorum utriusque congregationis et sexus Carmelitarum excalceatorum, Bordeaux 1730, 103–105) and took 51 folia (now lost) of the manuscript, probably because these folia contained the ‘Vita’ of St Bathilde, the founder of Corbie and wife of Clovis II (Jacques gArNier, Catalogue descriptif et raisonné des manuscrits de la Bibliothèque Communale de la ville d’Amiens, Amiens 1843, 380–381). By this point, M had moved from Corbie to the Abbey of Saint-Germain-des-Prés. Unknown to Waitz. Now Sint Agatha, Erfgoedcentrum Nederlands Kloosterleven, Kruisherencollectie C 13.

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Years’ War)31. He presumably took the manuscript with him to Catholic Cologne, where he published his edition. Thus, as with (it seems) Vicelin before him, for Cæsar, Ansgar’s sanctity held a personal resonance tied to his own work. The similarities between these geographically disparate, late medieval and early modern manuscripts and Cæsar’s edition, which seems to have been based on a manuscript of the twelfth century, very similar in its contents to V, and which Cæsar found, according to his own account, in Hamburg, suggests that the textual tradition of these later manuscripts has its ultimate roots in a further revision of the B-version undertaken at Hamburg-Bremen in the later Middle Ages, which was subsequently distributed programmatically (as the original B-version had been before it), probably in the fourteenth or fifteenth century to judge from the dates of the surviving manuscripts. This revision was a general tidying of the text, and is identifiable by a conjecture that has been made to fix a sentence that became nonsensical through the loss of a word in the archetype of the B-version32. The similarities between this new version and Cæsar’s printing (C) can be explained if we simply take C as a representative of the textual tradition of the ‘Vita’ as it existed and remained at Hamburg-Bremen – which in turn suggests that the new version was prepared there. Despite this, it is somewhat difficult to establish just what form the text had in the archetype of this revised version, which I refer to as the Later Medieval Hamburg-Bremen version. We have already seen how Stephanius presents a severely truncated text, while m only covers into the seventh chapter. The Frenswegen manuscript also chooses to cut material (I will come to this shortly). Related to the Frenswegen manuscript are two medieval translations, one into Middle Low German of which we possess only a few fragments33, and one into Old Swedish which we possess in full34. Interestingly, of all these, it is the Swedish version that seems to offer the fullest version of the text. The only text that seems to be lacking in all representatives of this group is chapter 27 (in the numeration of the B-version), relating a vision Ansgar had of being present at Christ’s crucifixion. It is difficult to say just why this would have been omitted. Perhaps its reference to all the scorn Ansgar had suffered in Christ’s name in Sweden was thought to cast his mission in too negative a light, though this does not seem a completely satisfactory solution.

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Philippus Cæsar, Triapostolatus septemtrionis. Vita et gesta S. Willehadi, S. Ansgarii, S. Rimberti, trium principalium Ecclesiae Bremensis episcoporum, septentrionis apostolorum, hactenus desiderata, ex peruetusto et autentico Hamburgensis Ecclesiae codice M. S. in lucem publicam producta, Cologne 1642, Epistola dedicatoria (no page numbers in this section). The B-version has lost the word deuotionis near the beginning of ch. 2, leaving the opening sentence defective; the manuscripts of the revised version can be identified through their shared use of the conjecture uirtutum to replace it. Vienna, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2673 (c. 1500). I have also prepared an edition of these fragments, which I will publish in conjunction with my edition of the ‘Vita’. Stockholm, Kungliga Biblioteket, Cod. A 49 (s. xv). This manuscript has been known to editors since the seventeenth century, but no editors of the Latin ‘Vita’ have hitherto considered its relationship to the broader textual tradition more than fleetingly.

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The Frenswegen manuscript (F) offers a valuable counterpoint to Stephanius’ transcription: while Stephanius chose to excise the bits of the text that related to the visionary and monastic aspects of Ansgar’s sanctity and focuses on the more historical material relating to Ansgar’s career as a bishop and missionary in Denmark and Sweden, F does the reverse: it omits chapters relating to events in Sweden during Ansgar’s absence, the Swedish military campaign against the Courlanders, political events in Denmark and new missionaries sent by Ansgar to Scandinavia35. This omission may seem puzzling at first, but there is a simple explanation: Ansgar is absent in nearly all of this material. For a reader concerned with Ansgar himself, his life and, above all, his sanctity, it was of little relevance. Frenswegen was a house of the Windesheim congregation, the monastic arm of the Devotio moderna movement, whose ideas – turning aside from the world, and focusing on the inner life, meditating upon Christ – were expressed in their most enduring form by Thomas van Kempen (or Thomas à Kempis)’s De imitatione Christi. The followers of this movement aimed to re-create the life of the early Church through the communal living of priests and lay-people, an arrangement in which they became known as the Brethren of the Common Life. Soon canons attached themselves to the movement as well, forming the Windesheim congregation. For the canons, the copying of texts was a spiritual exercise which had the pleasant side-effect of dramatically expanding the libraries of the monasteries the Windesheim movement reformed and giving scribes a very wide knowledge of different texts36. The Frenswegen manuscript fits very easily into the context of the ideals of the Devotio moderna. A scribe in a Windesheim house could naturally be expected to focus on those aspects of a text that celebrated a saint’s inner life, their connection to God and to their turning away from the world. But as for the material relating to the Swedish mission when the saint whose life was being written was not even present, or a battle between two pagan peoples could hardly be considered the best fodder for unworldly meditation. Thus the chapters were simply omitted – there can be no question of suppression, but rather the scribe, who, to judge from the numerous mistakes (words are very often doubled and then crossed out later) was working hastily, simply felt that these chapters were the least relevant ones in the ‘Vita’ and could easily be done without37. The institutional narrative of Hamburg-Bremen, and Ansgar’s career as a bishop are, however, left intact. 35 36

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In the numeration of the B-version, these are chapters 17; 19; 28; 29 and 30 (the numeration of the A-version is different and does not completely overlap). See Koen gouDriAAN, Empowerment through reading, writing and example: the Devotio mo­ derna in: The Cambridge History of Christianity: Christianity in Western Europe, c. 1100 – c. 1500, eds. Miri ruBiN / Walter siMoNs, Cambridge 2009, 413; Kaspar elM, ‘Die Devotio moderna im Weserraum’, in: Kunst und Kultur im Weserraum, 800–1600, eds. Bernhard korzus / Heinz stooB, Münster 1967, I, 254. Ansgar’s absence in these chapters raises an interesting possibility. Ian WooD, The Missionary Life. Saints and the Evangelisation of Europe, 400–1050, Harlow, 2001, 126 suggested that the ‘Vita’ existed, at least in a rough form, already in Ansgar’s lifetime, and that Ansgar would have had some influence over the contents, a suggestion that kNiBBs, Ansgar, Rimbert and the Forged Foundations of Hamburg-Bremen (cf. n. 7), 188, n. 35 rejects. Modesty would have forbidden

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V. CONCLUSIONS AND EXPLICITS Thus, by working with the manuscripts, we can trace how Ansgar’s sanctity was perceived and responded to over the course of the centuries: for the original creator(s) of the ‘Vita’, naturally all aspects were important. For the reviser(s) at Bremen in the early twelfth century, the political and institutional narrative of the ‘Vita’ was emphasised and modified, but the final justification of the martyr-aspect of Ansgar’s sanctity was cut. This revised version was a clear response to the elevation of the see of Lund to the status of Archbishopric, depriving Hamburg-Bremen of its influence in Scandinavia. Sometime in the later Middle Ages, probably in the fourteenth or early fifteenth century, the text was revised again. This time it is not so much a change in contents that is interesting, but rather that the ‘Vita’ was still considered a document important enough for Hamburg-Bremen to revise and circulate in all directions – the text, in this form, reaching not only other destinations in Germany (Magdeburg38 and probably Böddeken39) but also Paris, Denmark and Sweden. While the individual manuscripts of this version show what aspects of Ansgar’s sanctity interested them – in Frenswegen, the interest was clearly in his personal sanctity and its monastic and visionary aspects, as well as his role as bishop, rather than the information on the Scandinavian mission that interested the copyist, while for Stephanius, Ansgar was of more interest for the information his ‘Vita’ offered on Scandinavia rather than his sanctity, and the visionary and monastic aspects of the text are almost completely removed – another clue to the interests that drove the copyists, particularly of this later recension, can be revealed by the explicits of man-

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Ansgar to write his own hagiography (although Rimbert does say he suffered from pride, which he attempted to subdue (riMBert, ‘Vita Anskarii’ ch. 35, ed. WAitz (cf. n. 1), 67), but it would hardly have forbidden him to record information relating to the fledgling Christian community in Sweden during his absence. These chapters contain most of the miracles in the ‘Vita’, and Ansgar himself wrote a work relating the miracles of Willehad, the first Bishop of Bremen. I believe it is a distinct possibility that these chapters could have been written by Ansgar himself, at the very least in a rough form, and later incorporated by Rimbert into the text of the finished ‘Vita’. I will elaborate on this in my forthcoming edition. Where the surviving fragments of the Middle Low German translation were produced, as stated on fo. 6v. The Great Legendary of Böddeken was begun in 1453, and contained the ‘Vita Anskarii’ over 14 folia. The volume containing it was lost during the Thirty Years’ War, but to judge by the dimensions of the other volumes of the Great Legendary that have survived, it probably held a longer text than F (which also has the ‘Vita’ over 14 folia, but is noticeably smaller at 210×145 mm, versus 395×285 ± 10 mm for the surviving volumes of the Legendary; even allowing for the fact that F is very cramped, this suggests that the text was not quite as shortened). A transcription of this manuscript was made by the Bollandist Jean Gamans, which has however been lost (Hugo Moretus, De magno legendrio Bodecensi, Analecta Bollandiana 27 (1908), 257–358, here 262–266; 291). It is possible that m may ultimately derive from Gamans’ transcription: Werner trillMicH, Quellen des 9. und des 11. Jahrhunderts zur Geschichte der hamburgischen Kirche und des Reiches (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters XI), Darmstadt 1961, 10) describes it as ‘eine Abschrift der Bollandisten’, but offers no evidence for this statement.

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uscripts: Vicelin’s manuscript (V) as well as the Schleswig-Holstein manuscripts (N, R, L) identify him as the “first archbishop of the Nordalbingian and (V only: legate) of all the northern and eastern nations”40; the Old Swedish translation commemorates him as “he who first preached the holy faith in Denmark and Sweden”41; and both the Middle Low German translation and the Frenswegen manuscript (F) identify him as the “first archbishop of Bremen”42. Although these may seem to betray more of a local angle of the manuscript groups than anything (VNRL sharing enough in common that this seems to be the original explicit of the B-version, F and the Middle Low German possibly reflecting that of the later medieval revision with a stronger focus on Bremen, the Swedish translation naturally choosing to take a Scandinavian dimension), we nonetheless can also focus on the aspects of Ansgar’s sanctity focused on here: VNRL, by focusing on Nordalbingia and the other missionary areas, emphasise his sanctity as a missionary (and archbishop), as does the Swedish translation; whereas the later medieval version seems to focus on the episcopal side by not mentioning the missionary areas. Like many saints, Ansgar combined many roles – like St Martin of Tours, he was a bishop and a monk, and on top of this a missionary. The celebration of these roles has not merely been of great institutional importance to the Archbishopric of Hamburg-Bremen (and its post-reformation successors), but also, throughout the century, it has had personal resonance to many of the figures whose influence we can trace through the manuscripts – the missionary bishop Vicelin, who (probably) adapted and (certainly) spread the ‘Vita’ in the twelfth century; the anonymous scribe of Frenswegen, who in line with the spirituality of the Devotio moderna movement to which he adhered, focused on Ansgar’s inner life as a monk and visionary while cutting out much of the material related to mission; and the post-reformation historians from the Catholic convert Cæsar, to whom the manuscript of the ‘Vita’ he found was a divine sign to be cherished, through the diligent local historians Russe and Lindenbrog in the north of Germany, to the more selective Stephanius, who was less interested in Ansgar’s sanctity per se, especially not those elements of it which struck his post-Reformation sensibilities as too medieval. This long story, especially in its later phases, tends to be something only the editor of a text is exposed to, and many editors do not think there is much to be gained by sharing this story more widely, and consequently focus their studies on the earliest Explicit uita sanctissimi patris Ansgarii primi nordalbingorum archiepiscopi et omnium septentrionalium et orientalium nacionum legati (my transcription and translation from V fo. 61r; N (fo. 67r) R (fo. 220v) and L (p. 226) lack legati and RL have finis uitae instead of Explicit uita). 41 hær ær lyktadh sancti ansgarii hælgha lifwerne som i suerike oc danmark først prædikadhe the hælgha tro (my transcription and translation, but cf. the edition of Robert geete, Helige mäns lefverne jämte legender och järtecken (Samlingar utgifna af Svenska Fornskrift-Sällskapet), Stockholm 1902, 92), Stockholm, Kungliga Biblioteket, Cod. A 49, fo. 61v. 42 hyr endiget sick dat leuent des hillighen bisschoppes anscarii de de erste artzebisscop was van bremen (my transcription), Vienna, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2673, fo. 6v; ex­ plicit vita beatissimi Anscharii primi sanctae Bremensis ecclesiae archipontificis (my transcription), Sint Agatha, Erfgoedcentrum Nederlands Kloosterleven, Kruisherencollectie C 13, fo. 81r. My translations. 40

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and most reliable manuscripts. I hope I have shown, however, that there are many things to be gained by engaging with even the latest and least “valuable” manuscripts, especially when they are all taken together.

REFORMULATING THE SANCTITY OF OLAF HARALDSSON Archbishop Eystein Erlendsson and the Ecclesiastical Image of Saint Olaf Steffen Hope Abstract This contribution investigates how the textual representation of Saint Olaf of Norway changed in the wake of the establishment of the Norwegian archbishopric in 1152/53, and particularly during the reign of Archbishop Eystein Erlendsson from 1161 to 1188. In this period there were written historiographical, hagiographical and liturgical texts in which the figure of Saint Olaf was reformulated in ways that broke with the ways he had been formulated in skaldic poetry. Through an examination of the relevant texts, I view this change in light of the efforts of Archbishop Eystein to consolidate the newly established archbishopric in Norway, and to provide the Norwegian kings with a patron saint who was a model for the ideals of the ecclesiastical reform movement in the twelfth century.

The cult of Saint Olaf, the martyr-king of Norway (d. 1030), was significantly strengthened in the course of the second half of the 12th century1. This strengthening was due to several factors. First of all, it was due to the establishment of the Norwegian archbishopric in 1152/1153. This led to a consolidation of the Norwegian church organization, which had hitherto served under the archbishopric of Lund since 1104. Secondly, the strengthening of the cult of Saint Olaf was due to the fact that the new archbishopric had its metropolitan see in Trondheim, where the shrine of Saint Olaf was situated. Indeed, it is most likely that this shrine and the pilgrimage to it was one of the primary factors which caused the archbishopric to be founded there2. A third factor of this strengthening was the archiepiscopacy of Eystein Erlendsson. During his reign (1161–1188), the cult of Saint Olaf was embellished with a new cathedral to house the remains of the saint, and also with 1 2

This text was written with financial support from the Danish National Research Foundation (DNRF102ID). Trondheim as a centre for pilgrimage was noted already by Adam of Bremen in his ‘Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum’ (c. 1070), and here he also refers to the city as the Norwegian metropolis: Metropolis civitas Nortmannorum est Trondemnis (Adam of Bremen, Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum, ed. Johann Martin lAppeNBerg, printed in Scriptores Rerum Germanicarum, revised by Georg WAitz, Hannover 1876, 181 [book 4, chapter 32]). Although Adam is likely to have exaggerated the amount of pilgrims travelling to Trondheim, and the number of churches in the city, his description of Trondheim as a metropolis should nonetheless be taken seriously. Furthermore, no other Norwegian city could exhibit a similar cult. Bergen did not become the cult centre of Saint Sunniva until 1170, which never challenged that of Olaf anyway (Alexander o’HArA, Constructing a Saint: The Legend of St Sunniva in Twelfth-century Norway, Viking and Medieval Scandinavia 5 (2009) 105–121). The cult of Saint Hallvard in Oslo seems never to have been particularly big.

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a literary programme which established the legend of Saint Olaf in texts both in the Latin language and in the vernacular. Furthermore, through Eystein’s efforts the new dynasty of Norwegian kings, established with the coronation of Magnus Erlingsson in 1163, also strengthened the standing of the cult of Saint Olaf in the kingdom of Norway. In this text, I will explore the various ways in which Eystein Erlendsson went about to improve the standing of the cult of Saint Olaf. It is my contention that in this process, Archbishop Eystein and his circle at the archiepiscopal court sought to reformulate and reconstruct the image of Saint Olaf and shape it in order to make it harmonize with the ideals and the theology of the Gregorian reformist movement of the 12th century, to which Eystein belonged3. This reconstruction was done either through texts produced at the archbishop’s court or through texts inspired by material disseminated from the metropolitan see. I will therefore examine the various texts originating from within the Norwegian church organization and present how they combine to reconstruct the image of Saint Olaf. The reconstruction of Saint Olaf meant not only to fashion the saint in such a way that he suited the tastes of the reformist church. The reconstruction of Olaf Haraldsson’s sanctity also meant a departure from what I here choose to call the traditional image of the saint. This image was the product of skaldic poems from the 11th century, oral traditions now long lost, and also texts from the 12th century both in Latin and in the vernacular. The traditional image was therefore not entirely coherent and homogenous since several of its details could vary, as we shall see, and since it was not subject to any authoritative control. Furthermore, this image was one that had its genesis in the meeting between the oral historiography of skaldic verse and the Christian4 theology of sainthood which probably did not have strong roots in Norway prior to the death of Olaf Haraldsson. Consequently, the traditional image was one that espoused ideals different from those of the 12th-century reformist movement, as will be shown later. In the new literature, however, Eystein Erlendsson sought to reconstruct the sanctity of Saint Olaf, and thus formulate an ecclesiastical image of the saint. This text will begin with a presentation of the historical background and the origin of the cult of Saint Olaf. I will then examine the sources for what I call the traditional image and provide an overview of how Olaf was presented in this image. The next section is devoted to the archiepiscopacy of Eystein Erlendsson, with an emphasis on the literary production of this period. I will here examine each of the 3

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See Heidi Anett Øvergård BeistAD, “Han sjøl dreiv hard på med saken” – erkebiskop Eysten og Nidarosprovinsen, in: Eysten Erlendsson – Erkebiskop, politiker og kirkebygger, ed. Kristin BJørlykke / Øystein ekroll / Birgitta Syrstad grAN et al., Trondheim 2012, 113–133, here 113 f. I here use “Christian” to refer to this theology of sainthood, even though I cannot say definitively that branches of Christianity other than the Catholic understood the place of the saint in the same way. However, I refrain from simply calling this theology “Catholic” because the way the saint is understood in Catholic hagiography is also expressed in the hagiography from the early church and prior to the emergence of the Catholic branch as a distinct form of Christianity. I do not know the theology of sainthood as expressed in the many other medieval forms of Christianity.

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relevant texts and explain how they break with the traditional image of Saint Olaf, and in an exploration of the liturgical texts composed for Olaf’s feast day I will show how the ecclesiastical image of Saint Olaf appeared in its purest form. I. HISTORICAL BACKGROUND. THE DEATH OF OLAF AND THE EARLY CULT On the 29th of July 1030, Olaf Haraldsson died in the battle of Stiklestad north of Trondheim. He was the former king of Norway, and had returned from an exile in Russia to reclaim the Norwegian royal dignity from the Danish king Knud and his Norwegian aristocratic supporters. Olaf lost the battle and Norway remained under Danish control with Knud’s young son Svein as the nominal king. After the battle, Olaf Haraldsson’s body was taken to Trondheim and buried somewhere along the bank of the river Nid. About one year later, on 3 August 1031, the bishop of Trondheim organized to have Olaf’s body exhumed after reports of miraculous healings on the spot of his burial. This bishop was Grimkell, a cleric whom Olaf Haraldsson himself had brought with him when he returned to Norway from England in 1015 to become the Norwegian king. We know little of Grimkell’s past before his position as bishop of Trondheim, but with his English background he was undoubtedly familiar with the cult of saints and the liturgical celebration of the saints’ feasts, since these features of the Christian religion had long since been established in England by this time. When Grimkell had Olaf Haraldsson exhumed, it was believed that Olaf’s hair and his nails had posthumously grown. This was seen as a sign of Olaf’s sanctity in the eyes of God, and his body was carried to the Church of Saint Clement to be enshrined there as a saint. This was the starting point of the cult of Saint Olaf. This cult soon became a rallying point for Norwegian aristocrats who were discontented with the rule of the boy-king Svein, and his mother Alfiva. The animosity towards the Danish boy-king resulted in the support of Magnus Olafsson, the son of the martyr-king Olaf. With the consolidation of the Norwegian kingship, the cult of Saint Olaf was established as a religious focal point within the kingdom, and in the 1060s or 1070s the enshrined body was moved from the Church of Saint Clement to the newly erected Church of Christ, a wooden building which was later replaced by the 12th-century stone cathedral. This move took place under the auspices of Olaf III Kyrre5. II. THE TRADITIONAL IMAGE OF SAINT OLAF It is important to emphasize that the so-called traditional image of Saint Olaf is not a product of a conscious effort towards that image, as would later be the case with the so-called ecclesiastical image. Instead, the traditional image grew out of many 5

For an overview of this period, see Sverre BAgge, From Viking Stronghold to Christian Kingdom – State Formation in Norway, c. 900–1350, Copenhagen 2010, 25–27.

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different sources and it grew slowly throughout the 11th and the early 12th century. As such, there was no authoritative control to fashion this image, as would be the case with the ecclesiastical image. Furthermore, it is important to emphasize that the traditional image emerged in the fusion of pre-Christian poetic forms with Christian theology of sainthood. This fusion was perhaps the most important factor in the shaping of the traditional image, and it goes some way in explaining why the ecclesiastical image broke with the existing tradition and reformulated it within the framework of a literature which conformed to the standards of Latin hagiography (see the section on the ecclesiastical image). It is important to keep in mind here that the oldest texts featuring references to or descriptions of Olaf Haraldsson were composed prior to his death, and as such could not possibly depict him in any way like a saint. These texts – skaldic poems and references in historiography from the continent – will not be dealt with here6. Suffice it to say that the skaldic poetry composed before Olaf’s death depicts Olaf as a warrior and a king, and these elements are continued in poetry after Olaf is declared to be a saint. The first image of Saint Olaf thus combines the saint and the warrior, a combination not unfamiliar to the Christian tradition7. In the period shortly after the translatio of Olaf Haraldsson’s body in 1031, two poems were composed which celebrated Olaf as a holy man, and these poems have come down to us more or less completely through citations in later Old Norse historiography. It was customary for vernacular historiographers to cite skaldic verse as a way of providing authenticity to their accounts of the past. The eldest poem, ‘Glælognskvida’, or song of the sea-calm, was composed around 1032 by Thorarin Loftunga, who was in the service of King Knud of Denmark. The second poem, ‘Erfidrápa Óláfs helga’, or the memorial poem of holy Olaf, was composed around 1042 by Sigvat Thordarson who had been in the service of Olaf Haraldsson. Before I go into greater detail about the poems themselves, there is one point that needs to be made very clear. These poems are a form of oral historiography and have as their purpose to recount historical events. This is a form of historiography that antedates the large-scale Christianization8 of Norway of the 11th and 12th centuries, and it is therefore a form of history-keeping which is not – in neither form nor vocabulary – strongly influenced by Christian historiography. Moreover, this means that the skaldic poetry is even further away from that particularly Christian form of history writing, namely the saint narrative, which we often call “hagiogra6

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Among the poems are ‘Vikingavísur’, ‘Nesjavísur’ and ‘Ólafsdrápa’, all written by the skald Sigvat Thordarson. Among the continental historiographies, we have ‘Chronicon Aquitanicum et Francicum’ by Ademar de Chabanne, which goes up to 1028, and which mentions Norse attacks on Aquitaine. Several early saints were known as soldier-saints or warrior-saints, such as Mauritius, Sebastian and George. Christianization is here understood as “the ongoing influence of Christianity on the institutions and mindset of converts, as well as the creation of administrative institutions” (Sara ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery – A Study of the Emergence of Cults of Native Saints in the Ecclesiastical Provinces of Lund and Uppsala from the Eleventh to the Thirteenth Centuries, Gothenburg 2015, 10).

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phy” in modern scholarship9. Even though the skaldic poem and the hagiographic narrative both have a panegyric rationale, they are not related. Consequently, we cannot treat these poems as hagiography, not even when they depict Olaf Haraldsson as a saint. They are instead a form of historiography adhering to conventions different from those followed by saint-biographers. III. SAINT OLAF IN ‘GLÆLOGNSKVIDA’ The context for ‘Glælognskvida’ is the aftermath of the battle at Stiklestad and Svein Alfivasson’s ascent to the Norwegian throne10. It is clear from the opening of the poem that this period was one of political unrest and division, because Thorarin spends the first four stanzas depicting Svein as the successor of Olaf, and as the one who now reigns where Olaf reigned, which might be understood as Throrarin glossing over the violent change of power. As for Olaf himself, Thorarin describes him in many ways which correspond well to typical images of holiness from the Christian tradition of saints’ narratives. In stanza 5, for instance, Olaf’s dead body is described as having the “likeness of a living man”, sem á kvikum manni, because his hair and nails kept growing in death, and because his body was heilu, which can mean healthy or incorrupt (whole)11. This is a common feature in saint-stories, and one near-contemporary example can be found in Abbo of Fleury’s ‘Passio Sancti Eadmundi’, written in the 980s. In chapter 14, Abbo tells of how a woman cut the hair and nails of Saint Edmund each Maundy Thursday12. Although it is not explicitly stated in Abbo’s text that the hair and nails grew in death, this seems a likely implication to the claim that his hair and nails could be cut annually. Another motif taken from saint-stories is found in stanza 6, where Thorarin refers to the bells of the church ringing by themselves13. In stanza 8 we see another important echo from the Christian theology of sainthood, and this is the statement that many people flock to his tomb and that those who are blind or beg for speech return whole, or healed, from the tomb14. The important aspect here is not merely the overt statement that people are healed at the tomb. It is also important to note what kinds of healings are performed there. The 9

The term “hagiography” is an early 19th-century neologism and as such only corresponds imperfectly to medieval ideas about textual categories. Largely speaking, “hagiography” means writing about the holy (men and women) and does accordingly cover a wide range of textual output from the Middle Ages. Accordingly, “hagiography” also covers liturgical texts (and I am indebted to Dr Sara Ellis Nilsson for this point). I will in the following analysis only use “hagiography” very carefully, and rather distinguish between saint-biography and liturgy. 10 See Matthew toWNeND, Introduction to Þórarinn loftunga, Glælognskviða, in: Poetry from the Kings’ Sagas 1: From Mythical Times to c. 1035. Skaldic Poetry of the Scandinavian Middle Ages 1, ed. Diana WHAley, Turnhout 2012, 849–76, here 863. 11 WHAley, Poetry from the Kings’ Sagas 1, 870. 12 Abbo of Fleury, Passio Sancti Eadmundi, in: Michael WiNterBottoM, Three Lives of English Saints, Toronto 1972, 67–87, here 82 f. 13 WHAley, Poetry from the Kings’ Sagas 1, 871. 14 Ibid., 873.

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healing of the blind is one of the signs by which the Messiah is recognized according to Isaiah 35,2–6, and this sign is applied to Christ in Matthew 11,5. The healing of the blind, therefore, is something which connects Olaf with Christ, and shows Olaf to be an imitator of Christ in his holiness. Thorarin also explicitly states that Olaf was a holy king in the very same stanza. IV. SAINT OLAF IN ‘ERFIDRÁPA’ The second poem, the ‘Erfidrápa Óláfs helga’ or memorial poem for the holy Olaf, was composed around ten years after ‘Glælognskvida’15, and is therefore from a significantly different context. At this point, Norway was no longer under Danish sovereignty, and the cult of Saint Olaf had been active for several years. Furthermore, the poet belonged to the faction that had sided with Olaf and the poem is accordingly more celebratory of Olaf in life as well as in death. Throughout the 28 stanzas of ‘Erfidrápa’, Sigvat presents an overview of Olaf’s life, death and posthumous cult. The poem presents a composite image of the king and later saint, and although there are elements which suggest the influence of some rudimentary familiarity with Christian sainthood, the Olaf Haraldsson of ‘Erfidrápa’ is predominantly a secular king and a warrior. Although Olaf is referred to as eir­ samr konungr, “peaceful king” (stanzas 1, 5, and 6)16, Sigvat also hails Olaf for punishing thieves (stanzas 4 and 5)17, and as a warrior (stanzas 2, 5, 7–9, 10–20)18. In ‘Erfidrápa’, Olaf the warrior is called hvǫtuð hildar, which can be translated as “battle-inciter”19. This shows Olaf as eager to begin battles, a feature which, as we shall see later on, would change completely in the ecclesiastical reconstruction of the image of Saint Olaf. The death of Olaf is portended by a solar eclipse (stanza 15)20. After the battle of Stiklestad, moreover, Sigvat records some of the posthumous miracles associated with Olaf, and we are told of the growing hair and a story of a certain Vladimir in Russia who was healed of blindness21. The poem goes on to tell about the golden shrine where blind men were healed (stanza 24)22, about the feast of Olaf (stanza 25)23, a pilgrimage to Rome undertaken by Sigvat (stanza 27)24 and a concluding statement that a fors, a waterfall or downpour, washed the hair (possibly a reference to baptism)25. 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

See Judith JescH, (Introduction to) Sigvatr Þórðarson, Erfidrápa Óláfs helga, in: WHAley, Poetry from the Kings’ Sagas 1, 663–697, here 663. WHAley, Poetry from the Kings’ Sagas 1, 665, 671 f. Ibid., 669, 671. Ibid., 666, 671, 673–675, 677–688. Ibid., 675. Ibid., 682. Ibid., 692. Ibid., 693. Ibid., 694. Ibid., 696. Ibid., 697 f.

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V. THE IMAGE OF SAINT OLAF IN THE 11TH CENTURY The miracles referred to in ‘Glælognskvida’ and in ‘Erfidrápa’ appear to be connected to established topoi of saint narratives. The posthumous growing of hair and nails, the dead body appearing like a living body, the cures of the blind and the mute, and even the solar eclipse portending Olaf’s death, all belong to the Christian hagiographic tradition. These elements are combined with epithets shaped by Old Norse poetic conventions, such as kennings which describe the military prowess and even savageness of Olaf Haraldsson. In other words, the earliest image of Olaf as a saint exhibits a combination of Old Norse poetic vocabulary and elements of Christian tradition. This suggests that by the time these poems were composed, a familiarity with Christian ideas of sainthood had begun to be disseminated throughout Norway. Some of the ideas might even already have been in place for one or more generations prior to Olaf’s death. However, the reason for this seemingly speedy transmission of a theological interpretation of the various posthumous events surrounding Olaf, might be that Bishop Grimkell – the bishop of Nidaros who had Olaf translated – explained the meaning of these portents26 to an audience perhaps not yet deeply familiar with the role of the saints in the cosmic hierarchy of Creation. This would mean that following the translation of Olaf’s body in 1031, the significance of the event and Olaf’s death in the Christian context is likely to have been expounded in some detail in sermons delivered by Grimkell at the translation itself and at the annual celebration of Olaf’s death-day, also known as his dies natalis, his heavenly birthday. This hypothetical homiletic enterprise is speculative, but it would explain very logically why we find details in skaldic verse which are so similar to the hagiographical literature of Christian Christianity so shortly after the death of Olaf. What is clear, however, is that the early image of Saint Olaf was a composite of Norse warrior ideals and Christian sanctity. Furthermore, if we take it as likely that the image was influenced both by vernacular poetry as well as homilies – possibly also in the vernacular – it becomes very clear that there was no authoritative hand in the composition of the image. The first image of Saint Olaf was, then, an image that grew out of a fusion – but not a clash – between two forms of history-keeping from two different cultures, namely the Old Norse oral history and the Christian hagiography. That this image, and this fusion, had a significant impact on the understanding of Olaf as a saint in Norway prior to the establishment of the archbishopric, can be seen in the way this image appears more than a century later in the skaldic poem ‘Geisli’, to which I will now turn27. 26

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It is important to note that the Old Norse word jartegn, which corresponds to the biblical Latin signis et prodigiis and also with the later miracula, is not used in either ‘Glælognskvida’ or ‘Erfidrápa’. It is therefore very difficult to surmise how well these events were understood as portents or miracles according to the Christian worldview. It is evident that the growing of the hair and the healing of blind and mute was of great significance to the poets, but the question is to what extent this understanding was connected to a Christian understanding, and to what extent it was a hybrid understanding, combining interpretations from the pre-Christian Norse culture as well as the Christian culture. See the Chapter by gAzzoli in this volume.

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VI. ‘GEISLI’ AND THE TRADITIONAL IMAGE OF SAINT OLAF The skaldic poem now known as ‘Geisli’, which translates as “sun-beam”, is a poem of 71 stanzas composed by the Icelandic priest Einarr Skúlasson for the feast of Saint Olaf in 1153. The poem was commissioned by King Eystein II Haraldsson, as explicitly shown in stanzas 8 and 71, and appears to have been performed in the Church of Christ where Saint Olaf at that point was enshrined28. The context for this poem is markedly different from the context of the skaldic poems written closer to Olaf’s death. Norway had been a sovereign kingdom for more than 100 years, and was at this time jointly ruled by Sigurd II, Inge I, and Eystein II, all sons of King Harald IV (d. 1136). The Norwegian church had a strong organization and had at that point very recently been granted its own archbishopric – also mentioned explicitly in stanzas 9 and 6529 – which was governed by Archbishop Jon Birgisson. The archbishopric had been confirmed by the papal legate Nicholas Breakspear at some point in either 1152 or 1153, and a fifth bishopric, Hamar, had been established on Legate Nicholas’ orders in the process of this confirmation. The new archbishopric also included the bishoprics of the Faroes, the Orkneys, Man and the Hebridies, the two bishoprics of Iceland, and the one in Greenland (making it eleven in total, including the bishopric of Trondheim)30. At the heart of this archbishopric was the cult of Saint Olaf. We do not know the extent of Saint Olaf’s place in the literature produced within the Norwegian sphere of ecclesiastical influence prior to the establishment of the archbishopric. We do know that histories about the Norwegian kings were written in early 12th-century Iceland in both Latin and in Icelandic. The Latin chronicle written by Sæmund Frode (d. 1133) and the Icelandic chronicle written by Ari Frode (d. 1148) are both lost to us now, but would most likely have contained some account of Olaf’s life31. Furthermore, another important source to the image of Saint Olaf in the later 11th and early 12th century were the regional laws. These were beginning to be codified by the 12th century, but had been in place for a long time already. Many of these laws were – most likely incorrectly – attributed to Olaf Haraldsson’s reign, and Saint Olaf is a frequent point of reference in them32. They must therefore have been a significant source for how ordinary men and women throughout Norway understood and encountered the Norwegian saint-king33. 28 29 30 31 32

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Martin cHAse ed., Einarr Skúlason’s Geisli – A Critical Edition, Toronto 2005, 58, 121. cHAse, Einarr Skúlasson’s Geisli, 59, 115. Eirik vANDvik, Latinske dokument til norsk historie fram til år 1204, Oslo 1959, 54 f. Sæmund Frode. (15 February 2009). In Store norske leksikon https://snl.no/S%C3 %A6mund_ Frode [accessed on 20 March 2017]. See also Svend elleHøJ, Den eldste norrøne historieskrivning, Copenhagen 1965, 15–36. Saint Olaf’s place in the history of Norwegian jurisprudence is probably a 12th-century addition. See Åslaug oMMuNDseN, The Cults of Saints in Norway Before 1200, in: Haki ANtoNssoN / Ildar H. gAripzANov, Saints and Their Lives on the Periphery – Veneration of Saints in Scandinavia and Eastern Europe (c. 1000–1200), Turnhout 2010, 67–94, here 73. See for instance Bjørn eitHuN / Magnus riNDAl / Tor ulset eds., Den eldre Gulatingslova, Oslo 1994, 33–35, and Jan Ragnar HAglAND / Jørn sANDNes, Frostatingslova, Oslo 1994, 20–22, 127,

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This, then, is the backdrop against which ‘Geisli’ must be understood. The poem itself is too long to allow for a detailed analysis of its narrative here, so I will confine myself to the ways in which Einarr Skúlasson continues the traditional Norse image of Saint Olaf which combined Christian theology with Norse pre-Christian poetics. One very important difference, however, when placing ‘Geisli’ within the same tradition as ‘Glælognskvida’ and ‘Erfidrápa’ is that its composer, Einarr Skúlasson, was himself a priest. Einarr therefore had some liturgical and theological training, however basic, and we should keep in mind that ‘Geisli’ was composed for the feast of Saint Olaf, i. e. that the poem had a semi-liturgical dimension (although the poem itself was not liturgical)34. In ‘Geisli’ we find a greater degree of sophistication in its fusion of Old Norse poetic principles and Christian theology. This can be ascribed in part to Einarr Skúlasson himself being a priest, and probably also in part to the fact that the cult of Saint Olaf had been venerated for more than a hundred years by this time, and so had received a clearer formulation in its rituals and practices. The legacy of Old Norse poetry is readily seen throughout ‘Geisli’, as Olaf is not only described as a warrior but is described as such according to Old Norse, pre-Christian epithets such as sóknbráðs, battle-quick (stanza 12)35, or munnrjóðr Hugins, the mouth-reddener of Hugin (stanza 13)36. This is presumably due to Einarr’s reliance on the poetry of Sigvat Thordarsson whom Einarr mentions explicitly in stanzas 12 and 1937. When comparing ‘Geisli’ with the skaldic poetry of the 11th century, we see the ways in which the tradition and the legends surrounding Saint Olaf have developed. For instance, even though Einarr does mention – and elaborate upon – the healing of the blind and the eclipse at Stiklestad, other miraculous events found in ‘Glælognskvida’ and ‘Erfidrápa’ are omitted, namely the growing of Olaf’s hair and the healing of Vladimir in Russia. Why these miracles have been omitted is beyond conjecture, but it shows that even before the authoritative formulation of the ecclesiastical image, the legend of Saint Olaf was not static and unchangeable. Some miracles endured in the trajectory of tradition, others failed to keep the attention of later generations and fell out of reference. This suggests also that it took some time before there was a written account of Saint Olaf’s miracles in existence. Scholars have long disagreed on the emergence of the first written account of Saint Olaf, and many suggestions have been put forth which will be too long to enumerate here. Lars Boje Mortensen has argued for the existence of a written ac-

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191 f., 216 f. A parallel to this development can be found in England, where Edward the Confessor (reigned 1042–1066; canonized in 1161) came to occupy a similar position in the English jurisprudence. See Janelle greeNBerg, The Radical Face of the Ancient Constitution, Cambridge 2001, 36–78. The liturgy of the medieval church was exclusively in Latin, but some could be given in the vernacular. Therefore, ‘Geisli’ is not a liturgical poem, but its setting has a liturgical aspect, and since Einarr was a priest he was presumably influenced not only by Norse poetic conventions, but also Catholic liturgy. cHAse, Einarr Skúlason’s Geisli (cf. n. 28), 62. Ibid., 63. Ibid., 62, 69.

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count in Latin which served as the basis for both ‘Geisli’ and the later ‘Passio Olavi’38, and I subscribe to this hypothesis. According to Mortensen, there is a group of miracles in ‘Passio Olavi’ which appear to have been in circulation prior to the establishment of the Norwegian archbishopric. Some of these so-called core miracles (Mortensen’s term) can also be found in ‘Geisli’. This poem is indeed the oldest surviving written source for these miracle stories, but it is most likely that Einarr drew on an existing account now lost rather than ‘Geisli’ being the primary written source for them. It will take too long to discuss the details of this group of miracles here, but it should be noted that in the later ‘Passio Olavi’ 1) one of these miracles retains the image of Olaf as a warrior but recast in completely Christian terms which show no influence from skaldic poetry, and 2) the solar eclipse mentioned by Sigvat is not included. The miracle of Olaf as a Christian warrior is also narrated in ‘Geisli’, but draws not only on the presumed Latin miracle collection but also on a poem by Eindriði the Young39. In other words, there existed vernacular sources for the legend of Saint Olaf around the time of the establishment of the Norwegian archbishopric, but these sources were completely ignored in the reconstruction of the sanctity of Saint Olaf during Archbishop Eystein’s reign. This is a further point of support for the hypothesis that there existed a Latin account of miracles by the mid-1150s, since it appears that the ecclesiastical image consistently ignored vernacular accounts and yet we see some material shared by both images40. Although the archiepiscopacy of Eystein Erlendsson saw a reformulation of Saint Olaf, it is worth noting that throughout ‘Geisli’ there are several examples of a more detailed Christian exposition of the figure of Saint Olaf which consequently must have been in place before the emergence of the ecclesiastical image. This underscores both the multiplicity of facets and influences in the traditional image of Saint Olaf, and also the fluidity of the tradition before the textual output in the archiepiscopacy of Eystein. In order to prove my point about the dimension of Christian theology in the traditional image of Saint Olaf, I will provide a few examples from ‘Geisli’ which illustrate a clerical influence on the legend and the traditional image. I avoid the term “ecclesiastical influence” because it is impossible to measure how widespread and how coherent this influence was throughout the Norwegian church, partly because we have few sources concerning the Norwegian church organization at this point in time, partly because there was no archbishop of the Norwegian church who could organize such an influence. Such an organization only came with the establishment of the Norwegian church province and can first be seen in the emergence of the ecclesiastical image.

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Lars Boje MorteNseN, Olav den helliges mirakler I det 12. årh.: streng tekstkontrol eller fri fabuleren?, in: Inger ekreM / Lars Boje MorteNseN / Karen skovgAArD-peterseN, Olavslegenden og den latinske historieskrivning I 1100-tallets Norge, København 2000, 89–107, here 97. See cHAse, Einarr Skúlason’s Geisli, (cf. n. 28), 95, 154. For a summary of this discussion, see Lars Boje MorteNseN, Eystein and Passio Olavi: Author, editor or project leader?, in: Eysten Erlendsson – Erkebiskop, politiker og kirkebygger, ed. Kristin BJørlykke / Øystein ekroll / Birgitta Syrstad grAN et al., Trondheim 2012, 77–85.

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The clerical influence on the legend can be seen first of all in the Christian epithets applied to Saint Olaf in ‘Geisli’, which come in addition to those epithets drawn from skaldic conventions. For instance, Saint Olaf is called guðs ríðari, a Norse translation of miles Christi or God’s knight/soldier (stanzas 18, 21, 24, 27, 30, 33, 36, 39, 42, and 45)41. Olaf is also called váttr, witness, i. e. martyr, and also lausnara […] vinr, the friend of the redeemer, a Norse translation of amicus Dei (both stanza 62)42. Furthermore, the miraculous events surrounding Olaf’s dead body are denoted as divine signs, jartegnir, (stanzas 7 and 20)43, and Einarr elaborates on the hierarchical relationship between God and saint, which states that God is the performer of miracles, Saint Olaf is only the ambassador who supplicates for these miracles (stanzas 21 and 61)44. No clear traces of influence from ‘Geisli’ can be found in the accounts of Saint Olaf written during the archiepiscopacy of Eystein Erlendsson, and this strengthens the suggestion that the ecclesiastical image exhibits a preference for Latin sources rather than vernacular poetry. This is not to say that the ecclesiastical image was confined in its dissemination only to Latin texts, because we do have a vernacular translation of the biography of Saint Olaf from ‘Passio Olavi’ in the vernacular ‘Old Norwegian Homily Book’ from c. 1200. However, the important difference between the traditional image – as contained in the various vernacular sources and in the hypothetical first Latin collection – and the ecclesiastical image is not one of language, but one of authoritative control. In the following section, I will elaborate on the ways in which this ecclesiastical image came into being, and how it broke with the existing traditional image of Saint Olaf. VII. THE ECCLESIASTICAL IMAGE OF SAINT OLAF As mentioned above, the fact that Trondheim was a vibrant cult centre by the mid12th century goes a long way to explain why this city became the centre of the Norwegian archbishopric. That the cult of Saint Olaf was understood as important by the Papacy is seen in the foundation letter for the Norwegian church province, issued by the short-reigned Pope Anastasius IV (1153–1154) in 1154. In this letter we find a reference to the feasts of Saint Olaf. This reference is found in a section of the letter where the pope instructs the Norwegian archbishop on what days he is allowed to wear his pallium. This list of days includes occasions not fixed in the annual cycle such as the consecration of churches or bishops, the blessing of abbots, and the ordination of priests. The remaining occasions are found as fixed points in the annual cycle, namely the feasts marking important events in the life of Christ, 41

42 43 44

The soldier of Christ is a hagiographical topos which has its foundation in the epistles of Paul in the Bible, especially in 1 Thess 5,8 and Eph 6,17. Martin cHAse draws the attention to the Norse translation of this term in a vernacular translation of Gregory the Great’s ‘Dialogi’ (cHAse, Einarr Skúlason’s Geisli [cf. n. 28], 139). cHAse, Einarr Skúlason’s Geisli (cf. n. 28), 112. Ibid., 57, 70. Ibid., 71, 111.

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the feasts of the Virgin Mary and the Trinity, the anniversary of the consecration of the archbishop’s own church, the feast of Peter and Paul, the feast of John the Baptist, and the feast of all saints. In addition to these liturgical feasts, which were universally celebrated throughout the Catholic Church, Pope Anastasius also includes festis […] sancti Olavi45, the feasts of Saint Olaf. This shows an awareness on the part of the pope of how important the cult of Olaf was to the archbishopric, which would likely have been thoroughly reported by the papal legate Nicholas Breakspear who had been the one bringing the pallium to Norway in 1152/1153. Furthermore, this passage in the foundation letter is important because it refers to feasts in plural. This suggests either that both the dies natalis (29 July) and the dies translationis (3 August) were celebrated, or that Pope Anastasius – presumably under the advisement of Cardinal Nicholas – intended for both those days to be celebrated. We do not know the extent and the sophistication of the liturgical celebration of Saint Olaf at this point in time. At the very least, we should expect there to be a basic celebration with readings and liturgical chants. These chants were most likely taken from the commune sanctorum, the repertoire of chant texts common to the entire Catholic Church and organized according to saint type, and the chants for the feast of Olaf were most likely taken from the common of martyrs46. As for the readings performed during the office of Matins, these might have been partly taken from the collection of miracles on which the narrative of ‘Geisli’ had in part been based, and which comprise the so-called core miracles of the later ‘Passio Olavi’. In other words, at the inception of the Norwegian archbishopric there was no extensive ecclesiastical literature pertaining to the figure of Saint Olaf. This would change significantly in the course of the second half of the 12th century, and in this period we see the emergence of texts both in Latin and in the vernacular who are composed within an ecclesiastical context and either authored or commissioned by the Norwegian ecclesiastical elite. Among these texts we find historiographical accounts (‘Historia Norwegie’, ‘Historia antiquitate Regum Norwagiensum’, ‘Ágrip’), prose texts pertaining to saints (‘Passio Olavi’, the ‘Old Norwegian Homily Book’), and liturgical texts (the office of Saint Olaf). Most of the texts mentioned here were written at the Archbishop’s court, while those which were not exhibit clear indications of belonging to an ecclesiastical milieu in which the image of Saint Olaf was being gradually yet quickly transformed, and in which the sanctity of Saint Olaf was being reconstructed.

45 46

vANDvik, Latinske dokument (cf. n. 30), 54 f. See Eyolf østreM, The Office of Saint Olav – A Study in Chant Transmission, Uppsala 2001, 36.

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VIII. ARCHBISHOP EYSTEIN ERLENDSSON AND THE EARLY STAGE OF THE ECCLESIASTICAL IMAGE The first archbishop of Nidaros, Jon Birgisson whom we saw mentioned in ‘Geisli’, died in 1157, and it is a matter of some uncertainty whether he initiated any projects or had any significant impact on the later cult of Saint Olaf. What we do know is that shortly after the consecration of Jon’s successor Eystein in Rome in 1161, the second Norwegian archbishop began an extensive cultural programme by which he sought to strengthen the infant Norwegian archbishopric and its church organization. For the same purposes, we also see Eystein heavily engaged in political activities from a very early point. From the earliest sources of Eystein’s cultural and political activities, it appears that the archbishop sought from a very early stage to appropriate the control of the figure of Saint Olaf for the Norwegian church, and to exert archiepiscopal authority over how he was formulated. We can only surmise what the purpose of this reconstruction might have been, although I propose that he sought to make the image of Saint Olaf conform to the ideals of the reformist movement47. However, it is important to keep in mind that to Archbishop Eystein, as well as all his clerics and presumably all Norwegian Christians, Saint Olaf was not a literary figure but a saint who served as an ambassador in God’s court. Therefore, when I say that Saint Olaf was reformulated by the Norwegian ecclesiastical elite, we should not think that this elite had a blank slate or artistic licence when engaging in this reformulation. Instead, they were supplicants to the saint and should they offend him, they would find themselves supplicating in vain to their ambassador. In the very worst case, the saint might obtain from God some form of punishment, and it is worth remembering that miracles could be punitive, as demonstrated in the catalogue of miracles in ‘Passio Olavi’. Consequently, when we talk about a reconstruction of Olaf’s sanctity, this reconstruction would have to be in tune with what established legend stated. However, there might also have been a concern on the part of the clerics that some of the established legend did not correspond with what they believed to be correct theology. As stated, Eystein and his closest associates were involved in the 12th-century reform movement in which the church was promoted as the primary power also in the secular world. Accordingly, Eystein might have understood the formulation of Saint Olaf as a way of salvaging the saint’s reputation from a partly misguided popular understanding. Or it might simply be the case that Eystein chose to emphasize those aspects of Saint Olaf which were in tune with his own vision of the church and its place in the world, and decided to downplay other aspects, although still accepting them as true. All of the above factors might have influenced the reconstruction of Saint Olaf’s image. We would be overly cynical if we only attributed this reformulation 47

For Eystein’s relationship to the reformist movement, see in particular BeistAD, “Han sjøl dreiv hard på med saken” – erkebiskop Eysten og Nidarosprovinsen (cf. n. 3), 113–133, and Roman HANkelN, Texting Techniques in St Olav’s Augustine-Responsories, in: Studies in Medieval Chant and Liturgy in Honour of David Hiley, ed. Terence BAiley / László DoBszAy, Ottawa 2007, 275–293.

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to a wish for political gain. Yet on the other hand, we would be overly idealistic if we were to think that the reformulation only grew out of a desire to be theologically and historically correct when formulating Saint Olaf. Both these directions informed the reconstruction of Saint Olaf’s sanctity in the second half of the 12th century, as can be seen in various texts from the period. It is also important to understand that the ecclesiastical image of Saint Olaf did not come about fully formed from the beginning. We find its clearest expression in ‘Passio Olavi’ and the liturgical chants based on the ‘Passio’, both of which belong, in their surviving form, most likely to the 1180s, but before this stage we see in earlier texts that the image of Saint Olaf has not yet reached its ultimate shape. This suggests that although the wish to reformulate Saint Olaf appears to have been present from the earliest stage in Eystein’s archbishopric, he nonetheless seems to have arrived at the ultimate stage of this reformulation relatively late. IX. THE EARLIEST SOURCES. ‘REX PERPETUUS NORVEGIAE’ (1161 – C. 1180) Eystein returned from Rome in 1161, and on November 26 of that year – the first of his episcopate – he consecrated the first chapel of the new stone cathedral which was intended to replace the wooden church which hitherto had housed the shrine of Saint Olaf, and which had been the scene for Einarr Skúlasson’s performance of ‘Geisli’ in 1153. Two years later, Eystein performed the coronation of the new king, Magnus Erlingsson, in Bergen. This was the first coronation in Norwegian history, and it was probably done on the initiative of Eystein who in that way sought to conform to continental coronation practices, presumably in great part because it entailed that the king was seen to be granted his legitimacy from the church48. From two surviving textual sources it is clear that Eystein sought to reform the Norwegian kingship, namely the coronation oath and the king’s letter of privilege to the Norwegian church, both most likely authored by the archbishop. The coronation oath is a short document and contains the king’s promise not to infringe on the liberty of the church, a topic which was fraught with controversy in this period, and which clearly shows Eystein’s attempt at bolstering the ecclesiastical institution and its political role49. The letter of privilege is a longer document, and is in effect a treatise on Christian kingship. It emphasizes the need for kings to be humble, and to submit to the supremacy of the church. The figure of the humble king is exactly something that we find in the later literature regarding Saint Olaf. For instance, we see it in the chronicle ‘Historia antiquitate Regum Norwagiensum’ written c. 1180 by Theodoricus Monachus, a member of Archbishop Eystein’s retinue and probably to be identified 48 49

See Steinar iMseN, Erkebiskop Eystein Erlendsson som politiker, in: Eysten Erlendsson – Erkebiskop, politiker og kirkebygger, ed. Kristin BJørlykke / Øystein ekroll / Birgitta Syrstad grAN et al., Trondheim 2012, 11–25, here 18 f. See vANDvik, Latinske document (cf. n. 30), 62–65.

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as the later Archbishop Tore (1206–1214)50. In this chronicle, Theodoricus points out that Olaf was humble in the midst of riches, and it is suggested that his humility was all the more remarkable because he was a king51. From ‘Historia antiquitate’, this formulation was brought over into liturgical office, but I will return to that later. The most remarkable feature of the letter of privilege is that the king agrees to give up his kingdom to Saint Olaf, and to hold the royal dignity as his representative. The full text of this submission goes accordingly52: [I commend], on this day of the glorious resurrection, myself and the kingdom to God and the glorious martyr king Olaf in perpetuity, [to whom] in total and particular devotion – next after the Lord – I assign the kingdom of Norway and its rule – as far as it pleases God – as the hereditary possession of the glorious martyr, which I guard, holding it under his dominion and as his representative. Deo namque in hac die gloriose resurreccionis me cum regno in perpetuum et glorioso mar­ tyri regi Ola[u]o [cui] integraliter speciali deuocione secundo post dominum regnum assigno Norwegie, et huic regno, quantum deo placuerit, velut eiusdem gloriosi matyris possessioni hereditarie sub eius dominio tamquam suus vicarius et ab eo tenens presidebo.

This document states, in other words, that the Norwegian king for all future will receive the kingdom from Saint Olaf as his representative, not by virtue of his own hereditary right to it. Furthermore, since the Norwegian church, and specifically the archbishop, is the cultivator of the shrine of Saint Olaf, the Norwegian king will forever receive his dignity from the archbishop, thus confirming the supremacy of the church also in secular affairs. The radical nature of this formulation should not be underestimated, and its novelty in Norwegian political history is another sign that Archbishop Eystein sought actively to reshape the figure of Saint Olaf. Furthermore, we also have evidence that this reformulation was something that was very quickly picked up within the Norwegian church as well, since it appeared in the chronicle ‘Historia Norwegie’, which I will elaborate on shortly. This relative speed is no surprise given that the coronation was most likely attended by at least all the bishops from the Norwegian mainland, and possibly also some from the overseas bishoprics. The evidence for this relatively speedy dissemination of the idea of Olaf as the king of Norway in perpetuity, can be found in an anonymous chronicle known as ‘Historia Norwegie’. In the 15th chapter of this chronicle, Olaf Haraldsson is described as perpetuum regem Norwegie53, the eternal king of Norway. In this first, surviving, part of the chronicle, Olaf is described as a young marauder, which 50

See Sverre BAgge, Theodoricus Monachus: The Kingdom of Norway and the History of Salvation, in: Ildar gAripzANov, Historical Narratives and Christian Identity on a European Periphery – Early History Writing in Norther, East-Central, and Easter Europe (c. 1070–1200), Turnhout 2001, 71–90, and also https://snl.no/Tore_Gudmundsson_den_vikv%C3 %A6rske [accessed on 6 August 2017]. 51 See Theodoricus Monachus, Historia de antiquitate Regum Norwagiensum, in: Gustav storM, Monumenta Historica Norvegiæ – latinske kildeskrifter til Norges historie I middelalderen, Kristiania 1880, 3–68, here 40. 52 vANDvik, Latinske document (cf. n. 30), 60 f. The translation is my own. 53 Inger ekreM / Lars Boje MorteNseN ed., Historia Norwegie, København 2003, 86 f.

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shows that the brushing out of Olaf’s violent past – which we will see in later texts – had not yet entered into the ecclesiastical reformulation of Norway’s patron saint, at least not with full force. Due to its incomplete survival of ‘Historia Norwegie’, however, we do not have a description of Olaf’s death and sainthood and so we cannot compare its representation of Saint Olaf with that of later works. The chronicle was most likely authored in the diocese of Oslo sometime in the period 1165–117554. Since it has left no clear mark on later 12th-century Norwegian historiographical works, it is believed that it has had a very limited, regional dissemination, at least in the period with which we are concerned here. This also suggests that there was no extensive communication about the reformulation of the sanctity of Saint Olaf going on between the metropolitan see and the diocese of Oslo, and so it appears that the reformulation was very much the initiative of the archbishop and his circle, and that the new image was predominantly distributed from Trondheim. Nonetheless, what we see in ‘Historia Norwegie’ is that the reformulation of Saint Olaf started very early on in Eystein’s episcopate, and that the idea of Olaf as the eternal king of Norway gained currency shortly after its formulation in the letter of privilege. That this idea, expressed in the letter of privilege, found its way to Oslo so shortly after the signing of the letter, is most likely a testament to a speedy dissemination of the content of the letter. X. SAINT OLAF IN ‘HISTORIA ANTIQUITATE REGUM NORWAGIENSUM’ (C. 1180) The oldest Latin account of Olaf’s life and death which has survived complete from the Middle Ages, can be found in the chronicle ‘Historia antiquitate Regum Norwagiensum’, the History of the old kings of Norway. This chronicle, which has been transmitted in an early modern transcript of a now-lost medieval manuscript, was written by Theodoricus Monachus, a name provided by the author himself in the book’s prologue. The chronicle is dedicated to Archbishop Eystein. From internal textual evidence, ‘Historia antiquitate’ is known to have been composed in the period 1177–1188, but most likely the book was finished before Archbishop Eystein went into exile in England in 118355. In ‘Historia antiquitate’, Theodoricus provides a narrative of Olaf Haraldsson, which begins with his baptism in Rouen in 1014 or 1015, continues with Olaf’s return to Norway and battle against Svein Ladejarl and his son Håkon, his missionary effort in Norway and eventual exile to Russia, his return from exile, and ultimately the battle at Stiklestad and his death. This is the first narrative account to emerge from the intellectual milieu at the archbishop’s court, and as such – I argue – it is the first narrative which can definitely be said to present a holistic ecclesiastical representation of Saint Olaf. However, before I go into the details of this representation 54 55

See Inger ekreM / Lars Boje MorteNseN, Historia Norwegie, 10–24. See David McDougAll / Ian McDougAll ed., The Ancient History of the Norwegian Kings, London 1998, xi–xiii.

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and how it breaks with the traditional image of Saint Olaf, I need to emphasize the following: Even though ‘Historia antiquitate’ represents an ecclesiastical narrative of Saint Olaf’s story, it does not contain the ultimate version of the ecclesiastical image of Saint Olaf. I will expound the differences between the two later when discussing the details of the ‘Passio’. For now, let it suffice to say that although ‘Historia antiquitate’ does break with established non-ecclesiastical traditional image, and although it does provide important new details for the narrative of ‘Passio Olavi’, it does not represent the finalized, polished version of the ecclesiastical narrative. This polished version will be found in ‘Passio Olavi’ and – even more polished – in the liturgical chants, to which I will return later. The narrative of Olaf Haraldsson in ‘Historia antiquitate’ is presented in chapters 13, 15, 16, 18, 19 and 20, and this narrative is interspersed with digressions which are inserted partly to establish the place of Norway within Christian history56, partly to entertain and delight the reader, as Theodoricus himself states in the prologue and in chapter 1757. These digressions are of great interest to our understanding of the panoramic historical vision of Theodoricus, yet I will not discuss them here in great detail58. As stated, ‘Historia antiquitate’ breaks with the traditional representation of Saint Olaf, and this break can be seen already in the first chapter of the Saint Olaf narrative, namely chapter 13. This chapter is entirely dedicated to the baptism of Olaf Haraldsson, and is inserted right before the ultimate chapter of the ‘Historia’s’ narrative of Saint Olaf’s predecessor Olaf Tryggvason. The reason why the chapter on Saint Olaf’s baptism is inserted here is because there exists a tradition in which it is said that Saint Olaf was baptized by Olaf Tryggvason when the saint-to-be was still a child. This prompts Theodoricus to launch into a brief exposition on the issue of the baptism. In chapter 13, Theodoricus states that there are three versions concerning Saint Olaf’s baptism, and this underscores my postulation that the traditional image of Saint Olaf was one which lacked a coherent, authoritative representation59. According to one version, Theodoricus says, Saint Olaf was baptized as a young child at his mother’s home in Opplanda in Eastern Norway, and the baptism was performed by Olaf Tryggvason who happened to pass through the area. This tradition has most likely originated in Norway. According to the second version, however, Saint Olaf received baptism during his time in England as a mercenary to King Knud II – although Theodoricus omits any mention of Olaf’s warlike activities. Gustav Storm noted that this version was no longer known60. However, it is worth noting that this tradition bears a strong resemblance to the story of how Olaf Tryggvason received

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See Sverre BAgge, Theodoricus Monachus: The Kingdom of Norway and the History of Salvation (cf. n. 50), 76. Theodoricus Monachus, Historia antiquitate (cf. n. 51), 3 f., 31–34. For more details, see my PhD thesis, Steffen Hope, Constructing Institutional Identity through the Cult of Royal Saints, c. 1050–1200, Odense 2017, 131–137. Theodoricus Monachus, Historia antiquitate (cf. n. 51), 21–23. See Gustav storM, Monumenta historia Norvegiæ (cf. n. 51), 22, n.3.

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faith according to ‘Historia Norwegie’61, and it might be that the story in Historia Norwegie represents a confused account of the second version listed by Theodoricus. As for the third version of how Saint Olaf was baptized, Theodoricus states that he has read in a work called ‘Historia Normannorum’ that Olaf was baptized in Normandy by the Archbishop of Rouen, and that Olaf was brought there to help in the war against the king of France62. The work referred to by Theodoricus is most likely William of Jumièges’ ‘Gesta Normannorum Ducum’, whose title is either confused with the ‘Historia Normannorum’ of Dudo of St Quentin, or simply remembered by Theodoricus as ‘Historia Normannorum’ without the monk necessarily knowing Dudo’s work. After a description of the narrative in the Norman history, Theodoricus states that he himself does not know whether Olaf was baptized in England or in Normandy, but he is certain that Olaf most likely was baptized as an adult63. This statement represents a clear break with the traditional representation of Saint Olaf, since the story of a childhood baptism in Norway is written out of the question. That the so-called Norwegian version of the baptism continued to exist despite Theodoricus’ claim can be seen in the 13th-century vernacular accounts of Saint Olaf64. Theodoricus’ presentation of his historiographical discovery not only marks a break with the Norwegian tradition, it also became part of the foundation for the later polished version of the ecclesiastical image. This can be seen in the fact that in the first part of ‘Passio Olavi’, the account of Saint Olaf’s life and death, it is stated that the saint-to-be was baptized in Rouen65. This is undoubtedly based on Theodoricus’ account, for it is highly unlikely that he would present it as a new discovery had it already existed as a part of a hagiography about Saint Olaf66. Consequently, we can see a clear trajectory from ‘Historia antiquitate’ to ‘Passio Olavi’ and onwards to the works based on the ‘Passio’, namely the ‘Old Norwegian Homily Book’ and the liturgical office of Saint Olaf. It is not only by way of the baptism story that ‘Historia antiquitate’ breaks with the traditional representation of Saint Olaf. As mentioned above, Theodoricus does not mention Olaf’s mercenary activities in England, and although he is said to have been brought to Normandy to bring martial aid he is represented as a Christian and the mercenary aspect of this mission is glossed over. This means, in other words, that Theodoricus practically omits Olaf’s past as a raider, a mercenary, and a warrior. This was a past which was well known in the traditional representations, 61 62 63 64 65 66

See Inger ekreM / Lars Boje MorteNseN, Historia Norwegie (cf. n. 53), 92–95. See Theodoricus Monachus, Historia antiquitate (cf. n. 51), 21–23. Ibid., 23. For an overview, see Gunhild røtHe, Fortellinger om Olav den Helliges fødsel og dåp i sagalitteraturen, in: Inger ekreM / Lars Boje MorteNseN / Karen skovgAArD-peterseN, Olavslegenden og den latinske historieskrivning I 1100-tallets Norge, København 2000, 170–185. See Lenka Jirousková, Der heilige Wikingerkönig Olav Haraldsson und sein hagiographisches Dossier – Text und Kontext der Passio Olavi (mit kritischer Edition), vol. 2, Leiden 2014, 17. Lars Boje MorteNseN / Else MuNDAl, Erkebispesetet I Nidaros – arnestad og verkstad for olavslitteraturen, in: Steinar iMseN ed., Ecclesia Nidrosiensis 1153–1537 – Søkelys på Nidaroskirkens og Nidarosprovinsens histore, Trondheim 2003, 353–386, here 366.

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as seen not only in the 11th-century skaldic poems and ‘Geisli’, but also in the Latin and clerically composed ‘Historia Norwegie’. The fact that ‘Historia Norwegie’ does not gloss over Olaf’s violent past, further suggests that this omission in Theodoricus and later authors is a break with tradition starting in Nidaros at the archiepiscopal court. Theodoricus is an early step in this break, and even though his glossing over of Olaf’s warlike past is noticeable, a hint of this past still remains in his recounting of the narrative in the Norman history. Theodoricus, in other words, has thus not broken entirely with the traditional image. In ‘Passio Olavi’, however, Olaf’s past as warrior is completely omitted. ‘Passio Olavi’, therefore, represents a completion of the ecclesiastical image. Another way in which ‘Historia antiquitate’ breaks with the traditional representation is Theodoricus’ attempt at expounding the typological connections which place Saint Olaf within the wider framework of Christian history. This historical positioning of Saint Olaf can partly be seen in Theodoricus’ digressions, whereby the history of Norway is typologically connected with Christian, Roman and biblical history. We see here a conscious effort on the part of Theodoricus to bring Norwegian history into world history. This effort, however, goes beyond the narrative of Saint Olaf, and even in the narrative of Saint Olaf we see that Theodoricus not only seeks to connect Olaf typologically to other saints, but also to the Roman emperors, as is seen in chapter 15 where we are told that Olaf was elevated to the Norwegian kingship by his soldiers in the manner of the Romans67. Nonetheless, Theodoricus also connects Olaf typologically to other saints, and this is the first conscious attempt of such a connection we see in the literary history of Saint Olaf. Most prominently, this is found in Theodoricus’ description of Olaf’s death in chapter 19. Here, Theodoricus tells of how Olaf arranged for alms to be distributed for the praying of the souls of his enemies before the battle, and Theodoricus states that in doing so Olaf followed the example of Stephen Protomartyr68. The connection is therefore clear: Olaf is the new Stephen, the Protomartyr of Norway. There appears to have been an awareness of the typological connections between Olaf and Stephen already prior to the completion of ‘Historia antiquitate’. For instance, the second chapel to be built in the new cathedral was jointly dedicated to Saint Olaf and Saint Stephen. Furthermore, that Olaf’s remains were translated to the Church of Saint Clement on August 3, the second feast of Saint Stephen, suggests that such a connection was apparent already to Bishop Grimkell. However, what is also interesting to note is that this connection between Olaf and Stephen is not continued in ‘Passio Olavi’, the reasons for which I will discuss shortly. This lack of continuation of this typological connection strengthens my point that ‘Historia antiquitate’ does not contain a polished version of the ecclesiastical image of Saint Olaf. We will now move to the polished version.

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Theodoricus Monachus, Historia antiquitate (cf. n. 51), 25–28. Ibid., 41.

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XI. SAINT OLAF IN ‘PASSIO OLAVI’ The text now commonly known as ‘Passio et Miracula Beati Olavi’ has been the subject of prolonged and intense debate for more than a century, and much of this debate has centred on the questions of authorship and date. In the most recent scholarship, however, it is now agreed that the ‘Passio Olavi’ was compiled into its most complete form towards the end of Eystein Erlendsson’s archiepiscopacy, but that it was a product which had undergone several stages in its trajectory towards this ultimate form69. The details of this trajectory are still obscure, but a few main points can quickly be presented here: 1) A written account of miracles connected to Olaf must have been in place before the composition of ‘Geisli’ in 1153. This account was most likely written in Latin, as it must have originated at the shrine of Saint Olaf as a catalogue of miracles kept to advertise Olaf’s merits as a saint, and to provide liturgical readings for Olaf’s feast. 2) This original catalogue was expanded throughout the archiepiscopacy of Eystein Erlendsson, including at least one miracle account authored – if not penned – by the archbishop himself. 3) In the 1180s, a saint biography was authored and became the first section of the work now known as ‘Passio Olavi’. This biography drew in part on ‘Historia antiquitate’ by Theodoricus, it was most likely authored by Archbishop Eystein, either by himself or in collaboration with others such as Theodoricus, and this biography emphasizes Saint Olaf’s imitation of Christ. 4) The biography was written in order for ‘Passio Olavi’ to become a complete saint-biography, not just a mere catalogue of miracle accounts. It is likely that the miracula section of this saint-biography contains a selection of miracles which were purposefully picked from an accumulation of miracle stories. The criteria for this selection can only be surmised, but this will not be attempted here. 5) That all surviving manuscripts of ‘Passio Olavi’ from the High Middle Ages (until mid-14th century) come from outside of Norway suggests – I argue – a concerted effort on the part of the archbishop’s court to disseminate the cult of Saint Olaf beyond mainland Norway70. With these details in mind, we can turn to the question of how ‘Passio Olavi’ continues the break with tradition found in ‘Historia antiquitate’, and how ‘Passio Olavi’ presents a more polished version of the ecclesiastical image. The narrative of ‘Passio Olavi’ opens with a description of Norway. This description connects its northern location with the biblical typology of the north as a place of evil, expounded in Jer. (1,13–14), and Isa. (14,13–14). This is done to prepare the scene for Olaf’s missionary efforts, and it is stated that the warm winds of the south thawed the obdurate faithlessness of the evil northerners, first through the efforts of nameless missionaries, then again – later in the narrative and with greater effect – by Saint Olaf71. After this description comes a presentation of Olaf 69 70 71

See MorteNseN, Eystein and Passio Olavi: Author, Editor or Project Leader? (cf. n. 40), 77–85; Lenka Jirousková, Der heilige Wikingerkönig Olav Haraldsson und sein hagiographisches Dossier – Text und Kontext der Passio Olavi (mit kritischer Edition) vol. 1, Leiden 2014, 45–57. See also MorteNseN, Olav den helliges mirakler I det 12. årh.: streng tekstkontrol eller fri fabuleren? (cf. n. 38), 101–103, and Lenka Jirousková, Der heilige Wikingerkönig, vol. 1, 45–57. See Jirousková, Der heilige Wikingerkönig, vol. 2 (cf. n. 65), 15–18.

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as noble and righteous. He is here presented as a king even before his conversion, which effectively glosses over the Danish overlordship of Norway prior to Olaf’s accession to the Norwegian kingship in 1015. Even though he was a pagan, Olaf’s good qualities made him accept the faith after being instructed in England, and then made for Rouen in order to be baptized. Upon his return to Norway, Olaf begins his missionary effort, and in this process, he builds churches, ordains priests, overthrows idols, and even preaches himself. He is furthermore described as a lawgiver, and as an imitator of the example of Christ. Olaf is eventually forced into exile in Russia, where he continued his preaching until he was called home. Upon Olaf’s return from his Russian exile, he continued preaching and is described as having no intent to wage war on anyone, and he is therefore ambushed at Stiklestad rather than marching to meet his enemies there72. The most striking aspect of the image of Saint Olaf as it appears in ‘Passio Olavi’ is its complete abandonment of Olaf’s military features. While we saw that Theodoricus had only mentioned in passing that Olaf had a violent past, and that as a Christian instead of as a pagan, he made no attempt to hide Olaf’s martial efforts upon his return to Norway from Rouen, or during the battle of Stiklestad. In ‘Passio Olavi’, on the other hand, Olaf is presented as hastening to Rouen with the sole purpose of being baptized after having been taught about the Christian faith in England. Moreover, when he returns from his exile in Russia he comes as a preacher. Therefore, his appearance at Stiklestad is not premeditated but a result of his ambulatory preaching, and he is presented as being ambushed rather than seeking the enemy. When Olaf sees his enemies, he decides to take up arms for the sake of justice, but he is not afraid of martyrdom. It remains unresolved whether Olaf himself actually fought, according to ‘Passio Olavi’73. As with all saints, Olaf was also seen as emulating Christ in his life, deeds, and death. It was in this way all saints were expected to have some typological connection with Christ. In ‘Passio Olavi’, Olaf’s Christological features are not explicitly pronounced and we need to be careful in attempting to pinpoint the various forms of imitatio Christi. Several episodes in the short biography of Olaf in ‘Passio Olavi’ can be understood as imitations of Christ, but I will here only state – as an extension of what was stated in the previous paragraph – that Olaf is presented as an ambulatory preacher, not as a warrior, and as such bears a stronger resemblance to Christ in his deeds than in any of the older texts presenting Saint Olaf. Perhaps the most explicit expression of Olaf’s imitatio Christi, aside from his martyrdom which is the supreme imitatio, can be seen in the fact that Olaf is said to be “taking up the lot of the apostle”, apostoli vice fungens74. Similarly, although Olaf’s kingship is a central point in ‘Passio Olavi’, this is an idealised form of Christian kingship which draws on the biblical rex iustus figure as it had been filtered through medieval Christian tradition. Like this Christian ideal king, Olaf is seen establishing churches, promulgating laws, alleviating the suffering of the poor, and facilitating the spread of Christianity by the ordination 72 73 74

Ibid., 15–31. Ibid., 26–29. Jirousková, Der heilige Wikingerkönig, vol. 2 (cf. n. 65), 18.

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of priests, by his own preaching, and also by actively persecuting pagan religious practice. Furthermore, he is a humble king who spurns riches – drawing on ‘Historia antiquitate’ – and who is described as the Christian soldier as formulated by Paul in 1 Thess 5,8 and Eph 6,17. Throughout the short text, Olaf is several times referred to as Christi martyr, “Christ’s martyr”, and as Christi athleta, “Christ’s athlete”75. In those cases where his role as king is alluded to, however, this is done predominantly by reference to how unlike a typical secular king he is. This is perhaps most clearly expressed in the statement that he had [n]ichil regi fastus, nichil tirannidis, “nothing of the kingly pride, nothing of the tyrant”76. In short, Olaf is a king unlike other kings in this world, a king in name but not given over to the vices of secular kings. Even his actions which do stem from his kingship – the building of churches, the caring for the poor – are more those of an ecclesiastical leader than a secular king. In short, ‘Passio Olavi’ continues the trend already seen in ‘Historia antiquitate’ in which Olaf’s pagan past is more or less omitted and his military engagements are performed solely as a Christian, and in which Olaf is a humble king and a champion of Christianity. In ‘Passio Olavi’, however, this image glimpsed in ‘Historia antiquitate’ has become more refined, and not only has Olaf’s pagan past been reduced to a brief prelude to his baptism, but his kingship is transformed into that of a Christian ideal king, and his military activity is reduced to a defensive reaction to an ambush at Stiklestad. This shows that there has been a concerted effort within the institution housing Saint Olaf’s relic to reconstruct the sanctity of Saint Olaf and to formulate an image which exhibits ecclesiastical ideals and which breaks with an existing tradition. This ecclesiastical image is more refined in ‘Passio Olavi’ than in ‘Historia antiquitate’, but it is even more refined in the liturgical office, to which I will now turn. XII. SAINT OLAF IN THE LITURGY The liturgical office comprises a cycle of chants and lessons – prose readings based on the saint-biography – to be performed by the community of monks and clerics throughout the saint’s feast day. The dramatical high point of this cycle is the service at Matins – celebrated three hours after Compline, so usually at three in the morning – where the historia of the saint is performed. The historia is the presentation of the saint’s life and deeds as expounded in the combined narrative of chants and lessons during Matins. In those cases where the saint was celebrated with his or her own office, the service of Matins provided the main outlet for a presentation of the saint’s narrative, and consequently it is at Matins we can expect to find the most refined version of the saint’s image as it was formulated by the institution which served as the saint’s cult centre. This is the case for Saint Olaf, and in the following I will give a brief exposition of how the ecclesiastical image – already refined in 75 76

Ibid., 24. Ibid., 22. My translation.

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‘Passio Olavi’ – finds an even more refined formulation in the surviving material for Saint Olaf’s office. The problem for any scholar engaging with the liturgy for Saint Olaf is that very little has survived from the Middle Ages. Complete versions of the office can be found in late-medieval printed breviaries, such as ‘Breviarium Nidrosiensis’ which was printed in Paris in 1519 on the commission of Archbishop Erik Valkendorff, or the Skara breviary from Sweden77. However, these breviaries contain internal differences in the texts for the lessons, and accordingly we cannot know whether these lessons were also included in the original version of the office. For the high-medieval liturgical presentation of Saint Olaf we are therefore reduced to a number of manuscript fragments, and of these fragments only three are from the 13th-century date and have a clear provenance in the Nidaros archbishopric and can therefore be said to contain the image of Saint Olaf as formulated by the cult centre78. We do not know when the office for Saint Olaf was composed, but it is likely 1) that composition was at the very least begun during the reign of Archbishop Eystein, and 2) that its final version was composed after the completion of ‘Passio Olavi’ since it contains a lot of material from the biography which was most likely the last part of the ‘Passio’ to have been authored. Whether the office as found in the 13th-century fragments also draws on earlier liturgical material cannot be determined. We do know that there must have been a liturgy for Olaf’s feast in place before the composition of the office, but it is likely that this liturgy drew on the commune sanctorum, the repertoire of liturgical chants commonly used throughout Catholic Christendom. In the office as it has been reconstructed from the 13th-century fragments, we do see clearly how the ecclesiastical image as found in ‘Passio Olavi’ has reached its ultimate point of refinement79. Roughly speaking, we can divide the liturgical image into four facets which illustrate which features of Saint Olaf were seen as most important to those composing his liturgy at the archbishop’s court. In ascending order of importance – judged on number of references in the chants – these four features are 1) Olaf as an adult convert to Christianity, 2) Olaf as martyr, 3) Olaf as a rex iustus, and 4) Olaf as the apostle of Norway. As evidenced by its treatment in ‘Historia antiquitate’, the adult conversion of Saint Olaf in Rouen is a feature introduced into the Norwegian discourse as a part of the incipient ecclesiastical image presented by Theodoricus Monachus. This conversion story offers a break with existing traditions, is supported by historiographical evidence from the continent – which thus puts Latin learning above 77

78 79

See østreM, The Office for Saint Olav (cf. n. 46), 16–85. The office for Saint Olaf in the Skara Breviary has recently been transcribed, edited and translated by Roman HANkelN, published in the booklet for the CD recording of a performance of the office by Consortium vocale Oslo and Graces & Voices, released by LAWO Classics, 2016. These fragments are Copenhagen, Det Kongelige Bibliotek, MS. Add 47, Oslo, Riksarkivet, N-Ora, lat.fragm. 1018, and an unnumbered Icelandic fragment from Reykjavik National Archives. For more details see østreM, The Office of Saint Olav (cf. n. 46), 240 f. An edition of this office has been assembled from the manuscript fragments by comparison with the Nidaros breviary, and with invaluable aid from Professor Roman Hankeln in Trondheim. This edition will be included as an appendix in my PhD thesis (cf. n. 58).

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vernacular and/or oral tradition – and it continues as a fixture in the texts by which the ecclesiastical image of Saint Olaf is formulated. The importance of Saint Olaf’s conversion in the office is testified to by the fact that it is narrated throughout the first five antiphons80, and also in the third responsory81. Saint Olaf’s role as a martyr is of great importance in the narrative of Saint Olaf, since it is the culmination of his imitatio Christi and his life on earth. In the construction of the ecclesiastical image the martyrdom is important, but it is not of primary importance. Throughout the vita Saint Olaf is referred to as Christ’s martyr, and Saint Olaf’s martyrdom is presented in a way that makes it seem like a Gethsemane scene. In the office, Saint Olaf is addressed as a martyr in the chants for Vesper, which is the beginning of the office cycle and celebrated at dusk on the day before the saint’s feast-day. These chants are, however, not composed specifically for Saint Olaf but are instead drawn from the common repertoire82. In the service of Matins, however, Saint Olaf’s martyrdom is found – either by reference or as a more elaborate narrative – in five responsories. This frequency clearly indicates that Olaf’s martyrdom was an important part of the ecclesiastical image. This is especially the case since these responsories were responses to the lessons, and we should expect the corresponding five lessons – or at least some of them – to have contained references to the martyrdom as well. Saint Olaf as the rex iustus was a very important part of the reconstruction of Saint Olaf’s sanctity since it casts his kingship and his performance of that kingship in an idealized Christian mould. In the office Saint Olaf’s kingship is referred to in three antiphons and three responsories (and thus presumably three lessons). Among these chants, his kingship is presented more clearly as that of a rex iustus in the responsories and the last of the three antiphons (number six). The features presented in these latter chants are humility and meditation on heavenly matters (first responsory), justice (third responsory), adherence to divine law (sixth antiphon), and the construction of churches (sixth responsory). Together, these chants formulate the kingship of Saint Olaf in distinctly idealized Christian terms83. The most important feature of the ecclesiastical image, however, is Saint Olaf’s role as the apostle of Norway. We saw this already in the case of ‘Passio Olavi’, where Olaf’s apostleship is presented as a dominant aspect of his kingship. As such, Saint Olaf the apostle can be understood as representing yet another break with the traditional image, because it presents a contradiction to the kind of militant, secular 80

81

82 83

An antiphon is a chant performed in conjunction with the psalms, and is usually sung before and after a psalm. In the Matins service for Saint Olaf there are nine antiphons. The antiphons are usually short in terms of text, and the text tends to be proper to the saint in question, i. e. specifically composed for that saint. A responsory is a chant sung after a lesson, and functions as a response to that lesson (hence its name). In the Matins service for Saint Olaf there are nine responsories. The responsory is divided into three parts, the responsum, the verse, and the repetenda. The text of the responsory is usually proper (see previous note), and is most often slightly longer than the antiphon. See Roman HANkelN, Eysteins liturgi og dens europeiske musikk, in: Eysten Erlendsson – Erkebiskop, politiker og kirkebygger, ed. Kristin BJørlykke / Øystein ekroll / Birgitta Syrstad grAN et al., Trondheim 2012, 135–147. An edition is included as an appendix in my PhD thesis (cf. n. 58 and n. 79).

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kingship contained both in the skaldic poetry as well as in the early stage of the ecclesiastical image represented by Theodoricus’ ‘Historia antiquitate’. The ecclesiastical image in its most refined form, i. e. the liturgical office, presents Saint Olaf not only as an apostle but as a contradiction of the existing tradition. This is seen in the eighth antiphon, where it is stated that Olaf represents [n]ovo rerum ordine, a new order of things, since he is a king who is not a king but an apostle84. This formulation is heavy with reformist ideology in that it suggests a supremacy of the church over secular powers, since the king is behaving as an ecclesiastical leader. This demonstrates how far removed Olaf’s Christian kingship in the liturgy is from the militant kingship celebrated by the skalds. Furthermore, the importance of Saint Olaf’s apostolicity in the office is demonstrated by references to it in four antiphons and four responsories (and thus presumably four lessons). XIII. CONCLUSION The formulation of the ecclesiastical image of Saint Olaf, which I also refer to as a reconstruction of Saint Olaf’s sanctity, must be understood as a part of Archbishop Eystein Erlendsson’s wider ambitions for the institution of the Norwegian archbishopric. The surge in textual production centred on the cult of Saint Olaf in the later 12th century shares its fundamental purpose with the erection of the new stone cathedral and the reshaping of the Norwegian kingship, namely to strengthen the standing of the Norwegian church and its ecclesiastical liberty according to contemporary reformist ideals. The reconstruction of Saint Olaf’s sanctity was not merely a matter of appropriating Norway’s most important saint for the church, it should probably also be understood as an execution of reverence towards the saint. The liturgical office, the purest representation of the ecclesiastical image, was not only a way for the archbishop to instruct the clerics and monks of the Norwegian church organization in how to pay reverence to their patron saint. It was also a form of communication directed at the celestial ambassador, and therefore it was necessary to address the saint according to how the saint would prefer to be addressed (according to the expectations of those who composed the liturgy). In the liturgical texts, we see that the Saint Olaf was predominantly formulated as a convert, a martyr, a rex iustus, and – most important of all – the apostle of Norway who by his own preaching followed the example of Christ, converted the Norwegian people, and subverted the standards of secular kingship. That the ecclesiastical reconstruction of Saint Olaf’s sanctity was a break with an existing tradition can be understood in several ways. In part, we should probably understand this reconstruction as a correction of mistakes contained within the traditional image. This can for instance be seen in the story of Saint Olaf’s conversion. Here Theodoricus Monachus could provide evidence contradicting other traditions, and the importance of this discovery to the archbishop and his circle can be seen in the insistence on the corrected version of the baptism story throughout the texts of 84

Ibid.

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an ecclesiastical production in this period. The insistence on Saint Olaf’s baptism in Rouen might have sprung from the possibility it afforded to make a break with the traditional representation of Olaf, but we should be careful in positing such a desire as a rationale for this detail, even though that desire is more than evident in other aspects of the ecclesiastical reformulation. The reconstruction of Saint Olaf’s sanctity should in part also be understood as way of breaking with a tradition whose representation of Saint Olaf was incompatible with the ideals of kingship held by the reformist church. Whereas the traditional image of Saint Olaf represented him as a warrior and a secular king, the ecclesiastical image minimized his military role and subverted the secular kingship. This was an appropriation of the figure of Saint Olaf, presumably in part born from a belief that this was how Saint Olaf actually wanted to be addressed, and in part because it offered the Norwegian metropolitan church full authority over how Saint Olaf was to be understood, formulated and represented throughout the Norwegian archbishopric. The formulation of the ecclesiastical image can be understood as the clerical elite’s attempt to direct and control the veneration of Saint Olaf throughout the archbishopric, and as an attempt to correct what must have been seen as misguided veneration of a saint whose militant and secular features were incompatible with their own ideals. We do not know to what extent the archbishop and his circle expected their reformulated image to be spread among the secular estates of medieval Norwegian society. Judging from the spread of manuscripts containing ‘Passio Olavi’ and the liturgical office for Saint Olaf – either entirely or in fragmentary form – there seems to have been a deliberate effort to disseminate the ecclesiastical image throughout the Northern European ecclesiastical sphere85. Whether a similar effort was undertaken to disseminate the ecclesiastical image to a non-Latinate audience within the archbishopric itself is impossible to say. We do have a vernacular translation of ‘Passio Olavi’ contained in the ‘Old Norwegian Homily Book’, written in Bergen in a monastic environment around 1200, and this clearly shows that the ecclesiastical image was being disseminated by way of vernacular texts. And since this is found in a vernacular homily we might expect the ecclesiastical image to have been disseminated verbally through such homilies. But the scarcity of vernacular sources conveying this ecclesiastical image, and the lack of knowledge concerning how widely this vernacular homily written down c. 1200 was actually disseminated prohibit any sweeping statements on this issue. Furthermore, we do not know to what extent the ecclesiastical image was disseminated in the churches throughout the Norwegian archbishopric. Although we know little about the dissemination of the ecclesiastical image of Saint Olaf within the Norwegian archbishopric, we do know that it did not endure as strongly as did the traditional image. This can clearly be seen in the number of vernacular accounts about Saint Olaf written in the 13th century, most famously the saga of Saint Olaf contained in Snorri Sturlusson’s ‘Heimskringla’ (c. 1230) 85

For an explanation of this dissemination, see Jirousková, Der heilige Wikingerkönig, vol. 1 (cf. n. 69), 31–44.

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and in the so-called ‘Legendary Saga’ (mid-13th century)86. The reason for this can only be surmised, but it might in part be explained by the strength of the vernacular history writing which existed independently of the archiepiscopal elite. The ecclesiastical image retained its place of importance within the church organization up until the Reformation, since a breviary containing the liturgical texts for the office of Olaf, the ‘Breviarium Nidrosiensis’, was printed as late in as 151987. However, the ecclesiastical image of Saint Olaf did not gain as widespread popularity as the traditional image contained in Snorri’s histories and other vernacular accounts.

86 87

See Theodore M. ANDerssoN, “King’s Sagas”, in: Old Norse-Icelandic Literature – A Critical Guide, ed. Carol J. clover / John liNDoW, Toronto et al. 2005, 197–238, here 212. Breviaria ad Usum Ritumque Sacrosancte Nidrosiensis Ecclesie, facsimile printed in Oslo 1965.

FORMING AND FASHIONING EARLY SCANDINAVIAN SANCTITY: LITURGY AND ITS NARRATIVE CONTEXT Sara E. Ellis Nilsson Abstract This paper explores how local saints were constructed in early medieval Scandinavia. Focussing on the eleventh to the thirteenth centuries, it specifically considers how four female saints fit into the new narratives which were created in the process of the Christianization of Scandinavian society. What made female Scandinavian saints unique? How did they fit into the larger, over-arching Christian narrative? By studying the composition of new, unique liturgical texts, this study suggests that mythopoetic moments can instead be seen as movements. The textual communities which authored these texts and their interconnectivity are thus related to the active and permanent establishment of emerging cults.

During the early medieval period, new Christian communities in Scandinavia were in the process of adapting to the new norms and considerations of their new religion, creating a new identity. Since at least the era in which Tacitus wrote his ‘Germania’, the region itself had been considered to have been on the periphery or the fringes, “up north”, full of monsters and beasts1. In order to modify this image of themselves, these new Christian communities needed to directly connect themselves with the official centre of their new religion, as well as create new ones. One way in which this could be accomplished was through the creation of new holy places in the region. Thus, the elevation of local holy men and women to the sainthood or the incorporation of existing, universal cults into society generated new cultic centres and contributed to this incorporation of the periphery into the centre. As part of writing the periphery into the centre, it is evident that the concept of sanctity was inherently plural2. In order to further illuminate this fact, the following article analyzes how four women were transformed into saints and how they contributed to those narratives which led to the incorporation of Scandinavia into the Christian world. Of primary interest is how the saints were constructed and the 1

2

Tacitus, ‘Germania’, Book 1.1. See also Zoë M. TAN, ‘Subversive Geography in Tacitus’ Germania’, Journal of Roman Studies 104 (2014), 181–204; https://doi-org.proxy.mah.se/10.1017/ S0075435814000021 [accessed on 16 August 2017]; and, in relation to hagiography, Steffen Hope, ‘From the Ends of the Earth: The Typology of the North in Medieval Hagiography’, Paper 1506-a, Session: Spiritual Nourishment on the Medieval Peripheries, I. The International Medieval Congress, Leeds 2016. See also the other contributions to this volume. It is also important to keep in mind that the new religious movements of the thirteenth century influenced the concept of sanctity and, for a time, led to an increase in the creation of saints – both men and women – during that century. See, e. g., Thomas HeAD, ‘Introduction’, in: Medieval Hagiography. An Anthology, ed. Thomas HeAD, London 2001, xiii–xxxviii, here xxii–xxiii.

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means used in their construction. Although focusing only on female saints reveals merely a fraction of the whole picture, this study should be seen as an in-depth study of one of these aspects of sanctity. It is important to highlight these women, unique in Scandinavia, as they were not connected to a religious house as were most of the male saints3. Moreover, the majority of these women were not royal. This fact – that all of the early female saints were members of the laity – is particularly important to study as it has the potential to lead to a greater understanding of why the laity were needed in the creation of a Christian narrative for Scandinavia. In the following article, the earliest, initial construction of these four saints is presented. However, the construction of these saints was an ongoing process, something that changed over time and according to place4. In general, the cults of saints were of course not static, but rather mutable and dynamic – both temporally and spatially. Their creation and development contributed to a continued renewal within the cult of saints and, indeed, even within the Christian religion. The following considers the beginning of that process. I. LITURGY AND THE CONSTRUCTION OF LOCAL SAINTS A saint can be created or promoted in a variety of ways, one of which is through writing. Different genres of hagiographical texts exist which served this purpose, for example, the vita and the lessons for the Offices in the liturgical Proprium de Sanctis (Proper of Saints). In fact, it is important to remember that the liturgy was an important, everyday aspect of life for the clergy and nuns. In order to celebrate the rituals of the new religion such as the mass, certain special tools, including liturgical books, were necessary. Initially, many of these books would have been imported; however, as local production became more common, the idea of creating new texts would have been considered – including those related to the creation of new saints and new interpretations of sanctity. One way to show that this society properly adhered to the larger Christian community would have been through the composition of new liturgy for new saints. Inclusion in the liturgy indicated official recognition of a person’s sanctity, while the creation of a new, unique (proper) liturgy was an important step in solidifying and legitimizing an emerging cult5. A new (official) saint had to be incorporated into the ecclesiastical year and its ritual cycle of prayer. It is important to consider who was responsible for the creation of new liturgical texts, as well as when and where they were composed. 3

4 5

With the exception of Botvid. For an overview of most of the well-known Scandinavian holy women throughout the medieval period, see Claire sAHliN, ‘Holy Women of Scandinavia: A Survey’, in: Medieval Holy Women in the Christian Tradition, c. 1100 – c. 1500, ed. Alastair MiNNis / Rosalynn voADeN, Turnhout 2010, 689–723. For St Ansgar, see the chapter by Paul gAzzoli in this volume. See, among others, Sara ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery. A Study of the Emergence of Cults of Native Saints in the Ecclesiastical Provinces of Lund and Uppsala from the Eleventh to the Thirteenth Centuries, Gothenburg 2015.

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The tradition that is represented in the creation or construction of these saints often reflects influences from the conversion period. For example, as seen in the Scandinavian material, certain cultic elements were most likely influenced by English missionaries who came from an area with a strong tradition of many local saints. For instance, many noteworthy holy people were often elevated to sainthood in Anglo-Saxon England6. The creation and continued construction of saints is not restricted to the initial stages of the cult of saints in the early Middle Ages (or even Late Antiquity). Active involvement in the creation and construction of holy people was still evident in the thirteenth century and throughout the later Middle Ages. This continuation of renewal is reflected in the results of a study on an Italian saint, Clare of Assisi, and other Franciscan holy women7. In this case, the construction concerned both the saint and a “religious identity”. The idea that a female Franciscan order was built around Clare and initiated by St Francis was a “devotional” rather than a “historical” concept8. This saint-creation clearly exemplified a mythopoetic moment for the Clarisses9. Furthermore, it provides a process parallel to that in other areas. II. WOMEN IN THE NEW CHRISTIAN NARRATIVE The place of holy women in this new Christian narrative is related to mythopoetic moments10. These have been explored in relation to Scandinavia especially as they are expressed in Aelnoth’s ‘Gesta Swegnomagni Regis et filiorum eius et passio gloriosissimi sancti Canuti Regis et martyris (Passio)’ – written between ca. 1110 and 111711. According to related research, the mythopoetic moments which occurred in Norway, Denmark, and Hungary were also reflected in hagiographic literature, not just historiographic12. It was vital to promote new local forms of cults of saints, both “imported”, universal saints and those from the region. However, native saints were especially needed in order to fully integrate these areas into the Christian world and they are reflected most clearly in mythopoetic moments13. 6

See, e. g., Catherine cuBitt, ‘Universal and local Saints in Anglo-Saxon England’, in: Local Saints and Local Churches in the Early Medieval West, ed. Alan tHAcker / Richard sHArpe, Oxford 2002, 423–53. 7 See Lezlie S. kNox, Creating Clare of Assisi. Female Franciscan Identities in Later Medieval Italy, Leiden 2008, e. g. 15; 20–21; 34–35; 98–99; 105; 107; 186–188. 8 kNox, Creating Clare of Assisi (cf. n. 7), e. g. 15; 20–21; 34–35; 98–99; 105; 107; 186–188. 9 kNox, Creating Clare of Assisi (cf. n. 7), 87–89. See below on mythopoetic moments contra movements. 10 These can be better described as mythopoetic movements. See below. 11 See Lars BoJe MorteNseN, ‘Sanctified Beginnings and Mythopoetic Moments. The First Wave of Writing on the Past in Norway, Denmark and Hungary, c. 1000–1230’, in: The Making of Christian Myths in the Periphery of Latin Christendom (c. 1000–1300), ed. Lars BoJe MorteNseN, Copenhagen 2006, 247–73, here 247–249. 12 See, e. g., Patrick geAry, ‘Reflections on Historiography and the Holy: Center and Periphery’, in: The Making of Christian Myths in the Periphery of Latin Christendom (c. 1000–1300), ed. Lars BoJe MorteNseN, Copenhagen 2006, 323–329. 13 See ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 25.

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Arguably, the term mythopoetic movements more clearly highlights the fact that these were not just isolated moments but conscious decisions by authors – sometimes with conflicting agendas – made in order to write regions into an overarching narrative. In the medieval period, including the lives of holy people, who were later venerated as saints, this narrative was a vital strategy in the process of writing Scandinavia into the predominant Christian history. One way in which to detect these movements is to identify the details from saints’ legends that were probably additions14. For example, in the Swedish material, the addition of St Sigfrid and his nephews to St David’s legend or the later attempts to connect the lives of other saints in their legends reflects a conscious creation of a history of sanctity for the Swedish ecclesiastical province and emerging kingdom15. Thus, the conversion myth for Scandinavia also developed gradually during the medieval period and was not originally part of the plan in the composition of all of the lives of the saints16. In the conversion period, however, it is unclear what place holy women had in this narrative. In general, besides the early veneration of the Virgin Mary as seen on rune stones, there is a lack of evidence for any early cults dedicated to local women – or men. The first local saints assigned to the missionary period are men, either holy clerics (usually itinerant, missionary bishops) or holy (albeit violent) kings17. By the tenth century, the first woman had been sanctified, and by the thirteenth, there were a number of women in Scandinavia who were later connected to the conversion period through their hagiographies. For instance, two of the four women discussed in this article, Sunniva and Elin, were explicitly stated to have been active during the conversion or missionary period of their respective regions, although the construction of their liturgical cults did not occur until the twelfth and early thirteenth centuries respectively18. On the other hand, Margaret and Magnhild were firmly a part of the Christian culture of the early thirteenth century. The early extant sources for the cults of these four women are of a disparate nature. Offices and feast days were created for Sunniva and Elin providing a clear liturgical context for their cults, while the sources for Margaret only include a legend and an account of her translation as well as one instance of a feast day. Those for Magnhild are fragmentary and entirely non-liturgical. These four individuals were initially venerated in what became the kingdoms of Norway, Sweden, and Denmark – or the ecclesiastical provinces of Nidaros, Uppsala and Lund. In the following, the different social contexts surrounding 14 15

16 17 18

See BoJe MorteNseN, Sanctified Beginnings and Mythopoetic Moments (cf. n. 11); ellis NilsCreating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 25. For the construction of St Sigfrid, see the chapter by Christian oertel in this volume, as well as ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 86–87; 175–181; Sara ellis NilssoN, ‘Holy Validation. Saints and Early Liturgy in Scandinavia’, Mirator 15 (2014), 1–15, here 4–8; Sara ellis NilssoN, ‘Att skapa ett helgon i det medeltida Norden. Berättelser om S:ta Elin och S:t Sigfrid’, in: Personligt talat, ed. Maria sJöBerg, Göteborg 2014, 293–302; Toni scHMiD, Den helige Sigfrid I., Lund 1931. See ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 93. As a member of the laity, Botvid provides a clear exception to this rule. Sunniva and/or her shrine are also mentioned in earlier, historiographical sources. See below. soN,

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the Christianization – which included the gradual integration of Scandinavia into Christian (western) Europe – will be explored in relation to the promotion of these female saints. It is important to note that, in the following, slightly more attention has been given to Sunniva and Elin due to the early, more detailed evidence of the local construction of their cults on a liturgical level. The hagiographical texts that were written about Margaret are of a different character (and definitely not liturgical), while Magnhild occupies an entirely different space in her construction. III. AN IRISH SAINT FOR NORWAY: ST SUNNIVA According to her early legend, Sunniva (fig. 1) was an Irish princess who lived in the mid-tenth century and, due to her piety, fled from her wealth and a prospective marriage with her companions, the “men from Selja” (Seljumannamesse)19. They settled

Fig. 1: St Sunniva from a Late Gothic Altarpiece (c. 1520s). ‘St. Sunniva’ by Svein Skare – Universitetsmuseet i Bergen © is licenced under CCVY­NC­ND 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by­nc­nd/3.0/deed.sv) 19

Unfortunately, Sunniva’s original Office is not extant. The oldest surviving version is from the later printed Breviary, while her legend is also found in later printed breviaries from Skara and Nidaros (Trondheim). See Lars BoJe MorteNseN, (Legenda) / Åslaug oMMuNDseN (Officium), Sancta Sunniva, Bergen 2013; https://wikihost.uib.no/medieval/index.php/Sancta_Sunniva

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on the Selja islands off the west coast of Norway as hermits, living in caves. The group was hunted down by King Håkan Jarl (ca. 975–995)20, and after praying to God to cover them with rocks they avoided his attack but died in the collapsing caves. Through a miracle involving a shaft of light spotted by seafaring merchants, Sunniva’s bones were discovered during the reign of Olaf Tryggvason (996) and declared to be that of a holy woman. Therefore, Olaf Tryggvason built a church, after which numerous additional miracles occurred21. By the mid-eleventh century, the island of Selja itself was well known in the north as a place of pilgrimage, and even mentioned by Adam of Bremen in his ‘Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum’22. Eventually, in about 1170, Sunniva’s relics were translated to Bergen, while a legend and a first Office for her feast were probably written at this time. IV. THE CONSTRUCTION OF SUNNIVA AS A SAINT Evidence for the spread of Sunniva’s feast day and cult throughout Scandinavia can be found in a number of sources. In addition to Adam of Bremen, Sunniva’s reliquary is mentioned in the late-eleventh century ‘Historia de profectione Danorum’23. Moreover, her legend was known to Oddr Snorrasson on Iceland when he wrote his biography of Olaf Tryggvason in the late-twelfth century24. Further evidence of the spread and appeal of Sunniva as a saint is in the fact that her feast day appears in early Calendars from the dioceses of Skara and Turku (Uppsala province): in Skara with three lessons (July 11) and in Turku with nine lessons25. Despite this evidence from the Calendar material, the oldest surviving version of her Office is from the ‘Breviarium Nidrosiense’ (1519)26. There is no evidence of a proper (i. e. unique) Office for her in the thirteenth-century ‘Ordo Nidrosiensis Ecclesiae’, but this is probably due to a lack of source material from Bergen27. Unfortunately, no fragments of her early Office exist either, although it was almost certainly written in the thirteenth century. Therefore, the contents of her legend – written in the twelfth century, presumably to celebrate her translatio – will also be considered in this article’s analysis of the initial use of Sunniva in this mythopoetic movement28.

20 21 22 23 24 25 26 27 28

[accessed on 16 August 2017]; See also Stefan BorgeHAMMAr, ‘Den latinska Sunnivalegenden. En edition’, in: Selja – heilag stad i 1000 år, ed. Magnus riNDAl, Oslo 1997, 270–292. Also known as ‘the Wicked’. Details of these miracles are not found in Sunniva’s legend. ADAM oF BreMeN (1070), ‘Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum’, Book IV, schol.145, in: Quellen des 9 und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der hamburgischen Kirche und des Reiches, eds. W. trillMicH / R. BucHNer, Berlin 1961, 135–503. See BoJe MorteNseN/oMMuNDseN, Sancta Sunniva (cf. n. 19). See BoJe MorteNseN/oMMuNDseN, Sancta Sunniva (cf. n. 19). In Turku, it was a high-ranking liturgical feast. See BoJe MorteNseN/oMMuNDseN, Sancta Sunniva (cf. n. 19). See BoJe MorteNseN/oMMuNDseN, Sancta Sunniva (cf. n. 19). The contents of the two would most likely have been similar as they were a part of the same mythopoetic movement.

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As Thomas DuBois has written, the early Christian tradition “lies at the root of the cult of St. Sunniva”29. That is, Sunniva leaving her home to find a secluded island on which to live reflects early eremitism in Egypt and then later in Ireland. In this tradition, holy men and women searched for secluded, remote places for contemplation but, ironically, they also attracted followers who settled in huts, caves, or cells nearby. Sunniva personifies a strong Celtic influence in western Norway which was evident by the eighth century as the eremitism of the British Isles spread throughout the North Atlantic30. In addition, anchoring a new saint firmly in the eremitic tradition clearly associated Norway with longstanding Christian areas. Bishop Sigurð of Bergen and King Olaf Tryggvason have been identified as those chiefly responsible for confirming Sunniva’s sanctity and establishing her official cult. The building of the chapel and investigation into the authenticity of her miracles was an important step in accepting and promoting this saint as one of Norway’s own. The importance of episcopal authority in the creation of a cult, and thereby the construction and acceptance of a person as a saint, shines through in Sunniva’s legend31. A number of aspects of Sunniva’s life were particularly highlighted or emphasized in the construction of her sanctity. Specifically, Sunniva’s legend reveals a woman following the twelfth century ideals of leaving the comforts of home and rejecting marriage to live a life of celibacy and devotion to God32. Sunniva is also presented as courageous and extremely holy, while one of her great achievements includes remaining a virgin33. Sunniva’s behaviour – leaving home and fleeing to the wilderness – is of course related to the ancient eremitic tradition mentioned above. In this case, the wilderness is pagan Norway34. By acknowledging her sanctity, Olaf and Sigurð actively connected their area of the world to a wider Christian tradition. Furthermore, Sunniva’s presence in Norway sanctifies it, removes it from the peripheral wilderness, and ties it into the wider Christian sphere. The mentioning of Christian and pagan kings, as well as including her story in a national history, ensures Sunniva’s place in the new Christian history of the kingdom. In her Office, Sunniva is also described as the patrona Norvegie and patrona bergensium35. These two areas are highlighted as areas of her special interest and

29 30 31 32 33

34 35

Thomas A. DuBois, ‘Sts Sunniva and Henrik: Scandinavian Martyr Saints in Their Hagiographic and National Contexts’, in: Sanctity in the North. Saints, Lives and Cults in Medieval Scandinavia, ed. Thomas A. DuBois, Toronto 2008, 65–99, here 76. See DuBois, Sts Sunniva and St Henrik (cf. n. 29), 76. See DuBois, Sts Sunniva and St Henrik (cf. n. 29), 80. Cf. DuBois, Sts Sunniva and St Henrik (cf. n. 29), 87. The superiority of virginity can be traced back to the Acts of Paul and Thecla at the latest. Maintaining one’s virginity was seen as a privileged and desirable status. Its universality is reflected in the fact that it is found in continental, Irish and Anglo-Saxon models. See, e. g. Dyan elliot, ‘Flesh and Spirit: the Female Body’, in: Medieval Holy Women in the Christian Tradition, c. 1100 – c. 1500, ed. Alastair MiNNis / Rosalynn voADeN, Turnhout 2010, 14–46, here 18–20. Note the connection to the above discussion of the north as wild and untamed. See BoJe MorteNseN/oMMuNDseN, Sancta Sunniva (cf. n. 19). (2) Officium.

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she is to come to the aid of those who call on her – a topos and sanctity requirement for all saints. In the lessons for the Office, there are a number of miracles not recorded elsewhere36. Except for one instance of a shipwreck, they are all healing miracles. For example, there are two separate instances of a boy and a man falling from great heights. The former is brought back from the dead, while the latter’s fall is cushioned by a whirlwind. In two other miracles, a blind girl’s sight is restored, while a paralyzed woman regains her mobility37. All of these miracles reinforce Sunniva as worthy of veneration. They also reflect her acceptance by the local community. Explicitly connecting Sunniva to Ireland – an area known for its island eremitic tradition – was an important element in this mythopoetic movement to firmly establish a new identity for, especially, the bishopric38. In fact, in the Office, thanks are given for the fact that these saints (which includes Sunniva’s companions) had been sent from Ireland. Moreover, in Oddr’s biography, Sunniva’s and St Alban’s stories were renewed and modified so that they intertwined39. In this version, Alban was said to be her brother. This inclusion of other regional or native saints in each other’s legends reflects a need to construct bonds between and among Christian communities within the conversion period narrative. V. A WIDOW AND A SAINT: ELIN (HELENA) OF SKÖVDE Several hundred years after Sunniva, in the twelfth century, a woman named Elin (Helena or Elena in the Latin sources) lived in or near Skövde (modern-day Sweden). In the lessons for her Office and in her later legend, it is claimed that she was canonized in 1164, although no contemporary evidence for this exists40. However, as part of her construction as an official saint in the thirteenth century, it was imperative to acknowledge the papal prerogative in canonizations – especially after 1234 – and the claim was inserted and copied in a number of disparate sources41. The lessons for Elin’s Office focus on her good works and her martyrdom. They relate that she donated money to build a church in Götene. A pivotal event in the vita is when Elin’s son-in-law was killed by his servants who were reportedly tired of witnessing the abuse to which he subjected their mistress (Elin’s daughter). Unable to believe that they acted of their own accord, the son-in-law’s relatives blamed Elin for the deed. According to the story, Elin wished to avoid her daughter’s in36 37 38 39

40 41

See BoJe MorteNseN/oMMuNDseN, Sancta Sunniva (cf. n. 19). (2) Officium. See BoJe MorteNseN/oMMuNDseN, Sancta Sunniva (cf. n. 19). (2) Officium. O’Hara also sees this as a possible reflection of continental models. See Alexander o’HArA, ‘Constructing a Saint: The Legend of St Sunniva in Twelfth-Century Norway’, Viking and Medieval Scandinavia 5 (2009), 105–21. In Oddr’s biography of Olaf Tryggvason. See DuBois, Sts Sunniva and St Henrik (cf. n. 29), 69–70. As Dubois also discusses, it is important to note that this connection between the two saints is later corrected by Jón Þórðarson in Flateyjarbók due to their geographical incompatibility. See ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 85. See ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 85.

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laws and thus undertook a pilgrimage to Jerusalem. Upon her return, Elin was killed by her son-in-law’s relatives on her way to consecration of church in Götene. The lessons for her Office also relate a number of miracles, for instance that a spring appeared at the spot of her martyrdom42. VI. CONSTRUCTION OF ELIN AS A SAINT By the late-thirteenth century, only about a hundred years after Elin is thought to have lived, a new proper officium was written for her by Bishop Brynolf Algotsson of Skara. Many elements in the readings are topoi, such as the comparison to Ruth from the Old Testament of the Bible, but these also place Elin firmly in a biblical, and thereby overarching Christian, context. Except for her status as a layperson and widow, Elin fit into prevalent thirteenth-century ideals of feminine piety; she is generous, sets a good example for others, is a regular church-goer and active promoter of the new faith, and does not remarry. However, Brynolf does not merely use an existing Christian mould; new adjectives and phrases are also used to describe her which link the local region’s past to a wider Christian context. First, Elin’s Office explicitly states that she provided an exemplum for other Christians in the Christianization period with her financial and ideological support of the newly established Church, and with her pilgrimage to Jerusalem. Second, her Office provides examples of a sense of patria or pride in one’s father-/ motherland. In various places in her officium43, Elin is described as the province of Västergötland’s “wonder” (ad laudem Westgocie celitus donate […])44; “[t]he star […] that has risen over Västergötland and shown its signs” (Stella noue gracie noue claritatis illuxit Westgocie signis demonstratis.)45; “Västergötland’s flower, the light of our native country […]” ([…] flos Westgocie, patrie lucerna […])46; and “Västergötland’s grace/adornment and patron saint” (Helena Uestgocie decus

42

See Anders piltz, ‘Brynolf Algotsson, Tidegärd och mässa för den saliga Elins högtidsdag. Textkritisk edition och svensk översättning’, in: S:ta Elin av Skövde. Kulten, källorna, kvinnan, ed. Sven-Erik perNler, Skara 2007, 183–235. 43 The oldest version from the late-thirteenth century has been reconstructed by Prof. Anders piltz, ‘Tidegärd och mässa för den saliga Elins högtidsdag’ (cf. n. 42). 44 In the Antiphon before the Magnificat. See piltz, ‘Tidegärd och mässa för den saliga Elins högtidsdag’ (cf. n. 43), 195. All of the following examples fit into the discussion of patriae and their connection to Roman values and the impetus for writing historiae by Eric Christiansen. It is important to note that, despite the similarities and the inspiration provided by Roman models, the specific aims of writing these works in particular in the twelfth – but also applicable to the thirteenth – century was not the same as in the Ancient world. See Eric cHristiANseN, ‘On the Writing of National Histories, Theology and the Crusades’, in: Of Chronicles and Kings. National Saints and the Emergence of Nation States in the High Middle Ages, ed. John BergsAgel / David Hiley / Thomas riis, Copenhagen 2015, 11–22. 45 Antiphon. piltz, ‘Tidegärd och mässa för den saliga Elins högtidsdag’ (cf. n. 42), 196. 46 Antiphon before the Magnificat, second vespers. piltz, ‘Tidegärd och mässa för den saliga Elins högtidsdag’ (cf. n. 42), 214.

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Fig. 2: Fragment of Elin’s Office in a 13th century Missal, Fr 26890. Picture of a fragment of Elin’s Office in a 13th century Missal, Fr 26890, Photo by author.

et patrona, posce nobis hodie graciarum dona.)47. These phrases reveal how important Elin was for the diocese and the entire region of Västergötland. In other words, the whole region of Westgocie was blessed and a holy place because of her. This appears to be an integral part of the continued construction of her as a saint by the bishop of Skara. The fragment (fig. 2) contains some of the earliest evidence for Elin’s unique Office and is from a thirteenth-century liturgical book that was probably used in what was Vadsbo Härad48. It is unclear to which parish the Missal belonged, but it 47 48

Hallelujah for the mass. piltz, ‘Tidegärd och mässa för den saliga Elins högtidsdag’ (cf. n. 42), 215. Since the research for this article was undertaken, the dating of the fragment has been adjusted to the fourteenth century in the MPO-database (MPO-Medeltida pergamentomslag, medieval parchment covers). The arguments presented here are, however, still valid in terms of the construction of Elin as a saint and the use of her to write Skara and Västergötland into a wider Christian narrative. The evidence provided by the Missal shows liturgical praxis before, for instance, the printed Breviaries. See the database entry (which includes both dates): https://sok. riksarkivet.se/MPO?FragmentID=Fr+26890&Datering1000=false&Datering1100=false& Datering1200=false&Datering1300=false&Datering1400=false&Datering1500=false& Pergament=false&Papper=false&MedRubricering=false&UtanRubricering=false&Notlinje1= false&Notlinje2=false&Notlinje3=false&Notlinje4=false&Notlinje5=false&AvanceradSok= False&page=1&tab=post&postid=Mpo_26890#tab [accessed on 16 August 2017].

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could conceivably have been Skövde. Nevertheless, this fragment provides early evidence of Elin’s liturgical celebration in the northern part of the diocese of Skara. The picture shows a Collect for the first or second vesper49. It reveals a familiar prayer with the addition of Elin’s name, in translation: “Most gentle God, give us through that holy martyr Elin’s intercession forgiveness for all sins, and let them that now have reason to be proud of her holy day, through her illustrious prayers be raised to heavenly splendour […]”50.

These prayers emphasize the importance of Elin and her holy day, while the construction of her sanctity is tied to her ability to provide intercession between the living and God – a universally acknowledged saintly trait. It is uncertain which liturgical rank Elin’s feast had in this Missal as the rest of the Office and the Calendar have been lost. However, by the end of the thirteenth century, Elin’s feast on July 30 was a festum fori / terrae in the Skara diocese, which indicated that everyone was to celebrate it, priests as well as the laity51. Thus, by 1300, Elin’s feast day was important and celebrated in parishes throughout the diocese with at least a half-day work free. This cultic development, which is mirrored in Calendars and in the inclusion of her new, unique Office, took 100 years at the most. VII. LITURGICAL ABSENCE AND FEMALE SAINTS IN DENMARK: THE CASE OF MAGNHILD OF FULLTOFTA AND MARGARET OF ROSKILDE Neither Magnhild nor Margaret had an Office written for them; however, it is important to juxtapose these two local saints with Sunniva and Elin. As with Elin who was killed by her son-in-law’s relatives and her daughter who was abused by her husband, both Magnhild and Margaret were victims of domestic or familial violence. Margaret was regularly beaten by her husband who eventually killed her, while Magnhild was killed by her daughter-in-law. Taken together, this domestic violence theme seems to be important in the early construction of female saints in medieval Denmark and Sweden52. With regard to the violence directed towards

49 50 51 52

Prayers the evening before the feast day or the day of the actual feast day. Translation based on piltz, ‘Tidegärd och mässa för den saliga Elins högtidsdag’ (cf. n. 42), 220. See also ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 169–170, and the tables in Jan BruNius, Atque Olavi. Nordiska helgon i medeltida mässböcker, Stockholm 2008. See Nanna DAMsHolt, Kvindebilledet i dansk højmiddelalder. Copenhagen 1985, 218–219; 212–216; 219; Sara ellis NilssoN, ’Making honest saints out of them: clerical responses to emerging female saints in medieval Scandinavia’, in A. BüNz et al. (eds.), Med hjärta och hjärna – en vänbok till professor Elisabeth Arwill-Nordbladh, Goteborg 2014, 211–222. See also the discussion in ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 245 f.; Anders FröJMArk / Christian krötzl, ‘Den tidiga helgonkulten’, in: Kyrka – samhälle – stat. Från kristnande till etablerad kyrka, ed. Göran DAHlBäck, Helsinki 1997, 121– 44, here 133–134.

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Sunniva, it came from outside her family circle, but she was also threatened by a male authority figure: a king. VIII. MAGNHILD OF FULLTOFTA Magnhild’s cult was introduced or surfaced – at least our knowledge of it – in the early thirteenth century during Andreas Sunesen’s episcopate (Archbishop of Lund from 1201–1223, d. 1228). She was considered a “holy woman” (sancta mulier)53 by the archbishop but he allowed her cult to continue as a local one, connected to her shrine in Fulltofta. Never actively repressed, this passive promotion by the archbishop came in the form of a donation to canons in her name54. Magnhild surfaces again in the sources much later in 1383 with her translation from Fulltofta to Lund, ordered by Archbishop Magnus Nielsen. However, strangely enough, neither liturgy nor official legend were composed to commemorate the translatio. Instead, Magnhild’s oral vita et passio lived on in folklore. The only extant information about her is regarding her death and the miracles that occurred at her grave. Her cult can be said to have been constructed by the local people, perhaps with the involvement of the parish priest, and her translation to the cathedral an official endorsement of the cult. Despite a lack of enthusiasm from the bishop or cathedral chapter for creating an official feast day, composing any hagiographical texts, or liturgical veneration for Magnhild, popular veneration continued and appears to have been permitted. The lack of an official stamp of approval does not mean the cult was suppressed. In fact, Magnhild’s veneration can be seen as a form of renewal of the cult of saints in the ecclesiastical province. She was a new saint for the laity and, through her example, encouraged devotion to the church. IX. MARGARET OF ROSKILDE Margaret was killed in 1176 by her husband (together with his sister in one version of her life). She probably had family ties to Absalon (Bishop of Roskilde from 1158–1191 and Archbishop of Lund from 1177, d. 1201) who supported her cult. A canonization attempt was made during his episcopate but later dropped. The construction of Margaret as a saint involves the questioning of her death by suicide, which was considered to be a sin, the identification of her murderer, and the subsequent absolution of her alleged suicide, as well as the use of her miracles at her grave in Køge to confirm her sanctity. The textual evidence for Margaret is greater than that for Magnhild. The main sources consist of two hagiographical works that provide an argument for Margaret’s sanctity. The first is from the canonization attempt and records her translation:

53 54

Diplomatarium Danicum 4:2:338. See ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 92.

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‘Relatio de translatione sanctae Margaretae Roskildensis’55. The second consists of her vita, recorded by Herbert of Clairvaux in his book ‘De miraculis’ (Liber mira­ culorum)56. Herbert had been told this story by Eskil, former bishop of Roskilde and archbishop of Lund, upon his retirement and withdrawal from public life to Clairvaux. This record demonstrates that Cistercian involvement is evident in the construction of Margaret as a holy person in addition to the bishop/archbishop (Absalon) and possibly other members of the powerful Hvide family – to which Absalon also belonged. The fact that the Cistercians were involved in preserving Margaret’s memory reflects the textual networks connecting diverse religious establishments throughout Europe at this time. Finally, there is a single Calendar that contains a record of her feast on July 19. The so-called Sunesen Psalter was privately owned, probably by a cleric and with a connection to the Hvide family57. Despite the lack of a liturgy and the absence of her feast from other Calendars, it is clear that the portrayal of Margaret’s sanctity follows a similar pattern to other women and men. The image of sanctity that is created in relation to Margaret includes the following adjectives: pious, forgiving and humble. These traits, it is revealed, enraged her husband (and sister-in-law as recorded in ‘De miraculis’)58 and lead to his abuse of her. Her acceptance of this abuse, and its interpretation as an example of her piety, differ from the actions of the servants (and perhaps Elin herself) in Elin’s vita; in the latter case, abuse was not to be tolerated. However, parallels to this passive acceptance of abuse and its strengthening of the victim’s sanctity can be found in a number of other later saints’ lives, for instance St Rita of Cascia’s (d. ca. 1457). In fact, the abuse motif can be found as early as the fifth century. St Monica, Augustine’s mother, reportedly advised women to return to their abusive husbands and quietly accept their fate – even if they were suffering59. The veneration of Margaret and her cult spread to a number of places throughout Scandinavia. For example, her shrine was known in Iceland as demonstrated by a thirteenth-century itinerary for pilgrims60. Throughout the medieval period, her cult was also found in Lund Cathedral and Gumlöse (Skåne), both of which had her relics. The former had a piece of her clothing as a relic which women would use to aid them in childbirth61. 55 56

57 58 59 60 61

Also called, ‘De S. Margareta Roskildensis. Vitae Sanctorum Danorum’, ed. by M. Cl. gertz, Vol. 2, Copenhagen 1910, 389–390. ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 78. Written between 1178 and 1182. Edited by Lauritz WeiBull in ‘En samtida berättelse från Clairvaux om ärkebiskop Eskil av Lund’, Scandia 4 (1931), 270–90. See also Nanna DAMsHolt, Sancta Margareta, Bergen 2012; https://wikihost.uib.no/medieval/index.php/Sancta_Margareta [accessed on 16 August 2017]. BL MS Egerton 2652. ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 134; 274. WeiBull, edition in ‘En samtida berättelse från Clairvaux om ärkebiskop Eskil av Lund’ (cf. n. 56), 288. See, e. g. Mary Ann rossi, ‘The Legitimation of the Abuse of Women in Christianity’, Feminist theology (1993), 57–63. See ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 78. See ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery (cf. n. 5), 78.

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As is clear, there were no early official liturgical cults for local female saints in Denmark, although the local veneration continued and was permitted. In fact, no liturgy had been composed for a local woman by the end of the medieval period. This lacuna could have been related to the political climate, or power relations between the church and monarchy. In fact, only canonized saints were the ones that continued to have successful, official cults in Denmark and, despite the preliminary attempt to initiate proceedings for Margaret, apparently women were not a priority in granting this official approval. Nevertheless, their cults endured. Maybe it was enough that they were venerated locally, according to local traditions. The construction of these women as saints was placed firmly within an already established Christian society – no mention of the conversion period can be found. Instead, they are promoted as shining examples in the constant strive towards perfect piety. X. CONCLUSION The uniqueness of these new female local saints is found in their connection to the laity, i. e. they were themselves members of the laity. Even though Sunniva is presented as a hermit, no connection to a religious order is mentioned. The only other non-royal, lay, local saint from this early period (i. e. before 1250) is St Botvid; thus, they are unusual. There are similarities to be found among these four women. All were victims of violence (although Sunniva was killed trying to avoid violence). All have attributes important to the time-period in which their sanctity was constructed. For instance, Sunniva is presented as a hermit, wishing to avoid marriage and withdraw from the world. Elin supports the new church during the Christianization period, donates money, is pious and does not remarry when she is widowed. Margaret is described as pious, generous in her donations to the church, and dedicated to praying. Although not much is known about Magnhild, she is also depicted as pious and having made donations to the church. Thus, all of these four women exemplify women’s work in the Christian church. All of them are portrayed as engaging in acceptable roles for women. The descriptions used for these holy women reflect an active attempt to construct local role models. However, there are differences in the way these saints were created. For instance, they were granted different levels of official veneration, and not all claim a papal canonization. Sunniva and Elin were provided with unique liturgies and their cults were actively supported and promoted by their respective local bishoprics (Bergen and Skara). On the other hand, there was initial support on an official level for Margaret’s cult with the composition of a first document for canonization proceedings (i. e. by Absalon and/or the Hvide family) and a record of her life (i. e. the Cistercians), but no liturgical cult existed, nor was she canonized. There is no evidence that the cult was suppressed either; veneration of this holy woman continued to be important throughout the Middle Ages and her shrine in Roskilde was an official pilgrimage destination. As for Magnhild, despite some support for her

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sanctity and cult on episcopal level, she was never canonized nor did she have a liturgy. Instead, Magnhild enjoyed a fundamentally popular cult. In connection with the ideal of public and private religious roles, established by the twelfth century, both Sunniva and Elin were, arguably, active publicly – at least at some point in their lives. Although Sunniva’s hermitage can certainly be claimed to have been private space, she provided a public example. Margaret’s piety was also observed publicly but reserved to activities considered acceptable for a woman in the private sphere, while not enough is known about Magnhild to determine her public or private religious role62. Thus, these women’s sanctity adhered to contemporary ideals and yet also allowed for some independence. In all instances, male control of the text is clearly present. With regards to the role that these women played as exempla, an important element in the construction of sanctity, there is a difference between the role model provided by Sunniva in the tenth to eleventh centuries and the other women from the twelfth to thirteenth centuries. These differences partly reflect the establishment of the church on an official level in the region, i. e. how established the administration and ecclesiastical organization was. For example, even though Elin’s story is explicitly situated in the conversion period (the twelfth century was still considered the conversion period according to the thirteenth century readings for her officium), she belongs to a later phase in the Christianization of the region. Bishoprics had long since been established, and it was now the time to build churches and ensure that everyone followed the new faith. There are a number of aspects raised in this article that require further consideration. Most importantly, the results here reflect that communities – especially in terms of textual communities – were vital to cultic establishment. It is important to reflect on how these groups were interconnected – taking all of the new, local saints into consideration. The English and Irish influence which surfaces in a number of early saints’ vitae reflects an awareness of, and established links to, the British Isles (Sunniva). Moreover, the importance of Cistercian memory preservation should not be underestimated (Margaret). Before the Dominicans – and to some extent the Franciscans – took an interest in the north, the Cistercians were active and showed an interest in the entire region63. Thus, these women and their cults are a reflection of the time period in which they were constructed, while at the same time they represent the steps which were taken – and needed – to integrate Scandinavia into the greater Christian world.

62

Cf. the discussion on public and private religiosity in Alistair MiNNis, ‘Religious Roles: Public and Private’, in: Medieval Holy Women in the Christian Tradition, c. 1100 – c. 1500, ed. Alastair MiNNis / Rosalynn voADeN, Turnhout 2010, 45–81, especially here 62–63. 63 See, among others, Christian krötzl, ‘Die Cistercienser und die Mission ‘ad paganos’, ca. 1150–1250’, Analecta Cisterciensia 61 (2011), 278–298.

II FUNKTIONEN

FUNKTIONEN UND TRANSFER VON HEILIGKEITSIDEALEN IM SCHWEDEN DES 13. JAHRHUNDERTS Christian Oertel Abstract The types of saints represented in early Swedish hagiographical texts ranged from lay over royal to bishop’s saints. The cults of those saints served a number of functions among which the identity formation on the diocesan level was probably the most important. The paper will attempt to give an overview of the native saints venerated in Sweden up to the end of the 13th century, their functions and representation. On a general level the paper will discuss the emergence and development of hagiographical writing in that region arguing that larger texts on saints were composed only from the 13th century onwards.

„Sie war wie ein Stern, der leuchtend am Morgen, beim Erwachen des neuen Glaubens, aufgegangen ist. Sie gab leuchtende Beispiele und glänzende Zeichen, von denen die meisten durch Vernachlässigung unterdrückt und durch die Brut der Undankbarkeit, das Vergessen, unter Schweigen begraben wurden, weil sie nicht schriftlich festgehalten worden waren. Doch damit die heiligen Handlungen ihrer Beispiele nicht unter dem Scheffel des Schweigens verborgen bleiben, werden wir hier Einiges von ihrem berühmten Leben und ihrem glorreichen Tod sowie über die Wunder ihrer Tugend […] in anspruchslosem Stil erwähnen“1.

Dieses Zitat aus der ersten lectio des Offiziums der heiligen Elin/Helena von Skövde zeigt schlaglichtartig das in dieser Studie zu thematisierende Problem der Funktion und des Transfers von Heiligkeitskonzepten im Schweden des 13. Jahrhunderts. Der Autor, Brynolf Algotsson, Bischof von Skara, gibt hier seinem Bedauern darüber Ausdruck, dass die leuchtenden Taten der Heiligen bisher, das heißt vor den 1280er Jahren, immer vom Vergessen bedroht waren, da sie nicht aufgezeichnet worden seien. Doch wie kam es, dass der Autor eines Offiziums im späten 13. Jahrhundert eine derartige Klage äußern konnte, und wie verbreitet war dieses Problem in der schwedischen ‚Heiligenlandschaft‘ zu dieser Zeit? Gab es Heilige, deren Kulte auf ausführliche ältere Darstellungen zurückblicken konnten? Aus welchen Gründen und wann wurden die Heiligen auf die Weise konstruiert, in der sie uns

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Anders piltz, Brynolf Algotsson, Tidegärd och mässa för den saliga Elins högtidsdag. Textkritisk edition och svensk översättning, in: Sven-Erik perNler, S:ta Elin av Skövde. Kulten, källorna, kvinnan, Skara 2007, 183–236, hier 197: Hec velut stella splendida et matutina in prin­ cipio nouelle fidei exorta est, exemplis radians, signis choruscans, quorum plurima per negli­ genciam suppressa ingratitudinis proles, obliuio, sub silencio sepeliuit, quia stili non fuerunt officio signata. Verum ne sacrorum actuum eius exempla sub modio silentii diucius occultentur, aliqua de vita eius inclita et obitu glorioso, necnon de virtutum prodigiis […], humili stilo perstringimus […]. Übersetzungen wurden, wenn nicht anders angegeben, vom Autor erstellt.

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in den Quellen entgegentreten, und welche Rolle spielte der Transfer geistlichen Wissens in den Norden bei diesen Konstruktionen? Zur Beantwortung dieser Fragen soll zunächst die Entwicklung der Schriftlichkeit im mittelalterlichen Schweden bis zum Ende des 13. Jahrhunderts kurz umrissen werden. Danach werden die Heiligen und ihre Kulte kurz vorgestellt, die zu diesem Zeitpunkt in schwedischen Quellen fassbar sind. Dabei soll versucht werden, möglichst genau festzustellen, wie sich die Kulte im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts entwickelten und wann sie welchen Niederschlag in den schriftlichen Quellen fanden. Diese Befunde sollen danach diskutiert und die gewonnenen Erkenntnisse schließlich zusammengefasst werden. I. SCHRIFTLICHKEIT In Dänemark und Norwegen/Island kam kurz vor der Mitte des 12. Jahrhunderts eine erste Welle der Schriftlichkeit ins Rollen. In beiden Regionen sind hagiographische Texte unter den ersten bekannten Schriften und sowohl in Dänemark als auch in Norwegen und Island schrieb man zunächst auf Latein2. Dies änderte sich im hohen Norden allerdings so zügig, dass wir von dieser ersten lateinischen Schriftlichkeit nur indirekt aus den kurze Zeit später aufkommenden auf altnordisch verfassten Quellen wissen, die das literarische Schaffen dieser Region für die nächsten Jahrhunderte dominieren sollten, auch wenn weiterhin vereinzelt Werke auf Latein verfasst wurden3. In Dänemark dagegen blieb die Schriftsprache, wie im Rest des westlichen Europas, Latein4. Zwar ist in der schwedischen Forschung immer wieder angenommen worden, dass einige der bis heute erhaltenen Legenden schwedischer Heiliger – die meist aus dem späten 13. Jahrhundert überliefert sind – verlorene Vorlagen aus dem 12. Jahrhundert besitzen könnten, direkte Hinweise auf diese Texte gibt es aber nicht5. Um den mit den skandinavischen Quellen möglicherweise nur am Rande vertrauten Lesern einen Eindruck von der geringen Quellendichte in Schweden im 13. Jahrhundert zu geben, möchte ich kurz einige Eckdaten des Einzugs der Schriftkultur in diesem Raum nennen. Auf viele der hier eingeführten Quellen wird im weiteren Gang der Untersuchung zurückzukommen sein. Die älteste erhaltene in Schweden ausgestellte Urkunde stammt vom ersten Erzbischof von Uppsala, Ste2 3 4

5

Vgl. Annette lAsseN, Indigenous and Latin Literature, in: The Routledge Research Companion to the Medieval Icelandic Sagas, hg. v. Ármann JAkoBssoN / Sverrir JAkoBssoN, London/New York 2017, 74–87, bes. 77. Z. B. die ‚Passio et Miracula beati Olaui‘ (1150er Jahre), die ‚Historia Norvegiae‘ (wahrscheinlich 1170er Jahre) oder die ‚Historia de antiquitate regum Norwagiensium‘ des Theodericus Monachus (zwischen 1177 und 1188). Beispiele früher Werke sind hier die ‚Passio sancti Kanuti regis et martiris‘ (zwischen 1095 und 1101), die ‚Gesta Swenomagni Regis Et Filiorvm Eivs Et Passio Gloriosissimi Canvti Regis Et Martyris‘ (zwischen 1109 und 1122) des in Dänemark lebenden Benediktinermönchs Ælnoth von Canterbury oder das ‚Chronicon Roskildense‘ (zwischen 1138 und 1143). Zu den verschiedenen Beispielen vgl. die Ausführungen zu den einzelnen Heiligen weiter unten.

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fan, und wird daher – obwohl selbst ohne Datum – in die Jahre nach 1164 datiert6. Für die schwedischen Herrscher des späten 12. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts sind nur vereinzelte Urkunden überliefert. Der Urkundenausstoß der königlichen Kanzlei stieg zwar gegen Ende des 13. Jahrhunderts beträchtlich an, doch blieb er im Vergleich zu mittel- und westeuropäischen Verhältnissen auf sehr niedrigem Niveau7. Der früheste bekannte Rechtstext – und gleichzeitig der älteste volkssprachliche Text – Schwedens ist das ‚Äldre Västgötalag‘ (älteres västergötländisches Gesetz), mit dessen Kodifikation wohl um 1220 begonnen wurde und dem wahrscheinlich um 1240 eine Königs-, eine Bischofs- sowie eine Gesetzessprecherliste angefügt wurde8. Diese Listen, in denen Leben und Werk der genannten Personen mit wenigen Sätzen umrissen werden, bilden gleichzeitig die früheste historiographische Überlieferung. Diese wird im späten 13. Jahrhundert von zwei Annalenwerken ergänzt, die wahrscheinlich im Dominikanerinnenkonvent von Skänninge verfasst wurden9. Die liturgischen Quellen des späten 12. und 13. Jahrhunderts sind meist als Pergamentfragmente erhalten. Hier sind es zunächst jene Bücher, die benötigt wurden, um die Messe ordnungsgemäß zu feiern – nämlich Messbücher (Missale) –, deren Existenz durch Fragmente belegt ist10. Ein solches Missale – ergänzt durch einen Heiligenkalender – enthält auch das älteste erhaltene in Uppland produzierte Buch, der ‚Liber ecclesiae Vallentunense‘, aus dem Jahr 119811. Das Auftauchen einer/ eines einheimischen Heiligen in solchen Kalendarien ist meist das älteste Zeichen 6

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Die Urkunden des schwedischen Mittelalters sind ediert und online unter https://sok.riksarkivet. se/sdhk abrufbar [abgerufen am 7. August 2017]. Von vielen sind darüber hinaus hochauflösende Digitalisate einsehbar. Die Urkunde Erzbischof Stefans hat die Nummer SDHK (Svenskt Diplomatariums huvudkartotek) 200. Zu den mittelalterlichen Urkunden Schwedens vgl. Inger lArssoN, Svenska medeltidsbrev (Sällskapet Runica et Mediævalia, Scripta minora 5), Stockholm 2001. Zur Schriftkultur im Allgemeinen vgl. Den medeltida skriftkulturen i Sverige. Genrer och texter (Sällskapet Runica et Mediævalia, Scripta maiora 5), red. v. Inger lArssoN u. a., Stockholm 2010. Eine Sonderform der Schriftkultur stellen die besonders in Uppland und Södermannland vor allem im 11. Jahrhundert zu mehreren tausenden aufgestellten Runensteine dar. Diese haben aber keine Relevanz für unser Thema und werden deshalb ausgeklammert. Die entsprechenden Abfragen des SDHK-Portals ergeben für die 28 Regierungsjahre des letzten Königs der Eriksdynastie (1222–1250), Erik Eriksson, 15 Urkunden (ca. 0,5 pro Jahr), für die 15 Regierungsjahre Valdemar Birgerssons zwischen 1250 und 1275 38 Urkunden (ca. 2,5 pro Jahr) und für die ebenfalls 15 Regierungsjahre Magnus Birgerssons zwischen 1275 und 1290 123 Urkunden (8,2 pro Jahr). Im Vergleich dazu stieß die Kanzlei Kaiser Friedrichs II. zwischen 1220 und 1250 2754 Urkunden (91,8 pro Jahr) aus. Äldre Västgötalagen och dess bilagor i Cod. Holm. B 59, hg. v. Föreningen för Västgötalitteratur durch Per-Axel WiktorssoN, 2 Bde. (Skara stiftshistoriska sällskaps skriftserie 60), Skara 2011. Die Listen sind ediert und ins Neuschwedische übersetzt in: ebd., Bd. 1, 192–209. Zur Datierung vgl. ebd., 15. Vgl. Annales 916–1263, in: Scriptores rerum Svecicarum (im Folgenden: SRS) I, hg. v. Eric M. FANt, Uppsala 1818, [ND Graz 1968], 47–50; Annales 1208–1288, in: SRS III, hg. v. Claes ANNersteDt, Uppsala 1876, 1–7. Vgl. den Katalog des Projekts Medeltida PergamentOmslag (MPO) am Riksarkivet in Stockholm, https://sok.riksarkivet.se/MPO [abgerufen am 7. August 2017]. Vallentuna Anno Domini 1198. Vallentunakalendariet och dess tid, red. v. Staffan HelMFriD, Vallentuna 1998.

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für ihre/seine Verehrung; zusammenhängende hagiographische Texte sind frühestens aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhalten. Besonders zwei Handschriften kommt in diesem Zusammenhang Bedeutung zu: Bei der ersten handelt es sich um ein Brevier, heute verwahrt in der British Library unter der Signatur Add. Ms. 40146, mit vermutlicher Herkunft aus dem Erzstift Uppsala, dessen Entstehungszeit mit „nach 1262“12 angeben wird. Es enthält in der Abteilung ‚Sanctorale‘ zwei kurze Legenden schwedischer Heiliger, nämlich Sigfrids und Eriks13. Die zweite Handschrift ist das in Fragmenten und damit nur teilweise überlieferte sogenannte Toresund-Brevier, ein Teil des ‚Liber ecclesiae Toresundense‘, das ebenfalls auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert wird und in dem zwei Offizien, die der Heiligen Sigfrid und Botvid, in großen Teilen überliefert sind14. Weitere ausführliche Heiligenlegenden in der Form von Viten und Offizien aus Schweden sind erst vom Ende des 13. Jahrhunderts bekannt. Eine Quelle mit Provenienz außerhalb Schwedens ist von großer Wichtigkeit für die frühe Kirchenorganisation in diesem Raum. Es handelt sich um die sogenannte Florenz-Liste, eine im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts erfolgte Zusammenstellung aller Bistümer in Frankreich, Polen und Skandinavien15. Die dort genannten, später der Kirchenprovinz von Uppsala zugehörigen Diözesen sind Skara, Linköping, Eskilstuna, Strängnäs, Sigtuna und Västerås16. Die hier kurz umrissene Quellensituation macht einerseits deutlich, dass Schweden im Vergleich zum Rest des lateinischen Europas im 13. Jahrhundert einen relativ geringen Grad an Schriftlichkeit aufzuweisen hatte. Andererseits sollte deutlich geworden sein, dass bei so spärlicher Quellenlage lediglich Vermutungen über die herrschenden Verhältnisse angestellt werden können. Dies gilt nicht nur

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Zur Datierung vgl. den Online-Katalog „Archives and Manuscripts“ der British Library [abgerufen am 8. August 2017]. Zur Diskussion der Herkunft vgl. Ellen JørgeNseN, Bidrag til ældre nordisk kirke-og litteraturhistorie, in: Nordisk Tidskrift för bok- och biblioteksväsen 20 (1933), 186–198 (dort, S. 191, auch eine Transkription der beiden kurzen Texte); Christian oertel, The Cult of St Erik in Medieval Sweden. Veneration of a Royal Saint, Twelfth–Sixteenth Centuries (Acta Scandinavica 5), Turnhout 2016, 112. Ich spreche von „schwedischen Heiligen“ in allen Fällen, in denen die Verehrung in dieser Region begann, also auch für englische Missionsbischöfe wie Sigfrid. Der Ort Toresund befindet sich in Södermanland am südlichen Ufer des Mälarsees. Das Toresund-Brevier wird beschrieben von Carl-Allan MoBerg, Die liturgischen Hymnen in Schweden. Beiträge zur Liturgie- und Musikgeschichte des Mittelalters und der Reformationszeit, Bd. 1: Quellen und Texte, Text- und Melodieregister, Uppsala 1947, 123, 293 f.; Alf öNNerFors, Zur Offiziendichtung im schwedischen Mittelalter, in: Mittellateinisches Jahrbuch 3 (1966), 55–93, bes. 60 f. Zu dieser Liste und ihrer Bedeutung für die schwedische (Kirchen-)Geschichte vgl. Göran BäärNHielM, Florensdokumentet, c. 1120. Översatt och kommenterad, in: Gutar och vikingar, hg. v. Ingmar JANssoN, Stockholm 1983, 450–482; Tore NyBerg, Adam av Bremen och Florenslistan, in: Scandia 57 (1991), 153–189. BäärNHielM, Florensdokumentet (wie Anm. 15): Scara. Liunga. Kaupinga. Tuna. Stringines. Sigituna. Arosa. Diese Orte können nicht in allen Fällen problemlos zugeordnet werden. Besonders die Zusammenziehung von Liunga und Kaupinga zu Linköping ist unsicher. Der Sitz des Bistums in Sigtuna wurde 1134 nach Uppsala verlegt.

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für die Verehrung einheimischer Heiliger, sondern selbst für weite Strecken der Ereignisgeschichte. Fragt man nach den Gründen für diese Verhältnisse, so ist sicher zunächst auf die im Vergleich zu anderen skandinavischen, aber auch ost- und mittelosteuropäischen Regionen sehr lange Phase der Christianisierung zu verweisen, die mit der Missionsstation Ansgars im Birka des frühen 9. Jahrhunderts begann und erst mit Errichtung des Erzbistums von Uppsala im Jahr 1164 einen gewissen institutionellen Abschluss fand. Aber auch nach diesem Zeitpunkt erfolgte hier – im Gegensatz zu den beiden anderen skandinavischen Königreichen – nicht die Herausbildung eines (zumindest grundsätzlich) stabilen Systems der Zusammenarbeit zwischen einer vom Erzbischof zentral geführten Kirche und einer starken weltlichen Zentralmacht. Stattdessen wechselten sich zwei Dynastien, die nach ihren Gründern Eriks- und Sverkerdynastie genannt werden, zwischen den 1140er Jahren und 1250 auf dem Thron ab. Dies war zunächst dem biologischen Zufall geschuldet, denn in keinem Fall gab es einen volljährigen Sohn des gerade verstorbenen Königs, um das Thronerbe anzutreten und den Machtanspruch einer der Dynastien zu perpetuieren. Durch diese häufigen Dynastiewechsel wurde eine große Selbständigkeit des Adels gewährleistet. Besonders die uppländische Aristokratie scheint die Oberhoheit der beiden – in Götaland beheimateten – Dynastien nur zeitweise anerkannt zu haben. Insofern ist es eigentlich anachronistisch, für die Zeit vor dem späten 13. Jahrhundert von einem schwedischen Königreich zu sprechen17. Insofern blieb die tatsächliche gesellschaftliche Entwicklung lange hinter dem Anspruch der Könige sowohl des Eriks- als auch des Sverkergeschlechts zurück, rex Sveorum zu sein, wie er in den intitulationes der Königsurkunden der Zeit zum Ausdruck kommt. Erste Ansätze einer größeren herrschaftlichen Durchdringung seines Reiches sind unter der fast 30jährigen Regierung Knut Erikssons (1167– 1196) zu fassen (Burgenbau, Wiederaufnahme der Münzprägung nach ca. 150jähriger Pause, erstmalige Nennung eines königlichen Kanzlers, Ausweitung der Handelsbeziehungen nach Norddeutschland), konnten sich aber nach einem erneuten Dynastiewechsel auf dem Thron nicht verfestigen18. Man könnte mit heutigem Vokabular von einem ‚Reformstau‘ sprechen, mit dessen Abbau erst nach der Machtübernahme durch die Dynastie der Bjälbo im Jahr 1250 begonnen wurde. Zwar hieß der erste König dieser neuen Dynastie Valdemar Birgersson, doch der Mann, der seine Krönung durchgesetzt hatte, war sein Vater, Birger Jarl. Birger handelte, auch nachdem sein Sohn die Herrschaft nominell übernommen hatte, sowohl innen- als auch außenpolitisch unabhängig von diesem. Viele der zu dieser Zeit angestoßenen 17 18

Wird in dieser Arbeit für diese Zeit trotzdem von „Schweden“ gesprochen, so ist damit lediglich die geographische Region, keine politische Entität gemeint. Vgl. Gabriela BJArNe lArssoN, Kunglig auktoritet i det medeltida Sverige före 1280, in: Statsutvikling i Skandinavia i middelalderen, hg. v. Sverre BAgge u. a., Oslo 2012, 169–191; Birgit und Peter sAWyer, The Making of the Scandinavian Kingdoms, in: Die Suche nach den Usprüngen. Von der Bedeutung des frühen Mittelalters, hg. v. Walter poHl (Denkschriften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 322), Wien 2004, 261–269; Herman scHück, Kansler och capella regis under folkungatiden, in: HistoriskTidskrift 83 (1963), 133–187.

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Reformen gingen auf seine Initiative zurück und legten die Grundlage dafür, dass die Regionen Götaland und Svealand in den folgenden Jahrzehnten begannen, zu einem schwedischen Königreich zusammenzuwachsen19. Im Zusammenhang der Festigung und Zentralisierung der königlichen Macht ist auch der oben konstatierte Anstieg der Schriftlichkeit gegen Ende des 13. Jahrhunderts zu sehen; sie war sowohl Bedingung als auch Folge der intensivierten herrschaftlichen Durchdringung des entstehenden Königreichs. Die Möglichkeit der verstärkten Nutzung der Schrift wurde durch einen zunehmenden Personenund Wissenstransfer zwischen dem Kontinent und Schweden geschaffen. Einer der Wege dieses Transfers war die Ausbreitung der Mendikanten in Schweden. Zwar wurden die ersten Mendikantenkonvente bereits vor dem Dynastiewechsel in den 1230er Jahren gegründet, doch die Konsolidierung dieser Gründungen durch königliche, erzbischöfliche und adlige Schenkungen geschah vor allem nach der Jahrhundertmitte. Neben den mendikantischen – besonders dominikanischen – Kanälen des Wissenstransfers dürfte die zunehmende Zahl von Schweden eine Rolle gespielt haben, die an ausländischen Universitäten – vor allem Paris – studierten und, von dort zurückgekehrt, in hohe gesellschaftliche Positionen einrückten20. II. FUNKTIONEN Diese im 13. Jahrhundert modernen Elemente der Ausbreitung der Mendikantenorden und der zunehmenden Bedeutung von Universitäten für die Bildung der geistlichen Eliten können in anderen Regionen Europas ebenso beobachtet werden wie in Schweden. Gleichzeitig treffen wir aber auf Vorgänge, die auf dem Kontinent 19

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Zu den Reformen Birger Jarls vgl. die Aufsätze im Sammelband Birger Jarls tid – en brytningstid? Sex föreläsningar från ett symposium i Stockholm våren 2001 (Sällskapet Runica et Mediævalia, Scripta minora 4), hg. v. Lin ANNerBäck, Stockholm 2002; Dieter strAucH, Birger Jarl. Kirche, Königtum und Kaufleute im mittelalterlichen Schweden, in: Festschrift der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, hg. v. der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, Köln 1988, 135–162. Dominikanische Gründungen des 13. Jahrhunderts waren: Visby auf Gotland (m, 1230), Skänninge (m, 1237), Sigtuna (m, 1237), Skara (m, 1239), Kalmar (m, 1243), Lödöse (m, 1243), Västerås (m, 1244), Åbo (m, 1249), Strängnäs (m, 1268), Skänninge (w, 1281), vgl. Jarl gAlléN, La Province de Dacie de l’ordre des Frères Prêcheurs, Helsingfors 1946, 38–41. Franziskanische Konvente wurden in Visby (1233), Söderköping (1235), Skara (1242), Östra Aros (heute Uppsala, 1247), Enköping (1250), Stockholm (1270), Nyköping (1280), Jönköping (1283), Arboga (1285), Stockholm (Klarissen, 1286), Linköping (1287) gegründet, vgl. Jørgen Nybo rAsMusseN, Die Franziskaner in den nordischen Ländern im Mittelalter (Franziskanische Forschungen 43), Kevelaer 2002, 63–66, 90–98. Zu den schwedischen Studenten auf dem Kontinent vgl. Olle FerM, Universitet och högskolor, in: Norden og Europa i middelalderen, red. v. Per iNgesMAN / Thomas liNDkvist (Skrifter udgivet af Jysk Selskab for Historie 47), Århus 2001, 93–129; Henrik scHück, Svenska Parisstudier under medeltiden, in: Kyrkohistorisk Årsskrift 1 (1900), 9–78; Kjell kuMlieN, Svenskarna vid utlänska universitet i medeltiden, in: Historiska studier tillägnad Sven Tunberg, hg. v. Adolf scHück / Åke stille, Uppsala 1942, 145–169; Lucien MAury, Les Étudiants scandinaves à Paris (XIe–XVe siècles), in: Annales de l’Université de Paris 9 (1934), 223–246.

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schon seit mehreren Jahrhunderten abgeschlossen waren und die aufgrund der späten Christianisierung Ostskandinaviens dort erst im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts stattfanden: die Schaffung christlicher Zentren um loca sanctorum, durch die Gebeine heiliger Frauen und Männer sakralisierte Orte21. Für diese Zentren ist in etwas anderem Zusammenhang für die spätantiken süd- und mitteleuropäischen Inseln des Christentums der Begriff „micro-christendoms“22 geprägt worden. Damit sind christliche Gemeinschaften gemeint, die sich um einen sakralen Mittelpunkt bildeten, der in der Regel durch die Reliquien einer/eines Heiligen konstituiert wurde. Aus dieser Perspektive besteht die Christenheit geographisch aus einem Netz zahlreicher „micro-christendoms“, durch die die universale Kirche über heilige Personen an konkrete Orte gebunden und damit für die Gläubigen direkt erfahrbar wird. Die Nähe dieser Heiligen zu den Gläubigen vor Ort wurde gesteigert, indem nur in seltenen Fällen universale Heilige diese Positionen einnahmen, sondern einheimische Heilige gewählt wurden, die an diesen Orten gewirkt hatten, zu denen möglicherweise schon ein lokaler Kult existierte und über die dadurch ein Bezug zur lokalen oder regionalen Geschichte hergestellt werden konnte. Damit wurde die Gruppenidentität gestärkt und mit der am Platz wirksamen kirchlichen Institution (in Skandinavien in der Regel ein Bistum) verbunden. Dass diese Kulte häufig von Bischöfen über Reliquienauffindungen und die Konstruktion von Heiligenlegenden gesteuert wurden, ist an zahlreichen Beispielen nachgewiesen worden23. Wie Sara E. Ellis Nilsson in ihrer Dissertation gezeigt hat, kommt allen einheimischen skandinavischen Heiligen (über die genügend Informationen auf uns gekommen sind, um darüber eine Aussage treffen zu können) diese legitimatorische und identitätsschaffende Funktion zu. Die Tatsache, dass wir heute (fast) nur noch von solchen Kulten Kenntnis haben, belegt, dass die bischöfliche Steuerung der Kultaktivität im jeweiligen Bistum nicht ohne machtpolitischen Hintergrund gewesen sein dürfte: Die Förderung von nur einem oder maximal zwei Kulten von ‚Identifikationsheiligen‘ pro Bistum sorgte dafür, dass keine mit dem Bischofssitz konkurrierenden religiösen Zentren aufkommen konnten und damit auch die Stiftungs- und Wallfahrtstätigkeit auf die Kirche des/der Diözesanheiligen konzentriert blieb. Allen schwedischen Heiligen ist es darüber hinaus eigen, dass sie in ihren jeweiligen Legenden in einem missionarischen Kontext agieren, sei es als Missionare/Missionsbischöfe (Ericus peregrinus, Sigfrid, Eskil, Henrik), als Kirchen21 22

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Vgl. Alan tHAcker, Loca sanctorum. The Significance of Place in the Study of the Saints, in: Local Saints and Local Churches in the Early Medieval West, hg. v. DeMs. / Richard sHArpe, Oxford 2002, 1–43. Vgl. Peter BroWN, The Rise of Western Christendom. Triumph and Diversity, AD 200–1000, Cambridge [Repr.] 1996, 216–232; Ders., The Rise and Function of the Holy Man in Late Antiquity, in: The Journal of Roman Studies 61 (1971), 80–101. Zur Anwendung beider Begriffe auf die Missionszeit Skandinaviens und die frühen einheimischen Heiligen vgl. Sara E. ellis NilssoN, Creating Holy People and Places on the Periphery. A Study in the Emergence of Cults of Native Saints in the Ecclesiastical Provinces of Lund and Uppsala from the Eleventh to the Thirteenth Centuries, Göteborg 2015, 29–33, 208–228. Vgl. z. B. die Aufsätze in Loca sanctorum, hg. v. tHAcker/sHArpe (wie Anm. 21); Albrecht DieM, Monks, Kings, and the Transformation of Sanctity. Jonas of Bobbio and the End of the Holy Man, in: Speculum. A Journal of Medieval Studies 82 (2007), 521–559.

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gründer (Elin, Erik, Henrik), als Kreuzfahrer (Erik, Henrik) oder als Laie, der seine Nachbarn vom christlichen Glauben überzeugt (Botvid). Diese Heiligen und die Überlieferungssituation zu ihren Kulten sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden24. III. DIE HEILIGEN III.1 ‚Kleine‘ Heilige Der am frühesten erwähnte Heilige – sieht man einmal vom fränkischen Missionsbischof Ansgar ab, dessen Kult sich in Skandinavien erst sehr spät verbreitete – ist ein gewisser Hericus peregrinus, den Adam von Bremen erwähnt. Über Hericus habe er vom dänischen König Sven Estridsen erfahren, dass er ein Missionar dum Sueones ulteriores (wohl: in Uppland) gewesen sei, der von ihrer Hand die Märtyrerkrone empfangen habe und an dessen Grab sich immer noch – also bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts – Wunder ereignen sollten25. Dieser Heilige wird in der Legende Botvids unter dem Namen Ericus erneut erwähnt. Hier erfahren wir nun, dass er Mönch gewesen und auf einem Thing in Flottesund (bei Uppsala) getötet worden sei sowie dass seine Gebeine in Tälje begraben sein sollen26. Eigene liturgische Texte über diesen Heiligen existieren nicht. Zahlreiche Spekulationen wurden über einen Heiligen angestellt, dessen Verehrung in einer Bulle Papst Alexanders III. vom Anfang der 1170er Jahre an K.[nut Eriksson] illustri sweorum et gothorum regi27 verboten wurde. Dieser (nicht identifizierte) Mann sei, als er betrunken war, erschlagen worden und werde nun nach der Art der Heiden wie ein Heiliger verehrt. Die Kirche könne kaum die Verehrung eines Mannes zulassen, der in einem Zustand der Trunkenheit getötet worden sei, denn es sei schon von den Aposteln gesagt worden, dass Trinker nicht im Besitz des Königreichs des Himmels seien. In der Forschung wurde dieser Heilige häufig mit Erik dem Heiligen identifiziert und fehlt daher in den einschlägigen Überblicksdar24

25 26 27

Ein Überblick über die schwedischen Heiligen der Missionszeit findet sich zuletzt bei ellis NilssoN, Creating Holy People (wie Anm. 22), 82–89, 94–96; vgl. ebenfalls Haki ANtoNssoN, The Early Cults of Saints in Scandinavia and the Conversion. A Comparative Perspective, in: Saints and their Lives on the Periphery. Veneration of Saints in Scandinavia and Eastern Europe (c. 1000–1200) (Cursor mundi 9), hg. v. DeMs. / Ildar H. gAripzANov, Turnhout 2010, 17–38, bes. 32–36; Anders FröJMArk, Från Erik pilgrim till Erik konung. Om helgonlegenden och Sveriges kristnande, in: Kristnandet i Sverige. Gamla källor och nya perspektiv, hg. v. Bertil NilssoN (Publikationer Projektet Sveriges kristnande 5), Uppsala 1996, 387–418; Ders. / Christian krötzl, Den tidiga helgonkulten, in: Kyrka – samhälle – stat. Från kristnande till etablerad kyrka (=Historiallinen Arkisto 110:3), Helsingfors 1997, 121–144; Tryggve luNDéN, Sveriges missionärer, helgon och kyrkogrundare. En bok om Sveriges kristnande, Storuman 1983. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae Pontificum, hg. v. Bernhard scHMeiDler (MGH SS rer. Germ. 2), Hannover/Leipzig 1917, Buch III, Kap. 54 (53), 199. Vgl. Vita S. Botvidi martyris, in: SRS II, hg. v. Erik G. geiJer / Johannes H. scHröDer, Uppsala 1828, 377–382, bes. 381. Zur Überlieferung der Botvidslegende siehe unten. SDHK 224.

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stellungen zu frühen schwedischen Heiligen28. Diese Identifikation ist überzeugend zurückgewiesen und stattdessen darauf verwiesen worden, dass Alexander III. als Kirchenreformer mit dieser Bulle das päpstliche Kanonisationsmonopol stärken wollte, indem er die Verehrung eines offenbar den christlichen Heiligkeitsvorstellungen nicht entsprechenden Mannes verbot und damit die Fähigkeit der lokalen Bischöfe infrage stellte, Heiligsprechungen vornehmen zu können29. In dieser Hinsicht stellt die Bulle einen Meilenstein auf dem Weg zur Durchsetzung des alleinigen Rechts der Päpste dar, Heilige zu kanonisieren. Ein weiterer nur in Fragmenten bekannter Kult ist der des Nikolaus von Edsleskog, von dem wir ebenfalls lediglich aus einer päpstlichen Urkunde an Bischof Bengt dem Jüngeren von Skara aus dem Jahr 1220 wissen30. Er wird dort als Priester vorgestellt, zu dessen Ehren die Kirche in Edleskog errichtet worden sei, und Bischof Bengt erhält die Erlaubnis, Ablässe für den Besuch dieser Kirche zu erteilen. Der Brief, in dem Bengt der Jüngere um einen päpstlichen Ablass zugunsten dieser Kirche bat und in dem er sicherlich Nikolaus als Heiligen vorstellte und die Gründe für dessen Heiligkeit erläuterte, ist nicht erhalten. Da der Papst der Verehrung dieses Heiligen mit der Erlaubnis der Ablassgewährung indirekt zustimmte, kann aber wohl davon ausgegangen werden, dass der Kult bereits vor der eben erwähnten Bulle Alexanders III. aus den frühen 1170er Jahren bestand. Hinweise auf eine im gesamten Bistum verbreitete Verehrung durch Einträge in liturgischen Quellen finden sich aber nicht und auch in späteren, quellenreicheren Zeiten tritt uns der Kult nicht mehr entgegen31. III.2 Elin/Helena von Skövde Im Gegensatz zu diesem zwar bischöflich geförderten, aber dennoch langfristig nicht erfolgreichen Kult entwickelte sich jener der heiligen Elin/Helena von Skövde im selben Bistum zum vorherrschenden. Erste Hinweise auf einen Kult finden sich in liturgischen Fragmenten des 13. Jahrhunderts32. Doch auch hier deutet die Tatsache, dass der Kult im Jahr 1291 indirekt durch eine päpstliche Ablassverleihung approbiert wurde, darauf hin, dass er bereits vor 1170 bestand (oder dass man dies in Rom zumindest glaubhaft hatte vermitteln können)33. Die Legende Elins wurde in 28

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Die Identifikation mit Erik erfolgte z. B. bei Tuomas leHtoNeN, Finlands erövring och frälsningshistoria. Sankt Henrik, Finlands kristnande och uppbyggandet av det förflutna, in: Pyhä Henrik ja Suomen kristillistyminen, hg. v. Helena eDgreN / Tuukka tAlvio / Eva AHl, Helsinki 2007, 7–26, bes. 9; André vAucHez, Sainthood in the later Middle Ages, Cambridge 2005, 25, und baut dabei auf der älteren schwedischen Forschung auf, zuerst: Arne stADe, Påvebrevet till „konung K“, in: Kyrkohistorisk Årsskrift 38 (1938), 133–159. Vgl. Dick HArrissoN, Quod magno nobis fuit horrori… Horror, Power and Holiness within the context of Canonization, in: Medieval Canonization Processes. Legal and Religious Aspects (Collection de l’Ecole française de Rome 340), hg. v. Gábor klANiczAy, Rom 2004, 39–52. SDHK 388. Vgl. ellis NilssoN, Creating Holy People (wie Anm. 22), 94, 171 f. Vgl. ebd., 84–86, 170 f., 314. SDHK 1542.

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Form eines Offiziums wahrscheinlich um 1290 von Brynolf Algotsson, Bischof von Skara 1278–1317, schriftlich fixiert, der noch drei weitere Offizien zu Ehren von Christi Dornenkrone, der Jungfrau Maria und dem heiligen Eskil verfasst haben soll, und lautet zusammengefasst folgendermaßen34: Elin war von edler Geburt und zunächst mit einem (unbekannten) Mann verheiratet, mit dem sie mehrere Kinder hatte. Nach dem Tod ihres Mannes entschied sie sich – entgegen den Erwartungen ihrer Umgebung – dafür, im Witwenstand zu verbleiben und widmete ihr Leben Gott durch Fasten, Beten und gute Taten. Eine dieser guten Taten war die Unterstützung des Baues der Kirche von Skövde (etwa 25 km östlich von Skara), in der sie einem prophetischen Traum nach auch begraben werden sollte. Ihr Schwiegersohn, der seine Frau, also Elins Tochter, misshandelt hatte, war von einigen seiner Bediensteten daraufhin getötet worden. Elin wurde nun von den Verwandten des Schwiegersohns der Mittäterschaft verdächtigt und versuchte, sich deren Nachstellungen durch eine Pilgerreise ins Heilige Land zu entziehen. Nach ihrer Rückkehr wurde sie aber dennoch von diesen auf dem Weg zwischen ihrem Wohnort Götene (ca. 20 km nördlich von Skara) und Skövde ermordet. Nach ihrem Tod ereigneten sich mehrere Wunder, so sei der tödlichen Wunde ein großer Wohlgeruch entströmt, ein Blinder sei durch die Berührung seiner Augen mit ihrem Blut geheilt worden und ein ihr abgeschlagener Finger habe ein Licht ausgestrahlt, durch dessen Hilfe der Junge, der den Blinden geführt hatte, diesen Finger auffinden konnte. Bei der Überführung ihres Leichnams nach Skövde sei an einem Rastplatz des Leichenzuges eine Quelle entsprungen und nach ihrer Beerdigung seien an ihrem Grab mehrere Krankenheilungswunder geschehen, mit denen sowohl Stummheit als auch Taubheit, Lepra und eine Gehbehinderung geheilt wurden. Neben diesen – in Wundersammlungen sehr häufig auftretenden Wundern – wird aber auch von zwei ungewöhnlicheren Wundern berichtet, in denen der Stein, auf dem ihre Leiche gewaschen wurde, nach der Berührung mit ihrem Blut zerbrochen sein und ein Steinmetz, der an der von ihr geförderten Kirche in Skövde arbeitete, ihren Schutz gegen Räuber erhalten haben soll. Aufgrund dieser Wunder habe Papst Alexander III. sie unter Fürsprache Erzbischof Stefans von Uppsala unter die Heiligen aufgenommen. Durch die Verwendung der in der Hagiographie häufig gebrauchten Krankenheilungs- und Quellwunder sowie durch den obligatorischen Duft, der Heiligen und ihren Gebeinen fast immer entströmt, beweist Brynolf Algotsson sowohl seine Bildung als auch seine Fähigkeit, eine Heiligenlegende ‚auf der Höhe der Zeit‘ zu konstruieren. Die Heiligkeit ihrer Person wird in Elins Offizium durch zahlreiche biblische Parallelen belegt. So habe sie sich zum Beispiel durch Standhaftigkeit im Angesicht einer (Mord-)Anklage ausgezeichnet wie Susanna, Sarah und Hanna, sei schön gewesen wie Rachel, Esther und Judith und fruchtbar wie Lea. Ihr Mut sei vergleichbar mit dem Esthers und Judiths und wie letztere sei sie eine nicht wiederverheira34

Vgl. die Edition: piltz, Tidegärd och mässa (wie Anm. 1). Das ansonsten von Sven-Erik perNverfasste Buch stellt den Forschungsstand zu Elin dar. Auch wenn die Forschung die Angabe über die Komposition der vier Offizien in den Kanonisationsakten Brynolfs aus dem frühen 15. Jahrhundert weitgehend akzeptiert hat, muss darauf hingewiesen werden, dass keine zeitgenössischen Quellen existieren, die auf seine Verfasserschaft hinweisen.

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tete Witwe gewesen. Ihr prophetischer Geist verbinde sie mit Debora und Hulda35. Diese (und weitere) Vorbilder für eine heilige Witwe fand Bischof Brynolf nicht selbst in der Bibel, sondern er folgte in dieser Charakterisierung den Kirchenvätern, die das Idealbild einer vidua sancta an eben diesen Beispielen aufgebaut hatten. Darüber hinaus schöpfte er aus den Viten der Elisabeth von Thüringen, geschrieben von Caesarius von Heisterbach, der Galla und der Romula aus den Dialogen Gregors des Großen sowie aus der Legende des nordischen Heiligen Olaf36. Wie im Fall der Wunder Elins stellte der Autor auch durch die (Über-)Fülle der biblischen und hagiographischen Vorbilder seine Belesenheit und seine Fähigkeit unter Beweis, ein adäquates Heiligenoffizium zu verfassen. Dies tut er ebenso durch die Betonung der edlen Herkunft der Heiligen, denn Laienheilige entstammten im lateinischen Europa nördlich der Alpen bis zum Ende des Mittelalters fast immer entweder einem königlichen Haus oder zumindest dem hohen Adel37. Die oben diskutierte regionale Vereinnahmung der Heiligen ist in der Legende Elins besonders auffallend. An fünf Stellen des Offiziums wird auf sie als Patronin Västergötlands Bezug genommen, an einer wird sie als „milde Fürsprecherin des Königreichs Schweden“38 bezeichnet. Beide Bezüge kommen auch in der ebenfalls von Bischof Brynolf verfassten Elinsmesse vor39. Fragen wir nach den Transferwegen von Heiligkeitsvorstellungen, wäre es interessant zu erfahren, wo Brynolf Algotsson seine Bildung erwarb. In seinen Kanonisationsakten, mit denen im frühen 15. Jahrhundert ein (misslungener) Versuch unternommen wurde, ihn päpstlich kanonisieren zu lassen, ist die Rede von 18 Jahren, die er ohne Unterbrechung zum Studium in Paris verbracht habe40. Legt man die Angabe in seiner Wahlanzeige zugrunde, nach der er zum Zeitpunkt seiner Bischofswahl gerade 30 Jahre alt war, erscheint die Angabe der Länge seiner Pariser Studien in den Kanonisationsakten übertrieben; er hätte sich im Alter von elf Jahren immatrikulieren müssen41. Auch seine angebliche Stiftung eines collegium für schwedische Studenten in Paris lässt sich in den Quellen nicht nachweisen. Das Haus, in dem das collegium eingerichtet werden sollte, befand sich seit 1292 im Besitz des schwedischen Klerikers Emphastus. Er wird 1311 zuletzt als Eigentümer genannt, zehn Jahre später werden erstmals schwedische Studenten als Besitzer aufgeführt. Der Besitzwechsel fand also irgendwann dazwischen statt. Dass Bischof

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Zu diesen und weiteren Parallelen vgl. die Edition von piltz, Tidegärd och mässa (wie Anm. 1), 197–199, 201, 206 f. Vgl. Toni scHMiD, Den helige Sigfrid, Lund 1931, 141–176. Vgl. André vAucHez, Lay People’s Sanctity in Western Europe, in: Images of Sainthood in Medieval Europe, hg. v. Renate BluMeNFelD-kosiNsky / Timea szell, Ithaca u. a. 1991, 21–32. piltz, Tidegärd och mässa (wie Anm. 1), 194–196, 198, 213. Vgl. ebd., 215 f. Die Kanonisationsakten sind ediert als: Vita S. Brynolphi Episcopi Scarensis cum processu eius canonizationis, in: SRS III (wie Anm. 9), 399–404. Zu Person und Umfeld Brynolfs vgl. die Beiträge in Brynolf Algotsson. Scenen, mannan, rollen (Acta bibliothecae Scarensis 7), hg. v. Karl-Erik tysk, Skara 1995. SDHK 1060.

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Brynolf dabei eine Rolle spielte, ist zwar möglich, er wird aber nirgends erwähnt42. Dass er eine gewisse Zeit in Paris studiert haben dürfte, erscheint nichtsdestotrotz wahrscheinlich. Im Schweden der Mitte des 13. Jahrhunderts gab es keinen Ort, an dem man ein derart weitreichendes Wissen, wie Brynolf es in seinen vier Offizien beweist, hätte erwerben können und Paris war in diesem Zeitraum noch die nächstliegende Alternative für einen Studienaufenthalt. Die Transferlinien dürften in seinem Fall also von Frankreich nach Schweden führen. III.3 Eskil Ein weiteres Brynolf Algotsson zugeschriebenes Offizium hat den heiligen Eskil zum Gegenstand. Im Gegensatz zu Elin, deren Verehrung nur unwesentlich früher zum ersten Mal schriftlich fassbar wird, gibt es Belege für einen bereits im 12. Jahrhundert existierenden Kult Eskils im liturgischen Material, nämlich mehrere Missale-Fragmente aus der zweiten Hälfte des 12. und aus dem 13. Jahrhundert43. Die erste Nennung eines bei den Suethi […] et Gothi missionierenden englischen Märtyrer-Bischofs Eskil kann sogar noch weiter zurück, an den Anfang des 12. Jahrhunderts, datiert werden44. Der in Odense (Dänemark) lebende englische Benediktinermönch Ælnoth erwähnt einen solchen in seiner Knutsvita, jedoch ohne ihn explizit als Heiligen zu bezeichnen oder sein Wirkungsgebiet näher einzugrenzen. Eine Kirche des heiligen Eskil in Tuna (seit dem späten 13. Jahrhundert: Eskilstuna) wird in einer Bulle Papst Gregors IX. aus dem Jahr 1231 erwähnt45. In 42

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Vgl. Astrik L. gABriel, Skara House at the Mediaeval University of Paris. History, Topography, and Chartulary (Texts and Studies in the History of Mediaeval Education 9), Notre Dame 1960, 67–70. Die Vermutung, Bischof Brynolf sei der Stifter, wurde zuerst von scHück, Svenska Parisstudier (wie Anm. 20), bes. 52, geäußert und auch als solche gekennzeichnet. Auch Knut B. WestMAN, Brynolf Algotsson, in: Svenskt Biografiskt Lexikon 1 (1918), 391–395, nennt die Gründung des Hauses durch Brynolf „wahrscheinlich“ (S. 395). In der späteren Forschung wird Brynolfs Stiftertätigkeit nur noch als Faktum genannt, vgl. z. B. luNDéN, Sveriges missionärer (wie Anm. 24), 74; Anders piltz, Inledning, in: Brynolf Algotsson, hg. v. tysk (wie Anm. 40), 9 f.; Sven BloMgreN, Förord, in: Den helige biskop Brynolfs av Skara levnad jämte hans kanonisationsprocess, hg. v. DeMs., Skara 1998, 5–7. Der Eintrag zu Eskil im ‚Calendarium Vallentunense‘ ist ein Zusatz des späten 13. Jahrhunderts. Er lautet: Eskilli martiris novem [lectiones]. Vgl. HelMFriD, Vallentuna Anno Domini 1198 (wie Anm. 11), fol. 30r, 89. Da das Offizium Eskils mit besagten neun lectiones erst im späten 13. oder frühen 14. Jahrhundert verfasst wurde, kann der Eintrag nicht älter sein. 12. Jahrhundert: Fr 9635, vgl. ellis NilssoN, Creating Holy People (wie Anm. 22), 82, 318 f.; 13. Jahrhundert: Fr 25621–25622, Fr 25624, Fr 25598, BL Add. 40146 (Calendarium), Fr 4540, Fr 26828, vgl. ebd.; Jan BruNius, Atque Olavi. Nordiska helgon i medeltida mässböcker (Sällskapet Runica et Mediævalia, Scripta minora 17), Stockholm 2008, 48, 123. Die Nummern der Fragmente beziehen sich auf die Signaturen in der MPO-Datenbank (vgl. Anm. 9). Vgl. Ælnoth von Canterbury, Gesta Swenomagni Regis Et Filiorvm Eivs Et Passio Gloriosissimi Canvti Regis Et Martyris, in: Vitae Sanctorum Danorum, hg. v. Martin C. gertz, Kopenhagen 1908, 77–136, bes. 83. Der Name „Eskilstuna“ taucht erstmals im Testament des Propstes Björn von Bälinge (SDHK 965) auf. Das Testament selbst trägt kein (Jahres-)Datum und wurde von den Herausgebern des ‚Diplomatarium Suecanum‘ auf 1275–1291 datiert.

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dieser bestätigt der Papst dem Johanniterorden den Besitz dieser Kirche, die ihm Bischof W.[ilhelm] von Strängnäs unter Zustimmung von Erzbischof S.[tefan], König K.[nut Eriksson] und Jarl B.[irger Brosa] geschenkt habe46. Da Erzbischof Stefan im Jahr 1185 starb, wird dieses Jahr als terminus ante quem der Schenkung angenommen. Die Schenkung dieser Kirche an die Johanniter ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil damit das Monopol der Zisterzienser auf geistliche Häuser in Schweden zum einzigen Mal bis zur Ankunft der Bettelorden durchbrochen wurde. Im Zusammenhang der Verehrung Eskils zeigt sich darüber hinaus, dass spätestens 1231, wahrscheinlich aber schon 1185 eine Kirche mit Eskilspatrozinium am Ort seines Todes bestand. In seinen Kanonisationsakten wird Bischof Brynolf zum Autor des Offiziums erklärt, das er Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts schriftlich fixiert haben dürfte. Das älteste erhaltene Fragment der Legende befindet sich in einer auf das 13. Jahrhundert datierten Handschrift. Die Nutzung der Legende des Petrus von Verona sowie die Nennung des Dominikanerkonvents in Strängnäs (gegründet 1268) im Offizium verweisen den Text auch inhaltlich an das Ende des 13. Jahrhunderts ebenso wie der Bezug auf die Legende Sigfrids (vgl. weiter unten). Das vollständige Offizium ist erst in zwei auf das späte 14. Jahrhundert datierten Codices überliefert, dem ‚Codex Laurentii Odonis‘ und einem Brevier mit Ursprung in der Diözese Strängnäs47. Dort liest sich die Geschichte des englischen Missionsbischofs folgendermaßen48: Eskil, Vikar des heiligen Sigfrid, kommt als englischer Missionar nach Schweden und wird zum Bischof über Nordanskhog gewählt. Dort verbreitet er erfolgreich und unter dem Schutz des Königs Inge dem Älteren Stenkilsson das Christentum. König Inge wird allerdings nach einiger Zeit von seinem Widersacher Sven vertrieben, der die heidnischen Rituale wiedereinführt und unter dessen Herrschaft die Christen verfolgt werden. Bei einem dieser Rituale, das unter Svens Vorsitz in Strängnäs durchgeführt wird, hält Eskil den Heiden eine Strafpredigt, woraufhin diese versuchen, ihn zu steinigen. Nachdem der Bischof durch Steinwürfe offenbar nicht getötet werden kann, bereitet man seinem Leben mit einer Axt ein Ende. Dies geschieht direkt neben der Stelle, an der sich zur Zeit des Verfassers der Dominikanerkonvent von Strängnäs befindet. Weiter heißt es, dass nach dem Martyrium Eskils Freunde seinen Leichnam mitgenommen hätten, um ihn in seiner Kirche in Fors beizusetzen. Kurz vor dem Ziel, in Tuna, sei aber plötzlich dichter Nebel aufgetaucht und der Körper des Toten sei so schwer geworden, dass er kaum noch getragen werden konnte. Dies hätten die Christen als

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SDHK 473. Das Fragment befindet sich in der Kungliga Biblioteket in Stockholm (KB) in einem Codex mit der Signatur A 103. Der ‚Codex Laurentii Odonis‘ befand sich unter der Signatur A 182 in der Landesbibliothek Dresden und wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Eine Kopie wurde von Mitarbeitern der Kungliga Biblioteket angefertigt und wird noch immer dort verwahrt. Das Brevier aus der Diözese Strängnäs befindet sich in der Universitätsbibliothek Uppsala und trägt die Signatur UUB C 416. Edition: Officium S. Eskilli, e Breviario Skarensi. Auctore S. Brynolpho, Episcopo Skarensi, in: SRS II (wie Anm. 26), 399–404.

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Zeichen betrachtet, den Körper an dieser Stelle zu begraben und eine Kirche über dem Grab zu errichten. Die für das Elinsoffizium so charakteristischen Verbindungen der Heiligen mit Västergötland sind im Offizium Eskils stark reduziert. Nur einmal wird Södermanland als die Region genannt, die unter dem besonderen Schutz des Heiligen stehe. Auch in diesem Offizium finden sich mehrere biblische Personen, mit deren Hilfe der Autor den Heiligen charakterisiert, wenn auch die (Über-)Fülle des Elinsoffiziums nicht erreicht wird. Wie im Offizium der västergötländischen Heiligen sind auch im Eskilsoffizium Anleihen aus älteren hagiographischen Werken zu finden. So wird – zum Teil im gleichen Wortlaut – aus der Legende Olafs des Heiligen zitiert, außerdem wird die Kenntnis der Legenden Thomas Beckets und des dominikanischen Heiligen Petrus von Verona deutlich49. Das Bild des guten Hirten gehört zu den Standardmotiven der Legenden geistlicher Heiliger und auch hier werden in der früheren Hagiographie bereits häufig beschriebene Wunder verwandt, um die Heiligkeit Eskils nachzuweisen. So habe er etwa ein Unwetter über die Versammlung der Heiden heraufbeschworen, auf der er später sein Martyrium erleiden sollte, sei aber selbst von keinem einzigen Regentropfen getroffen worden; dieser Topos begegnet zum Beispiel in der Vita Ansgars50. Eine latinistische und musikwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Eskilsoffizium steht aus, so dass über die mit diesen Disziplinen verbundenen Aspekte keine Aussagen getroffen werden können. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts hatte sich der Kult Eskils auch auf Gebiete außerhalb des Bistums Strängnäs ausgebreitet. So wurde sein Festtag in ein Kalendarium eingetragen, das wahrscheinlich in der Diözese Linköping produziert wurde, und dasselbe geschah mit Kalendern aus den Bistümern Västerås, Skara und Uppsala51. III.4 Sigfrid Im Fall des heiligen Sigfrid sind wir in der für Schweden seltenen Lage, eine relativ große Anzahl der Entwicklungsstufen seiner Legende nachvollziehen zu können52: Bereits in Adams von Bremen ‚Gesta Hammaburgensis ecclesiae Pontificum‘ ist an 49 50 51 52

Vgl. Toni scHMiD, Eskil, Botvid och David. Tre svenska helgon, in: Scandia 4 (1931), 102–114, bes. 105 f. Vgl. Rimbert, Vita Anskarii, hg. v. Georg WAitz (MGH SS rer. Germ. 55), Hannover 1884, Kap. 19. Fr 25621, Fr 4540, Fr 27682 und das ‚Calendarium Vallentunense‘; vgl. Sara E. ellis NilssoN, Holy Validation. Saints and Early Liturgy in Scandinavia, in: Mirator 15 (2014), 1–15, bes. 10. Zum frühen Sigfridskult vgl. scHMiD, Den helige Sigfrid (wie Anm. 36); Dies., Trois légendes des Saint Sigfrid, in: Analecta Bollandiana 60 (1942), 82–91; Lars-Olof lArssoN, Det medeltida Värend. Studier i det småländska gränslandets historia fram till 1500-talets mitt (Bibliotheca historica Lundensis 12), Lund 1964, 27–49; Ders., Den helige Sigfrid i kult, legend och verklighet, Växjö 1975; Ders., Den helige Sigfrid och Växjöstiftets älsta historia. Metod- och materialfrågor kring problem i tidigmedeltida kyrkohistoria, in: Kyrkohistorisk Årsskrift 82 (1982), 68–94; ellis NilssoN, Creating Holy People (wie Anm. 22), 86 f., 175–182, 320 f., 337; Dies., Att skapa ett helgon i det medeltida Norden. Berättelser om S:ta Elin och S:t Sigfrid, in:

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mehreren Stellen von einem episcopus Sigafridus die Rede, der im Gefolge König Olafs ‚des Heiligen‘ Haraldsson von England nach Norwegen gekommen sei, dort eine Weile missioniert habe und dann nach Götaland weitergezogen sei. Er soll im Jahr 1030 zum Begräbnis Bischof Thurgots von Skara in Bremen gewesen sein und soll den Priester Osmund zur Ausbildung dorthin geschickt haben. Schließlich sei er zu Adams Lebzeiten (um 1050 – vor 1085) verstorben53. Weitere Angaben zu Sigafridus werden nicht gemacht und er wird auch nicht als Heiliger bezeichnet. Etwa 100 Jahre nach den um 1076 fertiggestellten ‚Gesta‘ wird in mehreren Werken der norwegisch-isländischen Historiographie und Hagiographie ein Bischof Sigvardus/Sigurd beschrieben. Die ‚Acta sanctorum in Selia‘, Theodoricus Monachus, Oddr Snorrason, Gunnlaugr Leifsson und das ‚Ágrip af Nóregskonunga sǫgum‘ verorten ihn im Gefolge des ersten norwegischen Missionskönigs, Olaf Tryggvason (König 995–1000)54. Die ‚Historia Norvegiae‘ folgt Adam von Bremen und nennt ihn im Zusammenhang mit dem etwas später regierenden Olaf Haraldsson (König 1015–1028), während in der ‚Heimskringla‘ Snorre Sturlusons beide norwegischen Missionskönige einen hirð-Bischof namens Sigurd haben55. In ihrer Darstellung Sigafridus/Sigurds lehnen sich alle norwegisch-isländischen Autoren an Adams ‚Gesta‘ an. Am vollständigsten entwickelt findet sich die Figur des Bischofs Sigurd als hirð-Bischof König Olaf Tryggvasons bei Oddr Snorrason und Gunnlaugr Leifsson, beide Mönche im isländischen Benediktinerkloster Þingeyrar. Sie beschreiben in der auf kurz nach 1200 datierten ‚Ólafs Saga Tryggvasonar‘ des ‚Flateyjarbók‘ zunächst, dass er in Sigtuna (Svealand) gepredigt habe. Erstmals wird er als derjenige genannt, der den schwedischen König Olaf Skötkonung getauft habe; im Alter sei er nach Värend übersiedelt und dort gestorben56. Beiläufig

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Personligt talat, Biografiska perspektiv i humaniora, hg. v. Maria sJöBerg, Göteborg/Stockholm 2014, 294–303. Vgl. Adam von Bremen, Gesta (wie Anm. 25), Buch II, Kap. 57, 64, Buch III, Kap. 15, Buch IV, Kap. 34. Vgl. Acta sanctorum in Selia, in: Monumenta historica Norvegiae. Latinske kildeskrifter til Norges historie i middelalderen, hg. v. Gustav storM, Kristiania 1880, 145–152; Theodericus Monachus, Historia de antiquitate regum Norwagiensium, in: ebd., 1–68; Oddr sNorrAsoN, The Saga of Olaf Tryggvason, übers. v. Theodore M. ANDerssoN, Ithaca 2003; Gunnlaugrs Saga über Olaf Tryggvason ist verloren. Es wird angenommen, dass sie eine Erweiterung der Olaf Tryggvasons-Saga Snorres darstellt. Fragmente sind in einigen späteren Werken überliefert. Ágrip af Nóregskonunga sǫgum: Fagrskinna – Nóregs konunga tal, hg. v. Bjarni eiNArssoN (Íslenzk fornrit 29), Reykjavík 1985. Vgl. Historia Norvegiae, hg. v. Inger ekreM / Lars Boje MorteNseN, übers. v. Peter FisHer, Kopenhagen 2006; King Olaf Tryggvason’s Saga, in: Snorre sturlAsoN, The Heimskringla. A History of the Norse Kings, 3 Bde., übers. v. Rasmus B. ANDersoN, London 1907, Bd. 1, 80– 160; Saga of Olaf Haraldsson, in: ebd., Bd. 1, 161–226, Bd. 2, 1–168. Vgl. Ólafs Saga Tryggvasonar, in: Flateyjarbók, hg. v. Guðbrandur vigFússoN / Carl Rikard uNger, 3 Bde., Christiania 1860–1868, Bd. 1 (1860), 39–583; zu Bischof Sigurd: Kap. 400– 402, 511–515. Predigt in Sigtuna: snyrr hann til þess stadar er Sigtun hæitir ok […] sagdr herra byskup hæilagt messu (512); Taufe Olaf Skötkonungs: ok hann hafde sem Gunnlaugr segir gefit hæilaga skirnn Olafi Suiakonungi (512); Alter in Värend: þa er hann gerdiszt gamall for hann til stadar þess er Vernd hæitir (515). Zur Überlieferung der ‚Ólafs Saga Tryggvasonar‘ vgl. Lexikon der altnordischen Literatur, hg. v. Rudolf siMek / Hermann pálssoN, Stuttgart 2007, 292–294.

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werden weitere „Dienstmannen Gottes“ erwähnt, die in der Stadt Växjö ermordet worden sein sollen57. In keinem der genannten Werke des späten 12. Jahrhunderts wird Sigfrid jedoch als Heiliger bezeichnet. Trotzdem wurden durch die Weiterentwicklung der Geschichten um Bischof Sigvardus/Sigurd in der norwegisch-isländischen Tradition die beiden wichtigsten Anknüpfungspunkte für die spätere Entwicklung der Legende Sigfrids geschaffen: die Taufe von und die Zusammenarbeit mit dem schwedischen König Olaf Skötkonung und die Verknüpfung Sigfrids mit der Landschaft Värend. Olaf Skötkonung herrschte um 1000 in Svealand, wo er die erste Münzprägung dieser Region initiierte58. Damit versuchte er – ebenso wie die dänischen und norwegischen Könige dieser Zeit –, der Königsherrschaft mit Hilfe christlicher Missionare eine neue transzendente Grundlage zu geben. Olaf scheint einer der wenigen ‚schwedischen‘ Könige seiner Zeit gewesen zu sein, der seinen Machtbereich auch auf Götaland ausdehnen konnte, denn wir erfahren von Adam von Bremen, dass er in Skara (Västergötland) das erste schwedische Bistum errichtet haben soll59. Im Gegensatz zu den Nachbarkönigreichen konnte sich das christliche Modell der Königsherrschaft in Schweden zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht durchsetzen. Das Wirken Olaf Skötkonungs wird mit dem des heiligen Sigfrid in den späteren Legendenfassungen eng verbunden. Der zweite für die spätere Legende wichtige Anknüpfungspunkt ist die Landschaft Värend als Wirkungsbereich Bischof Sigurds. Sie ist (grob) identisch mit dem im 12. Jahrhundert geschaffenen Bistum Växjö, dessen Bistumsheiliger Sigfrid werden sollte. Die erste Erwähnung Bischof Sigfrids in einer Quelle mit schwedischer Provenienz geschieht in zwei der drei Listen, die dem ‚Äldre Västgötalag‘ beigegeben wurden. Während Sigfrid in der Liste der västergötländischen Gesetzessprecher nicht erwähnt wird, finden sich Informationen zu ihm sowohl in der Liste der schwedischen Bischöfe als auch in jener der christlichen schwedischen Könige. Die beiden Einträge lauten folgendermaßen: Olaf Skötkonung war der erste König, der Christ war in Schweden. Er wurde getauft in der Quelle, die bei Husaby liegt und Brigide[nquelle] heißt, von Bischof Sigfrid. Sigfrid war der erste Bischof, der hierher kam, um zu missionieren, und er kam aus England hierher, markierte drei Kirchstätten und weihte drei Friedhöfe. Einer ist in Friggeråker. Der andere in [Östra] Gerum. Der dritte ist in Agnestad und er fuhr dann nach Värend, missionierte es, lebte und starb dort schließlich eines natürlichen Todes und seine Gebeine ruhen in Växjö. Ein heiliger Engel nahm seine Seele mit und führte sie ins Paradies. Und es gibt nur wenige, die einen solchen Lohn erhalten werden, wie er ihn erhielt60. Ólafs Saga Tryggvasonar (wie Anm. 56), 513: guds þionostumonnum æigir firi longu er þer tokut af lifue j þeim stad er Uegsior hæitir. 58 Vgl. Brita MAlMer, Münzprägung und frühe Stadtentwicklung in Nordeuropa, in: Haithabu und die frühe Stadtentwicklung im nördlichen Europa, hg. v. Klaus BrANDt / Michael MüllerWille / Christian rADtke (Schriften des Archäologischen Landesmuseums 8), Neumünster 2002, 117–132. 59 Vgl. Adam von Bremen, Gesta (wie Anm. 25), Buch II, Kap. 58. 60 Äldre Västgötalagen, hg. v. WiktorssoN (wie Anm. 8), Olaf Skötkonung: Bd. 2, 196: Olawær skotkonungær . war fyrsti konongær sum cristin war . i . sweriki . han war döptær . i . kyælda þerræ wið hosæby liggær . oc heter byrghittæ . af sighfriði biscupp; Bischof Sigfrid: Bd. 2, 57

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In diesen Einträgen wird auf die oben erwähnte Tradition rekurriert. Sigfrid wird als Bischof beschrieben, der aus England gekommen sei, um in Västergötland zu missionieren (Adam von Bremen), der in Husaby (bei Skara) König Olaf Skötkonung getauft habe und später in Värend gestorben sei (Oddr Snorrasson / Gunnlaugr Leifsson). Ein Element, das in den Listen des ‚Äldre Västgötalag‘ hinzukommt, ist die Verbindung Sigfrids mit mehreren konkreten Orten in Västergötland, nämlich der Brigidenquelle bei Husaby und den drei Orten (Friggeråker, Östra Gerum und Agnestad), an denen er Friedhöfe geweiht haben soll, sowie der Stadt Växjö in Värend. Die Verbindung dieser Orte des 13. Jahrhunderts mit dem etwa 200 Jahre früher wirkenden Missionsbischof dürfte für die dort befindlichen Kirchen (und ihren Besitz) eine legitimierende Wirkung gehabt haben. Auch in den Listen des ‚Äldre Västgötalag‘ wird Sigfrid noch immer nicht als Heiliger bezeichnet. Die letzten beiden Sätze seines Eintrages in der Bischofsliste rücken ihn allerdings bereits in die Nähe eines solchen. Die nächste Stufe der Entwicklung der Legende Sigfrids findet sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im sogenannten Toresund-Brevier sowie in einer Zusammenfassung der darin enthaltenen Legende in BL Add. Ms. 40146. In den Fragmenten des Breviers tritt uns ein volles Offizium mit neun Lektionen entgegen, aus dem folgende Legendenmotive erkennbar werden61: Sigfrid, Erzbischof von York, tritt regis mildredi consilio (ein sonst unbekannter englischer König) die peregrinatio nach Schweden an, wobei er über Dänemark reist. Dort stoßen seine Neffen zu ihm und begleiten ihn auf der Weiterreise62. Diese führt die Missionare zuerst in die Landschaft Värend, wo Sigfrid in Växjö eine Kirche erbaut, die er zum Bischofssitz bestimmt. Seine drei Neffen, Unaman, Vinaman und Sunaman, besitzen die Weihegrade eines Priesters, eines Diakons und eines Subdiakons und unterstützen ihn in seiner Missionsarbeit. Der Rex […] swecie olauus nomine hört von Sigfrids Missionstätigkeit, lädt ihn zu sich ein und lässt sich, seine Familie und seine Gefolgschaft von ihm taufen. Die drei Neffen bleiben in Värend zurück, arbeiten weiter am Aufbau der Kirche und erleiden dafür das Martyrium63. Nach der Rückkehr Sigfrids geben sich ihm die versenkten Köpfe seiner Neffen durch Leuchten zu erkennen, werden von ihm geborgen und sprechen mit ihm. Der Bischof fährt danach bis ins hohe Alter in seiner Missionstätigkeit fort, predigt, tauft,

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202: Sigfriðær war fyrsti byskupær sum hær com cristnu . a . han ffor aff ænglandi oc hingæt oc mærhtti hær þre kyrkyustæði oc wighþi þre kyrkyugarðþe. En ær . i . friggiærone . Annær . i . gyrem . þriði ær . i . agnistaðhum . oc for siðþæn . i . wærænð . oc com þær cristnu . a . oc . liff sit at rættum döðæ . oc . j . wæxyo hwilæs ben hans. Æn hælhir ænglær toko wið sial hans oc förðþo hanæ til paradis. (Übersetzungen des Autors). Vgl. die Edition der Fragmente in Alf öNNerFors, Die Hauptfassungen des Sigfridoffiziums. Mit kritischen Editionen, Lund 1968, 64–82. In der Darstellung in BL Add. Ms. 40146 erfolgt dies auf Bitten des schwedischen Königs Olaf. Vgl. JørgeNseN, Bidrag (wie Anm. 13), 191. Lectio 8 und die darauffolgenden poetischen Teile des Offiziums, die über das Martyrium der Neffen und sein Zustandekommen handeln, sind im Toresund-Brevier nur sehr fragmentarisch überliefert. BL Add. Ms. 40146 spricht von zwölf Männern, die nachts in ihr Haus eingedrungen seien, sie enthauptet und die Köpfe im See neben der Kirche versenkt hätten.

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baut Kirchen und weiht Kleriker. Er stirbt schließlich und wird in seiner Kirche in Växjö begraben. Wir sehen, dass in dieser Stufe der Legendenbildung eine Reihe von Motiven neu hinzutritt. Zunächst ist festzuhalten, dass Sigfrid nun zum ersten Mal als Heiliger bezeichnet wird. Außerdem bemerkenswert ist die Tatsache, dass nun drei weitere Heilige – die Neffen Sigfrids – als Akteure hinzukommen und einen prominenten Platz in der Legende einnehmen. Darüber hinaus ist eine geographische Schwerpunktverlagerung zu beobachten. Wirkte Sigfrid in den altnordischen Quellen vor allem in Norwegen und in Uppland (Sigtuna), verschiebt sich sein Lebensmittelpunkt in den Listen des ‚Äldre Västgötalag‘ nach Västergötland, von wo er erst gegen Ende seines Lebens nach Värend zog. Västergötland taucht in den beiden Quellen der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nicht mehr namentlich auf64. Der Schwerpunkt der Tätigkeit Sigfrids (und seiner Neffen) liegt nun in Värend, wo auch die Reliquien aller vier Heiligen verbleiben. Die Überlieferung der Legende bis zum Ende des 13. Jahrhunderts stellt sich also zusammengefasst folgendermaßen dar. Die Gestalt Bischof Sigfrids taucht zuerst bei Adam von Bremen in den 1070er Jahren auf und wird im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts durch norwegische und isländische Autoren weiterentwickelt, ohne dass der Bischof als Heiliger bezeichnet wird. Er wirkt vor allem in Norwegen, je nach Autor entweder am Hof Olaf Tryggvasons oder Olaf Haraldssons. Missionsreisen nach Schweden, die Taufe Olaf Skötkonungs und sein Tod in Värend werden erwähnt. Erstmals in die Nähe der Heiligkeit rückt Sigfrid in der Bischofsliste, die um 1240 dem ‚Äldre Västgötalag‘ beigegeben wurde. Auch sein Tätigkeitsschwerpunkt befindet sich nun in der Herkunftsregion dieser Quelle (Västergötland). Im ältesten Offizium Sigfrids aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wirkt er nun mit Ausnahme einer Reise, die er unternimmt, um Olaf Skötkonung zu taufen, in Värend, wo er nach langer Missionstätigkeit im Greisenalter eines natürlichen Todes stirbt und wo auch seine drei Neffen ihr Martyrium erleiden. Seine sterblichen Überreste befanden sich in der Kirche von Växjö und wurden von diesem – erst um 1170 gegründeten – Bistum genutzt, um eine Tradition um einen lokalen Heiligen aufzubauen65. Neben den bisher erwähnten Diözesen Växjö, Skara, Strängnäs und Uppsala, in denen Hinweise auf den Kult Sigfrids im späten 13. Jahrhundert gefunden werden können, ist auch das Bistum Linköping 64

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Allerdings sind auch an der Stelle (lectio 7), die über die Taufe Olaf Skötkonungs berichtet, Überlieferungsverluste zu beklagen, so dass hierüber keine absolute Klarheit gewonnen werden kann. In der Zusammenfassung der Legende in BL Add. Ms. 40146 wird Västergötland als Ort der Taufe nicht erwähnt, in den Fassungen des späten 14. Jahrhunderts wird allerdings Bezug darauf genommen. Beide Quellen der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts haben ihre Provenienz in Svealand. Das Brevier stammt aus Toresund am südlichen Ufer des Mälarsees (Södermanland, Bistum Strängnäs), für BL Add. Ms. 40146 wird eine Herkunft aus dem Stift Uppsala angenommen. In einer späteren Fassung des Offiziums im ‚Codex Laurentii Odonis‘ vom Ende des 14. Jahrhunderts werden die Interessen des Bistums Växjö besser fassbar. In dieser Redaktion stiftet Olaf Skötkonung der Kirche von Växjö Besitz an zwei Orten (Hov und Thiuthyrby). Zu den Maßnahmen des Bistums Växjö, den Heiligen für sich zu vereinnahmen, vgl. ellis NilssoN, Holy Validation (wie Anm. 51), 5 f.

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zu nennen, aus dem das Fragment eines Breviers erhalten ist, in dem eine Sequenz Sigfrids enthalten ist66. Auffällig ist das plötzliche Auftauchen von drei weiteren Heiligen in der Legende Sigfrids in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Toni Schmid sah in ihnen eine Gruppe von dänischen Missionaren, die vom (im Mittelalter dänischen) Schonen aus in Värend missioniert hätten67. Diese These wurde von der späteren (schwedischen) Forschung weitgehend abgelehnt, eine wirkliche Auseinandersetzung mit Schmids Argumenten fand aber kaum statt68. Zum Zeitpunkt der Abfassung ihrer Dissertation (1931) waren noch nicht alle heute bekannten Fragmente des Toresund-Breviers aufgefunden und auch die schwedischen Teile von BL Add. Ms. 40146 wurden erst kurze Zeit später (1933) von Ellen Jørgensen erstmals beschrieben. Schmids Chronologie der Entwicklung der Sigfridslegende kann daher heute nicht mehr gefolgt werden, ihre Gedanken zum frühen dänischen Einfluss in Südschweden sind jedoch weiterhin beachtenswert. Ausgehend von der Beobachtung, dass das erste Siegel des Domkapitels von Växjö aus dem Jahr 1292 noch die drei Märtyrer zeigt (und nicht Sigfrid), entwickelte sie die These, dass diese die ursprünglichen einheimischen Heiligen des Bistums gewesen seien, die erst später von Sigfrid verdrängt worden wären69. Die Idee, die Gründung des Bistums gehe auf dänische Initiative zurück, untermauerte sie mit Urkunden, die die ersten beiden bekannten Bischöfe von Växjö, Balduinus und Stenar, zwischen den Jahren 1170 und 1191 im Umfeld des Erzbischofs von Lund belegen70. Einen Versuch, den dänischen Einfluss bei der Gründung zu verschweigen, sieht sie in der ersten bekannten Liste über die Bischöfe von Växjö, in der Balduinus nicht vorkommt71. Schmids Beobachtungen und Argumenten können weitere hinzugefügt werden: Zunächst ist es auffällig, dass die drei Verwandten Sigfrids nicht mit ihm von England aufgebrochen sein sollen, sondern erst während seines Aufenthaltes beim dänischen König zu ihm stießen. Ein Blick auf eine Karte der schwedischen Bistümer zeigt, dass alle anderen Bischofssitze – natürlich mit Ausnahme des finnischen Bistums in Åbo/Turku – in den beiden Zentrallandschaften Svealand (Uppsala, Västerås, Strängnäs) und Götaland (Linköping, Skara), also in den fruchtbaren 66 67 68

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Fr 25020; vgl. ellis NilssoN, Holy Validation (wie Anm. 51), 7. Vgl. scHMiD, Den helige Sigfrid (wie Anm. 36), 83–98. Vgl. lArssoN, Det medeltida Värend (wie Anm. 52), 27–49; Ders., Den helige Sigfrid (wie Anm. 52); nahezu unerträglich polemisch: öNNerFors, Offiziendichtung (wie Anm. 14), 63, und besonders Ders., Die Hauptfassungen (wie Anm. 61), 9–11, 15, 18 f., 23 f. usw. Am ausführlichsten setzt sich noch lArssoN mit scHMiDs Argumentation auseinander, lässt aber auch die Entkräftung zentraler Argumente vermissen. Eine hochauflösende Abbildung dieses Siegels kann über den Eintrag der entsprechenden Urkunde (SDHK 1568) in der Urkunden-Datenbank des Riksarkivet angesehen werden (https:// sok.riksarkivet.se/sdhk [abgerufen am 7. August 2017]). Vgl. Toni scHMiD, Växjö stifts tillkomst och äldste förhållanden, in: Scandia. Tidskrift för historisk forskning 2 (1929), 275–281. Die Liste ist in zwei Codices, UUB C 292 und im ‚Codex Laurentii Odonis‘, überliefert. Beide stammen aus dem späten 14. Jahrhundert. Da die Liste mit Bischof Azerus endet, der um 1288 starb, wird der Zeitpunkt der Niederschrift für die 1290er Jahre angenommen. Edition der Liste in: SRS III (wie Anm. 9), 129 f. In ihr wird als Zeitpunkt der Komposition der ‚Gesta‘ Sigfrids das Jahr 1205 genannt.

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Regionen um den Mälarsee bzw. die Seen Vänern und Vättern, konzentriert waren. Värend hingegen lag in der waldigen und spärlich besiedelten Grenzregion nach Schonen, wo bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts der dänische Erzsitz Lund errichtet worden war72. Einen in dieser Hinsicht weitgehend unbeachteten Beleg stellt die Erwähnung der ermordeten Gottesdiener bei Gunnlaugr Leifsson dar73. In der Version der ‚Ólafs Saga Tryggvasonar‘ des ‚Flateyjarbók‘ werden diese Männer, die ihr Martyrium in Växjö gefunden haben sollen, völlig unabhängig von Sigfrids Wirken behandelt. Das Vorgehen, eine Gruppe anonymer Heiliger mit einer Protagonistin zu versehen, ist darüber hinaus in Skandinavien nicht unbekannt. Eine ganz ähnliche Situation finden wir in der norwegischen Hagiographie um die sieben heiligen Männer von Selja, die Seljumenn, und die heilige Sunniva: Von letzterer ist in den frühen Texten keine Rede. Erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wird sie der Gruppe anonymer Heiliger hinzugefügt74. In Bezug auf die urkundliche Überlieferung ist Schmids Argumentation hinzuzufügen, dass diese zwischen 1191 und 1241 abreißt, Växjö aber nach dem Wiedereinsetzen immer als Suffragan Uppsalas genannt wird. Nichtsdestotrotz scheinen aber auch im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts enge Beziehungen zwischen den Bischöfen von Växjö und dem Erzbistum Lund bestanden zu haben. Besonders zwei Urkunden aus den Jahren 1292 und 1295 stechen hier heraus, aus denen hervorgeht, dass man sich aus Växjö wiederholt an den Erzbischof von Lund gewandt habe, um Rückendeckung in Streitfragen mit dem Erzbischof von Uppsala zu bekommen75. Es mutet darüber hinaus seltsam an, dass das Bistum Växjö dem Bischof und confessor Sigfrid einen höheren Rang einräumte als den drei Märtyrern. In den hagiographischen Darstellungen ist es eher die Regel, das Martyrium als die höchste Form der Nachfolge Christi zu betrachten. Dieser Ansicht ist sicher der Brauch geschuldet, dass der Tod von Heiligen häufig zum Martyrium erklärt wurde, auch wenn er nicht im direkten Zusammenhang mit der Verbreitung oder der Verteidigung der christlichen Lehre stand76. Für die Nicht-Nutzung des Prestiges, das mit gleich mehreren Märtyrern einhergegangen wäre, muss es wichtige Gründe gegeben haben77. Einer der Gründe könnte die frühe Zeit des Wirkens Sigfrids gewesen sein. Växjö, dem jüngsten der schwedischen Bistümer, musste daran gelegen sein, sich möglichst alte und ehrwürdige Wurzeln zu geben. Dafür eignete sich Sigfrid, der als erster einen schwedischen König getauft hatte, natürlich sehr gut. Ein weiterer 72 73 74 75 76 77

Keines der skandinavischen Erzbistümer wurde in der jeweiligen königsnahen Zentrallandschaft eingerichtet, sondern alle in einer Randlage, die die weitere Mission möglich machte. Vgl. dazu meine Überlegungen in oertel, The Cult of St Erik (wie Anm. 13), 90–93. Ólafs Saga Tryggvasonar (wie Anm. 56), 513: guds þionostumonnum æigir firi longu er þer tokut af lifue j þeim stad er Uegsior hæitir. Vgl. Alexander o’HArA, Constructing a Saint. The Legend of St Sunniva in Twelfth-Century Norway, in: Viking and Medieval Scandinavia 5 (2009), 105–121. SDHK 1568, 1665. Die Beispiele für diese Praxis sind Legion. Für Schweden sei in dieser Hinsicht auf den heiligen Erik verwiesen. Zur Stellung der Märtyrer unter den Heiligen vgl. die Beiträge von Julia WeitBrecHt und Felicitas scHMieDer in diesem Band.

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Grund könnte die mit Sigfrid gegebene Möglichkeit gewesen sein, den Gründer des Bistums aus England kommen zu lassen und damit möglichen dänischen Ansprüchen eine Gründungstradition entgegenzusetzen, die erstens älter war und zweitens einen nicht-dänischen Ursprung hatte. Folgt man dieser Argumentation, ließe sich eine weitere Funktion hagiographischer Schriften im Schweden des 13. Jahrhunderts benennen: die Abwehr von Ansprüchen anderer kirchlicher Institutionen. III.5 Botvid Södermanland bzw. das Bistum Strängnäs waren im 13. Jahrhundert die einzige schwedische Region mit zwei langfristig erfolgreichen Heiligenkulten. Neben dem bereits im 12. Jahrhundert nachweisbaren Kult Eskils mit Zentrum in (Eskils-)Tuna etablierte sich ebenfalls schon in dieser frühen Zeit die Verehrung Botvids mit ihrem Mittelpunkt in Botkyrka. Erste Nennungen von Botvids Heiligentag finden sich in relativ zahlreichen liturgischen Fragmenten des 12. Jahrhunderts sowie im ‚Calendarium Vallentunense‘78. Interessant ist hier, dass die Gebete, die im Fragment eines Missale unklarer Provenienz des 12. oder frühen 13. Jahrhunderts zu finden sind, später nicht mehr vorkommen, dass hier also ein Traditionsbruch vorzuliegen scheint79. Botvids Offizium ist zusammen mit dem des heiligen Sigfrid zuerst im Toresund-Brevier aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts überliefert und repräsentiert damit eine der am frühesten belegten ausführlichen Heiligenlegenden Schwedens. Während die stilistische Gestaltung beider Offizien im Vergleich zu den Fassungen des späten 14. Jahrhunderts im ‚Codex Laurentii Odonis‘ sehr einfach gehalten ist, sind die in beiden Legenden vorkommenden Motive bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fast vollständig vorhanden80. Die in den neun lectiones des Offiziums überlieferte Legende stellt sich folgendermaßen dar: Botvid kommt als junger Heide nach England, wird dort getauft und kehrt nach Hause zurück. Als er eines Tages mit einigen Dienern und Nachbarn zum Fischen ausfährt, wird er von einem gewissen Bovinus auf einer ihm gehörenden Insel überrascht, der von Botvid ein Viertel seines Fanges fordert. Botvid weigert sich, und als er sich entfernt, folgen ihm alle Fische und können von seinen Dienern gefangen werden, während Bovinus’ Leute die gesamte Nacht umsonst arbeiten. Botvid verkündet dieses Wunder öffentlich, woraufhin alle zu ihm kommen und ihm ein Viertel ihres Fanges anbieten, wenn er dafür Sorge trage, dass ihre Fischzüge ebenso erfolgreich verliefen. Doch der Heilige antwortet: „Wenn Gott

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Fr 4549, Fr 9635, Fr 28049; vgl. ellis NilssoN, Creating Holy People (wie Anm. 22), 83 f., 157–163, 311 f.; Fr 26228, vgl. BruNius, Atque Olavi (wie Anm. 43), 57, 135. Vgl. BruNius, Atque Olavi (wie Anm. 43), 57, 135. Vgl. öNNerFors, Offiziendichtung (wie Anm. 14), 61–63; Peter ståHl, Sanctus Bodvidus, in: Medieval Nordic Literature in Latin. A Website of Authors and Anonymous Works c. 1100– 1530, online 2012, https://wiki.uib.no/medieval/index.php/Sanctus_Botvidus [abgerufen am 31. Januar 2017].

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mir etwas Gutes geben möchte, werde ich es euch für umsonst geben“81. Nachdem Bovinus zum Christentum konvertiert, füllen sich nun auch seine Netze. Einige Zeit später kauft Botvid einen Slawen aus der Gefangenschaft frei. Er möchte ihm ermöglichen, nach Hause zurückzukehren und dort den christlichen Glauben zu verbreiten. Zusammen mit einem ihm verbundenen Bauern, Esbjörn, und dem Freigelassenen setzt er Kurs nach Gotland. Als sie auf der Insel Rogö (Södermanland) rasten, tötet letzterer Botvid und dessen Gefährten mit Botvids Axt. Björn, Botvids Bruder, wird von einem weißen, von Gott gesandten Vogel zu den beiden Leichnamen geführt. Während Esbjörns Überreste mittlerweile skelettiert sind, ist Botvids Körper völlig intakt. Außerdem war eine Quelle an der Stelle entsprungen, an der sein Blut den Boden berührt hatte. Björn bringt den Körper seines Bruders in die Kirche von Säby, wo sich zahlreiche Wunder ereignen, und baut kurz darauf auf dem Familienbesitz eine Holzkirche zu seinen Ehren, die später durch einen steinernen Bau ersetzt wird. Dass Botvid im Bistum Strängnäs bereits während des 12. Jahrhunderts verehrt wurde, kann aufgrund der oben aufgeführten liturgischen Fragmente angenommen werden. Über die weitere Verbreitung des Kultes in dieser Zeit können keine Aussagen getroffen werden, da sich die Provenienz der Fragmente innerhalb Schwedens offenbar nicht näher eingrenzen lässt82. Am Ende des Offiziums des ToresundBreviers werden jeweils zwei Bischöfe von Strängnäs und von Uppsala genannt, welche die beiden Botvids-Kirchen im 12. Jahrhundert geweiht haben sollen. Dies und zwei Fragment von Kalendarien des 13. Jahrhunderts, laut denen der Festtag Botvids mit neun lectiones gefeiert werden soll, belegen die Präsenz und das Gewicht des Kultes im Bistum Uppsala. Weitere Fragmente des 13. Jahrhunderts mit Erwähnungen Botvids existieren aus den Diözesen Västerås und Linköping83. An der gezielten Ausbreitung des Kultes arbeitete im späten 13. Jahrhundert Bischof Isar von Strängnäs. Er übersandte im Jahr 1292 seinem Amtsbruder Lars von Linköping eine Reliquie des Heiligen mit dem explizit geäußerten Ziel, die Verbreitung von dessen Verehrung zu erhöhen84. III.6 Erik Nachdem bereits im späten 11. Jahrhundert in Dänemark und Norwegen Kulte zu den Königsheiligen Knut und Olaf aufgeblüht waren, sind im späten 12. Jahrhundert auch in Schweden – genauer gesagt: in Uppsala – Bemühungen zu fassen, mit

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Vita S. Botvidi martyris (wie Anm. 26), 379: sed si voluerit Deus aliquid boni dare, ego vobis gratis concede. Vgl. die Angaben zu den Fragmenten im MPO-Katalog, https://sok.riksarkivet.se/MPO [abgerufen am 7. August 2017]. Fr 25601 (Uppsala), Fr 25598 (Uppsala), Fr 25624 (Västerås), Fr 25621 (Linköping). Vgl. ellis NilssoN, Creating Holy People (wie Anm. 22), 84, 165–168. SDHK 1552.

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Erik die Verehrung eines solchen Heiligen zu initiieren85. Die Berücksichtigung seines Todestages im ‚Calendarium Vallentunense‘ belegt die Existenz seines Kultes in Uppland kurz vor 120086. In der im frühen 13. Jahrhundert verfassten SverrirSaga findet sich die Angabe, dass die Gebeine des heiligen Erik in Uppsala ruhen würden, und er wird – ebenso wie Sigfrid – in der dem ‚Äldre Västgötalag‘ um 1240 beigegebenen Königsliste erwähnt87. Eine erste kurze Zusammenstellung einiger Motive aus seiner Legende in drei lectiones findet sich in BL Add. Ms. 40146. Diese wird in der Forschung als die ‚kurze Legende‘ bezeichnet. Das älteste Manuskript seiner als ‚Standardlegende‘ bezeichneten vita befindet sich im ‚Registrum ecclesiae Upsalensis‘ aus dem Jahr 1344. Trotz dieses relativ späten ersten Textzeugen wird ein Entstehungszusammenhang von vita, Offizium und Wundersammlung mit dem Umzug des Doms von (Alt)Uppsala nach Östra Aros (dem heutigen Uppsala), der Stätte des Todes Eriks, im Jahr 1273 mit guten Argumenten angenommen, die Komposition dieser drei Schriften also in das späte 13. Jahrhundert datiert88. Leben und Taten Eriks stellen sich in der Legende folgendermaßen dar89: Der in Zeiten der Thronvakanz einhellig zum König gewählte Erik verfolgte während seiner Regierung vor allem drei Ziele: Als erstes baute er Kirchen und stärkte und verbesserte den Gottesdienst. Besonders der Kirche in Uppsala schenkte er seine Aufmerksamkeit, indem er ihren Bau förderte und Kleriker für den Dienst darin anstellte. Als seine zweite Hauptaufgabe betrachtete er es, sein Volk gerecht zu regieren und seine Gesetze zu verbessern. Hier „beschritt er den Königsweg und wich von diesem weder nach rechts für Gunst oder Gaben noch nach links wegen Furcht oder Hass ab“90. Schließlich widmete er sich dem Heidenkampf, indem er zusammen mit Bischof Henrik von Uppsala hinüber nach Finnland fuhr und die dortigen 85 86 87

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Die Entwicklung des Kultes Eriks des Heiligen habe ich in meiner Dissertation, oertel, The Cult of St Erik (wie Anm. 13), nachgezeichnet. Ich beschränke mich deshalb hier auf eine sehr knappe Wiedergabe der Entwicklung seiner Verehrung im 12. und 13. Jahrhundert. HelMFriD, Vallentuna Anno Domini 1198 (wie Anm. 11), 89. Sverris saga. Etter Cod. AM 327 4o, hg. v. Gustav iNDreBø und dem Norske historiske Kildeskriftinstitutt, Oslo 1920, Kap. 100: Eriríks Svíakonúngs Játvarðsonar, hins helga. Eiríkr hvílir í skríni í Svíþjóðu at uppsölum. („Der Svea-König Erik Jedvardson, der heilige. Erik[s Gebeine] weilen in einem Schrein in Uppsala in Svealand“); Äldre Västgötalagens kungalängd, hg. v. WiktorssoN (wie Anm. 8), 198: Tolfte war Erekær kononger · han war vsini swa brat af ðaghum takin · han giærðhi · e · goð ðøme mæðæn han liffðhi · oc guð gaff hanum þær goðæ lon fore · Nu ær hans sial · i · ro mæð guðhi oc hans · hænglum · och ben hans hwilæs · i · wp­ salum · oc hawir þær teeth oc oppenbaræt margh faghær iærtingni mæð gudz naðhum. („Der zwölfte war König Erik. Er wurde plötzlich getötet. Er führte eine gute Herrschaft, als er lebte und Gott gab ihm guten Lohn dafür. Nun ruht seine Seele bei Gott und den Engeln und seine Gebeine weilen in Uppsala und haben dort mit Gottes Gnade große Wunder gezeigt und offenbart“). Vgl. oertel, The Cult of St Erik (wie Anm. 13), 105–118. Toni scHMiD, Erik den heliges legend på latin, fornsvenska och modern svenska, in: Erik den helige. Historia – Kult – Reliker, hg. v. Bengt tHorDeMAN, Stockholm 1954, IX–XX, folgt dem Manuskript des ‚Registrum ecclesiae Upsalensis‘. Das ‚Registrum‘ ist enthalten in Codex A8 im Riksarkivet Stockholm. scHMiD, Erik den heliges legend (wie Anm. 89), XI: via regia incedens nec ad dexteram decli­ nans fauore vel precio nec ad sinistram deflectens timore vel odio.

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Heiden bekehrte. Persönlich war er von sanftem Gemüt, freigiebig gegenüber den Armen, rechtschaffen und so fromm, dass er seinen Körper mit härenen Gewändern quälte und die Lust seiner Lenden mit Baden in eisigem Wasser abzutöten versuchte. Nach seiner Rückkehr aus Finnland wurde er am Tag der Himmelfahrt des Herrn, während er gerade die Messe hörte, von einem dänischen Prätendenten auf den schwedischen Thron, Magnus Henriksson, überfallen und nach mannhaftem Kampf getötet. An der Stelle, an der sein Blut zuerst den Boden berührte, entsprang sofort eine Quelle und eine arme blinde Witwe, zu der man den Leichnam zunächst brachte, erlangte ihre Sehkraft zurück, nachdem sie ihre Augen mit dem Blut des Heiligen benetzt hatte. Die Verehrung Eriks scheint bereits relativ kurz nach seinem Tod begonnen zu haben. Einige Kratzspuren an den Reliquien Eriks wurden bei einer Untersuchung dieser Gebeine dahingehend interpretiert, dass zum Zeitpunkt der elevatio seiner sterblichen Überreste das Fleisch noch nicht vollständig vergangen gewesen sei und deshalb mechanisch habe entfernt werden müssen91. Ausmaß und Lebendigkeit des Kultes im 12. und frühen 13. Jahrhundert sind aber nur schwer zu bestimmen. So sind die Quellen, die herangezogen wurden, um eine Förderung seines Kultes durch Mitglieder seiner Dynastie im 12. sowie seine Stellung als rex perpetuus bereits im frühen 13. Jahrhundert zu belegen, meines Erachtens nicht tragfähig92. Am wahrscheinlichsten erscheint die Beschränkung des Kultes auf den Dom von (Alt)Uppsala und seine direkte Umgebung. Der Kult Eriks erlebte ab der Mitte des 13. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Aufstieg und der Etablierung einer neuen Königsdynastie, jener der Bjälbo, eine starke Intensivierung. Birger Jarl und seine Söhne begannen nun, ihre Dynastie auf Erik als ihren heiligen Spitzenahn zurückzuführen und seinen Kult entsprechend zu fördern; als eine weitere Funktion von Heiligkeit können wir also die dynastische Legitimation festhalten. Die Erzbischöfe und das Domkapitel von Uppsala verstärkten nun ebenfalls ihre Förderung seines Kultes und auch der uppländische Adel sowie der Dominikanerkonvent von Sigtuna engagierten sich auf verschiedene Weise, um die Verehrung Eriks zu fördern und zu verbreiten93. Besonders der Name Israel Erlandssons verdient hier Erwähnung. Er war nicht nur Mitglied eines der führenden uppländischen Adelsgeschlechter der Zeit, dem Haus der Finsta, sondern ab 1275 außerdem Domkanoniker in Uppsala und ab 1281 Bruder im Dominkanerkonvent von Sigtuna. Dort wird er zwischen 1290 und 1296 als lector und ab 1298 als prior genannt. Er beendete seine kirchliche Karriere als Bischof von Västerås (1309–1328/29). Israel Erlandsson gehörte also drei der 91 92 93

Bo E. iNgelMArk, Skelettdelarna i Erik den heliges relikskrin, in: Erik den helige, hg. v. tHor(wie Anm. 89), 233–268, bes. 256. Vgl. dazu ausführlich oertel, The Cult of St Erik (wie Anm. 13), 75–90; Ders., Heiliger Spitzenahn und rex perpetuus? Quellenkritische Gedanken zum Kult des heiligen Erik im Schweden des späten 12. und frühen 13. Jahrhunderts, in: Nordeuropaforum 22 (2012), 87–111. Vgl. oertel, The Cult of St Erik (wie Anm. 13), 102–111; Ders., Aristocratic Networks and Monastic Communities. The Case of the Dominican Convent of Sigtuna, Sweden, and the Nobles of Uppland (Late Thirteenth – Early Fourteenth Century), in: The Journal of Medieval Monastic Studies 5 (2016), 93–112.

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eben genannten Kreise an, die den Kult Eriks in der zweiten Hälfte des 13. und am Anfang des 14. Jahrhunderts förderten, und wird mit Recht seit langem als eine der Schlüsselfiguren bei der Belebung des Erikskultes während dieser Zeit betrachtet94. Am Ende der Wundersammlung nennt er sich selbst als denjenigen, der sie zusammengestellt habe, und auch dem Offizium ist von der Forschung eine stark dominikanische Prägung zugesprochen worden95. In Vorbereitung seines Amtes als lector dürfte er, den dominikanischen Vorschriften entsprechend, einige Zeit in einem studium generale des Ordens verbracht haben. Da die Provinz Dacia kein eigenes studium besaß, müsste seine Ausbildung in einem oder mehreren der studia der Nachbarprovinzen, also Köln, Paris und/oder Oxford, stattgefunden haben. Unter den bisher als Vorbilder der Legende des heiligen Erik identifizierten Quellen finden sich vor allem die Viten anderer Königsheiliger wie die nordischen Herrscher Olaf (Norwegen) und Knut (Dänemark) oder die englischen Könige Edmund (East Anglia) und Edward (Wessex/England) sowie biblische Vorbilder96. Mit Hinblick auf Israel Erlandssons Ausbildung in dominikanischen studia auf dem Kontinent erscheint mir ein bisher in der Forschung nicht genanntes Werk eine weitere sehr wahrscheinliche Quelle Israels zu sein: die erste vita Ludwigs des Heiligen, geschrieben von dem Dominikaner Gottfried von Beaulieu97. Die auffallendste Parallele zwischen den Heiligen Ludwig und Erik besteht sicher in der Tatsache, dass beide Königsheilige sind, die (unter anderem) als Kreuzzugsheilige konzipiert wurden98. Die Ähnlichkeiten gehen jedoch deutlich weiter ins Detail, so werden beide Heilige als eine Mischung der von Gábor Klaniczay postulierten Typen des chaste prince und des athleta patriae charakterisiert99. Beide sind enthaltsam in ihren Ehen. Während sich Ludwig unter anderem für unkeusche Gedanken von seinem Beichtvater züchtigen lässt, versucht Erik die Lust seiner Lenden durch Baden in eisigem Wasser abzutöten. Beide tragen darüber hinaus härene Gewänder, um sich Schmerzen zuzufügen, und ergänzen die vorgeschriebenen Fastenzeiten 94

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Vgl. z. B. Bengt HilDeBrAND, Israel Erlandsson (Finstaätten), in: Svenskt biografisk lexikon, Bd. 16 (1964–1966), Online: https://sok.riksarkivet.se/sbl/artikel/14146 [abgerufen am 2. Februar 2017]; Adolf scHück, Ängel-Ätten. Ett bidrag till den uppsvenska aristokratiens historia under Folkungatiden, in: Historiska studier (wie Anm. 20), 113–142. Toivo HAApANeN, Olika skikt i S:t Eriks metriska officium, in: Nordisk Tidskrift för bok- och biblioteksväsen 14 (1927), 53–83; S:t Eriks hystoria = The Historia of St Erik, King and Martyr, and Patron Saint of Sweden, hg. v. Ann-Marie NilssoN (Medeltida sång till svenska helgon), Bromma 2000, 16–22. Vgl. Toni scHMiD, Erik den helige i liturgin, in: Erik den helige, hg. v. tHorDeMAN, 155–171 (wie Anm. 89), bes. 169; Jalmari JAAkkolA, Pyhän Eerikin pyhimystraditsionin, kultin ja legendan synty, Helsinki 1921, 251–253. Edition: Recueil des Historiens des Gaules et de la France, 24 Bde., hg. v. Martin Bouquet u. a., Paris 1738–1904, Bd. 20, hg. v. Pierre-C.-F. DANou, 1840 [ND 1968], 3–27. Zum Entstehungskontext vgl. The Sanctity of Louis IX. Early Lives of Saint Louis by Geoffrey of Beaulieu and William of Chartres, hg. v. M. Cecilia gAposcHkiN / Sean L. FielD, Ithaca/London 2014. Die Predigt des Kreuzzuges war ein wichtiges Anliegen Israel Erlandssons. Er wurde 1292 vom Prior der dominikanischen Provinz Dacia zum Kreuzzugsprediger dieser Provinz ernannt: SDHK 1532. Vgl. Gábor klANiczAy, Holy Rulers and Blessed Princesses. Dynastic Cults in Medieval Central Europe, Cambridge 2007, 155–173.

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durch eigene Regeln. Beide werden außerdem als Kirchenbauer geehrt. Auf ihren jeweiligen Kreuzzügen werden sie aber auch als kämpfende Ritter dargestellt. Erik kämpft darüber hinaus gegen diejenigen, die ihn beim Hören der HimmelfahrtsMesse stören und schließlich töten100. Diese Parallelen zu Ludwig dem Heiligen machen auch hier, wie im Fall Brynolf Algotssons, eine Transferlinie von Paris nach Schweden wahrscheinlich. III.7 Henrik Die Episode des Kreuzzugs nach Finnland verbindet die Legende Eriks mit der Bischof Henriks von Uppsala101. Für diesen Heiligen ist keine Kultaktivität vor dem späten 13. Jahrhundert nachweisbar und sein Name taucht zuerst in der vita Eriks des Heiligen auf. Seine eigene Legende ist in den neun lectiones seines Offiziums überliefert und liest sich folgendermaßen102: Bischof Henrik, von Geburt Engländer, stand der Kirche von Uppsala zur Zeit der Herrschaft Eriks des Heiligen vor. Da das Volk der Finnen, „das zu dieser Zeit ein verblendetes und grimmiges Geschlecht war“103, den Schweden häufig Schaden zufügte, beschloss Erik, einen Kriegszug zu ihnen zu unternehmen, und nahm Bischof Henrik mit sich. Nach dem erfolgreichen Kriegszug kehrte Erik in sein Reich zurück, Henrik aber blieb bei den Neubekehrten, um unter ihnen dem Christentum zum Durchbruch zu verhelfen. Während er also begann, kirchliche Strukturen aufzubauen, belegte er einen Mörder mit Kirchenstrafen. Doch anstatt dieses Mittel zur Buße und damit zur Rettung seiner Seele wahrzunehmen, tötete jener auch den Bischof, stahl ihm seine Kopfbedeckung und setzte sie selbst auf. Als er sie wieder absetzen wollte, riss er auch seine Kopfhaut mit herunter. In weiteren in die Legende aufgenommenen Wundern wird von der Auffindung des dem Heiligen abgehauenen Fingers, von Totenerweckungen und mirakulösen Heilungen verschiedener Gebrechen und Krankheiten berichtet sowie von der Rettung einiger Fischer aus Seenot und der Bestrafung eines Priesters, der den Heiligen verhöhnt hatte. Ähnlich wie Sigfrid muss sich Henrik seine (kurze) Legende mit einem weiteren Heiligen, Erik, teilen. Doch während Sigfrid die unbestrittene Hauptrolle in sei-

100 Dies steht im Gegensatz zu Knut dem Heiligen (Dänemark), der seiner vita zufolge in einer ähnlichen Situation getötet wird, sich aber nicht gegen seine Mörder wehrt. Die Beschreibung des Hergangs des letzten Kampfes Eriks in seiner vita wurde jüngst von Untersuchungen an seinen Gebeinen eindrucksvoll bestätigt. Vgl. Sabine steN u. a., Erik den heliges skelett, in: Fornvännen 111 (2016), 27–40, bes. 33–37. 101 Zu Henrik vgl. Tuomas Heikkilä, Sankt Henrikslegenden (Skrifer utgivna av Svenska litteratursällskapet i Finland 720), Helsinki 2009. 102 Edition der lectiones in: ebd., 239–275. Zur Entstehungszeit der Legende vgl. die Diskussion unten. 103 Heikkilä, Sankt Henrikslegenden (wie Anm. 101), 258: Cum vero plebs Finlandie, tunc ceca et crudelis gentilitas.

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ner Legende spielt104, wird das Leben und Wirken Henriks auf nur wenigen Zeilen holzschnittartig umrissen. In der ersten lectio werden die Heiligen Erik und Henrik vorgestellt, während die zweite, in der die Ausgangssituation vor dem Kreuzzug nach Finnland skizziert wird, wie eine Zusammenfassung der vita Eriks anmutet und den heiligen König als Protagonisten hat. Lediglich in der dritten und vierten Lektion wird aus dem Leben Henriks berichtet, während die lectiones fünf bis neun seinen postmortalen Wundern vorbehalten bleiben. Die Persönlichkeit und die Leistungen des heiligen Bischofs bleiben dadurch seltsam farblos und unbestimmt. Während der ersten Jahre der Zugehörigkeit Israel Erlandssons zum Dominikanerkonvent von Sigtuna war der dortige Prior ein Mann namens Johann. Beide standen sich offenbar nahe und teilten auch eine große Wertschätzung Eriks des Heiligen105. Das nächste kirchliche Amt des Priors Johann war ab 1286 das des Bischofs von Åbo/Turku. Da die Autorschaft der Legende des heiligen Henrik bisher nicht geklärt werden konnte, möchte ich vorschlagen, in Betracht zu ziehen, dass Johann, der als Prior Israel Erlandssons Einblick in die Produktion der Texte zu Erik gehabt haben muss, das Modell der Zusammenarbeit zwischen Bischof, Domkapitel und Dominikanerkonvent von Uppland nach Åbo exportierte und dort der Erstellung der Legende Henriks vorstand. Auch wenn für diese Vermutung keine Quellenbelege angeführt werden können, scheint mir die große Rolle, die Erik in der Legende Henriks spielt, dafür zu sprechen, ebenso wie die Tatsache, dass sich beide Legenden bis hin zu wörtlichen Übereinstimmungen ähneln106. Henrik sticht insofern aus der Schar der hier vorgestellten Heiligen hervor, als in seinem Fall keine Kultaktivitäten vor der Komposition seiner Legende im späten 13. Jahrhundert überliefert sind. Auch diese Situation spricht für eine Einführung des Kultes ‚von oben‘ durch den Bischof von Åbo/Turku107. Aus diesem Vorgang, der offenbar recht plötzlichen Einführung eines Kultes mit Hilfe eines hagiographischen Textes, wird eine weitere Funktion dieser Schriften deutlich: Hatten es die Geschichten um eine/einen Heiligen einmal geschafft, schriftlich fixiert zu werden, wurde das langfristige Überleben des dazugehörigen Kultes deutlich wahrscheinlicher. Hagiographische Texte spielten also eine wichtige Rolle bei der Etablierung eines Heiligenkultes.

104 scHMiD, Den helige Sigfrid (wie Anm. 36), 77–83 meint, auch Sigfrid würde von Olaf Skötkonung und seinen drei Neffen in den Schatten gestellt. Diese Interpretation erscheint mir jedoch unzutreffend. 105 Israel und Johann bezeugten zusammen Urkunden und wurden von Israels Schwester Ragnhild Erlandsdotter zu den Exekutoren ihres Testamentes bestellt. Die Ergebenheit Israels gegenüber dem heiligen Erik zeigt sich in seinem Wirken für den Kult dieses Heiligen (auch noch in seiner Zeit als Bischof von Västerås) und findet ihren Grund wahrscheinlich in der Heilung einer Krankheit Israels in dessen Kindheit, für die er Erik verantwortlich machte. Vgl. Wunder Nr. 25 der Wundersammlung: Miracula S. Erici regis et martyris per Israëlem Erlandi, Latine et Svethice, in: SRS II (wie Anm. 26), 278–317, bes. 294–296. Die Wertschätzung Johanns für Erik findet ihren Ausdruck darin, dass er als Prior von Sigtuna diesen Heiligen in seinem Siegel führt. 106 Vgl. Heikkilä, Sankt Henrikslegenden (wie Anm. 101), 129–132. 107 Die Argumentation kann im hier vorgegebenen Rahmen nicht weiter ausgeführt werden. Vgl. dazu ausführlich oertel, The Cult of St Erik (wie Anm. 13), 136–145.

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IV. DISKUSSION – HEILIGENLEGENDEN UND SCHRIFTLICHKEIT Überblicken wir die Überlieferungssituation der sechs oben vorgestellten Legenden, fallen starke chronologische Ähnlichkeiten ins Auge. Ausführlichere schriftliche Aufzeichnungen in Form von Offizien oder Viten existieren in allen Fällen erst aus der zweiten Hälfte bzw. dem Ende des 13. Jahrhunderts. In einigen Fällen kennen wir ältere Erwähnungen des jeweiligen Heiligen in anderen liturgischen Quellen. Dies sind die Einträge für die einheimischen Heiligen Erik und Botvid im ‚Calendarium Vallentunense‘ von 1198, die Erwähnung Eriks in der Sverris-Saga vom Beginn des 13. Jahrhunderts und die Darstellungen Eriks und Sigfrids in den dem ‚Äldre Västgötalag‘ um 1240 beigegebenen Listen. Die beiden aus England stammenden Missionsbischöfe, Eskil und Sigfrid, treten uns bereits in früheren Quellen entgegen, die in anderen Ländern verfasst wurden, werden dort aber nicht als Heilige bezeichnet. Eskil wird in Ælnoths Knutsvita vom Beginn des 12. Jahrhunderts erwähnt, Sigfrid begegnet bei Adam von Bremen (um 1076) und bei zahlreichen isländischen und norwegischen Autoren des letzten Drittels des 12. Jahrhunderts. Im Fall Elins verbietet sich die Annahme einer früheren Legende, weil im Offizium selbst der Mangel an Aufzeichnungen über ihr Leben und ihre Taten beklagt wird, und im Fall Henriks gibt es keine Anzeichen von Kultaktivität vor dem Ende des 13. Jahrhunderts, die für die Verschriftlichung seines Lebens notwendig gewesen wäre. In allen anderen Fällen, also für Eskil, Botvid, Erik und Sigfrid, wurde aber immer wieder vermutet, die ausführlichen Legenden des späten 13. Jahrhunderts seien keine Neuschöpfungen, sondern beruhten auf älteren Vorlagen, namentlich auf bereits im 12. Jahrhundert verfassten Viten108. Die Argumentation für die Annahme dieser verlorenen älteren Legenden verläuft immer in ähnlichen Bahnen: Entweder werden in Quellen verschiedener Provenienz die gleichen Motive ausgemacht und daraus auf eine gemeinsame ausführlichere, aber verlorene Vorlage geschlossen109 oder die erhaltenen ältesten und kürzeren Versionen der Legenden werden zu Zusammenfassungen einer verlorenen Vorlage erklärt110. Diese 108 Eskil: luNDéN, Sveriges missionärer (wie Anm. 24), 235. Botvid: öNNerFors, Die Hauptfassungen (wie Anm. 61), 40; ellis NilssoN, Holy Validation (wie Anm. 51), 11; luNDéN, Sveriges missionärer (wie Anm. 24), 255 f. Erik: Herman BeNgtssoN / Christian lovéN, Spår av den längre Erikslegenden, in: Fornvännen 107 (2012), 24–40; Rolf sJöBerg, Via regia incedens. Ett bidrag till frågan om Erikslegendes ålder, in: Fornvännen 78 (1983), 252–260; Einar cArlssoN, Translacio archiepiscoporum. Erikslegendens historicitet i belysning av ärkebiskopssätets förflyttning fån Upsala till Östra Aros, Uppsala 1944; Sven tuNBerg, Erik den helige, Sveriges helgonkonung. Några synpunkter, in: Fornvännen 36 (1941), 257–278; luNDéN, Sveriges missionärer (wie Anm. 24), 301 f. Sigfrid: ellis NilssoN, Holy Validation (wie Anm. 51), 4; öNNerFors, Die Hauptfassungen (wie Anm. 61), 40; Harald Berg, Växjö stads historia. 1. Tiden fram till 1523, Växjö 1956, 33, 37 f., 48; lArssoN, Det medeltida Värend (wie Anm. 52), 37–41; Ders., Den helige Sigfrid och Växjöstiftets äldste historia. Metod- och materialfrågor kring problem i tidigmedeltida kyrkohistoria, in: Kyrkohistorisk Årsskrift 82 (1982), 68–94. 109 Vgl. z. B. Berg, Växjö stads historia (wie Anm. 108), 33, 37 f., 48; lArssoN, Det medeltida Värend (wie Anm. 52), 37–41. 110 Vgl. z. B. BeNgtssoN/lovéN, Spår av den längre Erikslegenden (wie Anm. 108); cArlssoN, Translacio archiepiscoporum (wie Anm. 108); luNDéN, Sveriges missionärer (wie Anm. 24), 255 f.

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Argumentation ist aber keineswegs zwingend und tatsächlich erscheint mir eher die gegenteilige Herangehensweise sinnvoll, nämlich davon auszugehen, dass die Legende einer/eines Heiligen im Laufe der Zeit wächst und zu einem Zeitpunkt, zu dem der entsprechende Kult eine gewisse Intensität erreicht hat, schriftlich fixiert wird. Auch nach der ersten Niederschrift des Lebens einer/eines Heiligen und der durch sie/ihn gewirkten Wunder fanden häufig Veränderungen an den Legenden statt. Die Figur der/des Heiligen wurde den jeweiligen gesellschaftlichen Bedürfnissen angepasst. Dies wurde in der Forschung unter dem Begriff der réécriture zusammengefasst111. Im hier vorgestellten Material konnte zum einen eine solche schrittweise Erweiterung der Geschichten um eine Person besonders im Fall Sigfrids und (in etwas geringerem Ausmaß) für Eskil gezeigt werden. Zum anderen stimmt diese Herangehensweise besser mit dem vorhandenen Quellenmaterial überein und kommt mit deutlich weniger unbeweisbaren Annahmen aus. Fassen wir die überlieferten frühen Quellen, die Elemente der Legenden der Heiligen enthalten, noch einmal kurz zusammen: Die beiden ‚Kurzlegenden‘ Eriks und Sigfrids in BL Add. Ms. 40146 wurden häufig als Zusammenfassungen ausführlicherer Legenden des 12. Jahrhunderts aufgefasst. Die Annahme, dass es sich hier um Zusammenfassungen handelt, erscheint mir einleuchtend, jene zum Alter der Vorlagen nicht. Im Fall der kurzen Legende Sigfrids wird der Charakter einer Zusammenfassung an einigen Stellen des kurzen Textes deutlich. So wird zum Beispiel die Ermordung seiner Neffen geschildert, ohne dass diese dem Leser vorher vorgestellt worden wären. Hier wird offenbar von der Kenntnis der gesamten Legende sowie der Rolle (und Anzahl) der Neffen ausgegangen. Als Vorlage dieser Zusammenfassung kann zwanglos das Offizium im Toresund-Brevier angenommen werden. Beide Handschriften werden in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert und meines Erachtens steht nichts einer relativen Chronologie entgegen, die ein etwas größeres Alter für den Codex aus Toresund annimmt. Ein wenig anders verhält es sich im Fall Eriks. Der in BL Add. Ms. 40146 erhaltene Text bildet den ältesten Zeugen (eines Teils) der Legende dieses Heiligen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die ‚Kurzlegende‘ in Form von drei lectiones erzählt wird. Die Vorlage bildet also nicht eine ältere Vita, sondern ein Offizium112. Das Offizium Eriks enthielt bis zum Ende des 14. Jahrhunderts nur diese drei lectiones. Folgt man der Tabelle Ann-Marie Nilssons zum Inhalt dieser Textteile, wird deutlich, dass es offenbar bis zu den ersten gedruckten Brevieren des späten 15. Jahrhunderts keine Übereinkunft darüber gab, welche Motive der 111 Vgl. Daniel poirioN, Écriture et Ré-écriture au Moyen Age, in: Littérature 41 (1981), 109–118. Zu den Veränderungen am Bild eines nordischen Heiligen vgl. zuletzt Lenka Jiroušková, Der heilige Wikingerkönig Olav Haraldsson und sein hagiographisches Dossier. Text und Kontext der Passio Olavi (Mittellateinische Studien und Texte 46), Leiden/Boston 2014. Zu den verschiedenen Phasen der Entwicklung der ‚Vita Anskarii‘ vgl. den Beitrag von Paul gAzzoli in diesem Band. 112 JørgeNseN, Bidrag (wie Anm. 13), 190 f., die den Text entdeckte, weist außerdem auf die Überlieferung von drei Hymnen (Adest dies letitie, Hymnum nove letitie und Laudes ad laudes jungite) in BL Add. Ms. 40146 hin, die sie allerdings nicht transkribierte.

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Legende in welche lectio übernommen werden sollten113. Aus inhaltlichen Gründen würde daher nichts dagegen sprechen, im Erikstext von BL Add. Ms. 40146 eine Zusammenfassung des wahrscheinlich in den 1270er Jahren in Uppland verfassten Offiziums zu sehen114. Auch der Erikstext würde demnach auf die Datierung des fraglichen Teiles des Codex BL Add. Ms. 40146 relativ weit in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts verweisen. Einen Sonderfall in der Überlieferung der frühen schwedischen liturgischen Schriften stellt das Toresund-Brevier dar. Den beiden darin enthaltenen Offizien zu Sigfrid und Botvid wurde sowohl von musikwissenschaftlicher als auch von latinistischer Seite eine Form bescheinigt, die auf dem Kontinent schon vor 1200 nicht mehr benutzt wurde115. Darüber hinaus ähneln sich die beiden Offizien in so starkem Maße, dass ein gemeinsamer Verfasser wahrscheinlich erscheint, der – in Imitation älterer kontinentaler und angelsächsischer Formen – die liturgischen Grundlagen für die Kulte der beiden Heiligen schuf. Über den Zeitpunkt dieser Imitation können allerdings keine Aussagen gemacht werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die in diesem Codex der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhaltenen Offizien Abschriften von älteren Texten darstellen – es deutet aber auch nichts darauf hin. Der Verfasser könnte sich nach einem möglicherweise mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Aufenthalt auf dem Kontinent entschlossen haben, die Offizien für die beiden Heiligen nach seinem zu dieser Zeit erworbenen Wissen zu dichten, oder er könnte dies unter Ausnutzung der zu dieser Zeit in Schweden verfügbaren Ausbildungsmöglichkeiten und unter Verwendung der in seinem Kloster oder Domkapitel vorhandenen Bibliothek getan haben. Die Entstehungszeit dieser beiden Offizien kann deshalb nur sehr grob auf Anfang, Mitte oder frühe zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts eingegrenzt werden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie vor den ‚modernen‘ Offizien zu Erik, Henrik, Elin und Eskil entstanden, die ab den 1270er Jahren komponiert wurden. Einem weiteren Anhaltspunkt für eine frühe Verschriftlichung der Sigfridslegende, der Behauptung in der Bischofsliste von Växjö aus den 1290er Jahren, die ‚Gesta beati Sigfridi‘ sei bereits 1205/06 verfasst worden, kommt meiner Ansicht nach ein sehr geringer Quellenwert zu116. Das Hauptanliegen der Liste ist es zu zeigen, dass Växjö nicht das jüngste, sondern eigentlich das älteste der schwedischen Bistümer sei. Dafür wird die Konstruktion einer „Überführung des Bistums durch Gewalt, nicht aber durch Recht“117 eingeführt. Damit soll gesagt werden, dass der Sitz zweimal (zunächst nach Skara, dann nach Linköping) verlegt wurde, während die Bischöfe aber nominell jene von Växjö geblieben seien. Die Bischöfe von Skara und Linköping während dieser ‚Diaspora‘ werden folgerichtig als Bischöfe von 113 Vgl. S:t Eriks hystoria, hg. v. NilssoN (wie Anm. 95), 130 f. 114 Zum Entstehungszusammenhang der Texte zu Erik vgl. oben. 115 Vgl. MoBerg, Die liturgischen Hymnen in Schweden (wie Anm. 14), 123, 293; öNNerFors, Offiziendichtung (wie Anm. 14), 61 f.; Ders., Die Hauptfassungen (wie Anm. 61), 40. 116 Zu Überlieferung und Edition der Liste vgl. Anm. 71. 117 Chronicon vetus episcoporum Wexionensium, in: SRS III (wie Anm. 9), Bd. 2, 129: Postea translatio sedis potestate non iustitia ad Skarensem ecclesiam et deinde ad Lincopensem eccle­ siam.

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Växjö geführt. Erst mit Bischof Stenar sei der Sitz des Bistums wieder nach Växjö zurückgekehrt. Der urkundlich belegte, wahrscheinlich dänische Bischof Balduinus wird nicht erwähnt118. Die Ziele der Liste scheinen also zu sein, ein möglichst hohes Alter der Diözese Växjö herbeizuschreiben und das dänische Element bei dessen Gründung aus der Überlieferung zu verbannen. Beiden Zielen dient die Erwähnung einer 1205/06 angeblich verfassten ‚Gesta beati Sigfridi‘, da es für den Verfasser wichtig gewesen sein muss, seine Behauptungen mit dem Hinweis auf eine ältere Quelle zu belegen. Mit diesen ‚Gesta‘ kann nicht das Offizium gemeint sein, sondern die Angabe müsste sich auf einen zusammenhängenden Text ähnlich einer vita beziehen. Von einem solchen Text fehlt aber jede Spur. Letztendlich verbleibt als einziger ‚handfester‘ Anhaltspunkt für die Zeit der Komposition der beiden Offizien zu Sigfrid und Botvid die Datierung des ältesten Textzeugen, des Toresund-Breviers, auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Beschränkt man sich also auf die Untersuchung der tatsächlich überlieferten Quellen, ist es möglich, neue Perspektiven auch auf übergreifende Zusammenhänge zu gewinnen. Löst man sich davon anzunehmen, dass die grundlegenden Texte für die meisten der aus dem 13. Jahrhundert bekannten Heiligenkulte bereits im 12. Jahrhundert verfasst wurden, wird es möglich, die Sonderstellung der Kulte Botvids, Eskils und Eriks zu erkennen. Einerseits wird nun augenfällig, dass alle drei bereits im 12. Jahrhundert in liturgischen Quellen nachweisbaren Kulte ihre Schwerpunkte südlich (Eskil und Botvid) und nördlich (Erik) des Mälarsees hatten, also in Svealand lagen, während die Kulte der in Götaland und weiter südlich (Värend) verehrten Heiligen erst im 13. Jahrhundert quellennotorisch werden. Und auch mögliche Gründe für diese frühe Förderung der Heiligenkulte lassen sich anführen: Der Grund für die Ausnahmeerscheinung von zwei frühen Heiligen im Bistum Strängnäs ist möglicherweise in der im 12. Jahrhundert noch nicht völlig abgeschlossenen Bildung der schwedischen Bistümer zu suchen. In der FlorenzListe aus dem frühen 12. Jahrhundert tauchen sowohl Tuna (Eskilstuna) als auch Stringines (Strängnäs) als Bistümer auf. Von diesen beiden (nur etwa 35 km auseinanderliegenden) Orten kann nur letzterer den episkopalen Status aufrechterhalten. Im Sinne der oben ausgeführten Forschungsannahmen zu loca sanctorum, „microchristendoms“ und der identifikationsstiftenden Funktion lokaler Heiliger ist es plausibel anzunehmen, dass die frühe Förderung der beiden Kulte von Eskil und Botvid mit der Konkurrenz dieser beiden eng beieinanderliegenden christlichen Zentren zusammengehangen haben dürfte, Konkurrenz belebte hier offenbar das Geschäft119. Man darf annehmen, dass Eskil der Heilige des Bistums Tuna und Botvid derjenige des Bistums Strängnäs war. Wann Tuna als Bischofssitz unterging, ist unbekannt. Es scheint aber erst zu einem Zeitpunkt gewesen zu sein, an dem die Verehrung Eskils bereits zu intensiv und zu weit verbreitet war, um seinen Kult einfach der Vergessenheit anheim geben zu können. Stattdessen wurde er nun 118 Zu den Bischöfen Balduinus und Stenar vgl. oben. 119 Bisher wurde in der Forschung davon ausgegangen, dass zwischen den beiden Bischofssitzen eine Einigung auf nicht-konfrontativem Weg gefunden wurde. Vgl. z. B. Carl F. HAlleNcreutz, Riksidentitet, stiftsidentitet och den vidare Europagemenskapen, in: Kristnandet i Sverige, hg. v. NilssoN (wie Anm. 24), 243–268, bes. 260.

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zum zweiten Heiligen des Bistums Strängnäs. Mit diesem Vorgang der Übernahme der Kultkontrolle könnte der offenbar erst im späten 13. Jahrhundert der Legende hinzugefügte Teil über das Martyrium Eskils in der Nähe der Stelle des Dominikanerkonvents von Strängnäs (gegründet 1268) zu erklären sein. Hier wurde durch die Verlegung des Martyriums (von einem unbekannten Ort) nach Strängnäs eine Verbindung zwischen Heiligem und Bistum geschaffen. Der heilige Erik könnte als gleichrangiger Widerpart des heiligen Olaf aufgebaut worden sein, dessen Kultzentrum im norwegischen Erzsitz in Nidaros lag. Die Schweden waren 1153 bei der Legation Nicholas Breakspears zur Einrichtung von zwei weiteren Erzbistümern im Norden übergangen worden, hatten ihren Metropoliten erst etwa zehn Jahre später erhalten und verblieben bis zum Ende des Mittelalters unter dem Primat des Erzbischofs von Lund, was hingegen bei Nidaros nicht der Fall war. War man also den beiden anderen Erzbistümern in dieser Weise nachgeordnet, wollte man möglicherweise zumindest einen dem westlichen Nachbarn ebenbürtigen Diözesanheiligen vorweisen können. Betrachtet man nur die erhaltenen und sicher bezeugten Schriften zu den frühen schwedischen Heiligen, ist es weiterhin bemerkenswert, dass in fast allen Fällen zunächst liturgische Texte im engeren Sinne, nämlich Offizien, verfasst wurden (und keine vitae oder gesta). Dies erscheint auch naheliegend: Offenbar standen zunächst die praktischen gottesdienstlichen Notwendigkeiten im Vordergrund. Für keine/keinen der hier behandelten Heiligen ist ein Versuch bekannt, sie/ihn päpstlich kanonisieren zu lassen, wofür eine vita unabdingbar gewesen wäre. Die erste schwedische Heilige, Birgitta, wurde jedoch erst im späten 14. Jahrhundert kanonisiert. Auf ihren Kanonisationsprozess folgten noch eine Reihe weiterer erfolgreicher und erfolgloser Versuche, die päpstliche Kanonisation für schwedische Heilige zu erlangen120. Mit der Feststellung, dass zunächst liturgische Schriften im engeren Sinne verfasst wurden, soll keineswegs ausgeschlossen werden, dass bereits im 12. Jahrhundert Geschichten über regionale Heilige kursierten und mündlich weitergegeben wurden. Im Gegenteil: Das Vorhandensein derartiger Erzählungen über eine als heilig betrachtete Person, ihre/seine fama sanctitatis, bildete (und bildet) immer die Voraussetzung eines lebendigen Kultes121.

120 Zu den Kanonisationsprozessen des späten Mittelalters vgl. z. B. Cordelia Hess, Heilige machen im spätmittelalterlichen Ostseeraum. Die Kanonisationsprozesse von Birgitta von Schweden, Nikolaus von Linköping und Dorothea von Montau (Europa im Mittelalter: Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 11), Berlin 2008; Anders FröJMArk, The Canonization Process of Brynolf Algotsson, in: Medieval Canonization Processes, hg. v. klANiczAy (wie Anm. 29), 87–100. 121 Vgl. dazu Christian krötzl, Fama sanctitatis. Die Akten der spätmittelalterlichen Kanonisationsprozesse als Quelle zu Kommunikation und Informationsvermittlung in der mittelalterlichen Gesellschaft, in: Medieval Canonization Processes, hg. v. klANiczAy (wie Anm. 29), 223–244.

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V. ZUSAMMENFASSUNG – FUNKTIONEN UND TRANSFER VON HEILIGKEITSVORSTELLUNGEN Aus meiner Sicht stellt sich daher die Entwicklung der Schriftlichkeit zu Heiligen im Schweden des 12. und 13. Jahrhunderts folgendermaßen dar: Die am frühesten verbreitete Form liturgischer Schriftlichkeit waren Missale, denen häufig ein Kalender beigefügt war. In diesen wurden die einheimischen Heiligen zunächst den von den Britischen Inseln oder dem Kontinent übernommenen Heiligen hinzugefügt, einige der letzteren wurden im Laufe der Zeit von ihnen verdrängt122. Die zwei ältesten ausführlichen liturgischen Texte, die Offizien zu Botvid und Sigfrid, sind anonym überliefert. Sie weisen einen Stil auf, der zum Zeitpunkt ihrer Abfassung in den zentralen Regionen Europas bereits seit einigen Jahrzehnten nicht mehr der Art und Weise entsprach, in der Offizien gedichtet wurden. Über die Entstehungsumstände dieser beiden Offizien kann nur spekuliert und auch der Entstehungszeitpunkt kann nicht näher eingegrenzt werden als zwischen dem Anfang und der frühen zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Für die meisten der im späteren 13. Jahrhundert entstandenen Offizien können die Verfasser benannt oder zumindest eine Gruppe von Personen namhaft gemacht werden, denen ihre Komposition mit hoher Wahrscheinlichkeit zuzuschreiben ist. Die Offizien Elins und Eskils werden einem Bischof von Skara, Brynolf Algotsson, zugeschrieben. Die Offizien zu Erik und Henrik entstanden unter starkem dominikanischen Einfluss und Israel Erlandsson sowie der Dominikanerprior und spätere Bischof von Åbo/Turku, Johann, scheinen bei ihrer Entstehung eine zentrale Rolle eingenommen zu haben. Wenn also die absolute Chronologie etwas unklar bleiben muss, so kann doch eine relative Abfolge der Entwicklung der liturgischen Schriftlichkeit bis zum Ende des 13. Jahrhunderts entworfen werden: Schon im 12. Jahrhundert finden wir Einträge zu einigen einheimischen Heiligen in Missalen, die aber den Umfang weniger Zeilen nicht überschritten. Die ersten Offizien des 13. Jahrhunderts wurden noch in einem auf dem Kontinent bereits veralteten Stil geschrieben, während man in den von Brynolf Algotsson und den Dominikanern von Sigtuna um Israel Erlandsson zum Ende des Jahrhunderts verfassten Offizien mit Hilfe von Studienaufenthalten der Verfasser auf dem Kontinent auf der Höhe der Zeit angelangt war. Dies geschah im Einklang mit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung in Schweden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, die von einer großen Dynamik und einer beträchtlichen Erhöhung der Schriftlichkeit geprägt war. Das Eingangszitat aus dem Offizium Elins, in dem beklagt wird, dass die Taten der Heiligen dem Vergessen anheimgegeben wurden, da sie nicht schriftlich fixiert worden seien, dürfte daher auch auf andere Heilige zutreffen, die im 11. oder 12. Jahrhundert gelebt haben (sollen), deren Legenden aber erst im späten 13. Jahrhundert niedergeschrieben wurden. 122 Vgl. BruNius, Atque Olavi (wie Anm. 43), 9–26; Sven HelANDer, Ansgarskulten i Norden (Bibliotheca theologiae practicae 45), Stockholm 1989, 91. Aufgrund der minimalen Informationen über die Heiligen in den Texten der Messen kann diese Quellengattung zur Fragestellung unserer Untersuchung nur wenig beitragen und wurde deshalb vernachlässigt.

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Die Transferlinien weisen sowohl im Fall Brynolf Algotssons als auch in dem Israel Erlandssons von Frankreich und dabei insbesondere Paris in den Norden. Für beide Geistliche kann ein Studienaufenthalt in der französischen Metropole wahrscheinlich gemacht werden. Im Elinsoffizium des Bischofs Brynolf – wahrscheinlich dem ersten der vier ihm zugeschriebenen – ist ein starkes Bemühen zu spüren, sich unter Verwendung einer Fülle von biblischen und früheren hagiographischen Vorlagen auf die richtige Weise in die lateinisch-christliche Gesellschaft Europas hineinzuschreiben. Israel Erlandsson scheint ‚seinen‘ Heiligen, Erik, teilweise nach dem Vorbild Ludwigs des Heiligen von Frankreich entworfen zu haben. Obwohl im 14. Jahrhundert geographisch näherliegende Universitäten zur Verfügung zu stehen begannen – vor allem die Universitäten von Prag und Erfurt –, genossen auch die schwedischen Offiziendichter des 14. Jahrhunderts, Birger Gregersson und Nils Hermansson, ihre Ausbildung in der französischen Metropole123. Auf dieser Transferlinie kamen also nicht nur Heiligkeitsvorstellungen nach Schweden, sondern auf ihr wurde offenbar auch das viel grundlegendere Wissen transportiert, mit dem die neuen einheimischen Heiligen adäquat verehrt werden konnten. Auch und vor allem aus diesem Grund – fehlendem Wissen – müssen die Annahmen von ausführlichen Heiligenlegenden im Schweden des 12. Jahrhunderts zurückgewiesen werden. Darüber hinaus finden sich in den Legenden der schwedischen Heiligen häufig Motive, die aus denen der etwas älteren norwegischen und dänischen Heiligen – vor allem den Königsheiligen Olaf und Knut – übernommen wurden. Besonders der Kult Olafs hatte sich bereits im 12. Jahrhundert über den gesamten Norden ausgebreitet und beeinflusste die Entstehung der etwas später konstruierten Heiligen Ostskandinaviens. Schließlich finden wir Transferlinien innerhalb der schwedischen Bistümer. Der Austausch der Kulte innerhalb der Erzdiözese Uppsala hatte zum Ende des 13. Jahrhunderts definitiv begonnen. Die meisten erfolgreichen Kulte früher einheimischer Heiliger hatten zu dieser Zeit bereits die Grenzen des Bistums überschritten, in dem ihre Verehrung begonnen hatte. Eine Reihe von Funktionen, die Heilige übernehmen konnten, wurden in der vorliegenden Studie namhaft gemacht. Die wichtigste und am weitesten verbreitete war sicherlich die Begründung bzw. Festigung der Identität des jeweiligen Bistums, das sich um den locus sancti mit den Reliquien des/der Bistumsheiligen formierte. Allerdings ist dieser Prozess nicht in allen schwedischen Bistümern des 13. Jahrhunderts zu beobachten: In den Diözesen von Västerås und Linköping lassen sich zwar einheimische Heilige in den liturgischen Quellen auffinden, doch hier sind es Heilige aus anderen Bistümern, deren Verehrung sich in diese beiden Diözesen ausgebreitet hatte. Die Zeit der Wirksamkeit Davids von Munktorp, der im 14. Jahrhundert der Bistumsheilige von Västerås werden sollte, wurde in seiner Legende zwar ins 11. Jahrhunderts verlegt, sein Kult wird aber erst im 14. Jahrhundert in den Quellen fassbar124. Während in Västerås noch im 14. Jahrhundert versucht wurde, den Kult eines Heiligen der Missionszeit aufzubauen, wurde seit dem letzten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts eine Zeitgenossin, Birgitta, die wichtigste Heilige der 123 öNNerFors, Offiziendichtung (wie Anm. 14), 67–69. 124 ellis NilssoN, Creating Holy People (wie Anm. 22), 93 f., 163–165, 313; BruNius, Atque Olavi (wie Anm. 43), 77, 158.

Funktionen und Transfer von Heiligkeitsidealen im Schweden des 13. Jahrhunderts

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Diözese Linköping (und Schwedens)125. War der Aufbau von Kulten einheimischer Heiliger wichtig für die Stabilisierung der Bistümer, so spielte die Verschriftlichung der Legenden dieser Heiligen eine ebenso wichtige Rolle für die langfristige Etablierung ihrer Kulte. Dies wird deutlich am Beispiel der heiligen Elin, für deren Verehrung wir vor der Komposition ihres Offiziums nur wenige Hinweise haben. Am deutlichsten wird diese Funktion hagiographischer Schriften im Fall des heiligen Henrik, dessen Kult vor der Verschriftlichung seiner Legende – zumindest in den erhaltenen Quellen – offenbar nicht existent war, der damit quasi über Nacht Eingang in die Reihe der schwedischen Diözesanheiligen fand und der diesen Rang bis zum Ende des Mittelalters behaupten konnte. Darüber hinaus wurden speziellere (Vorbild-)Funktionen wie die von Kreuzzugsheiligen (Erik und Henrik) oder des Prototyps einer christlichen Witwe (Elin) fassbar. Als weitere Funktionen traten die eines Heiligen zur dynastischen Legitimation (Erik) und solche zur Abwehr der Ansprüche einer anderen kirchlichen Institution (Sigfrid) hervor. Die Tatsache, dass die Lebenszeiten aller hier untersuchten Heiligen in die Zeit bis spätestens um 1160 verlegt wurden, deutet darauf hin, dass man sich des im 13. Jahrhundert bereits deutlichen päpstlichen Anspruches auf das Kanonisationsmonopol von Heiligen bewusst war und auf Kulte verweisen wollte, die bereits vor dem Erstarken dieses Anspruches existierten. Da auch die Christianisierung Schwedens im 11. und 12. Jahrhundert noch nicht abgeschlossen war, eignete sich diese Zeit darüber hinaus dafür, Heilige mit der höchsten Stufe der Christus-Nachfolge, dem Martyrium, hervorzubringen.

125 Birgitta ist die mit Abstand am besten erforschte schwedische Heilige. Vgl. z. B. Tore NyBerg, Birgittinsk festgåva. Studier om Heliga Birgitta och Birgittinorden (Skrifter utgivna av Svenska kyrkohistoriska föreningen. II, N. F. 46), Uppsala 1991; Birgitta Atlas. Saint Birgitta’s Monasteries. A Transeuropean Project, hg. v. Ulla sANDer-olseN / Tore NyBerg / Per Sloth cArlseN, Uden 2013; in der deutschen Forschung zuletzt Hess, Heilige machen (wie Anm. 121); Anette creutzBurg, Die heilige Birgitta von Schweden. Bildliche Darstellung und theologische Kontroversen im Vorfeld ihrer Kanonisation (1373–1391), Kiel 2011; Stefan FleMMig, Hagiographie und Kulturtransfer. Brigitte von Schweden und Hedwig von Polen, Berlin 2011.

ST ÆLFHEAH VON CANTERBURY Funktionalisierung und Instrumentalisierung eines angelsächsischen Heiligen im Kontext der normannischen Eroberung Karolin Künzel Abstract During the Viking Raids in 1011, the archbishop of Canterbury, Ælfheah, was captured, tortured, and killed on Easter Day 1012. Soon after his death he was venerated as a martyr, however, a document of his sanctity did not exist until the 1070s after the Norman Conquest. This paper explores how the Normans used St. Ælfheah to strengthen their power after the conquest and to reorganise the spiritual life according to the Rule of Benedict and to rebuild the Primacy of Christ Church throughout England. Furthermore, the question is addressed whether the life of St Ælfheah can be regarded as an example of Norman self-awareness.

Cum testante sacro eloquio ut vestra paternitas optime novit Christus veritas et justitia sit, qui pro veritate et justitia moritur, pro Christo moritur. Qui autem pro Christo moritur, aecclesia teste martyr habetur. Beatus vero Aelfegus aeque pro justitia, ut beatus Johannes passus est pro veritate. Cur ergo magis de unius quam de alterius vero sanctoque martyrio quisquam ambigat, cum par causa in mortis perpessione utrunque detineat1?

Dieses Argument ließ der Hagiograph Eadmer Anselm von Canterbury vorbringen, nachdem Lanfranc Zweifel am Status Ælfheahs von Canterbury als Heiligem geäußert hatte. Eadmer war Mönch in Canterbury und gilt als Biograf Anselms, der zunächst ebenfalls Mönch und in den Jahren 1093 bis 1109 Erzbischof von Canterbury war und nach einer Sedisvakanz von vier Jahren Nachfolger von Erzbischof Lanfranc wurde, welcher das Amt von 1070 bis 1089 innehatte2. Lanfranc zeigte sich im Streitfall um Ælfheahs Heiligkeit, dessen Ursachen im Folgenden noch erläutert werden, schlussendlich durch Anselms Argumentation überzeugt und gab eine Hymne und mutmaßlich auch die Vita in Auftrag. Diese Vita ist die Hauptquelle dieses Beitrags, in dem, ausgehend von der Frage nach Funktionen von Hei-

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Eadmer, The Life of St. Anselm, Archbishop of Canterbury (Nelson’s Medieval Texts), hg. von Richard W. soutHerN, London u. a. 1962, 53: „Moreover, there is the witness of Holy Scripture, as you, Father, very well know, that Christ is both truth and justice; so he who dies for justice dies for Christ. But he who dies for Christ is, as the Church holds, a martyr. Now Saint Elphege as truly suffered for justice as Saint John did for truth. Why should anyone have more doubt about the true and holy martyrdom of the one than the other, since a similar cause led both of them to suffer death?“ Eadmer: Jay C. ruBeNsteiN, Eadmer [Edmer] of Canterbury, in: ODNB, Bd. 17, Oxford u. a. 2004, 530 f.; Lanfranc: Herbert E. J coWDrey, Lanfranc, in: ODNB, Bd. 32, Oxford u. a. 2004, 444–453; Anselm: Richard W. soutHerN, Anselm, in: ODNB, Bd. 2, Oxford u. a. 2004, 247–258.

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ligenviten, die Akteursgruppe der Normannen in den Blick genommen und untersucht wird, wie diese den Heiligen Ælfheah und dessen Vita funktionalisierten. Begonnen werden soll mit einer kurzen Vorstellung der Quelle und des heiligen Ælfheah: Die Lebensbeschreibung Ælfheahs wurde, wie bereits erwähnt, von Lanfranc in Auftrag gegeben. Ausgeführt hat diesen Auftrag Osbern3, ein Mönch aus Canterbury. Dort entstand in den 1070er Jahren auch die Lebensbeschreibung, bestehend aus drei Teilen: einer Hymne, der Vita und dem Translationsbericht. Die beiden letzten Dokumente, Vita und Translationsbericht, bauen inhaltlich aufeinander auf, verweist Osbern doch zu Beginn des Translationsberichtes auf die Vita4. Ursprünglich gehörte noch die Hymne zum Werk Osberns, welche aber nicht überliefert ist, auf die der Autor sich aber im Prolog der Vita Ælfheahs bezieht5. Osbern erschuf diese demnach vor der Vita. Das Vorwort der Vita lässt vermuten, dass Lanfranc ihn zunächst nur mit der Kreation der Hymne beauftragt hatte, da er keinen expliziten Auftrag zum Verfassen der Vita angibt. Wird Eadmer Glauben geschenkt, so ist auch die Vita durch einen Auftrag Lanfrancs entstanden6. Für die letztere Annahme spricht zudem, dass sich der Text der Vita stilistisch vom später entstandenen Translationsbericht unterscheidet, der wiederum Osberns Werken über Dunstan ähnelt7. Dies deutet auf unterschiedliche Entstehungszeiträume hin. Auf Grund der in den Vorworten abzuleitenden Chronologie ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Vita, die noch zu Lebzeiten Lanfrancs entstanden sein muss, auch von jenem initiiert wurde, zumal der Erzbischof eine Lobpreisung im Vorwort der Vita erhält8. Osbern lagen für die Vita keine älteren hagiographischen Darstellungen Ælfheahs vor, er war also gezwungen, ein neues Heiligkeitskonzept für Ælfheah zu erfinden. Da bereits im späten 11. Jahrhundert ein Mangel an Quellen über den historischen Ælfheah herrschte, wird angenommen, dass Osbern ihn nach dem Vor3

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Bernd goeBel, Osbern von Canterbury, in: BBKL, Bd. 36, Nordhausen 2015, 997–1004, URL: http://www.bbkl.de/lexikon/bbkl-artikel.php?wt=1&art=./O/Os-Ot/osbern_v_c.art [abgerufen am 21. Dezember 2016]; eine detaillierte Beschreibung von Osberns Leben und Wirken erarbeitete Rubenstein, s. Jay ruBeNsteiN, The Life and Writings of Osbern of Canterbury, in: Canterbury and the Norman Conquest. Churches, Saints and Scholars 1066–1109, hg. von Richard eAles / Richard sHArpe, London u. a. 1995, 27–40. Alexander R. ruMBle / Rosemary Morris, Textual Appendix. Translatio Sancti Ælfegi Can­ tuariensis archiepiscopi et martyris (BHL 2519): Osbern’s account of the translation of St Ælfheah’s relics from London to Canterbury, 8–11 June 1023, in: The Reign of Cnut. King of England, Denmark and Norway (Studies in the Early History of Britain: Makers of England), hg. von Alexander R. ruMBle, London 1994, 283–315, hier 294 f.; Frances sHAW, Osbern’s Life of Alfege, London 1999, 83. Osbern: Vita S. Elphegi Archiepiscopi Cantuariesis (BHL 2518), in: Anglia Sacra, sive collectio historiarum, Antiquitus scriptarum de Archiespiscopis & Episcopis Angliæ, a prima Fidei Christianæ susceptione ad Annum 1540. Pars Secunda, Plures antiquas de Vitis & rebus gestis Præsulum Anglicorum Historias sine certo ordine congestas complexa, hg. von Henry WHArtoN, 2 Bde., London 1691, 122; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 26. ruBeNsteiN, Osbern (wie Anm. 3), 35. ruMBle/Morris, Translatio (wie Anm. 4), 289; Osberns Werke zu Dunstan entstanden vermutlich um 1090, siehe dazu ruBeNsteiN, Osbern (wie Anm. 3), 38. Anglia Sacra (wie Anm. 5), 122.

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bild seiner Lehrer Anselm und Lanfranc entwarf9. Der Translationsbericht dagegen soll auf den Schilderungen eines Augenzeugen beruhen. Dieser war Godric, Mönch und Dekan in Christ Church, der bei der Translation der Gebeine anwesend war10. Dieser Bericht attestierte Ælfheah eine besondere Popularität, die offenbar anhielt, da er als Exempel für die Diskussion zwischen Anselm und Lanfranc herangezogen und sein Leben und Sterben in drei Werken festgehalten wurde. In der Regel gilt die Geistlichkeit als Adressat von Hagiographien11. Die Hauptzielgruppe in diesem Fall war vermutlich Christ Church Canterbury, aber auch andere Zentren wie London oder Winchester, die Ælfheah verehrt haben dürften, galten in der Forschung als Adressaten12. Die Hagiographie folgte meist festen Strukturen und war so für die Zeitgenossen ein Mittel zur Kommunikation. Für die Historiographie wird davon ausgegangen, dass bestimmte Passagen auch kodierte Kritik beinhalten konnten, die von den Zeitgenossen auch als solche empfunden wurde13. Bewirkt wurde dies durch spezielle Argumente, in denen Kritik oder Mitteilungen indirekt übermittelt werden konnten14. Dies soll anhand der Hagiographie Ælfheahs überprüft werden. Bei Ælfheahs Vita handelt es sich um eine Bischofsvita, die neben der Lebensbeschreibung des Heiligen auch viele Informationen über die jeweilige Gegenwart des Autors enthielt15. Gerade diese Umbruchszeiten, hier die Eroberung Englands durch die Normannen und die Umstrukturierung der herrschenden Klasse, reflektierend in Bezug auf das dargestellte vergangene Geschehen sowie den Entstehungszeitraum der Vita und des Translationsberichts, weisen auf eine solche Nutzung der Texte durch den Autor hin. Anhand der Lebensbeschreibung soll also gezeigt werden, inwiefern bestimmte Motive Einzug in die Erzählung gefunden haben, welche Funktion diese erfüllen und welche Idealvorstellungen und Gegenwartsbezüge transportiert werden. Ælfheah begann seine Karriere zu Beginn der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts in Deerhurst und wurde später Abt von Bath. Es wird vermutet, dass er sich dazwischen in Glastonbury aufhielt und hier in Kontakt mit der monastischen Reform kam16. Generell ist dieser Lebensabschnitt aus Mangel an Quellen jedoch 9 10 11

ruBeNsteiN, Osbern (wie Anm. 3), 40. ruMBle/Morris, Translatio (wie Anm. 4), 304 f. Mary F. giANDreA, Episcopal Culture in Late Anglo-Saxon England (Anglo-Saxon Studies), Woodbridge 2007, 3 f. 12 Zur Rangfolge der Bischofssitze nach 1075 siehe Jörg peltzer, 1066. Der Kampf um Englands Krone, München 2016, 302; die beste und aktuellste Übersicht über Ælfheahs Nennung in Heiligenkalendern bietet Rebecca rusHFortH, Saints in English Kalendars before A. D. 1100 (Henry Bradshaw Society), London 2008, Tafel IV: April. 13 Gerd AltHoFF, Causa scribendi und Darstellungsabsicht: Die Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde und andere Beispiele, in: Ders., Inszenierte Herrschaft. Geschichtsschreibung und politisches Handeln im Mittelalter, Darmstadt 2003, 52–77, hier 75–77. 14 Gerd AltHoFF, Das argumentative Gedächtnis. Anklage- und Rechtfertigungsstrategien in der Historiographie des 10. und 11. Jahrhunderts, in: Ders., Inszenierte Herrschaft. Geschichtsschreibung und politisches Handeln im Mittelalter, Darmstadt 2003, 126–149, hier 148 f. 15 AltHoFF, Causa scribendi (wie Anm. 13), 66 f. 16 Patrick WorMAlD, The Times of Bede. Studies in Early English Christian Society and its Historian, hg. von Stephen BAxter, Oxford u. a. 2006, 229–248.

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schwer rekonstruierbar. 984 wurde er nach dem Tode Bischof Æthelwolds17, einem der Väter der monastischen Reform in England, zum Bischof von Winchester erhoben und 1006 zum Erzbischof von Canterbury, bis er 1012 ein blutiges Martyrium erlitt und in St. Paul’s in London bestattet wurde18. Ihm wurde durch einen dänischen Krieger der Schädel gespalten. Die Todesart stellt eine Verbindung zum späteren Martyrium Thomas Beckets dar, dem durch Ritter, die mutmaßlich im Auftrag König Heinrichs II. agierten, ebenfalls der Schädel gespalten wurde19. Relativ zeitnahe Quellen wie das Manuskript C der Angelsachsenchronik und die Chronik Thietmars von Merseburg schildern, dass für den Mord die Weigerung einer Lösegeldzahlung ursächlich war20. In der Vita wird der Tod zusätzlich so ausgelegt, dass Ælfheah den Kirchenschatz von Christ Church zugunsten der Armen nicht den Dänen überlassen wollte und deshalb den Tod wählte. Diese Auslegung, angelehnt an das zu Beginn dieses Beitrags genannte Zitat, zeigt sich in den Zweifeln Lanfrancs an Ælfheahs Heiligkeit, genauer an dessen Martyrium. Es stellte sich in den 1070er Jahren die Frage, ob Ælfheahs Tod mit den Umständen der nicht geleisteten Lösegeldzahlung überhaupt als Martyrium gelten konnte. Genau dies belegte Anselm und sicherte damit den Status Ælfheahs als Märtyrer. Hier spielte der Gedanke des Reformpapsttums unter Gregor VII. eine bedeutende Rolle, war Gregor doch bekannt dafür, besonders Glaubenskrieger als Heilige auszuwählen21. Ælfheahs Todesumstände begünstigten also eine Kanonisation22 und eine Verehrung als Märtyrer, wodurch die letzten Zweifel durch Anselm und Osbern ausgeräumt wurden. Die Verehrung Ælfheahs als Heiliger und Märtyrer begann recht bald nach seinem Tod, der Terminus post quem kann auf den Zeitraum von 1012 bis 1023 festgelegt werden. Belege dafür finden sich zum einem im Heiligenkalender ‚Arundel Psalter‘ London BL Arundel 155, der zwischen 1018 und 1023 verfasst wurde23, bei Thietmar von Merseburg, der Ælfheah in seiner Chronik, die er zwischen 1012 und

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Barbara yorke, Æthelwold, in: ODNB, Bd. 1, Oxford u. a. 2004, 432–438. goeBel, Osbern (wie Anm. 3). Anglia Sacra (wie Anm. 5), 140 f.; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 76 f.; The Anglo-Saxon Chronicle. A Collaborative Edition, Bd. 5: MS C, hg. von Katherine o’BrieN o’keeFFe, Cambridge 2001, 96–98; The Anglo-Saxon Chronicle. A Revised Translation, hg. von Dorothy WHitelock mit David C. DouglAs / Susie I. tucker, London 1961, 91–93; vgl. die Schilderung der Todesumstände Thomas Beckets im Beitrag von Uta kleiNe in diesem Band. The Anglo-Saxon Chronicle, MS C (wie Anm. 19), 96–98; The Anglo-Saxon Chronicle. A Revised Translation (wie Anm. 19), 91–93; Thietmar von Merseburg: Chronik (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, 9), bearb. von Werner trillMicH, Darmstadt 1957, § 42, § 43. Cyriakus H. BrAkel, Die vom Reformpapsttum geförderten Heiligenkulte, Studi Gregoriani 9 (1972), 241–311, hier 292. Zur Kanonisation Ælfheahs siehe: Joachim scHäFer, Ælphege II. von Canterbury, in: Ökumenisches Heiligenlexikon, URL: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienA/Aelphege_von_ Canterbury.html [abgerufen am 7. November 2016]. rusHFortH, Saints (wie Anm. 12), 30 f.

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1018 schrieb24, als Christi adleta25 bezeichnet und in Ælfheahs Translationsdatum, dem 8. Juni 1023, welches sich beispielsweise in der Angelsachsenchronik oder in weiteren Heiligenkalendern findet26. Die Diskussion um Ælfheahs Heiligkeit entstand im Kontext von Lanfrancs Veränderungen der englischen Kirchenlandschaft nach der Eroberung, genauer seiner Investitur 1070, wohingegen er an der monastischen Bischofskirche festhielt27. Die Normandie und England unterschieden sich im 11. Jahrhundert in ihren kirchlichen Strukturen. In der Normandie bildeten Säkularkleriker die Gemeinschaft einer Bischofskirche, wohingegen sie in England meist monastisch war, so in Zentren wie Christ Church Canterbury oder Winchester28. Aus diesen Bedingungen ergibt sich die Frage, inwiefern die Normannen als neue Herrscher über England sich Ælfheahs Geschichte zu Nutze machten und ihn für ihre Zwecke und Anliegen instrumentalisierten und funktionalisierten. Im Folgenden sollen zwei Ansätze näher vorgestellt werden: Der erste befasst sich mit der Vita als identitätsstiftendem und integrativem Mittel, das heißt, dass verschiedene Motive aus der Vita wie zum Beispiel Kleidung im Hinblick auf das Geschehen untersucht werden sollen. Der zweite Aspekt handelt von Gesellschaftsbildern, von welchen Osbern in der Lebensbeschreibung berichtet. Diese Bilder spiegeln eine subjektive Idealvorstellung Osberns. Die Frage ist, inwiefern diese Bilder normannisch oder doch eher geistlich geprägt sind. Zeigen lässt sich dies zum Beispiel an der Beschreibung der Dänen und König Knuts. Nach der Eroberung 1066 wurde die angelsächsische Nobilität durch Normannen ersetzt, da viele englische Adlige die Schlacht bei Hastings nicht überlebt hatten oder enteignet wurden. Ebenso geschah es mit vielen Bischofsämtern, wobei es allerdings schon unmittelbar vor der Eroberung normannische Bischöfe in England gab. So war zum Beispiel bereits ab dem Jahr 1044 der Bischof von London, Robert von Jumièges, Normanne29. Insofern war es kein komplettes Novum, dass ein Normanne ein wichtiges Bischofsamt in England innehatte. Im Zuge der cluniazensischen Reform, die sich vor allem unter den Bischöfen Dunstan, Oswald und Æthelwold auch in England verbreitete, entstanden Konflikte zwischen Mönchen und Säkularklerikern. Der Zwist schwelte nicht nur im 10. Jahrhundert, sondern auch weiterhin im 11. Jahrhundert30. Die reformierten Mönche drängten besonders in England in Machtpositionen, verdrängten Säkularkleriker, 24

Dominik WAsseNHoveN, 1066. Englands Eroberung durch die Normannen (C. H. Beck Wissen, 2866), München 2016, 21. 25 Thietmar, Chronik (wie Anm. 20), § 43. 26 rusHFortH, Saints (wie Anm. 12), 29 f., Tafel VI: Juni; ASC Bd. 5, [1023] (wie Anm. 19), 104. 27 Der neue Engländer, novus Angelus, wie sich Lanfranc selbst Eadmer zufolge bezeichnete: Eadmer (wie Anm. 1), 50 Nr. 3; für den Kontext siehe ebd., 50; eine Zusammenfassung der Änderungen findet sich bei peltzer, 1066 (wie Anm. 12), 305–312. 28 peltzer, 1066 (wie Anm. 12), 304. 29 WAsseNHoveN, 1066 (wie Anm. 24), 108 f.; zum Bischof siehe ebd., 35 f.; peltzer, 1066 (wie Anm. 12), 299–301. 30 Nicholas P. Brooks, The Early History of the Church of Canterbury. Christ Church from 597 to 1066, Leicester 1984, 244–247; Jesse D. Billet, The Divine Office in Anglo-Saxon England, London 2014, 149–196; Herbert E. J. coWDrey, Lanfranc. Scholar, Monk, and Archbishop,

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aber auch Säkularkleriker versuchten ihre Stellungen zu halten und auszubauen und verdrängten so die Mönche. In der ‚Vita Elphegi‘ werden diese Konflikte deutlich geschildert. Die Auseinandersetzung mit den Säkularklerikern ist ein prägnantes Thema zu Beginn der Vita, welches mit Ælfheahs Zeit in Winchester eingeleitet wird. Über dessen Episkopat in Winchester berichtet Osbern nicht, er beschreibt nur die Ereignisse, die Ælfheahs Investitur vorausgingen31. Das zeugt von dem Gewicht, den dieses Ereignis für den Verfasser hatte. Womöglich erzählt Osbern aus Mangel an Quellen nichts über die bischöfliche Tätigkeit Ælfheahs. Er legte vielmehr den Fokus auf Æthelwold, der entschied, die Säkularkleriker ihrer Ämter zu entheben und durch Mönche zu ersetzen. In jenem Abschnitt der Vita heißt es, dass die Säkularkleriker gegen kanonisches Recht lebten und dass sie dieses Verhalten sogar verteidigten, statt sich zu bessern: Siquidem Clerici ejusdem Ecclesiæ sceleratissimam vitam agentes, contra canonum statuta per omnia viventes, cum a præfato Antistite sæpius correpti pravos mores corigere nollent, immo quæ prave gesserant pertinaci spiritu defendere vellent32.

Durch ein königliches Dekret wurden sie dann aber ihrer Ämter enthoben. Die Erzählung gipfelt in einem festgefahrenen Streit um die Nachfolge Æthelwolds, da sowohl Mönche als auch Säkularkleriker jemanden aus ihren eigenen Reihen bestimmen wollten33. Genau dies sollte sich beinahe in den 1070er Jahren wiederholen: Im Frühjahr 1070 wurde der normannische Säkularkleriker Walchelin zum Bischof von Winchester ernannt. Er zweifelte den Nutzen von Mönchen im Old Minster an und wollte diese durch Säkularkleriker ersetzen. Er verbündete sich mit weiteren Bischöfen und erhielt sogar Beistand von König Wilhelm I. Lanfranc aber leistete Widerstand und holte sich angeblich Unterstützung von Papst Alexander II. in Form eines Briefes, dessen Authentizität heute allerdings angezweifelt wird34. Die Episode zeigt deutlich, dass Lanfranc ein überzeugter Mönch war und auf harten Widerstand der Kleriker in den geistlichen Zentren Englands traf. Diese Thematik greift die Vita zugunsten der monastischen Fraktion auf. Es wird mit Dunstan sogar ein Heiliger herangezogen, dem in einer Vision, also einer direkten göttlichen Botschaft, Ælfheah als Nachfolger Æthelwolds vorgegeben wurde35. Dies war in den 1070er Jahren eine klare Botschaft an die geistliche Landschaft Englands, dass das reformierte Mönchtum den Führungsanspruch noch immer besaß und Lanfranc als höchster geistlicher Würdenträger Englands gewillt war, diesen durchzusetzen. Dies ist ein Beispiel für eine Instrumentalisierung Ælfheahs durch Osbern, der an-

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Oxford 2003, 150: Der Bischof von Winchester zu Lanfrancs Zeiten war ein Kleriker und hatte Pläne, die Mönche aus dem Old Minster durch Kleriker zu ersetzen, was Lanfranc widerstrebte. Anglia Sacra (wie Anm. 5), 125 f.; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 36. Anglia Sacra (wie Anm. 5), 125; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 36: „Indeed the Clerks of that Church had adopted a thoroughly wicked way of life, living in opposition to the canon laws in every respect. Often when caught by the Priest they were unwilling to correct their deprived habits – indeed, were ready to defend what they had wickedly done with an insolent spirit.“ Anglia Sacra (wie Anm. 5), 125–127, sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 36–40. coWDrey, Lanfranc (wie Anm. 30), 149 f. Anglia Sacra (wie Anm. 5), 126; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 38 f.

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hand der Verknüpfung wichtiger Heiliger Canterbury und speziell Christ Church als geistiges Zentrum zu manifestieren, also den Primat wiederherzustellen versuchte. In Erzbischof Stigands Amtszeit (1052–1070) nämlich hatte Christ Church einen signifikanten Bedeutungsverlust erlitten36. Stigand wurde 1070 durch ein päpstliches Mandat abgesetzt, womöglich auch, weil König Wilhelm – hier mit Unterstützung Papst Alexanders II. handelnd – ihn für zu wankelmütig hielt, als dass er seine Herrschaft mit ihm in der sowieso verpönten Situation als doppeltem Amtsinhaber, nämlich als Erzbischof von Canterbury und Bischof von Winchester, zu konsolidieren suchte37. Eingesetzt wurde stattdessen Wilhelms Vertrauter Lanfranc. Dieser vertrat vehement den Anspruch des Primats Canterburys und setzte sich vor allem gegen York durch, das in den 20 Jahren zuvor deutlich an Bedeutung für ganz England gewonnen hatte, so ließ sich zum Beispiel Wilhelm 1066 von Erzbischof Ealdred von York und nicht von Stigand krönen38. Dazu begegneten Lanfranc direkt nach seiner Investitur viele interne Probleme wie mangelnde monastische Disziplin, persönlichen Besitz und die Konkurrenz zur aktuell dominierenden Augustinus Abtei in Canterbury39. Eine Rolle spielte sicherlich auch die Erstellung des Domesday Book40, für welches Lanfranc die größtmögliche Anzahl an Ländereien für Christ Church sichern wollte. In eben diesem Kontext kommt Dunstan ‚ins Spiel‘. Dunstan war bereits ein anerkannter Heiliger, existiert doch eine Vita aus dem späten 10. Jahrhundert41. In Ælfheahs Lebensbeschreibung flicht Osbern an drei Stellen die Erscheinung Dunstans ein: a) im Zusammenhang mit Ælfheahs Investitur als Bischof von Winchester, b) bezüglich der Nachfolge als Erzbischof von Canterbury und c) kurz bevor Ælfheah den Märtyrertod erfährt42. Bei der ersten Erwähnung wird eine Charakterisierung Dunstans erstellt, die durchweg positiv ausfällt. In der Todesepisode lädt Dunstan Ælfheah persönlich in den Himmel ein. Dass ein anerkannter und populärer Heiliger der Abtei Christ Church direkt mit Ælfheah in Verbindung gebracht wird, steigert zum einen Ælfheahs Wert als Heiligen, zum anderen parallel den der Bischofskirche selbst, da es diesem Zeugnis nach über die Reliquien von zwei sehr wertvollen Heiligen verfügt. Interessant ist hier auch der Zusammenhang mit Ælfheahs Hauptattribut, der Gerechtigkeit, welches sich in der Vita an zahlreichen Stellen im Motiv der Armenfürsorge widerspiegelt. Nam patiente uno corporis membro compatiuntur cætera; manifestum est ejudem corporis membrum non esse, quod pariente alio, compati­ 36 37 38 39

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coWDrey, Lanfranc (wie Anm. 30), 87–103. Charters of Christ Church Canterbury, Part 1 (Anglo-Saxon Charters, 17), hg. von Nicholas P. Brooks / Susan E. kelly, 2 Bde., Oxford 2013, 226–229; peltzer, 1066 (wie Anm. 12), 300 f. Primat: peltzer, 1066 (wie Anm. 12), 302; Krönung Williams: Brooks/kelly (Hg.), Canterbury (wie Anm. 37), 228. Frank BArloW, The English Church 1066–1154. A History of the Anglo-Norman Church, London u. a. 1979, 165; Susan J. riDyArD, Condigna Veneratio: Post-Conquest Attitudes to the Saints of the Anglo-Saxons, Anglo-Norman Studies. Proceedings of the Battle Conference 9 (1986), 179–206, hier 202. Siehe hierzu WAsseNHoveN, 1066 (wie Anm. 24), 105–109. Michael lApiDge, Dunstan, in: ODNB, Bd. 17, Oxford 2004, 347–353. Anglia Sacra (wie Anm. 5), 126, 128 f., 140; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 38 f., 43 f., 74.

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entis affectum nescit habere43. Damit wird dieses Attribut einerseits direkt auf das Gotteshaus übertragen, welches den Heiligen beherbergte, und konnte somit gleichzeitig als Rechtfertigung für Lanfranc gelten, den Primat durchzusetzen. Andererseits könnte die Verwendung des Attributs als Versuch gedeutet werden, zugunsten des Standortes Canterbury und genauer Christ Church die ehemaligen Erzbischöfe heilig zu sprechen. Außer zu Dunstan und Ælfheah verfasste Osbern noch eine Vita zu Oda, der Mitte des 10. Jahrhunderts Erzbischof von Canterbury gewesen war44. In den Jahren nach der Eroberung wurde dazu noch Ælfric verehrt45. Die verehrten Bischöfe wurden allesamt in den Kontext der monastischen Reform gestellt, was den Schluss zulässt, dass Canterbury auch zum Zentrum der monastischen Reform stilisiert werden sollte. Eine interne Funktionalisierung bezüglich des Primats Canterburys lässt sich anhand der Darstellung der Konflikte zwischen reformierten Mönchen und einfachen Mönchen ableiten. Ein wichtiges Identifikationsmerkmal der Mönche war die Kleidung. Unterschiedliche Ausrichtungen wählten unterschiedliche Bekleidung, auch innerhalb der reformierten Konvente. Es entzündete sich bald ein handfester Streit darüber, welche Bekleidung nun die richtige sei46. In Cluny zum Beispiel setzte sich eine Kombination aus Tunika, stoffreicher knöchellanger Skapulierkukulle und einer weiten, kapuzenlosen Frocke durch, ebenso bei den Cluny nahestehenden Benediktinerkonventen. Dies wurde zum äußeren Erkennungszeichen der reformierten Mönche47. In der Vita ist Kleidung ein häufig auftretendes Motiv. Der Eintritt in den Benediktinerorden wird nicht einfach als solcher bezeichnet, sondern metaphorisch umschrieben. Es wird der religiöse Habit angezogen: religionis habitum induit, cum habitu vitam composuit48. Daneben steht das Habit auch für Ælfheahs Erfolg, die monastische Reform zu verbreiten und zu etablieren. Er versammelte laut Osbern in seiner Zeit in Bath eine große Gruppe an Mönchen um sich, welche auf Grund seiner überzeugenden Lehre den Habit anlegte49. Gleichzeitig wird aber gewarnt, dass auch die innere Haltung zum Habit passen muss, denn sonst wäre dies eine Verkleidung und damit kein Zeichen eines gottgefälligen Lebens mehr.

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Anglia Sacra (wie Anm. 5), 128; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 42: „For while one part of the body suffers, the whole body suffers with it: it is evident therefore that something is not a part of the same body which, when another part is suffering, does not know how to have any feeling of compassion.“ goeBel, Osbern (wie Anm. 3). Oda s. David H. FArMer, Oda, Oxford Dictionary of Saints, New York 1997 (Oxford paperback reference), 371; Ælfric, Emma MAsoN, Ælfric, in: ODNB, Bd. 1, Oxford u. a. 2004, 385. Jan keupp, Die Wahl des Gewandes. Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters (Mittelalter-Forschungen, 33), Ostfildern 2010, 85 f. Ebd. 86 f.; Hans-Werner goetz, Leben im Mittelalter. Vom 7. bis zum 13. Jahrhundert (Beck’s historische Bibliothek), München 72002, 111. Anglia Sacra (wie Anm. 5), 123; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 30: „He put on the religious habit, and in keeping with that habit so ordered his life.“ Anglia Sacra (wie Anm. 5), 124; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 32.

St Ælfheah von Canterbury

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Geschildert wird dies ebenfalls in der Bath-Episode50: Ælfheahs Lehre beinhaltet eine Dualität zwischen äußerem Zeichen, dem Habit, und der inneren Haltung. Er rät denjenigen, die nicht fähig sind, sich den Regeln des benediktinischen Lebens zu unterwerfen, den Habit gar nicht erst anzulegen. Dies zeigt deutlich die Exklusivität und die symbolische Aufladung des Kleidungsstücks, mit dem sich die reformierten Mönche von anderen abgrenzten und auch ihren Macht- und Führungsanspruch deutlich machten. Verkleidung ist in der Vita generell negativ konnotiert, nicht nur bei den ‚falschen‘ Mönchen. So wird der ultimative Kampf zwischen Ælfheah und dem Teufel damit eingeleitet. Der Teufel legt sich ein engelsgleiches Antlitz zu, ohne das dazu passende Wesen, um Ælfheahs Martyrium zu verhindern: Tegit ergo argumentum fuoris velamine pietatis […]. Fit virtus specie, non veritate: Angelus ore, non ope­ ratione51. Hier liegt der Vergleich mit der eben erläuterten notwendigen Dualität aus äußerem Zeichen und innerer Haltung nahe. Der Teufel sieht optisch zwar wie ein Engel aus, ist innerlich aber weiterhin der Teufel und täuscht Ælfheah zunächst dadurch, bis jener den Schwindel bemerkt, sich grämt und durch einen echten Engel, erkennbar an der göttlichen Fahne, gerettet wird52. Dies ist einerseits eine Anweisung an die Mönche, der reformierten benediktinischen Lehre zu folgen, andererseits eine Warnung, dass wenn die äußeren Zeichen und die innere Erscheinung nicht zueinander passen, dies ein teuflisches Werk und das persönliche Seelenheil am Ende in Gefahr sei. Was denjenigen erwartet, der dagegen verstößt, wird in der Vita anhand eines frevelhaften Mönchs erläutert. Ælfheah hat eine Erscheinung und sieht die Seele eines kürzlich verstorbenen Mönchs am Ort des Frevels, wie diese gepeinigt wird. Die Peiniger bewiesen keine Rücksicht, da der Mönch diese Gott gegenüber auch nicht gezeigt hatte. Die Erscheinung endet damit, dass die Peiniger die Seele aus dem Raum zogen, vermutlich in die ewige Verdammnis53. Eine Parallele kann auch hier zum Entstehungszeitraum der Vita gezogen werden, denn, wie bereits erwähnt, sah Lanfranc sich mit allerlei Problemen in seiner Gemeinschaft konfrontiert, insbesondere in disziplinarischer Hinsicht. Deshalb liegt eine Verbindung der Vita zu gegenwärtigen internen Problemen nahe. Dieser Ausschnitt aus Ælfheahs Vita dient hier also in erster Linie der Konsolidierung des reformierten Benediktinertums in der Abtei Christ Church und hat damit eine interne Funktion. Darüber hinaus besteht allerdings auch der Anspruch, das reformierte Mönchtum durch den angestrebten Primat Canterburys in den englischen Konventen zu verbreiten und zu sichern. Davon zeugt vor allem der Streit in Winchester. Besonders im Translationsbericht liegt der Fokus dann auf der dänischen Phase Englands im 10. Jahrhundert. Die zweite Frage lautet daher, inwiefern sich an der 50 51 52 53

Ebd. Anglia Sacra (wie Anm. 5), 138; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 70: „He covered the force of his rage with the cloak of piety; […]. He was Virtue in disguise – but not in deed. He became an Angel in his face, but not in fact.“ Anglia Sacra (wie Anm. 5), 139; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 72. Anglia Sacra (wie Anm. 5), 124 f.; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 32–36.

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Darstellung der Dänen und Knuts des Großen ein normannisch-geistliches Selbstbild erkennen lässt und welche Idealvorstellungen Osberns transportiert werden. In der Vita und dem Translationsbericht sind die Dänen unterschiedlich beschrieben. Es stehen auf der einen Seite das zumeist pagane Heer um die Anführer Swein und Thurkill und auf der anderen Seite Knut. Osbern listet das Heer betreffende Verfehlungen auf, so haben die Dänen zum Beispiel in erster Linie keinen Respekt vor Gott. Sie werden dann zudem unterteilt: Die einen sind die Heiden, die anderen die getauften Dänen. Letztere aber sind schlechte Christen, denn sie begehen weder Feier- noch Sonntage, passen ihre Ernährung nicht an die christliche Fastenzeit an, betreten keine Kirchen, empfangen keine Sakramente und zu guter Letzt bezichtigt Osbern sie des Inzests und attestiert ihnen die Ablehnung der legalen Ehe54. Aufgrund der fehlenden Religiosität überwiegt die Grausamkeit in ihrem Wesen, welche täglich wächst. Die Grausamkeit wird durch Osbern zu einem wesentlichen Charakterzug der Dänen stilisiert, denn er vergleicht diesen mit einem Gesetz: […] minuebatur pietas, crudelitas indies augebatur. Proinde quasi lex erat […]55. Das lässt darauf schließen, dass die gesamte Gruppe der Dänen angesprochen ist. Diese sind Stellvertreter für alles Schlechte und alle schlechten Eigenschaften, die sich vornehmlich auf kirchliche beziehungsweise geistliche Angelegenheiten beziehen. Besonders die Thematisierung der Ehe knüpft an die kirchliche Politik des 11. Jahrhunderts und eines der Kernthemen der päpstlichen Kirche zu jener Zeit an: die Sakralisierung der privaten Ehe. Heirat war vor allem in den oberen Gesellschaftsschichten ein Politikum, es wurden Bündnisse zwischen Herrschern geschlossen, die weitreichende Folgen für ganz Europa haben konnten56. Das Papsttum, welches versuchte, seinen Einfluss auf die weltlichen Herrscher auszubauen, nutzte die Ehe als Mittel, um politische Macht auszuüben. Osbern kommuniziert dies und sorgt für eine Verbreitung in geistlichen Kreisen. Im deutlichen Gegensatz dazu steht die Glorifizierung der Angelsachsen, die auch an einer Stelle der Vita deutlich wird. Nach der Schilderung der Verwüstung Canterburys durch die Dänen schreibt Osbern davon, dass England nie wieder zu seinem einstigen angelsächsischen Glanz heranwachsen wird57. Das deutet auf eine Verklärung, aber vor allem auf Bewunderung der Angelsachsen hin. Ob es eine solche Bewunderung bei seinen Lehrern Lanfranc und Anselm gegeben hat, deren Einflüsse er immer wieder in Vita und dem Translationsbericht verarbeitet, ist unklar. Lanfranc bezieht sich bezüglich des Primats Canterburys auf die angelsächsische Vergangenheit, an die er anschließen möchte58. Dies ist allerdings nicht ausreichend, um Osbern eine generelle Faszination dieser Epoche zuzusprechen. Möglicherweise gibt Osbern etwas sehr Persönliches preis. Bekannt ist, dass er sich sehr für die angelsächsischen Heiligen in Canterbury einsetzte und ein großer Verehrer des heiligen Dunstan war59. 54 55 56 57 58 59

Anglia Sacra (wie Anm. 5), 131; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 51. Ebd.: „… their goodnes waned and cruelty waxed from day to day. It was as if it were a law.“ BArloW, 1066–1154 (wie Anm. 39), 106 f. Anglia Sacra (wie Anm. 5), 136; sHAW, Osbern (wie Anm. 4), 63. Margaret giBsoN, Lanfranc of Bec, Oxford 1978, 182. ruBeNsteiN, Osbern (wie Anm. 3), 27 f., 40.

St Ælfheah von Canterbury

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Die Ermordung Ælfheahs und die Ereignisse, die zu seinem Tod geführt haben, dürften einen starken Einfluss auf England gehabt haben. Die Nachricht über das Geschehen drang schließlich bis nach Sachsen, wo Thietmar diesem in seiner Chronik viel Platz einräumte. Neben Thietmar gibt es nur das Manuskript C der Angelsachsenchronik, welches die Umstände zeitnah verarbeitet. Aber die nahezu unmittelbare Verehrung Ælfheahs und vor allem die Translation seiner Gebeine durch Knut könnten als Gradmesser für den Einfluss der Taten des dänischen Anführers Thurkill und seines Heeres gesehen werden. Die Translation der Gebeine Ælfheahs nach Canterbury mag demnach eine Entschädigung des Königs und der Nachfahren jener Dänen gewesen sein, die die Stadt laut Osbern völlig verwüstet hatten. Osbern selbst erfuhr von diesem Ereignis in Kindertagen durch den Mönch und Dekan Godric, den er als Augenzeugen im Translationsbericht anführt60. Er gewöhnte sich äußerst schwer an die neuen Herren nach der normannischen Eroberung, auch wenn er Lanfranc und Anselm nach seinem Aufenthalt bald sehr gewogen war. Vielleicht veranlassten ihn diese Erlebnisse zu einer Glorifizierung der angelsächsischen Vergangenheit, die durch die erste Eroberung Englands durch Fremde, in diesem Fall die Dänen, einen Riss erhielt, der sich in seinen Augen nicht mehr kitten ließ. Eine andere Möglichkeit ist, dass Osbern mit diesem Textabschnitt den Wunsch nach einer stärkeren Anbindung an den Papst ausdrückt. Durch die Verehrung der Apostel Peter und Paul ist die angelsächsische Tradition enger mit Rom verbunden als die normannische und die englischen Bischöfe, nicht nur Erzbischöfe, reisten bereits im 10. Jahrhundert regelmäßig nach Rom, um sich ihre Investitur bestätigen zu lassen beziehungsweise um das Pallium zu erhalten61. Dies ging einher mit den Versuchen des Reformpapsttums, im 11. Jahrhundert mehr Einfluss auf die Landeskirchen zu gewinnen und stärker von der königlichen Herrschaft zu trennen – ein Ziel, das vor allem Anselm anstrebte62. Osbern könnte durch diese Textstelle auf eben diesen Wunsch hinweisen. Ein normannisches Selbstbild lässt sich aus diesen Beschreibungen allerdings nicht herleiten. Diese Schilderungen dienen der Bildung einer kirchlichen Identität nach der Lehre Lanfrancs und Anselms und transportieren Wertvorstellungen Osberns, die allerdings keine Rückschlüsse auf das Verhalten der Normannen zulassen. Es lässt sich also schwerlich von ethnischen Unterscheidungen zwischen Dänen, Normannen und Angelsachsen ausgehen. Es geht Osbern vielmehr darum, ein guter Christ zu sein, unabhängig von der Ethnie. Verstärkt wird diese Annahme durch die finale Darstellung der Ankunft Knuts 1016. Denn bei Osbern verschwimmt die Trennung zwischen Angelsachsen und Dänen. Im Translationsbericht findet sich diese Unterscheidung noch zu Beginn, verschwindet aber, als beschrieben wird, wie Knut den Frieden wiederherstellte63. Dies lässt den Schluss zu, dass die Nennung verschiedener Ethnien als Stilmittel zur Unterscheidung verschiedener Parteien genutzt wurde. 60 61 62 63

ruMBle/Morris, Translatio (wie Anm. 4), 304 f., n. 25. Veronica orteNBerg, The English Church and the Continent in the Tenth and Eleventh Centuries. Cultural, Spiritual, and Artistic Exchanges, Oxford 1992, 152 f. Stefanie scHilD, Der Investiturstreit in England (Historische Studien, 504), Husum 2015, 57. ruMBle/Morris, Translatio (wie Anm. 4), 298–301.

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Nach dem Translationsbericht versprach Knut, zu gegebener Zeit die Gebeine Ælfheahs nach Canterbury zu überführen, um Vergebung für sein Volk zu erhalten. Zuvor wollte er sich seinen herrschaftlichen Pflichten widmen und nachdem Frieden geschaffen wurde, bestellte er Erzbischof Æthelnoth nach London, wo Ælfheahs Gebeine noch lagen. Mit Æthelnoth verband Knut ein freundschaftliches Verhältnis, sofern man Osberns Anekdote glauben mag. Dieser baut in die Schilderung des Transports der Reliquien nach Canterbury eine scherzhafte Unterhaltung zwischen Erzbischof und König ein, in welcher Knut Æthelnoth freundschaftlich ärgert, dass er ihm durch die Translation nun die Angst vor dem Sterben genommen habe64. Diese Episode ist insofern interessant, als dass von einem engen Verhältnis zwischen Erzbischof und König die Rede ist. Hier könnte sich die Beziehung zwischen Lanfranc und Wilhelm dem Eroberer widerspiegeln, welche insgesamt sehr eng gewesen sein soll65. Dazu zeigt sich wieder der Versuch Osberns, verschiedene Erzbischöfe, wie es in der Dunstan-Episode bereits anklang, zu Heiligen zu stilisieren, was bei Æthelnoth aber nicht funktionierte, da sich keine Verehrung nachweisen lässt. Osbern zeichnet in Bezug auf Knut das Bild eines Königs, der ein gottesfürchtiger, bescheidener und guter Herrscher war. So legte der König Osbern zufolge keinen Wert auf herrschaftliche Kleidung, denn als Æthelnoth in London ankam, warf Knut sich nach einem Bad nur einen Kittel über und zog Sandalen an, um mit dem Erzbischof sofort nach dessen Ankunft die Details der Translation zu besprechen66. Diese Kleidung ist allerdings kein Indikator für mangelnde Herrschaftsqualitäten, wie es anfänglich den Anschein haben mag, denn selbst in dieser Bekleidung erteilte er Befehle, die prompt erfüllt wurden. Osbern beschreibt Knut auch als Kapitän eines Bootes und unterstreicht damit Knuts Rolle als Regent und König, denn er sah seine Hauptaufgabe im Regieren. Knut begleitete Ælfheahs Reliquien nicht bis nach Canterbury, weil andere Aufgaben auf ihn warteten, sorgte aber durch seine Leibgarde für einen sicheren und reibungslosen Transport67. Knut wird an dieser Stelle als idealer König beschrieben. Er war in Osberns Darstellung ein guter Regent, denn er brachte Frieden nach England und mischte sich nicht in kirchliche Angelegenheiten ein. Der ‚Befehl‘ zur Translation war schließlich das Versprechen an Ælfheah, ihn zu gegebener Zeit nach Canterbury zu überführen, damit die Taten seiner Vorfahren vergeben werden. Insofern handelt Knut aus Buße und Reue. An dieser Stelle zeigen sich Parallelen zu Osberns Umwelt, denn König Wilhelm mischte sich in Kirchenangelegenheiten ein. Dies zeigt nicht nur der bereits erwähnte Fall um Bischof Walchelin von Winchester, sondern Wilhelm brachte die Kirchenfürsten dazu, ihm einen Lehnseid zu leisten, um sie damit in eine herrschaftliche Abhängigkeit zu bringen68. Dieses Vorgehen wirft ein interessantes Licht auf die Beziehung zwischen Lanfranc und Wilhelm und die Po64 65 66 67 68

Ebd., 308 f. Brian golDiNg, Conquest and Colonisation. The Normans in Britain, 1066–1100 (British History in Perspective), Basingstoke u. a. 1994, 35 f.; peltzer, 1066 (wie Anm. 12), 256–274. ruMBle/Morris, Translatio (wie Anm. 4), 300–302. Ebd., 308 f. peltzer, 1066 (wie Anm. 12), 302 f.

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sitionierung des Verfassers der Lebensbeschreibung Ælfheahs. In dem bereits erwähnten Dialog zwischen Erzbischof Æthelnoth und König Knut verweist Osbern zwar auf den Primat Canterburys, vor allem aber übt er an dieser Stelle Kritik am Geschehen, so könnte er Bezug auf die Unruhen in der Augustinus-Abtei in Canterbury nehmen. Diese begannen 1088/89. Die Mönche in der Augustinus-Abtei rebellierten gegen den von Lanfranc neu eingesetzten Abt Guy. Die Anführer der Rebellion wurden daraufhin durch den Erzbischof gefangen genommen. Nach Lanfrancs Tod und der damit einhergehenden Vakanz des Erzbischofssitzes flammte die Rebellion wieder auf und wurde von Walchelin, Bischof von Winchester, und Gundulf, Bischof von Rochester, beendet. 24 Mönche aus Canterbury ersetzten die Aufrührer, während letztere auf entfernte Klöster verteilt wurden69. Möglicherweise betont Osbern deshalb, dass Æthelnoth das oberste Priesteramt in Canterbury innehatte und die damit einhergehende Autorität über geistliche Institutionen in seinem Verwaltungsbereich. Er zeigt so, dass er die Idee des Primats Canterburys auch weiterhin für legitim und richtig hält. In der Vita und dem Translationsbericht wird mit Stereotypen gearbeitet. Es gibt das Böse, das sind die Dänen unter Thurkill, die Leid, Chaos und Verderben bringen, vor allem Feinde des christlichen Glaubens sind und, um auf das Anfangszitat einzugehen, Unrecht vor Recht gelten lassen wollten. Katharsis kam schließlich durch Knut. Die Buße für die Gräueltaten seiner Vorgänger ist die Translation der Gebeine Ælfheahs nach Christ Church. Dieses positive Echo, das Knut erhält, lässt sich darauf zurückführen, dass er durch die erfolgte Translation den Primat Canterburys unterstützte, indem der Körper eines für Christ Church wichtigen Heiligen in die Kathedrale gelangte und damit deren Wert steigerte. Kurzum ist die Schilderung der Dänen um Thurkill und danach der Anglo-Dänen unter Knut durch Osbern ein Spiegel dessen, wie eine ideale Gesellschaft aussehen sollte: nicht räuberisch und gewalttätig, sondern friedlich und bescheiden. Zudem wird hier eine Trennung der Machtsphären Kirche und weltlicher Herrschaft forciert, auch wenn beide über Kontakte verfügen sollen, wie im Text durch die enge Beziehung zwischen Knut und Æthelnoth angedeutet wird. Diese ideale Gesellschaftsform trifft Osbern zufolge auf die Normannen nicht zu. Der zuvor erwähnte Lehnseid, den Wilhelm von den Bischöfen einfordert, steht dieser Gesellschaftsvorstellung konträr entgegen. Vor diesem Hintergrund lässt sich schwer ein normannisches Selbstbild ableiten, welches der Darstellung der Dänen um Swein und Thurkill entgegensteht. Vielmehr wird dadurch die These der Glorifizierung der angelsächsischen Gesellschaft oder vielmehr des Status Christ Churchs unterstützt, was den Wert Ælfheahs als angelsächsischem Heiligen noch einmal steigert. Osbern beschreibt mit seinen Darstellungen ein für ihn ideales Verhältnis zwischen Herrschaft und Geistlichkeit. Dies zeigt sich besonders in der Episode um Knut und Æthelnoth, die sich auf Augenhöhe begegnen. Wilhelms Verhalten in der Gegenwart aber zeigt, dass dieses Verhältnis so nicht besteht, weshalb diese Darstellung als Kritik Osberns an der normannischen Herrschaftsstruktur im Hinblick auf den Umgang mit der Geistlichkeit gesehen werden kann. Osbern bietet 69

BArloW, 1066–1054 (wie Anm. 39), 165.

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einen Einblick in seine Vorstellungswelt, in welcher er Canterbury als geistiges Machtzentrum neben dem König an der Spitze der Herrschaft in England sieht. Zudem funktionalisiert Osbern die Vita als Lehrmittel zur Anleitung der – aus seiner Sicht – richtigen Interpretation der Regula Benedicti. Das geschah zum einen für den eigenen Konvent, nachdem Lanfranc diesen neu strukturiert und die Regu­ laris Concordia durch einen neuen ordo ersetzt hatte, zum anderen aber auch für alle Konvente, in denen die Vita zu liturgischen Zwecken verlesen wurde. Daneben legte Osbern den Fokus auf den Primat Canterburys, den er an verschiedenen Stellen der Vita beschreibt. Er nutzt die Vita demnach als Instrument, diesen Anspruch über die Grenzen Canterburys hinaus zu verbreiten. Als Verfasser der Lebensbeschreibung verwendet Osbern den Heiligen Ælfheah, um der sich neu formierenden geistlichen Elite unter Lanfranc Identifikationsmaterial zu bieten, indem er die seiner Vorstellung nach ideale geistliche Gesellschaft skizziert. Dies geschieht durch die positive Darstellung der Gruppe der reformierten Mönche und gleichzeitig durch das Aufzeigen von Wegen zur Abgrenzung, wie der Dualismus zwischen Habit und Lehre zeigt. Ferner bietet Osbern durch die Beschreibung von Disziplin und Askese weitere Anknüpfungspunkte. Die normannische Eroberung und die damit verbundene Neuformierung der geistlichen und weltlichen Elite Englands waren also ein Anstoß für Osbern, die Lebensbeschreibung Ælfheahs in den eingangs genannten drei Teilen aus Hymne, Vita und Translationsbericht zu verfassen. Osbern benutzte so den bekannten Heiligen, um die Stellung Lanfrancs und Canterburys in England zu unterstützen. Gleichzeitig vermittelte er seine Vorstellungen vom Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Macht und nutzt die Vita Ælfheahs als Plattform für Kritik, da König Wilhelm sich nicht seinen Vorstellungen entsprechend verhielt und damit im Gegensatz zu Osberns Bild von Knut dem Großen stand. Auch eröffnete Osbern durch die Wahl Ælfheahs ein Fenster in seine persönlichen Ansichten, zeigte aber vor allem, wie ein Heiliger, über dessen Leben bereits im 11. Jahrhundert kaum etwas bekannt ist, instrumentalisiert werden konnte, um bestimmte Funktionen zu erfüllen und bestimmte Ansichten zu verbreiten.

HAGIOGRAPHIE IN FLEURY – HEILIGKEIT IM DIENSTE DER GEMEINSCHAFT? Jérémy Winandy Abstract After the tragic death of Abbot Abbo of Fleury in the Year 1004 through the hands of revolting monks in the monastery of La Réole, Abbos disciple Aimoin wrote a life of his teacher in which he tried to establish Abbo as a Martyr. Aimoin argues, that even though Abbo did not die while Christianizing pagans he can be seen as a martyr because he died while trying to reform the monastery, which is even better because he not only spread the word to unbelievers but to heretics. Some years later the biographer of King Robert the pious, Helgaud, tried to make a saint out of this king. As we know today, Robert II is not venerated as a saint, but the biography of Helgaud still presented him as a repentant king who was proselytized by the Abbot of Fleury. A third life was written in the beginning of the eleventh century in Fleury, the life of Gauzlin, the successor of Abbo. This time Gauzlin is not stylized as a saint, but in his secular biography he is nearly put on the same level as St Abbo. In my paper I will analyze these three lives and argue, that they represent one significant moment in the creation of a glorious history of the monastery worthy of saint Benedict. I will argue that these lives served more as a focalization point of the community than as a public purpose.

Mit dem Tod Abbos von Fleury im Jahr 1004 und der kurz darauf folgenden Niederschrift des Lebens des Abtes begann in Fleury eine Epoche der intensiven hagiographischen Produktion: Es folgte eine Lebensbeschreibung von König Robert II. dem Frommen von Frankreich und von Abbos Nachfolger Gauzlin von Fleury1. Im Rahmen des folgenden Beitrags sollen diese drei Heiligenviten, die zu Beginn des 11. Jahrhunderts in Fleury entstanden sind, genauer analysiert werden. Dabei wird gezielt eine der drei Perspektiven des Sammelbandes, nämlich die Funktion von Heiligkeiten, in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Auch wenn dementsprechend die hagiographische Produktion das Zentrum der Untersuchung darstellt, soll es nicht nur um die entsprechenden Texte gehen – vielmehr soll der Nutzen, der von Heiligkeiten ausgeht, in seiner Gesamtheit betont werden und mit den jeweiligen Entstehungszusammenhängen in Verbindung gebracht werden. In diesem Zusammenhang spielt die causa scribendi der Viten eine zentrale Rolle, nichtsdestotrotz soll über die Suche nach dem einen Grund der Niederschrift hinaus versucht werden, das hagiographische Schaffen des westfränkischen Klosters Fleury in seiner gesamten Multifunktionalität zu beleuchten2. Diese Perspektivierung lässt bereits erkennen, soviel mag vorweggenommen werden, dass der Beitrag nicht davon aus1 2

Vgl. allgemein zur Hagiographie in Fleury die jüngste Untersuchung von Thomas HeAD, Hagiography and the Cult of Saints. The Diocese of Orléans, 800–1200, Cambridge 1990, insb. 235–281. Zu den Editonen der einzelnen Viten s. u. Vgl. zur Forschung zum Schreibanlass von Heiligenviten Stephanie coué, Hagiographie im Kontext. Schreibanlaß und Funktion von Bischofsviten aus dem 11. und vom Anfang des

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geht, dass den jeweiligen Texten nur eine zentrale Funktion zukommt; es soll vielmehr darum gehen, unterschiedliche Funktionen herauszuarbeiten und dadurch zu belegen, dass gerade der besondere Reiz der hagiographischen Produktion darin liegt, dass ein Text gleichzeitig sehr unterschiedliche Ziele verfolgen kann. Das Kloster Fleury ist für eine solche Untersuchung besonders geeignet, da in Fleury zu Beginn des 11. Jahrhunderts in relativ kurzem Abstand gleich drei Heiligenviten entstanden sind, nämlich die ‚Vita et Passio Sancti Abbonis‘ (im Folgenden ‚Vita Abbonis‘)3, die ‚Epitoma Vite Regis Rotberti Pii‘ (‚Vita Rotberti‘)4 sowie die ‚Vita Gauzlini Abbatis Floriancensis Monasterii‘ (‚Vita Gauzlini‘)5. Um erste Antworten auf die Frage nach den Funktionen von Heiligkeiten geben zu können, gehe ich im Folgenden so vor: Zunächst werden die drei Viten und ihre jeweiligen Besonderheiten kurz analytisch präsentiert. Gleichzeitig soll durch eine Untersuchung der einzelnen Texte herausgearbeitet werden, welche jeweiligen Absichten zur Niederschrift der Texte geführt haben und welche Funktionen sich hieraus ableiten lassen. In einem zweiten Schritt werden die Einzelergebnisse zusammengeführt, um einige generelle Aussagen über Funktionen von Hagiographie in Fleury zu treffen. Die chronologisch erste Vita aus Fleury, die ‚Vita Abbonis‘, wurde verfasst von Aimoin von Fleury. Der Entstehungszeitpunkt der Vita lässt sich nicht genau datieren, es ist aber davon auszugehen, dass sie wenige Jahre nach dem Tod des Protagonisten, also wohl zwischen 1004 und ca. 1010, entstanden ist6. Abgesehen vom Prolog lässt sich die Vita grob in drei Teile gliedern7: Die Kapitel 1–7 befassen sich mit der Jugend Abbos und mit der Zeit vor dessen Abbatiat. Diese Passagen dienen vor allem dazu, die Ideonität Abbos als Vater der Gemeinschaft von Fleury zu demonstrieren. Der zweite Teil, die Kapitel 8–14, behandelt Abbos Handeln als Abt von Fleury. Insbesondere dessen Bemühungen um die monastische Reform stehen in diesem Abschnitt im Vordergrund; eine besondere Rolle nimmt dabei die Darstellung des Kampfes mit dem Diözesanbischof Arnulf von Orléans um die Exemtion des Klosters ein. Der abschließende dritte Teil der Vita beschreibt den gewaltsamen Tod des Abtes bei dessen Versuch, das Klosters La Réole in Südfrankreich zu refor-

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12. Jahrhunderts, Berlin/New York 1997, 1–25, mit Hinweis auf die ausgesprochen umfangreiche Literatur. Die Vita liegt ediert vor: Aimoin von Fleury, Vita et passio sancti Abbonis, in: L’Abbaye de Fleury en l’an mil, hg. v. Robert-Henri BAutier / Gilette lABory (Sources d’histoire médiévale 32), Paris 2004, 34–136. Helgaud von Fleury, Epitoma vitae regis Rotberti Pii, in: Vie de Robert le Pieux, hg. v. RobertHenri BAutier (Sources d’histoire médiévale 1), Paris 1965, 56–140. Über den Titel dieser Vita und über die Frage, ob es sich bei dem überlieferten Text nur um einen Ausschnitt oder tatsächlich um die ganze Vita handelt, wurde viel diskutiert. Vgl. dazu die Einleitung zur Edition, Robert-Henri BAutier, Vie de Robert le Pieux, Paris 1965, 32–35. Andreas von Fleury, Vita Gauzlini abbatis floriacensis monasterii, in: Vie de Gauzlin, abbé de Fleury, hg. v. Robert-Henri BAutier / Gilette lABory (Sources d’histoire médiévale 2), Paris 1969, 31–151. Der Editor Bautier datiert die Entstehung auf 1005 und 1022, dem Todesdatum des Adressaten Hervé von Tours, vgl. Robert-Henri BAutier / Gilette lABory, L’Abbaye de Fleury en l’an mil, Paris 2004, 13. Vgl. zu dieser Dreiteilung auch BAutier/lABory, L’Abbaye de Fleury (wie Anm. 6), 14–15.

Hagiographie in Fleury – Heiligkeit im Dienste der Gemeinschaft?

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mieren. In diesem Teil ist Aimoin darum bemüht, den Tod Abbos als Märtyrertod darzustellen und somit aus dem Abt, seinem Lehrer und engen Vertrauten – Aimoin war beim Tod Abbos persönlich anwesend und schreibt an dieser Stelle aus eigenem Erleben – einen Heiligen zu stilisieren8. Dieser Aspekt ist es auch, der nach der eigenen Aussage Aimoins den eigentlichen Abfassungsgrund der Vita darstellt. Um diese Darstellungsabsicht näher zu betrachten, wenden wir uns zunächst dem Prolog der Vita zu, in dem Aimoin nicht nur seine Abfassungsabsicht darstellt, nämlich die Heiligkeit Abbos zu belegen, sondern dies auch mit einem längeren Exkurs zu allgemeinen Überlegungen über Heiligkeit begründet. Aimoin schreibt, dass er die Vita verfasst habe, um die geäußerten Zweifel an der Heiligkeit Abbos zu widerlegen9. Die theoretischen Überlegungen Aimoins zu Heiligkeit gehen aber darüber hinaus, Abbo nur zu einem Heiligen zu stilisieren, sondern machen aus diesem einen ganz besonders heiligen Mann. So vereint Abbo Aimoin zufolge gleich zwei Möglichkeiten, zu einem Heiligen zu werden, in einer Person. Erlangt werden kann Heiligkeit nämlich, nach Aimoin, auf zwei Arten: zum einen durch ein tugendhaftes Leben und zum anderen durch das Martyrium10. Im Folgenden entwickelt Aimoin zunächst die zentralen Voraussetzungen, die Heiligkeit durch ein tugendhaftes Leben ermöglichen: Hierzu bedarf es erstens der Reinheit des Lebens, zweitens einer guten Erziehung Anderer und drittens der Festigkeit des Glaubens11. Es überrascht nicht, dass es genau diese drei Aspekte sind, die in den ersten beiden Teilen der Lebensbeschreibung Abbos eine zentrale Rolle spielen: Die Reinheit des Lebens Abbos wird mehrfach im Laufe der Vita betont. So erwähnt Aimoin, dass Abbo als Jugendlicher die Lektüre nutzt, um seine Keuschheit zu wahren, aber über diese Lektüre auch das Beten und den eigentlichen Gottesdienst nicht aus den Augen verliert12. Die gute Erziehung Anderer erfüllt Abbo gleich auf zweierlei Art: durch sein exemplarisches Leben, aber auch ganz konkret durch seine Tätigkeit in 8

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Ego vestigia ejus prosecutus, conspitio super limen domus quam vir sanctus ingressus jam erat partem coagulati sanguinis, Aimoin von Fleury, Vita Abbonis (wie Anm. 3), 122. Es gibt keinen Grund, an der Anwesenheit Aimoins zu zweifeln, vgl. dazu auch BAutier/lABory, L’Abbaye de Fleury (wie Anm. 6), 15. Quapropter unius dilecti domini, sancti videlicet patris nostri Abbonis, vitam seu quo ordine pervenerit ad martirium, rusticano licet sermone, aggredimus scribere. Nac oportet quemquam dubitare eum vere martirem fore, quem constat pro veritate quę Christus est mortem pertulisse, Aimoin von Fleury, Vita Abbonis (wie Anm. 3), Proömium, 38. […] verum haec ipsa ad laudem nostri referamus Creatoris per quem vel bene vivere vel coro­ nam potuerunt martirii percipere, Aimoin von Fleury, Vita Abbonis (wie Anm. 3), Proömium, 38. So werden auch Augustinus und Hieronymus auf Grund ihrer Tugenden als Heilige betrachtet, obwohl sie keine Wunder gewirkt haben: […] legat vitas excellentissimorum doctorum Augus­ tini atque Jheronimi et in eis non prodiga temporalium signorum, quę faciunt plerumque mali, sed vitę puritatem, doctrinę salubris eloquentiam et fidei inveniet laudari constantiam, Aimoin von Fleury, Vita Abbonis (wie Anm. 3), Proömium, 40. Egressus pueritię tempora, frequenti meditatione adolescentię satagebat reprimere vitia, sciens scriptum quia „frequens meditatio carnis est afflictio“. Quam idcirco jugi litterarum exercitio domare curabat ut spiritui eam servire cogeret. Nec tamen, uti a quibisdam juvenum fieri asso­ let, ob studium lectionis, intentionem deserebat devotę orationis. Religionis namque proposi­ tum monasticę quod habitu pretendebat, id tota mentis devotione diligebat et quasi pro quodam

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der Klosterschule, die vor dem Hintergrund von Abbos Zeit in Ramsey in England ausdrücklich hervorgehoben wird13. Die Festigkeit des Glaubens schließlich belegt Aimoin durch Abbos unerbittlichen Kampf gegen den Bischof und für die Ziele der monastischen Reform gegen weitere Widerstände. Doch damit nicht genug, denn diesem ausführlich belegten Anspruch Abbos auf Heiligkeit tritt noch ein zweiter Aspekt hinzu: Abbo ist, wie bereits erwähnt, als Märtyrer gestorben, er erfüllt also beide von Aimoin vorgestellten Voraussetzungen für das Erlangen von Heiligkeit. Dass das Erleiden des Martyriums ausreichend für Heiligkeit ist und damit das heiligmäßige Leben Abbos nur weiter krönt, ist unbestritten. Was aber umstritten ist, und diese Zweifel erwähnt Aimoin ausdrücklich, ist die Frage, ob Abbos Tod überhaupt als Martyrium angesehen werden kann. So steht fest, dass Abbo nicht von Ungläubigen ermordet worden ist und auch nicht dabei umgekommen ist, als er versucht habe, Ungläubige zu bekehren. Ein typisches Martyrium hat er also auf den ersten Blick nicht erlitten. Auch hier weiß Aimoin sich zu helfen: Hierzu baut er eine mehrgliedrige Analogiekette auf: Abbo sei von den aufständischen Mönchen im Kloster La Réole ermordet worden, als er versuchte, diese zu reformieren. Eine Klosterreform bestehe darin, und das sagt schon der Quellenbegriff, das entsprechende Kloster zu befreien und zwar von dem sündhaften Leben, welches dort geführt wird. Wer aber sündigt und nicht gemäß der regula lebt, dient in seinem Leben nicht Gott, sondern dem Dämon. Wer aber dem Dämon dient, ist ein Häretiker, der als ungläubig angesehen werden kann und deshalb bekehrt werden muss. Dieser Argumentationskette folgend ist auch Abbo bei der Bekehrung von Ungläubigen ermordet worden und somit rechtmäßig als Märtyrer zu verehren14. Wenn man der Argumentation im Prolog der ‚Vita Abbonis‘ folgt, dient diese vor allem dazu, Abbo zu einem Heiligen zu stilisieren. Hier fassen wir die geradezu als klassisch anzusehende Funktion von Hagiographie, nämlich die Etablierung und Erweiterung eines Kultes15. Hierin aber die einzige Funktion der Vita zu sehen, halte ich trotz Aimoins Versicherungen für zu kurz gegriffen. Schon die nicht einsetzende systematische Verehrung Abbos weder in Fleury noch an seiner Grablege

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levamine post pręcum ad Deum missa libamina liberalium artium sumebantur exertitia, Aimoin von Fleury, Vita Abbonis (wie Anm. 3), Kap. 2, 46. Ubi dum sanctus Domini Abbo per duorum ferme annorum moratur spatium, aliquos mo­ nachorum scientia imbuit litterarum, Aimoin von Fleury, Vita Abbonis (wie Anm. 3). Vgl. zum Englandaufenthalt Abbos auch Marco Mostert, Le séjour d’Abbon de Fleury à Ramsey, in: Bibliothèque de l’Ecole des Chartes 144 (1986), 199–208. Ich zitiere im Folgenden den gesamten Argumentationsgang: Nec oportet quemquam dubitare eum vere martirem fore, quem constat pro veritate quę Christus est mortem pertulisse; qui etsi non revocabat homines a cultura idolorum, laborabat tamen liberare, quod majus est, a servi­ tute viciorum, quibus qui assidue dediti sunt, non Deo sed demonibus servire probantur, Aimoin von Fleury, Vita Abbonis (wie Anm. 3), Proömium, 38–40. Vgl. zur älteren Forschung, die in der Hagiographie vor allem Kultpropaganda sehen wollte, exemplarisch Friedrich lotter, Methodisches zur Gewinnung historischer Erkenntnisse aus hagiographischen Quellen, HZ 229 (1979), 298–356, hier 307: „Im Gegensatz zu Historiographie verfolgt die Hagiographie nicht die Absicht, der Nachwelt eine Darstellung geschichtlicher Vorgänge zu vermitteln, sondern will lediglich Heilige und ihre Kulte propagieren, etablieren und stabilisieren“, 307.

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weit entfernt in der Nähe von La Réole lassen darauf schließen, dass das Interesse an einem Kult um Abbo selbst in Fleury, wenn überhaupt, nur halbherzig vorangetrieben worden ist – es ist auch kein Versuch unternommen worden, den wunderwirkenden Leichnam des Heiligen nach Fleury zu überführen16. Es lässt sich auch keine weitere Verehrung Abbos greifen. Im Gegenteil deutet ein Absatz aus der ‚Vita Gauzlini‘ sogar darauf hin, dass Abbo bereits zu Lebzeiten Gauzlins oder zumindest zum Zeitpunkt der Niederschrift der ‚Vita Gauzlini‘ in Fleury nahezu in Vergessenheit geraten ist. So äußert Gauzlin gegenüber dem nicht näher bekannten Walterius, der dem Abt damit droht, einen Mönch aus Fleury zu töten, der im Namen des Abtes die Kirche in Saint-Benoît-du-Sault verwaltet, dass in Fleury zwar zahlreiche Bekenner liegen würden, aber kein Märtyrer aus der Gemeinschaft hervorgegangen sei, so dass die Drohung keine Wirkung entfalte17. Nichtsdestotrotz scheint die ‚Vita Abbonis‘, die kurz nach dem Tod Abbos verfasst wurde, seinem Schüler Aimoin zunächst dazu zu dienen, aus seinem Lehrer einen Heiligen zu machen. Im Folgenden soll aber noch eine weitere, bisher von der Forschung vernachlässigte Funktion präsentiert werden. In Anbetracht der Ausführlichkeit der Darstellung des Konfliktes zwischen Abbo und dem Bischof von Orléans, der ja, wie bereits dargestellt, auch zu Beginn des Abbatiats des Nachfolgers Gauzlin immer noch aktuell gewesen ist, scheint eine weitere Funktion der Vita auch darin zu liegen, Gauzlin ein Modell vorzuhalten, wie dieser für die Freiheit des Klosters kämpfen solle18. Denn genau wie Abbo zu Beginn seines Abbatiats gerät auch Gauzlin seinem Biographen zufolge in Konflikt zum Bischof von Orléans, da auch der Nachfolger Arnulfs, Fulk von Orléans, eine Geste der Unterwerfung des Abtes verlangt habe19. Damit dient die Vita neben der Darstellung der Heiligkeit des verstorbenen Abtes auch dazu, pragmatisches Handlungswissen innerhalb der Gemeinschaft zu erhalten. Auch die ‚Vita Gauzlini‘, die Lebensbeschreibung des Nachfolgers Abbos, der 1030 verstorben ist, lässt sich vor diesem Hintergrund deuten. Entstanden ist dieser Text wohl ca. zehn Jahre nach dem Tod Gauzlins, also zwischen 1040 und 1044, und stammt aus der Feder des floriazensischen Mönchs Andreas von Fleury20. Im Kontrast zur ‚Vita Abbonis‘ stellt sich bei der Lebensbeschreibung Gauzlins noch stärker die Frage, ob sie dazu dienen sollte, aus dem Abt einen Heiligen zu machen. Betrachten wir auch hierzu zunächst wieder den Aufbau des Werkes bzw. die einzelnen Darstellungsschwerpunkte. So beginnt die ‚Vita Gauzlini‘ damit, die Größe des Klosters unter dem Abbatiat Gauzlins darzustellen. Statt eines Lobes auf den Abt folgt zunächst ein Lob auf die Gemeinschaft, indem ausführlich die 16 17 18

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Die Wunderwirksamkeit Abbos wird durch sechs an die Vita angehängte Wunder belegt. Vgl. hierzu Aimoin von Fleury, Vita Abbonis (wie Anm. 3), 132–136. Multorum, inquit, confessorum Floriaci satis habeo, at nullo prorsus martirum de eadem sancta congregatione congratulor, Andreas von Fleury, Vita Gauzlini (wie Anm. 5), Kap. 25a, 66. Vgl. hierzu auch Jérémy WiNANDy, Äbte und Bischöfe im Kampf um die monastische Exemtion im Spiegel hagiographischer Quellen aus Fleury, in: Jenseits des Königshofs – Bischöfe und ihre Diözesen im nachkarolingischen ostfränkisch-deutschen Reich (850–1100), hg. von Andreas BiHrer und Stephan BruHN [im Druck]. Vgl. Andreas von Fleury, Vita Gauzlini (wie Anm. 5), Kap. 18a, 50–52. Vgl. Robert-Henri BAutier / Gilette lABory, Vie de Gauzlin, abbé de Fleury, Paris 1969, 11–13.

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Namen aller im Kloster literarisch wirkender Mönche mitsamt deren Werken aufgelistet werden21. Von Beginn an wird also der Blick eher auf die Leistungen der Gemeinschaft und damit auf die Bedeutsamkeit des gesamten Klosters gelenkt und weniger auf die Tugenden oder die Heiligkeit des Abtes. Gauzlin dient in dieser Darstellung als Personifikation für die Erfolge des Klosters: Unter ihm gelangt das Kloster zu dieser Größe22. Anschließend listet Andreas ausführlich die zahlreichen Besitzungen auf, die dem Kloster unter Gauzlin hinzugefügt wurden: Der Klosterbesitz wird gar als Reich des Abtes beschrieben, das dieser wie ein wiedergekehrter Makkabäus mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln erweitert habe23. Auch der Wiederaufbau des Klosters nach dem großen Brand von 1026 wird ausführlich dargestellt24. Demgegenüber fällt auf, dass die Beschreibung der Persönlichkeit Gauzlins und die Darstellung seines Lebens in den Hintergrund treten. Es wird zwar anfänglich ausführlich darauf eingegangen, dass auch Gauzlin in Konflikt mit dem Bischof von Orléans stand, den Ausgang dieser Auseinandersetzung hält Andreas aber nicht für erwähnenswert. Schließlich werden noch Kontakte von Gauzlin zum König von Frankreich und in weitere Teile der westlichen Welt dargestellt25. Neben einer Würdigung des Abtes tragen selbst diese Passagen meines Erachtens in erster Linie dazu bei, die Strahlkraft der klösterlichen Gemeinschaft zu belegen. Obwohl sie eine Lebensbeschreibung des zweiten verehrungswürdigen Abts, der aus der Gemeinschaft hervorgegangen ist, darstellt, trägt die ‚Vita Gauzlini‘ dementsprechend vor allem dazu bei, die Größe der gesamten Gemeinschaft zu demonstrieren. Abgefasst wurde die Vita, wie bereits erwähnt, zwischen 1040 und 1044. Durch die Berichte von Andreas in den ‚Miracula Sancti Benedicti‘ sind wir darüber informiert, dass es zu diesem Zeitpunkt heftige Konflikte innerhalb des Klosters gegeben hat. So beschreibt Andreas, dass der Nachfolger Gauzlins, Arnaud, bereits nach zwei Jahren durch eine Revolte abgesetzt wurde und seitdem keine Ruhe eingekehrt sei26. Dies weist noch auf eine weitere Funktion der ‚Vita Gauzlini‘ hin: Die Darstellung der Größe des Klosters kann dazu beitragen, den zerstrittenen Mönchen von Fleury eine glorreiche Zeit vor Augen zu führen, in der das Kloster durch eine beeindruckende literarische Produktion und geführt durch einen kämpferischen, gut vernetzten Abt zu einem der führenden intellektuellen Zentren des Westfränkischen Reiches aufgestiegen war.

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Nach der Aufzählung der berühmten Mönche wird Gauzlin als Leiter dieser Gruppe präsentiert: Horum cuneis procerum rector pollens insignium, legem dextra, flammigeram leva vibrabat gloriam, Andreas von Fleury, Vita Gauzlini (wie Anm. 5), Kap. 3a, 38. So auch HeAD, Hagiography and the Cult (wie Anm. 1), 271. Emulatusque monimenta illius Machabei, qui paterna confinia bellorum auxit titulis, invigilat et ipso voto consimili erga sui ampliationem loci, Andreas von Fleury, Vita Gauzlini (wie Anm. 5), Kap. 3a, 38. Vgl. Andreas von Fleury, Vita Gauzlini (wie Anm. 5), Kap. 57–67, 104–136. Vgl. Andreas von Fleury, Vita Gauzlini (wie Anm. 5), Kap. 54–56, 92–96 sowie Kap. 66, 136. Vgl. Andreas von Fleury, Liber Septimus, in: Miracula Sancti Benedicti, hg. v. Eugène De certAiN, Paris 1858, 249–276, Kap. 4, 252–254.

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Ich komme nun zur dritten Vita aus Fleury, der ‚Vita Rotberti‘. Diese Vita ist kurz nach dem Tod des Königs im Jahr 1031 in Fleury entstanden27. Da das Autograph von Helgaud von Fleury überliefert ist, ist es uns möglich, den Entstehungsprozess des Textes nachzuverfolgen. So lassen sich insgesamt vier Entstehungsstufen erkennen28. Zunächst plante Helgaud, nachdem er durch das ‚Testamentum Leodebodi‘, das als Gründungsdokument von Fleury angesehen werden kann, Leodebodus’ Bedeutung für das Kloster hervorhebt, auch dem zweiten ‚Vater des Klosters‘, Robert dem Frommen, seine verdiente Verehrung zukommen zu lassen29. Es folgt eine Reihe von Beschreibungen, die die Tugenden des Königs betonen. Damit war der Text zunächst abgeschlossen. Wenig später aber sah sich Helgaud gezwungen, ein weiteres Kapitel einzufügen, das auf die Kritiker Roberts eingeht. Dass Helgaud das Werk nun erneut als beendet ansah, lässt sich daran erkennen, dass auf dieses Kapitel ein Inhaltsverzeichnis des Werkes folgt. Doch auch mit dieser zweiten Version war Helgaud oder dessen Kritiker nicht zufrieden. Er ließ die Kapitelübersichten abkratzen und fügte einen dritten Teil hinzu. Dieser nun ist deutlich historischer konzipiert als die anderen Teile und besteht aus einer ausführlichen Aufzählung der Schenkungen Roberts, hierunter auch zahlreiche, die er an das Kloster Fleury gemacht hatte. Die ‚Vita‘ an sich war hiermit abgeschlossen. In einem vierten Schritt überarbeitete Helgaud dann noch einmal einzelne Passagen des ersten Teils, die den Zusammenhang des Werkes verstärken sollten. Die Vita lässt sich dementsprechend in drei Abschnitte unterteilen. Der erste Teil stellt die Kapitel 1–16 dar. In diesem Teil beschreibt der Autor einen frommen idealen König. Im zweiten Abschnitt, dem Kapitel 17, das den Mittelpunkt des Werkes darstellt, wird die sündige Ehe Roberts des Frommen behandelt. Die folgenden Kapitel 18–30 präsentieren fromme und demütige Taten Roberts, die Helgaud auch persönlich bezeugt. Dieser dritte Teil und damit die besondere Nähe, die Helgaud als einfacher Mönch aus Fleury zum König gehabt hat, könnten das Interesse erklären, das Helgaud an der Niederschrift der Vita gehabt hat. Er nutzt diesen Teil auch, um eigene Taten und Erfolge zu präsentieren. Damit nimmt der letzte Teil also eine persönliche Funktion ein und dient Helgaud dazu, den Zuhörern seinen privaten Kontakt zum König vorzuführen30. Die beiden ersten Teile hingegen ver27 28 29

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Vgl. zur Datierung der Vita BAutier, Vie de Robert (wie Anm. 4), 36–37. Die Entstehung der Vita ist ausführlich dargestellt in der Einleitung zur Edition BAutier, Vie de Robert (wie Anm. 4), 42–47. Omnipotentia igitur omnipotentis Die volente et beato Aniano auxiliante, memoriam domni et venerandi Leodebodi, abbatis monasterii sepe dicti Aniani, fecimus per testamentum, quod de suis rebus propriis sancto Petro Aurelianensi, domne Marie et sancto Petro Floriacensi contu­ lit. Nunc huic scripto addere curavimus quod in omnes terras sonus exiens pietatis et bonitatis Rotberti suavissimi et piisimi regis Francorum, filii Hugonis regis, hunc sanctum, in quan­ tum potuit, exornavit, dilexi et excoluit, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), Kap. 1, 56. So zum Beispiel in Kapitel 24, in welchem Helgaud über seine Beteiligung an der Wiedererrichtung der Klosterkirche berichtet: In fundo monasterii Floriacensis loci, paterna imitabilis abbatis mei Gauzlini jussione, ecclesiam cepi edificare, modicam quidem sed festivam; ad quam occurrebat populus amore quorum erat sacranda condigna benedictione, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), Kap, 24, 116.

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folgen meines Erachtens zwei abweichende Absichten. Helgaud nutzt den ersten Teil der Vita, wie auch Teile des Prologs, um seine Ansicht vom idealen Königtum zu präsentieren. So beschreibt er König Roberts Herrschaft sehr ähnlich der eines idealen Abtes – Vorbilder hierfür hatte er in Fleury ja genug31. Eine zentrale Rolle kommt aber vor allem Kapitel 17 zu: Hierbei handelt es sich quasi um eine Apologie des Königs, dessen Schuld auch gar nicht bestritten wird und dessen Sühneleistung mit der Sühne des idealen Königs David gleichgesetzt wird. Bereits der erste Satz des Kapitels deutet an, dass es sich bei dem Folgenden um den zentralen Teil des Textes handelt, wenn Helgaud schreibt, dass es diese Passage sei, die den Unmut der Kritiker auf sich ziehen werde32. Die Kritiker Roberts nämlich behaupten, so Helgaud, dass die gesamten bis hierhin hervorgebrachten Tugenden und guten Taten des Königs dessen Seelenheil nicht mehr zu retten vermögen und zwar aufgrund seiner unrechtmäßigen Ehe mit der Patin seines Kindes, die ihm auch noch verwandtschaftlich verbunden war33. Helgaud bringt diese Passage ausdrücklich deshalb an, damit man ihm nicht vorwerfen könne, die Kritiker seien nicht zu Wort gekommen34. Die vorgebrachte Kritik spielt auf die zweite Ehe Roberts des Frommen mit Bertha von Blois an. Robert hatte sich wohl spätestens 991 von seiner ersten Frau Rozala/Susanna, der Witwe des Grafen von Flandern, getrennt, da sie ihm keine Kinder geboren hatte. Im Jahr 997 ehelichte er dann die Witwe Odos I. von Blois, Bertha. Diese Ehe aber wurde zum Skandal, da Robert nicht nur der Taufpate eines Kindes von Bertha gewesen war, sondern auch in drittem kanonischen Grad mit Bertha verwandt war. Daraufhin verlangte Papst Gregor V. die Scheidung, die aber erst im Jahr 1003 durch die Heirat von Robert mit Konstanze von der Provence offiziell durchgesetzt wurde. In der Zwischenzeit kam es zu mehreren Konflikten zwischen dem König und Papst Gregor V. und seinen Anhängern35. Helgaud beginnt nun seine Verteidigung des Königs mit der Feststellung, dass jeder ein Sünder sei, und fordert die Kritiker auf, ihm jemanden zu nennen, der nicht gesündigt habe36. Hierzu zitiert er aus der ‚Apologia prophetae David‘ des 31 32 33 34 35

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So ähnlich bereits Sarah HAMiltoN, A new model for royal penance? Helgaud of Fleury’s Life of Robert the Pious, Early medieval Europe 6 (1997), 189–200, bes. 193, sowie HeAD, Hagiography and the Cult (wie Anm. 1), 270–273. Verum quia opponit se nostrę narracioni quorumdam perverse mentis intention, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), 92. Non, inquiunt, hęc quę prolata sunt bona de eo opera, ad salutem illius provenient animę, quoniam non exhorruit facinus copulationis inlicitę, dum commatrem et sibi consanguinitatis vinculo nexam duxit uxorem, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), 92. Siquidem ob inertiam desipientium conprimendam hęc dixerim, non ut viri ultro penitentis culpam occultem, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), 92–94. Vgl. zu den Ehen Roberts des Frommen zuletzt Constance B. BoucHArD, Consanguinity and Noble Marriages in the Tenth and Eleventh Centuries, Speculum 56 (1981), 268–287, hier 273–277, sowie Georges DuBy, Le chevalier, la femme et le prêtre. Le mariage dans la France féodale, Paris 1981. Quis vero castum se habere cor gloriabitur cum nec unius diei infans mundus esse Scripturę testimonio conprobetur? Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), Kap. 17, 92. Vgl. zu dieser Affäre neben der bereits genannten Literatur auch Philippe Buc, David’s Adultery with Bathsheba and the Healing Power of the Capetian Kings, Viator 24 (1993), 101–120.

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Ambrosius von Mailand, in der dieser mit Bezug auf das Buch Hiob sagt, dass selbst das Kind des ersten Tages nicht rein sei37. Helgaud weist aber auch ausdrücklich darauf hin, dass er diese Dinge nur vorbringt, um die Heuchelei der Kritiker zu enttarnen und nicht um die Sünde des Königs herunter zu spielen, da dieser ja seitdem Buße geleistet habe38. Nach der Anspielung auf David durch das Zitat des Ambrosius folgt nun eine direkte Parallelisierung: Denn so wie der heilige David, trotz gesetzlichem Verbot, Bathseba gegen göttliches Recht begehrt und geraubt hat, so hat dieser, gegen die Vorschriften des heiligen Glaubens handelnd, sich die vorher erwähnte Frau verbrecherisch zur Gattin genommen39.

Davids Sünde war also deutlich schwerwiegender als die Roberts, da er diese noch durch den Mord am Ehemann Bathsebas verdoppelt habe. Beide Könige aber wurden durch Gott und einen Mittelsmann geheilt. Bei David ist es der Prophet Nathan, der ihn auf seine Sünde anspricht und davon überzeugt, Buße zu tun. Bei Robert ist es Abbo, der Abt von Fleury, der ihn sowohl privat, als auch öffentlich für seine sündige Ehe belangt40. Abbo war nämlich im Auftrag Roberts zu Papst Gregor V. gegangen, dieser aber hat ihn zurück nach Frankreich geschickt mit dem Auftrag, die Annullierung der Ehe voranzutreiben41. Abbo tat dies und widersetzte sich somit offen den Wünschen des Königs und trat stattdessen als Mahner auf. Abbo, der zum Zeitpunkt der Niederschrift bereits verstorben war und als Heiliger Wunder gewirkt hat, nimmt in dieser Erzählung die Rolle des Propheten Nathan ein. Schließlich gelingt es ihm, so Helgaud, den König von dessen Sündhaftigkeit zu überzeugen42. Helgaud begründet die Sünde der Könige damit, dass der Herr sie sündigen ließ, damit sie erkennen, dass auch sie nur Menschen sind, den Rest ihres Lebens in Buße leben und Gutes tun. Es folgt danach

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Quis vero castum se habere cor gloriabitur cum nec unius diei infans mundus esse Scripturę testimonio conprobetur? Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), 92. Helgaud zitiert hier den Wortlaut von Ambrosius von Mailand, De apologia David, in: Apologie de David, hg. v. Pierre HADot / Marius corDier (Sources chrétiennes 239), Paris 1977, 92. Siquidem ob inertiam desipientium conprimendam hęc dixerim, non ut viri ultro penitentis culpam occultem, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), 92–94. Sicut enim sanctus David, lege prohibitus, Bersabeę contra fas concupivit et rapuit ita et iste, contra sacre fidei jura agens, prefatam mulierem nefarie sibi copulavit uxorem, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), 94. Sed utriusque peccati vulnus verus humani generis benigna dispositione sanavit medicus: illum per Nathan prophetam suum, dum, pauperis viri unius oviculę et divits ovium habundantis multitudine paradigm objecta, se reum agnoscens, dixit pecasse; itsum ęque per domnum et venerabilem Abbonem, Floriacensium a Deo preelectum abbatem, nunc, Christi favente gratia, miraculis coruscum, spreta mortis formidine, dure increpatum privatim et publice, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), 94. „Abbo had gone to Rome with a royal mission and came back an agent of the pope“, so Marco Mostert, The Political Theology of Abbo of Fleury. A Study of the Ideas about Society and Law of the Tenth-Century Monastic Reform Movement, Nijmegen 1987, 59. Cujus sancti viri increpatio tamdiu perstitit donec rex mitissimus reatum suum agnosceret et quam male sibi copulaverat mulierem prorsus derelinqueret et peccati maculam grata Deo satisfaction dilueret, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), 94.

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die Erklärung: Dass der König gesündigt habe, sei eine Tatsache seiner menschlichen Kondition, dass er um Vergebung gebeten habe, Zeichen seiner Bekehrung43. Aus dieser kurzen Zusammenfassung wird bereits klar, wie Helgaud das Bild Roberts als David umkehrt: In den Biografien der karolingischen Könige, die Helgaud als Vorbild gedient haben könnten, spielt der Davidsvergleich ebenfalls oftmals eine zentrale Rolle44. In diesen Fällen wird aber auf die Davidsfigur als den starken und mächtigen alttestamentarischen König verwiesen. Helgaud nutzt dieses bekannte Motiv, legt jedoch den Fokus auf die Darstellung Davids als sündigen und schließlich büßenden König. Die Größe Davids bleibt als Motiv erhalten, der Schwerpunkt der Darstellung wird aber auf einen anderen Aspekt, nämlich die Buße gelegt. Diese ausführliche Behandlung der Buße des Königs, die es Helgaud ermöglicht, insbesondere das Handeln Abbos in den Vordergrund zu stellen, weist darauf hin, dass auch die Funktionen dieser Vita vornehmlich in der Gemeinschaft in Fleury zu suchen sind. Und dies in zwei Perspektiven: So wird einerseits durch die zentrale Rolle, die Abbo in der Erzählung zukommt, die Bedeutung des eigenen Klosters erweitert, andererseits wird die Nähe des Königs zu Fleury und damit auch die Nähe des Klosters zum Königtum betont. Aus dem Kapetinger Robert, dessen Familie immer schon enge Beziehungen in die Diözese Orléans gepflegt hatte, soll mithilfe der Vita vielleicht sogar ein Patron des Klosters werden45. Dass den Beziehungen zwischen dem neuen Königshaus und dem Kloster eine große Bedeutung zukam, lässt sich auch daran erkennen, dass der Enkel Roberts des Frommen, Philipp I., schließlich in Fleury seine letzte Ruhestätte fand46. Auch die handschriftliche Überlieferung der ‚Vita Rotberti‘ spricht dafür, die Funktionen des Textes hauptsächlich im näheren Umfeld des Klosters zu sehen. Neben dem Autograph ist keine weitere Handschrift erhalten. Es liegt die Vermutung nahe, dass das Werk auch sonst keine zeitgenössische Rezeption gefunden hat; es ist zumindest keine nachweisbar. Diese Beobachtung, die bereits häufig getroffen wurde, ist insofern interessant, als die Forschung zur ‚Vita Rotberti‘ zumeist davon ausgeht, dass diese allein deswegen verfasst wurde, um aus dem König einen 43 44

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Uterque peccavit, quod solent reges; sed a Deo visitati, penituerunt, fleverunt, ingemuerunt, quod non solent reges, Helgaud von Fleury, Epitoma Rotberti (wie Anm. 4), 94. Vgl. dazu insbesondere Claude cArozzi, La vie du roi Robert par Helgaud de Fleury: historiographie et hagiographie, in: L’historiographie en Occident du Ve au XVe siècle: actes du congrès de la societé des historiens médiévistes de l’enseignement supérieur, Tours, 10–12 Juin 1977 (Annales de Bretagne et des pays de l’Ouest), Tours 1977, 219–235, hier 222. Eine Analyse des Bildes Davids als Sünder findet sich bereits bei Robert DesHMAN, The exalted servant: the ruler theology of the prayerbook of Charles the Bald, Viator 11 (1980), 385–417, hier 407, sowie zuletzt bei HAMiltoN, A new model (wie Anm. 31), hier 190–191. Lars HAgeNeier, Jenseits der Topik. Die Herrscherbiographie der Karolingerzeit, Husum 2004, 110, betont, dass bereits Einhard in Bezug auf Karl den Großen jedoch keinen zweiten David konstruieren wollte. Vgl. dazu bereits HeAD, Hagiography and the Cult (wie Anm. 1), 270–274. Vgl. Rolf grosse, Philipp I. 1060–1108, in: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888–1498, hg. v. Joachim eHlers / Heribert Müller / Bernd scHNeiDMüller, München 1996, 113–126, hier 126.

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Heiligen zu machen47. Dieser Ansatz erscheint aber in Anbetracht des Dargestellten als zu kurz gegriffen. Hierfür spricht auch, dass kein Versuch erkennbar ist, einen Kult um die Person Roberts zu etablieren48. Es scheint sich also bei der Heiligkeit Roberts, genau wie bei der Gauzlins, um eine andere Art von Heiligkeit zu handeln als bei Abbo oder als das, was man üblicherweise erwarten würde. So geht es den Vitenschreibern weniger darum, die diesseitige Präsenz und Wirkmächtigkeit Gauzlins und Roberts zu betonen, als vielmehr zu belegen, dass die Verstorbenen durch ihr gottgefälliges Leben mit der Heiligkeit belohnt wurden. Ihr vorbildhaftes Leben, und nicht ihr Wirken nach dem Tod, reicht als Beleg für Heiligkeit aus49. Auch die Überlieferung der anderen Viten ist spärlich. So ist die ‚Vita Gauzlini‘ ebenso in nur einem Exemplar erhalten50. Dementsprechend scheint es sich auch hier um die originale Abfassung zu handeln. Die heute im Vatikan liegende Handschrift enthält neben der Vita die Bücher IV–VII der ‚Miracula sancti benedicti‘, die auch von Andreas von Fleury verfasst worden sind. Eine Rezeption der Vita ist nicht zu greifen, und auch die ‚Miracula‘ des Andreas sind, im Gegensatz zu den ersten drei Büchern von Adrevald und Aimoin, nur in dieser Handschrift zu finden und auch nur in Fleury rezipiert worden. Dementsprechend kann auch bei dieser Vita davon ausgegangen werden, dass der Nutzen des Textes in erster Linie im engen Umfeld des Klosters selbst gelegen hat. Die Überlieferung der ‚Vita Abbonis‘ hingegen ist schon etwas breiter, so sind zwei Handschriften aus dem 11. und eine aus dem 13. Jahrhundert auf uns gekommen51. Die beiden Codices des 11. Jahrhunderts sind nicht in Fleury überliefert, es ist aber davon auszugehen, dass es auch hier mindestens eine Handschrift der Vita gegeben hat. Die eine Handschrift, die heute in Montpellier liegt, entstammt einem floriazensischen Priorat und enthält neben der ‚Vita Abbonis‘ weitere für die Liturgie genutzte Texte52. Die Verbindungen zu Fleury sind hier somit gut greifbar. Die zweite Handschrift stellt die Forschung vor größere Fragen. Bei dieser Handschrift, die heute in Dijon aufbewahrt wird, handelt es sich um ein Manuskript, das ursprünglich im Kloster Saint-Benigne in Dijon genutzt wurde. Neben der ‚Vita Abbonis‘ enthält es – neben anderen Viten – mit der ‚Vita Maioli‘ eine weitere Lebensbeschreibung eines Reformabtes. Besonders interessant ist, dass das Kloster Saint-Benigne auch als cluniazensisches Reformkloster angesehen werden kann, ist es doch durch den Schüler des Maiolus, Wilhelm von Volpiano, reformiert worden. Auffällig ist aber, dass das Kloster zwar unter Wilhelm auch die Exemtion erlangte, aber im Gegensatz zu Fleury hat es hierzu keines Konfliktes mit dem Diözesanbischof bedurft – ganz im Gegenteil, das Kloster hat ausdrücklich durch den Einsatz 47

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„Pour la première fois on essayait de faire un saint d’un roi qui n’était pas un martyr“, cArozzi, La vie du roi Robert (wie Anm. 44), 219, der der Vita ein Scheitern attestiert, da Robert nicht als Heiliger angesehen wurde. Auch Werner tietz, Rex humillimus. Heiligkeit bei Helgaud von Fleury, Hagiographica 4 (1997), 113–132, hier 114, betont das Ziel, aus Robert einen Heiligen zu machen. Vgl. HeAD, Hagiography and the Cult (wie Anm. 1), 271. Vgl. dazu bereits HeAD, Hagiography and the Cult (wie Anm. 1), 272. BAutier/lABory, Vie de Gauzlin (wie Anm. 20), 23–25. BAutier/lABory, L’Abbaye de Fleury (wie Anm. 6), 18–28. BAutier/lABory, L’Abbaye de Fleury (wie Anm. 6), 21–25.

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des Bischofs Brun von Langres seine Freiheiten erhalten. Dieser Überlieferungszusammenhang legt also nahe, die Funktion der Vita gerade auch im Zusammenhang mit den monastischen Bestrebungen zur Reform und Unabhängigkeit zu sehen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in der Niederschrift von Viten zahlreiche Funktionen erkennen lassen; gerade die Multifunktionalität der Texte stellt eine – wenn nicht die – zentrale Eigenschaft von Hagiographie dar53. So konnte die ‚Vita Abbonis‘ gleichzeitig dazu dienen, dem Nachfolger ein Modell für den Kampf gegen den Bischof vor Augen zu führen, der Gemeinschaft den erfolgreichen Einsatz für die Reform zu demonstrieren und aus dem Verstorbenen einen Heiligen zu machen. Auch die ‚Vita Gauzlini‘ scheint für ganz unterschiedliche Funktionen tauglich gewesen zu sein: So wurde sie genutzt, um die literarische Produktion der Gemeinschaft festzuhalten sowie zahlreiche Besitzungen des Klosters aufzulisten. Auch diente sie dazu, das Werk derjenigen zu verherrlichen, die zum Wiederaufbau der Klosterkirche beigetragen haben, und nicht zuletzt auch die Größe des Abtes und dessen Renommee, das über die Grenzen des westfränkischen Reichs hinausging, zu belegen. Die ‚Vita Rotberti‘ betont auf mehreren Ebenen die Nähe und die fruchtbare Symbiose zwischen dem neuen kapetingischen Königtum und dem Kloster. So wird einerseits der König als Gönner des Klosters dargestellt und andererseits tritt Abbo als Berater und Mahner des Königs auf, der diesen zurück auf den Pfad der Demut führt. All diese Funktionen strahlen aber ihre größte Wirksamkeit nicht nach außen, sondern in die klösterliche Gemeinschaft selbst aus. Dies überrascht auch nicht weiter, wenn man die Entstehung der Viten mit der allgemeinen Geschichte des Klosters vergleicht. So konnte Fleury unter Abbo, aber vor allem auf dessen Wirken aufbauend unter Gauzlin zu einem der führenden Klöster des Westfrankenreiches werden. Hinzu kommt, dass die Reliquien des Heiligen Benedikt, die in Fleury liegen, gerade während der monastischen Reformen und der Rückbesinnung auf die Benediktsregel an besonderer Bedeutung gewannen. Fleury war in recht kurzer Zeit zu einem zentralen Anziehungspunkt geworden, hatte aber kaum eine eigene Geschichte, die zu dieser Größe passte. Genau vor diesem Hintergrund begannen die hervorragend ausgebildeten Mönche, dem Kloster eine würdige Vergangenheit zuzuschreiben. Zum einen wurde hierfür der Blick auf die jüngste Vergangenheit in Form der Viten geworfen, zum anderen wurde aber auch die frühere Vergangenheit an das Bild angepasst54. So stellt die ‚Vita Rotberti‘ durch die Abfolge des ‚Testa53

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Vgl. dazu auch Hedwig Röckelein, die vor allem drei Funktionen von Hagiographie in das Zentrum ihrer Beobachtungen stellt: „Zum einen diente sie als ‚Ausweis‘ des Heiligen, als Medium, das seine Identität und seine Heiligkeit unter Beweis stellt. Zum zweiten war der Text über den Heiligen – wie die Knochen des Heiligen – magisches Objekt, das als Wundertäter aktiv werden konnte. Zum dritten ist die Hagiographie Träger von Informationen über das Leben und Nachleben des Heiligen und Kommunikationsmedium zwischen Autor, Auftraggeber und Publikum“, Hedwig röckeleiN, Zur Pragmatik hagiographischer Schriften im Mittelalter, in: Bene vivere in communitate: Beiträge zum italienischen und deutschen Mittelalter, hg. v. Thomas scHArFF / Thomas BeHrMANN, Münster u. a. 1997, 225–238, hier 226. Vgl. hierzu auch die Überlegungen zu Erinnerung und Schriftlichkeit zwischen 950 und 1050 von Patrick Joseph geAry, Phantoms of Remembrance. Memory and Oblivion at the End of the First Millennium, Princeton, NJ 1994.

Hagiographie in Fleury – Heiligkeit im Dienste der Gemeinschaft?

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mentum Leodebodi‘ eine Verbindung von der Gründung des Klosters bis zu Robert dem Frommen her. Auch Aimoin bringt Abbo in Zusammenhang mit der älteren Geschichte des Klosters, hat er doch eine – heute verlorene – ‚Gesta Abbatum‘ von den Anfängen des Klosters bis zu Abbo verfasst. Damit wird Abbo als vorläufig letzter Vertreter in die Reihe von ruhmreichen Äbten gestellt und hat Teil am „sakralen Kapital“55 seiner Vorgänger. Diese beeindruckende Produktion von Texten soll dazu beitragen, die alte Vergangenheit des Klosters mit der aktuellen Größe in Einklang zu bringen. Die monastische Gemeinschaft erschafft sich so eine kohärente Vergangenheit, die die Position, die das Kloster in der Gegenwart einnimmt, bestätigen soll.

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„Ces instruments sont d’autant plus efficaces qu’ils font de l’histoire du lieu où résident évêques ou abbés une histoire sacrée, rappelant les ‚hauts-faits‘ des saints du lieu et faisant de l’évêque ou de l’abbé contemporain de la rédaction des gesta, l’héritier du capital de sainteté accumulé par ses prédécesseurs“, so Michel sot, Gesta episcoporum – gesta abbatum, Turnhout 1981, 15.

III TRANSFER

FÜLLE DURCH MANGEL Logiken des Verzichts und die Modellierung von Herrscherheiligkeit in der mittelalterlichen Oswaldlegendarik Julia Weitbrecht Abstract This paper investigates historical conceptualizations of sanctity in Latin and vernacular hagiographical texts. The legend of Northumbrian Saint Oswald illustrates the versatility of the saint as persona imitabilis: While historical accounts describe Oswald as a missionary king and martyr, the Middle High German ‘Munich Oswald’ links the motif of conversion by marriage to the narrative model of the bridal quest, apparently catering to the interests of a courtly audience. On the other hand, the feudal aspects of the bridal quest are questioned by references to sanctification by renunciation. By analyzing this process of transformation, the paper aims at a better understanding of medieval models of sanctity as well as saints’ legends as a narrative genre.

Die Hagiographik stellt ein zentrales, diskursübergreifendes Medium religiöser Kommunikation im Mittelalter dar, so dass ihre Erforschung disziplinär kaum zu leisten ist. Fasst man die in diesem Band fokussierte Dynamik mittelalterlicher Heiligkeiten literaturwissenschaftlich und fragt nach den Bedingungen der Vielfalt an hagiographischen Artikulationen, mittels derer solche Heiligkeiten produziert werden, dann kann die diskursive Flexibilität legendarischen Erzählens den Ausgangspunkt einer erzählhistorisch geleiteten Analyse bilden. Um diese Flexibilität differenziert beschreiben zu können, ist von variablen Heiligkeitsmodellen auszugehen, die im Kontext unterschiedlicher religiöser Gebrauchs- und Funktionalisierungsformen im einzelnen legendarischen Text jeweils Heiligkeit formen. Im Blick auf die Prozesse der Ausbildung solcher Modelle seit dem frühen Christentum scheint es dabei sinnvoll, Erzählen von Heiligkeit als Umgang mit unterschiedlichen Optionen zu beschreiben, die einander – anders als starre Typologien es suggerieren – keinesfalls ausschließen müssen. Vor unterschiedlichen kulturellen Horizonten können solche Optionen neu entstehen oder kombinatorisch aus bereits vorhandenen entwickelt werden, ihre Modellierungen tragen also durchaus historische Indizes1. Sie stehen daher auch nicht – das ist im Kontext dieses Bandes vielleicht besonders hervorzuheben – im Gegensatz zum biographischen Substrat der Viten einzelner Heiliger. 1

Diese konzeptionellen Überlegungen zu Heiligkeitsmodellen und legendarischem Erzählen gehen auf die gemeinsame Arbeit des seit 2015 von der DFG geförderten wissenschaftlichen Netzwerks ‚Legendarisches Erzählen im Mittelalter – Formen, Funktionen und Kontexte der deutschsprachigen Heiligenerzählung‘ zurück, dem Maximilian Benz, Andreas Hammer, Elke Koch, Nina Nowakowski, Stephanie Seidl und Johannes Traulsen angehören. Die unterschiedlichen hier lediglich angedeuteten Emergenzen und Entfaltungen von Heiligkeitsmodellen sollen in historischer Perspektive im Rahmen einer gemeinsamen Monographie erarbeitet werden.

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Julia Weitbrecht

Entscheidend für die Ermittlung solcher Modellierungsmechanismen ist vielmehr eine Rückbindung legendarischer Erzählungen an ihre jeweilige historische Situation – die des gegebenenfalls historisch greifbaren Heiligen und der an ihm entfalteten Heiligkeiten ebenso wie die des jeweiligen legendarischen Textzeugen. Für die Erforschung der volkssprachlichen Legenden ist dabei insbesondere das Verhältnis zur Latinität miteinzubeziehen, denn ihre Produktion setzt jeweils umfangreiche Textgeschichten voraus, die selbst wiederum durch unterschiedliche Kontextfaktoren geprägt sind. In Einzelstudien zu volkssprachlichen Einzellegenden oder Textsammlungen werden die vorgängigen Erzähltraditionen und (in der Regel) lateinischen Vorlagen zwar benannt, analytisch aber meist außer Acht gelassen. Das für die Legende konstitutive Prinzip der imitatio bedeutet aber, produktionsästhetisch verstanden, nicht zuletzt auch, dass legendarisches Erzählen stets ein Vorwissen, die Kenntnis von Prätexten oder Protonarrationen voraussetzt und zugleich immer produktiv damit umgeht2. Um die Spezifik dieser réécriture hagiographique bestimmen zu können3, wäre jeweils zu fragen, in welcher konkreten historischen Situation Texte entstehen, wie sie tradiert und transformiert werden, und wie in ihnen Heiligkeitsoptionen jeweils unterschiedlich konstelliert und narrativ entfaltet werden. Ein solches Verfahren ist nicht nur von einer normativen Gattungssystematik abzugrenzen, welche ‚die‘ Legende zu bestimmen sucht4, sondern auch von Ansätzen, welche sie als ‚Einfache Form‘ behandeln5 oder ihre Narrativik auf Basisstrukturen zurückzuführen suchen6. Bestimmte Differenzierungen erscheinen vielmehr erst dann möglich, wenn Heiligkeiten aus dem Material ermittelt und nicht über 2 3 4 5

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Vgl. zum imitatio-Prinzip Julia WeitBrecHt, Imitatio und Imitabilität. Zur Medialität von Legende und Legendenspiel, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 134 (2012), 204‒219. Vgl. La réécriture hagiographique dans l’Occident médiéval. Transformations formelles et idéologiques (Beihefte der Francia 58), hg. v. Monique goullet / Martin HeiNzelMANN, Ostfildern 2003. Hier noch immer gültig: Hellmut roseNFelD, Legende, Stuttgart 41982. Vgl. André Jolles, Einfache Formen. Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile, Märchen, Witz, Tübingen 71999, zur Legende 23–61. Vgl. zur begrenzten Reichweite von Jolles’ Konzept Susanne köBele, Die Illusion der ‚einfachen Form‘. Über das ästhetische und religiöse Risiko der Legende, PBB 134 (2012), 365–404. Vgl. Edith FeistNer, Historische Typologie der deutschen Heiligenlegende des Mittelalters von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur Reformation (Wissensliteratur im Mittelalter: Schriften des Sonderforschungsbereich 226 20), Wiesbaden 1995. Indem praxeologisch von einer Vielfalt sprachlicher und narrativer Vermittlungsformen von Transzendenz ausgegangen wird, problematisiert dieses Verfahren auch einen differenztheoretischen Zugriff, der nach Effekten der Heilspräsenz im Text fragt. Vgl. Peter stroHscHNeiDer, Inzest-Heiligkeit. Krise und Aufhebung der Unterschiede in Hartmanns ‚Gregorius‘, in: Geistliches in weltlicher, Weltliches in geistlicher Literatur des Mittelalters, hg. v. Christoph HuBer / Burghart WAcHiNger / Hans-Joachim ziegeler, Tübingen 2000, 105–133; Ders., Textheiligung. Geltungsstrategien legendarischen Erzählens im Mittelalter am Beispiel von Konrads von Würzburg ‚Alexius‘, in: Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen, hg. v. Gert Melville / Hans vorläNDer, Köln u. a. 2002, 109–147; Ders., Höfische Textgeschichten. Über Selbstentwürfe vormoderner Literatur, Heidelberg 2014. Für eine kritische Revision s. Maximilian BeNz / Julia WeitBrecHt, Honicmæziu mære. Zur Welthaltigkeit legendarischen Erzählens bei Rudolf von Ems und Reinbot von Durne, in: Die Versuchung der schönen Form. Span-

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reduktive Verfahren der Prototypisierung gewonnen werden. Das betrifft insbesondere die wirkmächtige Differenzierung in Märtyrer- und Bekennertypus, denn dieser liegt ein historisches Beschreibungsmodell zugrunde, das die Ausbildung des Bekenners als eines neuen Heiligentypus nach Ende der Christenverfolgungen ansetzt7. Märtyrer- und Bekennertum werden in der Folge in theologischen Debatten differenziert, als ‚rotes‘ und ‚weißes Martyrium‘ allegorisch überformt und auch ideologisch gegeneinander ausgespielt8. Als Raster der historischen Selbstverortung besitzt die Typisierung somit durchaus Relevanz, doch ist sie in systematischer Hinsicht asymmetrisch, da sie vom Märtyrer ausgeht und alle übrigen Heiligen als ‚Nicht-Märtyrer‘ qualifiziert und dem Bekennertypus subsummiert. Für eine präzise Beschreibung der historischen Konjunkturen, Gleichzeitigkeiten und Überlagerungen unterschiedlicher Heiligkeiten ist die Unterscheidung daher bestenfalls ungeeignet, wirkt in vielen Fällen aber verunklärend9. Betrachtet man dagegen das Martyrium als eine Option zur narrativen Modellierung von Heiligkeit neben anderen, erscheint es als Analysekategorie deutlich flexibler. Gerade in Bezug auf berühmte Märtyrer werden thematische Fixierungen in Zusammenhang mit spezifischen Funktionalisierungen immer wieder aufgegeben oder flexibilisiert, am prominentesten sicherlich im Fall des Heiligen Georg, dessen Martyrium erzählerisch dann zurücktreten kann, wenn in mittelalterlichen Kontexten Ritterschaft und Heidenkampf als regulative Ideen in Bezug auf Heiligkeit aufscheinen10. Auch der Heilige Laurentius kann mittels Martyrium als heilige Identifikationsfigur erzählt, daneben aber auch über eine forcierte Verzichtslogik als persona imitabilis für andere (etwa im Kontext der Begründung von Diakonie und Priesterschaft) ausgewiesen werden11. Umgekehrt kann das Martyrium in

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nungen im mittelalterlichen Konzept des ‚Erbaulichen‘, hg. v. Susanne köBele / Claudio Notz (im Erscheinen). Vgl. Edward E. MAloNe, The Monk and The Martyr. The Monk as the Successor of the Martyr (Studies in Christian Antiquity 12), Washington 1950. Vgl. Niklaus lArgier, Das Theater der Askese. Gewalt, Affekt und Imagination, in: Askese und Identität in Spätantike, Mittelalter und Früher Neuzeit (Transformationen der Antike 14), hg. v. Werner röcke / Julia WeitBrecHt, Berlin/New York 2010, 207‒222, hier 211. Vgl. dazu Johannes trAulseN, Askese in den legendarischen Texten des Mittelalters, Akten des XIII. Internationalen Germanistenkongresses Shanghai 2015. Germanistik zwischen Tradition und Innovation, 8: Mediävistik zwischen Tradition und Innovation, hg. v. Beate kellNer / Laura Auteri, Frankfurt am Main u. a. 2017, 71–75. Andreas HAMMer, Erzählen vom Heiligen. Narrative Inszenierungsformen von Heiligkeit im Passional (Literatur – Theorie – Geschichte 10), Berlin/Boston 2015, 17 f. Vgl. dazu Stephanie seiDl, Blendendes Erzählen. Narrative Entwürfe von Ritterheiligkeit in deutschsprachigen Georgslegenden des Hoch- und Spätmittelalters (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 141), Berlin/Boston 2012; Andreas HAMMer, Der heilige Drachentöter. Transformationen eines Strukturmusters, in: Helden und Heilige. Kulturelle und literarische Integrationsfiguren des europäischen Mittelalters (Germanischromanische Monatsschrift, Beiheft 42), hg. v. DeMs. / Stephanie seiDl, Heidelberg 2010. Ein Zusammenhang, auf den mich Elke Koch aufmerksam machte.

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Heiligenleben als zusätzliche Option hinzutreten und andere ergänzen, etwa in der Eustachiuslegende12. Das hier umrissene Spannungsfeld von diskursiver Flexibilität und Modellierung von Heiligkeit in unterschiedlichen Funktionskontexten soll im Folgenden am Heiligen Oswald untersucht werden13, der von 634–642 als König über Northumbria herrschte und am 5. August 642 (oder 641) in der Schlacht von Maserfield unter der Führung des heidnischen König Penda von Mercia getötet wurde. Sein Kult wurde unter anderem durch Reliquiengeschenke auf den Kontinent transferiert, wo Oswald insbesondere im Raum Regensburg zum wichtigen Heiligen wird14. In Bezug auf die narrative Modellierung seiner Heiligkeit weisen die insular-lateinische und die kontinental-volkssprachliche Legendentradition sehr unterschiedliche Konstellierungen auf15. In der deutschsprachigen Überlieferung wird die Vita des englischen Herrschers mit Elementen der Brautwerbungsepik verbunden und mit einem asketischen Erzählschluss versehen, demzufolge Oswald mit der zuvor erworbenen Braut in keuscher Ehe zusammenlebt. Die ältere deutschsprachige Forschung hat diese Idiosynkrasien zunächst an das äußerst problematische produktionsästhetische Konzept des ‚Spielmännischen‘ gebunden16. Die ausführlichste mittelhochdeutsche Bearbeitung, den sogenannten ‚Münchner Oswald‘17, hat man zudem gattungssystematisch als Legendenroman18 behandelt und die Eigenart des Textes von der höfischen Literatur her zu bestimmen gesucht, ohne damit den Aporien dieses Erzählens vom heiligen Herrscher, Brautwerber und keuschen Asketen Os12 13

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Vgl. Julia WeitBrecHt, Aus der Welt. Reise und Heiligung in Legenden und Jenseitsreisen der Spätantike und des Mittelalters (Beiträge zur älteren Literaturgeschichte), Heidelberg 2011, 107‒112. Die Transformation religiöser Leitbilder in der Oswaldlegendarik insbesondere im Spätmittelalter bildet den Gegenstand eines früheren Beitrags, auf dem die vorliegende Untersuchung zum Teil beruht: Julia WeitBrecHt, Häusliche Heiligkeit. Zur Transformation religiöser Leitbilder in der Oswaldlegende, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 137 (2015), 63–79. Vgl. Dagmar Ó riAiN-rAeDel, Edith, Judith, Matilda: The Role of Royal Ladies in the Propagation of the Continental Cult, in: Oswald. Northumbrian King to European Saint (Paul Watkins medieval studies 14), hg. v. Clare stANcliFFe / Eric cAMBriDge, Stamford 1995, 210‒229; Peter cleMoes, The Cult of Oswald on the Continent (Jarrow Lecture 1983), Jarrow 1983, 3‒24. Vgl. Annemiek JANseN, The Development of the St. Oswald Legends on the Continent, in: Oswald. Northumbrian King to European Saint (Paul Watkins Medieval Studies 14), hg. v. Clare stANcliFFe / Eric cAMBriDge, Stamford 1995, 230‒240. Vgl. zur Forschungsgeschichte Rabea koHNeN, Die Braut des Königs. Zur interreligiösen Dynamik der mittelhochdeutschen Brautwerbungserzählungen (Hermaea N. F. 133), Berlin/Boston 2014, 7‒13; Sarah BoWDeN, Bridal-quest epics in Medieval Germany. A Revisionary Approach, London 2012, 1‒25; Rüdiger BrANDt, Spielmannsepik: Literaturwissenschaft zwischen Edition, Überlieferung und Literaturgeschichte. Ein nicht immer unproblematisches Verhältnis, Jahrbuch für internationale Germanistik 37 (2005), 9–49. Zitate im Folgenden mit der Sigle MO nach der Ausgabe: Der Münchner Oswald. Mit einem Anhang: Die ostschwäbische Prosabearbeitung des 15. Jhs. (Altdeutsche Textbibliothek 76), hg. v. Michael curscHMANN, Tübingen 1974. Vgl. zu Begriff und Konzept WeitBrecHt, Aus der Welt (wie Anm. 12), 114‒117, sowie die Literaturangaben bei roseNFelD, Legende (wie Anm. 4), 53 f.

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wald analytisch gerecht zu werden19. Im Folgenden soll daher ein anderer Weg beschritten und der Frage nachgegangen werden, wie die lateinischen und deutschen Quellen mit unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Optionen jeweils umgehen, um Oswalds Heiligkeit zu modellieren. Das enthebt die Analyse davon, für den ‚Münchner Oswald‘ den Beweis der Zugehörigkeit zum einen (‚Legende‘) oder dem anderen Lager (‚Roman‘ im Sinne höfischen Erzählens) erbringen zu müssen, dient aber vor allen Dingen der Erprobung der eingangs vorgestellten Methodik zur Beschreibung der Spezifika und Möglichkeiten legendarischen Erzählens. In der angelsächsischen Tradition erscheint der Heilige Oswald erstmals in der ‚Historia ecclesiastica gentis anglorum‘ des Beda Venerabilis, die 731 beendet wurde20. In dieser spezifischen historischen Situation der englischen Frühgeschichte reüssiert der heilige König als Reichseiniger und Heidenbekehrer21. Seine Vorbildlichkeit setzt sich aus mehreren Optionen zusammen: Er ist ein rex Chris­ tianissimus (HE II,5), idealer Herrscher und Heidenbekehrer, und er hat für seinen Glauben einen gewaltsamen Tod erlitten (HE III,9). Die explizite Deutung von Oswalds Tod als Martyrium erfolgt indessen erst sehr viel später in einer Reihe von Predigten des Drogo von Saint-Winnoc (†1084)22. Auffällig an Bedas Darstellung ist dagegen, dass Oswalds gewaltsamer Tod nicht übermäßig überhöht, sondern lediglich nüchtern benannt wird, er bildet somit kein Paradigma der Heiligwerdung, sondern erscheint hier als eine neben anderen, nicht minder bedeutsamen Optionen23. Für dieses Verfahren ist auch der Kontext entscheidend, denn Beda präsentiert die Lebensgeschichte Oswalds nicht in Form einer geschlossenen Vita, 19

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Kritisch zu diesen Forschungspositionen vgl. Stephan Müller, Das Ende der Werbung. Erzählkerne, Erzählschemata und deren kulturelle Logik in Brautwerbungsgeschichten zwischen Herrschaft und Heiligkeit, in: HAMMer/seiDl, Helden und Heilige (wie Anm. 10), 181‒196; Christian kieNiNg, Unheilige Familien. Sinnmuster mittelalterlichen Erzählens (Philologie der Kultur 1), Würzburg 2009, 142‒150; Ders., Heilige Brautwerbung. Überlegungen zum ‚Wiener Oswald‘, in: Deutsche Literatur und Sprache im Donauraum (Olmützer Schriften zur deutschen Sprach- und Literaturgeschichte 2), hg. v. Christine pFAu / Kristýna sláMová, Olomouc 2006, 87‒99; Jan-Dirk Müller, Höfische Kompromisse. Acht Kapitel zur höfischen Epik, Tübingen 2007, 125‒129. Zitate im Folgenden mit der Sigle HE nach der Ausgabe: BeDA der Ehrwürdige, Kirchengeschichte des englischen Volkes, übers. v. Günter spitzBArt, Sonderausgabe der 2., bibliogr. aktualisierten Aufl. 1997, Darmstadt 2007. Zum ‚Anglo-Saxon model‘, insbesondere zu den Hl. Edwin und Oswald, s. Gábor klANiczAy, Holy Rulers and Blessed Princesses: Dynastic Cults in Medieval Central Europe, Cambridge u. a. 2002, 78‒86; Clare E. stANcliFFe, Oswald, ‚Most Holy and Most Victorious King of Northumbrians‘, in: Oswald. Northumbrian King to European Saint (Paul Watkins Medieval Studies 14), hg. v. Clare E. stANcliFFe / Eric cAMBriDge, Stamford 1995, 33‒83. Vgl. David DeFries, St. Oswald’s Martyrdom: Drogo of Saint-Winnoc’s Sermo secundus de s. Oswaldo, in: The Heroic Age 9 (2006), http://www.heroicage.org/issues/9/defries.html [abgerufen am 22. Februar 2017]; Victoria A. guNN, Bede and the Martyrdom of St. Oswald, in: Martyrs and Martyrologies (Studies in Church History 30), hg. v. Diana S. WooD, Oxford 1993, 57–66. Zur Bedeutung des heroischen Todes für die Modellierung des heiligen Herrschers in der angelsächsischen Heiligenverehrung s. John Edward DAMoN, Soldier Saints and Holy Warriors: Warfare and Sanctity in the Literature of Early England, Aldershot u. a. 2003, 48. Quo conpleto annorum curriculo occisus est, commisso graui proelio. HE III,9; 232. Zur Darstellung Oswalds bei Beda als „holy warrior-king“ (57) s. DAMoN, Soldier Saints (wie Anm. 22),

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sondern hebt abschnittweise jeweils für die englische Kirchengeschichte relevante persönliche Beziehungen Oswalds (etwa zu Bischof Aidan), Ereignisse (wie die Gründung von Kloster Lindisfarne) und Reliquien (insbesondere die Kopfreliquie Oswalds) hervor24. Manifest wird Oswalds Heiligkeit dabei in gemeinschafts- und gesellschaftsbildender Hinsicht, in seiner Mildtätigkeit (HE III,6), seiner Wundertätigkeit (HE III,12) sowie in der Mission und Bekehrung seines Schwiegervaters (HE III,7). Beda erwähnt dabei ebenfalls nur kurz, dass Oswald die Tochter des westsächsischen Königs Cynegisl geheiratet habe, den er vorher selbst zum Christentum bekehrt habe25. Das Motiv der Bekehrung durch Heirat ist auch in der Erzählliteratur des Mittelalters sehr verbreitet. In der episierenden Umarbeitung zu einer ‚gefährlichen Brautwerbung‘ macht der ‚Münchner Oswald‘ diese kurze Episode zum Ausgangspunkt seiner Heiligendarstellung. Als ‚gefährliche Brautwerbung‘ wird ein Erzähltyp bezeichnet, der die Begründung dynastischer Herrschaft als Werbungsfahrt bzw. als eine Reihe von Werbungsfahrten inklusive der Rückentführung durch den Brautvater erzählt26. Herrscherliche Bewährung manifestiert sich hier im Erwerb einer ebenbürtigen Braut, die einem exogamen Herrschaftsbereich entstammt, der sich meist jenseits des Meeres befindet. Archaisch gefasst geht es um den Erwerb ‚der Schönsten‘ durch ‚den Stärksten‘ sowie die Zeugung von Nachkommen, die den Hegemonialanspruch bestimmter Herrschergeschlechter begründen27. Auch der ‚Münchner Oswald‘ setzt mit den hierfür typischen Überlegungen ein, wie man das Weiterbestehen der Herrschaft dynastisch absichern könne. Bereits zu Beginn formuliert Oswald indessen einen geistlichen Konfliktpunkt: ich näm geren ain magedein, / möcht ez nür an sund gesein („ich nähme gerne eine

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42‒57, der gegenüber pazifistischeren Modellierungen, etwa in Sulpicius’ ‚Vita Martini‘, allerdings die Positivierung des Kampfes bei Beda hervorhebt (ebd., 56 f.). Vgl. DAMoN, Soldier Saints (wie Anm. 22), 51; Richard N. BAiley, St. Oswald’s Heads, in: Oswald. Northumbrian King to European Saint (Paul Watkins Medieval Studies 14), hg. v. Clare stANcliFFe / Eric cAMBriDge, Stamford 1995, 195‒209; cleMoes, The Cult of Oswald (wie Anm. 14); Robert Folz, Saint Oswald roi de Northumbrie. Étude d’hagiographie royale, Analecta Bollandiana. Revue critique d’hagiographie 98 (1980), 49‒74. Itaque euangelizante illo in praefata prouincia, cum rex ipse cathecizatus, fonte baptismi cum sua gente ablueretur, contigit tunc temporis sanctissimum ac uictoriosissimum regem Nordan­ hymbrorum Osualdum adfuisse, eumque de lauacro exeuntem suscepisse, ac pulcherrimo pror­ sus et Deo digno consortio, cuius erat filiam accepturus in coniugem, ipsum prius secunda generatione Deo dedicatum sibi accepit in filium. („Als er daher in dem genannten Land das Evangelium verkündete und der König bekehrt war und mit seinem Stamm im Taufwasser gereinigt wurde, ergab es sich, daß um diese Zeit der heilige und siegreiche Oswald, König der Nordhumbrier, anwesend war und den aus dem Taufbad Steigenden aufnahmen; in einer sehr schönen und Gottes würdigen Gemeinschaft nahm er den zuvor in einer zweiten Geburt Gott Geweihten, dessen Tochter er zur Frau nehmen wollte, als Sohn an.“) HE III,7; 224. Vgl. Christian scHMiD-cADAlBert, Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Ein Beitrag zum Verständnis mittelhochdeutscher Schemaliteratur (Bibliotheca Germanica 28), Bern 1985. Vgl. Müller, Das Ende der Werbung (wie Anm. 19), 182‒184. Vgl. auch Peter stroHscHNeiDer, Einfache Regeln – komplexe Strukturen: ein strukturanalytisches Experiment zum ‚Nibelungenlied‘, in: Mediävistische Komparatistik. Festschrift für Franz Josef Worstbrock zum 60. Geburtstag, hg. v. Wolfgang HArMs / Jan-Dirk Müller, Stuttgart 1997, 43‒75.

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Jungfrau [zur Frau] / wenn es nur ohne Sünde möglich wäre.“ MO, V. 39 f.). Oswald artikuliert damit selbst eine Aporie des heiligen Herrschers: Dieser muss sich immer wieder der schwierigen Frage stellen, wie im Rahmen idealer christlicher Herrschaft das religiöse Gebot der Keuschheit mit dem gesellschaftlichen Gebot dynastischer Prokreation zu vereinbaren ist. Oswalds Berater dagegen drängen auf eine Heirat, und ein hinzugerufener Einsiedler weiß von einer heidnischen Königstochter, Paug, die heimlich schon lange als Christin lebt. Man entsendet als Boten ins Heidenland einen sprechenden Raben, der Oswalds Werbungspläne vorbringen soll. Dieser Rabe bildet eine Besonderheit, denn aus dem ansonsten ganz typischen Personal der Werbungserzählung sticht er heraus28. „So bedenkenlos im Umfang seiner Begabung und in der Gleichsetzung von Reden und Denken ist kein anderer Vogel vermenschlicht worden“29: Bevor der Rabe einwilligt, die Werbung zu übernehmen, verlangt er eine prächtige Ausstattung, die seiner Rolle als königlicher Bote würdig ist, er ist vorlaut, auf Wohlleben bedacht und schnell gekränkt. Zugleich verfügt er aber über Kompetenzen, die ihn als Boten und für die Überwindung großer Distanzen höchst geeignet erscheinen lassen, da er sprechen und fliegen kann30. Seinen Auftrag kann der Rabe auch erfüllen: Die Werbungsfahrt Oswalds gelingt schließlich nach Überwindung zahlloser Widerstände, und auch der Brautvater, der heidnische König Aron, wird bekehrt. Nach England zurückgekehrt, heiraten Oswald und Paug. Auf das eingangs von Oswald formulierte Problem, wie sich die Ehe und ein sündenfreies Leben vereinbaren lassen, wird in der Zwischenzeit nicht weiter eingegangen, doch löst sich zu guter Letzt auch dieses: Immer, wenn Wollust sie überkommt, springen Oswald und seine Frau auf Anraten eines Engels in eine Wanne kalten Wassers, die neben ihrem Bett bereit steht, um auf diese Weise ihr Begehren abzutöten. So leben sie an sund (MO, V. 40) beisammen, wobei der zweite von Oswald eingangs formulierte Konfliktpunkt, dass im Falle seines Todes das Land ohne Erben bleibt, nicht weiter problematisiert wird31. Nach zwei Jahren kalten Badens sterben Oswald und 28 29 30

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Noch Sarah Bowden führt den Raben als eines der Charakteristika des ‚Münchner Oswald‘ an, die man als ‚spielmännisch‘ ansehen könnte, vgl. BoWDeN, Bridal-quest epics (wie Anm. 16), 102. Helmut De Boor, Die deutsche Literatur von Karl dem Großen bis zum Beginn der höfischen Dichtung 770‒1170 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart 1), München 81971, 267. Vgl. zur Funktion sprechender Vögel in der Legendarik Julia WeitBrecHt, mit kleiner wankels schricke: Die Performanz der Vogelstimme zwischen Artikulation, Imitation und Inspiration, in: Stimme und Performanz in der mittelalterlichen Literatur (Historische Dialogforschung 3), hg. v. Nine MieDeMA / Angelika scHrott / Monika uNzeitig, Berlin/Boston 2017, 419–431. sturbstu so wurd ez [das lant, J. W.] erblos: / nim dir aine die sei dein genoß! MO, V. 49 f. Möglicherweise erscheint die königliche Entscheidung für ein Leben in Keuschheit dem zeitgenössischen Bewusstsein nicht ganz so aporetisch, wie es die Brautwerbungsforschung angenommen hat, zumindest werden auch andere Nachfolgemodelle (etwa translatio und imitatio) benannt und mit transzendenter Geltung versehen. In der Vita Eduards des Bekenners werden gleich zu Beginn die Bedenken, wie sich ein keusches Leben mit der Herrschernachfolge vereinbaren lässt, durch den Apostel Petrus zerstreut, der einem Bischof im Schlaf erscheint: cum ecce inter sancta sanctorum uidet beatum Petrum, apostolorum primum, decentem hominis personam in regem consecrare, celibem ei uitam designare, regnique annos sub certo uite calculo determinare. Quem etiam hic poscentem de subsequentis regni regnatura posteritate,

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seine Frau und werden von einer Engelsschar in daz ewig himelreich (MO, V. 3554) enthoben. Aufgrund dieses asketischen Erzählschlusses, der die dynastische Erbfolge durchkreuzt, wurde die Erzählung lange als eine minderwertige Realisation des Brautwerbungsschemas angesehen, wie es Christian Schmid-Cadalbert entwickelt hat32. Legt man rigoros dieses Schema an, finden sich tatsächlich handlungslogische Brüche33, doch wie zuletzt Rabea Kohnen deutlich machen konnte, wird die Sicht auf den einzelnen Text ebenso wie auf die jeweils verhandelten interreligiösen Problemstellungen verstellt, wenn man der ‚gefährlichen Brautwerbung‘ einen normativen Anspruch unterstellt, der sie zwingend in Ehe und Prokreation münden lassen muss34. Damit ist in erzählhistorischer Perspektive zugleich die Frage berührt, ob man mit einer strikten Trennung in weltliche und geistliche Formate Texten wie dem ‚Münchner Oswald‘ überhaupt gerecht wird35. Fragt man dagegen unter Einbeziehung der legendarischen Prätexte nach den Bedingungen und Funktionen dieses Erzählens, dann wird deutlich, dass hier eine spezifische Problemstellung christlicher Lebensführung verhandelt wird. Seit dem frühen Christentum kommt mit dem Thema Eheschließung in der Legendarik auch die Frage danach auf, wie man innerhalb einer Ehe gottgefällig (und das heißt in bestimmten Kontexten eben auch: keusch) leben kann. Der Wassereimer vor dem Ehebett stellt dabei nur eine von zahlreichen kreativen Lösungen dar, um diesem Problem erzählerisch zu begegnen36. hac edocet responsione: Regnum, inquit, Anglorum est dei; post te prouidit sibi regem ad pla­ citum sui. (Aber siehe! Inmitten des Heiligen der Heiligen sah er, wie der selige Petrus, der erste der Apostel, einen geziemenden Mann zum König weihte, diesen für ein keusches Leben bestimmte und die Jahre seiner Herrschaft durch eine festgesetzte Berechnung seines Lebens festlegte. Und als dieser von ihm zu erfahren wünschte, wer unter den nachfolgenden Regenten in der Zukunft die Herrschaft innehaben würde, gab er ihm folgende Antwort: ‚Das englische Reich ist Gottes; nach dir hat er bereits einen König nach seinem Gefallen ausersehen.‘) Vita Ædwardi regis I.1. Zitiert nach der Ausgabe: Vita Ædwardi regis qui apud Westmonasterium requiescit. English & Latin, hg. und übers. v. FrANk BArloW, New York 21992, 9. Für den Hinweis auf diesen Zusammenhang sowie auf die Textstelle danke ich Stephan Bruhn (Kiel). 32 Vgl. scHMiD-cADAlBert, Der Ortnit AW (wie Anm. 26). 33 Vgl. Nikolaus Miller, Brautwerbung und Heiligkeit. Die Kohärenz des Münchner Oswald, DVjs 52 (1978), 226‒240. 34 Vgl. koHNeN, Die Braut des Königs (wie Anm. 16), sowie knapp zusammengefasst am Beispiel des ‚Münchner Oswald‘: Dies., durch den abrahamischen garten in ain landt das hieß die wusten – Interreligiosität in den mittelhochdeutschen Brautwerbungserzählungen, in: Abrahams Erbe – Konkurrenz, Konflikt, Koexistenz im Mittelalter (Beiheft der Zeitschrift „Das Mittelalter“ 2), hg. v. Johannes Heil / Klaus oscHeMA / Ludger lieB, Berlin 2015, 599‒610; vgl. kieNiNg, Unheilige Familien (wie Anm. 19), 143‒145. 35 Zu diesem Schluss kommt, insbesondere in Bezug auf die komischen Elemente des ‚Münchner Oswald‘, auch BoWDeN, Bridal-quest Epics (wie Anm. 16), 127. Allgemein zu diesem Problem s. BeNz / WeitBrecHt, honicmæziu mære (wie Anm. 6), sowie die Beiträge in: Literarische Säkularisierung im Mittelalter (Beiträge zu einer kulturwissenschaftlichen Mediävistik 4), hg. v. Susanne köBele / Bruno quAst, Berlin 2014. 36 Siehe dazu Julia WeitBrecHt, Keuschheit, Ehe und Eheflucht in legendarischen Texten: Vita Malchi, Alexius, Gute Frau, in: Askese und Identität in Spätantike, Mittelalter und Früher Neu-

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In diesem Kontext scheint gerade die Brautwerbung eine Verhandlung von Fragen der asketischen Lebensführung auch zu ermöglichen. Die mittelalterliche Rekonfiguration dieses Problemfelds – wie lassen sich die Missionierung durch Heirat und eine keusche Lebensführung vereinbaren? – hängt offenbar damit zusammen, dass es im Rahmen der Legitimierung eines vergleichsweise neuen Heiligkeitsmodells (‚heiliger Herrscher‘) für feudaladlige Kontexte Relevanz erhält. Diese Befunde lassen sich zusätzlich schärfen, wenn man diese Konstellierungen in der hochmittelalterlichen lateinischen Oswaldlegendarik betrachtet. Denn auch die ‚Vita Oswaldi‘ des Reginald von Durham (die um 1165 entstanden ist) geht mit den Motiven von Mildtätigkeit und Verzicht, von Fülle und Mangel, produktiv um. Reginald, ein Benediktiner und Zeitgenosse des Heiligen Godrich, verfasste dessen Vita sowie eine Sammlung von Mirakeln, die dem posthumen Wirken des Heiligen Cuthbert zugeschrieben werden37. Seine ‚Vita Oswaldi‘ geht zu großen Teilen auf Beda zurück, gilt aber als assoziativ und „wild zusammengewürfelt“38, die Überlieferungs- und Editionslage ist obendrein schwierig39. In den selbständigen Teilen nimmt Reginald jedoch ebenfalls einige Umbesetzungen vor, die motivische Parallelen zum ‚Münchner Oswald‘ aufweisen und deutlich machen, dass Reginald hier ‚legendarisch erzählt‘, insofern er bestimmte Optionen reformuliert, um Oswalds Heiligkeit zu modellieren40. So beschreibt Reginald die gute und mildtätige Herrschaft Oswalds, eines „promoter of fertility“41, die dem Land Prosperität bringt, zugleich aber auch eine göttliche Herausforderung provoziert: Igitur cum ita sibi subditis operam dilectionis Dei gratia impenderet, Dei dispensatione conti­ git, ut flagellis nuper credentium fidem experiendo comprobare eligeret. (VO X, 347) Obwohl er [scil. Oswald] auf diese Weise durch göttliche Gnade an seinen Untertanen Liebeswerke vollbrachte, geschah es durch göttlichen Willen, dass er den Glauben der Proselyten durch Geißelschläge auf die Probe und so bestätigen wollte.

Fülle schlägt nun um in Mangel, denn Oswald erkrankt an der Pest und muss schreckliche Schmerzen erleiden. Nach langem Leiden erscheinen ihm drei Engel und berichten ihm, dass seine Prüfungen nun ein Ende hätten. So erfährt Oswald auch, dass der Zeitpunkt seines Todes ebenso wie dessen Umstände – sein Marty-

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zeit (Transformationen der Antike 14), hg. v. Werner röcke / Ders., Berlin/New York 2010, 131‒154. Vgl. Victoria tuDor, Reginald’s Life of St. Oswald, in: Oswald. Northumbrian King to European Saint (Paul Watkins Medieval Studies 14), hg. v. Clare stANcliFFe / Eric cAMBriDge, Stamford 1995, 178‒194. Karl Heinz göller, König Oswald von Nordhumbrien: Von der Historia ecclesiastica bis zur Regensburger Stadtsage, in: Festschrift für Karl Schneider, hg. v. Ernst S. Dick / Kurt R. JANkoWsky, Amsterdam/Philadelphia 1982, 305‒323, hier 310. Zitate im Folgenden unter der Sigle VO nach der Ausgabe: Symeonis Monachi opera omnia, Bd. 1: Historia ecclesiae Dunhelmensis (Rerum britannicarum medii aevi scriptores 75,1), hg. v. Thomas ArNolD, Repr. Nendeln 1965, OP 1882. Zur Kritik an der unvollständigen Ausgabe und zur schwierigen Editionslage s. tuDor, Reginald’s Life of St. Oswald (wie Anm. 37), 179. Dieser Befund bezieht sich alleine auf die narrativen Verfahren, die in den Kapiteln 10 und 11 fassbar werden, ohne damit die ‚Vita Oswaldi‘ auf makrostruktureller Ebene ästhetisch aufwerten zu wollen. klANiczAy, Holy Rulers and Blessed Princesses (wie Anm. 21), 168.

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rium im Heidenkampf – von Gott festgelegt wurden42. Im Kontext dieser Prüfungen berichtet Reginald auch, dass Oswald seit seiner Erkrankung in der „Reinheit unberührter Keuschheit“ (castitatis illibatæ munditiam, VO XI, 349) mit seiner Ehefrau gelebt habe, die, „von der staunenswerten Wandlung ermahnt“ (mirabili conversatione illius admonita, VO XI, 349) und selbst zu guten Werken animiert, später in ein Kloster eintritt. Dieser narrative Konnex von Prüfung, Verzicht als Buße und einer Herrscherehe, die in einen moniage mündet, erscheint im Vergleich mit dem ‚Münchner Oswald‘ recht auffällig. Intertextuelle Abhängigkeiten sollen und können hier nicht etabliert werden43, aber im Vergleich wird eine beiden Texten gemeinsame „awareness of the problem of combining the roles of saint and king“44 sichtbar, und er kann zudem veranschaulichen, wie diese verschiedenen Optionen in unterschiedlicher Art und Weise, je nach Kontext, zur Darstellung von Heiligkeit genutzt und narrativ entfaltet werden können. Der moniage bildet einen in der mittelalterlichen Literatur verbreiteten religiös motivierten Erzählschluss, in dem adlige Eheleute sich nach meist ausführlich geschildertem Weltleben gemeinsam ins Kloster zurückziehen45. Reginald, der Histo42

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Non tamen nec in isto moriturus es tempore, nec hujus pestilentiæ ulterius feriendus acerbitate. Christus quidem tuæ desolationis angustias miseratus, ob tuis sacris precibus et omnem popu­ lum Anglorum de istius cladis peste absolutum liberavit, vitæque tuæ tot annos indulgenter adjecit. Et quidem te martyrio finiendum instituit, nobisque amodo tam viventis quam morientis tui custodiam delegavit. („Dennoch ist jetzt weder der Zeitpunkt des Todes, noch darfst Du weiter von der Bitterkeit dieser Pest gegeißelt werden. Christus hat sich der Notlage Deiner Verzweiflung erbarmt und wegen Deiner heiligen Bitten das gesamte Volk der Engländer, das von dem Schaden dieser Seuche gelöst wurde, befreit und Deinem Leben so viele Jahre gütig hinzugefügt. Er legte fest, dass Dein Leben im Martyrium enden muss, und übertrug uns den Schutz über Dich als Lebenden und Sterbenden.“) VO X, 348. Michael Curschmann argumentiert, dass Reginalds ‚Vita Oswaldi‘ dem ‚Münchner Oswald‘ neben Beda ebenfalls als Vorlage gedient haben könnte, die Bezüge seien allerdings „so schwach ausgeprägt, daß man wohl eine allgemeinere Tradition, vorwiegend angelsächsischkeltischer Herkunft zugrunde legen muß“; Michael curscHMANN, Der ‚Münchener Oswald‘ und die deutsche spielmännische Epik. Mit einem Exkurs zur Kultgeschichte und Dichtungstradition (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters), München 1964, 80; s. auch Marianne E. kAliNke, St. Oswald of Northumbria. Continental Metamorphoses (ACMRS; Medieval and Renaissance Texts and Studies 297), Tempe, Ariz. 2005, 63 f. Victoria Tudor schlägt den umgekehrten Weg als eine Möglichkeit vor, da über die Beziehungen zwischen Regensburg und Durham der kontinentale Oswaldkult nach England „zurückgekehrt“ sein könnte: „[Reginald] may therefore have been influenced in some way by the continental cult of the saint before coming to Durham.“ tuDor, Reginald’s Life (wie Anm. 37), 179. Das würde allerdings auch davon abhängen, ob sich die problematische Frühdatierung des ‚Münchner Oswald‘ ins späte 12. Jahrhundert aufrechterhalten lässt. Mit Ausnahme des Linzer Fragments aus dem 14. Jahrhundert stammen die Oswald-Überlieferungen sämtlich aus dem 15. Jahrhundert. Vgl. WeitBrecHt, Häusliche Heiligkeit (wie Anm. 13), 66, Anm. 5; BoWDeN, Bridal-quest Epics (wie Anm. 16), 105 f. In Bezug auf das Verhältnis von Reginalds ‚Vita Oswaldi‘ und ‚Münchner Oswald‘ kommt JANseN, Development (wie Anm. 15), so auch zu dem Schluss: „In this matter nothing can be said with certainty.“ (234). BoWDeN, Bridal-quest Epics (wie Anm. 16), 107. Vgl. Corinna BiesterFelDt, Moniage – Der Rückzug aus der Welt als Erzählschluß. Untersuchungen zu ‚Kaiserchronik‘, ‚König Rother‘, ‚Orendel‘, ‚Barlaam und Josaphat‘, ‚Prosa-Lan-

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riograph, motiviert dies nicht im Sinne radikaler Weltabkehr, in der herrscherliche Ansprüche um des Glaubens willen völlig zurückgewiesen werden46. Die keusche Ehe steht hier vielmehr im Kontext eines Tugendideals von rechtem Maß, das sich wohl kritisch auf die Herrschaftsführung Oswalds und den zuvor geschilderten Überfluss bezieht47: Et quia, rege sancto Dei flagellis castigato, quicquid hactenus in aliquo excessit totum sedule emendare curavit. („Der heilige König war also durch die Geißeln Gottes gezüchtigt worden, und er ließ eifrig alles bessern, was auch immer bislang in irgendeiner Hinsicht das rechte Maß überschritt.“ VO XI, 349). Sie stellt aber vor allen Dingen auch aus dynastischer Sicht kein Problem dar, denn als Oswald beschließt, „sich die Reinheit unberührter Keuschheit“ zu bewahren, „hatte er zuvor mit ihr einen Nachkommen gezeugt, den er nun als einzigen irdischen Sohn hatte.“ (Prius tamen de ea sobolem procreaverat, quem unicum tan­ tum in terra filium possidebat. VO XI, 349)48. Die Verbindung von herrscherlicher Ehe und Verzicht auf ihren Vollzug, wie sie den Schluss des ‚Münchner Oswald‘ kennzeichnen, ist somit nicht neu49, doch wird sie darin stärker innerhalb der Handlung funktionalisiert, so dass der Verzicht auf Frau und Erben einen narrativen Kulminationspunkt bildet. Dies wird nun aber ausgerechnet durch die Brautwerbung im ersten Teil vorbereitend motiviert: Diese wird zunächst immer wieder blockiert, und es ist regelmäßig das wunderbare Eingreifen Gottes notwendig50, um die Braut aus der Burg ihres Vaters Aron zu entführen und schließlich den ‚Stärksten‘ mit der ‚Schönsten‘ zu vereinen. Das alles geschieht aber nicht etwa, weil Oswald der Stärkste ist (er verhält sich in diesen Passagen ausgesprochen passiv), sondern weil er in Gottes Gnade steht. Der Erfolg der Brautwerbung wird also gerade nicht aus den Geboten feudaler Ordnung heraus, sondern transzendent begründet, denn diese Verbindung ist gottgewollt.

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celot‘, Stuttgart 2004; Dies: Das Schlußkonzept ‚moniage‘ in mittelhochdeutscher Epik als Ja zu Gott und der Welt, in: Erzähltechnik und Erzählstrategien in der deutschen Literatur des Mittelalters (Wolfram-Studien 18), hg. v. Wolfgang HAuBricHs u. a., Berlin 2004, 211‒231. Vgl. zu den zahlreichen historischen Fällen von „opting out of kingship into the religious life“, wie sie bereits bei Beda beschrieben werden, Clare stANcliFFe, Kings Who Opted Out, in: Ideal and Reality in Frankish and Anglo-Saxon Society. Studies Presented to J. M. WAllAce-HADrill, hg. v. Patrick WorMAlD mit Donald BullougH / Roger colliNs, Oxford 1983, 154‒176, hier 175. Selbst in Bezug auf die opera dilectionis (VO X, 347), die Oswald verübt, gibt es offenbar ein Zuviel. Vgl. dazu auch koHNeN, Braut des Königs (wie Anm. 16), 88. Er ist vielmehr auch in anderen Herrscher-Hagiographien seit dem 12. Jahrhundert modellbildend, etwa bei Heinrich und Kunigunde, vgl. BoWDeN, Bridal-quest Epics (wie Anm. 16), 108 f., und kAliNke, St. Oswald of Northumbria (wie Anm. 43), 44 f., aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive Dyan elliott, Spiritual Marriage: Sexual Abstinence in Medieval Wedlock, Princeton 1993. Die Hierarchisierung Marianne Kalinkes, („While Oswald represents the the older path to sanctity, martyrdom, Henry’s life illustrates the more modern approach through virginity“, ebd. 45) wäre dahingehend zu reformulieren, dass unterschiedliche biographisch-historische Vorgaben in Bezug zu einem rezent relevant gewordenen Modell gesetzt werden. Vgl. dazu Florian krAgl, Wer hat den Hirsch zum Köder gemacht? Der ‚Münchner Oswald‘, Spiritualiter gelesen, Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 63 (2007), 157–178.

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Umso auffälliger erscheint eine Passage, die von dieser konsequenten Abfolge von Problem und transzendenter Problemlösung abweicht und die weitere Handlungslogik bestimmt. Als sich Oswald und seine Braut nach geglückter Entführung auf der Heimfahrt befinden, werden sie von Aron und seinen heidnischen Horden verfolgt. Oswald fällt auf die Knie und legt ein Gelöbnis ab: himlischer trachtein, nu nim hin die treu[e] mein, daz mich auf ertreich chain man nimmer mer nichts gepiten chan, – wes er durch deinen willen begert, her got, des wirt er alles gwert: er pit mich umb purg oder umb land, wes er mich durch deinen willen ermant, und pät er mich umb daz haub[e]t mein, ich gäb im ez durch willen dein (MO, V. 2799‒2808) Himmlischer Herrscher, nimm nun mein Versprechen an, dass mich auf Erden jeder Mensch um alles Erdenkliche bitten kann, was immer er um deiner willen begehrt, Herr Gott, das wird ihm alles gewährt: Ob er mich um Burg oder Land bittet, was immer er um deiner willen von mir fordert, und wenn er um meinen Kopf bäte, ich gäbe es/ihn ihm um deiner willen.

Gott verzögert nun das Zusammentreffen der kämpfenden Parteien derart, dass die Christen ihren Vorteil nutzen und die Heiden besiegen können. Oswald erweckt daraufhin die toten Feinde wieder zum Leben und tauft sie samt König Aron. Was aber wird aus dem Gelübde? Ein solcher Sprechakt kann nicht ohne Folgen bleiben, und als man glücklich nach Hause zurückgekehrt ist, erscheint prompt der ‚Christus‘ im Gewand eines Pilgers am Hof Oswalds und will prüfen, ob dieser sein Wort zu halten gedenkt. Der mildtätige Herrscher hat nach seiner Hochzeit alle Armen des Landes zusammengerufen, um ihnen Almosen zu schenken, und der verkleidete Heiland stellt sich immer wieder hinten an: daz traib der himlisch degen, / huntz im des tags ward neun stund geben. („Das betrieb der himmlische Held, bis ihm an diesem Tag neunmal gegeben worden war.“ MO, V. 3247 f.). Als Oswalds Diener den gierigen Pilger aus der Burg werfen wollen, verteidigt Oswald ihn und spricht: ich gehiez [ez] dem himlischen fursten guet, do ich schwebt auf des meres fluot […] wes man an mich durch seinen willen begert des wurd ain iegleich mensch gewert. und pät er mich umb daz haub[e]t mein, durch in sol ez im unverzigen sein. (MO, V. 3401‒3412)

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Ich habe es dem gnädigen himmlischen Herrscher gelobt, als ich auf dem weiten Meer zu Schiff unterwegs war[,] […] [dass,] was immer man um seiner willen von mir begehrte, einem jedem Menschen gewährt würde. Und [dass,] wenn [jemand] um meinen Kopf bäte, ich ihm das um [Gottes] willen nicht versagen würde.

Bereits bei Beda bildet Mildtätigkeit eine wichtige Option zur Darstellung der herrscherlichen Heiligkeit Oswalds. Bei einem österlichen Festmahl mit Bischof Aidan zerbricht Oswald einen silbernen Teller, um die Stücke an die Armen verteilen zu lassen. Erfreut durch diesen frommen Akt (delectatus tali facto pietatis, HE III,6; 222), segnet der Bischof die Hand, die diese Tat vollbracht hat51. Aufgrund seiner Durchlässigkeit für weltliches Herrscherhandeln ist das Verzichtsmotiv für die Verhandlung von Heiligkeit in feudaladligen Kontexten offenbar besonders geeignet. Man kann das nicht enden wollende Austeilen von Almosen ja auch – je nach Kontext – als Ausstellung herrscherlicher milte (lat. largitas) verstehen, die an dieser Stelle in religiös motivierten Verzicht umschlägt. Eine Kritik an solch übermäßigem Handeln, wie man sie Reginald unterstellen könnte, findet sich hier nicht, aber für ein gezielt inszeniertes Umschlagmoment von feudaler Fülle in religiös motivierten Mangel (der wiederum spirituelle Erfüllung in Aussicht stellt) spricht, dass hier einer Erzähllogik gefolgt wird, die aus Mirakelerzählungen bekannt ist. Dabei wird in der Verhandlung von religiösen und weltlichen Erwartungen durch verbindliche Sprechakte (im Versprechen oder Gelübde) eine Entscheidung provoziert und zugleich die ‚richtige‘, also christliche Verhaltensweise in gesteigerten Wiederholungen habitualisiert52. Dieser Überbietungsgestus wird im ‚Münchner Oswald‘ darin sichtbar, dass in beiden Fällen, also wenn Oswald das Gelübde ablegt und wenn er es wiederholt, von seinen irdischen Reichtümern, seiner Burg und seiner Herrschaft die Rede ist, nicht aber von seiner Frau53. Vielmehr reagiert 51

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Ebenso wie im wiederholten Verweis auf daz haubet Oswalds im ‚Münchner Oswald‘ wird hier auf die Reliquienpraxis und Zerteilung des heiligen Körpers vorausgegriffen, vgl. dazu John Edward DAMoN, The King’s Fragmented Body: A Girardian Reading of the Origins of St. Oswald’s Cult, in: The Heroic Age 9 (2006), http://www.heroicage.org/issues/9/damon.html [abgerufen am 22. Februar 2017]. Dies sind vorläufige Beobachtungen aus der Beschäftigung mit Mirakelerzählungen und kleinepischen Texten, die insbesondere auf das Wirken des Teufels und anderer transzendenter Mittlerfiguren abheben, die diese Umschlagmomente provozieren. Eine systematische Erforschung der Erzähllogiken und -strukturen in der Mirakelliteratur steht m. E. noch aus. Als wichtige Arbeiten sind zu nennen: Nicole eicHeNBerger, Geistliches Erzählen: zur deutschsprachigen religiösen Kleinepik des Mittelalters (Hermaea N. F. 136), Berlin 2015; Alwine sleNczkA, Mittelhochdeutsche Verserzählungen mit Gästen aus Himmel und Hölle (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 5), Münster u. a. 2004; Mirakel im Mittelalter: Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen (Beiträge zur Hagiographie 3), hg. v. Martin HeiNzelMANN / Klaus HerBers / Dieter R. BAuer, Stuttgart 2002. Auch wenn man sie in die Rede von purg und land (MO, V. 2805) als eingeschlossen betrachten könnte, vgl. Burkhardt krAuse, ‚er enpfienc diu lant und ouch die magt‘: Die Frau, der Leib, das Land. Herrschaft und body politic im Mittelalter, in: Verleiblichungen: Literatur- und Kulturgeschichtliche Studien über Strategien, Formen und Funktionen der Verleiblichung in Tex-

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Oswald erschrocken (MO, V. 3443) und traurig (MO, V. 3444), als der Pilger, nachdem Oswald ihm alles andere bereits überlassen hat, ihn als Steigerung auch noch um seine Ehefrau bittet. Als Oswald Paug fragt, ob sie damit einverstanden ist, antwortet sie: waz ist gottes will daz sol geschehen! (MO, V. 3454) Nachdem er nun alles Weltliche aufgegeben hat, will Oswald in Pilgerkleidung den Hof verlassen: von dem meinem allen wil ich nu willichleichen wallen hin in fremde lant, do ich pin unerchant. reichtuom will ich meiden und willikleichen leiden schmäch und armuot, huntz got sein genad an mir tuot. (MO, V. 3463‒3470) [Weg] von allem, was mein ist, will ich nun bereitwillig pilgern in fremde Länder, in denen ich unbekannt bin. Reichtum werde ich meiden und freudig Schmach und Armut erleiden, bis Gott seine Gnade an mir erweist.

Auch wenn es nicht dazu kommt, weil der vermeintliche Pilger Oswald zurückruft und ihm alles zurückerstattet – Oswald und Paug haben sich hier einvernehmlich und öffentlich für ein Leben in Askese entschieden. Im Kontext legendarischer Verzichtsnarrative gelesen, bildet diese diskursive Abkehr vom Hof eine komplementäre Entsprechung zur Legende des Heiligen Alexius, denn auch dieser verlässt ja seine frisch angetraute Ehefrau in der Hochzeitsnacht, um zu wallen / hin in fremde lant. Der ‚Münchner Oswald‘ erzählt im Grunde eine Variation dieser Entscheidung in der Hochzeitsnacht54, in welcher Oswald Status und weltliche Güter zwar wieder zurückerhält und als Herrscher reinstalliert wird, der Vollzug der Ehe ihm aber ebenfalls versagt bleibt. Aus legendarischer Perspektive wird also nicht die vorausgegangene gefährliche Brautwerbungshandlung entwertet – diese Brautwerbung dient zum einen der gottgewollten Bekehrung durch Eheschließung, und sie erhöht zum anderen die Bedeutung dessen, was Oswald hier leistet: den Verzicht auf etwas so Kostbares wie die unter großen Gefahren erworbene Braut, auf die Möglichkeit zur Vererbung seiner Herrschaft und die damit verbundene Macht. Im ‚Münchner Oswald‘ wird somit in der Rekombination verschiedener Optionen zur Darstellung von Heiligkeit ein mittelalterliches Modell von Herrscherheiligkeit generiert. Das Martyrium, das Oswalds Darstellung in der Liturgie ebenso wie in zahlreichen späteren Legendarfassungen weitgehend bestimmt, wird dabei

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ten von der Frühzeit bis zum Cyberspace (Mannheimer Studien zur Literatur- und Kulturwissenschaft 7), hg. v. DeMs. / Ulrich scHeck, St. Ingbert 1997, 31‒82; koHNeN, durch den abraha­ mischen garten (wie Anm. 16), 29. Der Zusammenhang ist auch durch einige Überlieferungsverbünde gedeckt, s. kieNiNg, Unheilige Familien (wie Anm. 19), 144 f.; WeitBrecHt, Häusliche Heiligkeit (wie Anm. 13), 79.

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zugunsten anderer Optionen ausgeblendet55. Im Blick auf die Idiosynkrasien des ‚Münchner Oswald‘ ist aber zugleich auch deutlich geworden, dass der Modellierungsprozess nicht nur durch Optionen geprägt ist, sondern jeweils auch durch die narrativen Formate, in denen diese entfaltet werden. Diskursive Flexibilität steht offenbar in Zusammenhang mit narrativer Variabilität, etwa wenn das Erzählmuster der ‚gefährlichen Brautwerbung‘ produktiv gemacht wird, um eine spezifische Problemstellung zu reformulieren. Der ‚Münchner Oswald‘ bildet also keinen als Legende notdürftig camouflierten höfischen Roman, sondern geht im Rahmen legendarischen Erzählens mit den Vorgaben von Herrscherheiligkeit, Brautwerbung, Verzicht und Mirakel kreativ um. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lässt sich auch der sprechende Rabe noch einmal genauer kontextualisieren. Auch dieser ist aus der Tradition legendarischen Erzählens heraus unmittelbar erklärlich, denn Tiere sind als Begleiter der Heiligen in der Hagiographie keine Seltenheit. Häufig werden sie eingesetzt, um den Heiligen in seinem die ganze Schöpfung umfassenden Heilswirken zu präsentieren. Insbesondere Vögel werden auch als Übermittler transzendenter Botschaften eingesetzt, seien es Informationen oder konkrete materielle Spenden wie das Brot, mit dem ein Rabe den Heiligen Paulus (und auch den zu Besuch kommenden Heiligen Antonius) in seiner Eremitage versorgt56. Auch in Reginalds ‚Vita Oswaldi‘ begegnet ein Rabe, der zwar nicht sprachbegabt, aber doch ein entscheidender Akteur in Bezug auf die späteren Oswald-Reliquien ist: Als Oswin, der Bruder Oswalds, nach dessen Tod seine auf Befehl Pendas auf einen Pfahl gesteckten Körperteile abnehmen will, kann er zwar Haupt und den linken, nicht aber den rechten Arm des Toten finden. Ein Rabe hat ihn in seinem Schnabel fortgetragen und ist damit auf eine verdorrte Esche in der Nähe geflogen. Der Baum beginnt daraufhin sogleich zu erblühen, und als der Vogel das Körperteil fallen lässt, entspringt am Ort des Aufpralls eine Quelle (VO XVII, 355 f.)57. Der Aasfresser des Schlachtfeldes wird so zum Mittler von Transzendenz, indem er eine erste Reliquientranslation (von vielen weiteren) bewirkt und dem Oswald-Kult seinen ersten Ort gibt. Eine Erweiterung dieses Funktionsspektrums und literarische Neuerung im feudaladligen Kontext bildet nun die Sprachmächtigkeit, die den Vogel zum geflügelten Werbungshelfer befähigt. Diese Qualitäten begegnen, ebenfalls in komischer Inszenierung, auch in der altfranzösischen Versnovelle ‚Las nòvas del papagai‘

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In der altnordischen ‚Òsvalds saga‘ wird der Konnex von Bekehrung und Martyrium erneut produktiv gemacht, wenn Gott Oswald beauftragt, in einem geheiligten Kampf seine heidnische Braut zu erwerben, die hier ebenfalls als erwählt dargestellt wird: Og guð býður þér að þú skalt halda mikið örlög fyrir hennar skuld og koma henni til heilagrar trúar, og guð drottinn hefir hana út valið til þessa. („Und Gott befiehlt dir, um ihrer willen einen gewaltigen Kampf zu führen und sie zum heiligen Glauben zu führen, und Gott der Herr hat sie dafür auserwählt.“) Zitiert nach: kAliNke, St. Oswald of Northumbria (wie Anm. 43), 118. Vgl. WeitBrecHt, mit kleiner wandels schricke (wie Anm. 30); zu weiteren heilsgeschichtlichen Bezügen kieNiNg, Unheilige Familien (wie Anm. 19), 148. Vgl. dazu göller, König Oswald (wie Anm. 38), 311, der in dieser Passage der ‚Vita Oswaldi‘ den entscheidenden Impuls für den Raben im ‚Münchner Oswald‘ sieht.

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(wohl Anfang 13. Jahrhundert) beim titelgebenden Papagei58. Hier besitzt das sprechende Tier Lizenzen galanter Rede59, über welche die menschlichen Werbungshelfer nicht verfügen bzw. nicht verfügen dürfen. Bei diesen besteht schließlich stets das Risiko, dass sie selbst zum Rivalen des herrscherlichen Werbers werden60. Diese Transgression der Botenrolle droht beim Raben im ‚Münchner Oswald‘ nicht, so dass er auf seiner Werbungsfahrt gegenüber der Königstochter als ein Höfling auftreten und sich – wie der Papagei – Diskursformen der Minnerede bedienen kann61. Mit diesem Ausblick soll nicht ein weiteres Mal die Motivgeschichte des Raben in der Oswaldlegendarik erzählt, sondern vielmehr auf die Durchlässigkeit auch dieses Motivzusammenhangs in Bezug auf seine religiöse und feudale Funktionalisierbarkeit hingewiesen werden. Darin ist er zusätzlich für die Ausbildung der Oswald-Ikonographie von Bedeutung, denn in unterschiedlichen hagiographischen und herrscherlichen Gebrauchskontexten wird der Rabe als Attribut, göttlicher Bote, Ringträger oder Überbringer von Salböl dargestellt62. Die beiden hier diskutierten Aspekte der Modellierung von Heiligkeiten – die enge Beziehung zu den Traditionen legendarischen Erzählens zum einen und die Produktivität ihrer Reformulierungen im ‚Münchner Oswald‘ in Bezug auf neue Modelle herrscherlicher Heiligkeit zum anderen – werden somit auch an Oswalds Begleiter, dem Raben, deutlich. Diese Durchlässigkeit oder Medialität greifen auch spätere volkssprachliche Bearbeitungen der Oswaldlegende auf, wenn es um die Vermittlung von Heil geht. In der Legendarfassung in ‚Der Heiligen Leben‘ (von ca. 1400), die auf den ‚Münchner Oswald‘ zurückgeht, erscheint der Rabe in seiner Werberrolle resakra58

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Arnaut De cArcAssés, Las nòvas del papagai (= La nouvelle du perroquet), hg. Pierre Bec, Église-Neuve d’Issac 1988. Auch in: Nouvelles occitanes du Moyen Âge, hg. v. Jean-Charles HucHet, Paris 1992, 251‒269. Vgl. dazu Erich Müller, Die altprovenzalische Versnovelle, Genf 1976 (Reprograf. Nachdruck Halle 1930; Romanistische Arbeiten 15), 43‒59; R. lAFoNt, Des nouvelles du perroquet, Revue des langues romanes 42 (1988), 383‒397. Der Papagei ist dem Raben insofern vergleichbar, als ihm ähnlich ambivalente Eigenschaften (etwa Sinnlichkeit und Eitelkeit) kulturell zugeschrieben werden. Für den Hinweis darauf wie auf den Text selbst danke ich Stephanie Mühlenfeld (Mainz). Müller, Die altprovenzalische Versnovelle (wie Anm. 58), 44. Zum Motiv des Papageien als Liebesbote ebd., 46, Anm. 1. Vgl. Müller, Das Ende der Werbung (wie Anm. 19); BoWDeN, Bridal-quest Epics (wie Anm. 16), 126. Das konnte Stephan Müller auf Grundlage eines erst jüngst identifizierten Handschriftenzeugen plausibel machen, der diesen Szenen animalischen Umwerbens etwas mehr Raum gibt. Vgl. Stephan Müller, Des Raben Minnegruß. Neues zur Kemenatenszene im ‚Münchner Oswald‘ (The Morgan Library, MS B.61), in: Höfische Textualität. Festschrift für Peter Strohschneider (Germanisch-romanische Monatsschrift, Beiheft 69), hg. v. Beate kellNer u. a., Heidelberg 2015, 254. Zur Liebeskommunikation im ‚Münchner Oswald‘ s. auch koHNeN, durch den abrahamischen garten (wie Anm. 34), 607 f., und Dies., Braut des Königs (wie Anm. 16), 256. Vgl. Stephan Müller, Oswalds Rabe. Zur institutionellen Geschichte eines Heiligenattributs und Herrschaftszeichens, in: Institutionalität und Symbolisierung. Verstetigungen kultureller Ordnungsmuster in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Gert Melville, Köln/Weimar/Wien 2001, 451‒475; András vizkelety, Der Budapester Oswald, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Halle) 86 (1964), 107‒188.

Fülle durch Mangel

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lisiert und wird so auf wiederum neue Weise narrativ refunktionalisiert63. Hier wird der Vogel eingangs von Gott entsendet, um den Heiligen mit Balsam für seine Salbung zum König zu versorgen. Dieser Rabe ist also von Beginn an transzendent und feudal funktionalisiert, wobei er nicht nur – medial überkodiert – schriftlich und mündlich als Vermittler zwischen Transzendenz und Immanenz auftritt, sondern auch als polyglotter Sprachmittler im Spannungsfeld von Latinität und Volkssprache, gewissermaßen als Metainstanz hagiographischer Artikulation: Vnd dem raben hing ain prief an dem hals vnd der prief waz versigelt mit ainem guldein kruetz. Vnd der rab kund latein reden vnd was sproch man wolt. Vnd der rab sprach: ‚Ich pring den kresem von himel!‘ 64

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Christian Kiening spricht in Bezug auf den ‚Wiener Oswald‘ von „konnotativen Aufladungen, die den Raben zum Medium des Heils machen“, was auf eine grundsätzliche Funktion solcher ‚Heilsträgertiere‘ verweist. kieNiNg, Unheilige Familien (wie Anm. 19), 148. Die mediale Überkodierung in ‚Der Heiligen Leben‘ ist sicherlich auch in Zusammenhang mit den Medialisierungsformen im Kontext ‚naher Gnade‘ zu sehen, die in dieser Zeit wirksam werden, vgl. Berndt HAMM, Typen spätmittelalterlicher Gnadenmedialität, in: Media Salutis. Gnaden- und Heilsmedien in der abendländischen Religiosität des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. v. DeMs. u. a., Tübingen 2011, 43–83. Oswald, in: Der Heiligen Leben. Bd. 1: Der Sommerteil (Texte und Textgeschichte 44), hg. v. Margit BrAND / Kristina FreieNHAgeN-BAuMgArDt / Ruth Meyer / Werner WilliAMs-krApp, Tübingen 1996, 358‒369, hier 358.

VON THOMAS BECKET ZU ENGELBERT VON KÖLN: DIE ERNEUERUNG DER IDEE DES BLUTIGEN MARTYRIUMS IM ZEICHEN DER LIBERTAS ECCLESIAE Uta Kleine Abstract The time of the Investiture Struggle saw a reappearance of the concept of martyrdom for which the murder of Thomas Becket in 1170 set the model. The paper explores how the traditional elements of martyrdom were transferred to new contexts, how they were modified and justified in situations where the holy conflict (sancta contentio) involved an enemy that came from within the Christian community and argued within the same cultural and ideological frame. The focus on corporeal aspects, especially on the value of blood, and the theological interpretations turning around the ideas of atonement, retribution and sacrifice, seem to characterize this new horizon. In the case of Thomas Becket, the model was promoted in equally new modes of expression comprising an abundant literature of all genres, a powerful iconography and a sumptuous architecture. Half a century later the Becket model was applied to an equally famous candidate, Archbishop Engelbert of Cologne (†1225), chancellor and imperial governor of Frederick II who became the victim of a conspiracy of local nobles and was hailed a second Thomas Becket. The paper discusses the circumstances, the motives and the success of this transfer, following a semantic and semiotic approach and taking into account a wide range of sources: hagiography, historiography, letters, imagery and architecture.

I. VOM BLUTZEUGNIS ZUM LEBENSZEUGNIS: DEUTUNGSMODELLE DES MARTYRIUMS In einem apostolischen Schreiben aus den 1170er Jahren an den schwedischen König kommentiert Alexander III. den Fall eines unbekannten Mannes, der während eines Gelages im Rausch (in potatione et in ebrietate) getötet worden war. Zu seinem großen Entsetzen habe er vernommen, dass einige von dessen Landsleuten ihn daraufhin nach Art der Ungläubigen (more infidelium) wie einen Heiligen verehrten, obwohl die Kirche es kaum gestatte, für solche Menschen auch nur zu beten. Selbst wenn viele Wunder durch ihn geschehen seien oder noch geschehen sollten, sei es nicht gestattet, den Mann ohne Erlaubnis der römischen Kirche öffentlich wie einen Heiligen zu verehren1. Offensichtlich handelt es sich bei dem Beispiel um einen Fall spontaner Märtyrerverehrung: provoziert durch die Selbstverständlichkeit, mit der hier wie auch anderswo der gewaltsame, unschuldig erlittene Tod und der Tatbestand der Heiligkeit verknüpft wurden. Ich möchte dies die unmittelbare Evidenz einer Bluttat nennen: 1

Vgl. Alexandri III rom. pontificis opera omnia, PL 200, 1259–1261; Arne S. JöNssoN, Eric of Sweden, The Drunken Saint?, Analecta Bollandiana 109 (1991), 331–146, Vgl. den Beitrag von Christian oertel in diesem Band.

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Blut als ‚Grundstoff‘ und Martyrium als ‚Urform‘ der christlichen Heiligkeit gehen hier eine scheinbar zwingende Verbindung ein2. Nur scheinbar zwingend, denn mit seinen Ermahnungen folgte Alexander, wenn auch unausgesprochen, dem entgegengesetzten Grundsatz, den Augustinus auf die bekannte Formel gebracht hatte: Non poena, sed causa facit martyrem3. Nicht die Todesart allein mache den Märtyrer aus – darin unterscheide sich auch Christus nicht von den beiden mit ihm gekreuzigten Verbrechern. Zu seiner Rechtfertigung bedürfe der Märtyrer eines entsprechenden Motivs. Und, so Alexanders Ergänzung zur Formel Augustins, es bedürfe drittens auch einer Autorität, die über die Berechtigung dieses Motivs und die Zuschreibung des Märtyrertitels ein gültiges Urteil spreche. Trunkenheit als causa mortis reiche für die Anerkennung als Märtyrer nicht aus, im Gegenteil, sie sei das Signum der Ungläubigen, getreu dem Apostelwort: Ebriosi regnum Dei non possidebunt (1 Kor. 6). Mit den Äußerungen Alexanders, die als Dekretale Audivimus für die Geschichte des päpstlichen Kanonisationsvorrechtes bekanntlich richtungsweisend werden sollten4, sind zentrale Elemente einer Definition des Martyriums gegeben. In Anlehnung an Peter Gemeinhardt möchte ich sie als dreistellige Relation von Motiv (causa), Verurteilung und Todesumständen (poena, passio) und Wahrnehmung bzw. Zuschreibung (cultus) beschreiben: Ein Märtyrer bezeugt etwas (den rechten Glauben, ein heiliges Prinzip) in einer konkreten Situation (im Verhör, Disput und schließlich in der Hinrichtung) für eine Gemeinschaft (die ihn als Märtyrer ansieht und verehrt)5. Entscheidend ist ferner das Verhältnis von Passivität (in Bezug auf das potentielle Martyrium) und Aktivität (in Bezug auf Glaubensleben und -bezeugung). Zu einem Märtyrer „macht man sich nicht, man wird es.“ Wer sich freiwillig der Gefahr aussetzt, zum Märtyrer zu werden (in der alten Kirche die so genannten ‚Selbstauslieferer‘), ist kein solcher. Das Martyrium ist die mögliche Konsequenz eines authentischen christlichen Lebens, nicht selbstgewähltes Schicksal6. Doch gilt zugleich, dass das aktive Glaubensleben eines Christen per se Bezeugungscharakter hat, insofern es, zumindest in der Frühzeit, in einer und gegen eine feindliche Umwelt gelebt wird und auf Verbreitung durch Mission zielt. Zum 2

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Die zwingende Verbindung von Martyrium und Blutvergießen findet sich schon bei Tertullian und den frühen Märtyrerpassiones, ebenso der der Gedanke vom Blut als sühnendem Reinigungsmittel: Arnold ANgeNeNDt, Die Revolution des geistigen Opfers. Blut, Sündenbock, Eucharistie, Freiburg 2011, 58 f., 61 f.; Ders., Offertorium. Das mittelalterliche Meßopfer (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 101), Münster 2013, 42–44. Augustinus c. Cresc. III 47,51; Peter geMeiNHArDt, Non poena sed causa facit martyrem. Blutund Lebenszeugnis in der Alten Kirche: Sache, Kontext und Rezeption, in: Vom Blutzeugen zum Glaubenszeugen. Formen und Vorstellungen des christlichen Martyriums im Wandel, hg. v. Gordon BleNNeMANN / Klaus HerBers (Beiträge zur Hagiographie 14), Stuttgart 2014, 23–39, hier 28. Vgl. Otfried krAFFt, Papsturkunde und Heiligsprechung. Die päpstlichen Kanonisationen vom Mittelalter bis zur Reformation (Archiv für Diplomatik, Beiheft 9), Köln/Weimar/Wien 2005, 103 f. geMeiNHArDt, Non poena (wie Anm. 3), 24. Es geht darum, „nicht nach irgendeinem Tod zu streben, sondern sich zu bemühen, Zeugen Christi zu sein und als solche womöglich Märtyrer zu werden – oder auch nicht.“ Vgl. ebd., 27.

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Martyrium gehört folglich nicht allein das gewaltsame und passiv erduldete Ende, sondern ebenso die aktive und gefahrvolle Konfrontation mit dem Glaubensgegner und dessen Überwindung im Tod. Poena und passio sind demnach ein geistiger und rhetorischer Kampf, der sich an unterschiedlichen, auf einander folgenden Schauplätzen bis hin zum finalen Tatort vollziehen kann. In kulturanthropologischer Perspektive ist das Martyrium also kein Ereignis an sich, sondern eine Zuschreibung7, eine Zuschreibung, über die, wie dieser und viele andere Fälle zeigen, nicht zwingend ein Konsens bestand, sondern über deren Berechtigung in jedem Fall neu verhandelt werden musste. Dieses Schema ist erkennbar an den Verhältnissen der alten Kirche modelliert, in der die Vorstellungen vom geistigen und körperlichen Opfer nebeneinander existierten, wobei der Typus des Märtyrers lange das vorherrschende Heiligkeitsideal darstellte. Doch seit dem Ende der Verfolgungszeit verschob sich das Verhältnis von Blutopfer und geistigem Opfer erneut zugunsten des letzteren. Wichtiger als das körperliche Martyrium wurde das ethische Glaubenszeugnis, das in Form von spiritualisierten Ersatzhandlungen geleistet werden konnte8. Die unblutigen Bekenner (confessores) zeichneten sich durch Bereitschaft zur Askese (mortificatio carnis), zum Dienst für Gott (das Selbstopfer der Mönche) oder für die Gemeinschaft (das Sozialopfer der Bischöfe) aus. Der Kampf wurde zunehmend nach innen verlegt; neben die Idee der öffentlichen Bezeugung trat das Modell des verborgenen Martyriums (martyrium in occulto): in der Wüste, im Kloster oder auch in der Welt9. Dennoch konnte das Modell des blutigen Martyriums auch in den folgenden Epochen fallweise aktualisiert werden, so im Kontext von Glaubenskonflikten, bei der Mission, im Leben unter religiöser Fremdherrschaft, in Zeiten vermehrter, kirchenpolitisch motivierter Morde oder sogar im Falle innerklösterlicher Konflikte. Die Aufsätze dieses Bandes bieten weitere Beispiele für die unterschiedlichen Formen der Aktualisierung10. Die Zeit des ausgehenden Investiturstreits war eine solche Periode, in der das Märtyrerideal einen Wiederaufschwung erfuhr. Mit der Trennung von regnum und sacerdotium produzierte die Kirchenreform eine ideologische Scheidelinie, entlang derer sich Bekenntniskonflikte erneut entzünden und radikalisieren konnten – eine Situation nicht ohne Brisanz, handelte es sich doch um eine Scheidelinie, die nicht zwischen Christen und Ungläubigen verlief, sondern mitten durch die christliche Gesellschaft. Alexanders Warnung vor der Verehrung falscher Heiliger fällt nicht von ungefähr mit einem höchst prominenten Martyriumsfall zusammen, der die Christenheit weit mehr beschäftigte als der des unbekannten Schweden: Etwa zur selben Zeit, 7 8

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Vgl. ebd., 25. Vgl. ANgeNeNDt, Offertorium (wie Anm. 2), 42–44; Gordon BleNNeMANN / Klaus HerBers, Das Martyrium als Denkfigur. Brüche und Entwicklungslinien in christlicher Perspektive, in: Vom Blutzeugen zum Glaubenszeugen (wie Anm. 3), 7–20, hier 11; ANgeNeNDt, Blut, Sündenbock, Eucharistie (wie Anm. 2); Ders., Das geistliche Opfer, in: Vom Blutzeugen zum Glaubenszeugen (wie Anm. 3), 289–306. Vgl. geMeiNHArDt, Non poena (wie Anm. 3), 35. Vgl. den Beitrag von Steffen Hope in diesem Band.

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nämlich am 21. Februar 1173, kanonisierte der Papst Thomas Becket, den Erzbischof von Canterbury, der nur gut zwei Jahre zuvor, am 29. Dezember 1170, nach einem langen Streit mit seinem König um die Freiheiten der englischen Kirche und einem mehrjährigen Exil während des Vespergebets in seiner Kathedrale von vier Gefolgsmännern Heinrichs II. erschlagen worden war, und erklärte ihn wegen seines Kampfes zum Märtyrer pro iustitia Dei et ecclesiae11. Die sacra contentio zwischen Heinrich II. und Thomas Becket betraf zwei Mitglieder derselben Glaubensgemeinschaft, die innerhalb desselben politischen und theologischen Referenzsystems argumentierten. Der Konflikt drehte sich nicht um die relativ simple Unterscheidung zwischen dem wahren und dem falschen Glauben, sondern um komplexe theologische Zusammenhänge. In einer solchen Situation bedeutete ein Glaubenszeugnis ablegen: seine Position im innerchristlichen Disput um den rechten Zustand der Kirche nicht verfälschen zu lassen und hierfür den Tod billigend in Kauf zu nehmen12. Diese Vorstellung liegt dem Modell des Martyriums pro liber­ tate / pro defensione ecclesiae zugrunde, das mit Becket seinen Prototypen gefunden hat. Es wäre zu fragen, inwiefern die im 13. Jahrhundert kanonisierten Märtyrer Stanislas von Krakau (†1079), Petrus von Castelnau (†1208) und Petrus Martyr (†1252) – letztere fanden im Zusammenhang mit der Verfolgung der Katharer den Tod – an diesem Typus modelliert sind13. Einer der nie offiziell heiliggesprochenen Märtyrer in der Nachfolge Beckets, zu Lebzeiten ähnlich prominent wie dieser, war Engelbert, Erzbischof von Köln, Graf von Berg und Reichsverweser Friedrichs II. Wegen einer Auseinandersetzung mit seinem Neffen Friedrich von Isenberg um die Ausübung der Vogtei des Klosters Essen fiel er 1225 einem Attentat zum Opfer, das auf eine Verschwörung des durch Engelbert geschädigten lokalen Adels zurückging und das von den Zeitgenossen als geplanter Mordanschlag gedeutet wurde14. Engelberts Hagiograph, der Zisterzienser Caesarius von Heisterbach, stilisierte ihn in seiner Vita ganz explizit zum Märtyrer und zum neuen Thomas Becket. Im Folgenden sollen die Umstände, die Gründe und der Erfolg dieses doppelten Transfers analysiert werden: Wie wurde die traditionelle Martyriumsidee an den Fall Beckets adaptiert, und wie wiederum wurde sie von dort auf Engelbert übertragen? Welche neuen Begründungsstrategien wurden entwickelt, auf welche bekannten Referenzautoritäten und Argumente wurde zurückgegriffen, und welche Medien der zeichenhaften Vermittlung wurden gefunden? Die eingangs referierten Leitkriterien sollen den Leitfaden der Analyse bilden: Es geht um die causa im Sinne von Inhalt und Kontext des Martyriums, um die poena, die Passion bzw. das Sterben und ihre Inszenierungsformen, und um den Prozess der Zuschreibung und Begründung. Neben hagiographischen und historiographischen Zeugnissen werden auch Bildzeugnisse hinzugezogen. Zur Analyse wird deshalb ein semantischer und semiotischer Ansatz gewählt.

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Alexander III. an den Bischof von Angers, MTB (wie Anm. 15) VII, Nr. 785, 549. Vgl. geMeiNHArDt, Non poena (wie Anm. 3), 33. Vgl. Peter geMeiNHArDt, Märtyrer und Martyriumsdeutungen von der Antike bis zur Reformation, Zeitschrift für Kirchengeschichte 120 (2009), 289–322, hier 311. Zu den mutmaßlichen Hintergründen s. Anm. 84.

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II. TRANSFER 1: THOMAS BECKET Im Falle Beckets haben wir es mit einem riesigen Dossier zu tun. Der Briefwechsel, 1174 von Alan von Tewkesbury zusammengestellt, umfasst nahezu 500 Stücke15. Hinzu kommen zehn Viten, entstanden noch vor 119016, sowie etliche zeitgenössische Chroniken, darunter diejenigen Roberts von Thorigny, Wilhelms von Newburgh und Rogers von Howden17. Beckets Leben und Sterben war in einen umfassenden Diskurs eingebettet, in dem Deutungen erzeugt, fortwährend modifiziert und gegebenenfalls auch wieder (vorläufig) stillgelegt wurden18. Eine wichtige Rolle in diesem Diskurs spielten die so genannten eruditi s. Thomae, eine Gruppe von ihm nahestehenden, theologisch und kanonistisch geschulten Klerikern, die seiner Causa das intellektuelle und rhetorische Fundament verliehen und als Briefund Vitenautoren auch an der Formung seines Kultes maßgeblich beteiligt waren19. Unter ihnen ist Johannes von Salisbury besonders hervorzuheben. Er war neben 15

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Vgl. Anne DuggAN, Thomas Becket. A Textual History of his Letters, Oxford 1980; Edition: The Correspondence of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury 1162–1170, 2 Bde., lat.engl., hg. v. Anne DuggAN (Oxford Medieval Texts), Oxford 2000 (künftig CTB; enthält alle Briefe von und an Thomas Becket). Zur Ergänzung unverzichtbar sind die Briefe Johannes’ von Salisbury: The Letters of John of Salisbury, Bd. 2: The Later Letters (1163–1180), hg. v. W. J. Millor / c. N. l. Brooke, Oxford 1979 (künftig LJvS). Eine weitgehend vollständige Edition aller relevanten Briefzeugnisse zum Becketstreit in: Materials for the History of Thomas Becket, 7 Bde., hg. v. James c. roBertsoN (Rolls Series 67, 1–7), London 1875–85 (künftig MTB), Bde. 5–7. Zehn der überaus zahlreichen Lebensbeschreibungen sind noch vor 1190 entstanden; es sind dies die lateinischen Viten von Johannes von Salisbury (1171, künftig JvS, ergänzt 1176 durch Alan von Tewkesbury: AT, in: Rolls Series 67, 1, 299–352), Edward Grim (1171–72, EG, in: Rolls Series 67, 1, 353–450), dem sog. Anonymus II‚ von Lambeth (1172–73, A II, in: Rolls Series 67,4, 80–144), Wilhelm von Canterbury (1173–74, WvC, einschl. Mirakelsammlung, in: Rolls Series 67,1), Wilhelm Fitz Stephen (1173–74, WfS, in: Rolls Series 673, 1–154), dem Anonymus I (vielleicht Roger von Pontigny, 1176–77, A I, in: Rolls Series 67,4, 1–79), Herbert von Bosham (1184–86, HvB, in: Rolls Series 67, 3, 155–534). Hinzu kommen ein nur als Passio erhaltenes Vitenfragment nebst Mirakelsammlung des Benedict von Peterborough (1173– 34, BvP, in: Rolls Series 67,2, 1–283) und ein französisches Versepos des Guernes von PontSainte-Maxence (1174, GPM). Eine weitere Vita (Robert von Cricklade, 1173–74) ist heute verloren. Der neueste Überblick über die gesamte zeitgenössische Überlieferung bei JANseN, Thomas Becket (wie Anm. 18), 24–30 (Briefe), 33–42 (Viten); über die Viten: Michael stAuNtoN, Thomas Becket and his Biographers (Studies in the History of Medieval Religion 28), Woodbridge 2006. Vgl. JANseN, Thomas Becket (wie Anm. 18), 31–49; außerdem ein zeitgenössisches Pamphlet, die Summa causa inter Regem et Thomam. Zur diskursiven Erinnerungsproduktion grundlegend Stefanie JANseN, Wo ist Thomas Becket? Der ermordete Heilige zwischen Erinnerung und Erzählung (Historische Studien 465), Husum 2002. Vgl. Anne DuggAN, John of Salisbury and Thomas Becket, The World of John of Salisbury, hg. v. Michael Wilks, Oxford 1984, 427–438; Yoko HirAtA, John of Salisbury and Thomas Becket: The Making of a Martyr, Medieval History 2 (1992), 18–25; Frank BArloW, John of Salisbury and His Brothers, Journal of Ecclesiastical History 46 (1995), 95–109; Cary J. NeDerMAN, John of Salisbury (Medieval and Renaissance Texts and Studies 288), Tempe 2005; Karen BollerMANN / Cary J. NeDerMAN, John of Salisbury and Thomas Becket, in: A Compa-

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Edward Grim und Benedict von Peterborough einer der Augenzeugen des Mordes und schrieb die erste Becket-Vita, die dann das Vorbild für die Engelbertvita des Caesarius von Heisterbach wurde. Aus diesem Grund konzentriere ich mich hier auf diese 1171 entstandene Vita des Johannes von Salisbury, denn hier wird die Übertragung des Martyriumsmodells auf den Becket-Fall zum ersten Mal und in konziser sowie zugleich gültiger Form vorgetragen. Zugleich kommt ihr – trotz oder wegen ihrer Kürze – in der Verbreitungsgeschichte eine größere Bedeutung zu, als die Forschung ihr bis heute einzuräumen bereit ist20. Die Überlieferung der Vita ist noch nicht abschließend untersucht. Sie bildet den Beginn der von Alan von Tewkesbury zwischen 1176 und 1186 zusammengestellten Brief- und Dokumentensammlung zum Fall Becket und geht auf einen Brief (Ex insperato) an den Bischof Johannes von Poitiers zurück21, den Johannes von Salisbury 1171 unter dem unmittelbaren Eindruck der Tat verfasste und in dem er erstmals seine Deutung des Mordes als Martyrium vortrug. Um einige Aspekte der Vorgeschichte erweitert und von Alan von Tewkesbury erneut ergänzt, wurde der recht knappe Text dann mit der Brief- und Urkundensammlung zusammengefügt. Von dieser Sammlung haben sich zehn Handschriften erhalten22. In der Fassung der Vita, die auf Johannes selbst zurückgeht (sie wird hier berücksichtigt), steht die Darstellung des Martyriums an Thomas Becket und dessen Motiv, die Auseinandersetzung zwischen Thomas Becket und Heinrich II. um die englischen Rechtsgewohnheiten, insbesondere um den exklusiven geistlichen Gerichtsstand für straffällige Kleriker (privilegium fori), im Mittelpunkt. Dem Autor geht es in erster Linie um die theologische Rechtfertigung des Märtyrertitels vor dem Hintergrund der unmittelbar nach dem Mord einsetzenden Wallfahrt und der angestrebten Kanonisation, nicht um die erschöpfende Darstellung aller Le-

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nion to John of Salisbury, hg. v Christophe grellArD / Frédérique lAcHAuD (Brill’s Companions to the Christian Tradition 57), Leiden u. a. 2015, 63–104. Vgl. JvS, Vita Sancti Thomae Cantuariensis episcopi et martyris, MTB (wie Anm. 16) II, c. 7, 305; engl. Übersetzung: Anselm & Becket. Two Canterbury Saints’ Lives by John of Salisbury, transl. by Ronald A. pepiN (Medieval Sources in Translation 46), Toronto 2009. Zur Verbreitung: DuggAN, Textual History (wie Anm. 15), 98–145; knapper, aber auf einem neueren Stand: Dies., CTB (wie Anm. 15), lxxxi–xc. Stellvertretend für die vorherrschende Meinung hier die jüngste Einschätzung von Michael stAuNtoN, Thomas Becket and his Biographers (Studies in the History of Medieval Religion 28), Woodbridge 2006, 19: Für einen Gelehrten seines Formats und einen engen Vertrauten sei „John’s life of Thomas a disappointment.“ Eine Revision ähnlicher Urteile in der Analyse von BollerMANN/NeDerMANN, John of Salisbury (wie Anm. 19), 81–94. Sie analysieren – mit etwas anderem Tenor als dem hier vertretenem – die apologetischen Züge der Vita, die sie insgesamt als eher politisches denn theologisches „career profile“ (87) Beckets mit dem Ziel der Beförderung seiner Kanonisation deuten. Johannes von Salisbury, Brief Nr. 30 (Ex inesperato): Joannis Saresberiensis Opera omnia, vol. II: Epistolae, hg. v. J. A. giles, Oxford 1848, 251–258. Vgl. DuggAN, Textual History (wie Anm. 15), 98 f.; Dies., CTB (wie Anm. 15), lxxxi. Mögliche andere Überlieferungswege der Vita, z. B. in hagiographischen Sammelhandschriften, sind derzeit noch nicht systematisch untersucht worden.

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bens- und Konfliktdetails, die er glaubt als bekannt voraussetzen zu dürfen23. Das Martyrium schildert Johannes als gestreckten Vorgang, als langjährigen Kampf des Erzbischofs für das göttliche Gesetz und gegen den Teufel: Qui pro lege Dei sui tuenda et evacuandis abusionibus veterum tyrannorum certavit usque ad mortem24. Auch in die Diktion der Kanonisationsurkunden Alexanders III. ist diese Formel eingegangen25. Hiermit ist zugleich auch die causa benannt: Der Streit um die consuetudines regni war zugleich ein Kampf für das göttliche gegen das weltliche Gesetz und für die Sache der Kirche. Die Vita gestaltet den Weg zum Tod als fortschreitende Passio, als Stationendrama in der Nachfolge Christi. Seinen Ausgang nahm es mit der Promotion Beckets vom Archidiakon Erzbischof Theobalds von Canterbury zum Kanzler im Jahre 1155, seine Fortsetzung fand es mit der von Heinrich II. beförderten Berufung zum Erzbischof von Canterbury 1162, seinen Höhepunkt erreichte es im Jahr 1164 auf zwei Hoftagen, wo (in Clarendon) die Bischöfe einen vom König erzwungenen Schwur auf die consuetudines des Reiches zu leisten hatten und wo (in Northampton) Becket wegen seiner Revokation des zuvor geleisteten Eides verurteilt und ins Exil getrieben wurde; sein dramatisches Ende fand es schließlich mit dem Mord in der Kathedrale von Canterbury, wo Becket nach seiner Rückkehr nach England während des Vespergebetes am 29. Dezember 1170 von vier Gefolgsmännern des Königs erschlagen wurde. Diese Etappen sollen im Folgenden kurz abgeschritten werden. Bereits mit der Ernennung zum Kanzler Heinrichs II. 1155 begann nach Johannes von Salisbury der ‚verborgene‘ Teil von Beckets Martyrium. In seinem Bestreben, die zornige Natur des Königs zu bezähmen, litt er bis zum Lebensüberdruss unter der Mühsal (labor, onus) und den Anfeindungen (afflictiones) des Hofdienstes, den er nur unter Tränen erduldete26. Mit seiner Erhebung zum Erzbischof von Canterbury 1162 wurde dann der im Stillen angebahnte Sinneswandel offensichtlich. Johannes von Salisbury beschreibt ihn als conversio vom Diener des Königs zum Diener Gottes und imitator Christi: Schon bei seiner Wahl habe Thomas im Geiste die Sache der Kirche zu der seinen

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Vgl. JvS (wie Anm. 16), Prol., 302: Nam gestorum eius seriem nosse, si cui in voto est, a mag­ nis, qui ab illo et de illo scripta sunt voluminibus erit mutanda; ähnlich c. 22, 316. Ebd., 252. MTB (wie Anm. 15) VII, Nr. 785, 547: Quamvis autem de sanctitate eiusdem dubitare non possit, voluit tamen Salvator et Redemptor noster […], ut qui pro Christo insuperabilis virtutis constantia, necessitates et pericula pertulit, sui laboris et certaminis in eterna beatitudine cog­ noscatur ab omnibus percepisse triumphum; ebd., Nr. 786, 549 : gloriosissimum martyrem Thomam quondam Cantuariensem archiepiscopum, qui pro justitia Dei et ecclesiae decertarvit usque ad mortem, et […] a verbis impiorum non timuit, […] in terris venerari debemus [Hervorhebungen U. K.]. JvS (wie Anm. 16), c. 7, 305: In primis autem cancellariae suae auspiciis […] tot laboribus attritus est, tot afflicitionbus fere oppressus […] ut eum […] sub lacrymarum testimonio referre solitus erat, saepe in dies singulos taederet vivere, et post vitae aeternae desiderium super omnia optaret.

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gemacht und hierfür sein Leben in die Waagschale geworfen27. Mit seiner Konsekration dann habe er (der erst nach seiner Ernennung zum Erzbischof die Priesterweihe empfangen hatte) für alle sichtbar den alten Menschen abgelegt. Ohne dies explizit zu erwähnen, spielt Johannes hier darauf an, dass Becket, vom König völlig unerwartet, noch im selben Jahr vom Kanzleramt zurücktrat. Also wurde der, den Gott sich zum künftigen Bischof und Märtyrer ausersehen hatte, […] einmütig von allen gewählt. Nach seiner Weihe legte er den alten Menschen ab und zog den Mönch an, indem er den Leib mit seinen Lastern und Lüsten kreuzigte28.

Allen äußeren Luxus im Herzen verachtend (wiewohl ihm nach außen hin durchaus zugetan), handelte er wie ein Mönch und vorbildlicher Priester. Er bekleidete sich mit einem härenen, vor Ungeziefer starrenden Bußgewand, das er allerdings nur heimlich unter seinem bischöflichen Habit trug. Hervorgehoben werden nicht nur seine (vorwiegend nächtlich geübte) Frömmigkeit, sondern auch und besonders seine ausgeprägte Liebe zum Recht, seine Standhaftigkeit und Unbestechlichkeit und seine außergewöhnliche Eloquenz und Gelehrsamkeit29. Seit seiner Weihe vertrat Thomas Becket einen neuen Standpunkt, der sich zum Lebensthema und zur Ursache des Martyriums entwickelte: Intellektuell assistiert vom Kreis seiner eruditi, bezog er Position gegen den in England noch immer starken Patronat des Königs über die Kirche. Beckets Sinneswandel vom stolzen Höfling zum eifrigen Streiter für die Kirche wurde als erklärungsbedürftig empfunden, und Johannes von Salisbury greift zu folgender Deutung: Der alte Feind aber sah den ungeheuren Nutzen eines solchen Mannes für die Kirche Gottes und neidete es ihr, und damit die Welt nicht länger den erhofften Frieden genießen könne, erwählte er sich viele und mächtige Anstifter des Streites (discordiae), durch die er im Herzen des Königs und der Höflinge die Saat des Hasses legte. Als dann mit deren Zutun die Frage über die consuetudines des Reiches und das Kirchenrecht aufkam, stachelte er die Söhne des Verderbens zur Vernichtung des heiligen Mannes an, sie, die die Freiheit der Kirche zu untergraben trachteten30.

Zur Ursache des Zerwürfnisses, zum Zerstörer von Frieden und kirchlichen Freiheiten wird hier in theologisch-heilsgeschichtlicher Deutung der Teufel gemacht. Sein Handlanger ist der König. Nicht Thomas hat seine Gesinnung geändert, sondern der König und seine Anhänger sind zum Abfall von der Sache der Kirche verführt worden. Von der Ebene des persönlichen Streites und der freien Willensentscheidung, die die anderen Vitenautoren betonen, wird der Konflikt hier auf die Ebene eines von den höheren Mächten angestifteten Grundsatzkampfes zwischen Gut und Böse emporgehoben, in dem Thomas von Gott die Rolle des standhaften Kämpfers 27

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Ebd., c. 9, 306: firmiter in animo suo statuens aut enim de tantae servitutis miseria liberare aut ad imitationem Christi animam ponere pro ovibus suis.; c. 10: Ergo quem Deus sibi praeelege­ rat antistitem futurum et martyrem […] unanimiter ab omnibus electus est; c. 11: Consecratus autem, statim veterem exuit hominem, cilicium et monachum induit, carnem crucifigens cum vitiis et concupiscentiis suis. Ebd., c. 10, 306. Ebd., c. 11, 306 f. Ebd., c. 12, 309; zur Deutung JANseN, Thomas Becket (wie Anm. 18), 130 f.

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für die Kirche vorherbestimmt ist: als Wächter der kirchlichen Freiheit (assertor ecclesiasticae libertatis), als Hammer gegen die Tyrannen (malleus impiorum) und als „Turm in Jerusalem, der gegen Damaskus errichtet wurde“ (quasi turris erecta in Jerusalem contra faciem Damasci)31. Unter den Damaszenern verstand man in der Exegese des 12. Jahrhunderts in Anlehnung an Cant. 7,4 die Feinde der Kirche. Und er folgert: „Und wenn die Causa den Märtyrer macht, was jeder Gelehrte zweifellos für richtig erkennen wird, was ist richtiger, was heiliger als seine Sache32?“ Als Auslöser des öffentlichen Kampfes wird eine konkrete Situation ausgemacht: die Frage nach den englischen Rechtsgewohnheiten (consuetudines), die Heinrich 1164, von den Verleumdungen seiner teuflischen Berater zunehmend gegen Becket eingenommen, von seinen Bischöfen feierlich beschwören lassen wollte, wogegen sich die Bischöfe unter der Führung Beckets heftig sträubten, waren doch in diesen mündlich tradierten Gewohnheiten die Einschränkungen der kirchlichen Freiheiten grundgelegt. Ihre Position: Dass sie dem König in den Dingen, die Gottes sind, zwar gehorsamst folgen wollten, aber kein anderes Versprechen machen noch eine Verpflichtung ihm gegenüber eingehen wollten als solche, die mit ihrem Stand vereinbar seien33.

So standen Becket und seine Mitbischöfe vor der Alternative, entweder den Glauben und das Heil aufs Spiel setzen oder aber die Einheit der Kirche und das eigene Leben. Mit Einschüchterungen und Beschwörungen gelang es dem König in Clarendon, die Bischöfe zum pauschalen Schwur auf die inhaltlich nicht näher bestimmten consuetudines zu bewegen. Becket, der Primas, der sich zuvor den Zerstörern der kirchlichen Einheit wie „die Mauer um das Haus Israel“ entgegengestellt hatte (opponens se murum solidissimum pro domo Israel, Ez 13,5), war aus Angst vor dem königlichen Zorn und aus Sorge um das Leben seiner Mitbischöfe umgefallen, hatte vor dem König „das Knie gebeugt“34. Viele Details dieses komplexen Handlungsgewebes spart der summarische Bericht Johannes’ von Salisbury aus. Ihm geht es, wie gesehen, nicht um eine detaillierte Rekapitulation der Einzelheiten, sondern um eine schlüssige Deutung des Gesamtgeschehens. Dennoch seien einige dieser Details zum besseren Verständnis

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Ebd., c. 22, 317; vgl. Cant 7,4 (Nasus tuus sicut turris Libani in Ierusalem erecta contra faciem Damasci). Damaskus wird in der Exegese des 12. Jahrhunderts mit bibens oder potus sangui­ nem übersetzt und steht sinnbildlich für die Feinde der Kirche, so z. B. bei Anselm von Laon: Fuit namque Damascus semper contraria contra Ierusalem et interpretatur Damascus potus sanguinis per quem significantur persecutores sanguinolenti (Enarrat. in Cant. cant., PL 162, 220). Ähnlich auch Rupert von Deutz, Commentarii in Cant. cant VI (PL 168, 945); vgl. HilkA, Wundergeschichten (wie Anm. 82), 269, Anm. 2. Dieselbe Formulierung wie bei JvS findet sich auch in der Engelbertvita, ebd.: turris Valantie destructa est et eadem die a prioribus turris contra faciem Damasci Colonie erecta est. JvS (wie Anm. 16), c. 22, 317: Et si causa martyrem faccit, quod nulli rectum sapienti venit in dubium, quid justius, quid sanctius causa ejus? Auch diese Formulierung in der VE III, Prol. (wie Anm. 82), 283: quia si causa martirem facit, sicut et facit, et ipse vere martir est. Ebd., c. 14, 31: ut regi in his quae Dei sunt devotissime parerent, nec aliquam facerent promis­ sionem aut obligationem cum eo inirent nisi quatenus possent salvo ordine suo. JANseN, Thomas Becket (wie Anm. 18), 51. Alle Quellenzitate: JvS, c. 14, 310.

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hier nachgetragen35: Nach dem kollektiv geleisteten Eid der Bischöfe unter der Führung Beckets ließ der König zur Vermeidung künftiger Missverständnisse, oder, wie Johannes von Salisbury insinuiert, vom Teufel angestachelt, den Inhalt der con­ suetudines – genau genommen nur die das Verhältnis von Königtum und Kirche betreffenden Teile – schriftlich aufzeichnen und von den Bischöfen besiegeln. Hierdurch wurde der auf eine diffuse Rechtsmaterie geleistete Eid nachträglich expliziert – und zwar ganz gegen die Intention der Bischöfe. Becket verweigerte die Besiegelung des als ‚Konstitutionen von Clarendon‘ bekannt gewordenen Dokuments und widerrief einige Zeit später seinen Eid, woraufhin dann das Zerwürfnis mit dem König besiegelt war. Die „Konstitutionen“ von Clarendon, von Thomas Becket und seinen Anhängern später als abominationes, pravitates oder Cleridam­ num tituliert, waren der Dreh- und Angelpunkt, das handhafte Unterpfand der causa Beckets, erst recht, als dieser sie 1166 in einem feierlichen Akt öffentlich zerriss und ihre Autoren exkommunizierte36. Zuvor jedoch kam es noch einmal zu einer folgenreichen Begegnung zwischen Becket und Heinrich, in der die Finalität des für Becket letztlich tödlichen Zerwürfnisses mit dem König allen vor Augen geführt wurde. Auf dem Hoftag von Northampton sollte Becket, dem „meineidigen Verräter“ (proditor meus et perju­ rus)37, der Prozess gemacht werden – nicht nach göttlichem, das heißt kanonischem Recht, wie im privilegium fori beansprucht, sondern nach dem „unrechten Gesetz“ des Königs (iure iniquo)38. Prozessdetails werden wiederum sehr knapp (und offensichtlich nicht ganz tatsachengetreu) resümiert und gipfeln in einer eindrucksvollen Schilderung des dramatischen Kulminationspunktes: Als die Barone das endgültige (und vernichtende) Urteil über Becket sprechen sollten, ergriff dieser sein Vortragekreuz, „das er in seiner Hand hielt und das er stets in seinem Herzen und an seinem Körper trug und verließ das verderbliche Gericht, derweil die Niederträchtigen schrien, er solle als Verräter ergriffen und nach dem Recht gehängt werden“39. Offenbar hatte er, folgt man dem Bericht der späteren Vita des William FitzStephen, das Kreuz schon beim Einzug in den Versammlungssaal als demonstratives Zeichen seiner geistlichen Würde eigenhändig vor sich hergetragen und diese Szene dadurch vorbereitet, dass er zuvor eine Messe gelesen hatte – nach dem Formular des Erzmärtyrers Stephanus, deren Introitus ihm als geeignetes Tages- und künftiges Lebensmotto erscheinen mochte: Etenim sederunt principes et adversum me loque­ 35

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Ich verweise neben der unter Anm. 40 genannten biographischen Literatur hier nur auf die zusammenfassende Darstellung bei Uta kleiNe, Der weite Weg von Clarendon nach Canterbury. Neue Überlegungen zu pragmatischen und symbolischen Dimensionen politischen Ritualhandelns am Beispiel des Becketstreits, HZ 290 (2010), 226–279, hier 634–646; sowie JANseN, Thomas Becket (wie Anm. 18), 129–152. Hier auch die jeweiligen Quellenverweise. Vgl. kleiNe, Der weite Weg (wie Anm. 35), 651. Heinrich an Ludwig VII., MTB V, Nr. 71, 134. JvS (wie Anm. 16), c. 16, 312. Ebd., c. 17, 312: vir sanctus crucem Dei quam manu tenebat et quam iugiter circumferebat in corde et corpore suo, in altum erigens, a funesta discessit curia, succlamantibus impiis eum rapiendum et porditorem et merito suspendendum, et ut titulum Domini sui fidelis servus ag­ nosceret, fere undique audiebat: Crucifige, crucifige eum! Ipse autem transiens per medium illorum ibat.

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bantur (Ps 118, 23)40. Durch den wohl bedachten rituellen Einsatz seines Kreuzes erzürnte er den König derart, dass er, Becket, wiederum zu dieser seiner Insignie griff, als er, begleitet von den Kreuzigungsrufen der Barone, den Saal verließ: Und damit der treue Diener erkenne, dass der Ehrentitel des Herrn auch ihm gebühre, hörte er von bald jeder Seite: ‚Kreuzige, kreuzige ihn!‘ Doch er schritt durch ihre Mitte und ging davon41.

Noch in der selben Nacht bestieg er ein Schiff und floh aus England. Ihrem symbolischen Gehalt nach war diese Geste eine schwere Provokation: Thomas Becket inszenierte sein Kreuz als gezückte geistliche Waffe, analog zum weltlichen, aber ungezückten Schwert der Barone, und demonstrierte so im Einklang mit den Zielen der Kirchenreform die Überlegenheit des geistlichen über das weltliche Schwert. Dem Chronisten Roger von Howden zufolge soll Beckets schärfster Gegner, Bischof Gilbert Foliot von London, versucht haben, Becket das Kreuz zu entreißen und ihm zu drohen: Er komme mit einem Kreuz bewehrt zum Hof, wo doch der König ein viel schärferes Schwert habe. Woraufhin Becket geantwortet habe: „Wenn das Schwert des Königs die Körper im Fleische tötet, dann trifft mein Schwert im Geist und sendet die Seele in die Hölle“42. Zugleich kann, wie die zweifellos stilisierten Kreuzigungsrufe der Barone zeigen, das Kreuz auch als vorausweisendes Zeichen auf die Passion Christi verstanden werden. In diesem Sinne, als bereits auf den Märtyrertod vorausweisende Gerichts- und Bekenntnisszene, wurde Northampton nicht erst von den Vitenautoren gedeutet, sondern schon von Becket selbst. Für ihn war Northampton der Moment, „als in uns Christus erneut vor das Gericht des Fürsten gezogen wurde, in uns noch einmal gekreuzigt werden sollte“43. Auch Johannes von Salisbury folgt diesem Bild der übersteigerten Christusmimese: 40

WFS (wie Anm. 16), 56 f. Zu dieser Szene und ihrer Deutung verweise ich auf die einschlägige biographische Literatur: Anne DuggAN, Thomas Becket, London 2004, 73–83; Hanna vollrAtH, Thomas Becket. Höfling und Heiliger (Persönlichkeit und Geschichte 164), Göttingen/ Zürich 2002, 96 f.; Frank BArloW, Thomas Becket, London 1986, 108–114; Wilfried L. WArreN, Henry II, London 21977, 485–489; sowie auf Martin Aurell, Le meurtre de Thomas Becket: Les gestes d’un martyr, in: Bischofsmord im Mittelalter – Murder of Bishops, hg. v. Natalie FryDe / Dirk reitz (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 191), Göttingen 2003, 187–210, hier 191–196. Zu den symbolischen Dimensionen politischen Handelns im Becketstreit vgl. auch Hanna vollrAtH, Gestes, paroles et emportements au Moyen Age. Thomas Becket et le monde gestuel de son temps (Conférences annuelles de l’Institut Historique Allemand 9), Ostfildern 2003; timothy reuter, ‚Velle sibi fieri in forma hac‘. Symbolisches Handeln im Becketstreit, in: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter hg. v. Gerd AltHoFF (Vorträge und Forschungen 51), Stuttgart 2001, 200–225. Ein methodisch konziser Überblick aus kulturgeschichtlicher Perspektive: Barbara StolBergriliNger, Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Thesen – Forschungsperspektiven, ZHF 31 (2004), 489–527. 41 JvS (wie Anm. 16), c. 17, 312 f. 42 Aurell, Le meurtre (wie Anm. 40), 194. Das Zitat bei Roger von Howden, Chronica, hg. v. William stuBBs, Bd. 1 (Rolls Series 51), London 1868, 226 f.: Si gladius regis carnaliter cor­ pora caedit, gladius meus spiritualiter percutit, et animam mittit in Gehennam. 43 CTB (wie Anm. 15), Nr. 65, 252 (1166): dum traheretur iterum ante tribunal principis, cum iterum pararetur Dominus Iesus Christus crucifigi in nos; ähnlich CTB Nr. 95, 394 aus demselben Jahr.

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Uta Kleine [Christus] wurde, wenn auch zu unrecht, vor einem Gericht verurteilt […], und er wurde, damit nicht der Sabbat entheiligt und die Stadt befleckt werde […], zum Stadttor hinausgeführt und gekreuzigt, durch die Hand der Heiden, die Gott nicht kennen und durch die Kraft der öffentlichen Gewalt, er wurde von denen angeklagt, deren Gesetz er, wenn auch nur scheinbar, gebrochen hatte. […] Doch jener [Becket] wurde nicht nur in der Stadt, sondern sogar in der Kirche getötet; nicht zu einer profanen Zeit, sondern an einem Tag, wo man noch das Fest der Geburt Christi feierte, […] damit er, der unschuldig gelebt hatte, dem Festtag der unschuldigen Kinder folge. Und tatsächlich waren es, wie man glaubt, seine Jünger, die Verräter, die seinen Tod herbeiführten, und die Hohenpriester, die es planten. Sie übertrafen in ihrer Bosheit selbst Annas und Kaiphas, Pilatus und Herodes, denn sie achteten sorgsam darauf, dass er seinen Anklägern nicht gegenübergestellt oder vor einen Richter geführt wurde, dass er nicht durch das Vorrecht des heiligen Ortes oder der heiligen Zeit, nicht durch Amt oder Rang, nicht wegen des soeben geschlossenen Friedens oder der ihm zugestandenen Sicherheiten ihren verruchten Händen entkomme. Es waren nicht die Hände von Heiden oder von Feinden, sondern von jenen, die sich zum Gesetz Gottes und zur Treue der Freundschaft bekannten44.

Genau hierfür steht die Gerichtsszene in Northampton: Sie ist das öffentliche Glaubensbekenntnis, mit dem Thomas Becket sich letztlich zum Tode verurteilte. Der Streit um die consuetudines wurde zum Streit für die Freiheit der verfolgten Kirche und Thomas Becket ihre Verkörperung. Im Selbstverständnis Thomas Beckets, so für uns brieflich fassbar, und in dem seiner Vitenautoren war das gewaltsame Ende des Konfliktes gleichsam unausweichlich. Doch scheint es, als sei die symbolische Kontinuität zwischen Leben und Sterben zunächst einer merkwürdigen Kette von Zufällen geschuldet, die sich erst im Nachhinein in das Muster vom vorausgewussten Martyrium fügen sollten. Vom steigenden Zorn Heinrichs auf Becket fühlten sich vier königliche Vasallen dazu aufgerufen, den Becketstreit, wie sie meinten, in des Königs Sinne zu entscheiden. In der Weihnachtsoktav, am 29. Dezember 1170, erschlugen sie den Erzbischof, der sich gerade zum Chorgebet in die Kirche begeben hatte, vor dem Altar und richteten den Leichnam auf grausame Weise zu, indem sie seine Schädeldecke auf der Höhe seiner Tonsur (corona)45 abhieben, die austretende Hirnmasse mit ihren Schwertern auf dem Boden verteilten und den Kopf mit den Füßen traten46. Um das Ausmaß der Tat noch zu steigern, werden bei Johannes von Salisbury, wie gesehen, neben den physischen Verletzungen auch die Verletzungen der göttlichen und menschlichen Gesetze aufgezählt: Der Mord geschah an heiliger Stelle und zur heiligen Zeit, ja, schlimmer noch, Becket wurde nicht von Ungläubigen hingemordet, sondern starb durch die Hand der eigenen Glaubensgenossen. Geschickt wird hier das ‚klassische‘ Martyriumsmodell umgekehrt: Gilt dort der Tod an profaner Stelle, in der Arena oder auf dem Richtplatz, (die durch das vergossene 44

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JvS (wie Anm. 16), c. 23, 318: Christus enim, ne civitas foedaretur ne pollueretur abbatum, iudicio licet iniquo praedampnatus […] ab urbe deductus extra portam crucifixus est, ministe­ rio utique gentilium qui Deum non noverant, et auctoritate publicae potestatis, his reum defe­ rentibus quorum legem visus est impugnare […] traditores […] diligentius praecaverunt ne in judicium traheretur, ne conveniretur ab accusatoribus, ne appareret ante faciem praesidis, ne priviliegio sacri loci vel temporis, aut dignitas, aut gradus, aut reformate pacis; non gentilium, non hostilium sed eorum qui legem Dei profitebantur et amicorum fidem. Ebd., c. 24, 319 f. Zur symbolischen Deutung dieser Szene vgl. auch Aurell, Le meurtre (wie Anm. 40), 204–210.

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Blut sakralisiert wird) als Normalfall, so wird hier das Gegenteil, der Mord an geheiligter Stätte (die durch das Blutvergießen entweiht wird) als Signum besonderer Schändlichkeit und folglich als Zeichen eines märtyrerhaften Todes verstanden. Auch der Vergleich mit der Passion Christi wird in der Mordschilderung weiter akzentuiert. Der bekannte Dialog zwischen Becket und seinen Mördern ist an der Gethsemane-Szene modelliert: Auf die Frage: Ubi est archiepiscopus? soll dieser geantwortet haben: Ecce ego. Quid vultis? Er sei bereit, für Gott und zur Bekräftigung von Gesetz und Freiheit der Kirche zu sterben (pro assertione juistitae et ecclesiae libertate), wenn durch sein Blut Frieden und Freiheit der Kirche wiederhergestellt würden. Doch seine Begleiter bittet er zu verschonen – in Nachahmung der bekannten Christusworte: „Suchet ihr mich, so lasset diese gehen“ (Joh 18,8). Dann erwartete er mit geneigtem Haupt die tödlichen Schläge47. Beckets Worte, seine willige Annahme des Martyriums ohne Gegenwehr, Heinrichs pilatusgleiches Urteil und der feige Gehorsam der Täter, schließlich die Plünderung des erzbischöflichen Palasts und die Verteilung seiner Habe unter den Mördern48, dazu die Schädelwunde, die von Johannes als Symbol der Märtyrerkrone (corona) gedeutet wird, und die Farbsymbolik von Blut und (weißer) Hirnmasse – all diese Zeichen fügten sich in die Symbolik von Beckets öffentlicher Rolle und überhöhten diese posthum durch die Apotheose des tatsächlich erlittenen Martyriums49. Auch nach dem Tode blieb er, was er im Leben zu sein beansprucht hatte: die Personifikation der leidenden Kirche Christi. III. TRANSFER 2: VON CANTERBURY NACH KÖLN: IKONOGRAPHIE UND RELIQUIEN ALS MEDIEN DER KULTVERBREITUNG Es handelt sich um ein überaus wirkmächtiges Bild, das einer überzeugenden These Paul Binskis zufolge auch in der Gestaltung der zwischen 1179 und 1184 errichteten Trinity Chapel der Kathedrale von Canterbury aufgegriffen wurde: Sie ist als kranzförmiger Choranbau gestaltet, außen mit Türmchen bekrönt und innen mit roten Porphyr- und cremeweißen Kalksteinsäulen ausgestattet und symbolisiert in vieldeutiger Weise sowohl das Martyrium als spirituelles Königtum (Porphyr) als auch die Farben von Blut und Hirnmasse und die corona in ihren unterschiedlichen Bedeutungsnuancen (Märtyrerkrone, Siegeskranz, aber auch: Tonsur). Gerahmt wird der Bau durch einen Kranz von Fenstern mit Szenen aus dem Leben und den Wundern Thomas Beckets. In seiner Mitte war der nach der Elevation 1220 für die Gebeine geschaffene, in der Reformation zerstörte Schrein platziert. In der Rezeption der Becketvita wird der Mord in der Kathedrale als finale Etappe des Martyriums zur emblematischen Szene, die in der reichen Ikonographie seines Kultes immer wieder aufgegriffen wurde: Die corona dargestellt als vom 47 48 49

Die Szene samt dem Zitat der Christusworte: Vgl. JvS c. 24, 319 f. Vgl. Ebd., c. 26, 321. Vgl. hierzu Aurell, Le Meurtre (wie Anm. 40), 208; zur Farbsymbolik Paul BiNski, Becket’s Crown. Art and Imagination in Gothic England, 1170–1300, New Haven/London 2004, 7–12.

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Schwert durchschlagene Tonsur oder, wie in einer Statue in der Kathedrale von Wells, als abgeschlagene und von einem Kranz bekrönte Schädeldecke, wird zu einem speziellen Märtyrerattribut Beckets50. Hinzu kommen in unterschiedlichen Kombinationen die Elemente Altar, Kreuz und Schwert. Ein frühes und stilbildendes Beispiel für diese Gestaltung des Martyriumsmotivs findet sich in einer Miniatur aus der ältesten erhaltenen Handschrift mit der Vita Johannes’ von Salisbury (1180–1190)51. Hier wird die Idee des Blutopfers ikonographisch noch weiter verdeutlicht als im Text: Das obere Register zeigt links den nimbierten Thomas im Pontifikalornat mit zwei tonsurierten Begleitern beim Mahl. Ein dritter Geistlicher, durch eine Tür in der Bildmitte hereintretend, kündigt die Ankunft von vier geharnischten Männern an, die dämonenhaft im nächtlichen Schatten jenseits der Tür verharren. Ihren Gebärden nach sind sie in drohender Absicht gekommen. Das untere Bildregister zeigt Becket, wiederum in vollem Messornat, im Eingang zur Kirche. Kniend, mit geneigtem Haupt und herabgefallener Mitra, bietet er sich den vier nun auch bewaffneten Männern als Opfer dar. Begleitet ist er diesmal nur von seinem Kreuzträger. Fast überdeutlich ist das Schwert gezeichnet, das sein Haupt auf der Höhe der Tonsur durchschneidet und mit demselben Schlag auch noch den Arm des Begleiters zu treffen scheint – so war es Edward Grim ergangen. Hinter Thomas, im Innern der Kirche, ist der zur Messe gerüstete Altar mit Kreuz und Kelch zu sehen. Der äußerste rechte Bildteil zeigt drei vor bzw. unter einem kerzengeschmückten Grab kniende Wallfahrer. Durch die Parallelisierung von Abendmahlsszene und dem folgenden Selbstopfer im Angesicht des Messaltars wird das Motiv der Christusmimese zur quasi eucharistischen Handlung gesteigert. Es handelt sich um die bildhafte Umsetzung einer Idee, die schon im Text anklingt, wo es heißt, dass sich Becket, nachdem er zuvor seinen Leib durch Askese und Körperstrafen gereinigt hatte, vor dem Altar als hostia viva seinen Mördern darbot: immolatus […] in eccclesia […], coram altari, inter consacerdotes52. Die letzte Bildszene steht für die Beglaubigung seines Martyriums: Durch die große Zahl seiner posthumen Wunder hatte Gott das Urteil über seine Heiligkeit gesprochen. Auch hierzu findet sich eine textliche Parallele, denn Johannes lässt die Vita s. Thomae mit einem Verweis auf die wundertätige Wallfahrt enden:

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So in einer Statue aus der Kathedrale von Wells, in der der Erzbischof seine bekränzte Schädeldecke in den Händen hält, vgl. BiNski, Becket’s Crown (wie Anm. 49), Abb. 12. Vgl. Alan von Tewkesbury, Collectio epistolarum s. Thomae Cantuariensis, BL MS Cotton Claudius B II, fol. 341; Ansicht unter: http://www.bl.uk/onlinegallery/onlineex/illmanus/ cottmanucoll/t/011cotclab00002u00341000.html [abgerufen am 31. Mai 2017]. JvS (wie Anm. 16), c. 22, 317. Anders als Ursula Nilgen möchte ich diesen Vorgang nicht als einen bewusst gedächtnisverformenden Akt verstehen, sondern als ‚Bildkommentar‘ im Sinne einer erläuternden oder vertiefenden ‚Glosse‘ (Ursula NilgeN, The Manipulated Memory. Thomas Becket in Legend and Art, in: Memory and Oblivion. Proceedings of the XXIXth International Congress of the History of Art held in Amsterdam, 1–7 September 1996, hg. v. Wessel reiNiNk / Jeroen stuMpel, Dordrecht 1999, 765–772, hier 766 f.).

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Hier, an diesem Ort, sind viele große Wunder zur Ehre des allmächtigen Gottes geschehen. Die Menschen drängen sich in Scharen, um an sich selbst oder an anderen die Macht und Gnade desjenigen zu erfahren, der immer wunderbar und herrlich ist in seinen Heiligen53.

In der Ikonographie löst sich das Martyriumsmotiv rasch vom Vitentext und wird – in vereinfachter Weise – in anderen Zusammenhängen aufgegriffen, so in einer Miniatur aus einem englischen Psalter von ca. 120054, wo die Opposition von Kreuz und Schwert sehr emblematisch gerät: Beide kreuzen sich im Zentrum der Darstellung, unter ihnen (und zum Altar hingeneigt) kniet Becket, wiederum mit herabgefallener Mitra und deutlich erkennbarer Tonsur (corona), auf die das Schwert des zweiten Geharnischten gerichtet ist. Ein Blick auf die frühen Bildzeugnisse bis ca. 1220 zeigt, dass hier eine Formel gefunden wurde, die in der reichen Ikonographie Thomas Beckets – eines der am häufigsten dargestellten Heiligen des späteren Mittelalters – modellhaft wurde55. Es handelte sich um eine einprägsame und (trotz der leichten Varianten) stets wiedererkennbare Darstellung, die poena und causa als zentrale Bestandteile des Martyriums in emblematisch verdichteter Weise zur Anschauung bringt: Als Mönchsbischof, mit Tonsur, Mitra und Kreuzinsignie personifiziert Thomas Becket die an ihrem Haupt getroffene Kirche. Durch die Nähe zum Altar, wo Kelch und/oder Patene auf das eucharistische Opfer verweisen, wird die Christusnachfolge angedeutet, die Becket durch sein Selbstopfer coram altare vollzieht. Mit der Opposition von Schwert und Kreuz wird schließlich auch für das Motiv, den Kampf von regnum und sacerdotium, eine treffende Formel gefunden.

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JvS (wie Anm. 16), c. 28, 322. Thomas Becket wird in der Kathedrale von Canterbury erschlagen: BL Harley MS 5102, fol. 32, Ansicht unter https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Thomas_Becket_Murder.JPG. Herangezogen wurde v. a. der exzellente Überblick bei Richard gAMesoN, The Early Imagery of Thomas Becket, in: Pilgrimage: The English Experience from Becket to Bunyan, hg. v. Colin Morris / peter roBerts, New York/Cambridge 2002, 46–89; sowie Paul BiNski, Becket’s Crown (wie Anm. 49). Zu Italien liegt vor: Costanza cipollAro / Veronika Decker, Shaping a Saint’s Identity. The Imagery of Thomas Becket in Medieval Italy, in: Medieval Art, Architecture & Archaeology at Canterbury, hg. v. Alixe Bovey, Leeds 2013, 116–138. Unentbehrlich die Inventare der Emailarbeiten aus Limoges: Simone cAuDroN, Thomas Becket et l’ œuvre de Limoges, Limoges 2003; Dies., La diffusion des châsses de saint Thomas Becket dans l’Europe médiévale, in: L’œuvre de Limoges et sa diffusion, hg. v. Danielle gABorit-Chopin / Frédéric tixier, Paris 2011, 23–41. Immer noch nützlich: der Überblick von Tankred BoreNius, St Thomas Becket in Art, London 1932; sowie die Bestandsübersicht bei BArtH, Zum Kult (wie Anm. 81). Zu den materiellen Zeugnissen der Wallfahrt: Sarah Blick, Votives, Images, Interaction and Pilgrimage to the Tomb and Shrine of St Thomas Becket, Canterbury Cathedral, in: Push Me, Pull You. Physical and Spatial Interaction in Late Medieval and Renaissance Art, hg. v. Ders. / Laura D. gelFAND, Bd. 2 (Studies in Medieval and Reformation Traditions 156/2), Leiden u. a. 2011, 21–58; der neueste Stand bei Paul WeBster, Introduction. The Cult of St Thomas Becket: An Historiographical Pilgrimage, in: The Cult of St Thomas Becket in the Plantagenet World, c. 1179 – c. 1220, hg. v. Paul WeBster / Marie-Pierre geliN, Woodbridge 2016, 1–24.

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Ganz ähnlich wie in der Miniatur ist das Motiv auch auf dem romanischen Taufstein der Kirche von Lyngsjö/Schweden gestaltet56. Auf dem Altar sind zudem Patene und Kelch zu erkennen, über den sich der Heilige Geist in Gestalt der Taube herabsenkt. Die Rückseite zeigt unter anderem Darstellungen der Taufe und der Auferstehung Christi57. Hier wird ein Zusammenhang zwischen Wasser und Blut, Taufe und Martyrium gestiftet, der sich auch in der Engelbertvita findet: Das priesterliche Selbstopfer wird als reinigende Bluttaufe verstanden, durch die die nach der ersten Taufe begangenen Sünden am wirkungsvollsten wieder abgewaschen werden können. So hatte es unter anderem bereits Tertullian vorgedacht58. Weitaus wirkungsvoller noch als diese eher raren und/oder immobilen Zeugnisse war die kultische Alltags- oder Massenware: handliche, in großer Stückzahl hergestellte und mobile Objekte, die zeigen, wie rasch weiträumig die Repräsentation des Becket-Martyriums ins Bewusstsein der Menschen eingedrungen war. Hierfür sprechen Objekte wie ein liturgischer Kamm aus der Zeit um 1200, auf dem die Mordszene von einem Engel (links, Becket-Seite) und einem Teufel (rechts, Seite der Mörder) flankiert und so zum Grundsatzkampf zwischen Gut und Böse erhoben wird59, ebenso wie eine Abtsmitra, die das Martyrium Beckets und dasjenige des Stephanus einander gegenüberstellt (Abbildung 1). Sie stammt aus dem niederbayerischen Zisterzienserinnenkloster Seligenthal, das eine dem hl. Thomas geweihte Kapelle besaß60. Die priesterlichen Benutzer konnten und sollten die Bildszene nicht nur als Dekor, sondern auch als moralischen Appell verstehen, die Lehren und Rechte der Kirche standhaft und bis zur letzten Konsequenz zu verteidigen. Vielleicht deshalb ist in beiden Darstellungen neben den bekannten Elementen deutlich auch ein aus der Kopfwunde hervorschießender Blutstrahl zu sehen; auf der Seligenthaler Mitra signalisiert zudem die aus der Himmelssphäre hervortretende Segenshand Gottes die himmlische Beglaubigung des Martyriums61. Neben diesen liturgischen Objekten sind schließlich noch die eigentlichen Kultzeugnisse – Reliquiare und Pilgerzeichen – zu beachten. Ihrer Zahl und Streuung nach stellten sie das ikonographische Hauptverbreitungsmedium dar. Schon vor der Translation der Gebeine 1220 zirkulierten Reliquien in großer Zahl, in Form von Blut, Hirn und Gewandpartikeln sowie ihren jeweiligen Behältern. Typisch für Canterbury waren die aus einer Blei-Zinn-Legierung bestehenden Pilgerampullen, die das viel bezeugte ‚Miracle Water‘ enthielten, das durch die Verdünnung winzi-

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Taufstein in der Kirche von Lyngsjö/Schweden (um 1190); Ansicht unter: https://commons. wikimedia.org/wiki/File:Lyngsjo_church_Sweden_7.jpg Neben der Mordszene ist auf dem Taufstein auch explizit Heinrichs Beauftragung der Mörder (durch eine Schriftrolle) sowie die Aufnahme Beckets in den Himmel dargestellt; auf der Gegenseite ferner die Berufung von Petrus und Paulus und die Krönung Mariens, vgl. gAMesoN, The Early Imagery (wie Anm. 55), 67, 78. Vgl. Anm. 2. Zum Motiv der Bluttaufe in der Engelbertvita s. Anm. 95. Abb. und Beschreibung bei gAMesoN, The Early Imagery (wie Anm. 55), 55. Vgl. BArtH, Zum Kult (wie Anm. 81), 154. Weitere Mitren sind für Seligenstadt/Hessen und für Sens bezeugt: BArtH, Zum Kult (wie Anm. 81), 155; gAMesoN, The Early Imagery (wie Anm. 55), 49.

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Abbildung 1: Mitra mit der Darstellung der Steinigung des heiligen Stephanus und der Ermordung des heiligen Thomas Becket; bestickte Seide; Höhe 17,3 cm © Bayerisches Nationalmuseum München: Inv. Nr. T 17, Foto Nr. D49647.

ger Mengen von Blut gewonnen und zu Heilungszwecken verwandt wurde62. Pilgerampullen sind schon früh bezeugt; die einfachen zeigen den Heiligen oder den Mord, die größeren auch Szenen aus Beckets Leben. Neben den für einfache Pilger bestimmten Ampullen mit Wunderwasser wurden auch solche mit unverdünntem Blut vergeben. Johannes von Salisbury besaß zwei fialae mit der kostbaren Blutreliquie63. Eine der erhaltenen Ampullen aus der Zeit um 1200 (Abbildung 2) zeigt, dass die entscheidenden Elemente des Martyriums – erkennbar sind noch Kreuz, Schwert und das nimbierte Haupt – selbst auf diesen nur wenigen Zentimeter großen Objekten zur Geltung gebracht werden konnten64. Die symbolische und materielle Allianz von Bluttat, Reliquie und Ampulle, von Ereignis, Inhalt und Behältnis, ist so schlicht wie sinnfällig. 62 63 64

Vgl. gAMesoN, The Early Imagery (wie Anm. 55), 48 f. Zum Wunderwasser Rachel koopMANs, Wonderful to Relate. Miracle Stories and Miracle Collecting in High Medieval England (The Middle Ages Series), Philadelphia 2011, 107 f. Vgl. gAMesoN, The Early Imagery (wie Anm. 55), 49; Karen BollerMANN / Cary J. NeDerMAN, A special Collection. John of Salisbury’s Relics of Saint Thomas Becket and Other Holy Martyrs, Mediaevistik 26 (2013), 163–182. Vgl. K. B. slocuM, Optimus Egrorum Medicus Fit Thomas Bonorum: Images of Saint Thomas as Healer, in: Death, Sickness and Health in Medieval Society and Culture, hg. v. S. riDyArD (Sewanee Medieval Studies 10), Sewanee, TN 2000, 485–488; Alyce A. JorDAN, The Water of Thomas Becket. Water as a Medium, Metaphor and Relic, in: The Nature and Function of Water, Baths, Bathing and Hygiene from Antiquity to the Renaissance, hg. v. Cynthia kosso / Anne scott (Technology and Change in History 11), Leiden 2009, 479–500; Abbildungen ähnlicher Objekte unter: http://britishmuseum.org/research/collection_online/collection_object_details.aspx?objectId=48450&partId=1&searchText=ampulla+becket&page=1 [abgerufen am 29. August 2017], Obj. Nr. 1921,0216.62 und 1891,=418.22.

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Abbildung 2: Pilgerampulle aus Canterbury (1170–1220), Blei­Zinn­Legierung, 100×87 mm; British Museum 1921,0216.62AN247427001. Die Rückseite zeigt eine ovale Darstellung des Martyriums mit der Beischrift: ‚+ OPTIM EGROR MEDIC FIT TOMA BONOR+.‘ © 2017 Trustees of the British Museum: 1921,0216.62AN247427001.

Ein besonderes Medium des Becketkultes stellten schließlich die bekannten Reliquienkästchen aus Limoges dar, die zwischen 1180 und 1220 in großen Serien produziert und exportiert wurden. Unter ihnen ragen diejenigen mit dem Becketmotiv zahlenmäßig besonders hervor: Von den geschätzten 100 Stück dieses Typs sind heute noch ca. 50 erhalten, 23 weitere kennt man aus Beschreibungen und Inventaren65. Die Kästchen zeigen eine standardisierte Ikonographie, die jedoch im Detail immer wieder variiert wird: Auf einer Längsseite ist die Martyriumsszene dargestellt, auf der Dachfläche darüber die Grablegung und/oder die recep­ tio animae, die Giebelfelder zeigen nicht näher bezeichnete Heilige; die Rückseite ist ornamental gestaltet. Die serielle Produktion der Châsses mit ihrem Dekor aus blauem Email, Grubenschmelz und vergoldetem Kupferblech spricht für den hohen Bedarf an diesen Objekten: Offensichtlich stellten Becket-Reliquien keine ausgesprochenen Raritäten dar. Für 24 der erhaltenen Stücke kann der mittelalterliche Bewahrort bestimmt werden66. Drei der sechs Schreine deutscher Provenienz sind im rheinisch-westfälischen Raum beheimatet: Es handelt sich um zwei heute im Museum Schnütgen aufbewahrte Reliquiar(teil)e, von denen das eine 65 66

Vgl. Marie-Madeleine gAutHier / Élisabeth ANtoiNe / Danielle gABorit-cHopiN, Corpus des émaux méridionaux, Bd. 2: L’apogée 1190–1215, Paris 2011, 43. Die Zahlenangaben sind widersprüchlich, so gibt Simone Caudron Folgendes an: acht aus Frankreich, sechs aus England, fünf aus Italien, zwei bzw. drei aus Deutschland und eines aus den Niederlanden, vgl. cAuDroN, La diffusion (wie Anm. 55). Für Deutschland hat, plausibler als Caudron, Stefan lANgeNBAHN, Thomas von Canterbury (wie Anm. 67), 54 m. Anm. 91, die von Marie-Madeleine Gauthier ursprünglich gezählten sieben Exemplare auf sechs reduziert; drei der einstmals im Museumsbesitz befindlichen Stücke sind heute in privater Hand.

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Abbildung 3: Becket­Reliquiar aus St. Maria im Kapitol (Limoges, 1185–1200); heute Museum Schnütgen Köln (21×17,8×8,4 cm) © Rheinisches Bildarchiv Köln: Marion Mennicken, rba_ rba_d038929_04.

wohl ursprünglich nach St. Maria im Kapitol gehörte (Abbildung 3)67, sowie um eine Châsse, die sich in der Pfarrkirche von Clarholz (Kr. Gütersloh) befindet (Abbildung 4). Möglicherweise gelangte das dortige Prämonstratenserstift St. Laurentius erst später in den Besitz der Becket-Reliquie. Nach neuesten Überlegungen könnten Schrein und Inhalt aus dem ca. 100 km entfernten Prämonstratenserstift Heiligenberg (Kr. Diepholz) gekommen sein, das dem hl. Thomas Becket geweiht war und eine kostbare Gewandreliquie (superpellicium quo indutus erat s. Thomas Cantuariensis dum martyrium fecit) besaß68. Bernd-Ulrich Hucker zufolge bestand hier ein Zusammenhang, indem das Kästchen nämlich ursprünglich von Heiligenberg für das Chorhemd Thomas Beckets erworben und dann – auf politischen und verwandtschaftlichen Wegen – nach Clarholz gegeben wurde69. 67

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So, nach erneuter Auswertung der Kölner Reliquienverzeichnisse, das Urteil von Klaus-Gereon Beuckers, Kiel, dem ich für den Hinweis herzlich danke. Vom zweiten hat sich nur noch die Platte der Schauseite erhalten (Inv. G 651), vgl. Stefan lANgeNBAHN, Thomas von Canterbury und die Prämonstratenser. Untersuchungen zum Clarholzer Reliquiar, in: Clarholtensis Ecclesia. Forschungen zur Geschichte der Prämonstratenser in Clarholz und Lette (1133–1803), hg. v. Johannes Meier (Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte 21), Paderborn 1984, 43–60, hier 54 m. Anm. 91; cAuDroN, La diffusion (wie Anm. 55), lokalisiert die Provenienz der Platte, für mich nicht identifizierbar, in der „église de Jourg [sic!] en Westphalie.“ Hier sind sicher noch weitere Nachforschungen nötig. Vgl. lANgeNBAHN, Thomas Becket (wie Anm. 67), 60; BArtH, Zum Kult (wie Anm. 81), 159. Vgl. Bernd-Ulrich Hucker, Neues vom untergegangenen Prämonstratenserstift Heiligenberg bei Bruchhausen-Vilsen, Alt-Hannoverscher Volkskalender auf das Jahr 2014, Bd. 142 (2013), 86–89: Die Gewandreliquie könnte über Otto IV. an seine Verwandten, die Grafen von Wernigerode und Gründer Heiligenbergs, gelangt sein. Von dort aus seien sie mitsamt ihrem Reli-

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Abbildung 4: Becket­Reliquiar (Limoges, um 1200); Pfarrkirche St. Laurentius, Clarholz © Karl Haunert.

Im ikonographischen Vergleich mit den übrigen Zeugnissen fällt bei den Schreinen die Verwendung des Begräbnis- und Receptio-Motivs der Dachflächen auf: Beim etwas älteren Schrein aus der Sammlung Schnütgen (St. Maria im Kapitol) nimmt eine aus der Himmelswolke herabreichende Hand die Seele (Kindfigur) des Verstorbenen auf, dessen in einem geschwungenen Bahrtuch ruhender, nimbierter Leichnam von zwei ebenfalls nimbierten Figuren in einen Sarkophag gesenkt wird. Ein bischöflicher Zelebrant verweist mit Handgestus auf die Himmelshand. Die zweite Szene stellt im Grunde eine Doppelung des Motivs dar; sie zeigt die Aufnahme des Heiligen in den Himmel. Nackt, mit über der Brust gekreuzten Armen und Nimbus wird er von wiederum zwei nimbierten Heiligen in einem halbrund gerafften Tuch in den Himmel erhoben. Auf dem Clarholzer Reliquiar ist das Thema auf eine Szene reduziert; der Vorgang der receptio animae wird durch die nach oben weisende Hand des Zelebranten nur angedeutet, der Tote ist nicht nimbiert, dafür flankieren ein Orant und ein Thuriferar die Darstellung. Die Szenen der Dachflächen stehen für den Aspekt der Heiligsprechung durch göttliches Urteil, also für den Zuschreibungs- und Kultaspekt. Dieser wird hier nicht durch das Motiv der posthumen Wunder, sondern gleichsam ‚buchstäblich‘, durch das der receptio animae, veranschaulicht und verweist sinnfällig auf die von Arnold Angenendt so genannte „Doppelexistenz“70 der Heiligen, deren Seele sich bereits im Himmel befindet, während der Leib noch auf Erden verweilt. Ich möchte die Verwendung dieses Motivs im Sinne des ‚form follows function‘ deuten: Für ein Reliquienbehältnis, das

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quiar dann – wiederum über verwandtschaftliche Beziehungen – als Geschenk nach Clarholz gelangt. Arnold Angenendt, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, München 21997, 102, passim.

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die leiblichen Überreste eines Heiligen inszeniert und zugleich beglaubigt, ist diese Darstellungsweise symbolisch stimmig. Der Verklärungsaspekt steht buchstäblich ‚über‘ der Martyriumsszene; diese wird auf den Limosiner Reliquiaren stärker im Sinne des eucharistischen Opfers gedeutet: Altar und liturgisches Gerät werden sehr deutlich akzentuiert, auf dem Schnütgen-Reliquiar wird dies noch durch die Darstellung einer Gloriole mit rotem Kreuznimbus unterstrichen, die von der göttlichen Hand aus einer Himmelswolke herab gereichten wird und die Becket ergreift (vielleicht ist sie als Hostiensymbol gedacht). Der politische Aspekt ‚Kreuz gegen Schwert‘ hingegen wird in diesen Beispielen nicht verbildlicht71. Auch die Gestalt Beckets mit stehendem, nur leicht zum Altar geneigtem Körper und aufrechtem, nimbiertem Haupt repräsentiert schon stärker den Typus des verklärten Heiligen als den des unschuldigen und willigen Opfers. Der Sinn des vorangegangenen Überblicks war es, den Prozess des Transfers eines neuen Heiligkeitsmodells auf der Ebene der Bilder und anhand einiger exemplarisch ausgewählter Zeugnisse zu beleuchten. Denn bei diesen Vorgängen werden die nichtschriftlichen Zeugnisse nach wie vor noch nicht genügend beachtet, obwohl sie wegen ihrer teilweise massenhaften Produktion und ihrer konzentrierten Botschaft eine immense Wirksamkeit entfalteten, nicht zuletzt deshalb, weil sie durch den Verweis auf zentrale Momente des Geschehens die mündliche Zirkulation der schriftlich tradierten Erzählungen stets aufs Neue stimulierten. Die ikonographischen Zeugnisse zeigen, wie rasch Becket in der Zeit des ausgehenden Investiturstreits zum Inbegriff des modernen Blutzeugen und zu einer europäischen Märtyrerikone wurde, die den Kreis der ‚alten‘ Märtyrer zwar, wie Caesarius von Heisterbach betont, nicht ersetzt, aber stimmig ergänzt72. Dies geschieht in enger Anbindung an die Hagiographie, insbesondere die ‚Vita s. Thomae‘ des Johannes von Salisbury, deren Bedeutung für die Rezeption des Kultes künftig neu gewichtet werden müsste73. Mit den letzten Beispielen sind wir zugleich auch von England ins Rheinland, den Endpunkt der Untersuchung, gelangt. IV. TRANSFER 3: VON THOMAS BECKET ZU ENGELBERT VON KÖLN Als Engelbert von Köln am 7. November 1225 Opfer eines als außergewöhnlich grausam geschilderten Attentats wurde, war die Erinnerung an die Ermordung Thomas Beckets noch sehr lebendig. Caesarius von Heisterbach, der ein Jahr nach dem Ereignis und im Auftrag von Engelberts Nachfolger, Erzbischof Heinrich von Müllenark, die Vita des Verstorbenen verfasste, erwähnt den hl. Thomas Becket gleich mehrmals in seinem wenige Jahre zuvor entstandenen ‚Dialogus miraculorum‘ mit

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Nach Durchsicht der publizierten Beispiele spielt er in der Ikonographie der Limosiner Reliquiare keine hervorgehobene Rolle – das Kreuz wird hier nur selten dargestellt. Vgl. VE II 16 (wie Anm. 82), 276. Neben ihrer Überlieferungsgeschichte wäre auch ihr Einfluss auf die Darstellung der ‚Legenda Aurea‘ zu klären.

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dem Zusatz: qui nostris temporibus pro ecclesiae libertate usque ad mortem dimi­ cavit74. Das Becket-Exempel dient ihm als Anlass zur Reflexion über die Arten und Ursachen des Martyriums. Als Beispiel zitiert er einen Pariser Disput, in dem es um die Frage ging, ob Thomas Becket ein Verräter des Königtums (regni proditor) oder ein Verteidiger der Kirche (ecclesiae defensor) und ein Märtyrer sei. Petrus Cantor plädierte für die zweite Ansicht, während ein Magister Ruger die erste verteidigte und zwar mit der Begründung, „die Standhaftigkeit (constantia) dieses Mannes sei bloße Unbelehrbarkeit (contumacia) gewesen“, weshalb er des Todes schuldig sei – wenn auch nicht auf diese Weise75. Den Streit hätten schließlich nicht die Magister, sondern Christus selbst entschieden, indem er nämlich Thomas Becket durch viele Wunderzeichen ausgezeichnet habe76. Angesichts der universalen Popularität des Becketkultes ist es müßig, über die Quellen von Caesarius’ Wissen zu spekulieren. Die engen dynastischen, politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen mit England – so über die Welfen und die engen Handelskontakte Kölns und anderer Hansestädte – hatten die Verbreitung im deutschen Reich befördert; die Translation seiner Gebeine in die neu erbaute Trinity Chapel am 7. Juli 1220, „the most splendid religious occasion in thirteenth century England“, und die Einführung des ersten Jubeljahres hatten dem Kult soeben erst neuen Aufschwung gegeben77. Die Verbreitung von Kirchen- und Altarpatrozinien, der Besitz von Reliquien und die Einträge in Kalendarien bezeugen seine starke Verankerung auch im Rheinland78. Mindestens zwei namentlich identifizierbare Wallfahrer aus dem Rheinland sind in den Mirakelsammlungen aus Canterbury bezeugt: Es handelt sich um Arnald von Grevinge und seine Frau Mathilde, ein kinderloses Kölner Ehepaar, dem durch das Wirken des Heiligen der ersehnte Sohn Thomas geschenkt wurde und deren gleichnamiger Enkel später Aldermann der deutschen Kaufleute in London wurde79, sowie um den Ritter Ludwig von Deudesfeld, der an der Gründung des Zisterzienserinnenklosters St. Thomas/Kyll in der Eifel beteiligt war. Von Canterbury hatte Ludwig Reliquien des neuen Heiligen mitgebracht, die er zunächst in einer dafür errichteten Kapelle unterbringen ließ, wo sich in der Folge viele Wunder ereigneten. 1185 dann stiftete er dem zu diesem

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Caesarius von Heisterbach, Dialogus Miraculorum – Dialog über die Wunder, übers. und komm. v. Nikolaus Nösges / Horst scHNeiDer, 5 Bde. (Fontes Christiani 86/1–5), Turnhout 2009, VIII 69, 1666–1668. Caesarius von Heisterbach, Dialogus Miraculorum (wie Anm. 74), 1666–1668. Vgl. ebd.; weitere Becketwunder: VIII 70, 1668–1671; X 56, 2004 f. Ebd. (wie Anm. 74). Vgl. Anne J. DuggAN, The Cult of St Thomas Becket in the Thirteenth Century, in: Dies., Thomas Becket. Friends, Networks, Texts, Cults, Part IX (Variorum Reprints), Aldershot u. a. 2007, 21–44, hier 38; Raymonde Foreville, La diffusion du culte de Thomas Becket dans la France de l’Ouest avant la fin du XIIe siècle, Cahiers de Civilisation Médiévale (1976), 347–369; Dies., Le jubilé de saint Thomas Becket, du XIIIe au XVe siècle, 1220–1470 (Bibliothèque générale de l’École Pratique des Hautes Études), Paris 1958. Zur Verbreitung im Rheinland s. HansJoachim krAcHt / Jakob torsy, Reliquiarium Coloniense (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 34), Siegburg 2002, 215; lANgeNBAHN, Thomas Becket (wie Anm. 67), 50. Vgl. LANgeNBAHN, Thomas Becket (wie Anm. 67), 51.

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Zeitpunkt schon bestehenden Kloster weitere Güter aus seinem Besitz80. Auch der Hauptaltar der ebenfalls an der Gründung beteiligten Zisterze Himmerod enthielt eine Reliquie de cerebro Thomae Cantuariensis81. St. Thomas an der Kyll dürfte ein wichtiger Ort der Inspiration für Caesarius gewesen sein; von hier wurden ihm einige Engelbert betreffende Visionen zugetragen, die ihn zu einem längeren Vergleich mit Thomas Becket veranlassten82. Seine Hauptquelle für die Gestaltung der Engelbertvita aber war ganz offensichtlich die Becket-Vita des Johannes von Salisbury. Angesichts dieser Vorgeschichten lag die spontane Verbindung der beiden Mordfälle auf der Hand. Auch der Tod Engelberts fand unter Zeitgenossen einen starken Widerhall und hinterließ politische Verwerfungen in der Region83. Auf einer Reise von Soest nach dem bergischen Oppidum Schwelm war der Erzbischof am Abend des 7. November in einem Hohlweg eine Meile vor Schwelm von einer Gruppe miteinander verschworener Adeliger, darunter sein Neffe Friedrich von Isenberg, erschlagen worden. Für die Zeitgenossen handelte es sich um einen Mord, dessen Motiv darin bestand, dass Engelbert bei der Durchsetzung seiner bischöflichen Interessen und Rechte mehrere mit ihm verwandte Adelige in ihren Rechten geschädigt hatte, allen voran Friedrich, dem er wegen zahlreicher Klagen über seine Amtswaltung die einträgliche Vogtei des Stiftes Essen entziehen wollte. Dass das Attentat von der neueren Forschung nicht als Mord, sondern als fehlgeschlage-

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Vgl. Ulrich HArtMANN, Das Zisterzienserinnenkloster St. Thomas an der Kyll. Von den Anfängen in den 1170er Jahren bis zum ausgehenden 14. Jahrhundert (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 118), Mainz 2007, 19–29. Frühestes Zeugnis ist ein Wunderbericht über diese Wallfahrt bei WvC (wie Anm. 16), Nr. 129: Miles quidam Theutoni­ cus nomine Lodovicus […] sepulchrum s. Thomae martyris adivit. Qui rediens, reliquiis devote adquisitis, iuxta coenobium vocatur claustrum [Kloster Himmerod] in honorem eiusdem sancti in parochio suo capellam construxit et ibi reliquias collocavit. Von dieser Kapelle werden drei Wunder berichtet; auf das Heiligtum geht das 1185 erstmals urkundlich bezeugte und dem Heiligen geweihte Zisterzienserinnenkloster St. Thomas zurück. 1222 wurde dort die Abteikirche geweiht. Notae dedicationis monasterii Himmerode (nach 1170), vgl. Medard BArtH, Zum Kult des hl. Thomas Becket im deutschen Sprachgebiet, in Skandinavien und Italien, Freiburger Diözesan-Archiv 80 (1960), 97–166, hier 154. Von Himmerod aus wurde 1189 Heisterbach besiedelt, so dass auch hier eine Vertrautheit mit dem Heiligen und seinen Schriften vermutet werden darf: Im Dialogus miraculorum VII 4 (wie Anm. 74) berichtet Caesarius über ein Wunder des hl. Thomas von Canterbury, quod nec in eius Passione legitur, neque in libris Miraculorum eius reperitur. Vgl. Caesarius von Heisterbach, Libri VIII miraculorum: Die beiden ersten Bücher sowie Leben, Leiden und Wunder des heiligen Engelbert, Erzbischofs von Köln (Bücher IV und V der libri VIII miraculorum), in: Die Wundergeschichten des Caesarius von Heisterbach, Bd. 3, ed. Alfons HilkA / Fritz ZscHAeck, Bonn 1937 (künftig VE) II 16, 274–278. Bei der Übersetzung orientiere ich mich an: Caesarius von Heisterbach, Leben, Leiden und Wunder des hl. Erzbischofs Engelbert von Köln, übers. v. Karl LANgoscH (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 100), Münster/Köln 1955. Vgl. Uta kleiNe, Gesta, Fama, Scripta. Rheinische Wundersammlungen des Hochmittelalters zwischen Geschichtsdeutung, Erzählung und sozialer Praxis (Beiträge zur Hagiographie 7), Stuttgart 2007, 284.

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ner Entführungsversuch gedeutet wird, sei zwar erwähnt, ist aber für die Analyse des mittelalterlichen Deutungshorizonts unerheblich84. Engelbert starb nicht im Ruf der Heiligkeit, im Gegenteil. In einer Homilie, die er unter dem unmittelbaren Eindruck von Engelberts Tod schrieb, zitiert Caesarius Stimmen, die Engelbert für einen besseren Herzog als Bischof hielten und um sein Seelenheil fürchteten. Vor diesem Hintergrund deutet Caesarius Engelberts Tod als Sühne für dessen fehlende Lebensverdienste: Durch die Todesart habe Gott die Schuld tilgen wollen, die Engelbert durch seine allzu große Sorge um die negocia mundana atque secularia und die Vernachlässigung der negocia spiritualia auf sich geladen habe85. Doch ein Jahr später, zum Zeitpunkt seiner Beauftragung durch den neuen Erzbischof, hatte sich das Bild gewandelt. Dafür hatten zahlreiche Revelationen und Heilungswunder an Engelberts Grab in Köln und an der Mordstelle bei Schwelm beigetragen. Dort, am von Caesarius sogenannten ‚Blutort‘ (locus occisionis, locus sacri cruoris oder sepulchrum sanguinis), waren schon kurze Zeit später ein Altar, dann eine provisorische Kapelle zur Erinnerung an die Bluttat errichtet worden86. Auf der politischen Seite hatten die Inszenierungen rund um Engelberts durch Abkochen konservierten Leichnam Ähnliches bewirkt: Er war zusammen mit den blutigen Gewändern von seinen Ministerialen zur rituellen ‚Klage mit dem toten Mann‘ auf zwei Hoftagen Heinrichs (VII.) und auf einer Synode vorgewiesen worden. Der päpstliche Legat Konrad von Porto hatte Engelbert öffentlich zum Märtyrer erklärt, der pro iustitia / pro honore et defensione ecclesiae durch die Schwerter der Ungläubigen getötet worden sei87; der erzbischöfliche Elekt Heinrich von Müllenark hatte, von Engelberts Ministerialen bedrängt, öffentlich geschworen, ut sanguinem eius, quoad viveret, vindicaret88. Die königliche Proskription hatte schließlich zur Ergreifung des Hauptschuldigen Friedrich und zu dessen Hinrichtung geführt. 84

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Von den Darstellungen des Attentats und seiner Hintergründe seien hier nur die neueren genannt: Michael MAtscHA, Heinrich I. von Müllenark. Erzbischof von Köln (1225–1238) (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 25), Siegburg 1992, 185 ff.; Wilhelm JANsseN, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191–1515, Teil 1 (Geschichte des Erzbistums Köln 2,1), Köln 1995, 134–144; Josef lotHMANN, Erzbischof Engelbert von Köln (1216–1225): Graf von Berg, Erzbischof und Herzog, Reichsverweser (Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins 38), Köln 1993, 387 ff. Grundlegend die kritische Untersuchung von Wolfgang kleist, Der Tod des Erzbischofs Engelbert von Köln: eine kritische Studie, Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 75 (1917), 182–249; hierauf fußen im Wesentlichen die späteren Darstellungen, u. a. Bernd FiscHer, Engelbert vom Berg (1185–1225). Kirchenfürst und Staatsmann. Mit einer Gegenüberstellung zu Thomas Becket (1118–1170), Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 94 (1988/1990), 1–47; und Heinz FiNger, Die Isenberger Fehde und das politische Zusammenwachsen des nördlichen Rheinlandes in der Stauferzeit, AHVNR 197 (1994), 27–62; außerdem die neuesten Beiträge zum Thema in: Aufruhr 1225 (wie Anm. 105). Caesarius von Heisterbach, Sonntagshomilien, in: Die Wundergeschichten des Caesarius von Heisterbach, Bd. 1, hg. v. Alfons HilkA, Bonn 1933, 153. VE (wie Anm. 82) III 63, III 72. Zur Kapelle: VE III 5, 313; ähnlich III 74, 326. Zum Blutkult: kleiNe, Gesta, Fama Scripta (wie Anm. 83), 303–310. Ebd. II 13, 270; kleiNe, Gesta, Fama, Scripta (wie Anm. 83), 287, mit weiteren Belegen. Ebd. II 11, 269.

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Mit der Vita sollte Caesarius den Erfolg des neuen Erzbischofs verewigen und zugleich den qua fama und per viam cultus erworbenen Märtyrerstatus festschreiben und theologisch begründen. Dies tat er, indem er das Motiv des Sühnetodes beibehielt, aber zur Märtyrer-Passio steigerte (zwei Drittel des Textes sind der Passio gewidmet). Deutlich sind die motivischen und argumentativen Anleihen bei Johannes von Salisbury, an dessen Martyriums-Modell er Engelbert misst, sowohl in Bezug auf die poena als auch auf die causa: In neuerer Zeit wurde [Christus] im heiligen Thomas, dem Erzbischof von Canterbury, getötet, weil er die Freiheit der Kirche retten wollte. Dieselbe Todesursache besteht auch bei unserem Erzbischof Engelbert. Jener befreite die englische Kirche vom Joch König Heinrichs, dieser befreite ebenso durch seinen Tod die seinem Schutz anvertraute Kirche [von Essen] von der unerträglichen Ausplünderung durch Graf Friedrich. Und obwohl der heilige Thomas vor seinem Märtyrertod viele Beschwerden, Ungemach und Verbannung ertrug, die Engelbert nicht zu erleiden hatte, so steht es doch fest, dass er bei dem Märtyrertod mehr Schmerz, Angst und Aufregung als Thomas erduldete89.

Im Sinne der Martyriumsursache deutet Caesarius auch den Namen Engelberts (ANGELica liBERTas), nämlich als allegorischen Verweis auf die libertas ec­ clesiae. Die Heiligkeit, die er in seinem Leben habe vermissen lassen, habe sein grausamer Tod aufgewogen, für den er von Gott vorherbestimmt gewesen sei. So sei er trotz seiner Verstrickung in die „Netze böser Geister“ kraft göttlicher Vorsehung von einem „Gefäß des Zorns“ zu einem „Gefäß der Herrlichkeit“ (Röm 9,22) geworden90. Friedrich hingegen, dessen Name nur antiphrastisch gedeutet werden könne, weil er nämlich den Frieden nicht habe, sei „durch den Atem des Behemoth“ (Hiob 40,10) im Zorn gegen Engelbert entflammt und habe den Plan gefasst, ihn zu töten91. Das Wirken des Teufels, die Wahl durch göttliche Vorsehung und der immer wieder gesuchte allegorische Bezug zur Passion Christi – all dies sind bekannte Motive aus der Becketvita, auf die Caesarius hier zurückgreift, um den den Sühnetod zum Martyrium zu übersteigern und das Geschehen zugleich im göttlichen Heilsplan zu verankern. Im Sinne der causa deutet Caesarius auch die geistlich-weltliche Doppelwürde Engelberts als Graf von Berg und Erzbischof von Köln: Mit dem Erzbistum hatte er ja das geistliche und mit dem Herzogtum das weltliche Schwert erhalten. Mit beiden Schwertern hielt er die Widerspenstigen im Zaum, exkommunizierte die einen und kämpfte die andern mit Heeresmacht nieder. So stritt auch Makkabäus, wie man liest, mit seinem eigenen Schwert […], um seine Feinde niederzuwerfen (1 Makk 3,12)92.

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Ebd. II 16, 277. Ebd. I 1, 236: Sanctitatem que vite defuit mors pretiosa supplevit, et si minus perfectus erat in conversatione, sanctus tamen effectus est in passione. […] Nam ‚placens Deo‘ eterna predes­ tiantione ‚factus est dilectus‘ in passione (Sap. 4,10); I 2, 238: Non opera iustitie hec neque divitie, sed retia demoniorum, instrumenta et laquei peccatorum, quos ipse evadere non po­ tuit. […] Hec idcirco commemoro, ut cognoscat lector, de quali viro martirem sibi elegerit dominus, de ‚vase ire‘ faciens ‚vas glorie‘ (Röm 9,22). Ebd. II 1, 250, 251. Ebd. I 5, 242 f.: Acceperat enim cum episcopatu gladium spiritualem et cum ducatu gladium materialem. Utroque gladio rebelles cohercuit [sic], quosdam excommunicando, quosdam per

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Dass dies stets zum Besten der Kirche geschehen sei, wird durch einen weiteren Vergleich mit Judas Makkabäus unterstrichen: Engelbert habe die Güter der ihm anvertrauten Kirche geschützt wie der Makkabäer, „der ähnlich einem Löwen in seinen Werken das Heer Israels“ – das heißt die ihm anvertrauten Güter der Kirche – „mit seinem Schwerte schützte“ (1 Mak 3)“. Hierin sei er „Beschützer der Bedrängten“ (defensor afflictorum) und ein „Hammer gegen die Tyrannen“ (malleus tyrannorum) gewesen93. Der Makkabäer-Vergleich dient hier zunächst dazu, an das aus dem Alten Testament hergeleitete Heiligkeitsmodell des bewaffneten Glaubenskampfes anzuknüpfen. Er leitet zugleich aber auch eine theologische Antithese ein: Gerade weil Engelbert bis zuletzt den weltlichen Dingen so sehr zugetan gewesen sei, habe Gott ihn sich zum „auserwählten Rüstzeug“ (vas electionis, Apg 9,15) erwählt, um den Menschen das Wunder des göttlichen Ratschlusses desto deutlicher vor Augen zu führen94. Denn eine so deutliche conversio vom weltlichen Fürsten zum Mann der Kirche, wie sie Thomas Becket vorgelebt hatte, war für Engelbert selbst bei höchstem Wohlwollen nicht zu konstruieren. Anstelle der inneren conversio verweist Caesarius bei Engelbert auf die äußere purgatio: Hatte Becket sich durch seinen langjährigen Kampf gegen die Feinde der Kirche für das Martyrium empfohlen, so hatte Engelbert, dem Entsprechendes nicht nachzusagen war, sich durch eine unmittelbar vor seinem Tode abgelegte, tränenreiche Beichte und die Feier der heiligen Messe gereinigt. So wollte der wahre und höchste Priester, der Mensch Jesus Christus, der sich auf dem Altar des Kreuzes als reinigendes Opfer für unsere Sünden (hostiam propitiationis pro peccatis nostris, Joh 2,2) darbringen ließ, den reuigen Priester wegen seines Tränenstroms abwaschen und reinigen, damit er durch das Martyrium Gott dem Vater als Opfer dargebracht werden sollte, ein reines Opfer, ein heiliges Opfer, ein wohlgefälliges und unbeflecktes Opfer wäre (hostia pura, hostia sancta, hostia placens et immaculata)95.

Ganz wie Johannes von Salisbury versucht auch Caesarius hier, die Bluttat durch eine Parallele zur Eucharistie in die Nähe eines quasi-sakramentalen Opfers zu rücken. Auch in der Nacherzählung der Bluttat bemüht sich Caesarius, diese Idee der quasi-eucharistischen Christusmimese aufrecht zu erhalten, was aber deshalb nicht recht gelingt, weil es ihm zugleich darum geht, mit der Hervorhebung ihrer physischen Grausamkeit und moralischen Verwerflichkeit den Umstand der fehlenden Lebensverdienste zu kompensieren, ja ihn noch zu überbieten. Als parricidum, als praesumptio ceca, furor und insania beluorum bezeichnet er die detailreich geschilderte Tat, um dann zu bilanzieren:

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militiam debellando. Sic Machabeus prius proprio in deiectione inimicorum […] gladio legitur pugnasse. Ebd. I 5, 242. Eine ähnliche Formulierung (malleus impiorum, sed pauperum et moerentium consolator) auch bei JvS (wie Anm. 16), c. 22, 317, s. Anm. 30. Vgl. Ebd. II 1, 249. Ebd. II 4, 255.

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Von der Eiche, unter der man ihm die erste Wunde schlug, bis zu der Stelle, wo man ihn hinzerrte und hinmordete, sind es kaum zehn Schritte; dort wurde zur Erinnerung an sein Martyrium eine Kapelle gebaut. An dieser Stelle drängten sich die Kinder des Verderbens (filii perditionis, Tess 2,3) wie grimmige Hunde über der Leiche zusammen und durchbohrten sie mit ihren scharfen Messern […], dass vom Scheitel bis zur Sohle kein Teil des Körpers von Wunden frei blieb. In der Person Christi, dessen Glied er dadurch geworden war, dass er für die Gerechtigkeit starb, konnte er mit dem Propheten sagen: ‚Viele Hunde haben mich umgeben, der Bösen Rotte hat sich um mich gemacht‘ (Ps 22,17) usw. Dann soll einer von ihnen einen Schnitt in die Fußsohle des Leichnams gemacht haben, um festzustellen ob der Tod auch wirklich eingetreten sei96.

Mit dieser und anderen Parallelen zur Passion Christi97 und mit der harten Kontrastierung zwischen dem heiligen Stand des Getöteten und dem erbärmlichen Zustand des Leichnams, der von Wunden bedeckt und beinahe gänzlich entkleidet vorgefunden und auf einem stinkenden Mistkarren ins nahe Schwelm gebracht wurde, setzt Caesarius weitere drastische Akzente98. Die Darstellung gipfelt in der Deutung des Martyriums als ‚Bluttaufe‘, die, wie die Wassertaufe, bei gleichzeitiger Reue volle Genugtuung (satisfactio), das heißt Sündentilgung, bewirke: Welche Genugtuung besitzt größeren Wert und größere Wirkungskraft als das Martyrium? Gar keine. Zweierlei ist es, was bei Erwachsenen mit Hilfe der Reue volle Vergebung bewirkt: die Wassertaufe und die Bluttaufe. In beidem gab der heilige Engelbert Gott Genugtuung. Denn was für Sünden er nach der ersten Taufe auf sich lud, die schaffte er durch die zweite, wie wir hoffen, ganz weg99.

47 Wunden hatte man bei Engelbert gezählt. Caesarius deutet sie als spiegelnde Strafen an all jenen Körperteilen, mit denen jener gesündigt hatte, und zählt sie umständlich auf100. Mit all diesen crescendierenden Reihungen lenkt er von dem Umstand ab, dass dem Martyrium Engelberts kein echter Glaubenskampf, keine lebensgefährliche Bekenntnissituation vorausgegangen war, sondern dass es sich letztlich in der ihn völlig überraschenden Straf- und Rachesituation erschöpfte. Denn in seiner Deutung liegt die Rechtfertigung (satisfactio) von Engelberts Martyrium in der Bluttat selbst, die so zum eigentlichen Bekenntnis gerät und Zeugnischarakter erhält. Nach dem Bericht verschiedener Visionen wurde Engelberts Seele nämlich erst im Augenblick seines Todes, „als er sich in seinem Blut wälzte“ und „als seine Augen von Blut bedeckt und verdunkelt waren“, endgültig den Dämonen entrissen101 – und nicht in einer wie immer gearteten rhetorischen, symbolischen, juristischen oder politischen Auseinandersetzung mit seinem Gegner.

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Ebd. II 7, 262. Z. B. ebd. II 7, 260: Der von seinen ängstlichen Begleitern verlassene Erzbischof: Omnes, re­ licto eo, fugerunt (Mt 26, 56). 98 Vgl. ebd., 263. 99 Ebd. II 8, 265. 100 Vgl. ebd. 101 Ebd. II, 15, 274, 276; KleiNe, Gesta, Fama, Scripta (wie Anm. 83), 289; Paul Derks, Gevelsberg – ein Sakralname. Der alte und der neue Name der märkischen Gemeinde, Beiträge zur Heimatkunde der Stadt Schwelm und ihrer Umgebung, N. F. 46 (1997), 56–102, hier 70.

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Wo Blut ist, muss auch ein Märtyrer sein und vice versa – mit dieser Feststellung sind wir wieder am Anfang angelangt, bei der unmittelbaren Evidenz des Zeichenträgers Blut, dem Urstoff des Martyriums, durch den wie durch einen himmlischen Mörtel die lebendigen Steine des Heilsgebäudes zusammengehalten werden, wie schon Johannes von Salisbury es in seiner Becketvita formulierte: Der alte Feind kämpft beständig gegen die allerheiligste Kirche, aber Gottes Sohn hat sie mit seinem eigenen Blut erlöst und sie zu wahrer Freiheit geführt. Unter seinen Gliedern sind die verherrlichte Schar der Apostel und das Heer der heiligen, purpurgekleideten Märtyrer die hervorragendsten. […] Durch ihr Blut verbinden sie wie durch Klebstoff oder Zement (caemen­ tum, glutinam) die lebendigen Steine im Gebäude des Leibes Christi102.

Auch bei Engelbert finden sich alle Anzeichen eines ausgeprägten Blutkultes, vor allem an der Mordstelle, die später den Namen ‚Gevelsberg‘ (Givelberch, Gi(j)velberg, Gevelsberch) bekam, eine mhd. Form von ‚Schädelberg‘=Golgatha. Hier etablierte sich nach vielen durch das Blut Engelberts bewirkten Wundern zunächst eine Kapelle, aus der dann später ein Zisterzienserinnenkloster hervorging103 – ähnlich wie zu dieser Zeit an vielen Waldheiligtümern, so auch in St. Thomas an der Kyll. Dass der Engelbertkult – trotz einer zunächst recht intensiven Wallfahrt – nicht im Entferntesten an den Erfolg seines englischen Vorbilds heranreichte, hat mit Umständen zu tun, die hier nicht zu erörtern sind. Auch wenn die Zahl der Reliquien und Bildzeugnisse Engelberts begrenzt ist, so hat sein Kult doch zumindest ein singuläres ikonographisches Zeugnis hervorgebracht. Es handelt sich um eine überlebensgroße Statue aus dem Kloster Gevelsberg (Abbildung 5), die in ihrem ursprünglichen Zustand den Erzbischof mit vom Schwert durchstoßener Brust darstellte. In ihrer Größe, freistehenden Form und „Leidensintensität“104 (Luckhardt) steht sie bislang einzigartig dar. Auf eine für die damalige Zeit völlig neuartige und schockierende Weise versinnbildlichte sie die Bluttat und repräsentierte kongenial den Gründungsmythos des Ortes105. 102 JvS (wie Anm. 16), c. 1, 301. 103 Vgl. kleiNe, Gesta, Fama, Scripta (wie Anm. 83), 303 f., 306, 308 f. Auf das Martyrium als Gründungsereignis und -mythos nehmen auch zwei erzbischöfliche Urkunden Bezug: Westfälisches Urkundenbuch, Bd. 7: Die Urkunden des kölnischen Westfalens vom Jahr 1200–1300, hg. v. Verein für Geschichte und Alterthumskunde Westfalen, Münster 1908, Nr. 445: Erzbischof Heinrich von Müllenark schenkt dem Zisterzienserinnenkonvent in Gievilberch, ubi do­ minus et antecessor noster Engelbertus felicis recordationis venerabilis Coloniensis archiepi­ scopus pro iustitia gladiis impiorum occubuit, eine Hufe bei Schwelm. Ähnlich Nr. 495. Einer lokalen Tradition zufolge, die aus zeitgenössischen Quellen nicht zu belegen ist, besaß das spätere Zisterzienserinnenkloster an Reliquien Stücke von Engelberts Kleidung sowie einen Dolch – angeblich die Mordwaffe, vgl. Ursula WeirAucH, Der Engelbertschrein im Kölner Domschatz und das Werk des Bildhauers Jeremias Geisselbrunn (Die Kunstdenkmäler des Rheinlandes, Beih. 21), Düsseldorf 1973, 95. 104 Jochen luckHArDt, Die Schwertwunde des heiligen Engelbert, Westfalen 57 (1979), 7–15, hier 14. 105 Vgl. kleiNe, Gesta, Fama, Scripta (wie Anm. 83), 273; luckHArDt, Die Schwertwunde des heiligen Engelbert (wie Anm. 104), 7–15; Abb. und Kurzkommentar von DeMs., in: Aufruhr 1225. Ritter, Burgen und Intrigen. Das Mittelalter an Rhein und Ruhr. Ausstellung im LWL Museum für Archäologie in Herne vom 27. Februar – 28. November 2010, hg. v. Brunhilde leeNeN, Mainz 2010, 36.

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Abbildung 5: Statue Erzbischof Engelberts I. aus dem ehem. Zisterzienserinnenkloster Gevelsberg (Köln, um 1235); Märkisches Museum Witten, derzeit Ruhrmuseum Essen (Höhe 208 cm) © Märkisches Museum Witten.

Nicht nur in der Heiligenverehrung, wo die Hostie immer deutlicher den Rang einer ‚leibhaften‘ Christusreliquie gewann, auch in der Theologie mit ihrem Interesse an der Menschlichkeit Jesu und ihrer metabolischen Durchformung der Eucharistielehre (Transsubstantiation) sowie in der Mystik mit ihrer ausgesprochenen Passions- und Eucharistiefrömmigkeit ist in den Jahren um 1200 die wachsende Bedeutung des Somatischen und die Wertschätzung des Blutes als heilige Substanz zu beobachten106. Die Imitatio Christi wurde der Königsweg zum Heil – nicht nur im 106 Grundlegend : Miri ruBiN, Corpus Christi. The Eucharist in Late Medieval Culture, Cambridge 1991; aus der Perspektive des Heiligenkultes: Godefridus J. sNoek, Medieval Piety from Relics to the Eucharist: A Process of Mutual Interaction (Studies in the History of Christian Thought 63), Leiden 1995. Immer noch aktuell: Peter BroWe, Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter, München 31990 (1933). Eine Neuauflage der einschlägigen Arbeiten Browes: Die Eucharistie im Mittelalter. Liturgiehistorische Forschungen in kulturwissenschaftlicher Absicht,

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Martyrium, auch in Phänomenen wie der Stigmatisierung, in der spirituell erfahrenen Einswerdung mit Gott (unio mystica) oder in der Einverleibung der gewandelten Hostie („die Einverleibung von Fleisch in Fleisch“). Das Streben nach der „buchstäblichen Nachfolge Christi einschließlich des Körperlichen“ ist Caroline Bynum zufolge ein Grundthema der Religiosität des 13. Jahrhunderts107. Hieraus ließen sich wichtige Argumente im Kampf gegen den häretischen Dualismus der Katharer ebenso gewinnen wie – die Beispiele des Aufsatzes zeigen es – im Kampf gegen die zu Feinden der Kirche erklärten Gläubigen aus den eigenen Reihen.

hg. v. Hubertus lutterBAcH / Thomas FlAMMer (Vergessene Theologen 1), Münster u. a. 2010; Peter DiNzelBAcHer, Die „Realpräsenz“ der Heiligen in ihren Reliquiaren und Gräbern nach mittelalterlichen Quellen, in: Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Peter DiNzelBAcHer / Dieter R. BAuer, Ostfildern 1990, 115–174. 107 Zitate: Caroline W. ByNuM, Mystikerinnen und Eucharistieverehrung, in: Dies., Fragmentierung und Erlösung. Geschlecht und Körper im Glauben des Mittelalters (Edition suhrkamp, N. F. 731), Frankfurt/M. 1996, 109–147, hier 132, 133.

ÜBERTRAGENE HEILIGKEIT – RELIQUIENTRANSLATIONEN UND DIE FOLGEN Klaus Herbers Abstract In the Early Middle Ages, relics were increasingly charged with more facets of sanctity. This sanctification, however, never occurred context-independent. Alongside these holy “things” stood accompanying writings, liturgical veneration and corresponding sacred buildings. This paper will illustrate these links by looking at examples from the Carolingian period and the High Middle Ages. Spatially, the focus will be on Rome and the Iberian Peninsula. The aim is to show to what extent one can assume there were concepts of sanctity.

I. EINLEITUNG Als sich König Ferdinand I. von León-Kastilien 1063 nach einem erfolgreichen Feldzug in muslimisches Gebiet in Sevilla als Siegestrophäe die Reliquien der heiligen Justa ausgehandelt hatte und schließlich sogar die Gebeine des großen Isidor von Sevilla nach León übertragen wurden, soll sich entsprechend dem Zeugnis der ‚Historia Silensis‘ der muslimische Herrscher al-Mutamid in Sevilla vor dem Abtransport auf den Sarkophag geworfen, geseufzt und gesagt haben: En ab hinc, Ysi­ dore, vir venerande, recedis; ipse tamen nosti tua qualiter et mea res est1: „Wohlan, ehrwürdiger Mann Isidor, du scheidest von hier und weißt selbst genau, wie sehr deine Sache auch immer meine ist.“ Die Anwesenden könnten diese Worte bezeugen – vermerkt der Chronist. Was war aber die Sache Isidors? War sie unter dem muslimischen Herrscher gleich oder ähnlich wie später in León, wo die Könige an seiner neuen Grabesstätte ein großes Pantheon errichten ließen?

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Historia Silensis, ed. Justo pérez De urBel / Atilano González ruíz-zorrillA (Escuela de Estudios Medievales 30), Madrid 1959, 202. – Der hier gebotene Text folgt im Wesentlichen dem in Kiel gehaltenen Vortrag, der auch in Berlin am 18. Januar 2017 im Carl Erdmann Kolloquium vorgetragen wurde. Den Diskutanten danke ich für wertvolle Anregungen; Thomas Kieslinger, M. A. (Erlangen) für kritische Lektüre und Hinweise.

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Reliquientranslationen sind oft unter dem Aspekt von Gabe und Gegengabe interpretiert worden2, weiterhin unter dem Aspekt des Kulturtransfers3 oder allgemein von Sakralisierungsprozessen4. Untersucht man beispielsweise die Reliquientranslationen aus Rom im 9. Jahrhundert, so wird unter anderem deutlich, dass mit diesen Übertragungen auch eine Romanisierung oder Romorientierung der Gebiete nördlich der Alpen eingeleitet oder gefestigt wurde5. Zusammen hängen die Translationen auch ursächlich mit der Bedeutung, die man den Reliquien und der Reliquienverehrung angedeihen ließ. In einer vor zehn Jahren erschienenen synthetisierenden Abhandlung hat Edina Bozóky sehr klar zwischen der politischen Bedeutung bzw. Indienstnahme von Reliquien in Byzanz und in den westlichen Monarchien und Territorien unterschieden6. Abschließend formuliert sie sogar sehr pointiert auf der Grundlage dieser Vergleiche, dass Bedürfnisse nach Sakralisierung dann zunahmen, wenn die öffentliche Gewalt – wie im Laufe der Zeit in Byzanz –

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Vgl. Marcel MAuss, Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, in: Ders., Soziologie und Anthropologie. Gabentausch, Soziologie und Psychologie, Todesvorstellung, Körpertechniken, Begriff der Person, Bd. 2, hg. v. Wolf lepeNies / Henning ritter, Frankfurt u. a. 1978, 11–148; Klaus HerBers, Leo IV. und das Papsttum in der Mitte des 9. Jahrhunderts. Möglichkeiten und Grenzen päpstlicher Herrschaft in der späten Karolingerzeit (Päpste und Papsttum 27), Stuttgart 1996, 354–387; Hedwig röckeleiN, Reliquientranslationen nach Sachsen im 9. Jahrhundert. Über Kommunikation, Mobilität und Öffentlichkeit im Frühmittelalter (Beihefte der Francia 48), Stuttgart 2002, 34–47 zu Mobilität, Migration und Kommunikation, zusammenfassend 325–365; Klaus HerBers, Mobilität und Kommunikation in der Karolingerzeit – die Reliquienreisen der heiligen Chrysanthus und Daria, in: Literatur – Geschichte – Literaturgeschichte. Festschrift für Volker Honemann zum 60. Geburtstag, hg. v. Nine MieDeMA / Rudolf suNtrup, Frankfurt am Main/Berlin 2003, 647–660; Rudolf scHieFFer, Christianisierung Europas, in: Credo – Christianisierung Europas im Mittelalter. 1: Essays, Petersberg 2012, 44–52, und die weiteren Beiträge in diesem Band. Vgl. außer den Titeln in der vorigen Anm. Hartmut kugler, Zum kulturwissenschaftlichen Konzept ‚Kulturtransfer‘ im europäischen Mittelalter, in: Musik und kulturelle Identität, 3 Bde., Bd. 2, hg. v. Detlef AlteNBurg / Rainer BAyreutHer, Kassel 2012, 456–465. Zu Sakralisierungsprozessen vgl. die Studien der Erlanger Forschergruppe „Sakralität und Sakralisierung. Interkulturelle Perspektiven in Europa und Asien“ (http://www.sakralitaet.unierlangen.de/index.php/publikationen.html [abgerufen am 15. September 2017]) und zu italienischen Translationsprozessen die in diesem Kontext entstandene Erlanger Dissertation von Larissa DücHtiNg, Heiligenverehrung in Süditalien. Studien zum Kult in der Zeit des 8. bis beginnenden 11. Jahrhunderts (Beiträge zur Hagiographie 18), Stuttgart 2016. Vgl. Klaus HerBers, Rom im Frankenreich – Rombeziehungen durch Heilige in der Mitte des 9. Jahrhunderts, in: Mönchtum – Kirche – Herrschaft 750–1050. Josef Semmler zum 60. Geburtstag, hg. v. Dieter R. BAuer / Rudolf HiestAND / Brigitte kAsteN u. a., Sigmaringen 1998, 133–169. Nachdruck in: Klaus HerBers, Pilger, Päpste, Heilige. Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Geschichte des Mittelalters, hg. v. Gordon BleNNeMANN / Wiebke DeiMANN / Matthias MAser u. a., Tübingen 2011, 111–147; Ders., Reliques romaines au IXe Siècle: Renforcements des Liaisons avec la Papauté?, in: Hagiographie, Idéologie et Politique au Moyen Âge en Occident: actes du Colloque international du Centre d’Études supérieures de Civilisation médiévale de Poitiers. 11–14 Septembre 2008, hg. v. Edina BÓzoky, Turnhout 2012, 111–126. Vgl. Edina BozÓky, La politique des reliques de Constantin à Saint Louis. Protection collective et légitimation du pouvoir, Paris 2007.

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die Möglichkeiten verlor, direkt in religiöse Angelegenheiten einzugreifen, oder wenn diese Gewalten von kirchlichen Kräften ernsthaft in Frage gestellt wurden7. Die Frage nach den Translationen stellt sich aber auch auf der Berichts- und Quellenebene: Welche Quellenarten verzeichnen translationes? Nicht nur die eigens für diese Vorgänge verfassten Berichte8, sondern auch Briefe, Urkunden oder allgemein historiographische Quellen können darüber berichten. Hieraus ergeben sich aber auch Konsequenzen für die Einordnung des hagiographischen Ereignisses. Weiterhin gilt es zu fragen, ob Translationen neue Dossiers und Quellen generierten, inwiefern zum Beispiel Schriften zu den Heiligen neu verfasst bzw. neu geschrieben wurden. Wie fruchtbar es sein kann, nach der réécriture hagiographique zu fragen, ist bereits vielfach hervorgehoben worden9. Inwiefern Translationsprozesse Auslöser oder Anlass hierfür werden konnten, wird zu prüfen sein. Die Iberische Halbinsel wird in den Blick genommen, und drei Beispiele werden kontextualisiert, um dabei auch danach zu fragen, was denn die Sache eines Heiligen nach seinem Tod oder seiner Translation gewesen sein könnte, inwieweit und welche Formen der Sakralisierung fassbar werden, schließlich wie weit politische Erklärungsmuster greifen. Dabei dürften verschiedene Aspekte wichtig werden, besonders erscheinen aber die Überlieferungskontexte bedeutsam. Dazu wurde ein Beispiel aus dem 9. Jahrhundert ausgewählt, die Übertragung von Heiligen aus dem muslimischen Córdoba nach Navarra, Asturien und ins Westfrankenreich (II), die Übertragung des heiligen Isidor von Sevilla nach León (III) und die Translation der Fructuosus-Reliquien von Braga nach Compostela (IV). In einem bilanzierenden Abschnitt werden diese Fälle auf die Titelformulierung hin verglichen (V). II. VON CÓRDOBA NACH NAVARRA, ASTURIEN UND IN DIE ÎLE DE FRANCE Die ab 711 einsetzende arabisch-muslimische Herrschaft über weite Teile der Iberischen Halbinsel bedeutete keineswegs ein Versiegen des christlichen Lebens in diesen Territorien, wenngleich seine Ausprägungen unterschiedlichen Veränderungen 7 8 9

Vgl. ebd., 255–259. Vgl. hierzu klassisch Martin HeiNzelMANN, Translationsberichte und andere Quellen des Reliquienkultes (Typologie des sources du moyen âge occidental 33), Turnhout 1979; vgl. auch die in Anm. 2–7 angegebene Literatur. Vgl. zu diesen Ansätzen Monique goullet, Vers une Typologie des Réécritures hagiographiques, à partir de quelques Exemples du Nord-Est de la France. Avec une Édition synoptique des deux Vies de Saint Èvre de Toul, in: La Réécriture hagiographique dans l’Occident médiéval: Transformations formelles et idéologiques (Beihefte der Francia 58), hg. v. Dies. / Martin HeiNzelMANN, Ostfildern 2003, 109–144; Dies., Écriture et Réécriture hagiographiques. Essai sur le Réécritures des Vies de Saints dans l’Occident latin médiéval (VIIIe–XIIIe s.) (Hagiologia 4), Turnhout 2015; allgemeiner: Klaus HerBers, Hagiographie im Kontext: Konzeption und Zielvorstellung, in: Hagiographie im Kontext. Wirkungsweisen und Möglichkeiten historischer Auswertung, hg. v. Dieter R. BAuer / Klaus HerBers, Stuttgart 2000, IX–XXVIII; vgl. auch unten Anm. 17 und 29.

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unterworfen waren. Über die Stellung der im Gebiet der muslimischen Herrscher lebenden Christen werden wir in den Quellen nur knapp informiert, wir wissen aber von einem religiösen ‚Aufstand‘ der sogenannten Märtyrer von Córdoba in der Mitte des 9. Jahrhunderts, weil uns hierzu einschlägige lateinische Schriften überliefert sind. Über die Märtyrer und das Quellencorpus wird in der Forschung heftig diskutiert. Zugespitzt geht es um Folgendes: Gab es in Córdoba zu dieser Zeit wirklich eine Verfolgung und entsprechend Märtyrer, oder provozierten die beteiligten Christen und erlitten dann ein theologisch fragwürdiges, explizit ‚gesuchtes‘ Martyrium10? Auch ohne diese Alternative hier klären zu können, bleibt das Quellencorpus auch für diese Fragestellung interessant und wertvoll. Es bietet neben Traktaten und Abhandlungen auch den Brief eines der Wortführer, Eulogius, vom 15. November 851 an den im kleinen christlichen Pyrenäenreich lebenden Bischof Wilisendus von Pamplona. Der Brief dürfte nicht nur die Orientierung nach außen, sondern auch Zielvorstellungen innerhalb der Cordobeser Gruppe gut dokumentieren11. Eulogius erwähnt die Fahrt seiner ‚Brüder‘ Álvarus und Isidor ins Reich Ludwigs des Deutschen (843–876) und die kriegerischen Handlungen im südwestlichen Karolingerreich12, berichtet aber im ersten Teil hauptsächlich von der eigenen Reise in das von christlichen Herrschern regierte Pyrenäenreich Navarra und zu den dortigen Klöstern. Dem geistigen Leben dieser monastischen Institutionen, insbesondere dem Kloster Leyre, zollt er höchste Anerkennung, dies betrifft die Klosterdisziplin ebenso wie die Bibliotheken. Der zweite Teil des Briefes schildert sodann die schwierige Situation in Córdoba. Der Bischof von Pamplona hatte aber von Eulogius bei dessen Besuch Reliquien erbeten, und daran erinnert sich Eulogius in diesem Teil des Briefes, den er 10

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Vgl. hierzu mit der inzwischen sehr angewachsenen, wichtigsten Bibliographie meine Studien: Klaus HerBers, ‚Homo hispanus?‘. Konfrontation, Transfer und Akkulturation im spanischen Mittelalter, in: Akkulturation im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 78), hg. v. Reinhard Härtel, Ostfildern 2014, 43–80, bes. 47–50; Ders., Christen und Muslime im 9. Jahrhundert in Italien und Spanien. Gewalt und Kontakt, Konzeptualisierung und Wahrnehmung, Historische Zeitschrift 301 (2015), 1–30; Ders., Europa: Christen und Muslime in Kontakt und Konfrontation. Italien und Spanien im langen 9. Jahrhundert (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse, Jahrgang 2016/2), Stuttgart 2016, mit weiteren Literaturhinweisen. Vgl. Eulogius, Epistolae, in: Corpus Scriptorum Muzarabicorum (Manuales y Anejos de ‚Emerita‘ 28), 2 Bde., Bd. 2, hg. v. Iohannes gil, Madrid 1973, 497–503; vgl. auch den biographischen Versuch von Fray Justo pérez De urBel, San Eulogio de Córdoba o la Vida andaluza en el Siglo IX, Madrid 1928, Madrid 21942, 91–103 zur Reise; vgl. ebd., 90, Anm. 1 zu möglichen Datierungen von Reise und Brief. Zur Interpretation des Briefes weiterhin Jacques FoNtAiNe, Mozarabie hispanique et monde carolingien. Les échanges culturels entre la France et l’Espagne du VIIIe au Xe siècle, Anuario de estudios medievales, 13 (1983), 17–46, bes. 25–29; eingehend künftig Klaus HerBers, Euloge de Cordoue († 859) et les confrontations religieuses et culturelles dans l’Emirat – Sa lettre à Wilisinde de Pampelune, in: Société des Antiquaires de France pour l’année (2015), 162–180. Vgl. zu den Auseinandersetzungen um Aquitanien, an denen Graf Wilhelm von Septimanien maßgeblich beteiligt war, vor allem die Zeugnisse der ‚Annales Bertiniani‘, ad. a. 848, 849 und 850, Annales Bertiniani, ed. Felix grAt / Jeanne vielliArD / Suzanne cléMeNcet, Les Annales de Saint-Bertin, Paris 1964, 55–60.

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aus dem Gefängnis schreibt. Dabei unterstreicht er, dass die corpora vieler hingerichteter Christen verbrannt oder in den Fluss geworfen worden seien und keine Bestattung erfahren hatten. Dies bedeutete natürlich hinsichtlich christlicher Memorial- und Auferstehungsvorstellungen eine gravierende Einschränkung. Er werde deshalb am Briefende die Namen und Todesdaten derer anfügen, die als Zeugen der Wahrheit gestorben seien. Für sie erbitte er das Gebet13. Gegen Ende des Briefes übermittelt er Grüße an Abt Fortunio aus Leyre und seinen Konvent sowie an zahlreiche weitere Gemeinschaften, die er bei seiner Reise besucht hatte. Danach folgen die Namen der ‚Märtyrer‘, zunächst wird der Priester Perfectus (18. April 850) genannt. Es folgen – ebenso mit Todesdaten – der Mönch Isaac, der Laie Sancho, der Priester Petrus, der Diakon Walabonsus, Sabinianus, Wistremundus, Habentius und Jéremias sowie Sisnandus, Paul und Theodemir. Dies seien – so sagt er – die Namen derer, die zum Zeugnis für die Wahrheit (propter testimonium ueritatis) gestorben seien, dann fügt er noch die Namen der Jungfrauen Flora und Marie an. Der Überbringer des Briefes, Galindo, datiert nach spanischer Ära, aufgelöst ergibt sich der 15. November 85114. 13

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Vgl. gil, Corpus (wie Anm. 11), 502: Absatz 12. Haec et his similia, prout Spiritus dabat elo­ qui eis, in conspectu regum et principum confitentes, omnes gladio uindice interempti sunt. Quorum decisa corpora stipitibus suspendentes post aliquot dies igne cremarunt eorumque cineres fluuialibus aquis perdendos merserunt; pleraque uero inhumata prae foribus palatii relinquentes uolucribus canibusque deuoranda exposuerunt, adhibitis custodiis militum, ne quis Xpianorum intuitu humanitatis carnibus nudata cadauera sepeliret, sicut scriptum est: ‚Posuerunt mortalia seruorum tuorum escas uolatilibus caeli, carnes sanctorum tuorum bestiis terrae; effuderunt sanguinem eorum uelut aquam in circuitu Hierusalem, et non erat qui sepe­ liret‘. Quorum nomina diesque allisionum in fine epistolae digeremus. Huius rei causa nos deuincti manemus, propter hoc compediti existimus, nostro deputantes instinctui nostraeque informationi adscribentes quidquid illi diuinitus illustrati egerunt. Unde quaesumus ut suffra­ gia orationum uestrarum in defensionem nostram adhibeatis nostrumque carcerem omnibus monasteriis uestris innotescere faciatis, et ut proni pia exoratione inuigilent iubeatis, ita post peractum luctamen mundi de aeterno praemio exultetis. Vgl. gil, Corpus (wie Anm. 11), 502 f.: Absatz 13. Sane salutationum officia, quae dudum alias proferendo omisimus, nunc cernua mente persoluimus uosque feliciori serie temporum uigere exposcimus, petentes ut salua honoris uestri reuerentia non dedignemini nobis salutare amabi­ les et carissimos patres nostros, id est, Fortunium Legerensis monasterii abbatem, cum omni collegio suo, Athilium Cellensis monasterii abbatem cum omni collegio suo, Odoarium Serasi­ ensis monasterii abbatem cum toto agmine suo, Scemenum Igalensis monasterii abbatem cum omni collegio suo, Dadilanem Hurdaspalensis monasterii abbatem cum omni collegio suo. Salutamus etiam ceteros patres, quos in peregrinatione nostra tutores et consolatores habui­ mus omnemque scholam dominicam in osculo sancto. In nomine Domini, regnante in perpetuum Domino Iesu Xpo, anno incarnationis eius octingen­ tesimo quinquagesimo, aera octingentesima octuagesima octaua, decimo quarto Kalendas Maias Perfectus presbyter occubuit. Sequenti uero anno qui nunc est aera octigentisima octuagesima nona, tertio Nonas Iunias, Isaac monachus decidit, post quem Sanctio laycus de oppido Alauensi, Nonas Iunias, in hac ipsa aera, martyriali obitu triumphauit. Deinde Petrus presbyter, Walabonsus diaconus, Sabi­ nianus, Wistremundus, Habentius et Ieremias monachi uno die unaque hora septimo Idus Iunias in aera supradicta interempti sunt. Sisenandus uero diaconus decimo septimo Kalendas Augustas eadem aera prostratus est. Pau­ lus diaconus decimo tertio Kalendas Augustas aera qua supra allisus est. Theodemirus mo­

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Der Brief gewinnt seinen besonderen Charakter durch die Namensliste vor der Datierung. Blickt man auf den Absatz 12 der Briefedition, der die Exekutionen und die fehlenden Bestattungen vermerkt, dann wird nach einem Zitat aus dem siebten Psalm um Gebetshilfe ersucht: suffragia orationum uestrarum. Und der Briefschreiber will auch, dass alle Klöster in Navarra den Zustand in Córdoba kennenlernten, wo man wie in einem Gefängnis sei: nostrumque carcerem omnibus monasteriis uestris innotescere faciatis. Und dies geschehe nur mit Blick auf den praemium aeternum nach dem Ende der Welt15. Man könnte den Brief somit nur als Aufforderung zur Gebetsverbrüderung ansehen. Aber der neunte Absatz lässt noch etwas Anderes erkennen. Die Reise, die der Bote Galindo Iñigo mit dem Brief nach Navarra antreten soll, erinnert Eulogius an den Reliquienwunsch des Bischofs von Pamplona. Eulogius übermittelt nun neben Zoilus, dessen Reliquien Wilisendus erbeten hatte, um die Völker von Pamplona zu erleuchten, noch die Reliquien von Acislus16. So gelangten die Reste zweier Märtyrer aus dem 4. Jahrhundert zur Verehrung in das Pyrenäengebiet17. Insofern begleitete der Brief auch eine Reliquientranslation – war also ein Schriftstück, wie es auch sonst aus karolingischer Zeit gut bekannt ist. Aber tatsächlich

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nachus octauo Kalendas Augustas eadem aera occisus est. Isti sunt qui tradiderunt corpora sua in morte propter testimonium ueritatis, ut in aeternum uiuerent, siquidem et duas uirgines Xpi Floram et Mariam nobiscum ob eandem professionem nunc in ergastulum detruserunt et cotidie de interitu comminantur. Data decimo septimo Kalendas Decembris per Galindum Enneconis uirum illustrem, aera oc­ tingentesima octuagesima nona. Vgl. auch Anm. 13. Vgl. gil, Corpus (wie Anm. 11), 500 f.: Absatz 9. Et quia intercedente terrarum prolixa cape­ dine multis ab invicem disparamur spatiis, obstante quoque alio chaos immane, quo ego Cor­ dubae positus sub impio Arabum gemam imperio, vos autem Pampilona locati Xpicolae prin­ cipis tueri meremini dominio, qui semper inter se utrique gravi conflictu certantes liberum commeantibus transitum negant, inde est vel quod non debitum vestrae bonitati dependimus famulatum, vel quod non pio desiderio vestro satisfecimus in transmissione reliquiarum, seu quia non quibuscumque tales tantasque opes committere ducimus ratum. Nunc autem quia Deo dispensante domnus Galindo Enneconis ad propria remeans suos revisere fines exoptat, per ipsum vobis praefati martyris reliquias destinavimus. Sed st sancti Aciscli, quas a nobis non postulastis, transmisimus, ut vos sponsionis vestrae votum feliciter adimplentes eorum beatae memoriae construendo basilicam, nobis Deo fautore propter hanc oboedientiam patrocinium illorum occurrat ad veniam, Xpo vobis omnia repensante atque donante quae in nobis egistis et quae erga nos operati estis, quem vestrum in nos olim exhibitum non latet obsequium et pia remuneration centuplicatum vobis valet rependere commodum, qui dixit: Qui vos recipit, et qui vos spernit, me spernit; et qui recipit prophetam in nomine iusti mercedem iusti accipiet. Cuncta tibi, pater, reposita sunt coram Domino, omnia apud illim, quae piis laboribus tuis debenture, salva et incolumia perseverant, recipienda ab eo tempore necessario cum iustus iudex advenerit unicuique reddere pro qualitate laborum aut praemium aut supplicium. Vgl. zur späten Translation von St. Zoilus: Patrick HeNriet, Un hagiographe au travail: Raoul et la réécriture du dossier hagiographique de Zoïle de Carrión (années 1130). Avec une première édition des deux prologues de Raoul, in: La réécriture hagiographique dans l’Occident médiéval. Transformations formelles et idéologiques (Beihefte der Francia 58), hg. v. Monique goullet / Martin HeiNzelMANN, Ostfildern 2003, 251–283; Ders., La politique monastique de Ferdinand Ier, in: El monacato en los reinos de León y Castilla (siglos VII–XIII) (Actas del X Congresode estudios medievales), León 2007, 103–124.

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kann man aus hagiographischer Sicht sogar eine doppelte Funktion sehen: Neben der Begleitung der Reliquien war es auch die Bitte um Gebet für die aktuellen Märtyrer aus Córdoba, deren Namen am Ende des Briefes aufgelistet waren. Ich wage es sogar, das Schriftstück in diesem Teil als ‚Briefmartyrolog‘ zu bezeichnen18. Der Rest des Briefes bietet die Erzählung der Reise und die freilich parteiische Darstellung der aktuellen Situation in Córdoba, die sich seit der Rückkehr von der Reise verschärft habe19. Was Eulogius als Gebetsbitte für die aktuellen Märtyrer formulierte, konnte jedoch auch zum Reliquienkult bzw. zu Translationen führen. Als König Alfons III. von Asturien (866–909) den Emir Muhammad I. (852–886) besiegte, forderte er 883 die Reliquien von Eulogius und Leokritia, die er durch einen Samuel nach Oviedo überführen ließ; am 9. Januar 884 kamen sie dort an20. Außerdem strahlte der Kult der Märtyrer bis in das Westfrankenreich aus. Als eine Gesandtschaft Karls des Kahlen (843/875–877) im Auftrag des Abtes von St-Germain-des-Prés auf der Suche nach Vinzenz-Reliquien in Spanien teilweise erfolglos geblieben war, wurden diese wohl in Barcelona auf ‚neue Märtyrer‘ hingewiesen. Die Reliquien der in den Verfolgungen 852 in Córdoba umgekommenen ‚freiwilligen Märtyrer‘ Georg, Aurelius und Nathalia gelangten daraufhin ins Westfrankenreich. Das Interesse Karls des Kahlen an den leiblichen Überresten der ‚Märtyrer von Córdoba‘ belegt ein interessantes Detail des Berichtes: Als der westfränkische König selbst die Reliquien verehrte, entsandte er heimlich einen weiteren Boten nach Córdoba, der die Echtheit überprüfen sollte21. Die Reliquien 18 19 20

Vgl. hierzu HerBers, Euloge de Cordoue (wie Anm. 11). Vgl. gil, Corpus (wie Anm. 11), 502: Absatz 12 (wie Anm. 13). Zur Gesandtschaft des Dulcidius vgl. Chronicon Albeldense a. 883, hg. v. Juan gil FerNáNDez, trad. José L. MorAleJo, Oviedo 1985, 181; vgl. Breviario antiguo de Oviedo (España Sagrada 10), hg. v. Enrique FlÓrez, Madrid 1753, 457 (31792: 467), Anm. *: Cum anno Domini 883 vigesimum quartum post martyrium SS. Eulogij et Leocritiae, Magnus Adephonsus Oveti Rex quemdam Presbyterum, Dulcidium nomine, Cordubam, ut coram Mahomat Cordubae regem nonnulla ad utriusque pertinentia tractanda statum, dimitteret; Presbyter Dulcidius cum esset in urbe, quomodo ipsorum corpora sanctorum Eulogii et Leocritiae Martyrum in suam perve­ nire potestatem possent, curavit. Intentum quidam Muzarabi Christiano, cognomine Samuel, patefecit, qui promisit sanctum Dulcidii vorum implere. Oblata complevit Samuel: et disposi­ sitis negotiis Dulcidius Adephonsum de sacris reliquiis certiorem fecit, qui cum Hermenegildo episcopo Ovetensi, et clero, solemni processione ordinata, illis extra urbem Ovetum obviam fuit. Quibus receptis, et in capsam cypressinam translatis, et in capella S. Leocadiae sub arae tabula conditis, Regis et Procerum devotio occupavit laetitiam. Quae translatio facta fuit IX. Januarii, quo sacra corpora pervenerunt Ovetum. Vgl. Reinhard Dozy, Histoire des Musulmans d’Espagne jusqu’à la conquête de l’Andalousie par les almoravides (711–1110), Leyden 1932, 361 f.; Franz Richard FrANke, Die freiwilligen Märtyrer von Cordova und das Verhältnis der Mozaraber zum Islam (nach den Schriften von Speraindeo, Eulogius und Alvar) (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, 1: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 13), Münster 1958, 169. 21 Vgl. zu dieser abenteuerlichen Reise, zunächst sogar mit etwas anderem Ziel, die Quellenberichte (samt folgenden Mirakeln) von Aimon von St-Germain-des-Prés: De translatione ss. martyrum Georgii, Aurelii et Nathaliae, Jacques Paul MigNe, Patrologia Latina 115, 939–960 (BHL 3409); Ders., Historia translationis s. Vincentii ex Hispaniae in Castrense Galliae monasterium, MigNe, PL 126, 1011–1028 (BHL 8644). Erneute Überprüfung durch Karl den Kahlen:

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veränderten den Heiligenhimmel und den jährlichen Verehrungszyklus. Das Karl dem Kahlen gewidmete Martyrolog Usuards von St-Germain-des-Prés, der an der spanischen Expedition beteiligt war, verzeichnet verschiedene spanische Heilige unter den nicht unbeträchtlichen ‚Neuzugängen‘22. III. VON SEVILLA NACH LEÓN – KASTILISCH-LEONESISCHE HISTORIOGRAPHIE Die eingangs schon evozierte Übertragung der Isidorreliquien zwei Jahrhunderte später wird durch einen Translationsbericht dokumentiert, der im wesentlichen Eingang in die leonesische ‚Historia Silensis‘ fand und von dort in weitere historiographische Überlieferungen übernommen wurde23. Geschildert wird ein erfolgreicher Kriegszug Ferdinands I. (1035–1065), bei dem er munera (198) und das corpus der heiligen Märtyrerin Justa verlangt habe. Der barbarus – gemeint ist der muslimische Herrscher – habe dies versprochen, und dann habe Ferdinand den Bischof Alvitus der urbs regia (also von León) sowie Bischof Ordoño von Astorga und den comes Muñio zu sich gerufen. Sie sollten die Gebeine herbeiholen. In Sevilla sagte der Besiegte die Gebeine zu, bedeutete aber der Gesandtschaft, er wisse nicht, wo sie diese suchen könnten. Daraufhin regte Alvitus ein dreitägiges Fasten und Beten an. In der vierten Nacht erschien dem Leoneser Bischof ein mit der Mitra geschmückter Mann, der ihm sagte: Die heilige Justa solle in Sevilla bleiben, dafür sei ihnen sein Leib geschenkt (corpus meum donatum est vobis, quod tollentes a propria remeate, 200). Auf die Frage hin, wer er sei, antwortete die Gestalt: Ego sum Ispaniarum doctor huiuscemodi urbis antistes, Ysidorus (200). Nach dreifacher Aufforderung zeigte der Mann mit einem Stab auf den locum, in quo santus thesaurus latitabat (201). Nachdem die Vision allen bekannt gemacht worden war, auch dem muslimischen Herrscher, soll dieser gesagt haben: „Und womit bleibe ich dann hier zurück (202)?“ Beim Öffnen des Grabes strömte dann allen Beteiligten Wohlgeruch ent-

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MigNe, Patrologia Latina 115, 957. Vgl. hierzu in größerem Zusammenhang (mit weiterer Literatur) FoNtAiNe, Mozarabie hispanique (wie Anm. 11), 33 und 36–38 mit weiterer Literatur. Vgl. zu den Vinzenztraditionen auch die Erlanger Dissertation von Sofia Meyer, Der heilige Vinzenz von Zaragoza: Studien zur Präsenz eines Märtyrers zwischen Spätantike und Hochmittelalter (Beiträge zur Hagiographie 10), Stuttgart 2012. Vgl. bereits hierzu Beaudouin De gAiFFier, Les notices hispaniques dans le martyrologe d’Usuard, Analecta Bollandiana 55 (1937), 268–283. Vgl. die Edition des Martyrologs von Jacques DuBois, Le martyrologe d’Usuard (Subsidia hagiographica 40), Brüssel 1965, der in der Einleitung die neuen spanischen Heiligen zusammenstellt (93–96). Vgl. Historia Silensis (wie Anm. 1) (die Seitenzahlen mit den lateinischen Begriffen und Kurzzitaten werden im Folgenden oben in Klammern angegeben). Der hiermit auch textlich eng zusammenhängende und über große Strecken wortgleiche Translationsbericht (BHL 4488) ist jetzt neu ediert: Translatio Sancti Isidori Legionem Anno 1063 (Corpus Christianorum Continuatio Medievalis 281: Scripta Medii Aevi de Vita Isidori Hispanensis episcopi), ed. José Carlos MArtíN-iglesiAs, Turnhout 2016, 1–10; vgl. die einleitenden Bemerkungen zur Überlieferung ebd., *7–*16, sowie *10 f. zum Verhältnis zur ‚Historia Silensis‘.

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gegen. Als die Gesandtschaft wenig später aufbrechen wollte, kam es dann zu der eingangs zitierten Szene: Der muslimische Anführer warf sich auf den Sarkophag (202). In León seien die Reliquien mit großem Pomp empfangen worden. Die ‚Historia Silensis‘ berichtet über den Ort der Beisetzung und über die Wunder des Heiligen, der erst jetzt, 400 Jahre nach seinem Tod, nach León gekommen sei. Die letzten Seiten der ‚Historia Silensis‘ betreffen dann Fragen der Nachfolge Ferdinands I. Nach der ‚Translatio‘ fügten sich diese Angelegenheiten in der in einer – durch den Leichnam Isidors – aufgewerteten urbs regia León besonders gut an. Interessant ist die Perspektive der ‚Historia‘, denn – wie Wiebke Deimann bemerkt hat – es fehlen in diesem Bericht Anhaltspunkte über die Christen unter muslimischer Herrschaft völlig24. Wussten sie nicht mehr, wo der große Heilige der Westgotenzeit lag? Verehrten sie ihn gar nicht mehr? Warum blieb lediglich der muslimische Herrscher Verhandlungspartner? Jedenfalls konnte unter diesen Voraussetzungen bzw. aus dieser Erzählperspektive von Sevillaner Christen kein Einspruch gegen den Verlust der Gebeine erhoben werden. Der Bericht entspricht gängigen mitteleuropäischen Traditionen. Das dreitägige Fasten, die dreimalige Erscheinung mit dem Hinweis auf die Ruhestätte sind gängige Rituale, die auch andere ‚Inventiones‘ verzeichnen. Wenn sich aber der von Ferdinand I. besiegte al-Mutamid in Sevilla vor dem Abtransport auf den Sarkophag geworfen, geseufzt und gesagt haben soll, wie sehr die Sache Isidors auch immer seine eigene gewesen sei, so entspricht dieses Abschiedsritual zwar den aus dem 9. Jahrhundert bekannten Translationsberichten aus Mitteleuropa, gewinnt aber eine neue Qualität, weil hier ein nichtchristlicher Herrscher in diese Formen einbezogen wurde. Die Translation des großen Theologen Isidor von Sevilla nach León symbolisierte so nicht nur eine Anknüpfung an die alte westgotische Zeit, sondern integrierte zugleich inzwischen arabisch-muslimisch geprägte Traditionen und ließ damit den Heiligen – der sogar Muslimen in der Perspektive der ‚Historia Silensis‘ offensichtlich wichtig war – noch größer erscheinen. Rückbesinnung unterstrich auch die neue Ruhestätte, das königliche Pantheon in León: Die Gestaltung der Fresken orientierte sich thematisch und symbolisch am Ritus der neunfachen symbolbeladenen Hostienbrechung in der altspanischen Liturgie. Translation und Bau erfolgten noch im 11. Jahrhundert. Der ‚neue‘ Isidor in León war jedoch wandlungsfähig, denn mit neuen Schriften und Zeichen wurde der Westgotenbezug zunehmend verdrängt. Eine zweite hagiographische Schicht mit Visionen und Wundergeschichten in der erst jüngst erschlossenen ‚Vita sancti Isidori‘ aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert verband seine Person nun stärker mit Rom. So berichtet ein prodigium davon, dass Isidor, um Gregor den Großen in Rom zu treffen, in kürzester Zeit von Sevilla nach Rom und zurück in der Weihnachtsnacht reisen konnte25. Isidor entledigte sich damit der westgotischen und musli24 25

Vgl. Wiebke DeiMANN, Christen, Juden und Muslime im mittelalterlichen Sevilla. Religiöse Minderheiten unter muslimischer und christlicher Dominanz (12. bis 14. Jahrhundert) (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 9), Berlin 2012, 68 f. Diese Texte sind jetzt neu ediert: Vita Sancti Isidori necnon Adbreviatio Bravlii […] (Corpus Christianorum Continuatio Medievalis 281), ed. José Carlos MArtíN-iglesiAs, 21–105, hier 29. Quod cum sancti Gregorii desiderium venerabilis Ysidorus comperisset, quod mirabile est au­

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mischen Kontexte und wurde nun zum rombezogenen Kirchenlehrer. Dadurch ergab sich eine weitere Sakralisierungstendenz. Isidor wurde nun als Vertreter eines römisch-lateinischen Europa eingeführt – oder besser: wieder eingeführt. Die sogenannte ‚Adbreviatio Braulii‘ etwa aus der gleichen Zeit unterstreicht diesen Akzent des neuen Isidorbildes26. Hier mutierte Isidor vom Kirchenlehrer zum Spezialisten des Kampfes gegen die Häresie: Wer Streiter gegen die arianische Irrlehre gewesen war, der konnte nun sogar zum Kämpfer gegen den Islam werden27. Die Rombezogenheit unterstreicht weiterhin eine interessante Parallelisierung: Isidor erscheint zusammen mit dem Apostel Jakobus dem Älteren und wird mit Gregor dem Großen verglichen, der sich seinerseits auf Petrus bezieht28. Es wird deutlich, wie Zentrum und Peripherie – Rom und Nordspanien – in Konkurrenz treten. Das hagiographische Dossier Isidors wurde mithin mehrfach neu geschrieben: Mit jedem Neuschreiben (réécriture) waren neue Konzeptionen verbunden, die auch die Sakralisierung des Raums betrafen, innerhalb der Hispania vornehmlich diejenige eines universal(-katholischen) europäischen Kirchenraums29. Den heiligen Isidor als Kämpfer gegen die Häresie bzw. den Islam lässt sein Banner gut erkennen.

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ditu, nocte nativitatis Domini, ut fertur, in ecclesia Yspalensi prima leccione perlecta, extra ecclesiam egressus, nescio a quo ductus, in parvissimo temporis intervallo ad Romanam deve­ nit urbem adque beatum papam Gregorium in matutinis laudibus Deo psallentem invenit. Viso autem eo, beatus Gregorius nimium letus protinus agnovit et ideo gratias agens amicissimum sibi Leandrum in Ysidoro amplexatus est. Post evangelicam vero explecionem valefaciens sancto, ab ecclesia egressus Yspalim in ipsa nocte rediit et clericos, quos dimiserat, easdem matutinas laudes reperit celebrantes. Adbreviatio Braulii, Taionis et Isidori nova fragmenta et opera, ed. Eduard ANspAcH, Madrid 1930, 56–64; zur Neuedition vgl. die vorige Anm. Zur Datierung dieser Schrift vgl. Manuel Cecilio DíAz y DíAz, Literatura Jacobea hasta el Siglo XII, in: Il Pellegrinaggio a Santiago de Compostela e la Letteratura jacopea, hg. v. Giovanna scAliA (Atti del Convegno internazionale di Studi. Perugia 23–25 Settembre 1983), Perugia 1985, 225–250, hier 239 f.; und Klaus HerBers, Politik und Heiligenverehrung auf der Iberischen Halbinsel. Die Entwicklung des „politischen Jakobus“, in: Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter (Vorträge und Forschungen 42), hg. v. Jürgen petersoHN, Sigmaringen 1994, 177–275, hier 208 f. (Ende 11. – Anfang 12. Jahrhundert); Patrick HeNriet, Rex, lex, plebs. Les miracles d’Isidore de Séville à León (XIe–XIIIe siècles), in: Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen (Beiträge zur Hagiographie 3), hg. v. Martin HeiNzelMANN / Klaus HerBers / Dieter R. BAuer, Stuttgart 2002, 334–350, hier 340 zu einem späteren Datum (Ende des 12. Jahrhunderts), jetzt hierzu MArtiN-iglesiAs (wie Anm. 25), 19*–29*. Vgl. HeNriet, Rex, lex, plebs (wie Anm. 26), 346, Anm. 73, mit den entsprechenden Belegen. Nam sicut Gregorius doctor Romae successit Petro ita beatus Isidorus in Hispaniarum parti­ bus doctrina Jacobo successit apostolo, Adbreviatio Braulii, ed. ANspAcH (wie Anm. 26), 63 f., ed. MArtiN-iglesiAs (wie Anm. 25), 104. Vgl. vor allem den Band: La Réécriture hagiographique dans l’Occident médiéval: Transformations formelles et idéologiques (wie Anm. 9), und Miracles, Vies et Réécritures dans l’Occident Médiéval, Actes de l’Atelier „La Réécriture des Miracles“ (IHP, juin 2004) et SHG X–XII: Dossiers des Saints de Metz et Laon et de Saint Saturnin de Toulouse (Beihefte der Francia 65), hg. v. Monique goullet / Martin HeiNzelMANN. – Die neuen Editionen der Isidortexte (vgl. Anm. 23) laden hier noch zu weiterer Interpretation ein. Vgl. außerdem: Scripta de vita Isidori Hispalensis episcopi […] (Corpus Christianorum series Latina CXIII B), ed. José Carlos MArtíN-iglesiAs, Turnhout 2006.

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IV. VON BRAGA NACH SANTIAGO – DIE BISTUMSGESCHICHTE DER ‚HISTORIA COMPOSTELLANA‘ Mit der Parallelisierung von Isidor und Jakobus wird zum letzten Beispiel übergeleitet. Es betrifft den nordwestspanischen Raum zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Die großen Erfolge der sogenannten Reconquista führten zur Notwendigkeit, alte kirchliche Strukturen wieder zu errichten oder neue zu schaffen. Hier spielte auch Compostela eine Rolle, denn das Bistum wollte gerne Erzbistum und Kirchenprovinz werden. Aus der Mitte des 12. Jahrhunderts stammt die ‚Historia Compostellana‘, die sich selbst zuweilen als Registrum bezeichnet. Ludwig Vones, der sich ausführlich mit dieser Quelle beschäftigt hat, redet von einer Mischform, einer hybriden Schrift zwischen Gesta et Registrum30. Inseriert sind zahlreiche päpstliche Schreiben. Zwar nicht der Schreiber, aber der Kopf hinter der ‚Historia‘ war vielleicht der ehrgeizige Diego Gelmírez, erst Bischof (ab 1098/1099), dann ab 1120/1124 Erzbischof von Compostela. Ob zwei oder drei Autoren an der Abfassung beteiligt waren, ist umstritten, aber sicher hat man Informationen des Archivs und der Kammer verwendet31. Ein Schritt auf dem Weg zum Erzbistum nach der Exemtion 1095 war der Erwerb des Palliums 1104 oder 110532. Im Kapitel (I, 15) vor diesem Thema berichtet die ‚Historia Compostellana‘ von einer Reliquientranslation33. Die Überschrift 30

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ludwig voNes, Die „Historia Compostellana“ und die Kirchenpolitik des nordwestspanischen Raumes 1070–1130 (Kölner Historische Abhandlungen 29), Köln/Wien 1980, 27–40; knapper Ders., Historia Compostellana, in: Lexikon des Mittelalters 5, 1991, 42; vgl. außerdem Fernando lÓpez AlsiNA, La Ciudad de Santiago de Compostela en la alta Edad Media. Ayuntamiento de Santiago de Compostela (Centro de Estudios Jacobeos, Museo Nacional de las Peregrinaciones), Santiago de Compostela 1988, 46–92; Klaus HerBers, „Historia Compostellana“ und „Liber Sancti Jacobi“ – Die Überlieferung päpstlicher Schreiben zwischen historiographischer Propaganda und pragmatischer Schriftlichkeit im 12. Jahrhundert, in: Erinnerung – Niederschrift – Nutzung. Das Papsttum und die Schriftlichkeit im mittelalterlichen Westeuropa (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen NF 11, Studien zu Papstgeschichte und Papsturkunden), hg. v. Klaus HerBers / Ingo FleiscH, Berlin 2011, 119–136. voNes, Historia Compostellana (wie Anm. 30), 38–40, vermutet sogar, dass die Verfasser, besonders der belesene Giraldus, den alten ‚Liber Pontificalis‘ gekannt haben könnten; zumindest ist die Zielsetzung identisch. Vgl. zum Typus der Gesta im 10. Jahrhundert auch das Werk Flodoards von Reims; hierzu Michel sot, Un Historien et son Église au Xe Siècle: Flodoard de Reims, Paris 1993; allgemein Ders., Gesta episcoporum, gesta abbatum (Typologie des sources du moyen âge occidental 37), Turnhout 1981; zum hohen Mittelalter: Dirk scHlocHterMeyer, Bistumschroniken des Hochmittelalters: die politische Instrumentalisierung von Geschichtsschreibung, Paderborn/München/Wien u. a. 1998; sowie die Beiträge im Sammelband: Liber, Gesta, Histoire. Écrire l’Histoire des Évêques et des Papes, de l’Antiquité au XXIe Siècle, hg. v. François BougArD / Michel sot, Turnhout 2009. Vgl. Regesta Pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum natum 1198, Bd. 1, hg. von Philippus JAFFé u. a., Leipzig 21885, Nr. 5986. Vgl. Historia Compostellana (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis 70), ed. emma FAlque rey, Brepols 1988, 32–36 (Da das Kapitel eine Zeilenzählung aufweist, finden sich oben die Zitate bzw. Begriffe immer mit Hinweis hierauf in Klammern). Spanische Übersetzung: Historia compostelana (Akal clásicos latinos medievales y renacentistas 3), ed. Emma FAlque rey, Madrid 1994.

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lautet: Translatio Sancti Fructuosi, Silvestri, Cucufati, Susane virginis et martyris in Compostellam34. Diego wollte als guter Hirte die Besitzungen der Compostellaner Kirche in Portugal besuchen und wurde von Erzbischof Gerald von Braga nach den Regeln der Gastfreundschaft empfangen. Als er die Messe in verschiedenen seiner Kirchen zelebrierte, sah er – wie er in einer Rede an die familiaren Kleriker darlegte –, dass viele kostbare Reliquien teilweise „halb nackt“ (nuda, Z. 56) dalagen und kaum verehrt wurden. Um dies zu verbessern (emendare, Z. 59), wollte Diego die heiligen Unterpfänder nach Compostela bringen. Dies habe aber occulte, heimlich (Z. 61), zu geschehen, damit das dortige Volk über den Verlust nicht zu sehr erregt werde. Die folgenden Zeilen berichten dann darüber, wie in den verschiedenen Kirchen die unterschiedlichen Reliquien ‚eingesammelt‘ wurden. Dies war aber nur der Auftakt zu Größerem. Ein weiterer Abschnitt ist Fructuosus (gestorben um 675) gewidmet. Angeblich habe Diego nämlich auch den Auftrag erhalten, dass dieser Heilige angemessen verehrt und deshalb übertragen werden müsse (Z. 93–97). Zwei Tage später zelebrierte Diego die Messe in San Fructuoso, näherte sich dem Grab des wichtigen Bischofs aus westgotischer Zeit, der als re­ gionis illius defensor et patronus (Z. 100) bezeichnet wird und entwendete ihn im frommen Diebstahl (eum pio latrocinio sustulit, Z. 102). Er brachte den kostbaren Leichnam zu einem zur Diözese Santiago gehörenden Ort Cornelha (Corneliana, Z. 108 f.). Dort kamen Gerüchte (rumor) auf, der Bischof habe etwas Unwürdiges (indignum, Z. 112) begangen. Um den Verdacht zu zerstreuen, übergab der Bischof die Reliquien einem getreuen Erzdiakon, damit dieser die kostbaren Schätze auf geheimen Wegen (per occultos tramites, Z. 118) bis nach Tuy, dem ersten Grenzort in Galicien, bringe. Dort wirkten die Reliquien bereits ein Wunder, nachdem der Erzdiakon die Reliquien am Ufer deponiert hatte, denn der nach drei Tagen Unwetter angeschwollene Miñofluss wurde wieder ruhig und mit einem Boot überquerbar. Die nächste Station war das Kloster San Bartholomäus vor den Toren der Bischofsstadt Tuy. Der Erzdiakon eilte zum wartenden Bischof Diego nach Cornelha zurück, um Bericht zu erstatten, und hinterließ die Reliquien in der Obhut eines Compostellaner Diakons, der sie nach San Pedro de Cela, einer Gründung des heiligen Fructuosus, brachte und dort zehn Tage lang verehrte. Der Rest ist schnell erzählt: Diego freute sich, dass der Schatz nun in Sicherheit war, brach selbst auf und schickte seine Boten nach Compostela, damit die Reliquien würdig empfangen würden. Das Volk kam dem Zug entgegen, zog die Schuhe aus, und die Reliquien wurden in der Jakobus-Kathedrale niedergelegt. Die genauen Orte beschreibt der Autor ebenso wie er erwähnt, dass für Fructuosus eine eigene Kapelle errichtet wurde. Es wird zwar nicht explizit gesagt, aber mit Fructuosus, dem wichtigen Bischof Bragas aus dem 7. Jahrhundert, dem Vater des iberischen Mönchtums, nahm Diego der traditionellen Metropole im Nordwesten der iberischen Halbinsel ein wichtiges 34

Vgl. zu dieser Translation auch Ronny Horst, Santiago de Compostela. Die Sakraltopographie der romanischen Jakobus-Kathedrale (Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 12), Kobb 2012, 78–87.

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Unterpfand. Dies gewann sogar einen protonationalen Aspekt. So wird mehrfach auf die Heiligen de terra Portugalensi, auf die defensores und patronos der patria (Z. 113 f.), angespielt. War nicht ein Bischof Galiciens, der ohnehin Besitzungen in Nordportugal besaß, so könnte man nach der Lektüre fragen, der bessere Oberhirte einer Kirchenprovinz als Braga? Der Reliquienraub lag, wie gesagt, zeitlich zwischen der Exemtion Compostelas 109535 und dem Erhalt des Palliums 1104 oder 1105, das normalerweise nur Erzbischöfe aus Rom erhielten. Aus dieser Perspektive gewann die Aktion auch aus der chronologischen Perspektive ihre Brisanz, die auch von der Gegenseite noch weiter betont wurde. Gerald von Braga, der zunächst gute Kontakte zu Diego Gelmírez unterhalten hatte, machte sich nun nach Rom auf. Wahrscheinlich waren Gerald und Heinrich in den Jahren 1103/1104 in Rom. Wie spätere Urkunden erkennen lassen, muss in diesen Jahren die endgültige Anerkennung Bragas als Metropole Galiciens erfolgt sein. In diesen Privilegien werden als Suffraganbistümer Astorga, Lugo, Tuy, Mondoñedo, Orense und Porto, dazu die neu eroberten Bischofssitze Coimbra, Viseu und Lamego genannt. Allerdings fehlte wiederum Iria-Compostela, wie schon Carl Erdmann bereits 1928 unterstrichen hat36. Vor allem die drei neuen Bistümer blieben im gesamten 12. Jahrhundert umstritten, aber sie kennzeichnen den eigentlichen Gewinn Bragas, denn Coimbra lag an der Grenze zum muslimischen Spanien, und von hier aus sollte sich die Dynamik der Eroberungen in der Zukunft entfalten37, insofern stand die gewaltsame Reliquientranslation auch im Zusammenhang der sogenannten Reconquista. Konkrete Folgen der Verehrung in Compostela kennen wir nicht, wohl aber den Bau der Salvatorkapelle für die Niederlegung der Reliquien; Ronny Horst hat unterstrichen, dass diese Kapelle nach dem Vorbild der Fructuosuskirche von Braga erfolgte. Deshalb habe es „einen regelrechten Formentransfer“38 gegeben. Der fromme Diebstahl, die pia fraus, führte jedoch nicht direkt zur Erzbischofswürde, aber es wird in dem Bericht deutlich, wie Heimlichkeit gleichsam zur Tu35

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Vgl. hierzu den Sammelband: Das begrenzte Papsttum: Spielräume päpstlichen Handelns. Legaten, delegierte Richter, Grenzen (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse NF 25), hg. v. Klaus HerBers / Frank eNgel / Fernando lÓpez AlsiNA, Berlin 2013; zu Bistumsexemtionen auf der Iberischen Halbinsel vgl. Klaus HerBers, Kirchliche Konflikte auf der Iberischen Halbinsel im 12./13. Jahrhundert, in: Usus curiae. Konflikt- und Verhandlungsführung am Papsthof des Mittelalters (Utrecht Studies in Medieval Literacy), Bd. 1, hg. v. Jessika NoWAk / Georg strAck [im Druck]. Vgl. auch Andreas HolNDoNNer, Kommunikation – Jurisdiktion – Integration. Das Papsttum und das Erzbistum Toledo im 12. Jahrhundert (ca. 1085 – ca. 1185) (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen NF 31, Studien zu Papstgeschichte und Papsturkunden), Berlin/Boston 2014, 172–196; sowie die Bände I und II der ‚Iberia Pontificia‘, Iberia Pontificia I. Dioeceses exemptae: Dioecesis Burgensis, ed. Daniel Berger, Göttingen 2012; Iberia Pontificia II. Dioeceses exemptae: Dioecesis Legionensis, ed. Santiago DoMíNguez sáNcHez / Daniel Berger, Göttingen 2013. Der Band zur exemten Diözese Oviedo ist in Vorbereitung. Vgl. Carl erDMANN, Das Papsttum und Portugal im ersten Jahrhundert der portugiesischen Geschichte, Berlin 1928, 11 f. Vgl. hierzu Walther L. BerNecker / Klaus HerBers, Geschichte Portugals (Ländergeschichten), Stuttgart 2013, 46–48. Horst, Santiago de Compostela (wie Anm. 34), das Zitat S. 85.

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gend erhoben wird und auch der göttliche Wille dem irdischen Neid der bisherigen Reliquienbesitzer gegenüberstand. Das Fest des heiligen Fructuosus wurde auch im 15. Jahrhundert noch prunkvoll mit einer Prozession in Compostela begangen, wie der Nürnberger Arzt und Humanist Hieronymus Münzer im Dezember 1494 beobachten kann39. Erst in jüngster Zeit gab es Gespräche zwischen Compostela und Braga über die Rückgabe der Reliquien. Die Translation fungierte als in diesem Fall vor allem kirchenpolitische Legitimation, die man auch in vermeintlich alten Dokumenten (die nicht immer echt waren), Konzilsbeschlüssen oder päpstlichen Privilegierungen in unterschiedlicher Weise suchte. V. VERGLEICHENDE BILANZ Welche Vorstellungen von Heiligkeit verraten die drei Beispiele? Bis auf den ersten Fall scheinen herrschaftliche und machtpolitische Aspekte bei den iberischen Translationen in den Schriften zu dominieren. Reliquien waren auch Kriegsbeute, wie am Beispiel Alfons’ III. und besonders Ferdinands I., vielleicht auch bei Karl dem Kahlen deutlich wird. Ein weiterer Aspekt ergibt sich aus dem ersten Beispiel. Reliquien werden hier aus Dank nach Navarra geschickt und in der Sorge darum, dass sie samt den nur namentlich genannten in den christlichen Pyrenäenklöstern besser verehrt und ihrer im Gebet memorial gedacht werde. Im Dossier zur Translation Isidors kommt dieser Aspekt indirekt zum Ausdruck, auch hier suggeriert die Übergehung der Sevillaner Christen, dass Isidor in León sicher würdiger verehrt werde. Bei den FructuosusReliquien wird zwar auch die mangelnde Verehrung genannt, aber aus einer leicht durchschaubaren Machtperspektive: Der fromme Diebstahl40 sollte offensichtlich Braga als Metropole schwächen und damit den Weg für Compostelas Ambitionen freimachen. Deutlich erscheint aber auch hier, dass der Heilige als Rechtsperson galt41, er offenbart sich selber und seine Wünsche wie Isidor in einer Vision, oder er freut sich über ‚Bewegung‘, verhindert jedenfalls nicht seinen Abtransport wie 39

40 41

Vgl. Hieronymus Münzer, CLM 431, fol. 180v–181 r: 16. Decembris, que erat tercia ante festum Thome, habuerunt magnum festum sancti Fructuosi episcopi, cuius corpus ibi quiescit. Ubi in processione et missa pulcerrimos habebant ornatus cum liliis regis Francie. Zu Hieronymus Münzer vgl. die Neuedition, die ich für die MGH vorbereite; vgl. einstweilen: Klaus HerBers, Die „ganze“ Hispania: der Nürnberger Hieronymus Münzer unterwegs – seine Ziele und Wahrnehmung auf der Iberischen Halbinsel (1494–1495), in: Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert (Beihefte der Francia 60), hg. v. Rainer BABel / Werner pArAviciNi, Ostfildern 2005, 293–308, und Ders., Humanismus, Reise und Politik. Der Nürnberger Arzt Hieronymus Münzer bei europäischen Herrschern am Ende des 15. Jahrhunderts, in: Studien zur politischen Kultur Alteuropas. Festschrift für Helmut Neuhaus zum 65. Geburtstag (Historische Forschungen 91), hg. v. Axel gottHArD / Andreas JAkoB / Thomas NicklAs, Berlin 2009, 207–219 (jeweils mit weiterer Literatur). Vgl. hierzu klassisch Patrick geAry, Furta Sacra. Thefts of Relics in the Central Middle Ages, Princeton 1978. Vgl. hierzu allgemein Hans HAtteNHAuer, Das Recht der Heiligen (Schriften zur Rechtsgeschichte 12), Berlin 1976.

Übertragene Heiligkeit – Reliquientranslationen und die Folgen

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Fructuosus. Insofern dürften auch Vorstellungen, dass Braga in Rom auf dieser Ebene hätte vorgehen können, wenig plausibel und zu modern sein; hier wurden Bistumszugehörigkeiten, nicht Reliquienbesitz juristisch verhandelt. Die politische Bedeutung von Translationen ist seit langer Zeit hervorgehoben worden, denkt man nur an den wegweisenden Band des Konstanzer Arbeitskreises zu Politik und Heiligenverehrung von 1994, den Jürgen Petersohn herausgegeben hat42, oder auch an den von Edina Bozóky 2012 herausgegebenen Band zu ‚Hagiographie, Idéologie et Politique au Moyen Âge en Occident‘43. Die Vorschläge einer Lyoner Tagung zum Verhältnis von Norm und Hagiographie44 lassen allerdings danach fragen, inwieweit nicht auch Normentransfer eine Rolle gespielt haben könnte. Mit Blick auf unsere Beispiele könnte man dies am ehesten im ersten und zweiten Fall vermuten. Traditionelle Verehrungsnormen und -formen werden von Córdoba in den Pyrenäenraum delegiert, die normative Kraft katholisch-westgotischer Traditionen eines Isidor gelangt auch durch den Translationsprozess zu neuer Wirksamkeit im Norden. Die kunsthistorischen Beobachtungen zum Formentransfer von Braga nach Compostela und gegebenenfalls die Neuschöpfung des Pantheon in León unterstreichen zugleich die Vielfalt von Sakralisierungs- und anderen Prozessen, die Translationen mit sich brachten. Allerdings erschließen sich aus den Beispielen zugleich – und diese Ebene muss im Blick behalten werden – eher Erzählstrategien als Heiligkeitskonzepte. Zu einer grundlegenden Begründung zählte aber das Ziel der angemessenen Verehrung. Dazu trat zugleich der Kampf gegen das Vergessen, deutlich im ersten und zweiten Beispiel, wenn auch auf unterschiedlicher Weise. Ohne memoria – so könnte man den Brief des Eulogius interpretieren – gibt es gleichsam keine personale Heiligkeit, weil die Heiligen vergessen werden, überspitzt formuliert: Memoria schafft Heiligkeit. Dabei scheint die größte Erregung darüber zu bestehen, dass die cor­ pora der Märtyrer verbrannt oder in den Fluss geworfen wurden, um so etwas wie materiell fassbare Heiligkeit zu verhindern. Über die Folgen erfahren wir relativ wenig: Immerhin halfen die Cordobeser Märtyrer nicht nur im ‚Briefmartyrolog‘, sondern auch im Martyrologium des Usuardus in St-Germain-des-Prés dabei, einen stärker iberischen Heiligenhimmel zu konturieren. Die größten Folgen und Anverwandlungen läßt aber Isidor erkennen. Nicht nur sein relativ konstruierter Rombezug, sondern seine Hilfe bei den Schlachten gegen die Muslime mutet sonderbar an, wenn man den Translationsbericht vergleicht. Das Heiligkeitsmodell, das aus seinem Kampf gegen den Arianismus entsprang – der aber mit dem Wort, nicht mit der Waffe geschah – und sich dann gegen die ‚Häresie‘ der Muslime richtete, ist von verschiedenen Ritterheiligen, die auch im Kampf gegen den Islam halfen, wie Ämilianus oder Jakobus, inhaltlich stärker 42 43 44

Vgl. Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter, hg. v. Jürgen petersoHN (wie Anm. 26), und die Beiträge in diesem Band. Hagiographie, Idéologie et Politique au Moyen Age en Occident, Actes du Colloque international du Centre d’Etudes supérieures de Civilisation médiévale de Poitiers, 11–14 Septembre 2008, hg. v. Edina BozÓky, Turnhout 2012. Vgl. Normes et Hagiographie dans l’Occident latin (VIe–XVIe Siècle) (Hagiologia 9), hg. v. Marie-Céline Isaȉ / Thomas grANier, Turnhout 2014.

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Klaus Herbers

aufgeladen, weil hier Aspekte der Vita in den Mirakeln weiterentwickelt wurden. Insofern bot die Translation auch Anlass, um die Vita Isidors neu zu schreiben und im Sinne der réécriture den Heiligen funktional, zeitlich und räumlich neu zu verorten. War neben den Erzählstrategien auch eine Übertragung von Heiligkeitsmodellen erkennbar? Wie gesagt ist in letzter Zeit viel und heftig darüber diskutiert worden, ob die Märtyrer von Córdoba wirklich Märtyrer waren, weil ja einige von ihnen gleichsam den Tod gesucht und in ihren Schriften künstlich ein Klima der Verfolgung geschaffen hätten. Soweit sich aber in Asturien oder St-Germain-desPrés erkennen lässt, wurde hier kaum ein Märtyrerkonzept übertragen. Es sollte bis zur Kreuzzugszeit dauern, bis sich wiederum – auch theoretisch – neue Martyriumskonzepte eröffneten. Die Translationen nach Asturien und in die Île de France könnten also höchstens – wenn auch nicht nachweisbare – langfristige Folgen gehabt haben. Aus dem Vergleich der drei Berichte lässt sich aber noch ein letzter Aspekt zu Heiligkeitskonzepten und hagiographischen Formen unterstreichen. Scheint das von mir als ‚Briefmartyrolog‘ bezeichnete Schriftstück des Eulogius durchaus singulär und bei aller Parteilichkeit der Situation geschuldet zu sein, so findet sich bei Isidor bereits die große Bedeutung von hagiographischen Zugriffsweisen, die seit der Karolingerzeit in Mitteleuropa Standard wurden: Nicht nur die Formen der ‚Inventio‘, sondern vor allem auch die Anlage der Mirakelsammlung des Isidor dürfte transpyrenäischen Vorbildern geschuldet sein. Insofern entsprachen hier die neue Romorientierung, die neuen Formen der Aufzeichnung sowie die Hilfe gegen Häresie und Islam dem Prozess der sogenannten ‚Europäisierung‘ seit dem 11. Jahrhundert. Es lohnt sich also, nicht nur von Süden nach Norden, sondern auch von Osten nach Westen zu schauen. Insgesamt fügen sich damit vor allem die beiden letzten Beispiele in die Zusammenhänge der sogenannten ‚Europäisierung‘ der Iberischen Halbinsel45 ein. Dies bedeutete aber auch, dass mit den Translationen nicht nur die empfangenden Institutionen und Orte deutlich neu sakralisiert wurden, sondern dass hiermit zugleich eine Universalisierung von Heiligkeit begann, wie sie im späten Mittelalter insgesamt deutlicher wird. Raum für diese Neuzuordnungen schuf aber auch die sogenannte Reconquista mit den dadurch freigesetzten Dynamiken, Austauschprozessen und territorialen Neuordnungen. Ob die These von Edina Bozóky zutrifft, dass Sakralisierung bei schwindender „staatlicher Einflussnahme“46 zunahm, belegen die drei Beispiele nicht direkt, es sei denn, man wollte Staatlichkeit im Emirat und in Navarra ‚zusammendenken‘. Sicher dürfte die Leoneser Maßnahme der Stellung als Königsstadt geschuldet sein, ebenso wie die Compostellaner Maßnahme der kirchenpolitischen Stellung Santiagos. Es fällt aber auf, dass die drei verschiedenen Quellenarten für sich sprechen: der Brief als Martyrolog und Begleitschreiben, die ‚Historia Silensis‘ als königs45 46

Zur sogenannten Europäisierung der Iberischen Halbinsel vgl. zusammenfassend Klaus HerGeschichte Spaniens im Mittelalter. Vom Westgotenreich bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, Stuttgart 2006, 150–167, mit weiterer Literatur. Vgl. Edina BozÓky, La politique des reliques (wie Anm. 6). Bers,

Übertragene Heiligkeit – Reliquientranslationen und die Folgen

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nahe historiographische Schrift sowie die ‚Historia Compostellana‘ als Gesta des späteren Erzbischofs Diego Gelmírez. Der Kontext der Translationsberichte in den jeweiligen Schriften vermittelt also bei genauer Interpretation die Botschaft, die aber nur in einem Fall – bei Isidor – zu einer hagiographischen réécriture des Dossiers führte.

IV SCHLUSS

DAS ‚HAGIOGRAPHY SOURCEBOOK‘: EINE SAMMLUNG ONLINE VERFÜGBARER MATERIALIEN ZU HAGIOGRAPHISCHEN FRAGEN Philipp Frey und Fiona Fritz Im Rahmen des DFG-Projekts ‚Heilige Heroen – Heroische Heilige. Interdependenzen, Verflechtungen und Transformationen von Leitbilddiskursen im skandinavischen Früh- und Hochmittelalter‘ entstand im Arbeitsbereich ‚Hagiographik Digital‘ das Fachportal ‚Hagiography Sourcebook‘1, in dem digital verfügbare Ressourcen zu Heiligen der Vormoderne und hagiographischen Fragen gesammelt werden2. Das ‚Hagiography Sourcebook‘ ist eine kommentierte Sammlung von wissenschaftlichem und populärwissenschaftlichem Material zur Hagiographieforschung. Es soll einen zentralen Anlaufpunkt für Studierende und Forschende darstellen, die sich mit Heiligen und hagiographischen Texten befassen. Ausgangspunkt für die Einrichtung des ‚Hagiography Sourcebook‘ war die Feststellung, dass es zwar etliche hochwertige Websites, Blogs und Bibliographien zu hagiographischen Themen online gibt, diese allerdings kaum vernetzt und zum Teil nur schwer auffindbar sind. Dieses Material wurde für das ‚Hagiography Sourcebook‘ sondiert und aufbereitet. Hier steht nun allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine kommentierte Sammlung von online verfügbarem Material wie digitalisierten Handschriften und Editionen, Quellensammlungen, Forschungsliteratur, Einführungen und Überblicke, Bibliographien, Blogs, Datenbanken, Lexika und Informationsangebote wissenschaftlicher Organisationen zur Verfügung. So sollen aktuelle Forschungsergebnisse nachhaltig sichtbar gemacht und auch eine stärkere Vernetzung ermöglicht werden. Besonders im Bereich der Erfassung von digitalisierten Editionen und Handschriften konnte so ein Grundstein für die Vernetzung und Sichtbarkeit der vielen wertvollen Materialien gelegt werden, die für den Bereich hagiographischer Studien vorliegen. In Zusammenarbeit mit der Kieler Universitätsbibliothek wurden auch eigene Digitalisierungsarbeiten vorgenommen: So ist zum Beispiel die vielerorts schwer zugängliche Edition der ‚Vitae Sanctorum Danorum‘ von gertz aus dem Jahre 1912 digitalisiert worden; diese ist jetzt als maschinenlesbare PDF-Datei 1

2

Das ‚Hagiography Sourcebook‘ kann von überall unter der URL http://www.hagiographysource book.uni-kiel.de abgerufen werden. Das ‚Hagiography Sourcebook‘ ist an der Universität Kiel verankert und über das Internet frei verfügbar. Eine für das Mobiltelefon optimierte Version ist ebenfalls Teil des Angebots. Des Weiteren ist das ‚Hagiography Sourcebook‘ in grundlegenden Aspekten barrierefrei. Ein besonderer Dank gilt Andreas cHrist und Ruth siNDt von der Kieler Universitätsbibliothek, die uns im Verlauf des Projekts mit Rat und Tat zur Seite standen.

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Philipp Frey und Fiona Fritz

weltweit frei verfügbar3. Weitere Werke konnten katalogisiert werden und sind sowohl über das ‚Hagiography Sourcebook‘ als auch den Katalog der Kieler Universitätsbibliothek leicht zu finden. Immer mehr Bibliotheken und Museen digitalisieren dankenswerterweise ihre Bestände und bereiten diese für die digitale Nutzung auf. Leider gibt es noch keine zentrale Anlaufstelle, in der diese verzeichnet werden, sodass es für Forscherinnen und Forscher schwierig ist, die digitalisierten Werke zu finden und entsprechend zu nutzen. Genau diese Lücke sucht das ‚Hagiography Sourcebook‘ zu schließen. Die online verfügbaren Quellensammlungen werden entsprechend besonders hervorgehoben. Das ‚Hagiography Sourcebook‘ soll so für den Bereich der Heiligen- und Hagiographieforschung zu einem zentralen Anlaufpunkt werden, in dem frei verfügbare Digitalisate gebündelt sind4. Um die Sammlung auf eine möglichst breite Basis zu stellen, findet keine enge zeitliche Eingrenzung statt, sodass von der spätantiken Hagiographie bis zur frühen Neuzeit hilfreiche Einträge verzeichnet sind. Auch geographisch werden keine Einschränkungen vorgenommen: Einträge aus allen europäischen Regionen sind ebenso verzeichnet wie jene aus dem arabischen und afrikanischen Raum. Das ‚Hagiography Sourcebook‘ ist nicht auf das westeuropäische christliche Bekenntnis begrenzt, sondern verzeichnet auch Einträge aus dem christlich-orthodoxen Bereich und ist offen für Einträge jeglicher religiöser Bekenntnisse, die sich mit Heiligkeiten, heiligen bzw. sakralen Figuren und deren literarischen Verarbeitungen befassen. So stehen neben Internationalität auch Interreligiosität und Interkulturalität im Mittelpunkt. Zudem wird ein interdisziplinärer Zugang aus historischer, theologischer, philosophischer, religionspraktischer, literaturwissenschaftlicher und philologischer Perspektive zu hagiographischen Fragen berücksichtigt. Eine nutzerfreundliche Handhabung des ‚Hagiography Sourcebook‘ wird durch die Gliederung der Website ermöglicht, die sich nicht auf eine bloße Auflistung beschränkt, sondern die Inhalte nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammenstellt. So können Einträge nach Epoche und Typ (wie beispielsweise Blogs oder Datenbanken) sortiert und nach weiteren Unterkategorien feiner gruppiert werden. Diese Unterkategorien ermöglichen es verschiedenen Nutzergruppen wie Studierenden oder Forschenden, gezielter auf relevante Seiten zugreifen zu können. Die Kategorien Epoche und Typ eigenen sich vor allem für Nutzerinnen und Nutzer, welche in bestimmten Bereichen oder zu bereits enger definierten Themen suchen möchten. Durch die Gruppierung nach Quellen- und Forschungsmaterial kann so neben dem Zugriff auf digitalisierte Quelleneditionen und Handschriften auch ein direkter Zugriff auf die relevante Forschung ermöglicht werden. Für konkrete Suchanfragen sind die Tagcloud, in der alle Unterkategorien aufgelistet sind, sowie die seiteninterne Suchfunktion besonders hilfreich. Für den Einstieg in die Thematik der Heiligen und der Hagiographie ist im ‚Hagiography Sourcebook‘ eine separate Liste mit 3 4

Martin Clarentius gertz, Vitae Sanctorum Danorum, Copenhagen 1912. URL: http://www. hagiographysourcebook.uni-kiel.de/index.php/2017/03/28/digitisation-of-the-vitae-sancto rum-danorum/ [abgerufen am 22. Oktober 2017]. Das Formular zum Einreichen von Vorschlägen ist unter folgender URL erreichbar: http:// www.hagiographysourcebook.uni-kiel.de/index.php/recommend-a-website/.

Das ‚Hagiography Sourcebook‘

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Websites verzeichnet, die einen ersten Ein- und Überblick ermöglichen und so den Beginn einer Auseinandersetzung mit hagiographischen Fragen erleichtern. Besonders herausragende Seiten sind unter der Kategorie ‚Highlights‘ aufgeführt, deren Inhalte besonders wertvoll und informativ aufgearbeitet sind. Um die Qualität der Inhalte, die im ‚Hagiography Sourcebook‘ aufgelistet werden, zu gewährleisten und eine Einordnung für alle Nutzerinnen- und Nutzergruppen schnell zu ermöglichen, wurden die Links durch zusätzliche Informationen ergänzt: Angaben zu den Autoren der Website beziehungsweise zu den mit der Betreuung beauftragten Institutionen oder Organisationen helfen, die entsprechenden Seiten als vertrauenswürdig und zuverlässig einzuordnen. Neben dem Link zu den Websites bietet das ‚Hagiography Sourcebook‘ auch auf den ersten Blick Informationen zur Sprache der Website sowie zur Aktualität. Gerade das Datum der letzten Aktualisierung der Webseite ist im schnelllebigen Internet von hoher Bedeutung, sodass direkt ersichtlich werden kann, wie aktuell die Forschung ist und wie regelmäßig die Informationen der Webseite gepflegt werden. Das ‚Hagiography Sourcebook‘ soll gemeinsam mit der internationalen und interdisziplinären Community der Forscherinnen und Forscher und durch diese Community wachsen und so langfristig und nachhaltig digitale Ressourcen zu hagiographischen Fragen zentral sammeln und allen Interessierten zur Verfügung stellen.

HEILIGKEITEN Konstruktionen, Funktionen und Transfer von Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter – einige Gedanken zum Schluss Felicitas Schmieder In der Mittelalterforschung hat sich das Interesse an Heiligen und Heiligkeiten in jüngerer Zeit (wieder) sehr belebt, wahrscheinlich nicht zuletzt, weil wir uns wieder mehr für die Verflechtungen zwischen weltlichen und religiösen Sphären interessieren, die in unseren eigenen Gesellschaften aus Phänomenen wie globaler Migration wieder präsent sind. Obgleich im Prinzip Mediävistinnen und Mediävisten schon immer wussten, dass Religion im Mittelalter untrennbarer Teil aller Bereiche menschlichen Lebens war, wurden doch religiöse Faktoren – Heilige und Heiligkeit, Visionen und Prophetien, Regeln und Handlungsanweisungen, die aus Bibellektüre gezogen wurden, usw. – selten für wirklich zentral für politische Entscheidungen gehalten und entsprechend bedacht. Es scheint für den modernen, aufgeklärten Menschen schwierig zu sein zu akzeptieren, dass jegliche Formen irgendwie doch ‚abergläubischer‘ Glaubensvorstellungen wirklich ernst genommen worden sein sollen von Verantwortlichen für harte politische und militärische Umstände und Entscheidungen. Am ehesten werden solche Faktoren noch als Elemente ‚bloßer‘ symbolischer Kommunikation charakterisiert, wobei das Problem oft nur oberflächlich verschoben wird, indem man symbolische Kommunikation als eine Art bloßen Ausdrucks versteht, der über den tatsächlichen Faktoren, die Politik Wirklichkeit werden lassen, gelagert ist – eine Art Opium für das Volk, das die Herrschenden implementierten, ohne selber daran zu glauben. Wir bedenken dann nicht, dass ein Symbol nur dann Wirkung erzielen kann, wenn eine tatsächliche Bedeutung und echter Glaube dahintersteckten, und dass das Symbol ein untrennbarer Teil der Handlung wird. Wenn beispielsweise über Heilige erzählt wird, dass sie in der Schlacht geholfen haben, tendieren wir – die wir an die Naturgesetze glauben – dazu, das dem psychologischen Effekt auf die Heere zuzuschreiben, seien es nun die, denen geholfen wird, oder die, gegen die sich die Hilfe wendet1. Herrscher – so nehmen wir nun an – unterstützten mit feinem Gespür für psychologische Kriegsführung diesen Aberglauben, um Leute mit geringerer Einsicht zu verführen. Es muss – so könnte man polemisch bemerken – wirklich wichtig für die Herrscher gewesen sein, ihre Leute zu täuschen, wenn wir, nur als Beispiel, die riesigen Summen bedenken, 1

Lorraine DAstoN, Katharine pArk, Wonders and the Order of Nature, 1150–1750, New York 1998.

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Felicitas Schmieder

die der französische König Ludwig IX. bereit war, für die Dornenkrone Christi zu bezahlen, die er plante, zur Unterstreichung und Erhöhung seiner eigenen Berufung als König in biblischer Tradition mit göttlicher Legitimation zu nutzen, an deren reliquiare Kraft er aber selbst angeblich nicht einmal glaubte2. Heilige und Heiligkeiten haben die ‚harte Politik‘ keineswegs nur ergänzt: Sie waren ein bestimmender Faktor darin. Dasselbe gilt für alle anderen Felder gesellschaftlichen Handelns. Deshalb ist die Erforschung von Heiligen und ihrer multiplen Präsenz in der mittelalterlichen Realität nicht nur ein wichtiger Beitrag zum Verständnis auch noch der letzten Facette des Mittelalters – das Mittelalter kann vielmehr ohne sie nicht verstanden werden. Dementsprechend betrifft die vorangehende Sammlung von Aufsätzen zu „Heiligkeiten. Konstruktionen, Funktionen und Transfer von Heiligkeitskonzepten im europäischen Früh- und Hochmittelalter“ ein wichtiges Grundsatz-Thema der Geschichte gerade politischer Kultur, einen Versuch, sich den Modi, den Werkzeugen, den Wirkungen systematisch zu nähern – und es ist nicht überraschend, dass in einem weiten Sinne politisches Handeln im Zentrum sämtlicher Aufsätze steht. Darüber hinaus bietet die diesen Schlussbetrachtungen vorangehende Sammlung methodisch einiges Beachtenswerte, das den Umgang mit unseren Quellen betrifft und spezifischer die Möglichkeiten, sich der gesellschaftlichen Relevanz der Heiligkeiten noch adäquater zu nähern. Dazu seien im Folgenden einige wenige Gedanken aus den Beiträgen gezogen – nicht in Konkurrenz zur Einleitung, sondern um generelle Eindrücke und eine zusammenfassende Sicht einer Teilnehmerin der Tagung und Leserin der Beiträge, die nicht konzeptionell beteiligt war, einzubringen. Konstruktionen, Funktionen, Transfer (von Funktionen und Konzepten) bestimmen die Kapiteleinteilung des Bandes, wobei allen Beteiligten klar ist, dass die meisten Beiträge auf der Scheide zu mindestens einem weiteren der Begriffe stehen: nicht allein weil die Zusammenstellung der drei Aspekte der Konzeption der dem Band zugrundeliegenden Tagung entspricht, sondern weil sie sachlich eng verflochten sind. Funktionen sind die Zielstellung bei der Konstruktion, die für die Konstruktion zur Verfügung stehenden Elemente sind an möglichen Funktionen erlernt und der Transfer greift auf vorhandene, für bestimmte Funktionen geeignet erscheinende Konzepte zurück oder neue Funktionen entstehen durch den Transfer von Konzepten in neue soziale Kontexte, um nur einige wenige Aspekte der Verflechtung der drei Begriffe zur Veranschaulichung der Interdependenz anzuführen. In einem ähnlichen Sinne werden auch andere, von der modernen Forschung an die mittelalterliche Realität herangetragene Unterscheidungen und Bestimmungen ‚aufgeweicht‘ und das – völlig zu Recht – aufgrund von guter Evidenz und mit interessanten Konsequenzen und Einsichten. So werden eine große Zahl von Typen von Heiligen im Band angesprochen, vor allem Herrscher und Fürstin, Mönch und Abt, Missionar und Apostel, lokaler Heiliger und fromme Witwe, blutiger Märtyrer und Konvertit, um nur andeutungsweise den bunten Strauß an Beispielen auszubreiten. Wichtiger aber als diese große 2

Vgl. Jacques legoFF, Ludwig der Heilige, Stuttgart 2000 (frz. Orig. Paris 1996), 119–125, bes. 122.

Heiligkeiten

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Zahl sind die Übergänge zwischen den Typen: Kaum ein Heiliger gehört nur einem Typ an – der ‚multitasking saint‘ erscheint wesentlich normaler, vor allem wenn sich die lange Erinnerung an ihn, seine Verehrung im Laufe der Jahrhunderte entwickelte und in unterschiedlichen Textsorten, zudem variierend zwischen Latein und Volkssprachen niederschlug. Zudem kann, so der Eindruck aus den Beiträgen, fast jeder Typ fast jede Funktion erfüllen und kann zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Verständnisgemeinschaften menschliche Verhaltensformen ansprechen, Dynastien legitimieren und andere Gruppenidentitäten etablieren und stärken, Bistümer und Klöster nach innen und außen etablieren und schützen, gesellschaftliche Korrekturen, aber auch Umbrüche vermitteln. Nicht zuletzt gingen bestimmte typische Heiligenqualitäten verloren und konnten nach langer Zeit in neuem Kontext wieder aufkommen, wie das im Band öfter angesprochene Blutzeugnis, das lange nach der Märtyrerzeit etwa in einer gegenüber der Welt reformorientierten Kirche wieder auftrat. Wir können – das wird deutlich – so weit gehen, die Festlegung von Typologien an sich als erkenntnishemmend zu kritisieren, ja der ganze Band ist ein Plädoyer gegen starre Typologien. Eng mit der Beobachtung von Wandelbarkeit des einzelnen Heiligen ebenso wie der Heiligentypologien ist die Frage der Stabilität der Überlieferung, der Erzählung von Leben, Tod und Wirken des Heiligen, verbunden. Der Band ist eine beispielhafte Umsetzung der Forderung, Heiligenviten und vergleichbare Texte nicht den klassischen Editionsmethoden zu unterwerfen. Jegliche Veränderungen über die Zeit im Sinne der réécriture (hagiographique) verdienen nähere Betrachtung. Das betrifft neue Fassungen von Legenden – etwa in anderer Sprache oder neuer Redaktion –, aber mehr noch die Beobachtung heruntergebrochen auf die HandschriftenEbene, bis hin zu Glossen, knappen Hinzufügungen. Mit der leichteren Zugänglichkeit von Handschriften – digitalisiert oder sogar online – wendet sich die Forschung mehr und mehr mit sehr interessanten Ergebnissen den Handschriften selbst zu: Der Kontext, in dem ein Text steht, wird wichtig, etwa intentional zusammengestellte Sammlungen und Vergemeinschaftungen in Handschriften. Die individuelle Handschriften-Version tritt ans Licht und in den Vordergrund anstelle der grundsätzlich als fehlerhaft angenommenen Handschrift als zu korrigierende Überlieferung eines wiederherzustellenden Original-Textes. Nimmt man das ernst – das hat sich schon seit einiger Zeit immer wieder an unterschiedlichen Textsorten gezeigt –, dann zeigt sich, wie sehr diese Texte lebten und wie sehr Veränderungen Ausweis und Teil ihrer Wirksamkeit sind. Zweifel an der Brauchbarkeit moderner Editionen für eine solche Erkenntnissuche kann man grundsätzlich für die Beschäftigung mit Heiligenviten festhalten, und die Beiträge in diesem Band zeigen es wieder und wieder. Wie es den ursprünglichen, idealen Heiligentypus, gegen den alle anderen abgehoben werden, nicht gegeben hat, gibt es auch das Original der hagiographischen, liturgischen, Mirakel-Erzählung nicht. Wie der Typus, so ist auch das Original zumindest in solchen Fällen ein Konstrukt späterer Wissenschaft – es zu suchen, versperrt den Blick auf die Lebendigkeit der Heiligenkonzepte, ihre Aktualisierbarkeit und Aktualisierungen in den einzelnen überlieferten Schriftstücken. Eher am Rande, aber doch sichtbar wird in vielen Beiträgen schließlich nicht nur die Vielzahl von Schriftquellen, sondern auch die Wirksamkeit von materiellen

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Felicitas Schmieder

Medien, wie Reliquien und Bildern, für die Funktion von Heiligen, ihre Entwicklung, ihre Interaktion mit dem Publikum der Hagiographie angesprochen und auch damit eine Forderung erhoben, welche die bzw. den textorientierten Historikerin und Historiker verunsichern soll. Der Band wirft, so der Eindruck, mehr Fragen und methodische Probleme auf, als er einfache Antworten gibt. Die Beschäftigung mit Heiligkeiten unter neuen, frischen Fragestellungen regt zu erneuter Vertiefung auch in scheinbar längst geklärten Fragen an – und Besseres kann man über eine Sammlung, die zudem von einem insgesamt sehr jungen Autorenkreis verfasst wurde, kaum sagen.

ORTSREGISTER erstellt von Markus Kranz, Sarah-Christin Schröder und Rike Szill A Abdinghof, Kloster → Paderborn Åbo → Turku Agnestad 106–107 Aquitanien 208 Arboga, Franziskanerkonvent 96 Astorga, Suffraganbistum 217 Asturien 207, 220 B Barcelona 211 Bath 129, 134–135 Bergen 45, 58, 70, 78, 86 Birka 33–34, 95 Böddeken 42 Bordesholm 37–38 Botkyrka 111 Braga 216 – Bistum 217 – San Fructuoso, Kirche 217 – Stadt 207, 215, 218–219 Bremen – Kathedrale 35 – Stadt 35, 37, 42–43 – St. Ansgarii, Pfarrkirche 39 – Suffraganbistum 34 C Canterbury – Augustinus-Abtei 133, 139 – Christ Church, Kathedrale 129, 131, 133–134 – Erzbistum 127 – Stadt 127–128, 133–134, 136–140 Clairvaux, Kloster 85 Clarendon 181, 183 Clarholz (Kr. Güterloh) – St. Laurentius, Pfarrkirche 194 – Stadt 193 Cluny 134 Coimbra 217 Compostela – Bistum 215 – Jakobus-Kathedrale 216 – Stadt 207, 216–219

Corbie, Kloster 33, 35 Córdoba 10, 207–208, 210–211, 219–220 Cornelha 216 Corvey, Kloster 33, 35 D Dacia, dominikanische Provinz 115 Damaskus 183 Deerhurst 129 Dijon, Kloster Saint-Benigne 151 Durham 166 E Edleskog, St. Nikolaus-Kirche 99 Eifel → Kyll Enköping, Franziskanerkonvent 96 Erfurt 124 Eskilstuna – Bistum 94, 121 – Stadt 102–103 – Wallfahrtsort 111 Essen, Klostervogtei 178, 197 F Fleury, Benediktinerkloster 10, 141–142, 144–145, 147–148, 150–152 Flottesund 98 Fors, Kirche 103 Frenswegen (i. Niedersachsen), Augustinerkloster 39 Friggeråker 106–107 Fulltofta 84 G Galicien, Bistum 216 Gevelsberg – Todesstätte des → Engelbert 202 – Zisterzienserinnenkloster 202–203 Glastonbury 129 Götaland 95–96, 105–106, 109, 121 Götene – Kirche 80–81 – Stadt 100 Gotland 96, 112 Gottorf, Schloss 38 Gumlöse (i. Skåne) 85

234 H Haithabu 34 Hamburg – Erzbistum 33 – Stadt 33, 40 Hamburg-Bremen, Erzbistum 31, 33–43 Hedeby → Haithabu Heiligenberg (Kr. Diepholz), Prämonstratenserstift 193 Husaby – Brigidenquelle 106–107 – Stadt 107 I Île de France 207, 220 Iria-Compostela 217 J Jerusalem 81, 183 Jönköping, Franziskanerkonvent 96 K Kalmar, Dominikanerkonvent 96 Køge 84 Kopenhagen, St. Ansgar Kathedrale 31 Köln – Erzbistum 199 – Kathedrale 198 – Stadt 115, 196 Kyll, Zisterzienserinnenkloster St. Thomas an der Kyll/Eifel 196–197, 202 L La Réole, Kloster 141–142, 144–145 Lamego 217 León – Pantheon 205, 213, 219 – Stadt 207, 212–213, 218 Limoges 192–193 Lindisfarne, Kloster 162 Linköping – Bistum 94, 104, 108, 112, 120, 124–125 – Franziskanerkonvent 96 – Stadt 109 Lödöse, Dominikanerkonvent 96 London – St. Paul’s Cathedral 130 – Stadt 129, 138, 196 Lugo, Suffraganbistum 217 Lund – Erzbistum 35, 42, 76, 110

Ortsregister – Stadt 84–85 Lyngsjö, Kirche 190 M Magdeburg 42 Maserfield, Schlacht von 160 Mondoñedo, Suffraganbistum 217 N Navarra – Königreich 207–208, 210, 218, 220 – Leyre, Kloster 208–209 Neumünster – Kloster 37 – Stadt 37, 39 Nidaros → Trondheim Northampton 181, 184–186 Nyköping, Franziskanerkonvent 96 O Odense 102 Opplanda (i. Ostnorwegen) 61 Orense, Suffraganbistum 217 Orléans, Bistum 150 Oslo – Bistum 60 – Stadt 60 Östra Aros → Uppsala Östra Gerum 106–107 Oviedo 211 Oxford 115 P Paderborn, Kloster Abdinghof 35 Paris – Bistum 9 – Saint-Germain-des-Prés, Abtei 39 – Stadt 39, 42, 67, 96, 101–102, 115–116, 124 Porto, Suffraganbistum 217 Prag 124 R Ramsey 144 Regensburg 160, 166 Rheinland 195–196 Ribe 34 Rogö, Insel 112 Rom 7, 50, 57–58, 99, 137, 205–206, 213–214, 217, 219 Roskilde 86 Rouen 60, 62, 65, 67, 70

Ortsregister S Säby, Kirche 112 Sachsen 137 Saint-Benoît-du-Sault, Kirche 145 San Pedro de Cela, Kloster 216 Santiago, Bistum 216 Schleswig-Holstein 38–39 Schonen 109–110 Schwelm 197–198, 201 Seligenthal, niederbayerisches Zisterzienserinnenkloster 190 Selja, Inseln 78 Sevilla 205, 212–213 Sigtuna – Bistum 94 – Dominikanerkonvent 96, 114, 117 – Stadt 105, 108, 123 Skänninge, Dominikanerinnenkonvent 93, 96 Skara – Bistum 78, 83, 86, 94, 104, 108 – Dominikanerkonvent 96 – Franziskanerkonvent 96 – Stadt 100, 106–107, 109, 120, 123 Skövde – Bistum 83 – Kirche 100 – Stadt 80, 100 Södermanland 94, 104, 108, 111–112 Söderköping, Franziskanerkonvent 96 Soest 197 Stiklestad, Schlacht von 47, 49–50, 60, 65–66 Stockholm – Franziskanerkonvent 96 – Klarissenkonvent 96 Strängnäs – Bistum 94, 103–104, 108, 111–112, 121–122 – Dominikanerkonvent 96, 103, 122 – Stadt 103, 109, 122 Svealand 96, 105–106, 108–109, 113, 121 T Tälje 94, 98, 119 Toresund 108 Trondheim – Church of Christ = Nidarosdom 47, 52 – Clemenskirche 47, 63 – Erzbistum 45, 52, 63, 67, 76, 122 – Stadt 45, 47, 55, 60, 63 Tuna → Eskilstuna Turholt = Torhout, Kloster 36

Turku – Bistum 78, 109, 117, 123 – Stadt 117 Tuy (i. Galicien) – San Bartholomäus, Kloster 216 – Bistum 217 – Stadt 216 U Uppland 93, 98, 108, 113, 117, 120 Uppsala – Bistum 104, 112 – Dom, (Alt) Uppsala 113–114 – Erzbistum 76, 78, 94–95, 108, 124 – Franziskanerkonvent 96 – Kirche 113, 116 – Stadt 98, 112–113 V Vadsbo Härad 82 Värend 105–110, 121 Västergötland 81–82, 104, 106–108 Västerås – Bistum 94, 104, 112, 124 – Dominikanerkloster 96 – Stadt 109, 124 Vatikan 151 Växjö – Bistum 106, 108, 110, 120–121 – Domkapitel 109 – Kirche 107–108 – Stadt 106–107, 110 Visby – Dominikanerkonvent 96 – Franziskanerkonvent 96 Viseu 217 W Wells – Kathedrale = St. Andrew’s Cathedral 188 Winchester – Bistum 130 – Kirche 129, 131 – Stadt 129, 132, 135 Y York, Erzbistum 133 Þ Þingeyrar, Benediktinerkloster 105

235

PERSONENREGISTER erstellt von Markus Kranz, Sarah-Christin Schröder und Rike Szill A Abbo, Abt von Fleury 49, 141, 143–145, 149–153 Absalon, Bischof von Roskilde, Erzbischof von Lund 84–86 Acislus, Heiliger 210 Adam von Bremen, Chronist 36, 45, 78, 94, 98, 105–108, 118 Ademar von Chabanne, Chronist 48 Adrevald, Abt von Fleury, Chronist 151 Ælfheah von Canterbury, Bischof von Winchester, Erzbischof von Canterbury, Heiliger 10, 127–135, 137–140 Ælfric, Abt von Eynsham, angelsächsischer Gelehrter 134 Ælnoth von Canterbury, angelsächsischer Benediktinermönch, Chronist von → Knut IV. 92, 102, 118 Aemilianus = Ämilianus, Ritterheiliger 219 Æthelnoth, Erzbischof von Canterbury 138–139 Æthelwold, Bischof von Winchester 130–132 Aidan, Bischof von Lindisfarne 162, 169 Aimoin von Fleury, Schüler des → Abbo 141–145, 151, 153 Aimon von St.-Germain-des-Prés, Hagiograph, Chronist 211 Alan, Abt von Tewkesbury, Kompilator der Briefe des → Thomas Becket 179–180, 188 Alban, Heiliger 80 Alexander II., Papst 132–133 Alexander III., Papst 100, 175–178 Alexius, Heiliger 170 Alfiva = Ælfgifu, Mutter des → Svein Alfivasson 47 Alfons III., König von Asturien 211, 218 Al-Mutamid, Emir von Sevilla 205, 213 Álvarus, Glaubensbruder des → Eulogius 208 Alvitus, Bischof von León 212 Ambrosius von Mailand, Kirchenvater 149 Anastasius IV., Papst 55–56 Andreas von Fleury, Mönch, Verfasser der Vita des → Gauzlin 145–146, 151 Andreas Sunesen, Erzbischof von Lund 84

Anianus, Heiliger 147 Annas = Hannas, jüdischer Hohepriester, biblische Figur 186 Anonymus I. von Lambeth, Vitenschreiber 179 Anonymus II. von Lambeth, Vitenschreiber 179 Anselm, Erzbischof von Canterbury 127, 129–130, 136–137 Anselm von Laon, Gelehrter 183 Ansgar, Erzbischof von Hamburg-Bremen, Heiliger 9, 31–43 Antonius, Heiliger 171 Ari Frode, Chronist 52 Arnald von Grevinge, Wallfahrer aus Köln 196 Arnaud, Abt von Fleury, Nachfolger des → Gauzlin 146 Arnulf, Bischof von Orléans 142, 145 Aron, heidnischer König 163, 167–168 Athilius, Abt von Cillas 209 Augustinus von Hippo, Kirchenvater 143 Aurelius, Märtyrer 211 Azerus, Bischof von Växjö 109 B Balduinus, Bischof von Växjö 109, 121 Bathilde = Balthild von Askanien, merowingische Königin, Frau Chlodwigs II. 39 Bathseba, biblische Figur 149 Beda Venerabilis, angelsächsischer Gelehrter 10, 161–162, 165–167, 169 Benedikt = Benedikt von Nursia, Verfasser der Regula Benedicti, Heiliger 141, 152 Benedikt, Abt von Peterborough, Hagiograph 179–180 Bengt der Jüngere, Bischof von Skara 99 Bertha von Blois, zweite Frau → Roberts des Frommen, Witwe des → Odo I. von Blois 148 Birger Brosa, schwedischer Jarl 103 Birger Jarl, schwedischer Jarl, Vater des → Valdemar Birgersson 95–96, 114 Birger Gregersson, schwedischer Offiziendichter 124

Personenregister Birgitta = Birgitta von Schweden, Heilige 8, 122, 124–125 Björn, Bruder und Figur aus der Legende des Heiligen → Botvid 112 Björn, Propst von Bälinge 102 Botvid, Heiliger 74, 76, 86, 94, 98, 111–112, 118, 120–121, 123 Bovinus, Figur aus der Legende des Heiligen → Botvid 111–112 Brun, Bischof von Langres 152 Brynolf Algotsson, Bischof von Skara, schwedischer Offiziendichter 81, 91, 100–103, 116, 122–124 C Caesarius von Heisterbach, Zisterziensermönch, Hagiograph, Verfasser der Vita des → Engelbert 101, 178, 180, 195–201 Charlemagne → Karl der Große Clara von Assisi, Heilige 75 Cucufatus, Heiliger 216 Cuthbert, Heiliger 165 Cynegisl, westsächsischer König 162 D Dadilano, Abt von Urdax 209 David, biblische Figur 148–150 David = David von Menevia, Heiliger 76 David von Munktorp, Bistumsheiliger von Västerås 124 Debora, biblische Figur 101 Diego Gelmírez, (Erz-)Bischof von Compostela 215–217, 221 Dominikus von Jesu, Karmeliter, Kompilator französischer Heiligenviten 39 Drogo von Saint-Winnoc, Hagiograph 161 Dudo von St. Quentin, Chronist 62 Dulcidius, Presbyter, Gesandter 211 Dunstan, Erzbischof von Canterbury, Heiliger 128, 131–134, 136, 138 E Eadmer, Mönch, Hagiograph, Biograph des → Anselm 127–128, 131 Ealdred, Erzbischof von York 133 Edmund der Märtyrer, König von East Anglia, Heiliger 49, 115 Eduard der Ältere, König von Wessex 115 Eduard der Bekenner, angelsächsischer König, Heiliger 53, 163 Edward Grim, Chronist 179–180, 188 Edwin, Heiliger 161

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Einarr Skúlasson, isländischer Priester, Skaldendichter 52–55, 58 Eindriði der Junge, Dichter 54 Einhard, Chronist, Biograph → Karls des Großen 150 Elin von Skövde → Helena von Skövde Elisabeth von Thüringen, Heilige 101 Emphastus, schwedischer Kleriker 101 Engelbert, Erzbischof von Köln, Reichsverweser → Friedrichs II., Heiliger 10, 175, 178, 180, 183, 190, 195, 197–203 Erik = (H)Ericus peregrinus, schwedischer Mönch, Missionsbischof, Märtyrer 97–98 Erik Jedvardson = Erik der Heilige, schwedischer König 94–95, 98–99, 110, 112–125 Erik Eriksson = Erik XI., schwedischer König 24, 93 Erik Valkendorff, Erzbischof von Nidaros 67 Esbjörn, Figur aus der Legende des Heiligen → Botvid 112 Eskil, Vikar des → Sigfrid, Bischof von Roskilde, Erzbischof von Lund, Heiliger 85, 97, 100, 102–104, 111, 118–123 Esther, biblische Figur 100 Eulogius, Bischof von Córdoba, Märtyrer 208, 210–211, 219–220 Eystein Erlendsson = Øystein Erlendsson, Erzbischof von Nidaros 45–46, 54, 56–60, 64, 67, 69 Eystein II. Haraldsson = Øystein II. Haraldsson, norwegischer König, Sohn König → Haralds IV. 52 F Ferdinand I., König von León-Kastilien 205, 213 Flodoard von Reims, Chronist 215 Flora, Heilige 209–210 Fortunio, Abt aus Leyre 209 Franziskus = Franz von Assisi, Heiliger 75 Friedrich von Isenberg, Graf, Neffe des → Engelbert 178, 197–199 Friedrich II., römisch-deutscher Kaiser 93, 175, 178 Fructuosus, Bischof von Braga, Heiliger 207, 216, 218–219 Fulk = Fulko, Bischof von Orléans, Nachfolger des → Arnulf 145 G Galindo = Galindo Iñigo, Bote 209–210 Galla, Heilige 101

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Personenregister

Gauzlin, Abt von Fleury 141, 145–146, 151–152 Georg, Heiliger 48, 159 Georg, Märtyrer 211 Gerald, Erzbischof von Braga 216–217 Gérard Vigier → Dominikus von Jesu Gilbert Foliot, Bischof von London, Opponent von → Thomas Becket 185 Giraldus, Chronist 215 Godric, Mönch und Dekan in Christ Church Canterbury 129, 137 Godrich, Heiliger 165 Gottfried von Beaulieu, Dominikaner, Hagiograph 115 Gregor der Große, Kirchenvater 36, 55, 101, 213–214 Gregor V., Papst 148–149 Gregor VII., Papst 130 Gregor IX., Papst 102 Grimkell, Bischof von Nidaros 47, 51, 63 Guernes von Pont-Sainte-Maxence, französischer Dichter 179 Gundulf, Bischof von Rochester 139 Gunnlaugr Leifsson, Geschichtsschreiber 105, 107, 110 Guy, Abt des Augustinerklosters in Canterbury 139 H Habentius, Märtyrer 209 Hadrian IV., Papst → Nicholas Breakspear Håkan Jarl, norwegischer König 78 Håkon, Sohn von → Sven Ladejarl 60 Hallvard, Heiliger 45 Hanna, biblische Figur 100 Harald Klak, dänischer Herrscher 33 Harald IV., norwegischer König 52 Heinrich II., römisch-deutscher Kaiser 167 Heinrich II., englischer König 130, 178, 180–181, 183–184, 186–187, 190 Heinrich von Müllenark, Erzbischof von Köln, Nachfolger von → Engelbert 195, 202 Heinrich (VII.), römisch-deutscher König 198 Heinrich Lindenbrog, Bibliothekar 38 Helena von Skövde = Elin von Skövde, Heilige 80–81, 91, 99 Helgaud von Fleury, Biograph → Roberts des Frommen 141–142, 147–150 Helmold von Bosau, Chronist 37 Henrik, Bischof von Uppsala, Heiliger 97–98, 113, 116–118, 120, 123, 125 Herbert von Bosham, Hagiograph 179 Herbert von Clairvaux, Hagiograph 85

Hermenegildus, Bischof von Oviedo 211 Herodes, biblische Figur 186 Hervé von Tours, Adressat der Vita Abbonis → Abbo 142 Hieronymus, Kirchenvater 143 Hieronymus Münzer, Arzt, Humanist 218 Horic I., dänischer König 34 Hugo Capet, fränkischer König 147 Hulda, biblische Figur 101 I Inge der Ältere Stenkilsson, schwedischer König 103 Inge I. = Inge Krogrygg, norwegischer König, Sohn von → Harald IV. 52 Isaac, Mönch, Märtyrer 209 Isar, Bischof von Strängnäs 112 Isidor von Sevilla, Gelehrter, Heiliger 10, 205, 207–208, 212–215, 218–221 Israel Erlandsson, Bruder im Dominkanerkonvent von Sigtuna, Domkanoniker in Uppsala, Bischof von Västerås 114–115, 117, 123–124 J Jakobus der Ältere, Apostel 214–215, 219 Jean Gamans, Bollandist 42 Jéremias, Märtyrer 209 Johann, Dominikanerprior von Sigtuna, Bischof von Turku 117, 123 Johann Witte Russe, Bibliothekar 38 Johannes der Täufer, biblische Figur 127 Johannes von Salisbury, Gelehrter, Sekretär von → Thomas Becket 179–188, 191, 195, 197, 199–200, 202 Johannes, Bischof von Poitiers 180 Johannes cum Naso, Übersetzer von Manuskript N der Vita von → Ansgar 38 Jon Birgisson, Erzbischof von Nidaros 52, 57 Jón Þórðarson, einer der Verfasser des Flateyjarbók 80 Judas Makkabäus, biblische Figur 200 Judith, biblische Figur 100 Justa, Märtyrerin 205, 212 K Kaiphas, biblische Figur 186 Karl der Große, fränkischer Kaiser 21, 33, 150, 160 Karl der Kahle, westfränkischer König 211–212, 218 Knud II. = Knut der Große, anglo-skandinavischer König 47–48, 61

Personenregister Knut IV., dänischer König, Heiliger 24, 102, 112, 115–116, 118, 124, 136–140 Knut Eriksson = Knut I., schwedischer König 95, 98, 103 Konrad von Porto, päpstlicher Legat 198 Konstanze von der Provence, Frau von → Robert dem Frommen 148 Kunigunde = Kunigunde von Luxemburg, Frau von → Heinrich II., römisch-deutscher Kaiser 167 L Lanfranc von Bec, Mönch, Erzbischof von Canterbury 127–140 Lars, Bischof von Linköping, Amtsbruder des Bischofs → Isar von Strängnäs 112 Laurentius, Heiliger 159 Lea, biblische Figur 100 Leander, Erzbischof von Sevilla, Bruder des → Isidor von Sevilla 214 Leodebodus, Abt von St. Aignan, Stifter des Klosters Fleury 147, 153 Leokritia, Heilige 211 Ludwig I. = Ludwig der Fromme, fränkischer Kaiser 33 Ludwig II. = Ludwig der Deutsche, ostfränkischer König 34, 208 Ludwig von Deudesfeld, Ritter 196–197 Ludwig IX. = Ludwig der Heilige, französischer König 115–116, 124, 230 M Magnhild von Fulltofta, Heilige 76–77, 83–84, 86–87 Magnus Olafsson = Magnus I. der Gute, Sohn des Märtyrerkönigs → Olaf II. Haraldsson 47 Magnus Henriksson, dänischer Prätendent auf den schwedischen Thron 114 Magnus Erlingsson = Magnus V., norwegischer König 46, 58 Magnus Birgersson = Magnus I. Ladulås, schwedischer König 93 Magnus Nielsen, Erzbischof von Lund 84 Makkabäus, biblische Figur 146, 199–200 Margaret = Margareta von Roskilde, Heilige 76–77, 83–87 Maria, Heilige 210 Martin, Bischof von Tours, Heiliger 43 Mathilde, Wallfahrerin aus Köln, Frau des → Arnald von Grevinge 196 Mauritius, Heiliger 48

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Mayolus, Abt von Cluny, Lehrer des → Wilhelm von Volpiano 151 Mildredus, englischer König 107 Monica = Monika von Tagaste, Heilige, Mutter des → Augustinus von Hippo 85 Muhammad I., Emir von Córdoba 211 Muñio, Graf 212 N Nathalia, Märtyrerin 211 Nathan, Prophet 149 Nicholas Breakspear, päpstlicher Legat, Kardinal, späterer Papst Hadrian IV. 52, 56, 122 Nikolaus von Edsleskog, Priester, Heiliger 99 Nils Hermansson, schwedischer Offiziendichter 124 O Oda, Erzbischof von Canterbury 134 Oddr Snorrasson = Oddr Snorrason, Biograph von → Olaf Tryggvason 78, 80, 105, 107 Odo I. von Blois, fränkischer Graf 148 Odorius, Abt von Siresa 209 Olaf Tryggvason = Olav Tryggvason, norwegischer Missionskönig 61, 78–80, 105, 108 Olaf Skötkonung, schwedischer König 105–108, 117 Olaf II. Haraldsson, norwegischer König, Heiliger 9, 24, 45–71, 101, 104–105, 108, 112, 115, 122, 124 Olaf III. Kyrre, norwegischer König 47 Ordoño, Bischof von Astorga 212 Osbern, Mönch aus Canterbury 128–134, 136–140 Osmund, Priester 105 Oswald, König von Northumbria, Heiliger 157, 160–162, 165–172 Oswald, Bischof von Worcester, Erzbischof von York 131 Oswin, Bruder von → Oswald, König von Northumbria 171 Otto IV., römisch-deutscher Kaiser 193 P Paug, Königstochter 163, 170 Paul = Paulus, Apostel 56, 66, 137, 171, 191 Paul, Diakon, Märtyrer 209 Penda von Mercia, heidnischer König 160 Perfectus, Priester, Märtyrer 209 Petrus, Apostel 56, 137, 163–164, 190, 214 Petrus, Priester, Märtyrer 209

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Personenregister

Petrus von Fleury, Heiliger 147 Petrus von Orléans, Heiliger 147 Petrus von Castelnau, Märtyrer 178 Petrus Cantor, Figur aus dem Dialogus miraculorum des → Caesarius von Heisterbach 196 Petrus von Verona, dominikanischer Heiliger 103–104 Philipp I., Enkel von → Robert dem Frommen 150 Philippus Cæsar, Editor 39–40 Pilatus, biblische Figur 186 R Rachel, biblische Figur 100 Ragnhild Erlandsdotter, Schwester des → Israel Erlandsson 117 Reginald von Durham, Benediktiner, Vitenschreiber 165–166, 169 Rimbert, Mönch, Hagiograph, Schüler und Nachfolger → Ansgars 31–38, 41–42 Rita von Cascia, Heilige 85 Robert II. der Fromme, fränkischer König 141–142, 147–151, 153 Robert von Jumièges, Bischof von London 131 Robert von Cricklade, Hagiograph 179 Robert von Thorigny, Chronist 179 Roger von Howden, Chronist 179, 185 Roger von Pontigny → Anonymus I. Romula, Heilige 101 Rozala = Susanna, erste Frau → Roberts des Frommen, Witwe des Grafen von Flandern 148 Ruger, Magister, Figur aus dem Dialogus miraculorum des → Caesarius von Heisterbach 196 Rupert von Deutz, Gelehrter 183 Ruth, biblische Figur 81 S Sabinianus, Märtyrer 209 Sæmund Frode, Chronist 52 Samuel, Muzaraber christlichen Glaubens, Überführer der Reliquien des → Eulogius und der → Leokritia 211 Sancho, Märtyrer 209 Sarah, biblische Figur 100 Scemenus, Abt von Igal 209 Sebastian, Heiliger 48 Sigfrid, Erzbischof von York, Heiliger 76, 94, 97, 103, 105, 107 Sigurð, Bischof von Bergen 79

Sigurd II., norwegischer König, Sohn von → Harald IV. 52, 105–106 Sigvat Thordarson, Skalde 48, 50, 53–54 Sisnandus, Märtyrer 209 Snorri Sturlusson = Snorre Sturluson, Skaldendichter 70–71, 105 Stanislas von Krakau, Märtyrer 178 Stefan, Erzbischof von Uppsala 92–93, 100, 103 Stenar, Bischof von Växjö 109, 121 Stephanus, Heiliger 63, 184, 190–191 Stephan Hansen Stephanius, Bibliothekar 38 Stigand, Erzbischof von Canterbury 133 Sulpicius, Hagiograph 162 Sunaman, Subdiakon in Växjö, Neffe des → Sigfrid 107 Sunniva = Sunniva von Selje, irische Prinzessin, Heilige 45, 76–80, 84, 86–87, 110 Susanna, biblische Figur 100 Susanna → Rozala Svein Ladejarl, norwegischer König, Vater von → Håkon 60 Svein Alfivasson, norwegischer Jarl, Sohn von → Knud II. und der → Alfiva 47, 49 Sven Estridsen, dänischer König 98 Sven = Sven von Schweden, König der Svear, Widersacher von → Inge dem Älteren Stenkilsson 103 Svend Aggesen, Geschichtsschreiber 39 Swein, heidnischer Herrscher 136, 139 T Tacitus, Chronist 73 Tertullian, frühchristlicher Gelehrter 176, 190 Theobald, Erzbischof von Canterbury 181 Theodemir, Mönch, Märtyrer 209 Theodoricus Monachus, Chronist 58–65, 67, 69, 105 Thietmar von Merseburg, Chronist 130–131, 137 Thomas, Heiliger 218 Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, Kanzler von → Heinrich II., englischer König 104, 130, 175, 178–182, 184–189, 191, 193, 195–200 Thomas, Sohn des → Arnald von Grevinge und der → Mathilde 196 Thomas von Kempen = Thomas à Kempis, Gelehrter 41 Thorarin Loftunga, Dichter im Dienst von → Knud II. 48–50 Thurgot, Bischof von Skara 105 Thurkill, heidnischer Herrscher 136–137, 139

Personenregister Tore = Tore Gudmundsson, norwegischer Erzbischof → Theodoricus Monachus U Unaman, Priester in Växjö, Neffe des → Sigfrid 107 Usuard von St.-Germain-des-Prés, Hagiograph 212, 219 V Valdemar Birgersson, schwedischer König, Sohn des → Birger Jarl 93, 95 Vicelin, Bischof von Oldenburg in Ostholstein 35–37, 39–40, 43 Vinaman, Diakon in Växjö, Neffe des → Sigfrid 107 Vladimir, Figur aus der Erfidrápa über → Olaf II. Haraldsson 50, 53 W Wala, Abt von Corbie 33 Walabonsus, Diakon 209 Walchelin, Bischof von Winchester 132, 138–139

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Walterius, nicht näher identifizierbare Person im Umfeld des Klosters Fleury 145 Wilhelm, Graf von Septimanien 208 Wilhelm von Volpiano, Reformer des Klosters Saint-Benigne, Schüler des → Mayolus 151 Wilhelm von Jumièges, Chronist 62 Wilhelm I. = Wilhelm der Eroberer, englischer König 132–133, 138–140 Wilhelm von Newburgh, Chronist 179 Wilhelm FitzStephen, Hagiograph 179 Wilhelm, Erzbischof von Canterbury, Hagiograph, Biograph des → Thomas Becket 179 Wilhelm, Bischof von Strängnäs 103 Wilisendus, Bischof von Pamplona 208, 210 Willehad, Bischof von Bremen 37, 40, 42 Wistremundus, Märtyrer 209 Z Zoilus, Heiliger 210

b e i t r äg e z u r h ag i o g r a p h i e

Herausgegeben von Dieter R. Bauer, Klaus Herbers, Volker Honemann und Hedwig Röckelein.

Franz Steiner Verlag

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ISSN 1439–6491

Dieter R. Bauer / Klaus Herbers (Hg.) Hagiographie im Kontext Wirkungsweisen und Möglichkeiten historischer Auswertung 2000. XXVIII, 288 S. mit 2 Abb. und 1 Kte., kt. ISBN 978-3-515-07399-8 Anke Krüger Südfranzösische Lokalheilige zwischen Kirche, Dynastie und Stadt vom 5. bis zum 16. Jahrhundert 2001. 398 S., geb. ISBN 978-3-515-07789-7 Martin Heinzelmann / Klaus Herbers / Dieter R. Bauer (Hg.) Mirakel im Mittelalter Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen 2002. 492 S., kt. ISBN 978-3-515-08061-3 Charles Mériaux Gallia irradiata Saints et sanctuaires dans le nord de la Gaule du haut Moyen Âge 2006. 428 S. mit 10 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08353-9 Dieter R. Bauer / Klaus Herbers / Gabriele Signori (Hg.) Patriotische Heilige Beiträge zur Konstruktion religiöser und politischer Identitäten in der Vormoderne 2007. 405 S., kt. ISBN 978-3-515-08904-3 Berndt Hamm / Klaus Herbers / Heidrun Stein-Kecks (Hg.) Sakralität zwischen Antike und Neuzeit 2007. 294 S. mit 27 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08903-6 Uta Kleine Gesta, Fama, Scripta Rheinische Mirakel des Hochmittelalters zwischen Geschichtsdeutung, Erzählung und sozialer Praxis 2007. XVI, 481 S. mit 6 Abb. und 6 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-08468-0

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Dieter R. Bauer / Klaus Herbers / Hedwig Röckelein / Felicitas Schmieder (Hg.) Heilige – Liturgie – Raum 2010. 293 S. mit 35 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09604-1 9. Christofer Zwanzig Gründungsmythen fränkischer Klöster im Früh- und Hochmittelalter 2010. 539 S. mit 10 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09731-4 10. Sofia Meyer Der heilige Vinzenz von Zaragoza Studien zur Präsenz eines Märtyrers zwischen Spätantike und Hochmittelalter 2012. 383 S., kt. ISBN 978-3-515-09068-1 11. Waltraud Pulz (Hg.) Zwischen Himmel und Erde Körperliche Zeichen der Heiligkeit 2012. 227 S. mit 28 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10283-4 12. Daniel Nuß Die hagiographischen Werke Hildeberts von Lavardin, Baudris von Bourgueil und Marbods von Rennes Heiligkeit im Zeichen der Kirchenreform und der Réécriture 2013. 257 S., kt. ISBN 978-3-515-10338-1 13. Andrea Beck / Andreas Berndt (Hg.) Sakralität und Sakralisierung Perspektiven des Heiligen 2013. 210 S. mit 2 Abb. und 20 Farbtaf., kt. ISBN 978-3-515-10624-5 14. Gordon Blennemann / Klaus Herbers (Hg.) Vom Blutzeugen zum Glaubenszeugen? Formen und Vorstellungen des christlichen Martyriums im Wandel 2014. 319 S. mit 12 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10715-0

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Klaus Herbers / Hans-Christian Lehner (Hg.) Unterwegs im Namen der Religion / On the Road in the Name of Religion Pilgern als Form von Kontingenzbewältigung und Zukunftssicherung in den Weltreligionen / Pilgrimage as a Means of Coping with Contingency and Fixing the Future in the World’s Major Religions 2014. 152 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10777-8 Klaus Herbers / Larissa Düchting (Hg.) Sakralität und Devianz Konstruktionen – Normen – Praxis 2015. 314 S. mit 23 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10921-5 Klaus Herbers / Hans-Christian Lehner (Hg.) Unterwegs im Namen der Religion II / On the Road in the Name of Religion II Wege und Ziele in vergleichender Perspektive – das mittelalterliche Europa und Asien / Ways and Destinations in Comparative Perspective – Medieval Europe and Asia 2016. 306 S. mit 19 Abb., kt. ISBN 978-3-515-11464-6

18. Larissa Düchting Heiligenverehrung in Süditalien Studien zum Kult in der Zeit des 8. bis beginnenden 11. Jahrhunderts 2016. 321 S. mit 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11506-3 19. Dieter von der Nahmer Bibelbenutzung in Heiligenviten des Frühen Mittelalters 2016. 351 S., kt. ISBN 978-3-515-11518-6 20. Andrea Beck / Klaus Herbers / Andreas Nehring (Hg.) Heilige und geheiligte Dinge Formen und Funktionen 2017. 276 S. mit 58 Abb., kt. ISBN 978-3-515-11549-0

Welche Funktionen hatten Heiligkeiten, Heilige und Heiligenviten im europäischen Früh- und Hochmittelalter? Wie wurden sie konstruiert und wie gelang der räumliche Transfer von Heiligkeitskonzepten? Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes gehen der Vielfalt von Heiligkeiten und den dahinter stehenden Vorstellungen nach. Durch eine Analyse der narrativen Gestaltungsstrategien und der verwendeten Darstellungsmittel zeigen sie, inwiefern Begründungs- und Argumentationsstrategien für unterschiedliche Heiligentypen differieren. Die Untersuchung umfasst dabei sowohl Nutzungskontexte sowie beteiligte

Personen und Gruppen und deren Interesse an der Funktionalisierung von Heiligenverehrung und Heiligenviten. Dieser Zugang ermöglicht es, die Bildung mittelalterlicher Diskursgemeinschaften um Heilige und Heiligkeiten nachzuvollziehen und den Gebrauch von hagiographischen Texten in sozialen, religiösen, gesellschafts- sowie religionspolitischen Fragen nachzuzeichnen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Bedingungen und Bewertungen räumlicher Transferprozesse. Auf diese Weise wird die Dynamik deutlich, die Heiligkeiten im europäischen Früh- und Hochmittelalter entfalteten.

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ISBN 978-3-515-12134-7

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