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German Pages 436 [434] Year 1980
HE G E L- STU DIEN In Verbindung mit der Hegel-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von FRIEDHELM NICOLIN und OTTO PÖGGELER
Band 15
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
Inhaltlich unveränderter Print-on-Demand-Nachdruck der Originalausgabe von 1980, erschienen im Verlag H. Bouvier und Co., Bonn.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1479-9 ISBN eBook: 978-3-7873-3068-3 ISSN 0073-1578
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INHALT
TEXTE UND DOKUMENTE München Über Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin von Mitte 1799 bis Anfang 1805 und seine Zuhörerschaft
REINHARD LAUTH,
9
Henry Crabb Robinson und Hegel Zeitgenössische Zeugnisse, dargeboten von ERNST BEHLER, Washington 51 Bochum Furcht vor der Zensur? Zur Entstehungs- und Druckgeschichte von Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts 63
HANS-CHRISTIAN LUCAS / UDO RAMEIL,
ABHANDLUNGEN Bochum Ontologie und Dialektik bei Plato und Hegel .
KLAUS DüSING,
95
CHRISTOPH JAMME,
Bochum Platon, Hegel und der Mythos. Zu den Hintergründen eines Diktums aus der Vorrede zur „Phänomenologie des Geistes” 151
R. WEBB, Halifax The problem of empirical knowledge in Hegel’s philosophy of nature
THOMAS
Belgrad Punishment as the criminal’s right
171
IGOR PRIMORAC,
187
NATHAN ROTENSTREICH, Jerusalem
On spirit - An Interpretation of Hegel Bochum Hegels Bildungskonzeption im geschichtlichen Zusammenhang
199
OTTO PöGGELER,
.
.
241
MISZELLE Bochum Hegelsches gegen Hegel. Zu Th. Mündts anti-hegelschem Entwurf einer Ästhetik .271
ANNEMARIE GETHMANN-SIEFERT,
LITERATURBERICHTE UND KRITIK Th. Baumeister; Hegels frühe Kritik an Kants Ethik Bochum)
(KLAUS DüSING,
279
H. Timm: Fallhöhe des Geistes. Das religiöse Denken des jungen Hegel (CHRISTOPHJAMME, Bochum) 280 G. W. F. Hegel: Der Geist des Christentums. Schriften 1796-1800. Hrsg. V. W. Hamacher (CHRISTOPH JAMME, Bochum) 282 Ch. Frey: Reflexion und Zeit
(MICHAEL WELKER,
Tübingen)
284
R. Piepmeier: Aporien des Lebensbegriffs seit Oetinger; P. Christian: Einheit und Zwiespalt (CHRISTOPH JAMME, Bochum) 289 E. Fink: Hegel, Phänomenologische Interpretation der Phänomenologie des Geistes; E. Fink: Sein und Mensch (GERHART SCHMIDT, Bonn) . . 295 K. Düsing: Das Problem der Subjektivität in Hegels Logik FINK-EITEL, Frankfurt) Hegel’s Philosophy of Subjective Spirit. Ed. by M. J. Petry HORSTMANN, Bielefeld) B. M. G. Reardon: Hegel’s Philosophy of Religion
(HINRICH
299
(ROLF PETER
310
(EDITH DüSING,
Köln) 316
Briefe von und an Hegel. Band 4, Teil 1: Dokumente und Materialien zur Biographie. Hrsg. V. F. Nicolin (WALTER SCHIECHE, München) . . 31 ü R. Garaudy: La pensee de Hegel
(FRIEDRICH HOGEMANN,
Bochum) .
.
.
324
Drei spanische Übersetzungen von Hegel-Texten - besorgt von W. Roces, E. Ovejero y Maury, Z. Szankay/L M. Ripalda (HANS-CHRISTIAN LUCAS, Bochum) .326 G. W. F. Hegel: Le savoir absolu. Ed. par B. Rousset
(LUDE Vos,
G. W. F. Hegel: Ecrits politiques,. Trad. M. Jacob et P. Quillet GARNIRON, Paris)
Löwen) 332 (PIERRE
333
D. Suhr: Bewußtseinsverfassung und Gesellschaftsverfassung BLASCHE, Erlangen)
(SIEGFRIED •
340
D. Hörster: Die Subjekt-Objekt-Beziehung im Deutschen Idealismus und in der Marxschen Philosophie (CHRISTOPH JAMME, BOCHUM) . . 343 R. de la Vega: Ideologie als Utopie (UDO RAMEIL, Bochum)
344
J. Juszezak: L’anthropologie de Hegel ä travers la pensee moderne (FRIEDRICH HOGEMANN, Bochum) 347 H.-H. Ewers: Die schöne Individualität Bochum)
(ANNEMARIE GETHMANN-SIEFERT,
J. A. Dibble: The Pythia’s Drunken Song
(URSULA RAUTENBERG,
348 Bochum) 355
Kurze Anzeigen über Q. Lauer, G. E. Müller, A. Diemer, W. van Dooren, E. Beach, G. A. Kelly, G. Jarczyk, M. Noro, K. Löwith, K.-H. Ilting, F. Petrini, Y. Beiaval u. a., B. Fenner, K. Sauerland, I. Görland, R. Bubner, R. Theis, M. Heidegger, H. Kimmerle 358
BIBLIOGRAPHIE Abhandlungen zur Hegel-Forschung früheren Berichtzeiträumen
1977.
Mit
Nachträgen
aus 371
REINHARD LAUTH (MÜNCHEN)
ÜBER FICHTES LEHRTÄTIGKEIT IN BERLIN VON MITTE 1799 BIS ANFANG 1805 UND SEINE ZUHÖRERSCHAFT* Als FICHTE nach seiner Entlassung als Professor' am 1. Juli 1799 von Jena nach Berlin fuhr, kam es ihm zunächst einmal darauf an, für einen längeren Zeitraum in der preußischen Hauptstadt bleiben zu können. Dem Polizeiinspektor, der ihn am 5. Juli aufsuchte und ihm die Frage stellte, zu welchem Zweck er nach Berlin gekommen sei, erklärte FICHTE, er sei nicht in Geschäften da, sondern zu seinem Vergnügen; er „wisse aber nicht, wie lange die Zeit [s] eines Aufenthalts dauren könne”.^ FICHTE wohnte „im silbernen Monde unter den Linden” in einer Chambre gamie. Er glaubte sich zunächst beobachtet und überwacht. Es war ihm fälschlich berichtet worden, daß am 4. Juli über sein Herkommen Vortrag im Staatsrat geschehen sei. Am 20. Juli schrieb er seiner Frau: „Kann ich die bestimmtesten Versicherungen haben, daß man mich ruhig mit einer gewissen Würde hier wird existiren lassen, imd besonders - Vorlesimgen halten, dann hätte ich wohl Lust, es einige Jahre hier anzusehen; besonders da der Gewinn von den letztem sich mit der hiesigen Theumng in Gleichgewicht setzen und mich in die Lage bringen würde, zu leben, wie ich es gewohnt bin, d.h. meine mäßigen und billigeh Begierden mir nicht versagen zu müssen. Ob dies nun geht oder nicht, muß im künftigen Monate sich rein ergeben.”^ * Der nachfolgende Aufsatz entstand auf Grund einer Anregung durch Herrn Dr. Kurt Rainer Meist vom Hegel-Archiv in Bochum. Herr Meist hatte im Staatsarchiv Bamberg im Altensteinnachlaß die im folgenden unter den Nm. 4.a., 4.b., 6., 7. u. 8. im Wortlaut mitgeteilten Schriftstücke entdeckt und sie mir freundlichst zur Einsicht übergehen. Ihm und Herrn Dr. Walter Jaeschke verdanke ich auch die Einladung, auf Grund dieser Schriftstükke wie auch des sonst mir zur Verfügung stehenden Materials einen Artikel über die Hörerschaft Fichtes in den Jahren 1800-1805 für die Hegel-Studien zu verfassen. — Bei der Nachforschung nach biographischen Daten war mir Herr Dr. Erich Fuchs vom Fichte-Institut München in freundlicher Weise behilflich. Ich möchte allen Genannten meinen herzlichen Dank für die Ermöglichung dieser Forschungen imd ihrer Veröffentlichung an dieser Stelle danken. * Durch Reskript (mit PostScript) desHerzogs von Weimar vom 29. März 1799, das am 1. April bei der Universität Jena einging. ^ Fichte cm seine Frau, 5. - 6. Juli 1799; vgl./. G. Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; III, 4. 8. (Diese Ausgabe im folgenden zitiert: Akad.-Ausg.) ^ Akad.-Ausg. III, 4. 16.
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REINHARD LAUTH
Schon am 2. August kann FICHTE seiner Frau mitteilen, daß er mit dem Geheimen Kabinettsrat BEYME gesprochen und von diesem die Versicherung erhalten habe, daß „man es sich zur Ehre, und zum Vergnügen schätzen werde, daß [er s] einen Aufenthalt hier nähme”^; infolgedessen werde er „ohne Zweifel den Winter in Berlin” bleiben. Aber FICHTE teilte auch mit: „Wegen hiesiger Vorlesungen kann ich noch nichts beschließen: ich bin aber weit entfernt den Plan völlig aufzugeben, seit ich mit BEYME gesprochen habe. Wir werden sehen, und ergreifen, alles was sich mir vortheilhaftes dar bietet.” Er könne aber auch mit Schriftstellerei allein genug verdienen.^ Zum Verständnis der in Berlin durch FICHTES Kommen entstandenen Situation trägt auch bei, was DOROTHEA VEIT in diesem Sommer KAROLINE SCHLEGEL nach Jena berichtet: „Es geht sehr gut mit FICHTEN hier, man läßt ihn in Frieden. NICOLAI hat sich verlauten lassen: man würde sich nicht im geringsten um ihn bekümmern, nur müßte er nicht öffentlich lesen wollen, das würde dann nicht gut aufgenommen werden.”® JOHANNA FICHTE war „nicht wenig erschroken”, als sie dem Brief ihres Mannes entnahm, daß er in Berlin nicht lesen könne.^ Dennoch riet sie FICHTE, in Berlin zu bleiben, damit nicht der Anschein entstünde, man hätte ihn nicht geduldet. Doch schon in einem ihrer nächsten Briefe, am 23. August, fragte sie an: „sag mir aber, ich bitte Dich, giebt’s in Berlin keine Aussicht, daß Du angestellt wirst”? „Du wirst sagen darum bewerbe ich mich nicht; giebts aber keine Freunde dort, die sich für Dich drum bewerben können”? Sollte es unmöglich sein, meint sie, so wäre es besser, nach Jena zurückzukommen; FICHTE könne ja den Gerüchten, man habe ihn in Preußen nicht geduldet, eventuell öffentlich widersprechen.^ FICHTE seinerseits schreibt: „An eine Versorgung im Preussischen, besonders von Berlin aus, ist wohl kaum zu denken.” Man halte ihn in Berlin allgemein für einen Atheisten, gegen den man freilich wie gegen jedermann auch tolerant sein wolle.^ ^ Akad.-Ausg. III, 4. 26. Akad.-Ausg. III, 4. 27. ® Vgl. Caroline. Briefe aus der Frühromantik. Vermehrt hgg. nach G. Waltz von E. Schmidt, Leipzig 1913. Bd. 1. 543-4.5. - Zu Nicolais Einstellung zur Amtsenthebung Fichtes vgl.; Nicolai, Friedrich: Ueber meine gelehrte Bildung, Berlin und Stettin 1799. Nicolai befürwortete ein Lehrverbot, wünschte aber, daß man Fichte seine Bezüge ließe und ihm ein ungestörtes Leben als Privatmann und Schriftsteller gestattete. 'Akad.-Ausg. III, 4. 32. * Akad.-Ausg. III, 4. 49. ® Akad.-Ausg. III, 4. 56.
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
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Um sich die Möglichkeit, in Preußen bleiben zu können, nicht zu verscherzen, lebte FICHTE einstweilen noch sehr zurückgezogen und vermied öffentliche Besuche. Am 13. September meldete er noch einmal, mit einer Anstellung als Dozent im Preußischen habe es seine Schwierigkeiten. „Aber auf alle Fälle, hoffe ich, wollen wir dies nicht so ganz nothwendig brauchen; wenigstens thun, als ob wir es gar nicht brauchten. Dies ist der sicherste Weg wirklich etwas zu erhalten.”^® Etwas in der Vorlesungssache Neues enthält erst FICHTES Brief vom lO./l 1. Oktober an seine Frau: „Daß ich von Anfänge meines Hierseyn’s schon sehr häufig von jungen Leuten angegangen worden, zu lesen, habe ich Dir wohl geschrieben. Ich vernehme jezt, daß auch Leute von Einfluß Verwunderung äussem, daß ich es nicht thue. Ich werde dieser Sache näher auf die Spur zu kommen suchen ... Männer am Plaz haben geäussert, daß man mich unmöglich aus der Preussischen Monarchie ungebraucht, und unbenuzt lassen körme; daß meine Sache [sc. die Atheismus-Affaire] sich nur erst ein wenig verbluten müsse u. dergl. - Darauf gründet sich mein Plan mit dem Preussischen, wozu die erste Stufe ist, hier zu lesen. Dies alles muß erst in Ordnung gebracht werden,... ehe ich Dich besuchen kann.”*^ FICHTE war im September in enge Verbindung mit führenden Freimaurern der Großen Loge Royale York gekommen. Möglicherweise sind unter diesen oder ihnen nahestehenden Persönlichkeiten die zuvor genannten „Leute von Einfluß” zu suchen. FICHTE nahm jedenfalls in der Loge den ersten Anlauf: er hielt zunächst vor den Brüdern, die ihn dazu aufgefordert hatten, am 14. Oktober in der Loge einen Vortrag, später, im Jahre 1800, auch Vorlesungen. Frau FICHTE griff die Mitteilung ihres Mannes von Anfang Oktober sogleich auf:,. Ich erzehle hier wo ich kann, daß man sich bemüth. Dich in Berlin Lesen zu machen.” Doch der Plan wird zunächst durch Gerüchte von FICHTES Gegnern in Jena, die nach Berlin dringen, durchkreuzt. Am 23. Oktober berichtet FICHTE seiner Frau in großer Erregung: „Denke Dir nur: diese Canaillen zu Jena, die das Lügen noch nicht lassen können, sprengen jezt aus, u. schreiben es auch nach Berlin, und finden selbst - in Berlin Glauben, daß ich bei der Regierung um Erlaubniß angesucht hätte, hier Collegia zu lesen, und daß es mir abgeschlagen worden wäre. Habe doch die Güte, meinen Freunden... aufzutragen, diesem lügenhaften GerüchAkad.-Ausg. III, 4. 77. “ Akad.-Ausg. III, 4. 105/06. Akad.-Ausg. III, 4. 114.
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REINHARD LAUTH
te - das zugleich ihre grosse Dummheit verräth, denn in Berlin bedarf es darüber gar keines Anhaltens - allenthalben zu widersprechen. Wenn sie den Urheber desselben entdeken könnten, würden sie mich sehr verbinden. Diese DrekSeelen; nachdem sie nun wissen, wo ich lebe, und daß ich noch nicht ganz zu Grunde gegangen bin, müssen sie ihr kindisches Neken wieder anfangen!”^^ Daß das Gerücht tatsächlich in Berlin aufgenommen worden war, beweist ein Brief KARL CHRISTIAN KIESEWETTERS an KANT vom 15. November: „FICHTE befindet sich noch hier, ich habe ihn im Schauspielhause gesehen, aber nicht gesprochen. Er lebt sehr eingezogen und hat außer GEDIKE, niemanden von den hiesigen Gelehrten besucht. Man sagt, er sei beim Staatsrath um die Erlaubniß in Berlin öffentliche Vorlesungen halten zu können, eingekommen, dieser aber habe sein Gesuch abgeschlagen.”*^ Frau FICHTE antwortete am 1. November: „Das Gerüchte, daß Du in Berlin, nicht habest lesen dürfen ist hier schon wieder verflogen; es entstand, während FESSLERS Hiersein; und ich wurde häufig gefragt, obs wa[h]r sey: worauf ich allen antwortete, daß Du in Berlin ein Buch schriebest, wie sie alle wüßten, daß Du nicht die Absicht habest zu lesen; und daß sie Dir doch den Verstand zutrauten, daß wenn Du hättest lesen wollen. Du nicht erst hingingest, um zu fragen; daß die allgemeine Klugheit eim sage, man müße nicht lange fragen”.**’ Man kann aus dem Vorfall ersehen, wie klug FICHTE daran getan hatte, ganz zurückgezogen in Berlin zu leben; selbst aus der Loge waren Gerüchte über seine Vorlesungsabsichten hinausgedrungen. FESSLER schrieb am 29. Oktober an BöTTIGER in Weimar: „FICHTE lebt wenig in Gesellschaften, lebt ruhig, und man hält ihn für einen durchaus redlichen biedern Mann. Sein persönliches Betragen hat schon manchen Feind seines philosophischen Systems zum Freund des Menschen in ihm umgeschaffen.” *^ Welche Gefahren ein Erscheinen in Gesellschaften für Fichte in sich barg, zeigt ein Vorfall „in einer geschloßenen Gesellschaft bey GEDEKE .. ., wo auch NICOLAI war”.*** Der „plumpe” GEDIKE fragte ihn nämlich: „Nun,
Akad.-Ausg. III, 4. 121/22. Vgl. Kant’s Briefwechsel. Akad.-Ausg. Bd. 3. Berlin und Leipzig^ 1922. 294. Gemeint ist: Die Bestimmung des Menschen. Akad.-Ausg. III, 4. 136. Vgl. Fichte in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen. Hrsg. v. H. Schulz, Leipzig
1923. 136. Akad.-Ausg. III, 4.108. Es handelt sich wahrscheinlich um jenen Besuch, von dem Kiesewetter Kant berichtete.
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
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was ist denn so eigentlich Ihr Plan?”^® Man verfolgte FICHTES Schritte mit gespannter Aufmerksamkeit und suchte seine Absichten zu entdecken. Jedenfalls zog Frau FICHTE aus der Verbreitung des zuvor berichteten diffamierenden Gerüchts die Folgerung, „daß wenn man nicht berechnen kann, daß das Etablieren in Berlin, Dir eine Stelle auf einer preusischen Universität verschaft, es doch gewagt ist, wenn wir uns dort festsezen”. „Noch eins fällt mir ein”, schreibt sie weiter, „ich glaube immer, daß wenn Du Dich mit den [Emestinischen] Höfen, auf eine für Dich anständige Art wieder außöhnen kannst, es Dir auch leichter wird, alsdann eine Profeßor Stelle, auf einer preußischen Universität zu bekommen; Wenn Du ihnen, unter der Hand wißen läßt, daß Du sie gerne annähmest; es macht doch leider, heutzutage, großen Eindruk, wenn man öffentlich vernimmt, die Höfe hätten Dir unrecht gethan. ... Auch würdest Du öffentlich beweisen, daß Du Dich auch mit Höfen aussöhnen kannst.”^*^ FICHTE hatte inzwischen seine freimaurerischen Beziehungen und insbesondere die zu FESSLER dazu genutzt, zu sicheren Erkenntnissen über die Tendenzen der maßgebenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Berlin zu kommen. FESSLER seinerseits wollte die bei FICHTE vermuteten hohen freimaurerischen Kenntnisse für seine Zwecke bei der Reform der höheren Grade der Loge Royale York nutzen. FICHTE schreibt seiner Frau dazu: „Ich thue, als ob ich mich zu seinem Werkzeuge wolle brauchen lassen, bis ich ihn völlig werde ausgeholt haben; großentheils habe ich das schon jezt; ... alles wird sich damit endigen, daß ich meine Plane befördert und ihn gebraucht habe.”^* Es war FICHTE im Zusammenhang dieser Absichten höchst unangenehm, daß der Jenaer Professor und Freimaurer GOTTLIEB HUFELAND ihn im Berliner Logengarten traf und eine Rede, die er hielt, mit anhörte. Man werde ihn nicht für so einfältig halten, schrieb er seiner Frau, daß er sich von den Freimaurern in Berlin „etwas aufbinden lasse”; „man würde sonach bald weit aus sehende, und gefährliche Pläne wittern. Doch ist diese Verbindung gegenwärtig die einzige, durch welche ich wenigstens Erkundigungen einziehen, u. auf einen festen Boden kommen kann. - Du siehst sonach, wieviel mir an dem tiefsten Geheimnisse über das, was ich Dir hier anvertraue, gelegen ist.”^^
Akad.-Ausg. III, 4. 104. Akad.-Ausg. III, 4.137/39. - Fichte hat diese Anregung seiner Frau aufgegriffen und in Jena im Winter 1799/1800 Höflichkeitsbesuche bei Goethe und Voigt abgestattet. Akad.-Ausg. III, 4. 130. Akad.-Ausg. III, 4. 131.
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REINHARD LAUTH
hat sein Ziel auch auf diese Weise erreicht. Als er im März 1800 nach dreieinhalbmonatiger Abwesenheit von Jena nach Berlin zurückkehrte, konnte er die große Auseinandersetzung mit der Loge Royale Y ork, infolge deren er Anfang Juli „aller Logen-Mitgliedschaft für immer” entsagte^^, wagen, ohne daß ihm dies geschadet hätte. Die Loge ihrerseits war auf seine Diskretion angewiesen. Am 9. Juni 1800 teilt FICHTE SCHELLING mit; „Ein reicher Mann . . . läuft mir von selbst in die Hände, indem er dringend mir anliegt, ihm ein Privatissimum zu lesen.”^^ Nach LH. FICHTES Angaben war dieser Mann ein Bankier LEVI; er schreibt in den Briefen an Rudolph Köpke: „Der erste Vortrag dieser Art [cf. über die Wissenschaftslehre], ein Privatissimum, galt einem damals sehr geachteten und gebildeten jüdischen Banquier, Namens LEVI.” ES handelt sich um SALOMON MOSES LEVY, der auch in der Folge einer der eifrigsten Hörer FICHTES in Berlin war. Ob dieses Privatissimum sogleich zustande kam, muß fraglich bleiben. LEVY mußte nach dem Ansuchen noch einmal verreisen und kehrte erst im Herbst wieder zu der Vorlesung zurück. Am 21. Oktober berichtete FICHTE dem Verleger REIMER, er könne den ihm versprochenen Sonnenklaren Bericht noch nicht abliefem, da er die dafür bestimmte Zeit an andere Zwecke habe wenden müssen. ,Jezt bin ich, durch die Ankunft eines, dem ich ein Privatissimum über die Wissenschaftslehre lese, über diese gerathen. Ich hatte vor, diesen Winter die leztere für den Druk, in einer neuen Darstellung zu bearbeiten. Ich gewinne an Zeit, wenn ich ungestört an diese Arbeit gehen kann.”^® Wahrscheinlich ist damit eben das Privatissimum gemeint, von dem FICHTE Schelling am 9. Juni schrieb. Schon am 15. November teilt FICHTE dann SCHELLING mit: „Ich habe mit meiner neuen Bearbeitung der W.L. mit einem Bericht über diese an das große Publikum, mit 3. Collegien, alle Hände voll zu thun diesen WinFICHTE
Akad.-Ausg. 111,4.271. - Dernunmehr vorliegende Brief vom 7.7.1800 an den vicariierenden Meister vom Stuhl der Loge Pythagoras zum flammenden Stern enthält den folgenden Passus; „Ich kann nicht länger Mitglied einer Gesellschaft seyn, in w'elcher mehrere Mitglieder meine öffentlichen Vorträge falsch gehört und falsch gedeutet, und Gift daraus gezogen haben. In welcher man durchaus erdichtete Anecdoten von mir herumbietet, und glaubt, in welcher man während eines Vortrags von mir ein Betragen angenommen, dergleichen in keiner gesitteten Gesellschaft sich gehört.” Akad.-Ausg. III, 4. 260. Von dieser Wissenschaftslehre vom Oktober 1800 sind im J.G. Fichte-Nachlaß ungeordnete Blätter (Ms. 1,36) vorhanden. Nach jahrelangen Bemühungen konnten die Herausgeber der J.G. Fichte-Gesamtausgabe den Text in der gehörigen Reihenfolge wiederherstellen; vgl. Bd II, 5.319 ff. Akad.-Ausg. III, 4. 338.
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
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ter.”^^ ScHELLiNG empfindet diese Meldung als sensationell und antwortet: „Ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie sehr es mich freut, Sie diesen Winter wieder in dem Wirkungskreis zu sehen, den Sie sonst so herrlich erfüllt haben. Ich möchte sagen: das ist eine Epoche in der äußern Geschichte der Philosophie, daß FICHTE seine Philosophie in Berlin vorträgt.”^*^ Doch muß FICHTE SCHELLING schon am 27. Dezember etwas anderes berichten: „Nein, öffentlich lesen thue ich nicht. Die hiesigen Gelehrten machten niederträchtige Cabalen, und die andringenden Lehrbegierigen benahmen sich ungeschikt; mir lag nichts daran, und so ist es unterblieben. Nur zwei Privatisten habe ich. Jedoch werde ich nicht von Berlin gehen, ohne die Köpfe auch auf diese Art in die Prüfung genommen zu haben.”^® Was genau vorgefallen ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Es kam jedenfalls nur zu einem — oder allenfalls noch zu einem zweiten — Privatissimum. Daß FICHTE ZU dieser Zeit nicht öffentlich las, bestätigt auch ein Schreiben JEAN PAUL RICHTERS an CHRISTIAN OTTO vom 24. Dezember 1800: „FICHTE seh’ ich nicht”, teilt er mit; „er las nie hier”. Desgleichen anjA coBi: „FICHTE lebt.. . ohne die jenensischen Studenten-Karyatiden, einsam und stumm.”^® Von einer privaten Vorlesung FICHTES hören wir dann erst wieder Ende November 1801. FICHTE fragt bei dem Verleger COTTA an, wann die zweite Auflage seiner Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre bei ihm erscheinen solle; „einige Fr [em] de, die bei mir darüber hören, haben sie nicht bekommen können.”^' Ende des Jahres 1801 meldete das Intelligenzblatt der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek: „Herr Prof. FICHTE hat in einem gedrukten Blatte bekannt gemacht, daß er, vom Anfänge des Februars an, täglich, Mittwochs ausgenommen, über die Philosophie lesen wolle.”^^ Derartige geAkad.-Ausg. III, 4. 358. Akad.-Ausg. III, 4. 366. Akad.-Ausg. III, 4. 405. Vel. lean Pauls Briefwechsel mit seiner Frau und Christian Otto von P. Nerrlich. Berlin 1902. 166. Oder: Freunde. - Lesart unsicher! - Akad.-Ausg. III, 5. Nr. 615. - Der Buchhändler Sander schrieb am 12. Febr. 1802 an K.A. Böttiger; „Sie wissen wohl schon, daß nun auch Fichte über seine Wissenschaftslehre liest. Er hat nur 20 Zuhörer verlangt und bekommen, von denen j eder 4 Friedrichsd’or bezahlt. Das Collegium ist den ersten Februar angegangen, u. wird mit dem letzten März beendigt seyn, wöchentlich 5 Stunden. Also zusammen 40 Stunden, u. dafür 80 Friedrichs d’or. Wenn das manche Professoren erfahren, so werden sie sich nach Berlin hin umsehen.” (Ms. in der Sachs. Landesbibliothek, Mscr. Dresd. h.37. Bd 21. Nr. 65. Bl. 2r.) N.A.D.B. Bd 66, 2. Stück, Heft 5. 344.
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REINHARD LAUTH
druckte Einladungen zu Privatvorlesungen ließ man in Berlin durch Freunde und Bekannte an Interessenten verteilen oder schickte sie ihnen selber zu. Damit übereinstimmend berichtete A. W. SCHLEGEL GOETHE am 19. Januar 1802: „FICHTE ist wohl, und will mit dem Februar anfangen, auf zwey Monate lang, täglich in seinem Hause vor nur zwanzig Zuhörern Vorlesungen zu halten.”^^ Als HANS CHRISTIAN OERSTED aus Kopenhagen JOHANN JAKOB WAGNER Ende 1802 in Salzburg besuchte, berichtete WAGNER: „Er kam von Berlin, wo er bei FICHTE ein privatiss. gehört hatte. FICHTE bleibt halsstarriger als je bei seiner Wissenschaftslehre, behauptet, daß ihn SCHELLING nie verstanden habe, und daß er Hegels DilTerenz nicht zu lesen brauche. OERSTED trug tiefe Spuren der Gewalt, die FICHTES Geist über ihn geübt hatte.”^^ Es handelt sich, wie im folgenden noch belegt wird, dabei um die Vorlesung vom Februar und März 1802. Auf diese Vorlesung wird sich wohl auch die ironisierende Mitteilung in der Berliner Zeitschrift Der Freimüthige vom 30. Dezember 1803 beziehen, daß FICHTE „in den philosophischen Vorlesungen, die er ehmals in Berlin hielt, der aufmerksamen hochzuverehrenden Versammlung seiner Zuhörer voraus erklärt habe: sie brauchten nicht darauf zu harren, daß sie von ihm Philosophie lernen, oder ihn durch seine, und in seinen Vorlesungen verstehen würden; nein, ein Blitzstrahl müsse ihr Gemüth treffen, die Schranken zerschmettern, welche die Fülle philosophischer Ideen einenge, die sich etwa darin aufhielten; und so müsse in Einem Augenblick der ganze Grund erhellt vor ihrer Seele stehen, auf welchem sich seine und jede - (beides ist einerlei) - Philosophie bewege.”^'^ Im J. G. FicHTE-Nachlaß der Deutschen Staatsbibliothek in Berlin befindet sich ein Ms. (11,4), das unter dem Titel „Uber Wissenschaftslehre 1802” aufgeführt ist. Tatsächlich handelt es sich um einen Kommentar zu ERNST PLATNERS Philosophischen Aphorismen^^ und um Aufzeichnungen für ein Conversatorium, deren Gedankengang mit einer Passage der „Darstellung der Wissenschaftslehre” von 1802 parallel geht. Auf Bl. 1 r steht von FICHTES Hand in der linken oberen Ecke: „ 1802. Jänner”. Auf dieser Seite kommentiert FICHTE PLATNERS § 649. Die Kommentierung hatte aber Vgl. Fichte in vertraulichen Briefen, 182. Ebd. 189/90. Der Freimüthige oder Emst und Scherz. 30. Dez. 1803. 832. Platner, Emst: Philosophische Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte. Ganz neue Ausarbeitung. l.Teil. Leipzig 1793. — Veröffentlicht als Supplement in der J.G. Fichte-Gesamtausgabe als Bd II, 4. Siehe Fichtes Kommentar zu Platners Aphorismen in seinen Vorlesungen über Logik und Metaphysik von 1794-1812 in Akad.-Ausg. II. 4.
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
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schon mit dem § 142 begonnen; die Blätter des Manuskripts wurden nur von der Bibliothek in der unrichtigen Reihenfolge gezählt. Man muß also folgern, daß FICHTE seinen PLATNER-Kommentar schon vor dem Januar 1802 begormen hat. FICHTE hatte schon in Jena die Gewohnheit, in einer Vorlesung, die (mit Rücksicht auf die Jenaer Usancen) „Logik und Metaphysik” betitelt war, PLATNERS Philosophische Aphorismen zur Einführung in den Standpunkt der Wissenschaftslehre zu kommentieren. Der Gedanke liegt also nahe, daß er dies auch im Winter 1801/02 getan hat. Dann ergäbe sich folgendes Resultat: Die Fremden (oder Freunde), die bei FICHTE im November 1801 laut seiner Mitteilung an COTTA Wissenschaftslehre hörten, waren zunächst Hörer einer Einführung in die Wissenschaftslehre in Form einer Erörterung von Aphorismen PLATNERS. Auf die Einführung sollte dann die Vorlesung über die Wissenschaftslehre selbst folgen. Mit Beginn des Januar 1802 stand FICHTE noch mitten in der Einführung. Wahrscheinlich war die Anzahl derer, die die Wissenschaftslehre hören wollten, inzwischen angewachsen. FICHTE entschloß sich, die eigentliche Vorlesung über Wissenschaftslehre durch eine gedruckte (aber uns nicht vorliegende) Anzeige anzukündigen. Der Begiim wurde auf den Anfang Februar festgesetzt. Es kam dann zu der Vorlesung vor ca. 20 Zuhörern, von denen SCHLEGEL berichtet; „vor fremden Adelichen, Doktoren und einheimischen Bankiers, GeheimenRäthen u.s.f.”, wie FICHTE sie in seinem Brief an MEHMEL aufführt.^^
Es kann aber auch sein, daß FICHTE schon im Herbst 1801 „einigen Fremden” bzw. „Freunden”, wie er COTTA schreibt, eigentliche Wissenschaftslehre in einem Privatissimum gelesen hat. Er hätte dann ab 1. Februar die Wissenschaftslehre ein zweites Mal vorgetragen. Ein Bericht HANS CHRISTIAN OERSTEDS bestätigt nun, daß FICHTE eine Vorlesung über die Wissenschaftslehre selbst im Februar und März 1802 gehalten hat, deren Inhalt mit der vorliegenden Ausarbeitung in Ms. 11,3 des FicHTE-Nachlasses der Deutschen Staatsbibliothek übereinstimmt. In Breve fra og tilHans Christian Orsted (Hrsg, von Mathilde 0rsted; Forste Sämling Kjobenhavn 1870) finden wir eine Reihe von Tagebuchnotizen OER STEDS über seinen Besuch der Vorlesung FICHTES. Am 29. Jan. 1802 ging er zu FICHTE, um sich einzuschreiben. FICHTE hatte als Bezahlung von den Teilnehmern 4 Friedrichsdor verlangt, einen ziemlich hohen Betrag, der OER STED nicht ohne weiteres zur Verfügung stand. Er traf FICHTE nicht in seiner Wohnung an; aber Frau FICHTE teilte ihm mit, ihr Mann wünsche, daß er Brief
V.
2. März 1802 an Mehmel; Akad.-Ausg. III, S. Nr 625.
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nur 2 Friedrichsdor bezahle, er habe es unbillig gefunden, von einem Studenten mehr zu nehmen; die Gebühr wäre für die Berliner Teilnehmer, die keine Studenten seien, gedacht. Am 1. Februar schrieb OERSTED: „Ich hörte heute erstmals FICHTENS Vorlesungen. Das seltene Talent, das er besitzt, seine Gedanken vorzutragen, macht seine Vorlesungen doppelt interessant, und wenn ich auch nichts anderes von ihm lernte als einige der Kunstgriffe, mit denen er so gut die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu sparmen und zu erhalten weiß, und Vorstellungen bei ihnen zu erwecken, die nicht so geradezu mit Worten ausgedrückt werden können, so war ich schon für die Zeit, die ich dafür anwandte, belohnt”. Am 7. Februar an ANDERS S. OERSTED: „Ich genieße nun ein Glück, um das Du mich wohl fast beneiden wirst, ich höre FICHTE selbst seine Wissenschaftslehre vortragen.” Er berichtet ferner, daß auch der Schwede BENJAMIN CARL HENRIK HöYER^*^ ZU den Hörem FICHTES zähle. Am 10. Mai verabschiedete sich OERSTED von FICHTE, um nach Dresden zu reisen. Besonders wertvoll ist ein Brief an ANDERS S. OERSTED vom 16. Februar, in dem das von FICHTE bisher Vorgetragene zusammenfassend wiedergegeben ist und das System der WL, wie FICHTE es in Jena vorgetragen hat, mit dem in Berlin vorgetragenen verglichen wird. Aus diesem Resume erkennt man eindeutig, daß es sich um den Vortrag des in Ms. 11,3 Ausgearbeiteten handelte.^^ Sicher festzustellen sind also aus dieser Vorlesung vom Februar/März 1802 als Zuhörer nur: HANS CHRISTIAN OERSTED, 1777-1851, Student; BENJAMIN KARL HENRIK HöYER, 1767-1812, Adjunkt der Philosophie; und MARIE JOHANNE FICHTE, 17.55-1819. Letztere hat nämlich, wie aus einem Brief FICHTES vom 18.-21. Dezember 1806 hervorgeht, sämtlichen Berliner Vorlesungen über die Wissenschaftslehre beigewohnt. FICHTE schreibt aus Königsberg: „Ebenso habe ich ein ganz vortreffliches Thema zu öffentlichen Vorlesungen, nach Art der Berlin’schen gefunden, und ich werde sehen, ob es der Mühe verlohnt, dasselbe in Gang zu bringen. Am meisten ist es mir zuwider, daß Du wohl kaum bei der Eröffnung derselben zugegen seyn wirst, und daß ich - das erste mal in neuem Zeiten - die Wissenschaftslehre lesen soll, ohne Dich
Geb. 1767, gest. 1812. Adjunkt der Philosophie in Upsala; Anhänger der Schellingschen Naturphilosophie. Vgl. die Zusätzliche Anmerkung in: Fichte, Johann Gottlieb: Darstellung der fVissenschaftskhre Aus den Jahren 1801/02. Hrsg, von Reinhard Lauth. Hamburg 1977. XXXVIIIXL. - Ich verdanke die Übersetzung Herrn Dr. Bernd Henningsen vom Seminar für Nordische Philologie der Universität München.
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zur Zuhörerin zu haben.”"^*’ - Vermutlicher Hörer war SALOMON MOSES LE VY.
Erst im April 1803 hören wir dann von einem neuerlichen Privatissimum. In diesem Monat teilt Frau FICHTE NIETHAMMER mit, ihr Mann lebe bei angestrengtester Arbeit sehr zurückgezogen; er arbeite durchgehend bis 4 Uhr nachmittags an seinem Pulte; „denn giebt er einem Grafen, der ihn sehr darum bath, ein Priv:”, und zwar bis 5 Uhr, wonach dann erst zu Mittag gegessen werde.'^' Dem entspricht die Mitteilung „aus einem Briefe” über FICHTES Tätigkeit in Berlin in der „Oberdeutschen allgemeinen Litteraturzeitung” vom 23. August 1803; „FICHTE ... arbeitet vom frühsten Morgen an bis Abends 4 Uhr, giebt dann bis 5 Uhr ein privatissimum einem Grafen (so war es wenigstens noch, als der Brief geschrieben wurde)”. Die FicHTESche Aufzeichnung dieses Privatissimums ist z.T. in der Deutschen Staatsbibliothek in Berlin (J.G. FicHTE-Nachlaß III, 5 u. III,6), z.T. im ScHiLLER-Nationalmuseum in Marbach erhalten. Sie trägt die Überschrift: „Privatissimum für G. D. Aprill 7503”. Von der Abkürzung G. D. dürfte das G. Grfl/bedeuten; und dann handelte es sich um einen Grafen D. Dies könnte Graf DOHNA'^^ gewesen sein. Die Handschrift des Privatissimums besteht aus zwei Teilen, von denen der erste sieben Unterrichtsstunden, der zweite, der „Fortsetzung des Privatissimum. 2. Mäy. 1803” überschrieben ist, fünf Unterrichtsstunden umfaßt. Am 9. Juni 1803 schreibt FICHTE SCHILLER, er sei „noch gänzlich befangen in der Wissenschaftslehre; nicht um sie zu finden, oder zu verbessern, sondern um sie zur reinen Klarheit zu erheben.”'^'^ Dieser Zustand völliger Vgl./.G. Fichte Briefwechsel. Hrsg, von H. Schulz. 2. Aull. Bd 2. Leipzig 1930. 433/34. Akad.-Ausg. III, 5. Nr 642. '‘2 Coli. 365-368. Graf Dohna ist im Mitglieder-Verzeichnis der Hörerschaft von Fichtes „Philosophischer Charakteristik des Zeitalters” im Winter 1804/05 von Altenstein verzeichnet (vergl. das folgende). Es handelt sich um Graf Friedrich Ferdinand Alexander von Dohna zu Schlobitten, 1771-1832. - Er wurde 1808 an Stelle von Steins Minister des Innern. Akad.-Ausg. III, 5. Nr 643. — Vgl. im gleichen Brief auch den Passus: „Dreijahre unabläßiger Arbeit an der Wissenschaftslehre, fast ohne alles lukrative Geschäft, bei der absoluten Unmöglichkeit, jene MeditationsReihe zu unterbrechen, wenn sie nicht ganz aufgegeben werden sollte, haben das Wenige, was uns übrig geblieben, auf gezehrt; noch bin ich in denselben Meditationen befangen, und ich sehe höchst unangenehmen Störungen entgegen, wenn ich mir nicht noch gegen einjahr sorgenfreie Müsse verschaffen kann.” — .^nfang 1804 schrieb Fichte an J. J. Mnioch: „Seit 5 Jahren habe ich kein Amt: drum ist es mir unverbrüchliche Regel alle Morgen, von meinem Aufstehen an bis gegen 2 Uhr an meinem Pulte streng eigne Spekulation zu arbeiten; geschieht es ja, daß alle Vierteljahre ein unver[mei] dliches mich nöthigt Vormittags auszugehen, so muß wenigstens 3. Stunden gearbeitet werden; u. hiervon ist seit 5. Jahren kein Tag ausgenommen worden.” (Akad.-Ausg. III, 5. Nr 659.b.)
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Hingegebenheit an die Vollendung der Wissenschaftslehre dauerte noch das ganze Jahr 1803 hindurch an. Erst mit der Jahres wende trat ein grundsätzlicher Wechsel ein; nun konnte er mitteilen — und er tat dies in einem Promemoria für das Königliche Kabinett in Berlin vom 3. Januar - ; „Es ist, seit kurzem auch in seiner äußern Eorm vollendet, ein System vorhanden, welches von sich rühmt, daß es, in sich selbst rein abgeschloßen, unveränderlich, und unmittelbar evident, außer sich allen übrigen Wißenschaften ihre ersten Gmndsätze, und ihre Leitfäden, gebe, hierdnrch allen Streit und Misverständniß auf dem Gebiete des Wißenschaftlichen auf ewige Zeiten aufhebe, und den nur darin recht befestigten Geist dem einigen Felde seines unendlichen Fortschreitens zu immer höherer Klarheit, der Empirie, zuweise, und ihn auf diesem Felde untrüglich leite.”^^ Gemeint ist mit diesen Worten nicht eine vollkommene Form der didaktischen Darteilung der Wissenschaftslehre, sondern die gegliederte innere Konzeption derselben als evidentes, geschlossenes, in sich vollständiges und insofern unveränderliches System. „Das am schwersten zu findende” war dabei, nach FICHTES eigener Mitteilung, die intelligierende Einsicht in das Grundprinzip der Disjunktion des sich darstellenden Lichtes in verschiedene Standpunkte bzw. Ansichten „bei absoluter Einheit des Princips”. „Dieser Punkt [sei] der Grund und Gegenstand [s]einer Untersuchungen der letzten zwei Jahre gewesen”. Von der Wissenschaftslehre verlangt FICHTE, daß sie die „ursprüngliche Einheit des Seyns und Bewußtseyns ... in dem, was sie ansich, und unabhängig von ihrer Spaltung in Seyn und Bewußtseyn, ist, durchdringe nnd darstelle.” „Wird man sie, jene Einheit, recht dargestellt haben, so wird man zngleich den Grund, warum sie in Seyn, und Bewußtseyn sich spalte, einsehen; ferner einsehen, warum es in dieser GespaÜenheit, auf eine bestimmte Weise sich weiter spalte; alles schlechthin ä priori, ohne alle Beihülfe empirischer Wahrnehmung, aus jener Einsicht der Einheit; und also wahrhaftig das All in dem Einen, und das Eine im Allen begreife; welches von jeher die Aufgabe der Philosophie gewesen.”"*^ Zu Beginn des Jahres 1804 kündigte FICHTE den Vortrag der Wissenschaftslehre öffentlich in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen vom 5. Januar an. Wer teilnehmen wollte, könnte in der SANDERschen Bnchhandlung, Kurstr. 51 (nicht weit von der Commendantenstr. 9 entfernt, wo FICHTE in einem Hörsaal seiner Wohnung las), den „nähern Promemoria für das Königl. Kabinett in Berlin vom 4. 1.1804; Akad.-Ausg. III, 5. Nr 657,
Brief an Paul Joseph Appia vom 23.6.1804; Akad.-Ausg. III, 5. Nr 664.
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Plan der äußern Einrichtung” dieser Vorlesung einsehen und sich anmelden. Das Honorar betrüge 2 Friedrichsdor. Die Ankündigung lautete: 1. Der Unterschriebene erbiethet sich zu einem fortgesetzten mündlichen Vortrage der Wissenschaftslehre, d.h. der vollständigen Lösung des Räthsels der Welt und des Bewußtseyns mit mathematischer Evidenz. Er wählt diesen Weg der Mittheilung um so lieber, da er das Resultat seiner neuen vieljährigen Untersuchungen nicht durch den Druck bekannt zu machen gedenkt, indem diese Philosophie sich nicht historisch erklären läßt; sondern ihr Verhältniß die Kunst zu philosophiren voraussetzt, welche am sichersten durch mündlichen Vortrag und Unterredung erlernt und geübt wird. Diese Vorträge sollen vom 16ten d. M. bis gegen Ostern, Mondtags, Dienstags, Donnerstags und Frey tags von 12 bis halbe 2 Uhr in meiner Wohnung, Kommandantenstrasse Nro. 9 gehalten werden. Einige Vormittagsstunden des Sonnabends werden zu Unterredungen über das Vorgetragene angesetzt werden. Das Honorar ist zwey Eriedrichsd’or. Die Abbonenten haben die Güte, sich in Hm. Sanders Buchhandlung, Kurstraße Nro. 51, welche diese Besorgung übernommen, zu melden, und daselbst den nähern Plan der äußern Einrichtung einzusehen. Berlin, d. 1. Januar 1804. FICHTE.^^
trug dann, wie wir noch sehen werden, tatsächlich in diesem Jahre 1804 in Berlin dreimal die Wissenschaftslehre vor. Die erste dieser drei Vorlesungen, die dreißig einzelne Vorträge umfaßte, begann am 17. Januar und endete am Gründonnerstag, dem 29. März. Fichte las jeweils am Dienstag, Donnerstag und Samstag von 17.00 bis 18.30 Uhr in seiner Wohnung, Commendantenstr. 9. Das Vorgetragene wurde am Sonntag Mittag in einem Conversatorium erörtert. FICHTE
\ Fichte, Johann Gottlieb: Die Wissenschaftslehre. Zweiter Vortrag im Jahre 1804 vom 16. April bis 8. Juni. Gereinigte Fassung. Hrsg, von Reinhard Lauth und Joachim Widmann. Hamburg 1975. 2. - Zur Unmöglichkeit bloß „historischer” Mitteilung vgl. Fichtes Ausführungen in seinem Schreiben vom 26.4.1805 an einen unbekannten Adressaten (Akad.-Ausg. 111, 5. Nr 688): „Ließe sich nur beim lesenden und schreibenden deutschen Publikum auf mehr Beiehrbarkeit und Verstand rechnen, so wollte ich es gar nicht verreden, auch die Resultate meiner neuem vieljährigen Forschungen in offenem Drucke mitzutheilen. Der Inhalt dieser Resultate ist ganz der ehemalige; die Form dürfte an Deutlichkeit gewonnen haben. Aber ich bin mit meinen frühem Eröfnungen so übel angekommen, und die dermaligen öffentlich vorliegenden nächsten Früchte und Erfolge davon sind so abschrekkend, daß mir ein wenig Zögern wohl verziehen werden kann.”
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der den als Ms. III, 8 des J. G. FicHTE-Nachlasses der Deutschen Staatsbibliothek erhaltenen Text erstmalig veröffentlicht hat^*^, schreibt: „Am Dienstag, dem 17. Januar, fanden sich dann 'etliche und vierzig Zuhörer, meist ausgezeichnete Männer’^^, darunter 'die ersten Staatsbeamten und ansehnlichsten Gelehrten’"^*^ bei FICHTE ein, um sich von ihm das Ergebnis seiner jahrelangen Bemühungen mitteilen zu lassen. Von den Hörem konnten folgende namentlich ermittelt werden: BERNHARD RUDOLF ABEKEN, 1780-1866 (1801/02 Hörer Hegels in Jena), Hauslehrer in der Familie des Ministers VON DER RECKE in Berlin [später Schulrat in Osnabrück]; KARL FREIHERR VON STEIN ZUM ALTENSTEIN, 17701840, Geheimer Oberfinanzrat im Generaldirektorium; JOHANN PETER FRIEDRICH ANCILLON, 1767-1837, Königlicher Historiograph, seit 1803 Mitglied der Akademie der Wissenschaften [später, 1832, Minister der auswärtigen Angelegenheiten in Preußen]; AUGUST FERDINAND BERNHARDI, 1769 (oder 1770) - 1820, Professor am Werderschen Gymnasium zu Berlin; KARL FRIEDRICH BEYME, 1765-1838, Geheimer Kabinettsrat in Preußen; CHRISTIAN HEINRICH ERNST BISCHOF, 1781-1861, med. Assistent des Professors Hufeland; JOHANN FRIEDRICH GOTTLIEB DELBRüCK, 1768-1830, Leiter der Erziehung des nachmaligen Königs FRIEDRICH WILHELMS IV.; PAUL ERMAN, 17641851, Lehrer der Naturkunde am Französischen Gymnasium zu Berlin und an der Allgemeinen Kriegsschule; CHRISTOPH WILHELM HUFELAND, 1762-1836, [Direktor des Collegium medicum,] Preußischer Staatsrat und Professor, seit 1801 Leibarzt des Königs; GEORG WILHELM KESSLER, 1782-1846, Jurist [später Regierungspräsident in Arnsberg]; WILHELM ANTON VON KLEWITZ, 1760-1838, Geheimer Oberfinanzrat in Preußen; HEINRICH FRIEDRICH THEODOR KOHLRAUSCH, 1780-1867 (oder 1865), Erzieher des Grafen WOLF BAUDISSIN; AUGUST FRIEDRICH FERDINAND VON KOTZEBUE, 17611819, Theaterschriftsteller, zusammen mit GABRIEL MERKEL Herausgeber der Zeitschrift Der Freimüthige oder Ernst und ÄÄerz; JOHANN WILHELM LOMBARD, 1767-1812, Geheimer Kabinettsrat für die auswärtigen Angelegenheiten; HEINRICH LUDEN, 1780-1847, Hofmeister von CHR. W. HUFELANDS Sohn [später Professor der Geschichte in Jena]; DR. HEINRICH MEYER, Arzt (von 18021805 zweiter Mann der unter dem Namen HENRIETTE HäNDEL-SCHüTZ bekannt gewordenen Schauspielerin); AUGUST WILHELM SCHLEGEL, 1767-1845, seit 1798 Professor in Jena, der 1804 Privatvorlesungen in Berlin hielt; GLIWITZKY,
Vgl. Fichte, Johann Gottlieb: Erste Wissenschaftslehre von 1804. Hrsg, von Hans Gliwitzky. Stuttgart 1969. Fränkische Staats- und Gelehrte Zeitung. No. 31 v. 22.2.1804. 124. Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung. Nr XVIII v. 11. Febr, 1804. Col. 288.
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VARNHAGEN VON ENSE, 1785-1858, Student der Arzneiwissenschaft und Schriftsteller; KARL FRIEDRICH ZELTER, 1758-1832, Direktor der Berliner Singakademie.”'^^ Zu den aufgezählten Hörem sind noch als sichere hinzuzufügen: MARIE JOHANNE FICHTE und JOSEPH LUDWIG STOLL.^^ Wahrscheinlich war Hörer auch METGER (METTGER, FRIEDRICH SEVERIN, ca. 1774-1834); Pastor, Prediger an der Charite. Ohne Namensnennung erwähnt KOHLRAUSCH noch „jüngere Juristen, Arzte, Offiziere, Kandidaten, Literaten” sowie „jüdische Glaubensgenossen”'^^, unter welch letztere S.M. LEVY ZU zählen sein wird. GLIWITZKY fahrt fort: „HEINRICH FRIEDRICH THEODOR KOHLRAUSCH beschreibt 1863 aus der Erinnemng den Beginn der Vorlesung im Januar 1804 folgendermaßen: ,Es war eine, ich darf sagen feierliche, Erwartung, als dieses Auditorium versammelt war und FICHTE zuerst auftreten sollte. Er kam, bestieg sein Katheder und blickte mit seinen scharfen dunklen Augen in die Versammlung. Sein großartiges Gesicht mit den plastischen Zügen, der Adlernase, den dunkelen Haaren und Augenbrauen, dem schön geschnittenen Munde und kräftig vorragenden Kinne, ein Gesicht wie zur Nachbildung in Erz oder Marmor geschaffen, imponierte den gereiften Männern nicht weniger, als der lernbegierigen und gern bewundernden Jugend. Wer den Eindruck dieses Kopfes, in solcher Stunde, lebendig empfing, dem war er für das Leben unvergeßlich eingeprägt. . . .
KARL AUGUST
^ * Gliwitzky führt an der ausgelassenen Stelle K. W.F. Solger auf. Dieser hat aber nach eigenen Angaben erst der dritten Vorlesung der Wissenschaftslehre im Jahre 1804 vom Nov.-Dez. als Flörer beiwohnen können. Solger schreibt ca. am 1. Dez. 1804 seinem Bruder Friedrich: „Ich höre jetzt Fichte’s Collegium über die Wissenschaftslehre mit unendlichem Vergnügen und Vortheil, wie ich hoffe. Wer zusammengenommen, geschult und rastlos durchgearbeitet werden will, der gehe zu ihm. . . Das Collegium bei ibm beschäftigt mich fortdauernd. Ich bewundere seinen streng philosophischen Vortrag, und bedaure fast ihn nicht früher kennen gelernt zu haben.” (In; Solger’s nachgelassene Schriften und Briefwechsel. Hrsg, von L. Tieck und F. von Raumer. Leipzig 1826. Bd 1. 129-134.) '^^Gliwitzky im Vorbericht zu Fichte (oben Anm. 48). XXI-XXIII. Vgl. den Brief J.L. Stolls an Fr. Schiller vom 2. Apr. 1804: „Ich . . . begnüge mich Ihnen mit ganz gewöhnlichen Worten zu sagen, daß ich Philosophie treibe, daß mich die höhere Speculation der schönen freundlichen Erde . . . schon eine geraume Zeit entzogen. Fichte wird in wenigen Tagen seine Vorlesungen über die Wissenschaftslehre wieder anfangen, und ich habe mich entschloßen, sie noch einmal zu Ende zu hören, so ungern ich übrigens auch hier bin, und so sehr ich mich nach dem Wiedersehn meiner Freunde in Wien sehne.” (In; Euphorion. 12.359 f) — Zu Metger siehe: Fichte, Immanuel Fiermann:Johann Gottlieb Fichte’s Leben und literarischer Briefwechsel. Bd 1.1862.350; „Unter den damaligen Hausfreunden ist auch noch eines Geistlichen, Namens Metger, Prediger an der Charite, zu gedenken, der mit pietätvoller Verehrung seiner Philosophie sich widmete und sein eifriger Zuhörer war.” Kohlrausch, Fr.: Erinnerungen aus meinem Leben. Hannover 1863. 66.
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begann seine Rede mit einer kurzen Erklärung desjenigen, was er mit seinen Vorlesungen bezwecke und wie er dieselben einzurichten beabsichtige, und ging nun sogleich in die Sache selbst ein. Er hatte kein Heft, sondern nur ein Octavblatt, auf welchem mit einzelnen Worten, Buchstaben und mathematischen Zeichen der Gang seines Vortrages angedeutet war, (ich habe später solche Blätter von ihm in Händen gehabt,) und sprach übrigens ganz frei, mit kräftiger und volltönender Stimme und gehaltener Betonung dessen, worauf es hauptsächlich ankam; nicht büchermäßig oder wie auswendig gelernt, sondern im knappsten und schärfsten Ausdrucke des Gedankens, den er deutlich machen wollte. Ein Vortrag gerade in dieser Art der Gedankenschärfe ist mir sonst nicht vorgekommen, mag auch wohl kaum so zum zweiten Male existiert haben. Es war kein eigentlicher Fluß der Rede, am wenigsten ein geschmückter oder auch nur stark accentuierter, sondern der reine Gedanke in das bezeichnendste Wort gefaßt und mit fester Haltung ausgesprochen. Daß ein solcher Vortrag die gespannteste Aufmerksamkeit forderte, ist natürlich, und sie herrschte auch in der großen Versammlung in solchem Grade, daß, weim FICHTE sich einmal versprach, was übrigens selten geschah, eine Art von Zucken durch die Zuhörer ging.’ ,Bei der Eigenthümlichkeit des FicHTE’schen Vortrages war das Nachschreiben in studentischer Weise nicht möglich, auch war die äußere Einrichtung des Auditoriums nicht darnach getroffen; man konnte nur auf dem Knie einzelne Worte und Zeichen, ähnlich denen des FicHTESchen Octavblattes, sich merken, um darnach den Zusammenhang in frischer Wiederholung zu Hause herzustelFICHTE
len.’"-5
Ein im folgenden berichteter Vorfall ist zugleich ein sicheres Zeichen dafür, daß sich KOHLRAUSCHS Schilderung auf die Erste Vorlesung der W.L. 1804 bezieht. In Nr. 16 der Zeitschrift Der Freimüthige oder Emst und Scherz, die von GARLIEB MERKEL und von AUGUST F. F. VON KOTZEBUE herausgegeben wurde, stand am 23. Januar 1804 unter den ,Miscellen’ folgende Auslassung: ,Ex ungue leonem. Ein idealistischer Philosoph lehrte letzthin: ,Einer der falschesten Gemeinplätze ist, man solle jeden Gegenstand von allen Seiten betrachten. Nein! Man muß jedes Ding von der rechten Seite betrachten.’ - Aber woher kann man denn wissen, welche die rechte ist, wenn man nicht alles kennt? - Die Antwort ist leicht vorauszusehn: der göttliche Mann wird uns lehren, welche die rechte ist. - Wie aber wenn er sich irrt? - Ja, wer ihm die Frage thäte, dem - kehrte er sicher mit hohem Selbstbewußtseyn den Rücken zu. Er sollte irren können! Er! - Aber 55
Kohlrausch. 66-68.
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wenn ein junger Mensch nun demüthiglich seinen Verstand gefangen nimt, die Welt und jedes Ding in derselben, nur von der Seite keimen lernt, die der Herr Professor ihm als die rechte anwies; was wird er nach vollendetem Cursus seyn? Ein im Denken geübter Kopf? - Das nun eben nicht, aber ein unerschütterlicher Gläubiger an die Lehren, die Erhabenheit und Unfehlbarkeit seines Meisters, und das ist es, was man bilden will, nicht Wahrheitsforscher.’ Es folgt noch ein weiterer Absatz über die Gefahr derartiger Lehren für die Jugend. Die Zeilen sind imterzeichnet mit ,L. T.’. In FICHTES ... Manuskript der W. L. 1804^ kommen bis zum Datum der zitierten Zeitungsnotiz folgende zwei Stellen als Grundlage dieser Ausführungen in Frage: ,Ataraxie gegen die Kraft der Wahrheit, ansehen von allen Seiten,Vrotoco\\ offen behalten bis ans Ende der Tage: aus Furcht zu irren gar nicht urtheilen. Glauben, sie haben einem etwas sehr böses nachgesagt, wenn sie sagen: er sagt: so ists.’’ (Ir) und: ,Was ist’s denn eigentlich, man\ aber weil man es so oder so ansehen zu können sich bewußt ist, und keiner Disjunktion traut, nicht so oder so, sondern wobei es eben bleibe.’ (2r). KOHLRAUSCH berichtet nun, was FICHTE ZU diesem Artikel im darauffolgenden Vortrag gesagt hat: ,Sie werden, meine Herren, vielleicht in einem hier erscheinenden Blatte, Scherz und Emst, oder der Freimüthige genannt, ein Urtheil über meinen ersten Vortrag gelesen haben in dem Sinne, daß wohl schwerlich die Wahrheit durch unsere Unterhaltungen gewinnen werde, denn ich habe angekündigt, wir wollten die Dinge nicht von allen Seiten, sondern nur von einer betrachten. Sie werden sich aber erinnern, daß dieses nicht meine Worte waren, sondern daß ich sagte, wir wollten speculative Philosophie treiben, könnten uns daher nicht darauf einlassen, die Dinge von allen, auch den empirischen Seiten zu betrachten, sondern nur von einer, nemlichderrechten. Die letzten Worte sind in der Kritik des Freimüthigen weggelassen [dies bezieht sich auf: alle empirische Seiten]. Ich berühre die Sache nur, um die Bitte daran zu knüpfen, daß, wenn einer meiner geehrten Zuhörer eine Mittheilung über unsere Unterhaltungen öffentlich auszusprechen sich gemüßigt sehen möchte, er wenigstens meine Worte wiedergeben möge, wie ich sie wirklich gesprochen habe! Darauf habe sich sofort KOTZEBUE von einem der hintersten Sitze erhoben und mit ,etwas verlegenem, blassem Gesichte’ gesagt: ,Es könnte scheinen, als rührte von mir, als Mitherausgeber des genannten Blattes, jenes Urtheil über Ihre erste Vorlesung her, ich kann aber versichern, Herr Professor, daß ich nicht den mindesten Antheil daran habe.’ KOHLRAUSCH erzählt weiter, FICHTE habe dies mit Ungeduld angehört und mit einer ,Schweigen gebietenden Bewegung der Hand’ KOTZEBUE versichert, daß er bei seiner Bemerkung mit ,keiner Silbe’ an ihn gedacht ha-
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be. ,Und darauf setzte er sich und fing seinen Vortrag mit solcher Klarheit und Ruhe an, als wenn nichts vorgefallen wäre.’'^® Am 24. Januar veröffentlichte KOTZEBUE in Nr. 17. von Der Freimüthige oder Emst und Scherz eine Erklärung, daß er ,zu dem Freimüthigen künftig nichts liefern werde, als was mit [s] eines Namens Unterschrift, oder doch mit den Buchstaben Kz bezeichnet ist; daß [er] an der Redaction dieses Blattes keinen Theil mehr nehme, und daß [er] folglich für nichts hafte, als was [er] selbst geschrieben habe.’'^^ Ebd. 67/68. Imm. Herrn. Fichte gibt den Vorfall wie folgt wieder: „In einem dieser philosophischen Curse, wo Kotzebue ständiger Zuhörer war, ereignete sich Folgendes, was viele Jahre später ein anderer Theilnehmer dem Biographen ausführlich erzählt hat. Fichte hatte in der ersten Vorlesung erklärt, er erbitte sich von seinen Zuhörern, daß sie ihr Urtheil und ihre Mittheilungen nach außen bis ans Ende des ganzen Curses aufschieben möchten, der ein geschlossenes Ganze sei, verbitte sich aber das Verbreiten und anekdotische Umherbieten einzelner, aus dem Zusammenhänge gerissener Sätze, etwa zum Zweck journalistischer Unterhaltung. Er hatte recht darin, denn er kannte seine Gegner, die ,Nicolaiten’ und ihren Anhang, der in der ,Berliner Monatsschrift’ seinen Vereinigungspunkt fand, und zu diesen hatte sich mit ähnlichen Tendenzen gerade damals G. Merkel durch seinen ,Freimüthigen’ gesellt, dessen Mitbegründer Kotzebue war. Nun erschien ganz unerwartet im ,Freimüthigen’ ein Aufsatz: ,Ex ungue leonem’ überschrieben, in welchem ein satirisches Bild des Lehrers und seiner Vortragsweise entworfen wurde, gewürzt mit einzelnen paradoxen Schlagwörtem aus den bisherigen Vorträgen. Fichte nahm in der nächsten Stunde den Artikel vor, beleuchtete mit scharfer Ironie das Einzelne und warf den Spott auf den Schreiber zurück. Kotzebue, auf welchen die Augen aller gerichtet waren und den besonders das höhnische Lachen A.W. Schlegel’s aufregte, erhob sich endlich und erklärte, daß er nicht der Verfasser sei, sondern Merkel, an welchen man sich zu halten habe! Er verließ die Versammlung und machte seinem Unmuthe bald darauf öffentlich Luft, indem er seine Erinnerungen von einer Reise nach Rom und Neapel (3 Bde. Berlin 1805) ungefähr mit den Worten begann: ,Entronnen den dumpfen Hörsälen abstracter Idealisten, welche ihren gläubigen Jüngern hohle Wortgespinste statt reeller Kenntnisse darbieten’ u.s.w.” {Die Wohnungen Fichte’s in Berlin. Von LH. Fichte. \n\ Johann Gottlieb Fichte. Lichtstrahlen aus seinen Werken und Briefen. Von Eduard Fichte. Leipzig 1863.102/03.) - Die Stelle in¥^otzeb-aes Erinnerungen von einer Reise aus Liefland nach Rom und Neapel lautet: „Unsere philosophischen Väter hatten höchstens Wolf und Leibnitz; wir aber erfreuen uns ganzer Schaaren von großen Geistern, die uns der Welt Räthsel lösen, und, wie die geistreiche Frau von Stael einst in meiner Gegenwart sagte, dem drolligen Lügner Münchhausen gleichen, der, als er einen breiten Graben nicht überspringen konnte, sich selbst beim Zopf faßte und sich hinüber schleuderte. Wir genießen dabei das Vergnügen, aus der heutigen Ewigkeit eines Systems in die morgende Ewigkeit eines andern überzuspringen” (Bd 1. Iff). — Eine weitere Äußerung Kotzebues über Fichtes Darstellung der Wissenschaftslehre berichten die Hamburger Nordischen Miszellen. Bd 1 (1804), Nr 20,307/08. Ihr Korrespondent „V.” [wohl Varnhagen von Ense] meldet „aus Berlin”: „Fichte hat vor kurzem seinen Cursus geschlossen und sogleich einen neuen angefangen. Diese Vorlesungen haben eine ausserordentliche Sensation gemacht, nicht nur daß unter den angesehenen Zuhörern die ersten Staatsmärmer waren, sondern auch in Rücksicht des inneren Gewinnes sind bedeutende Köpfe in eine große Gährung gebracht, die gewiß für das mächtige Fortstreben guten Erfolg bringt. Es ist wohl nicht anders möglich, als daß unter einer gewissen Anzahl von Zuhörern auch solche sind, die eigentlich
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Schließlich erfahren wir von KOHLRAUSCH“^^ auch etwas über den Verlauf der FiCHTESchen Konversatorien ,am Sonntag Mittag’, ,zu welchem sich die eifrigsten unter seinen jüngeren Zuhörern einfanden und [er] namentlich nie fehlte’. Er berichtet: ’[FICHTE] ließ sich Fragen über dasjenige, was der einzelne vielleicht nicht recht verstanden hatte, vorlegen, hörte selbst gern dahin nicht gehören; so würde es schwer seyn, einen vernünftigen Grund zu finden, warum der Herr von Kotzebue diese Stunden besucht hat. Mit welchem Nutzen er sie gehört hat, 'zeigt wenigstens seine Aeußerung in einer Damengesellschaft, daß zwar alles, was Fichte sage, recht hübsch und einleuchtend sey, aber einem Manne wie Er, der an dreitausend Systeme im Kopfe trage, könne man so leicht nichts weiß machen! Was aber Fichte’s Vorlesungen charakterisirt, ist die Herzlichkeit und Innigkeit, mit der er in und durch seine Vorlesungen ein Häuflein kräftiger Freunde um sich her versammelt, die ganz von der Masse der Andern abgesondert stehn, und die es sehr übel nehmen würden, wenn sie den Berlinern und Berlin mehr als den freien Genuß des Sonnenlichts und des Wassers zu danken hätten. (Anmerkung: Eigene Aeußerung von Fichte.)” - Ein weiterer Vorfall während der ersten Berliner öffentlichen Vorlesungen, wahrscheinlich während der ersten Vorlesung der Wissenschaftslehre, wird ebenfalls von Kohlrausch und von Imm. Herrn. Fichte berichtet. Kohlrausch schreibt: „Als ich mit einigen Freunden den Graben entlang zur Vorlesung ging, sahen wir an demselben, Fichte’s Wohnung gegenüber, einen Zusammenlauf von Menschen und gleich darauf ihn selbst, von Wasser triefend, einen Knaben auf dem Arme tragend, auf einer Treppe aus dem Graben heraufsteigen. Er hatte aus seinem Fenster den Knaben in’s Wasser fallen sehen, war hinuntergeeilt und hatte ihn herausgezogen, indem er freilich selbst bis an die Brust unter das Wasser kam. Der Knabe war ohne Besinnung, Fichte trug ihn in ein Zimmer seiner Wohnung und bat einen seiner Zuhörer, den Arzt Dr. Meyer, (Mann der nachherigen berühmten Künstlerin in Antiken Stellungen, HändelSchütz) der in diesem Augenblicke in’s Haus kam, sich der Wiederbelebung des Knaben anzunehmen, ging auf sein Zimmer, zog sich um und trat dann in die Versammlung, welche die Nachricht erwartete, daß der Herr Professor heute nicht lesen werde, und hielt seinen Vortrag mit der ruhigsten und gesammeltsten Haltung. — Daß der Knabe indes wieder zu sich gekommen sei, hatte Dr. Meyer schon gemeiAet” (Erinnerungen aus meinem Leben, 68). - Imm. Herrn. Fichte erinnert den Vorfall (z. T. nach einem Bericht Ludens) wie folgt: „Fichte’s Wohnung auf der Neuen Promenade [cf. Commendantenstr. 9, im 3. Stock, im Hause des Kaufrhanns Karl Fr. Schiebeier] hatte eine Baumallee sich gegenüber, hinter welcher ein tiefer Seitengraben der Spree sich dahinzieht. In dieser Allee pflegte sein Knabe wol mit Nachbarkindem zu verkehren. Eines Nachmittags, als seine Zuhörer sich versammelten und er eben das Katheder besteigen wollte, wird ihm die Nachricht gebracht, ein Knabe sei in jenem Graben ertrunken, und sein eigenes Kind, das man dort spielen gesehen, werde vermißt. Er eilt, von seinem treuen Freunde Bernhard! begleitet, zur Stelle, und beide ziehen den schon Entseelten aus dem Wasser, dessen lange blonde Haare denen des eigenen Kindes glichen. Doch zeigte der erste gewaltige Schreck sich unbegründet; es war ein anderes Kind, welchem die beiden Männer indeß die eifrigste Hülfe der Wiederbelebung zuwandten, während die Zuhörerschaft sie umstand. Fichte aber — so erzählte Luden noch bewundernd -, wiewol er in wenigen Augenblicken die stärksten Affecte des Schreckens und der Freude erfahren hatte, wollte seine Vorlesung keineswegs aufgeben, sondern bestieg, nachdem er sich umgekleidet und gereinigt hatte, völlig gefaßt das Katheder, um in gewohntem freien Vortrage die schwierige philosophische Gedankenreihe fortzusetzen.” (Die Wohnungen Fichte’s in Berlin, 102.) Erinnerungen, 68 f.
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eine längere Auseinandersetzung des Zuhörers über die Art, wie derselbe das Vorgetragene aufgefaßt hatte, und wiederholte oft den Zusammenhang des in der Woche Vorgekommenen in kurzen und schlagenden Säthat auch eine Zeittafel der Ersten Vorlesung der Wissenschaftslehre im Jahre 1804 erstellt: GLIWITZKY
1. Vortrag 2.
3. Convers. 4. Vortrag 5. 6.
Convers. 7. Vortrag 8.
9. Convers. 10. Vortrag 11. 12.
Di Do Sa So Di Do Sa So Di Do Sa So Di Do Sa So Di Do Sa
17.1. 19.1. 21.1. 22.1.
24.1. (Mo 23.?) 26.1. 28.1. 29.1. 31.1. 2.2. 4.2. 5.2. 7.2. 9.2. 11.2.
Convers. 12.2. 13. Vortrag 14.2. 14. 16.2. 15. 18.2. Kein C. 16. Vortrag Di 21.2. 17. Do 23.2. Sa 25.2. 18. Kein C.
Di Do Sa Convers. So Vortrag Di Do Sa Kein Hinweis Vortrag Di Do Sa Convers. So Vortrag Di Do Sa Kein C. Di Vortrag Do
19. Vortrag 20. 21.
22. 23.
24. 25. 26. 27. 28. 29.
30.
28.2. 1.3. 3.3. 4.3. 6.3. 8.3. 10.3. aufs Convers. 13.3. 15.3. 17.3. 18.3. 20.3. 22.3. 24.3. 27.3. 29.3.
Der Fränkischen Staats- und Gelehrten Zeitung vom 22. Febr. 1804 zufolge las FICHTE „von 5 bis 61/2 Uhr”, d.i. von 17 bis 18,30 Uhr.^** Nach KOHLRAUSCH fanden die Conversatorien „am Sonntag Mittag” statt.^* Die zweite Vorlesung der Wissenschaftslehre im Jahre 1804 war zugleich als Wiederholung der ersten gedacht®^, deren Schwierigkeitsgrad FICHTE nicht verkannte. Sie fand vom 16. April bis zum 8. Juni 1804 statt Erste Wissenschaftslehre von 1804. Vorbericht des Herausgebers. XXIII-XXVIII. Litercuische Miscellen. Nr 31, 124. Erinnerungen. 68. Die Verweise auf die erste Vorlesung in der zweiten bei Gliwitzky {Erste Wissenschaftslehre von 1804) vollständig: Hamburg 1975. 190-193.
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
29
und bestand aus 28 einzelnen Vorlesungen. FICHTE las jeweils am Montag (bzw. Dienstag), Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Das Conversatorium scheint auf den Sonntag Mittag gefallen zu sein. FICHTE hatte nach Ostern zwei Wochen Pause zwischen der ersten und zweiten Vorlesung eingelegt.*’^^ Eine Ankündigung dieser zweiten Vorlesung mit einer Liste der Einzuladenden ist im J. G. FICHTE Nachlaß der Deutschen Staatsbibliothek (Ms. VI,1 Varia 3) erhalten. Sie lautet: 2. Auf Aufforderung mehrerer, welche verhindert wurden, meinen Vorträgen der W.L. beizuwohnen, erbiete ich mich dieselben, in einer anderen, u. wie ich hoffe, noch klarem Form zu wiederholen. Ich lasse den Theilnehmem die Wahl unter den Stunden von 12. bis 6., und unter allen Tagen, in Rüksicht des leztem nur mit dem Wunsche, daß wenigstens 4. Tage wöchentlich dafür bestimmt werden möchten. Die Theilnehmer haben die Güte in Heim SANDERS Buchhandlung, welcher die Besorgung übernommen hat, sich zu melden, und über Stunden u. Tage sich zu vereinigen, also, daß in der ersten oder wenigstens zweiten Woche des nächsten Monats die Vorträge eröfnet werden könnten. Das Honorar ist für neue Theilnehmer 2. für wiederholende 1. Frdor. — . FICHTE. Einzuladende [Zur Sache] ZELTER U. Frau VoiTus u. Tochter Minister SCHRöTTER U. Tochter Minister HARDENBERG Min. STRUENSEE, U. Tochter u. Gouvernante HUFELAND, m. Frau u. Schwägerin BEYME nebst Frau LOMBARD nebst Frau SCHLEGEL BERNHARDI LEVY,
nebst Frau.
Md. HERZ REIMER nebst Frau u. Schwägerin SANDER nebst Frau Graf HAUGWITZ DARBES WOLTMANN
Vgl. hierzu und zum folgenden Die Wissenschaftslehre. Zweiter Vortrag im Jahre 1804vom 16. April bis 8. Juni. Einleitung von R. Lauth. XVII f.
30
REINHARD LAUTH
Außer dieser Ankündigung FICHTES samt Liste der Einzuladenden existiert in der St. u. L. Bibliothek Dortmund noch ein Hörerverzeichnis, von der Hand — wie ein Vergleich ergibt — ALTENSTEINS: 3.
Prof. FICHTE Vorlesung übCT ^e_Wißms£haft^Lehre Angefangen den 16 ‘ Aprl. 1804
Mit Zuhörern Dr. MEYER Dr. PFIESTER Geh. F.R. CLEWITZ Ref. SCHULZ Dr. STOLL DELLBRüK
H: MEYER Stud. Cab. [Notats] MAYER. Mehr andere Die Vorlesung selbst Cassirt.
Geh v
LAUER
ZELTER BERNHARDI [GüNLING]
Aßistenz Rath LETTOW VON Voss - von Schönhaussen Dr. BISCHOF Hofmedicus aus [Mollny] Liefländer DECKER GERSTENBERG
Die aufgeführten Personen nebst den aus anderen Quellen festzustellenden sicheren Hörem dieser Vorlesung sind: ALTENSTEIN, KARL FRANZ SIG MUND FREIHERR VON STEIN ZUM, 1770-1840. - BERNHARDI, AUGUST FERDINAND, 1769-f820; Professor am Werderschen Gymnasium. - BISCHOF (BISCHöFE), CHRISTIAN HEINRICH ERNST, 1781-1861; rriediz. Assistent bei Prof. CHR. W. HUFELAND. — CLEWITZ, WILHELM ANTON VON, 1760-1838; Geheimer Finanzrat. — DECKER; ein Liefländer. — DELBRüCK (DELLBRüCK), JOHANN FRIEDRICH FERDINAND, 1772-1848; Erzieher der Söhne König ERIEDRICH WILHELMS III. FICHTE, MARIE JOHANNE, 1755-1819; FICHTES Gattin. — GERLACH, KARL FRIE DRiCH LEOPOLD VON, 1757-1813; Geh. Oberfinanz-, Kriegs- und Domänenrat, Chefpräsident der kurmärkischen Kriegs- u. Domänenkammer.^'^ Zu von Gerlach vgl. Sembdner, Helmut: Schütz-Laarimas. Berlin 1974. 14/15; Der Königlich Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer „gehörten später [sc. nach 1798] für kurze oder längere Zeit auch [cf. außer Christian Wilhelm Schütz] Adam Müller, Karl Wilhelm Solger und Friedrich von Raumer an. Chefpräsident der Kammer war Karl Friedrich Leopold von Gerlach (1757-1813), jener erzkonservative Patriot, dessen vier Söhne Wilhelm, Leopold, Ludwig und Otto später in den Kreisen der Berliner Romantik und der märkischen Erweckungsbewegung eine Rolle spielen sollten. Gerlachs Kammer hatte damals mit der Säkularisierung der Klöster zu tun, besonders in den an Preußen gefallenen polnischen Gebieten. Die Klöster sollten verkauft oder verpfändet werden, was Gerlach insgeheim abzuwenden oder abzumildem suchte.”
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
31
1737-1823; Dichter. — [GüNLING] •— LAUER, VON; Geh. — LETTOW, WILHELM HEINRICH, gest. 1826; Assistenzrat im Departement des Kammergerichts. — MAYER (MAIER), JOHANN SIEGFRIED WILHELM, 1747-1819; Geh. Obertribunalrat; Schwiegervater des Dichters JEAN PAUL. — MEYER, HEINRICH, 1767-1828; Doktor der Medizin; zweiter Mann der Schauspielerin HENRIETTE VON HENDEL-SCHüTZ, geb. UNZELMANN. — MEYER, H.; Student [wahrscheinlich: MORITZ, 1775-1846, der Bruder der RAHEL LEWIN]. — PFIESTER; Dr. — SCHULZ (SCHULTZ), CHRISTOPH LUDWIG FRIEDRICH, 1781-1853; Referendar; Bekannter RäUMERS und SOLGERS. - STOLL, JOSEPH LUDWIG, 1778-1815; Dr.; Schriftsteller. — Voss [wahrscheinlich OTTO KARL FRIEDRICH Freiherr VON, 1755-1823; dir. Minister beim GeneralOberfinanz-, Kriegs- und Domänendirektorium; oder sonst dessen Sohn: Graf AUGUST ERNST VON VOSS, 1779-1832, Schwiegersohn der FICHTE bekannten Frau VON BERG]. — ZELTER, KARL FRIEDRICH. FICHTE las nach einem in der Oberdeutschen allgemeinen LitteraturZeitung veröffentlichten Bericht vom 5. Juni 1804^'^ vom Januar bis März „vor etlichen und vierzig Zuhörern”*’®; am 26. Juli berichtete dieselbe Zeitschrift von „eben so viele [n] als ansehnliche [n] Zuhörer[n]” in der 2. Vorlesung. Es müssen also wohl mehr als die hier aufgeführten und als gesichert gelten könnenden Personen gewesen sein. Zunächst ist anzunehmen, daß vor allem die jüngeren und intensiv um das Verständnis der Wissenschaftslehre bemühten Hörer der 1. Vorlesung an der Wiederholung teilnahmen. Nach den Lebenserinnerungen KOHLRAUSCHS müßten dies gewesen sein: ABEKEN, BERNHARD RUDOLF. — KESSGERSTENBERG, HEINRICH WILHELM VON,
LER, GEORG WILHELM. — KOHLRAUSCH, HEINRICH FRIEDRICH THEODOR. — LUDEN, HEINRICH.®^ — VARNHAGEN VON ENSE, KARL AUGUST.
Außerdem können von den Teilnehmern der 1. Vorlesung noch folgende auch Hörer der 2. Vorlesung gewesen sein: ANCILLON, JEAN PIERRE FREDE “ Nr 31. Coli. 1071-1072. „Den 17. Jan. hat Fichte zu Berlin die mündlichen Mittheilungen seiner Philosophie, von denen er sich viel mehr Wirkung verspricht und versprechen darf als von schriftlichen, vor etlichen und vierzig Zuhörern, meist ausgezeichneten Männern angefangen. Die Geh. Kabinetsräthe von Beyme und Lombard, der Instruktor des Kronprinzen, Delbrück, der königl. Leibarzt Ftufelandetc. sind unter denselben. Kotzebue hört neben A. W. SchtegelunA Bemhardi etc. wöchentlich drey Mahl”. - Zum folgenden: NrLXXXVIII. Col. 176: „Hr. Proi. Fichte hält dieses Jahr auch im Sommer Vorlesungen über die ganzneu bearbeitete Wissenschaftslehre, die nach seiner eigenen Versicherung gegen den Schreiber dieses nie gedruckt werden wird. Eben so viele als ansehnliche Zuhörer, worunter sich auch Kurländer befinden, besuchen dieselben.” Vgl. Luden, Fleinrich: Rückblicke in Jena 1847.26: „Überhaupt bin ich in Berlin nur Fichte’s Zuhörer gewesen, und auch nur in den wissenschaftlichen Vorträgen, nicht in den populären.”
32
REINHARD LAUTH
von F. eingeladen. — ERMAN, PAUL. — HUFEvon F. eingeladen. — LOMBARD, JOHANN WILHELM;
Ric. — BEYME, KARL FRIEDRICH VON; LAND, CHRISTOPH WILHELM;
von F. eingeladen. Schließlich kommen nach den verschiedenen Quellen noch folgende Personen als Hörer in Betracht: BEGUELIN, FRANZ HEINRICH WILHELM VON, 1765-1818; Geh. Oberfinanzrat. — BEYME, CHARLOTTE ERNESTINE, geh. MEYER, gest. 1821, Erau des KARL FR. V. BEYME; von F. eingeladen. — BRINKMAN, CARL GUSTAF, 1764-1847; schwedischer Charge d’affaires. — BURGSDORF [wahrscheinlich: WILHELM Baron VON, 1772-1822; Kammerreferendar; Freund RAHEL LEWINS] . — DABRES,JOHANN FRIEDRICH AUGUST, 1747-1810; Portraitmaler; von F. eingeladen. — HARDENBERG, KARL AUGUST Freiherr VON, 1750-1822; Geh. Etats-, Kriegs- und Kabinettsminister; von F. eingeladen. — HAUGWITZ, CHRISTIAN HEINRICH KURT, Graf VON, 1752-1831; Geh. Staats-, Kriegs- und Kabinettsminister; von F. eingeladen. — HERZ, HENRIETTE, geb. DE LEMOS, 1764-1847; von F. eingeladen. — HUFELAND, JULIANE, geb. AMELUNG, 1771-1845, Frau des CHR. W. HUFELAND; von F. eingeladen. HUFELAND, Frau des Prof. d. Medizin FRIEDRICH HUFELAND, Schwägerin von CHR. W. HUFELAND; von F. eingeladen. — KNOBLOCH, CH. VON, geb. SCHRöTTER; Tochter des Ministers; von F. eingeladen. — LEVY, SALOMON MOSES; Bankier; von F. eingeladen. — LEVY, Frau des SAL. MOSES; von F. eingeladen. — LIPPESTERNBERG UND SCHWALENBERG-WEISSENFELS, LUDWIG ALEXANDER BERNHARD Graf zur, 1776-1939. - LOMBARD, DOROTHEA, geb. GILLY, geb. 1767, Frau des JOH. W. LOMBARD; von F. eingeladen. — METGER, FRIEDRICH SEVERIN. — NAGLER, KARL FERDINAND FRIEDRICH, 1770-1846; Geh. Legationsrat [1809 Geh. Staatsrat u. Direktor der 2. Sektion des Kabinettsministeriums; 1836 Staatsminister]; Schwager ALTENSTEINS. — REIMER, GEORG ANDREAS, 1776 bis 1842; Buchhändler; von F. eingeladen. — REIMER, WILHELMINE, geb. REINHARDT, ca. 1784-1864; Frau des GEORG A. REIMER; von F. eingeladen. — REINHARDT, LUDOVICA; die Schwägerin REIMERS; von F. eingeladen. — REUSS, Fürst HEINRICH (XLIV.), 1753-1832; königl. Kammerherr. - ROBERT, LUD wiG (LOUIS), 1778-1832; Bruder der RAHEL LEWIN. — SANDER, JOHANN DAVID, 1759-1825; Buchhändler; von F. eingeladen. — SANDER, SOPHIE FRIEDERIKE HENRIETTE, geb. DIEDERICHS, 1768-1828; Frau des JOH. DAVID SANDER; von F. eingeladen. — SCHLEGEL, AUGUST WILHELM; von F. eingeladen^^. — SCHRöTTER, FRIEDRICH LEOPOLD VON, 1743-1815; Geh. Etats- und Kriegsrat, Vizepräsident und dirigierender Minister bei dem General-Oberfinanz-, Kriegstmd^ Domänendirektorium; von F. eingeladen. — SCHüTZ, CHRISTIAN WILA.W. Schlegel könnte aber nur ganz zu Anfang Hörer gewesen sein, da er Fraii von Stael von Berlin aus auf ihrer Reise begleitete.
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
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1776-1847; Verfasser des Lacrimas. — STRUENSEE VON KARLSBACH, KARL AUGUST, 1735-1804; Geh. Etats- und Kriegsrat, dirigierender Minister bei dem General-Oberfinanz-, Kriegs- und Domänendirektorium; von F. eingeladen. - STRUENSEE, Tochter des KARL AUGUST STRUENSEE [entweder: HENRIETTE, 1779-1832; oder FRIEDERIKE KAROLINE, gest. 1860; oder: MARIA VON SCHüTZE, geb. STRUENSEE VON KARLSBACH, 1787-1858]; von F. eingeladen. — ZELTER, JULIE KAROLINE AUGUSTE, 1767 bis 1806; von F. eingeladen. - ZEUNE, AUGUST, 1778-1853; Geographielehrer am Gymnasium am Grauen Kloster. Es ergibt sich aus den aufgezählten Gruppen ein Kreis von ca. 60 Personen, die Teilnehmer der 2. Vorlesung der Wissenschaftslehre waren bzw. gewesen sein können. Von 19 dieser Personen steht die Teilnahme fest, von den meisten übrigen ist sie sehr wahrscheinlich. 10 davon waren Professoren, Gelehrte oder Studenten, nämlich ABEKEN, ANCILLON, BERNHARDI, DELBRüCK, ERMAN, LUDEN, MEYER, SCHLEGEL, VARNHAGEN VON ENSE und ZEUNE; 10 waren führende Staatsmänner der preußischen Monarchie: ALTEN HELM VON,
STEIN, BEYME, GERLACH, HARDENBERG, HAUGWITZ, LOMBARD, NAGLER, SCHRöTTER,
und Voss; 5 waren Juristen: BURGSDORF, KESSLER, LETTOW, MAYER und SCHULZ; 5 Arzte bzw. Mediziner: BISCHOF, HUFELAND, MEYER, STOLL und VARNHAGEN VON ENSE; 3 Finanzfachleute: ALTENSTEIN, BEGUELIN und CLEWITZ; 1 Pastor: METGER, 1 Bankier: LEVY; 3 Schriftsteller: GERSTENBERG, SCHüTZ und STOLL; 1 bildender Künstler: DARBES, 1 oder 2 Musiker: VOITUS (?) und ZELTER; 1 Gesandter: BRINKMAN; 1 Kammerherr: REUSS; 2 Buchhändler: REI MER und SANDER; 1 Kurländer: DECKER; und schließlich 16 Frauen. Die von mir erstellte Zeittafel der wiederholenden Vorlesungen sieht wie folgt aus: STRUENSEE
1. Vorl. 2. 3. 4.
Mo Mi Do Fr
5. Vorl.
Mo. 23.4. (oder Di 24.4.J
6.
Do 26.4. Fr 27.4.
7. 8. Vorl. 9. 10. 11.
16.4. 18.4. 19.4. 20.4.
Mo 30.4. Mi 2.5. Do 3.5. Fr 4.5.
Convers. 12. Vorl. 13. 14. 15.
So 6.5. Mo 7.5. (oder: Di 8.5.' Mi 9.5. Do 10.5. Fr 11.5.
Convers. So 13.5. 16. Vorl. Di 15.5. 17. Mi 16.5. 18. Do 17.5. 19. Fr 18.5. Convers. 20. Vorl. 21. Convers.
Mo Mi Do Fr
21.5. 23.5. 24.5. 25.5.
34 22. Vorl. 23. 24. 25.
REINHARD LAUTH
Mo 28.5. Mi 30.5. Do 31.5. Fr 1.6.
Convers. So
3.6.
26. Vorl. 27.
Mo Mi
4.6. 6.6.
28.
Fr
8.6.
Die dritte Vorlesung der Wissenschaftslehre im Jahre 1804 begann am 5. November und dauerte bis 31. Dezember. Sie umfaßte 23 einzelne Vorlesungen. Nach FICHTES Absicht sollten die Vorlesungen „Montags, Mittwochs, Freitags, Abends von halb 6-7. Uhr” stattfinden. Ob dies der Fall war, ist unbekannt. Die Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung meldete am 27. Dezember: „Bey dem Vortrage seiner Wissenschaftslehre hat er dieses Mahl einen ganz andern, neuen und sehr interessanten Gang genommen. Auch dabey zählt er viele und sehr ansehnliche Zuhörer, unter denen sie mehrere das zweyte Mahl hören.” Und KARL WILHELM FERDI NAND SOLGER schrieb am 1. Dezember an seinen Bruder FRIEDRICH: „Ich höre jetzt FICHTE’S Collegium über die Wissenschaftslehre mit unendlichem Vergnügen und Vortheil, wie ich hoffe. Wer zusammengenommen, geschult und rastlos durchgearbeitet werden will, der gehe zu ihm. Aber überall zeigt sich seine polemische Natur, wiewohl er sie leugnet; und besonders zieht er über SCHELLING los.” „Das Collegium bei ihm beschäfftigt mich fortdauernd. Ich bewundere seinen streng philosophischen Vortrag, und bedaure fast ihn nicht früher kennen gelernt zu haben. Kein anderer reißt so mit Gewalt den Zuhörer an sich, keiner bringt ihn so ohne alle Schonung in die schärfste Schule des Nachdenkens. Es ist eine wahre Wollust, die beiden größten Männer unserer Zeit in diesem Fache, ihn und SCHELLING, kennen gelernt zu haben und zu vergleichen.”^' Auch von dieser Vorlesung liegt eine Teilnehmerliste von der Hand ALTENSTEINS vor; sie befindet sich im Staatsarchiv Bamberg (Nachlaß v. STEIN ZUM ALTENSTEIN, G. 36). Vgl. Fichtes Brief an Johannes von Müller vom 23.10.1804 [Akad.-Ausg. III. 5. Nr 675.): „D. 23. 8br. 1804. Ohnerachtet ich wohl weiß, daß ich in den Vorträgen [cf. der Charakteristik des Zeitalters], zu denen ich Sie hiedurch einlade, kaum etwas Ihrer Aufmerksamkeit würdiges leisten werde, so habe ich doch für möglich gehalten, daß Sie etwa einmal aus persönlicher Theilnahme eine zu nichts besserm anzuwendende Stunde darin könnten zubringen wollen. Sollte mein zugleich angekündigter Vortrag der Wissenschaftslehre (Montags, Mittwochs, Freitags, Abends von halb 6 - 7. Uhr) Sie interessiren, so erbitte ich mir darüber Ihren Wink, damit Sie die Einladung von mir selber unmittelbarerhalten. Von Herzen ganz der Ihrige Fichte.” Nr CLIV. Coli. 1229-1231. - Die Meldung aus Berlin ist vom 20. November. ^ ^ Vgl. Solger’s nachgelassene Schriften und Briefwechsel AArsg. von L. Tieck und F. von Raumer. Leipzig 1826. Bd 1. 129-134. - Solger war 1802 Hörer Schellings in Jena.
35
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin 4;>ä«
W issenschaftslehre. 1804 im Winter. Das [Honorar] cassirt.
4.b.
Wissenschaftslehre
Mit Zuhörer Stud. MEYER Geh.Sekr. KILLINGER Lieut. V. CHAMISSO Dr. BISCHOFF Prof. SPILKER WOLTERMANN hey den Cadetten
WOLTMANN
HUFE LAND
Geh. R. MAYER V. Voss BERNHARDI DELLBRüCK
Geh rath ZEUNE Gons. Rath aus [ ZELTER LETTOW
Stunde den 5‘ Nov. Beynahe alle Wissenschaften gänzl. nur historisch getrieben ein historisches Leben getrieben, man begnügt sich etwas zu wissen oder zu [. . .]
Es handelt sich um folgende Personen; BERNHARD:, AUGUST FERDINAND. — BISCHOF, CHRISTIAN HEINRICH ERNST. — CHAMISSO, ADALBERT VON (LOUIS CHARLES ADELAIDE DE CHAMISSO DE BONCOURT),
1781-1831; Leutnant in einem Berliner Regiment.
— DELBRüCK, JOHANN
FRIEDRICH FERDINAND.^^ — HUFELAND, CHRISTOPH WILHELM. — KILLINGER, KARL CHRIST GOTTL.;
Geh. exp. Sekretär im Fränkischen Departement des Mini-
sters VON HARDENBERG.
— LETTOW, WILHELM HEINRICH. — MAYER, JOHANN SIEG-
FRIED WILHELM. — MEYER (MORITZ);
[wahrscheinlich:
SPILLEKE, AUGUST
Bruder der RAHEL LEWIN. — SPILKER GOTTLIEB, 1778-1841; Subrektor und
Von Delbrück finden sich folgende Eintragungen in seinem Tagebuch; „28. [Dez.] Freytag . . . Ich . . . machte einen kurzen Spaziergang, aß zu Mittag oben, unterhielt dann den Prz. Wilhelm durch Lectüre und Erzählung. Er saß auf dem Sofa, erwartend den Besuch seiner Geschwister. Er erfolgte nicht, und so ging ich der Vorlesung von Fichte verlustig”. -„31. [Dez.] Montag.. . . Indeß konnte ich dem letzten Vortrag des Prof. Fichte beywohnen”. (In: Die Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und des Kaisers und Königs Wilhelm I. - Tagebuchblätter ihres Erziehers Friedrich Delbrück (1800-1809). Mitgeteilt von Dr. Georg Schuster. Teil 1. Berlin 1907. 200, 202.)
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REINHARD LAUTH
Professor am Gymnasium zum Grauen Kloster]. — Voss [wahrscheinlich: OTTO KARL FRIEDRICH Freiherr VON, 1755-1823; oder: AUGUST ERNST Graf VON, 1779-1832; Sohn des Vorhergehenden und Schwiegersohn der Frau VON BERG] . — WOLTMANN, KARL LUDWIG, 1770-1817; Professor der Geschichte; Resident Hessen-Homburgs in Berlin; Geheimer Rat. - WOLTMANN, Jo HANN GOTTFRIED, 1778-1822; Professor der Philosophie beim Adeligen Kadettencorps. — ZELTER, KARL FRIEDRICH. — ZEUNE, AUGUST. Hierzu kommen noch als Teilnehmer: ALTENSTEIN, KARL FRANZ SIG MUND Freiherr VON STEIN ZUM. — FICHTE, MARIE JOHANNE. — KOHLRAUSCH, HEINRICH FRIEDRICH THEODOR.^^ — SOLGER, KARL WILHELM FERDINAND, 17801819; Referendar [später Professor der Philosophie in Frankfurt a. d. O. und Berlin]. - Wahrscheinliche Hörer waren: LUDEN, HEINRICH. - METGER, FRIEDRICH SEVERIN. — SCHRöTTER, FRIEDRICH LEOPOLD VON. — Eingeladen war: MüLLER, JOHANNES VON.
Das Ms. der Vorlesung Wissenschaftslehre 1804/III ist im J.G.FICHTE Nachlaß der Deutschen Staatsbibliothek (Ms. III,8) bis auf den fehlenden Bogen C. erhalten. Es trägt die Überschrift von FICHTES Hand: „3. Cours der Wissenschaftslehre 1804. (November bis Ende Dezember)”. Insgesamt hielt FICHTE 23 Vorträge. In der letzten Stunde wünscht er den Hörem „einen frölichen Eintritt ins neue Jahr”; sie ist nach dem Weihnachtsfest gelesen worden und zwar am Silvesterabend 1804. Den Hauptunterschied von der I. und II. Vorlesvmg von 1804 gibt FICHTE auf Blatt 3 r mit folgenden Worten an: „Dort den Haupt u Grundgedanken erst allmählich zusammen gesezt, u. zu ihm von anderm Denken erhoben. Hier sogleich, u. unmittelbarer von ihm ausgegangen. Dort synthetisch ... hier späterhin, u bald analytisch. Dort mehr das Gedächtniß, hier Verstand, u Scharfsiim in Anspmch genommen. Von vornherein schwerer; doch hoffe ich durch Ordnung die Schwierigkeit zu mildem.” SOLGERS Angabe trifft zu; in dieser Wissenschaftslehre setzt sich FICHTE ausführlich mit SCHELLING auseinander. Das Intelligenzblatt der Jenaischen Allgem. Literatur-Zeitung Nr 126 hatte im Herbst 1804 gemeldet: 5. Prof. FICHTE in Berlin hat für den bevorstehenden Winter folgende Vorlesungen cingekündigt: 1) Wissenschaftslehre. 2) Gmndprincipien der Lehre vom göttlichen, dem innem und äußern Rechte, (gewöhnl. natürliche Theologie, Moral Vgl. dessen Erinnerungen, 69: „ . . . als ich auch in den folgenden Wintern seine Vorlesungen hörte.” Nr 126. Col. 1052.
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Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
und Rechtslehre genannt.) 3) Ladet er das Publicum ein zu einer populären philosophischen Unterhaltung durch Vorträge, die ein philosophisches Gemählde des gegenwärtigen Zeitalters zu liefern, sich bestreben werden. — Ob Hr. FICHTE zu Ostern k. J. nach Landshut gehe, ist noch nicht entschieden. (A. Br. v. Berlin.)
Die zweite der in dieser Mitteilung angekündigten Vorlesungen, gewöhnlich „Vorlesung über Gottes-, Sitten- und Rechtslehre” genannt, begann erst im Februar 1805. Die „philosophische Charakteristik des Zeitalters” hingegen wurde schon am 4. November 1804 begonnen und dauerte bis zum 17. März 1805.^'^ Von dieser Vorlesung ist im ALXENSTEiN-Nachlaß des Staatsarchivs Bamberg (G 36) eine Einladungskarte von FICHTES Hand erhalten: 6. EinladungsKarte an Heim Geh. FinanzR. v. ALTENSTEIN Zum Vortrage einer philosophischen Charakteristik des Zeitalters, im Winter 1804 - 1805. FICHTE.
Stunde, Sonntags; von halb 12-1 Uhr. Anfang, d. 4. Novembr. Lokale, in der Akademie, im Vorsaale des Sitzungszimmers.
Für die Teilnahme war 1 Louisd’or zu entrichten. Hospitanten zahlten für jede Stunde 1 Reichsthaler.^® Auch von dieser V orlesung liegt ein V erzeichnis von Teilnehmern von Seiten ALTENSTEINS im Nachlaß des Staatsarchivs Bamberg (G 36) vor:
Die Vorlesung am 20. Januar 1805 fiel wegen „Unpässlichkeit” aus. (Vgl. die Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen. 19. Jan. 1805.) Vgl. Fränkische Staats- und Gelehrte Zeitung. Nr 186,20.11.1804.760: „Herr Fichte in Berlin hält jetzt philosophische Vorlesungen zur Karakteristik unsers Zeitalters täglich von halb 12 bis 1 Uhr für 1 Louisd’or, die Hospitanten bezahlen für jede Vorlesung 1 Rthlr.”
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REINHARD LAUTH
7, Philosophische Charakteristik des Zeitalters Angefangen den Geschlossen den 17‘ Merz 1805. Inhalt der Aufzeichnung [verbrannt] Vorlesung eine philosophische Charakteristik des [Zeitalters betreffend]
Mitglieder Kaiserl. Gesandter METTERNICH Dänischer Gesandter BAUDISSIN Geh.R. MAYER Geh.R. HUFELAND
Damen
—
CLEWITZ
—
ROSENSTIEL
Frau V. KNOBLOCH Geh.Rin MAYER Mlle KLEIN Prof. FICHTE Frau V. KALB U Tochter Mlle MAYER
Prof.
BERNHARDI
[HERZ] [ . . . ]
DELLBRüCK
Mlle
NAGLER
[WOLFSGRATZ?]
PFIESTER KILLINGER SCHöN WOLTMANN
Graf DOHNA junge GOLDBECK
Assistenzrath
LETTOW
Dr. BISCHOFF HEINZ AUGUST [. . .]
Kapellmeister REICHARD Hannoversch Gesandter OMPTEDA HIMMEL
Prof. SPILKER G. V. [GLOSSE] Prof. KLAPROTH Prof. HERMBSTäDT Geh. [R] GERHARDT JOHANNES MüLLER
VoiTUS
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
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Zu den Aufgeführten kommen noch als sicher feststellbare Hörer dieser Vorlesung, v. STEIN, ALTENSTEIN selbst, BRINKMAN, ERMAN, SPALDING jun., Frau V. BERG und RAKEL LEWIN. Die aufgeführten Personen sind in alphabetischer Reihenfolge: ALTEN STEIN^^, KARL FRANZ SIGMUND Freiherr VOM STEIN ZUM. — PRINZ FRIEDRICH WILHELM HEINRICH AUGUST VON PREUSSEN, 1779-1843. - BAUDISSIN, KARL LUDWIG
Graf VON, 1756-1814; Envoye extraordinaire und Ministre plenipotentiaire Dänemarks. — BAUDISSIN^® , WOLF HEINRICH Graf VON, 1789-1878. — BERG, KAROLINE FRIEDERIKE VON, geb. v. HäSELER, 1760-1826; Freundin der Königin LOUISE. — BERNHARDI, AUGUST FERDINAND. — BISCHOF, CHRISTIAN HEINRICH ERNST. — BRINKMAN^®, CARL GUSTAF. — GLOSSE [wahrscheinlich; KLOSS, KARL SAMUEL LUDWIG; Geh. Kanzellist im Südpreußischen Departement]. — CLE WITZ, WILHELM ANTON VON. — DELBRüCK^® JOHANN FRIEDRICH FERDINAND. — DOH-
NA, FRIEDRICH FERDINAND ALEXANDER,
Graf VON D. zu SCHLOBITTEN,
1771-1832.
ERMAN, PAUL^I . — FICHTE, MARIE JOHANNE. — GERHARDT (GERHARD), KARL ABRA-
Die Zutrittskarte für v. Stein z. Altenstein wurde im Januar 19,52 von J.A. Stargardt zum Verkauf angeboten (Nr 501, S. 17 des Katalogs). Auf derselben stand: „Zutritts Karte für Herrn Geh. O.F.R. v. Altenstein zum Vortrage der Wissenschaftslehre im Spätjahre 1804 Fichte”. Vgl. Kohlrausch: Erinnerungen. 70: „auch eine Anzahl von Frauen waren darunter, unter welchen ich nur die bekannte Rahel, nachherige Frau von Vamhagen, und die Freundin Schleiermachers, Madame Herz, nennen will. Auch meinen ältesten Zögling Wolf [cf. Baudissin] nahm ich mit in diese populären Vorlesungen und sah mit Vergnügen den Eindruck, den sie auf ihn machten.” Vgl. Brinkman anjacobi, Brief v. 8. Dez. 1804: „. . . wenn Sie erfahren, daß ich diesen Winter mit großem Vergnügen ein Kollegium bei Fichte höre, so dürfte ich Ihnen wohl wieder verdächtig werden. In diesen Vorlesungen ist übrigens von den Wissenschaften nicht die Rede. Es sind ,Vorträge einer filosofischen Ansicht des gegenwärtigen Zeitalters’ für ein gemischtes Publikum von Damen, Gesandten, Offiziers, Filosofen, Juden und Christen. Unsre Frau v. Berg ist ganz entzückt davon.. . . die Prinzessin Ferdinand [die Frau des Prinzen Ferdinand, Bruders Friedrichs II.] die einige Skrupel darüber hatte, daß ihr jüngster Sohn [cf. Prinz August von Preußen] dieses Kollegium mit an - sieht, fragte mich neulich ,ob F. doch nicht eigentlich ein förmlicher Deist sei?’ - Ich antwortete ihr mit gutem Gewissen: ,daß dieser Vorwurf dem F. nicht einmal von seinen entschiedensten filosofischen Widersachern gemacht worden sei’ - und damit schien sie beruhigt. Übrigens sollten Sie nur hören, mit welcher Salbung in seinen Vorlesungen die Religion und das Christentum gepriesen wird. Das skandalisirt wieder die aufgeklärten Naturalisten, wie unsem Freund Spalding, der nichts für Religion gelten läßt was über oder unter den künstlichen Gefrierpunkt auf der von seinem Vater so geschmackvoll verzeichneten Skala steht.” (Vgl. Fichte in vertraulichen Briefen. 202.) Tagebucheintragungen Delbrücks: „4. [Nov.] Sonntag. . . Fichte fing seine Vorlesung an.” - „11. [Nov.] Sonntag. . . Von 12-1 Uhr, während ich bey Fichte war”. Fichte schrieb am 23. Oktober 1804 an Erman: „Der Eifer, den Sie vorigen Winter wissenschaftlichen Bestrebungen bezeugt, entschuldige mich, daß ich Ihnen beiliegende Einladung zu populärem wissenschaftlichen Vorträgen zusende. Hätten Sie wohl noch über dies die Güte, den übrigen auf den andern Einladungen [cf die Fichte mitsandte] benann-
40 HAM,
REINHARD LAUTH
1738-1821; Mineraloge; Geheimer Rat beim Bergwerks- und Salzde-
partement. — GOLDBECK [wahrscheinlich Sohn des HEINRICH JULIUS VON GOLDBECK, Großkanzler des Königreichs Preußen und aller königl. Provinzen, wirkl. Geh. Etats-und Justizminister]. — HERMBSTäDT, SIEGMUND FRIEDRICH, 1760-1833; Dr., Obermedizinal- und Sanitätsrat, Prof, beim Coli. Medico-Chirurgicum der Königl. Akademie der Wissenschaften. - HERZ, HENRIETTE. - HIMMEL, FRIEDRICH HEINRICH, 1765-1814; Kgl. preuß. Kapellmeister. — HUFELAND, CHRISTOPH WILHELM. — KALB, CHARLOTTE VON. — KALB, AMALIE REZIA ELEONORE ADELAIDE (EDDA) VON, 1790-1874; Tochter der Vorhergehenden. - KILLINGER, KARL CHRIST. GOTTL. — KLAPROTH, MARTIN HEINRICH, 1743-1817; Obermedizinal- und Sanitätsrat; Professor der Chemie bei der Königl. Feldartillerie-Akademie. - KLEIN [möglicherweise die Tochter des Obertribunalrat ERNST FERDINAND K.]. — KNOBLOCH, CH. VON. — KOHLRAUSCH, HEINRICH FRIEDRICH THEODOR. — LETTOW, WILHELM HEINRICH. — LEWIN, RAHEL,
1771-1833.
— MAYER, JOHANN SIEGFRIED WILHELM. — MAYER, JU-
geb. CESAR; Frau des JOH. SIEGER. WILHELM MAYER. — MAYER; Tochter des J. S. WILHELM MAYER. — METTERNICH WINNEBURG, JOSEPH Graf VON, 1774-1830; und dessen Bruder CLEMENS VON METTERNICH, 1773-1859; Envoye extraordinaire et Ministre plenipotentiaire des Römisch-Kaiserlichen Hofes.^^ — MüLLER, JOHANNES VON, 1752-1809; Professor der Geschichte. — NAGLER, KARL FERDINAND FRIEDRICH. — OMPTEDA, LUDWIG KARL GEORG VON, 1767-1854; Königl. Großbritarmischer u. Kurfürstl. Braunschweig-Lüneburgischer Envoye extraordinaire et Ministre plenipotentiaire. — PFIESTER, Dr. — REICHARDT (REICHARD), JOHANN FRIEDRICH, 1751-1814; Kapellmeister. - ROSENSTIEL, FRIEDRICH PHILLIPP, 1754-1832; Geheimer Rat beim Bergwerks-, Hütten und Münzdepartement. — SCHöN, HEINRICH THEODOR VON, 1773-1856; Geheimer Rat beim Altpreußischen DeparteLIE HENRIETTE,
ten Herren, deren Wohnungen Sie ohne Zweifel wissen, und die insgesamt Ihre Bekannte und Freunde sind, [die Mitteilung] nebst meinen besten Entschuldigungen zu übergeben.” {Akad.-Ausg. III. 5. Nr 676.) Friedrich von Gentz schrieb deswegen aufgeregt an Brinkman; „Nächstens aber erhalten Sie einen eignen S trafbrief über das heillose Projekt, ein Kollegium bei Fichte zu hören und Graf Metternich dazu zu verführen.” (Vgl. Briefe von und an Friedrich von Gentz. Hrsg. V. Friedrich Carl Wittichen. München und Berlin 1910. Bd 2. 246). — Joseph Metternich war zur damaligen Zeit zu Besuch bei seinem Bruder Clemens, dem Kaiserl. Gesandten, in Berlin. Brinkman hat wohl von Joseph Metternich als Fichte-Hörer an Gentz geschrieben. Aber Altenstein verzeichnet unter den Hörem: „Kaiserl. Gesandter Metternich”, und das ist Clemens Metternich. Es ist nicht anzunehmen, daß Altenstein als Geheimer Oberfinanzrat im Generaldirektorium die Personen verwechselt hat. Man muß also schließen, daß auch Clemens Metternich, 1773-1859, Hörer Fichtes Wcu.
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Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
ment. — SOLGER, KARL WILHELM FERDINAND.^^ — SPALDING®^, GEORG LUDWIG, 1762-1811; Professor am Gymnasium zum Grauen Kloster. - SPILLEKE (SPILKER), AUGUST GOTTLIEB. — VOITUS, Frl. — WOLFSGRATZ. — WOLTMANN, KARL LUDWIG.
Hörer dieser Vorlesung könnten ferner gewesen sein: PETER FRIEDRICH. -
ANCILLON, JOHANN
LEVY, SALOMON MOSES. - LIPPE, ALEXANDER BERNHARD
ZUR. - LOMBARD, JOHANN WILHELM. - METGER, FRIEDRICH SEVERIN. — REIMER, GEORG ANDREAS. — REUSS, HEINRICH. — ROBERT, LUDWIG. — SANDER, JOHANN DAVID. —
SCHüTZ, CHRISTIAN WILHELM VON. — STERNBERG, LUDWIG. —
ZEL-
TER, KARL FRIEDRICH. — ZEUNE, AUGUST.
schreibt in seinen Erinnerungen aus meinem Leben von diesen Vorlesungen: „Er hatte sie vollständig ausgearbeitet und las aus seinem Hefte vor. Es war eine Art des Vortrages, eine rednerische, in ihrer Art auch ausdrucksvoll und anziehend, doch für den Zuhörer von seinen streng philosophischen Entwicklungen nicht so spannend als diese, in denen sich seine ganze Natur abspiegelte. Die Teilnahme war viel ausgedehnter und die Zahl seiner Zuhörer größer als in den philosophischen Kollegien; auch eine Anzahl von Frauen waren darunter”.*^ Nach einem Bericht aus Berlin vom 20. Nov. in der Oberdeutschen allgemeinen Litteraturzeitung vom 27. Dez. wurde die Vorlesung „von 138 Zuhörern besucht”.^® Frau FICHTE schrieb am 25. Febr. an JOHANN HEINRICH RAHN in Zürich: „mein Mann ... hat diesen Winter, im hiesigen Accademischensaale alle Sontage, vor einem großen Auditorium, von 140: Menschen, worunter ein preußischer Prinz, mehrere fremde Gesandten, viel Adel, Gelehrte, und KOHLRAUSCH
Solger schreibt in dem schon erwähnten Brief vom ca. 1. Dez. 1804 an seinen Bruder Friedrich: „Deine Invective auf das Zeitalter gefällt mir ausnehmend. Denn ich sage es nicht blos Fichte’n nach, sondern meine es selbst, daß jeder honette Mensch mit seinem Zeitalter unzufrieden seyn muß, und vollends mit diesem!” Vgl. Spalding an Schleiermacher, Brief v. 24. Nov. 1804: „Ich höre jetzt, seit drei Sonntagen, durch eine Einladungskarte auf meinen Namen veranlaßt, Fichtes philos. Ansicht des Zeitalters. Ich wundere mich, ob ich morgen schon aufhören werde zu hören. Wenn nicht morgen, doch bald, das weiß ich. Ein sanfter, aber ein guter: Ferd. Delbrück (auf Verschwiegenheit rechne ich) sagte beim letzten Herausgehen: so ist es, wenn populär gemein; wenn nicht gemein unverständlich.” (Vgl. Aus Schkiermacher’s Leben. In Briefen. Hrsg, von W. Dilthey. Bd 4. Berlin 1863. 106-107) - Vgl. auch Anm. 76. Erinnerungen, 69/70. O.L.Z., Nr CLIV, Col.-1229-1231: „Berlin, den 20. Nov. . . Hr. P. Fichte,der wahrscheinlich nächstens auf eine vortheilhafte Art in Rußland engagirt werden wird, hält in diesem Winter auch Vorlesungen über eine philosophische Charakteristik des gegenwärtigen Zeitalters, die von 138 Zuhörern besucht werden, worunter sich drey fremde Minister und Gesandte; die ansehnlichsten Personen und auch Damen befinden. Die Vorlesungen werden immer Sonntags von ^/4 auf 12 Uhr bis 1 Uhr gehalten.”
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REINHARD LAUTH
Profeßoren waren, mit vielem Beyfall [Vorträge] gehalten, und Kenner halten ihn für den ersten deutschen Redner.”^'Die angegebenen Zahlen von 138 bzw. (wohl abgerundet) 140 Teilnehmern beweisen jedenfalls, daß der Hörerkreis bei weitem umfangreicher war als der auf ALTENSTEINS Liste verzeichnete Personenkreis.*^^ FICHTE hatte sich übrigens an Minister VON HARDENBERG im Oktober 1804 mit der Bitte um Überlassung eines Saales der Kunstakademie gewandt. Da dort aber eine Kunstausstellung war, riet ihm VON HARDENBERG, sich mit demselben Anliegen an die Akademie der Wissenschaften zu wenden.*^*^ Die Akademie stellte dann tatsächlich den Vorsaal zum Akademischen Versammlungssaal für die Vorlesung zur Verfügung. Da auch die Singakademie für den Zeitraum der Kunstausstellung diesen Saal benutzte, arrangierte sich FICHTE mit ZELTER^^ über den Gebrauch der Stühle und die Haftung für dieselben bei der Akademie. Die Wahl diees Saales gab dem Freimüthigen zu folgender ironisierenden Meldung am 14. Dezember®^ Anlaß; „Unsere Akademie der WW. befindet sich in einer bedenklichen Situation. Die Wissenschaftslehre hält sie eng belagert. Jeden Sonntag charakterisirt sie im Vorsaal derselben das Zeitalter, umglänzt eben nicht, aber doch umsessen von einer zierlichen Anzahl Damen und Herren. Bis jetzt sind die Thüren des Akademischen Versammlungssaales sorgfältig verschlossen gehalten, sollte das aber einmal vernachlässigt werden, - die Folgen sind nicht abzusehn, wenn der Schöpfer aller Wissenschaften und aller Dinge, das große UrIch, es einmal, unterstützt von dem bunten Heere seiner, wie alles, von ihm selbst geschaffenen Gläubigen erstürmte.”^^ Die dritte und letzte Vorlesung des Winters 1804/05 war die „Vorlesung über Gottes-, Sitten- und Rechtslehre”.®"* Diese Vorlesung begann am 6. Februar und wurde Mittwochs, Freitags und Samstags in der Zeit von 17.30 bis 19.00 Uhr gehalten. Sie wird bis Ende März gedauert haben. Unveröffentlichter Brief. Dasselbe gilt, wie sich schon gezeigt hat, auch für die anderen Teilnehmerlisten Altensteins. Karl August von Hardenbergs Antwort ist vom 26. Okt. 1804. Vgl. Akad.-Ausg. III, 5. Nr 677. Vgl. Fichtes Brief an Zelter vom 29.10.1804; Akad.-Ausg. III, 5. Nr 678. Der Freimüthige. Nr 249, 476. Natürlich nimmt diese Meldung implizit auf die bevorstehende Wahl, welche die Aufnahme Fichtes in die Akademie der Wissenschaften entscheiden sollte, Bezug. Fichtes Zuwahl kam bekanntlich durch die Opposition Nicolais und seiner Gesinnungsfreunde nicht zustande. Auch angekündigt als „Grundprincipien der Lehre vom göttlichen und innem und äussem Rechte”. So in der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek. Bd 94, 2. Stück. 391.
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
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Das FicHTESche Manuskript dieser Vorlesung ist im J. G. FICHTE Nachlaß der Deutschen Staatsbibliothek (Ms. III,9) erhalten; es ist überschrieben: „Die Principien der Gottes- Sitten- u. Rechtslehre. — ” und umfaßt 23 einzelne Vorlesungen. FICHTE kündigte diese V orlesung in der Königlich privilegierten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen Nr. 23 vom 26. Januar wie folgt an: 8. „Meine Vorlesungen über die Principien des Göttlichen, und des innerlich und äußerlich Rechten, Mittwochs, Freitags und Sonnabends von halb 6 bis 7 Uhr in meiner Wohnung, Kommandantenstraße Nr. 9, werde ich den 6ten Februar anfangen. Zutrittskarten dazu werden in Herrn SANDERS Buchhandlung, in der Kurstraße ausgegeben. — Die Vorlesungen über das Zeitalter werden nächsten Sonntag den 27ten dies, fortgesetzt. Berlin, den 24. Jan. 1805. FICHTE”.
Auf diese Ankündigung folgte eine zweite in derselben Zeitung, Nr. 43 vom 5. Februar: 9. „Meine Vorlesungen über die Principien des Göttlichen und des innerlich und äußerlich Rechten, Mittwoch, Freitags und Soimabends von halb 6 bis 7 Uhr in meiner Wohnung, Kommandantenstraße No. 9., werde ich morgen anfangen. Zutrittskarten dazu werden in Herrn SANDERS Buchhandlung in der Kurstraße No. 51. ausgegeben. Berlin, den 5ten Februar 1805. FICHTE”.
Wiederum ist eine Hörerliste ALTENSTEINS von dieser Vorlesung im Nachlaß im Staatsarchiv Bamberg (G 36) erhalten: 10. Vorlesung über Gottes Sitten u. Rechslehre 1805. Inhalt verbrannt Anfang I“ 1805. Geh:Rath KLEIN Geh Rath MEYER Geh. Leg. R. WOLTMANN Stud: MEYER.
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REINHARD LAUTH
BERNHARDE ZELTER. DELLBRüCK. SPILKER. KOHLRAUSCH
m BAUDISSIN
Prediger Geh. R. HUFELAND Kr. Assi [STüCKMANN] (Brandenburg) Cadetten Lehrer WOLTMANN
JäNIKE
Es handelt sich (in alphabetischer Reihenfolge) um folgende Personen: ALTENSTEIN, KARL FRANZ SIGMUND VON STEIN ZUM. — BAUDISSIN, WOLF HEINRICH VON. - BERNHARDI, AUGUST FERDINAND. — DELBRüCK, JOHANN FRIEDRICH GOTT-
LiEB.*^^ — FICHTE, MARIE JOHANNE. — HUFELAND, CHRISTOPH WILHELM. — JäNIKE,
1748-1827; evangel.-luth. Prediger. - KLEIN, ERNST FERDINAND, 1744-1810; Geh. Obertribunalrat. - KOHLRAUSCH, HEINRICH FRIEDRICH THEO DOR. — MAYER, JOHANN SIEGFRIED WILHELM. — MEYER, (MORITZ); Student. — SPILLEKE (SPILKER), AUGUST GOTTLIEB. — STüCKMANN; KR. ASSISTENT; aus Brandenburg. — WOLTMANN, KARL LUDWIG; Professor d. Geschichte und Resident Hessen-Homburgs in Berlin. — WOLTMANN, JOHANN GOTTFRIED, Prof, der Philosophie beim Adeligen Kadettencorps. - ZELTER, KARL FRIEDRICH. Hinzu kommen als wahrscheinliche Hörer noch: LUDEN, HEINRICH. — METGER, FRIEDRICH SEVERIN; und CHARLOTTE VON KALB, die am 11. April 1805 an JEAN PAUL schrieb: „FICHTE sagte so in seiner Wissenschaftslehre, was dasselbe: In jenem Leben würden wir dieses begreifen; gradweis kennt sich die Geisterwelt, und der sie alle kennt, ist Gott. Das Sein können wir uns nur in einem andern Sein erklären. Wie gerne hätte ich noch tausend Worte von diesem Geist gehört.”®'^ Aus dem Personenkreis der FicHTESchen Vorlesungen in Berlin von 1800-1805 ließen sich somit insgesamt ca. 100 Hörer identifizieren. Schätzt man den gesamten Kreis von Teilnehmern, der sich ja in den ein-
JOHANNES,
Vgl. F. Delbrücks Eintragung ins Tagebuch: „ 6. [Febr.j Mittwoch. [. . . Die Prinzen] folgten ihren Launen bis 5 Uhr, wo die Nachmittags-Lectionen ein traten: Rechnen, Tanzen, Franz. Conversation bey Chevilly, den ich noch in ihrer Mitte fand, als ich um 7 Uhr von Fichte zurükkam. Fichte fing seine Vorlesung an über Gotteslehre, Sittenlehre und 'R.echtAehieP Die Jugend des Königs Friedrich IFiTAe/m/F. Teil 1.218f). - „15. [Febr.] Freytag. . . . WährendichbeiFichtewar, hatte ich die Prinzen des Hr.Buttenius Aufsicht anvertraut.” (Ebd. 222.) - „2. [März] Sonnabend.. . . Als ich von Fichte zurükkam, hörte ich mit Vergnügen, I.M. die Königin sey gekommen und habe der Lection [cf der Prinzen] 10 Minuten beygewohnt und sey mit Äußerung der Zufriedenheit weggegangen.” ln: Briefe von Charlotte von Kalb anJeanPaulund dessen Gattin. Hrsg, von P.Nerrlich. Berlin 1882. 110-112.
Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin
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zelnen Vorlesungen zum größeren Teil deckt, auf 200 Personen, so dürfte dies etwa die Hälfte sein. Daraus wie auch aus anderen Indizien ergibt sich dann aber, daß die AcTENSTEiNschen Hörerlisten nicht vollständig sind. Es steht nicht einmal fest, ob der Geheime Oberfinanzrat sich die Namen sogleich, beim Ende der Vorlesungen, oder erst nachträglich, soweit sie ihm einfielen, notiert hat.
Der aufgeführte Personenkreis bestand, soweit nach den mitgeteilten Erkundungen feststellbar, aus 1 Prinzen 18 höheren Staatsbeamten (darunter 7 Minister und 6 künftige Minister) 12 Philosophen 7 Beamten 7 Juristen 7 oder 8 Medizinern bzw. Ärzten 6 Schriftstellern 6 Gesandten bzw. Gesandtschaftsangehörigen 4 Hauslehrern 3 Historikern 3 Sprachforschern 3 Theologen 3 Finanzfachleuten 3 oder 4 Musikern 3 Naturwissenschaftlern 2 Buchhändlern 1 Bildenden Künstler 1 Offizier 1 Bankier und 19 oder 20 Damen. Die Minister waren GERLACH, HARDENBERG, HAUGWITZ, SCHRöTTER, STRUENSEE, Voss und BEYME*^®; die künftigen Minister: ALTENSTEIN, ANCILLON, DOHNA, MüLLER, NAGLER und SCHöN. Die Gesandten waren; BAUDISSIN, BRINKMANN, beide METTERNICH^^, OMPTEDA, WOLTMANN. Dazu kam Prinz AUGUST VON PREUSSEN. Die Philosophen bzw. Philosophiestudierenden waren:
Beyme war, genau ausgedrückt, nicht Minister, sondern Geheimer Kabinettsrat. Er hatte den Vortrag der inneren Angelegenheiten Preußens. Die wichtigsten Entscheidungen gingen zur damaligen Zeit nicht von den Ministerien, sondern vom Kabinett aus, in dem Beyme eine höchst einflußreiche Position hatte. Vgl. oben Anm. 82.
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REINHARD LAUTH
ABEKEN, DELBRüCK, ERMAN, HöYER, KOHLRAUSCH, LUDEN, MEYER, OERSTED, SOL-
Und J. G. WoLTMANN. Die Juristen: MAYER, KLEIN, LETTOW, SCHULZ, KESSLER, BURGSDORF mid SOLGER. Die Mediziner bzw. Ärzte: HUFELAND, BISCHOF, MEYER, HERMBSTäDT, KLAPROTH, STOLL, VARNHAGEN VON ENSE und PFIESTER (?); Schriftsteller waren: BAUDISSIN, GERSTENBERG, KOTZEBUE, SCHLEGEL, SCHüTZ und STOLL. Hauslehrer: DELBRüCK, ABEKEN, KOHLRAUSCH und LUDEN; Historiker: ANCILLON, MüLLER und K. L. WOLTMANN; Sprachforscher: BERNHARDI, SCHLEGEL und ZEUNE; Theologen: JäNIKE, MET GER und SPALDING; Musiker: HIMMEL, REICHARDT, VOITUS (?) und ZELTER; Finanzfachleute: ALTENSTEIN, BEGUELIN und CLEWITZ; Buchhändler: REIMER und SANDER. Dazu kamen noch der bildende Künstler DARBES, die Naturwissenschaftler ERMAN, GEBHARD und KLAPROTH, der Offizier CHAMISSO und der Bankier LEVY. Daß die Minister und höchsten Staatsbeamten nicht nur flüchtig von FICHTES Ansichten Kenntnis nahmen, sondern sich mindestens teilweise intensiv um ein Verständnis bemühten, davon kann folgende Mitteilung IMM. HERM. FICHTES Zeugnis geben: Der Geheime Kabinettsrat „BEYME erzählte noch viele Jahre später dem Biographen, wie er als Zuhörer EICH TE’S die erste Kraft des Morgens dazu verwendet habe, den am Abend vorher gehörten Vortrag in seiner inneren Gedankenfolge frei zu reproduciren und nach allen Seiten zu prüfen, als erfrischende Geistesstärkung für den ganzen Tag. Dabei bezeugte er, wie dauernd und unvergeßlich der Gesammteindruck jener Vorträge für ihn gewesen sei, in welchen Tiefsinn des Forschens und die Einwirkung einer sittlich heroischen Persönlichkeit jeden mit sich fortgerissen habe.”^^ „Dabei war von den höhem Staatsbeamten der Minister STRUENSEE anfangs fast der einzige, dem FICHTE näher bekannt war und der ihm Freundschaft und Achtung erwies. Indem indeß diese persönliche Anerkennung auf seine ganze äußere Stellung ohne Einfluß blieb, mußte er erst, wie ein völlig Unbekannter, lange und mühsam sein Talent geltend machen.”®^ Wir stehen hier vor der staunenswerten Tatsache, daß der erst im Jahre 1800 Zugereiste und soeben seines Amtes in Jena Enthobene es fertiggebracht hat, neben der Elite der Gelehrten- und Künstlerwelt Berlins innerhalb ganz weniger Jahre die Führungsspitze des preußischen Staats sowie GER, SPILLEKE (?), VARNHAGEN VON ENSE
Fichte, Immanuel Hermann: Johann Gottlieb Fichte’s Leben und literarischer Briefwechsel. Leipzig 1862. Bd 1. 352. Ebd. 351. — Fichte hatte Struensee, der entscheidenden Einfluß auf die Wirtschaft Preußens hatte, 1800 seinen „Geschloßnen Handelsstaat” gewidmet. Struensee starb am 17. Okt. 1804.
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eine Reihe bedeutender ausländischer Gesandten als Hörer und Studierende seiner schwierigen Darlegungen zu gewinnen — und das, obwohl die dominierenden Berliner Literaturzeitschriften ihn gehässig bekämpften. Es ist meines Wissens ein einmaliges Ereignis der Weltgeschichte, daß ein Philosoph in seinen privaten Vorlesungen einen Prinzen, 7 Minister, 6 zukünftige Minister und 5 Gesandte neben zahlreichen angesehenen Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern zu seinen Hörem (oder doch wenigstens zu Eingeladenen) hatte. Man darf sich hierbei nicht darüber verwundern, daß die Zahl der teilnehmenden Philosophen demgegenüber geringer ist. Berlin hatte damals noch keine Universität und keine Studenten. Diese Philosophen waren entweder Philosophieprofessoren in Berlin oder zufällig anwesende bzw. von Jena oder andern Universitäten herübergekommene Studenten. Das hämische, Verachtung affektierende Diktum Hegels über die in Berlin vorgetragene Wissenschaftslehre: „eine Philosophie für aufgeklärte Juden und Jüdinnen, Staatsräthe, KOTZEBUE”^***^, trifft, wie aus allem vorhergehenden ersichtlich, ebensosehr daneben wie das im gleichen Zusammenhang gefällte Urteil über die Spätphilosophie FICHTES überhaupt: „Diese Philosophie enthält nichts Spekulatives.’“*’^ Das hat nicht verhindert, daß bei einem nachsagefreudigen philosophischen Parterre diese Fehlbeurteilungen bis in die jüngste Gegenwart nicht geringe Wirkungen erzielen konnten.’*’^ Abgesehen von dem leicht Juden verachtenden Akzent dieses Wortes liegt in ihm durch Zusammenstellung der „Staatsräthe” mit Kotzebue, der selbst 1816 russischer Staatsrat wurde, die (Hegel gewiß bewußte) Absicht, die führenden preußischen Staatsbeamten unter den Hörem Fichtes insgesamt auf das moralische und geistige Niveau Kotzebues zu reduzieren. Vgl. Georg Friedrich Flegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Hrsg, von H. Glöckner. Stuttgart 19,59. Bd 3. 640. Nach Abschluß dieses Artikels fand ich noch folgendes: Sander berichtet am 8. Januar 1805 an Böttiger: „Ich sehe ihn [sc. Johannes von Müller] jetzt fast nur in Fichte’ns Sonntags-Vorlesungen (philosophische Charakteristik des Zeitalters), in denen er nicht leicht fehlt, u. die auch ich aus Artigkeit besuche, ob sie gleich für mich nicht eben viel Interesse haben. Das Auditorium ist zahlreich, über 100 Personen, von denen aber nur etwa 70 (einen Louisd’or) bezahlt haben. (Auch der Prinz August von Preußen ist einer von den Zuhörern, u. ein sehr regelmäßiger.) - Außer diesen SonntagsiVorlesungen, zusammen einigen u. 20 Stunden, hat Fichte vor Neujahr die Wissenschaftslehre, ä 2 Fr.d’or, wöchentlich dreimal, gelesen. Sie ist geschlossen, u. an ihre Stelle treten nun zu Ende dieses Monats Vorlesungen über die natürliche Theologie, philosoph. Moral u. das Naturrecht. Zusammen bringen ihm diese 3 Collegia, vom November an bis Ostern, wöchentlich vier Stunden (Sonntags von 12bis l,u. dreimal Abends von halb 6 Uhr bis gegen 7) ungefähr 180 Fr.d’or, oder, nach dem jetzigen Cours, 1000 Thlr. Preuß. ein. Bei diesem, im Gmnde ziemlich leichten Erwerb, bliebe er gern hier, wenn man ihm nur eine Stelle bei der Akademie gäbe. [. . .]
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REINHARD LAUTH
Übersicht über die Teilnahme an Rchtes Vorlesungen Priv.OO WL 02 Priv.03 WL 04/1 WL 04/H WL 04/m Gm GSRL + + +
Abeken, B.R. Altenstein, K.F.v.St^. Ancillon, J.P.F. August, Prinz
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Chamisso, A.v. Clewitz, WA.V. Closs, K.S.L.
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Darbes, J.F.A Decker Delbrück, J.F.F. Dohna, F.F.A.V.
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Gerhardt, K.A Gerlach, K.F.L.V. Gerstenberg, FI.W.v. Goldbeck, v. Günlig
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Ejrman, P.
Hardenberg, K.A.v. Haugwitz, C.H.K.V. Hermbstädt, S.F. Herz,H. Himmel, F.H. Höyer, B.K.H. Hufeland, CW.
+
+
Baudissin, K.L.v. Baudissin, W.v. Beguelin, F.H.W.V. Berg, Frau K.F.V. Bemhardi, AF. Beyme, Frau C.E. Beyme, K.F.v. Bischof, C.H.E. Brinkman, C.G.v. Biu'gsdoif, W.v.
Rchte, M J.
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Er wird übrigens jetzt durch Achtung ausgezeichnet, u. ist z.B. oft in dem Hause des Ministers von Schrötter, wo ich selbst neulich mit ihm, Feßler, Hirt, Schadow u. einigen Andern gegessen habe.” (Ms. in der Sachs. Landesbibliothek, Mscr. Dresd., h.37, Bd. 21, Nr. 95, Bl 3 r u. 3 V.)
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Fichtes Lehrtätigkeit in Berlin Priv.OO WL 02 Priv.03 WL 04/1 WL 04/11 WL 04/III Gru GSRL Hufeland, J. Hufeland, Frau des Fr. Jänike,j. Kalb, C.v. Kalb, E.v. Keßler, G.W. Killinger, K.C.G. Klaproth, M.H. Klein, E.F. Klein, Frl. Knobloch, C.v. Kohkausch, H.F.T. Kotzebue, A.F.F.V. Lauer, v. Lettow, W.H. Levy, M.S. Levy, Frau Lewin, R. Lippe, L.A.B.Z. Lombard, D. Lombard, J.W. Luden, H. Mayer, J.H. Mayer, J.S.W. Mayer, Frl. Metternich, C.v. Metternich, J.v. Metger, F.S. Meyer, H., Dr. Meyer, M., Std. Müller, J.v.
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Nagler, K.F.F. Oersted, H.C. Ompteda, L.K.G.V.
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Pfiester, Dr.
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Reichardt, J.F. Reimer, G.A. Reimer, W. Reinhardt, L. Reuß, H. Robert, L Rosenstiel, F.P.
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50
REINHARD LAUTH
Priv.OO WL 02 Priv.03 WL 04/1 WL 04/11 WL 04/III Gm GSRL Sander, J.D. Sander, S.F.H. Schlegel, A.W. Schön, H.T.v. Schrötter, F.L.v. Schulz, C.L.F. Schütz,C.W.v. Solger, K.W.F. Spalding, G.L. Spilleke, A.G. Stemberg, L. Stoll,J.L. Stmensee, K.A.v. Struensee, Frl. Gouvernante der Stmensee Stückmann Vamhagen von Ense, K.A. Voitus Voitus, Frl.
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Voß, O.K.F.V.
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Wolfsgratz Woltmann, J.G. Woltmann, K.L. Zelter, K.F. Zelter, J.K.A. Zeune, A.
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HENRY CRABB ROBINSON UND HEGEL Zeitgenössische Zeugnisse, dargeboten von Emst Behler (Washington)
Unter den Vertretern der ersten Generation junger Europäer außerhalb Deutschlands, die sich mit der in diesem Lande entstehenden idealistischen Philosophie auseinandersetzten, tritt im Gefolge der jüngeren Forschungen der Engländer HENRY CRABB ROBINSON immer mehr in den Vordergrund des Interesses. Bei dieser frühen Generation, die bereits um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert nach Deutschland kam, handelt es sich in der Reihenfolge ihres Erscheinens hauptsächlich um BENJAMIN CONSTANT (1782-1783, 1788-1794, 1803-1804, 1811-1814), CHARLES DE ViLLERS (1797-1815), SAMUEL TAYLOR COLERIDGE (1798-1799), HENRY CRABB RO* BINSON (1800-1805, 1818, 1829, 1834, 1840, 1851, 1863) und Madame DE STAEL (1803-1804, 1808). CONSTANT war bereits im Alter von 14 Jahren von seinem Vater auf die Universität Erlangen gesandt worden und weilte später am Hofe des Herzogs von Braunschweig (1788-1794). Diese Aufenthalte vermittelten ihm die Grundlagen für seine Erforschung der deutschen Literatur imd Philosophie, die er während seines Besuches mit Madame DE STAEL in Weimar (1803-1804) und während seiner Studien in Göttingen (1811-1814) für sein Werk De la retigim mit Nachdruck betrieb. Bereits in einer seiner ersten Veröffentlichimgen, dem Werk Des readions poMtiques von 1796, hatte er sich mit einem entscheidenden Gesichtspunkt der KANTischen Ethik und dem Pflichtbegriff dieses Philosophen auseinandergesetzt', und das wichtigste Resultat seines Weimarer Aufenthaltes ist die kommentierte Bearbeitung der Tragödie Wallstein von 1809, die er mit einer Einleitung über den Kampf um die Religionsfreiheit im 16. Jahrhundert, imd kritischen Bemerkungen über die deutsche Bühne herausgab^. CHARLES DE VILLERS war auf Grund einiger gegen den Verlauf der Französischen Revolution gerichteten kritisch-satirischen Veröffenthchungen in die Gefcihr geraten, verhaftet zu werden, der er sich druch eine Flucht nach Deutschland entzog. Daß er sich für den Rest seines Lebens in diesem Land niederließ, lag sicher nicht allein an seiner Faszination für die neue deutsche Literatur und Philosophie, die er in einer Reihe von Auf* Eaits et discours politiques par Benjamin Constant. Hrsg, von O. Pozzo di Borgo, Paris 1964; Bd 1.21-85. ^ Wallstein, tragedie en cinq actes et en vers, precedee de quelques reflexions sur U theätre alkmand et suivie des notes historiques. ln: Benjamin Constant: Oeuvres. Hrsg, von Alfred Roulin. Paris 1957. 860-884.
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ERNST BF.HLER
Sätzen und Broschüren seinen Landsleuten zu erschließen suchte'^, sondern in beträchtlichem Maße auch an seiner Zuneigung für die Lübeckerin DOROTHEA RODDE, die Madame DE STAEL später ziemlich herabsetzend „sa bonne petite lapine” nannte^. VILLERS bedeutendste kritische Leistimg ist zweifellos das 1801 veröffentlichte Werk Philosophie de Kant ou prindpes fmdamentaux de la phihsophie transandentale? COLERIDGE hatte sich im September 1798 zusammen mit WORDSwoRTH und dessen Schwester kurz nach dem Erscheinen des gemeinschafthchen Gedichtbandes Lyrical Ballads nach Deutschland begeben. Während WILLIAM und DOROTHY WORDSWORTH im kalten Norddeutschland melancholische Vergleiche zwischen der deutschen und der englischen Landschaft anstellten, imterzog sich COLERIDGE in Göttingen einem intensiven Studium der deutschen Literatur und Philosophie, insbesondere KANTS, das für sein weiteres Schaffen von fundamentaler Bedeutung vrarde.® Der unmittelbare Anlaß für Madame DE STAELS Deutschlandreise war ein Exiherungsbefehl NAPOLEONS gewesen, und in ihrem Entschluß, ihre Kutsche im Winter 1803 durch die tiefverschneite deutsche Landschaft nach Weimar in Bewegung zu setzen, war sie von JACOBI, VILLERS und nicht zuletzt von ihrem Vater JACQUES NECKER bestärkt worden. In dieser Stadt eröffnete sie einen Salon, in dem sie mit bedeutenden Repräsentanten des litercuischen Lebens von Weimar imd Jena Kontakt aufiicihm und sich gleichzeitig die Grundlagen für ihr Buch De l’Alkmagne von 1814 erarbeitete, das eds die umfassendste und auch einflußreichste Darstellung der neuen deutschen Literatur und Philosophie angesehen werden kann.^ Für HENRY CRABB ROBINSON war der Deutschlandaufenthalt dadurch verursacht worden, daß er sich im Büro eines Rechtsanwaltes in London langweilte. Nachdem ihm plötzlich ein Legat zugefallen war, das ihm eine unabhängige Existenz sicherte, schiffte er sich am 3. April 1800 nach Deutschland ein, wo er, ohne dies beabsichtigt zu haben, fünf Jahre lang blieb und die deutsche Literatur und Philosophie besser kennenlemte als jeder andere Besucher dieser Epoche.*^ Trotz beträchthcher Unterschiede in den intellektuellen, nationalen und standesmäßigen Voraussetzungen dieser Besucher zeigen sich unmittelbar vorherr-
^ ln der Zeitschrift Spectateur du Nord von ca. 1797-1800.Vgl. hierzu Ruth Anne Crowley: Charles de Villers. Mediator and Comparatist. Bern 1978. (Stanford German Studies. Bd 14.) * Comte d’Haussonvilk, Madc‘^‘’ d» S*o.Het M Neder, d’aprd hm Correspnndanre inedite Paris 1925. 381. ^ Auf Wunsch Napoleons verfaßte Villers auch einen gedrängten Abriß dieses Werks (Apergi rapide des bases et de la direclion de cette Philosophie. Paris 1801). S.T. Coleridge: Biographia Literaria. Hrsg, von J. Shawcross. Oxford 1907. Bd 1.93-106. ^ Aus der zahlreichen Literatur zu diesem Thema \^.Jean de Fange: Mme. de Stael et la decouverte de VAllemagne. Paris 1929. * Aus der zahlreichen Literatur zu diesem Thema vgl. KarlEitner: Ein Engländer über deutsches Geistesleben im ersten Drittel dieses Jahrhunderts?P, BERNHARD:
Vgl, die Besprechung im folgenden Band.
Das Problem des „Naturalismus” bei Hegel - eine Betrachtung der „Phänomenologie des Geistes”. [Japanisch.] - In: Hitotsubashi-Ronso. Tokio. 80 (1978), N. 3, 349-366. MAEDA, YOSUKE:
Ziel des Verf. ist es, anhand einer Interpretation des Selbstbewußtseins - und Vemunftkapitels der Phänomenologie die Rolle des „Naturwesens” in diesem Werk zu klären. Die Versuche des „Herrn” oder des „Ritters der Tugend”, die Freiheit jenseits des Lebens zu suchen, müßten deswegen scheitern, weil der Mensch zugleich ein Naturwesen ist, welches die Freiheit gerade inmitten des Lebens realisieren muß. Diese Realisierung ermöglichte die Arbeit, weil diese das idealistische Prinzip des „Bei-sich-seins im Anderssein” ausdrücke. Andererseits werde dabei die Andersheit der Natur geleugnet und die Natur sei in diesem Werk nur insofern anerkannt, als sie den Idealismus zustande bringe.
Three Concepts of Freedom: Kant - Hegel - Marx. - In: Interpretation. The Hague. 7 (1978), 27-51.
MANELI, MIECZYSLAW:
A serial exposition of the treatment of freedom by Kant, H. and Marx which sees them as interrelated, with H.s theory of freedom acting as an intermediary between Kant and Marx, and as leading Marx back to Kant.
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BIBLIOGRAPHIE
Cominciamento e fondamento in Hegel [Anfang und Grund bei Hegel]. - In: Teoresi. Catania. 33 (1978), 59-84.
MARIANI, LUIGI:
A.: The Hegelians, the Pietists and the Nature of Religion. - In: The Journal of Religion. Chicago, 111. 58 (1978), 108-129. MASSEY, JAMES
Ausgehend von dem Umstand, daß sowohl Marx als auch Feuerbach und die Junghegelianer trotz ihrer Religionskritik ein philosophisches Interesse am Christentum niemals aufgegeben haben, will Verf. zeigen, daß die pietistisch gefärbte Erweckungsbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen nachhaltigen Einfluß auf H. selbst sowie einige seiner Nachfolger ausgeübt hat und schließlich für Feuerbach, Bauer und Rüge das eigentliche Wesen der Religion repräsentierte. Zunächst weist Verf. auf die Zwiespältigkeit von H.s Kritik des pietistischen Religionsverständnisses hin. Indem die pietistische Tradition das Verhältnis des Individuums zu Gott aus dem „Gefühl” bestimmt, wird eine radikale Auszeichnung der Subjektivität vollzogen, die einerseits dem deistischen Religionsbegriff der Aufklärung überlegen ist und andererseits die pietitische Auslegung des religiösen Bewußtseins in die Nähe der idealistischen Explikation der Subjektivität als des eigentlichen Ansatzes einer spekulativen Gotteserkennung rückt. Sodann sucht Verf. die Betonung der freien Subjektivität durch die Junghegelianer als eine modifizierte Fortsetzung jener H.schen Einschätzung des Pietismus vorzustellen, wie dies insbesondere in der Kontroverse zwischen Leo und Rüge erkennbar werde. Durch die Identifikation des Pietismus mit der Religion schlechthin habe Feuerbach erst die Grundlage seiner eigenen Religionskritik gewonnen.
W.: Natur in der Logik? - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978, 61-68. MEYER, RUDOLF
Im Unterschied zur Polemik Schellings und Ulricis, Marx’ und Blochs sowie zur theologischen Deutung Rosenkranz’ und Löwiths sucht Verf. den logischen Sinn der Rede H.s vom sich frei Entlassen der Idee in die Natur anzugeben. Wie beim „Sichentschließen” der Idee sei hier jeder Gedanke an eine Willenshandlung femzuhalten. Das Sichentlassen bilde eine spezifische Form der Dialektik von Reflexion und Unmittelbarkeit, die innerhalb der Logik die jeweils neuen Stufen der Unmittelbarkeit hervortreibe und an ihrem Ende die reine Form überhaupt transzendiere, aber zugleich eine Beziehung der Nicht-Form auf die Form festhalte.
La negativite de l’action. - In: Les Etudes philosophiques. Paris. 1978, N. 3, 291-295. MICHALEWSKI, CZESLAW:
Commentaire de Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, Bd. I, Die Vernunft in der Geschichte (Hoffmeister p. 88): „De l’activite des hommes doit resulter en general autre chose que ce qu’ils visent et atteignent... Ils satisfont leur interet; mais en meme temps quelque chose de plus se realise ... qui ne se trouvait ni dans leur conscience ni dans leur Intention.” Cet autre-chose est en verite non pas un ä-cöte mais le resultat d’un projet qui n’a de verite que dans son effectuation complete.
H.: Another look of Hegel’s concept of punishment. - In: Hegel-Studien. Bonn. 13 (1978), 175-186. MITIAS, MICHAEL
Abhandlungen zur Hegelforschung 1978
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MIJUSKOVIC, BEN: The Simplicity Argument and the Freedom of Consciousness. - In: Idealistic Studies. Worcester, Mass. 8 (1978), N. 1, 62-74.
In der Geschichte der Philosophie seit Platon spielt das Argument, daß die Seele als denkende immateriell, unausgedehnt und somit einfach sei, eine zentrale Rolle. Unter 'einfach’ ist zu verstehen: unzerstörbar, einheitlich, identisch. Zum Beweis der Freiheit des Selbstbewußtseins wird jenes Argument in reinster rationalistischer und idealistischer Form zum erstenmal von H. gebraucht. Dieser stützt sich auf Ausführungen von Aristoteles, Plotin, Leibniz, Kant. Mit Aristoteles vertritt H. die Auffassung, daß nur das sich selbst Genügende frei sei. Mit Leibniz und Kant behauptet H. eine Vielheit in der Einheit; mit Kant, daß nur das Denken spontan und frei sei. Der in der Phänomenologie des Geistes und der Wissenschafl der Logik begründete ontologische Idealismus, der zu einem praktischen Idealismus führt, bedient sich bei seinem Beweis der Freiheit des Selbstbewußtseins des Arguments der Einfachheit. - Verf. legt weiter die Bedeutung dieses Arguments für die Philosophie Bergsons und Sartres dar.
Hegel sur l’esprit populaire et le peuple. - In: HegelJahrbuch 1976. Köln 1978. 412-419. M:TIN, M. B.:
H.s Lehre vom Volksgeist und vom Volk stellt einen der Höhepunkte seiner Philosophie dar. Insbesondere betont H., die Kunst müsse Ausdruck des Volksgeistes sein.
N.: Hegel ä propos du röle moteur des idees dans l’histoire. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 233-238.
MOMDJIAN,
KH.
H. hat die Rolle fortschrittlicher Ideen bei der Vorbereitung und dem Vollzug revolutionärer Handlungen klar erkannt.
Hegel’s „Etatisme”. - In: Revolutionary World. Amsterdam. 26 (1978), 1-12. MORAN, PHILIP:
A Marxist-Leninist critique of H.s optimism regarding the state’s guarantee of social justice. H. could not perceive the future course of the bourgeois capitalist state which now „instead of fulfilling the role of enlightened educator... puts forth a compaign of anti-communism to mask its own exploitative activities”. Gus Hall is cited to prove the point.
The materialist and Idealist Sides of Hegel’s State-doctrine. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 420-424.
MORAN, PHILIP:
Entgegen dem oft in den Vordergrund gestellten Dilemma, daß H. durch seine Lehre von Staat und Gesellschaft sowohl als Ahnherr neofaschischtischer Staatstheorien, wie als Berufungsinstanz und Ausgangspunkt des Marxistischen Sozialismus anzusehen sei, hebt Verf. in knapper Zusammenfassung noch einmal diejenigen Punkte hervor, die - sei es in Zustimmung oder Kritik - einen engeren Zusammenhang zwischen H. und Marx begründen. „The genuine legacy of Hegel’s doctrine of the state was that it expressed the progressive interests of his time and was a necessary stage in the formulation of the Marxist conception of the state.”
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BIBLIOGRAPHIE
Über Hegels Jenaer System, anhand seiner Vorlesungsankündigungen. [Japanisch.] - In; Gendaishiso. Tokio. 1978, N. 6-16, 74-87.
NAKANO, HAJIMU;
Der Aufsatz ist ein Versuch, die Wandlung der Jenaer Systemkonzeption am Leitfaden der Vorlesungsankündigungen zu verfolgen. Verf. stellt am Ende fest, daß H. in der Jenaer Zeit das dreigliedrige System der späteren Enzyklopädie noch nicht erreichen könne.
Die Hegelsche Philosophie und das Johannesevangelium. Eine Hypothese. [Japanisch.] - In: Riso. Tokio. 1978, N. 540, 51-66.
NAKANO, HAJIMU:
Verf. stellt die These auf, daß H. die Grundkonzeption seiner Philosophie (Panlogismus) aus dem Anfang des Johannesevangeliums gewonnen habe, und versucht diese Hypothese anhand der Logoslehre im Geist des Christentums plausibel zu machen: Das Absolute sei das „Leben”, welches nach dem Systemfragment mit dem „Geist” identisch sei. Dieser sei wiederum der „Vernunft ” ähnlich, eben dem „Logos”.
Über die Hypochondrie Hegels. [Japanisch.] - In: Rinrigaku-Nenpo. Tokio. 27 (1978), 89-101. NAKAYAMA, MASARU:
Mit existentiellem Interesse erläutert der Verf., was die von H. häufig erwähnte Hypochondrie gewesen sei. Nachdem er verschiedene Textstellen H.s geprüft hat, folgert er, daß sie eine geistige Krankheit sei, welcher der Zustand relativer Unfähigkeit eigentümlich sei, und die in Phasen der gedanklichen Entzweiung leicht Vorkommen könne.
Der Ort des Leidens bei Hegel (2) - Einsamkeit. [Japanisch.] - In: Berichte der literarischen Fakultät der Frauenuniversität Hiroshima. Hiroshima. 13 (1978), 87-100. NAKAYAMA, MASARU:
Mit biographischen und existentiellem Interesse verfolgt der Verf., wie und aus welchem Grund H. seinen verschiedenen Entwicklungsphasen die Einsamkeit zum Problem gemacht hat.
S.: Kommentar zur Hegelschen Analyse der Kategorie des „Widerspruchs”. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 277-282.
NARSKI,
Zuerst tschechisch erschienen in; Filosoficky Casopis. Vgl. Hegel-Studien. 14 (1979), 448. NAYLOR, JOSEPH G.:
La controverse de Fichte et de Hegel sur l’„indifference”. - In: Archives de Philosophie. Paris. 41 (1978), 49-67. Die Fichte-Forschung der letzten Jahre hat die gängigen Meinungen über das Werk Fichtes in Frage gestellt, so auch die von H. gegen Fichte formulierte Anschuldigung, er sei „subjektiver Idealist”.
Dialettica e trascendenza. Excursus su Hegel e Adorno [Dialektik und Transzendenz. Exkurs über Hegel und Adorno]. - In: Revista di Filosofia Neoscolastica. Milano. 70 (1978), 489-520. NEBULONI, ROBERTO:
H.s und Adornos Denkrichtungen erweisen sich als einseitig: die erste, weil die Geschlossenheit seines Systems demselben als notwendige Konsequenz und wesentliches Moment
Abhandlungen zur Hegelforschung 1978
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inhäriert; die zweite, weil Adorno, obwohl er die Geschlossenheit ablehnt, keine positive Andeutung darüber macht, wie die Negativität der Dialektik erreicht werden kann. In der Abschaffung der Transzendenz bei H. und der Unmöglichkeit bei Adorno, sie positiv zu bestimmen, liegt der Grund der Schwäche beider Philosophien. Gegen beide Denker sei die Behauptung einer Transzendenz nötig, die, statt die menschliche Freiheit zu beseitigen, erst die Bedingung ihrer Möglichkeit böte.
V. S.: Hegelian Dialectics of Right: Statism versus Totalitarianism. - In: Revolutionaiy World. Amsterdam. 26 (1978), 25-36. NERSESIANTS,
Übersetzung aus: Voprosy Filosofii. Vgl. unten („Nachträge”).
Von der Hegelschen zur marxistisch-leninistischen Theorie der Tätigkeit. [Tschechisch.] - In: Filosoficky Casopis. 26 (1978), 105-114. NETOPILIK, JAKUB:
„Wie bekannt, ist eines der größten Verdienste des deutschen Idealismus die Ausarbeitung der 'tätigen Seite’ der Erkenntnis und der Anschauung des Menschen. Nicht bloßes Sein, sondern Werden, Tätigkeit charakterisiert den Menschen. Es ist etwas anderes, daß H. diese Tätigkeit letzten Endes auf die Tätigkeit des Geistes reduziert, daß er sie nicht als objektive Praxis begreift, sondern idealistisch erklärt. Nichtsdestoweniger gibt es in H.s Auffassung der 'tätigen Seite’ materialistische Keime. Wie immer H.s Lehre vom Werden des Menschen, seiner Geschichte, von der dialektischen Tätigkeit, von Vergegenständlichung, Entäußerung und Aufhebung der Entäußerung reich ist, ist sie dadurch beschränkt, daß er alle diese Prozesse nur als die schöpferische Tat der Idee begreift. Dagegen fragt Marx nicht nach der Tätigkeit, Praxis, Geschichte schlechthin, sondern nach der gesellschaftlichen Produktionstätigkeit. Die Ausarbeitung der tätigen Seite als einer materiellgegenständlichen Tätigkeit, als Produktionstätigkeit, führt zum Verständnis und der Stellung und der Rolle einzelner Klassen in der historischen Entwicklung, vor allem dann zur Erklärung des Befreiungskampfes der Arbeiterklasse.” (Zusammenfassung des Verfassers.)
C.: Hierophanie et sacralite. - In: L’Heme. Les Cahiers de l’Heme. Paris. 1978, N. 33, 105-109. NOICA,
„L’auteur etablit un parallelle entre Mircea Eliade et H., autour de leur vision 'integrante' de l’apparente absurdite de l’histoire; mais ce sens confere, qui n’advient pour H. qu’au niveau supreme du Savoir Absolu, s’accomplit pour Eliade dans la part ’sacree’, symbolique, du geste le plus simple, de la plus humble des consciences. C’est pourquoi Eliade peut proposer ä notre culture mourante une regeneration possible.” (Zusammenfassung des Verf.)
Hegels Liebesbegriff in seinen Jugendschriften. - In: Ajatus. Helsinki. 37 (1978), 135-150. NORO, MAURI:
Verf. interessiert das Problem, „daß H., der in seiner Berner Periode Kants praktische Postulate der Unsterblichkeit der Seele und des Daseins Gottes völlig billigte, und der als 'Kantianer' nach Frankfurt 1797 gekommen war, dort... zum ’Antikantianismus’ plötzlich neigte”. Verf. folgt im wesentlichen D. Henrich, wenn er neben Schiller vor allem Hölderlin als Quelle des H.schen Liebesbegriffes ausmacht. In seiner Analyse der Entgegensetzung von Judentum und Kant auf der einen und Jesu „Ethik der Liebe” auf der anderen Seite im Fragment Der Geist des Christentums stützt er sich auf die Ergebnisse von K. Düsing. (Das Problem der Subjektivität.)
BIBLIOGRAPHIE
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S. F.; Der Geist als Demiurg der Natur. Eine kritische Analyse von Hegels Naturphilosophie. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978, 78-83. ODUJEW,
Zuerst tschechisch erschienen in: Filosoficky Casopis. Vgl. Hegel-Studien. 14 (1979), 449.
Goethe und Hegel. Qapanisch.] - In: Gendaishiso. Tokio. 6-16 (1978), 214-224. OGURI,
HIROSHI:
Gegel’ i vopros o sootnosenii filosofii i castnych nauk [Hegel und die Frage der Interdependenz zwischen der Philosophie und den Wissenschaften]. - In: Filosofskie Nauki. Moskva. 21 (1978), N. 5, 55-62. OisERMAN, TEODOR IL’IC:
Das Anliegen H.s wie es in der Phänomenologie des Geistes zum Ausdruck komme, sei die Umwandlung der Philosophie in die Wissenschaft, in der Wahrhaftigkeit und Wissenschaftlichkeit untrennbar verbunden sein müßten. Wenn aber H. die Wahrheit als Prozeß auffasse, werde auch der gnoseologische Dualismus unhaltbar, der das absolute philosophische Wissen dem relativen Wissen der Einzelwissenschaften gegenüberstelle. H. irre, wenn er meine, daß alles Wesentliche und Wahre in jeder wissenschaftlichen Theorie aus der Philosophie hervorgehe. Diese Auffassung zeige, daß er die Beziehung von Philosophie und Einzelwissenschaften mystifiziere.
Die Hegelsche Philosophie als Lehre über die Macht der Vernunft. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 113-121. OisERMAN, TEODOR IL’IC:
H. interpretiert die Substantialität der Natur als Selbstbewegung der Vernunft, er interpretiert den Spinozismus idealistisch. Im Gegensatz zu Schellings Identitätsphilosophie schließt in der H.schen Philosophie die dialektische Identität den Unterschied ein. Im Unterschied zu Kant sind die Kategorien Formen des Seins selbst. Die Unendlichkeit der Vernunft steht im Widerspruch zu der von H. entdeckten Historizität der Vernunft. H.s Vergöttlichung der Vernunft schließt eine soziologische Interpretation der historischen Entwicklung der Erkenntnis aus. Lenin sieht, daß H.s Glaube an die Vernunft seiner Lehre einen revolutionären Charakter gibt. Die Idee von der Macht der Vernunft erhält in der marxistischen Philosophie ihre weitere Entwicklung.
Ein Überblick über die Hegelsche Lehre vom Knecht. [Japanisch.] - In: Rekishi-Hyoron. Tokio. 334 (1978), 73-76.
OTA, HIDEMICHI:
P. VAN: Rccht en geschiedenis [Recht und Geschichte]. - In: Tijdschrift voor Filosofie. Leuven. 40 (1978), 128-132. OvERBEKE,
Der Zusammenhang von geistigen und materiellen Elementen in Hegels Anthropologie. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 263-267. PANASIUK, RYSZARD:
Verf. behandelt das gewählte Thema (die „Hauptproblematik” der H.schen Anthropologie), um die „Aktualität und Originalität des anthropologischen Gedankens bei H.” aufzuzeigen. Anders als die traditionelle dualistische Auffassung vom Menschen, in der die
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Heteronomie von Animalischem und Geistigem betont worden sei, fasse H. den Menschen als „eine dynamische Totalität von sich einander bedingender Körperlichkeit und Geistigkeit” auf: „Das statisch aufgefaßte dualistische Schema formt Hegel zu einer dynamischen Stufenstruktur, in der das Materielle im Menschen viele Ebenen aufweist und in eine gleichfalls vielstufige geistige Ordnung übergeht.” Verf. führt den Übergang von der tierischen zur menschlichen Stufe der Existenz an der Herr-Knecht-Dialektik der Phänomenologie des Geistes aus und sieht im Akt der Arbeit als formschaffender, auf Gegenstände gerichteter, gesellschaftlich organisierter Tätigkeit die Vereinigung aller wesentlichen Momente der H.schen Anthropologie. Verf. kommt zu dem Ergebnis; „Indem H. das Geistige im Materiellen verwurzelt sieht, läßt er es gleichzeitig vom Geist rezipieren, wodurch der Geist im Ergebnis dieses Aktes nicht mehr anthropos ist, sondern anthropos-theos - absolute und endgültige selbstbewußte Wahrheit der Daseinstotalität wird.”
Nominalismus versus Realismus. - In: Seminar: Dialektik in der Philosophie Hegels. Hrsg. V. R.-P. Horstmann. Frankfurt a. M. 1978. (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. 234.) 177-193. PEIRCE, CHARLES SANDERS; WILLIAM TORREY HARRIS:
Übersetzung aus: The Journal of Speculative Philosophy (1868). Vgl. die Besprechung im folgenden Band.
Hegel over waahrheid: „Die Idee ist das Wahre an und für sich, die absolute Einheit des Begriffs und der Objektivität”. - In: Wijsgerig Perspectief op Maatschappij en Wetenschap. Amsterdam. 18 (1977-78), 145-146. PEPERZAK, ADRIAN:
Übersetzung des ersten Satzes des § 213 der Enzyklopädie und eines Teils des Zusatzes, gefolgt von einem kurzen Kommentar.
Nueva revisiön critica de las bases de la teorizaciön filosöfica de Hegel: la absolutizaciön y la dialectizaciön del devenir. - In: Studium. Madrid. 18 (1978), N. 1, 39-89. PEREZ FERNäNDEZ, ISACIO:
K zdrojüm Marxovy a Engelsovy filozofie ja.zyka. I. Heglova filozofie [Zu den Quellen der Sprachphilosophie von Marx und Engels. I. Hegels Philosophie]. - In: Slovo a slovesnost. Praha. 39 (1978), N. 2, 86-95. PETR, JAN:
Die Sprachphilosophie H.s ist eine Quelle der Sprachphilosophie von Marx und Engels; diese haben sie aber nicht unkritisch übernommen, sondern auf einer neuen, dialektischund historisch-materialistischen Grundlage umgearbeitet und weiterentwickelt, wobei sie auch andere Sprachtheorien, wie z. B. die von Wilhelm v. Humboldt, benutzt haben. Nach der Auffassung von Marx und Engels ist die Sprache nicht nur ein Zeichen, sondern vor allem eine gesellschaftliche Erscheinung, die mit dem Denken in engem Zusammenhang steht.
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BIBLIOGRAPHIE
Antigone and Hegel. - In: International Philosophical Quarterly. New York, Heverlee-Louvain. 18 (1978), 289-310. PiETERciL, RAYMOND:
Verf. vergleicht die sophokleische Tragödie mit H.s Interpretation in der Phänomenologie und den folgenden Schriften. Für H. interessant ist die sich notwendig abspulende Dialektik des Konflikts Individuum-Staat, der sich am Konflikt Antigone-Kreon darstellt und in der Bruderbeziehung der Antigone als „distinction of the sexes”, als Gegenläufigkeit ihrer Verpflichtungen auf menschliches und göttliches Gesetz thematisiert wird. Der abschließende Blick auf Goethes Kritik an H.s Interpretation der Tragödie und die Konfrontation der Texte der Phänomenologie mit neueren Sophoklesinterpretationen sowie die aus den späteren Texten H.s eruierbare Gleichsetzung antiker und moderner (shakespearescher) Tragödie macht auf eine Zweideutigkeit in H.s Antigonedeutung aufmerksam. Es läßt sich das tragische Schicksal statt aus der Absolutsetzung partieller Wahrheit und dem daraus resultierenden Konflikt auch erklären als die Verdammung, Wahrheit niemals erreichen zu können, weil jede „Theophanie” in sich zweideutig bleibt.
De la „Phenomenologie de PEsprit” aux „Legons d’Esthetique”. Continuite et evolution de rinterpretation hegelienne de la tragedie. - In: Revue philosophique de Louvain. Louvain. 77 (1979), 5-23. PiETERciL, RAYMOND:
Y a-t-il un progres de Tun des ä l’autre? Les Legons d’Esthetique donnent plus de place ä la tragedie moderne, mais elles reprennent pour l’essentiel les theses de la Phenomenologie en les figeant parfois dans un dogmatisme qui leur öte toute l’ambiguite mais aussi toute la penetration d’une premiere Inspiration.
Hegel’s Metaphysics and the Problem of Contradiction. - In: Journal of the History of Philosophy. La Jolla, Cal. 16 (1978), 301-312. PIPPIN, ROBERT:
H.s Lehre vom Widerspruch stellt die Formulierung eines Problems dar: die Bestimmung des Verhältnisses von Wesen und Erscheinung. H. geht von einer Identität und Differenz zwischen Wesen (Ding an sich) und Erscheinung aus. Die genauere Bestimmung dieses Sachverhaltes führt zur Feststellung eines Widerspruches: das Wesen ist und ist nicht seine Erscheinung. Die Kontradiktion ergibt sich aus der Natur von Wesensurteilen, die nicht als prädikative Urteile im gewöhnlichen Sinn formuliert werden können. Die bei Wesensbestimmungen vorkommende Identität bedeutet Identität im Prozeß: ”Thus a plant ’is not’ its seed or blossom or fruit, but neither is it something ’other’ than the becoming of these moments.” H.s Ziel ist es, ohne dogmatische Setzung das Wesen einer Sache zu bestimmen.
Die neue Mythologie. Grenzen der Brauchbarkeit des deutschen Romantik-Begriffs. - In: Romantik in Deutschland. Ein interdisziplinäres Symposion. Hrsg. v. R. Brinkmann. Stuttgart 1978. (Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Sonderband.) 341-354. PöGGELER, OTTO:
Vgl. die Besprechung im folgenden Band.
Hegel et Machiavel. Renaissance italienne et idealisme allemand. - In: Archives de Philosophie. Paris. 41 (1978), 435-467. PöGGELER, OTTO:
„Vers 1800 Herder, H., Fichte et d’autres encore ont interprete Machiavel d’une nouvelle maniere: pour eux les idees politiques de Machiavel n’ont pas seulement un rapport histori-
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que ä la Situation de la Renaissance italienne, ils les appliquent aussi ä l’Allemagne contemporaine. H. a appris de Machiavel la signification historique de l’usage de la force; Machiavel renverse la conception de l’ordre, propre ä la philosophie acienne, mais precisement H. insere ce renversement dans la conception d’un ordre dynamique se developpant historiquement. Vers 1900, quand on discutait sur la relation de H. ä Machiavel, F. Meinecke a interprete ä tort, ä partir du nationalisme, la pensee pre-nationale de H.; c’est seulement parce qu’ils modifiaient le sens de la philosophie de H. que bien des hegeliens furent conduits ä la conception d’un Etat national.” (Zusammenfassung des Verf.s.)
L. BRUNO: Transzendentalität und Logik. Prolegomena zur Reformulierung eines ungelösten Problems. - In: Neue Hefte für Philosophie. Heft 14: Zur Zukunft der Transzendentalphilosophie. Göttingen 1978. 76-114. PuNTEL,
Im Rahmen einer ausführlichen Diskussion des Themas „Transzendentalität und Logik” nimmt Verf. auch auf H.s Logik Bezug und weist darauf hin, „daß dieses Werk zunächst von einem großen Ballast befreit werden müßte, der nicht zur Dimension des Strukturallogischen gehört. Ganze Teile (z. B. ausgerechnet die 'Subjektivität des Begriffs’, einzelne Partien der 'Objektivität des Begriffs’ und des Kapitels über die 'Idee’) müßten aus der Wissenschafi der Logik herausgenommen werden. - Außerdem müßte die Methodenfrage neuerlich aufgeworfen und von Grund auf reformuliert werden. Erst auf dieser Basis könnte H.s Werk eine solide Vorlage zum Aufbau einer strukturalen Logik abgeben.”
B. M. G.: The Romanticism of Karl Marx. - In: The Downside Review. Oxford. 96 (1978), N. 322, 1-12. REARDON,
Verf. will zeigen, daß Marx’ Entwurf einer materialistischen Gesellschaftstheorie entgegen der bekannten H.-Kritik gleichwohl sich dem H.schen Ansatz verdankt bzw. Grundzüge dieser Konzeption weiterführt. Zu diesem Zweck gibt Verf. zunächst eine knappe Charakterisierung der H.schen Philosophie; das eigentliche Bindeglied zwischen Marx und H. liegt in H.s Geschichtsphilosophie sowie in der dialektischen Entwicklung von Staat, Gesellschaft und „Sittlichkeit”, deren „essentials” in Marx’ eigenem Ansatz aufgehoben sind.
Hegel und die formale Logik. - In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie. Berlin (DDR). 26 (1978), 350-358. REDLOW, GöTZ:
Marx und Engels unterscheiden wie H. zwischen Verstand und Vernunft. Diese Unterscheidung enthält zugleich Kritik und Anerkennung der Verstandestätigkeit. Der Verstand schafft Einseitigkeiten, hält an endlichen Denkbestimmungen fest, wodurch überhaupt erst das Bedürfnis ihrer Aufhebung durch die Vernunft entsteht. Das Vernünftige, Dialektische, Logische ist Prinzip der Bewegung, der Aufhebung von Widersprüchen. Eine vom Verstand getrennte Vernunft gelangt nur zu einem leeren Skeptizismus. Die Dialektik setzt an die Stelle von Definitionen den historischen Bildungsprozeß der Begriffe. Marx und Engels sehen deshalb in der Wissenschaft der Geschichte die einzige wirkliche Wissenschaft. H.s dialektische Methode steht im Widerspruch zu seiner Auffassung, daß die Wahrheit im System liege. Erst Marx befreit die Dialektik von jeder metaphysischen Systembindung.
Hegel. - In: La revolution kantienne. Histoire de la philosophie. Edite par Yvon Belaval. Paris 1978. (Idees. 391.) 105-161. REGNIER, MARCEL:
Vgl. auch in diesem Band.
BIBLIOGRAPHIE
410
A.; A Critica da „Teoria dos Direitos Naturais” em Rousseau e em Hegel [Die Kritik der „Theorie der Naturrechte” bei Rousseau und Hegel], - In: Ideia e Materia. Lisboa 1978. 323-348. RESENDE, HERNäNI
Vgl. die Besprechung im folgenden Band.
Friedensidee und Friedenswirklichkeit bei Kant, Fichte und Hegel als Repräsentanten des Anspruchs vorrevolutionärer, revolutionärer und nachrevolutionärer Vernunft. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 247-256. REUVERS, HANS-BERT:
Verf, wirft die Problemstellung des Widerspruchs von Frieden als Idee und Frieden als Realität im Blick auf eine Philosophie auf, „die sich selbst mit dem Begriff der Vernunft identifiziert”. Verf. verwirft Kants Reduktion der Idee des ewigen Friedens auf „pure Moral”, da durch sie schlechte Wirklichkeit der befriedeten Unwirklichkeit überantwortet und politische Philosophie somit zur „Kompensationsideologie einer schwachen deutschen Bourgeoisie” werde. Fichtes anfängliche Parteinahme für dene Frieden, orientiert an dem für sein Philosophieren zentralen Begriff der Freiheit, werde von einem Bruch mit der Friedensidee abgelöst und ende schließlich in einer Rechtfertigung des „wahrhaften Krieges” als Mittel der Verwirklichung von Frieden und Freiheit. H.s „Dialektik von Krieg und Frieden” gebe den Schlüssel zur Lösung des Problems von Friedensidee und Friedenswirklichkeit, indem der Krieg zum Umweg der Geschichte im Fortschreiten zur Freiheit und damit als Mittel des historischen Prozesses Instrument der „List der Vernunft” werde.
Konflikt und Versöhnung. Untersuchungen zur Theorie des Romans von Hegel bis zum Naturalismus. Stuttgart 1978. (Germanistische Abhandlungen. 47.) RHöSE, FRANZ:
4-25: ZMiischen Bildungsroman und Desillusionsroman. Zur Ambivalenz der Kategorien für Roman und Romanschluß in Heget Ästhetik. - Vgl. die Besprechung in: Flegel-Studien. 14 (1979), 408-409.
Hegel: A Fenomenologia do Espiritu: „Eu e o Meu Desejo” [Hegel: „Phänomenologie des Geistes”: „Ich und meine Begierde”]. - In: Ideia e Materia. Lisboa 1978. 359-366. RIOBOM, VASCO:
Vgl. die Besprechung im folgenden Band.
Die Bewegung des Erkennens in Hegels Jenenser Logik und Metaphysik. - In: Philosophisches Jahrbuch. Ereiburg, München. 85 (1978), 71-86. RICHLI, URS:
Im Unterschied zu derjenigen H.-Forschung, die es aufgegeben habe, „Hegels Methode an dem eigenen Anspruch zu messen”, arbeitet Verf. die kontingenten Momente heraus, von denen die Methode durchsetzt ist und betrachtet im Blick auf sie Hegels methodologische Reflexionen über Immanenz und äußerliches Bedingtsein des begrifflichen Fortgangs in der Logik und Metaphysik. Seine Ausführungen stützen sich insbesondere auf die Methode des Entwurfs Logik, Metaphysik, Naturphilosophie (1804/05); sie greifen aber auch auf die Wissenschafl der Logik vor.
Abhandlungen zur Hegelforschung 1978
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La dialectique de Kant ä Hegel. - In: Les Etudes philosophiques. Paris 1978, N. 3, 315-332. RIVELAYGUE, JACQUES:
De Kant ä H. le sens du mot „dialectique” a completement change, mais on peut suivre cette transformation ä travers l’oeuvre de Salomon Maimon, Fichte et Schelling en suivant plusieurs pistes dont les points de depart se situent chez Kant, soit dans la Kritik der reinen Vemunfl (Transzendentale Dialektik, Tafel der Kategorien; Antizipationen der Wahrnehmung) soit dans les Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschafl (Dynamik).
Ross, ROBERT E.: Hegel, the Plato of the Modem World. - In: Southwestem Philosophical Studies. 2 (1978), 73-76. In that H. has emphasized the transcendence of reason in his doctrine of the concrete universal, and has combined realism an idealism with a stress upon dialectical reason, he can be called „the Plato of the modern world”.
Von der „Wissenschaft der Logik” und dem Verhältnis von Dialektik und Logik. In: Seminar: Dialektik in der Philosophie Hegels. Hrsg. V. R.-P. Horstmann. Frankfurt a. M. 1978. (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. 234.) 70-100. RüBEN, PETER:
Wiederabdruck aus: Zum Hegelverständnis unserer Zeit. Berlin 1972. Vgl. Hegel-Studien. 9 (1974), 329 und 370.
Betrachtung der sozialgeschichtlichen Erkenntnis bei Hegel. Das Selbstbewußtseinskapitel der Phänomenologie. [Japanisch.] In: Keizaikagaku (Universität Nagoya). Nagoya. 25 (1978), N. 4,136-158. SASAKI, MASANORI:
Anhand einer relativ freien Interpretation des Selbstbewußtseinskapitels der Phänomenologie untersucht Verf., wie der Mensch als In-der-Natur-Sein durch die gegenseitige Anerkennung zum wirklichen Menschen als In-der-Gesellschaft-Sein wird.
Bataille - Hegel ou l’enjeu philosophique. - In: Les Etudes philosophiques. Paris (1978). N. 4, 465-479. SASSO, ROBERT:
Georges Bataille, dont l’interpretation de H. depend beaucoup de celle de A. Kojeve, pense que, selon plusiers indices per9us dans la personnalite ou dans l’oeuvre de H., des elements negatifs resistent ä leur „Aufhebung” par le Systeme se constituant en Savoir absolu. Peut-on, en les remettant en action, envisager une pensee qui depasse H.?
Jakobinismus und Revolution. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 239-246.
SCHEEL, HEINRICH:
Verf. beleuchtet zuerst H.s Verhältnis zur Französischen Revolution. Auf eine anfängliche Begeisterung für die demokratische Revolution folgte unter dem Eindruck besonders des 2. Koalitionskriegs die Wendung zu einer reformistischen Position, zum Ideal eines „Klassenkompromisses zwischen Bürgertum und Adel in Deutschland”, wie es sich vor allem in der Schrift Uber die neuesten inneren Verhältnisse Württembergs dokumentiert. Im zweiten Teil untersucht Verf. die Rolle der Volksmassen im Verlaufe der drei „Aufstiegsphasen” der Revolution in Frankreich (1789,1792, 1793) und fragt insbesondere nach den Ursachen für die mit dem 9. Thermidor auch nach außen hin sichtbar gewordene Entfremdung zwischen Jakobinertum und Volk.
BIBLIOGRAPHIE
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Hegels Abschrift von Goethes Gedicht „Schäfers Klagelied”. - In: Hegel-Studien. Bonn. 13 (1978), 77-84. SCHNEIDER, HELMUT:
The Hegel-Archiv and the Hegel-Ausgabe (19581978). In: The Owl of Minerva. Villanova, Pa. 9 (1978), N. 4, 1-2.
SCHNEIDER, HELMUT:
Bericht über das H.-Archiv, das auf zwanzigJahre seines Bestehens zurückblicken konnte, seine Aufgaben und laufenden Arbeitsprojekte. SHAPIRO, ELEANOR
M.: Perception and Dialectic. - In: Human Studies. 1
(1978), 245-267. H.s master-slave dialectic is used as an image to illuminate Merleau-Ponty’s discussion, in Phenomenologf of Perception, of the manner in which the experience of meaning emerges from the pre-objective.
Die Kategorie des „Scheins” und die Theorie der Malerei in der Ästhetik Hegels. [Japanisch.] - In: Riso. Tokio. 1978, N. 540, 177-191. SHIKAYA, TAKAKO:
In H.s Bestimmung der Schönheit als „des sinnlichen Schemens der Idee” richtet Verf. ihr Augenmerk auf die Kategorie des „Scheins” und versucht zuerst die Eigentümlichkeit dieser Kategorie bei H. durch den Vergleich mit Plato, Kant und Schiller zu klären. Sie zeigt dann, daß der Sinn dieser Kategorie durch die IViss. d. Logik (Logik des Scheins) begründet ist. Verf. analysiert dann die konkrete Weise des Phänomens des Scheins in H.s Theorie der Malerei und weist darauf hin, daß H., der an dem Maßstab des Scheinens der Idee festhält, das eigentümliche Phänomen des Scheins in der Spätromantik nur für eine Verengung der Bestimmung der Kunst hält. Obwohl seine Ästhetik das Schicksal der modernen Kunst treffend als „Scheinen als solches” vorwegnehme, mache ihr absolut-teleologischer Horizont eine angemessene Interpretation dieses Phänomens unmöglich. Für die Auseinandersetzung mit der These vom „Ende der Kunst” und die Begründung der modernen Kunst sei eine neue Interpretation des Sinnes von Schein notwendig.
Die Wandlung des Seinsbegriffs in Hegels LogikKonzeption. - In: Hegel-Studien. Bonn. 13 (1978), 119-174. SHIKAYA,
TAKAKO:
Interiodade, Exteriodade e Saber [Innerlichkeit, Äußerlichkeit und Wissen]. - In: Ideia e Mat^ria. Lisboa 1978. 243-264. SOARES GOMES, FRANCISCO:
Vgl. die Besprechung im folgenden Band. SoBOTKA, MILAN: Der Praxis-Begriff bei Hegel. [Tschechisch.] - In: Filoso-
ficky Casopis. Praha. 26 (1978), 135-142. Das Besondere und das Allgemeine in der sinnlichen Gewißheit bei Hegel. - In: Hegel-Jcihrbuch 1976. Köln 1978. 283-287. SOLL, IVAN:
Verf. erläutert die „Spannung zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen”, die ein wichtiges Moment der ganzen Philosophie H.s sei, indem er den Anfang der Phänomenologie
Abhandlungen zur Hegelforschung 1978
413
des Geistes interpretiert. Beim Übergang H.s vom Aufzeigen des Jetzt zum Aufzeigen des Hier macht Verf. auf die Schwierigkeit aufmerksam, „wie H.s Gedankengang über das Jetzt sich auf das Hier ausdehnen läßt, weil es unklar ist, was uns dialektisch zwingen soll, das Hier als ein Ausgedehntes aufzufassen”. Der Dialektik des Aufzeigens, die beweisen solle, daß das, was aufgezeigt werden könne, trotz unserer Absicht, ein Besonderes aufzuzeigen, immer ein Allgemeines sei, hält Verf. entgegen, daß das Aufgezeigte ein Allgemeines nur im Sinne eines Ganzen von Unterteilen, nicht aber von der Art der Allgemeinheit eines Allgemeinbegriffs sei. So kommt Verf. zu dem Ergebnis: „Diese Dialektik beweist nicht . . ., daß das aufgezeigte Jetzt und das aufgezeigte Hier Allgemeine (Plural) sind, sondern daß es sich um Ganzheiten handelt. Indem ein Ganzes nicht dasselbe rvie ein Allgemeines ist, wird es gar nicht deutlich, warum das Aufgezeigte, insofern es ein Ganzes ist, auch nicht ein Besonderes oder Einzelnes sein kann.” SoNTAG, FREDERICK; JOHN K. ROTH: Revolutionizing Marx. - In: Idealistic
Studies. Worcester, Mass. 8 (1978), 157-161. Marx habe zwar materielle Kräfte als die bestimmende Grundlage der Geschichte an die Stelle geistiger Kräfte bei H. gesetzt, nicht aber H. wirklich „revolutioniert”. Marx folge H. in der Tendenz, die Richtigkeit einer einzelnen Theorie anzunehmen, die Entwicklung der Welt als mit dem Denken übereinstimmend zu sehen, das Besondere durch das Allgemeine bestimmt sein zu lassen und Natur und Geschichte in ihren Bewegungsprozessen einer festen dialektischen Form gemäß zu begreifen. Gerade diese gemeinsamen Voraussetzungen H.s und Marx’ bedürften heute einer kritischen Überprüfung: sofern die grundlegende H.sche Metaphysik nicht mehr akzeptiert werden könne, müsse auch die Marxsche Utopie in Frage gestellt werden.
Note sur la formation de la dialectique hegelienne dans „Systeme de la vie ethique”. - In: Revue de Metaphysique et de Morale. Paris. 83 (1978), 244-257. SOUCHE-DAGUES, D.:
Verf. untersucht den Anfang des „Systems der Sittlichkeit” (erste Potenz). Er macht deutlich, daß in dieses System Begriffe unterschiedlicher Herkunft eingegangen sind. Unter den Mitteln, die H. bei seiner Ausarbeitung verwendet hat, sind vor allem die mathematischen von Bedeutung.
Hegel a Bema: il problema del kantismo della „Vita di Gesü” [Hegel in Bern: das Problem des Kantianismus des „Lebens Jesu”]. - In: Teoresi. Catania. 33 (1978), 37-57. SPAGNOLO, SALVATORE:
Det er jo meine Zuthat (SV IV 210). Kierkegaards Erfahmng über Hegel oder Etwas über des Johaimes Climacus Philosophische Bissen. - In: Evangelische Theologie. München. 38 (1978), 372-386. STEIGER, LOTHAR:
Kierkegaards scharfe H.-Kritik läßt leicht seine starke Abhängigkeit von H. übersehen. So bezieht er sich in dem entscheidenden Text über das absolute Paradox in den Philosophischen Brocken (oder Brosamen oder Bissenl) auf H.s Phänomenologie des Geistes, in der das Bewußtsein seine Erfahrung selbständig, ohne Zutat des nur zuschauenden Philosophen macht. Im Gegensatz zu H. hält Kierkegaard eine Zutat, einen Sprung für notwendig. Der Beweis vom Dasein Gottes gelingt nur in einem Loslassen des Beweises, das „meine Zutat”
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BIBLIOGRAPHIE
ist. Fast alle Kategorien Kierkegaards sind der H.schen Wissenschaft der Logik entnommen. Kierkegaard verdoppelt den Begriff der Existenz durch die Erfahrung von Existenz in Zeit, „der gegenüber H.s Begriff zeitlos zurückbleibt”.
The First Hegelians: An Introduction. - In: The Philosophical Forum. Boston, Mass. 8 (1978), 6-23. STEPELEVICH, LAWRENCE S.:
A historical cmd doctrinal survey of the Young Hegelian school from 1828 to 1848 which treats the major figures of this school - Feuerbach, von Cieskowski, Strauss, Marx, Stimer, Bauer and Schmidt. The intention of this article is to present Young Hegelianism, whose evolution into a radical cricticism of all established forms was provoked and conditioned by the repressive social and political climate of pre-revolutionary Germany.
STRüNING, H.-D.:
Die Bildbenützung von Naturerscheinungen in der Philosophie (dargestellt an der metaphorischen Rede vom „Blitz” bei Hegel). - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 316-326. EI. plädiert für eine maßvolle Verwendung von Metaphern. Nur im Begriff, im Denken kann die Philosophie ihre Wahrheit zur Sprache bringen.
SuHR, DIETER: Staat - Gesellschaft - Verfassung von Hegel bis heute. - In:
Der Staat. Berlin. 17 (1978), 371-395. Im Ausgang von einer Analyse der H.schen Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft unterzieht Verf. die neuere Entwicklung der Verfassungslehre einer ausführlichen und kritischen Betrachtung. Einerseits wendet er sich - unter Berufung auf H., Lorenz von Stein und Marx - gegen eine schlichte Sonderung beider Sphären, welche die geschichtliche Fundierung der Staatsverfassung im gesamtgesellschaftlichen Gefüge ignoriert. Andererseits fordert er im Anschluß an H. eine Reformulierung des verfassungsmäßigen Begriffs der Freiheit in Rücksicht auf den ursprünglichen Zusammenhang von Person und Eigentum, der selber gesellschaftsgeschichtlich situiert und definiert ist.
Über die Urteilslehre Hegels (5). Qapanisch.] - In: Matsuyama-Shodai-Ronso. Matsuyama. 28 (1978), N. 6, 45-77. SUZUKI, SHIGERU:
Verf. interpretiert ausführlich den Abschnitt „Das Urteil des Begriffs” der Wiss. d. Logik.
Die Struktur der Entwicklung von Bewußtsein und Gegenstand. Eine Eigenschaft der idealistischen Darstellung Hegels in der „Phänomenologie des Geistes”. [Japanisch.] - In: Gendaishiso. Tokio. 1978, N. 6-16, 320-345.
TAKAHASHI, YOJI:
Verf. weist daraufhin, daß die Struktur des Kapitels über die „sinnliche Gewißheit” nicht so sei, wie es in der „Einleitung” (als Methode der Darstellung) angegeben sei. „Die sinnliche Gewißheit” nämlich prüfe die Realität ihres Wissens nicht selbst, sondern „wir” als Philosophierende. Deshalb schlägt Verf. vor, daß man, um die Methode der Selbstprüfung befolgen zu können, die sinnliche Gewißheit nicht so abstrakt, wie es bei H. geschieht, sondern innerhalb des Begriffs der gesellschaftlichen Beziehungen betrachten müsse.
Abhandlungen zur Hegelforschung 1978
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Das Urbild und die Phase der Staatslehre Hegels. Der Gesichtspunkt der Kritik des modernen Naturrechts. [Japanisch.] - In: Gendai-no-Me. Tokio. 19 (1978). N. 2, 260-271.
TAKEMURA, KIICHIRO:
R: Lukäcs y el prefacio autocrito de 1967 [Lukäcs und das selbstkritische Vorwort von 1967]. - In: Ideas y Valores. Bogota. 1978, N. 51-52, 93-122. TELLEZ,
La conception hegelienne de l’espace et du temps. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 187-194. THEAU, JEAN:
H. und Kant stimmen darin überein, daß Raum und Zeit Anschauungsformen sind. Für H. gehören sie aber gleichermaßen zum Subjekt wie zum Objekt. Kaum ein anderer Denker hat den Zusammenhang von Raum und Zeit so vorzüglich dargestellt wie H.
Revelation et discours. - In: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie. Freiburg (Schweiz). 25 (1978), 456-469.
THEIS ROBERT:
On ne peut pas eviter les graves questions que pose H. au discours theologique. Pour lui le mouvement discursif est auto-fondateur en Sorte que l’unite du discours exprime parfaitement lünite mediatisee du reel. Dans le discours speculatif la rose est dans la croix et le vendredi-saint peut devenir un moment; il n’en est rien dans le discours propre ä la revelation. La reconciliation est un acte de la liberte de Dieu.
Begriff und Realität. Hegels Aufhebung des metaphysischen Wahrheitsbegriffes. - In: Seminar: Dialektik in der Philosophie Hegels. Hrsg. v. R.-P. Horstmaim. Frankfurt a. M. 1978. (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. 234.) 324-359. THEUNISSEN, MICHAEL:
Wiederabdruck aus: Denken im Schatten des Nihilismus. Darmstadt 1975. Vgl. HegelStudien. 12 (1977), 257 f.
Contexte et commencement. - In: Archives de Philosophie. Paris. 41 (1978), 69-80.
THIERRY, YVES:
Verf. nimmt einige Zeilen aus der Wissenschaft der Logik über den Anfang der Wissenschaft zum Anlaß, darüber nachzudenken, wie die Reflexion sich einen Anfang zuweisen kann, ohne sich durch die Aporien des Ursprungs und der Begründung zu belasten.
Hegels Gedanke des Naturrechts. [Japanisch.] - In: Rinrigaku-Nenpo. Tokio. 27 (1978), 75-88. TOYOFUKU, JUNICHI:
H.s Rezeption des Naturrechts im Naturrechts-Nai%a.tz untersuchend, fragt Verf. nach H.s Kritik an Hobbes und Kant. Gegen H. beurteilt der Verf. die Theorie Hobbes positiv, nämlich als Widerspiegelung der englischen demokratisch-bürgerlichen Gesellschaft. Er behauptet auch, daß Kants Lehre des ewigen Friedens in unserer Zeit, in der die Gefahr des nuklearen Weltkriegs bevorsteht, von größerer Bedeutung ist.
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BIBLIOGRAPHIE
Die Genesis und die Welt der „Rechtsphilosophie” Hegels. [Japanisch.] - In: Nagasaki-Kenritsu-Kokusai-Keizai-Daigaku-Ronshu. Nagasaki. 12 (1978), N. 1, 59-101. TSURUTA, KO:
Hegels „Phänomenologie des Geistes” und die Französische Revolution. [Japanisch.] - In: Nagasaki-Kenritsu-Kokusai-KeizaiDaigaku-Ronshu. Nagasaki. 11 (1978), N. 3, 53-79. TSURUTA, KO:
Zum Verhältnis von ideeller und materieller Tätigkeit als konstitutiver Bestandteil materialistischer Erkenntnistheorie. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 201-208. TRIPP, MATTHIAS:
Im Rahmen einer als notwendig vorausgesetzten materialistischen Gnoseologie setzt sich Verf. mit Habermas’ Interpretation der Marxschen H.-Kritik auseinander und untersucht „die Konsequenzen der Habermasschen Marx-Rezeption in Ansetzung des Konstitutionsprozesses materialistischer Erkenntnistheorie”. In Habermans’ Auslegung des Marxschen Ansatzes lassen sich laut Verf. zwei Tendenzen feststellen: „eine, die ihn als Fortsetzung der transzendentallogischen Tradition mit materialistischen Mitteln begreift, die andere, welche die Untersuchung des Marxschen Ansatzes in der Absicht weitertreiben möchte, um aus ihr Erkenntnis über den theoretischen Status des Erkenntnisproblems im Sinne der Selbstreflexion zu gewinnen”. Als Folge daraus ergebe sich der Verlust wissenschaftlicher Erkenntnistheorie zugunsten einer Ideologiekritik, die über den Status einer sozialen Hermeneutik nicht hinauskomme. „Durch seine Interpretation der Marxschen H.-Kritik hat Habermas das Reflexionsverhältnis von materieller und ideeller Tätigkeit als Gegenstand materialistischer Erkenntnistheorie zerstört. Und damit diese selbst.”
Matiere et Sciences de la nature dans la pensee dialectique de Hegel et de Marx. - In: Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 69-77. VADEE, MICHEL:
Unter den zeitgenössischen Wissenschaftlern ist die These weit verbreitet, daß die Dialektik, sei sie idealistisch oder materialistisch, in den Wissenschaften unnütz, ja sogar gefährlich sei. Wie immer es sich mit der Richtigkeit dieser Auffassung verhält, sie kann sich nicht darauf stützen, H., Marx und Engels habe es an zureichenden Kenntnissen auf diesem Gebiet gefehlt.
On Hegel and Creativity. - In: The Owl of Minerva. Villanova, Pa. 9 (1978), N. 3, 1-3. VERENE, DONALD:
Verf. berichtet über eine Tagung zum Thema: H. und Kreativität (29. 12. 1977 in Washington). Zum Hauptreferat von K. Schmitz nahmen K. Dove und D. Lachterman Stellung. Nach Schmitz’ Auffassung ist Kreativität bei H. in der Macht des Negativen begründet. Nach Dove unterscheidet sich H.s Verständnis von Kreativität radikal von dem üblichen. H.s Denken wird durch die Konzeption einer kategorialen Genese bestimmt, in welche die Phänomenologie des Geistes einleiten soll. Lachterman weist u. a. auf H.s Ablehnung eines ästhetischen Absolutismus bei den Romantikern hin, die eine creatio ex nihilo im Ästhetischen für möglich hielten.
Abhandlungen zur Hegelforschung 1978
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Das „Bewußtseins”-Kapitel der „Phänomenologie des Geistes”. [Japanisch.] - In: Riso. Tokio. 1978, N. 540, 67-92.
WATANABE, JIRO:
Der Aufsatz bietet eine referierende und interpretierende Darstellung der „sinnlichen Gewißheit” und der „Wahrnehmung” im Bewußtseinskapitel der Phänomenologie.
Kraft und Verstand. [Japanisch.] - In: Gendaishiso. Tokio. 1978, N. 6-16, 158-173.
WATANABE, JiRo:
Der Aufsatz ist ein genauer Kommentar zum Kapitel „Die Kraft und der Verstand” der Phän omenologie.
C. W.: Hegel’s Reasoning. - In: Idealistic Studies. Worcester, Mass. 8 (1978), 206-219.
WEBB,
In Auseinandersetzung mit verschiedenen Kritikern der dialektischen Logik H.s (Gustav E. Müller, Findlay, Kaufmann) unternimmt Verf. eine eingehende Analyse der Weise, wie H. die konträre und kontradiktorische Form des Widerspruchs in seine logische Konzeption aufnimmt. Die leitende Frage lautet: „Can this dialectic be shown to involve a valid pattem of deductive reasoning?” Den einzelnen Schritten seiner Überprüfung der dialektischen Methode legt Verf. ausdrücklich die gültige Doktrin der formalen Logik (unabhängig von H.s Konzeption der Logik) zugrunde, jedoch mit dem Beweisziel, daß H.s Umgang mit den Grundregeln der formalen Logik letztere keineswegs außer Kraft setzt oder ignoriert. Den Nachweis dieser These exemplifiziert Verf. insbesondere an der Begriffsentwicklung von „Sein”, „Nichts” und „Werden” zu Beginn der Wissenschafl der Logik. Das Resultat seiner Überlegungen charakterisiert Verf. folgendermaßen: H.s „view is that Becoming is an introductory concept, and his view is that the human mind, while it can think contradictions, cannont rest content in them”.
Der Übergang von der Idee zur Natur. - In: HegelJahrbuch 1976. Köln 1978. 53-60. WEISSHAUPT, KURT:
Hs. Rede vom Übergang der Idee in die Natur vermittle einerseits den Eindruck, „die Naturphilosophie entfalte sich aus der Logik notwendig wie die Logik weiter, und andererseits, es beginne mit der Naturphilosophie notwendigerweise eine neue Weise der Entfaltung, deren Beginn bereits eine qualitative Verändemng gegenüber der Logik setze”. Diese Differenz komme dadurch zustande, daß, wie die spekulative Logik sich auf vorliegende Logiken beziehe, so auch „die spekulative Naturphilosophie das Materiale und die Gesetzlichkeit der vorliegenden Naturwissenschaften” ergreife. Statt daß aber H.s Methode sich aufgmnd der anderen Inhalte wandle, werde im Aufnehmen der naturphilosophischen Inhalte diesen zugleich die Struktur der absoluten Methode oktroyiert: „Hier widerspricht die Dialektik sich selbst.”
Bemerkungen zum Anfaug von Hegels Logik. - In: Seminar: Dialektik in der Philosophie Hegels. Hrsg. v. R.-P. Horstmarm. Frankfurt a. M. 1978. (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. 234.) 194-212. WIELAND, WOLFGANG:
Wiederabdruck aus: Wirklichkeit und Reflexion. Pfullingen 1973. Vgl. Hegel-Studien. 10 (1975), 444.
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BIBLIOGRAPHIE
L.: Feuerbach and Hegel. - In: Idealistic Studies. Worcester, Mass. 8 (1978), 136-156. WILLIAMS, HOWARD
Verf, betont die Nähe auch des Kritikers Feuerbach zu H., die sich insbesondere in der einheitlichen Methode beider ausdrücke. Zur Verdeutlichung von Feuerbachs Kritik gibt er einen Überblick über die Positionen H.s, gegen die sich später Feuerbachs Kritik richtet, d. h. insbesondere über Positionen der Logik und der Phänomenologie. Feuerbachs Kritik gelte H.s Festhalten an theologischen Denkformen, die auch darin zum Ausdruck kämen, daß H. seine Philosophie gewissermaßen für die Inkarnation der Philosophie überhaupt halte, während sie doch nur - um H.s Modell der Philosophiegeschichte gegen ihn selbst zu wenden - der Geist ihrer Zeit sei. F. kritisiert ferner H.s Anspruch auf Voraussetzungslosigkeit, seinen Universalienrealismus und die Inkonsistenz, die sich aus H.s kritischer Anknüpfung an Schelling ergebe.
Lineas ideolögicas bäsicas en el siglo XIX en oposiciön a Hegel. Concideraciones contemporäneas sobre la contraposicion „derecha-izquierda”, I-II. - In: Folia Humamstica. Barcelona. 16 (1978), 321-335, 431-446. WissER, RICHARD:
Das unendliche Urteil und der Schluß. Über Hegels Schlußlehre (2). Qapanisch.] - In: Tetsugaku. Tokio. 28 (1978), 176-184.
YAMAGUCHI, MASAHIRO:
Es sei eine Schwierigkeit der Schlußlehre H.s, daß sie die Regel der Qualität und der Quantität der traditionellen Schlußlehre ignoriere und alle Urteile als positive und allgemeine behandele. Wenn aber seine Schlußlehre nicht eine bloße Behauptung sein solle, dann müsse der Horizont freigelegt werden, in dem sie ermöglicht werde. Verf. untersucht diesen Horizont besonders hinsichtlich der dritten Figur des Schlusses (alle B sind A, ein E ist nicht A, also ist das E non B) und findet ihn in H.s Standpunkt der Unendlichkeit. Auf diesem Horizont möchte Verf. die Konklusion „E ist non B” nicht bloß als negatives, sondern als ein unendliches Urteil verstehen. Er verfolgt dann die Logik des unendlichen Urteils im Abschnitt „affirmative Unendlichkeit” der IViss. d. Logik und folgert, daß das unendliche Urteil der wahrhaften Unendlichkeit zugrundeliege und dadurch der Schluß als sich selbst vermittelnde Unendlichkeit zustande komme.
Das Problem der „Gesinnung” in Hegels „Rechtsphilosophie”. [Japanisch.] - In: Riso. Tokio. 1978, N. 540, 160-176. YAMAMOTO, MICHIO:
Hinsichtlich der Entstehungsgeschichte des modernen Staatsbildes bei H. stellt Verf. die These auf, daß sich nicht das Staatsbild an sich, sondern nur die Methode der Deduktion des Staates wandle. Er versucht dann zu zeigen, wie das Problem der „rechten Gesinnung” bei der Wiederberstellung der Idee des antiken Staates in der Rechtsphilosophie wichtig werde. Durch die Anerkennung der Wahrheit der modernen Gesinnung nämlich werde für H. die Möglichkeit der Staatseinheit zum Problem. Er suche deshalb in der Religionslehre der Phänomenologie den erscheinenden Gott in der Tiefe des gewissenhaften Selbst und vermittle die staatliche Einheit durch die gewissenhafte Gesinnung. Die Stellung der „Moralität” in der Rechtsphilosophie ermöglichte so die Vermittlung der Gesinnung des Einzelnen zur staatlichen Einheit.
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Hegel und die Romantik - am Beispiel Friedrich Schlegel. [Japanisch.] - In; Gendaishiso. Tokio. 1978, N. 6-16, 299-306.
YAMAMOTO, SADASUKE:
Im Anschluß an den Aufsatz von E. Hehler (in: Hegel-Studien. Bd 2, 1963) zeigt Verf., daß die Kritik H.s an der romantischen Ironie in den Vorlesungen über die Ästhetik die Theorie der Ironie Schlegels insofern nicht trifft, als die Ironie bei ihm nicht das Prinzip der leeren Subjektivität, sondern vielmehr das Prinzip der Objektivität sei, die aus der Spannung seiner Dialektitk des Geistes entspringe.
Republikanismus und „Kantianismus” beim jungen Hegel. [Japanisch.] - In: Shisaku. 11 (1978), 58-77.
YAMASAKI, JuN.:
Ein Methodologiemodell materialistischer Logik. - In; Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978. 90-99. ZELLER, JöRG:
Um sein Verständnis von Dialektik, deren Sätze empirischer Bestätigung nicht zugänglich sind, zu entwickeln, setzt sich Verf. kritisch mit der analytischen Sprachtheorie von Quine und H.s Dialektikbegriff auseinander. Quines Reduktion von Ideologie (theory of meaning) auf Ontologie (theory of reference) stellt die abstrakte Formulierung eines Materialismuspostulats dar. Die H.-Kritik von K. Marx wird übernommen und dahingehend erweitert, H. habe Sprache als materiellen Erkenntnisträger übersehen.
Materialismus und Idealismus. Eine undifferenzierte Alternative. - In; Hegel-Jahrbuch 1976. Köln 1978.147-167. ZIMMEREI, WALTER CHRISTOPH:
Dem Begriffspaar ’ldealismus-Materialismus’ kommt heute nur noch die Bedeutung umgangssprachlicher Kennzeichnung und theorie-historischer Klassifikation zu (These 1). Die ’Materialismus-Idealismus’-Alternative geht in der Aufklärungsphilosophie von dem cartesianisch geprägten Körper-Seele-Problem aus. Der in der deutschen Philosophie dominierende Idealismus klagt ein verzichtbares Theorieelement ein (These 2). H. unterläuft die 'Materialismus-Idealismus’-Alternative, so daß ihre weitere Verwendung insbesondere bei F. Engels nicht mehr plausibel ist. Engels leitet die systematische Äquivokation im Begriffspaar 'Materialismus-Idealismus' ein, die die Geschichte dieser Alternative bis in unsere Gegenwart prägt (These 3). Es ist heute unmöglich, ein prinzipienmonistisches idealistisches oder materialistisches System in konsistenter Weise zu entwickeln (These 4). Angesichts der fast völlig geschwundenen theoretischen Bedeutung der Begriffsaltemative sollten in der Theoriediskussion und theoriehistorischen Klassifikation beide Begriffe vermieden werden. Verf. sieht in einem reduzierten H.schen Programm einen fruchtbaren philosophischen Ansatzpunkt für die Gegenwart.
Schellings „Deduktion eines allgemeinen Organons der Philosophie” als Bindeglied zwischen romantischer Kunstauffassung und der Neubegründung der Dialektik in Hegels Jenaer Philosophie. - In: Romantik in Deutschland . . . 404-420. ZIMMEREI, WALTHER CHRISTOPH:
Vgl. die Besprechung im folgenden Band.
BIBLIOGRAPHIE
420
Nachträge aus früheren Berichtszeiträumen
: Sobre la verdad en Tomäs de Aquino y Hegel. Estudio comparativo [Uber die Wahrheit bei Thomas von Aquin und Hegel. Eine vergleichende Untersuchung.] - In: Tommaso d’Aquino nel suo settimo centenario. Atti del Congresso intemazionale (Roma-Napoli, 17-24 Aprile 1974). Vol. 6: L’essere. Napoli 1977. 81-103. ALVAREZ GöMEZ, MARIANO
Eine Vergleichbarkeit der Positionen H.s und Thomas von Aquins ergibt sich für Verf. aus den grundlegenden Tatsachen, daß beide entschiedene Aristoteliker waren und daß beider Denken ohne das Faktum des Christentums unverständlich bleiben müsse. Seine eingehende Untersuchung von Übereinstimmungen und Differenzen hinsichtlich des Verständnisses der Wahrheit der Sachen bei den thematisierten Autoren führt Verf. zu dem Schluß, daß der in der Behandlung des 'spekulativen Satzes’ dargestellte Prozeß der Selbstdifferenzierung und Wiedervereinigung nach H. auch der Realität die Gesetzmäßigkeit ihres Prozesses vorschreibe: „Das Ur-teil, das sich für Thomas nur im Geiste ergibt, ist nach Hegel der Realität selbst eigentümlich.”
filosofia do trabalho na filosofia do direito de Hegel [Die Philosophie der Arbeit in Hegels Rechtsphilosophie]. - In: Broteria. Lisboa. 104 (1977), 511-516. ANTUNES, MANUEL: A
Verf. sieht H.s Denken grundsätzlich bestimmt durch Einflüsse der Französischen Revolution und der industriellen Revolution. Erst in diesem Kontext gewinne das Thema der Arbeit qua Theorie der Vermittlung seine wahrhafte Dimension im H.schen Werk. Zusammenfassend sieht Verf. H. als den Philosophen der Vermittlung par excellence, der nicht einfach ein Liberaler oder gai ein totalitärer Etatist, sondern vielmehr ein antizipierter Neoliberaler sei.
F. DE: Certeza sensivel e percep9äo na esfera da consciencia. Duas experiencias na „Fenomenologia do Esplrito”. - In: Kriterion. Belo Horizonte M. G. (Brasil). 68 (1975), 30-49. AQUINO, MARCELO
M. F. DE: Genese e Forma9äo da necessidade e da universalidade do Saber Conceitual [Genese und Gestaltung der Notwendigkeit und der Universalität des begrifflichen Wissens]. - In: Revista Portuguesa de Filosofia. Braga (Port.). 33 (1977), 43-66.
AQUINO,
Verf. bietet eine sich eng an den Text haltende Interpretation des Kapitels „Kraft und Verstand” der Phänonunologie und zeigt, wie das Dialektischwerden des Bewußtseins dazu führt, daß dieses, indem es seinen eigenen Begriff darstellt, sich als Wissenschaft seiner Erfahrung konstituiert. Textgrundlagen sind die Ausgabe Hoffmeisters und das Manuskript einer portugiesischen Übersetzung von Lima Vaz.
Abhandlungen zur Hegel-Forschung/Nachträge
421
C.: Radicalisation of the Critique of Knowledge: Epistemology Overcome or Reinstatement of an Error? - In: Man and World. The Hague. 10 (1977), N. 4, 367-381. BIRCHALL, B.
A critique of the Habermas Interpretation of H. on the matter of H.s failure to develop a comprehensive critique of Kantian epistemology. The article argues that if a critique of knowledge is to be completed, it must follow the lines set out by H. and not by Habermas.
Bojo, AKIFUMI: Einführung in die Wesenslogik Hegels (2). Von der Reflexion zum Grund. [Japanisch.] - In: Shisaku. 10 (1977), 83-102.
Hegel et le probleme de la theologie. - In: Hegel et la theologie contemporaine. L’Absolu dans l’histoire? Neuchätel, Paris 1977. (Bibliotheque theologique.) 94-98.
BRUAIRE, CLAUDE:
L’Absolu et l’histoire. Pensee hegelienne et theologie catholique. - In: Hegel et la theologie contemporaine . . . Neuchätel, Paris 1977. 205-218. CHAPELLE, ALBERT:
CHäTELET,
pRANgois: G. W. F. Hegel. - In: Wanda Barmour; Francois Chate-
let; Jean-Luc Dallemagne; Louis Guillermit; Sami Näir; Alexis Philonenko; Nicos Poulantzsas; Rene Verdenal: Philosophie und Geschichte (1780-1880). Frankfurt a. M., Berlin, Wien 1974. (Geschichte der Philosophie, Ideen, Lehren. 5.) 150-180. Verf. geht aus von H.s Anspruch, mit seinem System die Vollendung der „Zeit der spekulativen Philosophie” erreicht zu haben. Eine Übersicht über das Gesamtwerk findet er anhand von 4 Fragen: 1) „Weshalb und zu welchem Zweck, auf welchen Grundlagen kann ein solcher Plan entstehen?” H.s Jugendschriften seien bestimmt von zwei Motiven: Einmal von der Aufgabe, das Leben zu denken, worunter Verf. das Begreifen der Gegenwart (Individuum, Kultur, Menschheit, jeweils in ihrer Konkretheit) versteht, sodann vom denkenden Nachvollzug der Französischen Revolution. 2) „Wie, auf welchen 'pädagogischen’ Wegen hat sich dieser Plan aufgedrängt?” Die Phänomenologie sei „im strengsten Sinne des Worts ein pädagogisches Werk”: Indem sie die gesamte Menschheitsgeschichte in ihren intellektuellen Entwicklungsstadien darstelle, will sie den einzelnen vom Unwissen zum Wissen leiten. ') „Zu was für einem Text hat er dann schließlich geführt?” In seinem Hauptwerk, der Vissenschafi der Logik, fragte H. nach den „Kategorien” des in der Phän. erreichten Wissens ind setzte in der Enzyklopädie den „allgemeinen Rahmen für die Anwendungsbereiche dieses Wissens”. 4) „Wie ist dieser Plan von seinem eigenen Verfasser benutzt worden?” Verf. untersucht hier die Vorlesungen über Ästhetik und Religion sowie die Rechtsphilosophie als „logisch-ontologische 'Synthese' der ästhetischen Aktivität und der religiösen Haltung”. Gerade an der Rechtsphilosophie zeigt der Verf., daß H. treu alle (gesellschaftlichen) Tatsachen aufnehme. Insgesamt beurteilt er dciher H.s System als antimetaphysisch und realistisch. „Der Realismus H.s übertrifft die idealistischen Allüren seines Diskurses.”
422
BIBLIOGRAPHIE
Filologia spinoziana e spinozismo nella concezione politica di Hegel a Jena [Spinoza-Philologie und Spinozismus in Hegels politischer Theorie in Jena], - In: Verifiche. Trento. 6 (1977), 707-729. CHIEREGHIN, FRANCO;
Verf. untersucht zunächst H.s philologischen Beitrag zu der Spinoza-Ausgabe von Paulus. Im zweiten Teil wird die These diskutiert, der sicheren und tiefgreifenden Kenntnis der Metaphysik Spinozas bei H. entspreche kein vergleichbares Wissen von dessen politischem Denken. Aufgrund von Beobachtungen an H.s und Spinozas Texten weist Verf. diese Behauptung zurück. Dies wird durch den engen Zusammenhang zwischen dem logischmetaphysischen Denken Spinozas und seiner politischen Theorie bestätigt. Verf. zeigt insbesondere, wie H.s Begriff des Subjekts in der Naturrechtslehre zu dem Spinozas zurückführt.
Marx, le rejet de la theorie de la valeur de Ricardo et la critique de la notion de travail chez Hegel. - In: La Pensee. Paris 1977, N. 194, 3-18. CoRNu, AUGUSTE:
Wie Feuerbach in seiner Religionskritik bedient sich Marx in seinen Ökonomisch-philosophischen Manuskripten (1844) zweier Grundbegriffe: Gattungswesen und Entfremdung des Menschen. Im Unterschied zu Feuerbach versteht er die menschliche Tätigkeit als Praxis, die das Bindeglied zwischem dem konkreten Menschen und der konkreten Natur darstellt. Marx richtet sich bei seiner Analyse der Tauschgesellschaft, in der die Menschen sich nicht mehr als Menschen zueinander verhalten, einerseits gegen die bürgerliche Nationalökonomie (Ricardo), anderseits gegen H.s Philosophie des absoluten Geistes, in der die negative Seite der Arbeit übersehen wird. H. betrachtet nicht die Selbsterzeugung des wirklichen Menschen, sondern nur der absoluten Idee. Die Entwicklung von Marx’ ökonomischphilosophischen Anschauungen wird in den Manuskripten durch seinen Feuerbachianismus noch gehemmt.
Hegel y el problema del fin de la etica - Bajo es signo del inmoralismo [Hegel und das Problem des Endes der Ethik - Unter dem Zeichen des Immoralismus]. - In: Revista Latinoamericana de Filosofia. Buenos Aires. 1 (1975), N. 1, 9-26. CRUZ VELEZ, DANILO:
Mit H. erreicht die abendländische Ethik ihren Höhepunkt, und damit beginnt andererseits ihr Niedergang. H. verwandelt die Ethik in Rechtsphilosophie, deren Gegenstand der Staat als absolute Freiheit ist. Diese Konzeption von Freiheit ist an sich selbst utopisch, da der Staat geneigt ist, Individualität zu vernichten. Nach Hegel kommt der Immoralismus auf. Die Versuche, diesen zu überwinden, sind fehlgeschlagen. Das bedeutet aber keineswegs das Ende der Ethik, sondern zwingt dazu, die abendländische Ethik auf sich beruhen zu lassen und nach einer neuen Grundlage der Ethik zu suchen. In der Zwischenzeit brauchen wir eine provisorische Ethik, um das friedliche Zusammenleben der Menschen zu gewährleisten.
Dialettica hegeliana ed epistemologia contemporanea. In: Bollettino di Storia della Filosofia. Lecce. 3 (1975), 81-102. DAL PRA, MARIO:
Abhandlungen zur Hegel-Forschung/Nachträge
423
A., JORGE A.: Hegel y el problema del fin de la etica [Hegel und das Problem des Endes der Ethik]. - In: Revista Latinoamericana de Filosofia. Buenos Aires. 3 (1977), N. 1, 84-86. DIAZ
In dieser kurzen Erwiderung auf den Artikel gleichen Titels von Danilo Cruz Velez weist Verf. dessen These zurück, die H.sche Interpretation von Ethik habe zu einer totalitären Idee des Staates und zur Unterdrückung des Individuums geführt, gegen welche Tendenz Cruz Velez eine Art provisorischer privater, individueller Ethik vorschlägt, welche für Verf. eine Rückkehr zu einem liberalen Verständnis von Ethik bedeute und historisches Verständnis vermissen lasse. Neben dem Vorwurf, Cruz Velez mißdeute H.s System, stellt Verf. den Rat, statt einer durch Heidegger beeinflußten Interpretation die stärker immanente H.Kritik von Marx und den sich in dessen Denken ankündigenden Wandel von individuellem zu kollektivem Gewissen zum Leitfaden zu nehmen.
A., JORGE A.: El tiempo y las experiencias de la conciencia. - In: Revista Venezolana de Filosofia. Caracas. 1977, N. 7, 45-80. DIAZ
Absolu et Histoire dans la philosophie de Hegel. - In: Hegel et la theologie contemporaine . . . Neuchätel, Paris 1977. 99-123.
DUBARLE, DOMINIQUE:
Die Untersuchungen der Hegelschen Logik (3) - Die Dialektik der Reflexion. [Japanisch.] - In: Bungaku-Ronso (Universität Aichi). Nagoya. 58 (1977), 1-36. EBIZAWA, ZENICHI:
R.: Comentario al capitulo primero del escrito Hegeliano „Sobre la diferencia . . .” [Kommentar zum ersten Kapitel der Hegelschen ’Differenzschrift’]. - In: Cuademos Salmantinos de Filosofia. Salamanca. 3 (1976), 115-129. FORNET BETANCOURT,
Der Deutsche Idealismus ist nicht als homogene Vereinigung philosophischer Lehren zu verstehen, sondern diese Bezeichnung benennt das philosophische Ereignis, daß innerhalb einer Weise absoluten Philosophierens bei aller Gemeinsamkeit profunde Unterschiede und Widersprüche ausgetragen werden. Insofern H. in seiner Dijferenzschrifl die Unterschiede zwischen Fichteschem und Schellingschem Denken erst ans Licht bringt und damit die Differenzierung des Deutschen Idealismus in sich selbst repräsentiert, hat diese Schrift besonderes Gewicht für das Verständnis des Deutschen Idealismus. Daß die Schrift wegen der in ihr formulierten Aufgabenstellung an die Vernunft, „festgewordene Gegensätze aufzuheben”, auch als Grundprogramm der gesamten H.schen Philosophie zu verstehen ist, nimmt Verf. zum Anlaß der eingehenden Untersuchungen ihres ersten Teils.
Die Untersuchungen des jungen Hegel. Religionslehre der Jugendzeit und ihre Bedeutung. [Japanisch.] - In: Berichte der zweijährigen Frauen-Hochschule Mimasaka. Mimasaka. 22 (1977), 42-57. FUNAMSRI, SHIGERU:
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Fe y saber en Hegel [Glauben und Wissen bei Hegel]. - In: Revista de Filosofia. Mexico. 10 (1977), N. 29-30, 425-432. GONZALEZ URIBE, HECTOR:
Verf. behandelt das Verhältnis von Glauben und Wissen als zentrale Frage der Religionsphilosophie H.s, welcher darum bemüht sei, die Religion im Lichte seines totalen Systems zu begreifen und den Glauben vermittelst dessen Erhebung zum Wissen aufzuheben, der aber nicht zu dem eigentlich christlichen Glauben an einen persönlichen Gott, der sich persönlich offenbart, gelangen könne.
Zum Begriff der Spekulation bei Hegel. - In: Wiener Jahrbuch für Philosophie. Wien. 10 (1977), 177-207. GRIMMLINGER, FRIEDRICH:
Durch eine Analyse von H.s Begriff der „Spekulation” will Verf. Sinn und Tragweite des H.schen Anspruchs überprüfen, daß nur das spekulativ-idealistische Denken eine Erkenntnis der Wahrheit ermöglicht. Zu diesem Zweck erörtert Verf. eine Reihe von Belegstellen {Dijferenzschrifl, Phänomenologie des Geistes, Wissenschaft der Logik), in denen H. sich unter wechselnden systematischen Voraussetzungen und in variierenden Begriffskonstellationen zu jener Thematik äußert. Am Leitfaden der hier sich abzeichnenden - nicht entwicklungsgeschichtlich dargestellten, sondern in eher experimentierender Rekonstruktion zusammengestellten - Abfolge von Gedankenbestimmungen erörtert Verf. die Möglichkeiten einer Reaktualisierung des spekulativen Denkens und bezieht diese kritisch auf die Problemlage gegenwärtigen Philosophierens.
Hegel en Spinoza [Hegel und Spinoza]. - In: Medelingen vanwege het Spinozahuis. Leiden. 27 (1971), 1-11. GYSENS-GOSSELIN, M.:
H.s Spinozadarstellung ist einer Erörterung der Substanzmetaphysik: für H. gilt aber die Substanz auch als Subjekt.
Hegels Philosophie der Sittlichkeit. [Japanisch.] - In: Berichte der Universität Osaka-Furitsu. Osaka. 25 (1977), 51-60.
HAMATANI,
MASAHIKO:
Der Aufsatz ist eine Darstellung der Entwicklungsgeschichte des jungen H. aufgrund des Gedankens, daß die Philosophie H.s eigentlich die Philosophie der Sittlichkeit sei und die Basis des späteren Systems hierin gesucht werden müsse.
Die Arbeitswertlehre bei Hegel. - In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie. Mainz, Wiesbaden. 63 (1977), 413-426. HEINEN,
MICHAEL:
„H. vermittelt die objektive und subjektive Wertlehre, die für sich beide schließlich resigniert in einer bloßen Verlaufsbeschreibung münden, indem er Arbeit und Bedürfnis als Momente des Wertbegriffs erkennt. Wert ist wesentlich Zeichen für die vergangene Negation durch die Arbeit und Zeichen für die mögliche Negation, Gebrauch, durch den Eigentümer. Diese implizite Zeichentheorie der Rechtsphilosophie erscheint bei Marx noch einmal, ohne direkten Bezug.” (Zusammenfassung des Verf.s.)
Zum Begriff des „Weltgeistes”. Hegels Rechtsphilosophie (3. Teil). - In: Wiener Jahrbuch für Philosophie. Wien. 10 (1977), 73-113.
HEINTEL, PETER:
Die Abhandlung bildet den abschließenden Teil einer großangelegten Analyse von H.s Rechtsphilosophie. „Leitfaden für Interpretationsabsicht und -Selektion ist das Hauptthema aller Teile, den Abschluß der Rechtsphilosophie im Weltgeistbegriff einerseits plau-
Abhandlungen zur Hegel-Forschung/Nachträge
425
sibel zu machen, andererseits dessen aporetische Bedeutung als Konsequenz eines naturwüchsigen Nationalstaatsbegriffs nachzuweisen.” Im ersten Teil resümiert Verf. noch einmal die Ergebnisse seiner bisherigen Untersuchungen. Sodann behandelt er die folgenden Themen: „Das Verhältnis von Privat und Öffentlich, die Identifikation des Staates mit der Substanz des Privaten als Staatskapitalismus, eine Analyse der Begriffe Weltgeist und Nation, sowie der Ständebegriffe, die Frage der Pressefreiheit... des Militärstandes und der Kriegsproblematik, die Bedeutung des Geldes ... die Kritik des Staatszentralismus und des abstrakten Volksbegriffs, ein Ausblick auf politische Bildung, schließlich... die Bedeutung der Weltgeschichte.”
Die logische Struktur der Hegelschen Telelogie. Qapanisch.] - In: Tetsugaku. Tokio. 27 (1977), 126-136.
IRIE, JuKicHi:
Um den Ansatzpunkt der Interpretation der H.schen Telelogie zu finden, prüft Verf. die logische Struktur der Telelogie in der Wiss. d. Logik. Aufgrund der Analyse dieses Kapitels sieht er die Intention H.s darin, in der Sphäre der äußeren Zweckmäßigkeit diese aufhebende innere Zweckmäßigkeit oder Idee aufzuweisen. Aber gerade dadurch werde die „prinzipielle Heterogenität” (Lukäcs) der endlichen Objekt-Verhältnisse in die Homogenität der spekulativen Idee aufgehoben. Hierin die Grenze und den Grundfehler der H.schen Telelogie sehend, behauptet Verf., daß die innere Zweckmäßigkeit nicht als das Ergebnis der spekulativen Erkenntnis, sondern als das geschichtliche Ergebnis gefaßt werden müsse. Nur dadurch, daß man den Zusammenhang der inneren und äußeren Zweckmäßigkeit innerhalb der menschlichen Praxis erfasse, könne man die Telelogie H.s auf kritische Weise übernehmen.
Die Logik des bürgerlichen Gemeinwesens bei Hegel. [Japanisch.] - In: Shiso. Tokio. 632 (1977), 207-223.
JuFUKu, MASAMI:
Ausgehend von der These, daß der Begriff des „Bürgers” als Subjekt der Geschichte für H. unentbehrlich gewesen sei, um die „sittliche Gemeinschaft des Menschen” der Dijferenzschrifl in der Rechtsphilosophie als „Staat” zu erfassen, versucht Verf., die Staatslehre H.s als die Logik der Ausbildung der bürgerlichen Gesellschaft zum bürgerlichen Gemeinwesen zu rekonstruieren. Der Bürger, der als Glied des geschichtlichen Gemeinwesens seinen Selbstgenuß nur durch die Vermittlung mit fremder Arbeit erreichen könne und seine eigenen Arbeitsprodukte in den Besitz des anderen übergehen sehe, unterwerfe sich dem austauschbaren Wert und werde so zu einem Objekt. Um diese Umkehrung und Entfremdung aufzuheben, führe H. den politischen Staat ein, durch den sich der einzelne Bürger des Gemeinwesens als seines eigenen Produktes bewußt werde. Aber gerade hierin sieht der Verf. den Widerspruch H.s zu seinem eigenen Prinzip, nämlich die Substanz zum Subjekt und umgekehrt das Subjekt zur Substanz zu machen.
Hegels Begriff der Freiheit und sein Gedanke des ganzheitlichen Menschen. [Japanisch.] - In: Shakai-Rodo-Konkyu (Universität Hosei). Tokio. 23 (1977), 1-18.
JuFUKu, MASAMI:
Ausgehend von der These, daß H.s Begriff der Freiheit als Bei-sich-sein des Selbstbewußtseins in seinem Anderssein (Phän.) erst im ganzheitlichen Menschen des sittlichen Gemeinwesens wahrhaft realisiert werden könne, unternimmt der Verf., die Seinsstruktur dieses allgemeinen Individuums zu klären. H. sah es als seine Aufgabe, zuerst aufgrund der Betrachtung der antiken Polis aus der Verallgemeinerung der positiven Seite der antiken Sklavenarbeit zu den neuzeitlichen Verhältnissen der Bürger zu gelangen. Dann betrachtet er die Struktur der Arbeit als Vermittlung zwischen Dingen und Menschen und sieht darin
BIBLIOGRAPHIE
426
eine weitere Aufgabe, einzelne Selbstbewußtseine zu allgemeinen zu machen. Verf. interpretiert das Kapitel „Moralität” der Phänomenologie als Lösung dieser Aufgabe. Gerade darin, daß der Begriff der Freiheit bei H. aufgrund der Verallgemeinerung der Arbeit als freie Gemeinschaft der ganzheitlichen Menschen konzipiert ist, sieht der Verf. eine positive Seite des H.schen Gedankens.
W.; Dialektiek contra axiomatiek. Een confrontatie tussen Spinoza en Hegel onder methodologisch opzicht [Dialektik gegen Axiomatik. Eine Konfrontation zwischen Spinoza und Hegel in methodologischer Hinsicht]. - In: Medelingen vanwege het Spinozahuis. Leiden. 33 (1974), 1-18. KLEVER,
Nach einer Darstellung der axiomatischen Methode Spinozas erörtert Verf. die H.sche Methodenkritik an Spinoza.
Hegel und das Problem des sozialen Inhalts ästhetischer Wertung. - In: Wissenschaftliche Zeitschrift der HumboldtUniversität zu Berlin. Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe. Berlin (DDR). 26 (1977), 523-528.
KLEINSCHMIDT, SEBASTIAN:
Über Hegels pädagogische Anschauungen (2). [Japanisch.] - In: Jinmon-Kenkyu (Universität Kanagawa). Yokohama. 67 (1977), 91-103.
KURSOSAWA,
KOREAKI:
Verf. zeigt, wie die Moralität bei H. im Gegensatz zu Kant zur Bildung des Bürgers in der sittlichen Wirklichkeit diene. Das höchste Prinzip der Kantischen Sittenlehre nämlich sei die Autonomie des Willens. Aber wegen der Allgemeinheit des kategorischen Imperativs sei dies Sittengesetz vom geschichtlich besonderen Menschen isoliert und gerate in den Formalismus. Dagegen zeige bei H. die Stellung der „Moralität” zwischen „dem abstrakten Recht” und „der Sittlichkeit” in der Rechtsphilosophie, daß sich hier die Moralität nicht abstrakt für sich entwickele, sondern erst in der Sittlichkeit ihren konkreten Inhalt gewinne. In der Entwicklung der „Sittlichkeit” von der „Familie” zur „bürgerlichen Gesellschaft” und zum „Staat” sieht der Verf. die pädagogische Bedeutung der Moralität bei H.
Contrat social ä la pensee dialectique. - In: Annales de rinstitut de Philosophie. Bruxelles. 1977, 87-106. LEGROS, ROBERT: DU
Nach H. fallen in Rousseaus Theorie vom Staatsvertrag das Allgemeine (citoyen) und das Besondere (homme) unvermittelt auseinander. Die Verwirklichung dieser Theorie in der Französischen Revolution führt zur Schreckensherrschaft, diese zum liberalen Staat, in dem Allgemeines und Besonderes gleichfalls einander äußerlich bleiben. Dagegen versteht H. den Staat als Verwirklichung der konkreten Freiheit. Zu diesem Staate verhielte sich das Individuum wie der Teil zum Ganzen. - Marx nimmt diese Kritik H.s an Rousseau auf, richtet sie aber gegen ihn selbst. Sie muß gleichermaßen gegen eine politische Konzeption gewendet werden, die im Verhältnis der Produktivkräfte zum Staat diesen als abgeleitet betrachtet.
Abhandlungen zur Hegel-Forschung/Nachträge
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L’Absolu et l’Histoire selon Hegel. - In; Hegel et la theologie contemporaine . . . Neuchätel, Paris 1977, 81-93.
LEONARD, ANDRE:
La philosophie hegelienne de l’histoire selon Karl Löwith. - In: Hegel et la theologie contemporaine . . . Neuchätel, Paris 1977, 148-161. LEUBA, JEAN-LOUIS:
Uber Hegels „Logik des Seins”. [Japanisch.] - In: Tetsugaku. Tokio. 27 (1977), 115-125. MATSUI, YOSHIKAZU:
Ausgehend von der These, daß reines Sein als Anfang der H.schen Logik die Identität von Denken und Sein bedeute, versucht der Verf., durch die Erläuterung dieser Identität die „Logik des Seins” und ihr Verhältnis zur „Ontologie” zu klären. Im Anschluß an Heidegger versucht er einerseits den inneren Zusammenhang zwischen der Ontologie und der Logik dadurch zu zeigen, daß er dieses Sein als „gründenden Grund” oder als „Logos” im Sinne des versammelnden Anwesenlassens interpretiert und so das Sein als in sich schon logisch erfaßt. Andererseits hält er diesen Gedanken Heideggers insofern für einseitig, als er das Denken auch als Gespräch mit dem Grund nicht eigens hervorgehoben hat. Nach dem Verf. entwickelt sich das Denken H.s als Dialektik (Dia-logos) in der Kluft des Logos, indem das reine Sein durch das Denken vom Dasein abstrahiert und zugleich umgekehrt von diesem angezogen wird.
Über die Geschichtsphilosophie der „Idee” Hegels. [Japanisch.] - In: Tetsugaku. Tokio. 27 (1977), 137-148.
MATSUMOTO, MASAO:
Ausgehend von der These, daß die allgemeine Kritik an der Geschichtsphilosophie H.s, sie überblicke das Ganze der Geschichte von einem überweltlichen Gesichtspunkt, falsch sei, versucht Verf., die weltimmanente Struktur der geschichtsphilosophischen Ansicht H.s anhand seiner Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte zu erläutern und ihre positive Seite für die Gegenwart zu retten. Die Beschränkung des Problembereiches der Geschichte auf die Entfaltung des geistigen Prinzips des Staates bei H. zeige, daß seine Geschichtsphilosophie das Bewußtsein der Identität des Subjekts der Geschichtsschreibung und des Subjekts der Geschichte zu ihrem ontologischen Grund habe. So werde seine Weltgeschichte als Gang der Selbstentdeckung des Geistes eins mit dem Fortschritt des Bewußtseins der Freiheit. Hinsichtlich der „List der Vernunft” schließt sich der Verf. eher an H. Marcuse als an B. T. Wilkins an. Die Geschichtsphilosophie H.s hat für den Verf. einen unvertilgbaren Wert, weil sie vom Historiker die Reflexion auf seine eigene Handlung in der Geschichte und die Rechtfertigung seiner Geschichtsschreibung fordert.
Jacobi e Schelling nello Hegel logico [Jacobi und Schelling im logischen Hegel]. - In: Studi Urbinati di Storia Filosofia e Letteratura. Urbino. 51 (1977), N. 1-2 (Special: Atti del Convegno internazionale su Schelling e Kant 1975), 279-292. MORRESI, RUGGERO:
Verf. fragt nach den Gründen, die H. dazu geführt haben, in der Enzyklopädie]d^cohi eine Sonderstellung einzuräumen, wogegen Schelling nur in Andeutungen vorkommt. Die Antwort gibt Verf. anhand der Stellen in H.s Werken, wo von beiden Philosophen die Rede ist, und stellt fest, daß das Urteil in der Enzyklopädie nicht zufällig ist, da H. nur Jacobi und nicht Schelling originelle Ansätze zuerkennt.
BIBLIOGRAPHIE
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Die Begriffsbestimmung der „Person” in Hegels „Philosophie des Rechts”. [Japanisch.] - In: Tetsugaku (Universität Hokkaido). Sapporo. 13 (1977), 24-41. MURAKOSHI,
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Der Ort des Leidens bei Hegel (1). [Japanisch.] - In: Berichte der literarischen Fakultät der Frauenuniversität Hiroshima. Hiroshima. 12 (1977), 15-22. NAKAYAMA, MASARU:
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NERSESIANTS,
This article sees Hegelian political and historical theory as being distorted by both the right, who view H. as a totalitarian, and the left, who view H. as an advocate of violence. The critical survey concludes by noting that „The Founders of Marxism” recognized the revolutionary potential of Hegelianism, but a potential that was concealed by a conservative idealism.
V.: K charakteristike ponjatija „prakticeskaja ideja” v filosofii Hegelja [Das Charakteristische des Konzepts einer „praktischen Idee” in der Philosophie Hegels]. - In: Vestnik Obscestvermyh Nauk. Erevan. 1977, N. 10, 55-63. OsiPovA,
fn der „Wissenschaftlich-Technischen Revolution” habe die Erkenntnis von der Idee als Prozeß - Leben, Bewußtsein und absolute Idee - neue Aktualität erlangt, besonders im Lichte des dialektischen Materialismus: die Bewegung der Idee sei vor allem ihre Dialektik. Daher habe Lenin hier die Wurzel des historischen Materialismus gesehen: der Geist komme zu sich selbst durch Arbeit. Die Erkenntnistätigkeit des Menschen werde nicht von der gesellschaftlichen Praxis losgelöst betrachtet; H. habe allerdings unter Arbeit nur die geistig-abstrakte Denktätigkeit verstanden. Nichtsdestoweniger könne seine Leistung nicht hoch genug bewertet werden, da auch, wenn er es nicht expressis verbis ausspreche, gerade durch die Dialektik die Aufmerksamkeit auf die „gesellschaftliche Praxis” gelenkt werde.
Tres textos sobre un momento histörico: Burke, Novalis, Hegel.- In: Teoria. Santiago de Chile. 1975, N. 5-6, 120-123. OYARZüN-R., PABLO:
Presencia de Hegel en America. - In: Revista de Filosofia Latinoamericana. San Antonio de Padua, Arg. 2 (1976), N. 3-4, 81-91.
PALADINES, CARLOS:
Subjectivite de Dieu et doctrine de la Trinite. - In: Hegel et la theologie contemporaine . . . Neuchätel, Paris 1977. 171-189.
PANNENBERG, WOLFHART:
Abhandlungen zur Hegel-Forschung/Nachträge
429
La morale kantiana e la Propedeutica filosofica dello Hegel [Die kantische Moral und H.s philosophische Propädeutik], - In: Bollettino di Storia della Filosofia dell’ Universitä degli Studi di Lecce. Lecce. 4 (1976), 191-247. PAPULI, GIOVANNI:
Verf. geht davon aus, Kants Philosophie spiele für die Bildung des H.sehen Denkens eine „sehr bescheidene” Rolle. Er will freilich nicht H.s Interesse für Kant leugnen, sondern nur die widerlegen, die seine Philosophie für die höchste Entwicklung der Kantischen bzw. für die stärkste Reaktion auf diese halten. Wenn man von einem gewißen kantischen Einfluß auf H. sprechen will, so ist das fast nur im Rahmen der praktischen Philosophie (Rechts-, Pflichten- und Religionslehre) möglich, nicht aber in der Logik und Bewußtseinslehre. PERGUEROLES, J.:
Blondel, Spinoza y el idealismo alemän [Blondel, Spinoza und der Deutsche Idealismus], - In: Espiritu. Barcelona. 26 (1977), N. 75, 5-21. La filosofia politica di Hegel negli aimi settanta. I: Rivoluzione Francese e societä civile [Hegels politische Philosophie in den siebziger Jahren. I. Französische Revolution und bürgerliche Gesellschaft], - In: Bolletino di Storia della Filosofia dell’Universitä degli Studi di Lecce. Lecce. 3 (1975), 365-382. PELLEGRINü, PAOLO:
La filosofia politica di Hegel negli anni settanta. II: Teoria della storia e teoria dello stato[... II: Geschichts- und Staatslehre], - In: Bollettino di Storia della Filosofia dell’Universitä degli Studi di Lecce. Lecce. 4 (1976), 331-357. PELLEGRINO,
PAOLO:
Verf. schildert H.s Philosophie der Geschichte und seine Staatslehre und hebt den H.schen Realismus in beiden Bereichen hervor.
G. W. F. Hegel: Philosophie als System. - In: Grundprobleme der großen Philosophen. Philosophie der Neuzeit II. Hrsg. v. Josef Speck. Göttingen 1976. (Uni-Taschenbücher. 464.) 145-183. PöGGELER,
OTTO:
Der Beitrag stellt als Grundproblem H.s den Versuch heraus, den Aufbau der Wissensund Verhaltensweisen in der Geschichte als ein nunmehr abgeschlossenes System zu fassen und zum Thema eines absoluten Wissens zu machen. Es wird gezeigt, wie H. in den Jugendschriften zu diesem Ansatz hinfindet, den Ansatz in den Jenaer Entwürfen und in der Phänomenologie ausgestaltet und dann im System und den zugehörigen Vorlesungen in didaktischer Form darstellt.
Hcgcl y el enigma del tiempo [Hegel und das Rästsel der Zeit], - In: Cuademos de Filosofia. Buenos Aires. 10 (1970), N. 14, 257-290. PucciARELLi, EUGENIO:
Entwicklungsgeschichtlich-kritische Darstellung des Zeit-Begriffs bei H. Der Verf. gelangt zu der These, Widersprüche und operative Fehler griffen den inneren Zusammenhang der Dialektik an. Der Grundfehler H.s sei, die Zeit nicht in der Wissenschaft der Logik
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BIBLIOGRAPHIE
untersucht und sie in die Philosophie der Natur verbannt zu haben. Nichtsdestoweniger habe H. den Gegensatz Zeit vs. Ewigkeit endgültig aufgehoben, und dies in einer gewissen Analogie zum Neuplatonismus.
Tres visiones de la historia: Joaquin de Fiore, San Bonaventura y Hegel. Estudio comparativo [Drei Betrachtungsweisen der Geschichte: Joachim von Fiore, Sankt Bonaventura und Hegel. Eine vergleichende Untersuchung], - In: Miscellanea Franciscana. Roma. 75 (1975), 779-808. RIVERA DE VENTOSA, ENRIQUE:
Die Einengung der Betrachtung des Menschen mehr nach seiner historischen als nach seiner naturhaften Seite geht für Verf. auf die Wirkung des H.schen Werks zurück. Ineins damit ist H.s Philosophie für Verf. aber auch „Ausgangspunkt des radikalen Immanenzdenkens und der daraus folgenden Säkularisierung der gegenwärtigen Betrachtungsweise der Geschichte”. Mit der Absicht einer konstruktiven Kritik an H. vergleicht er die mittelalterlichen Geschichtsvorstellungen Joachim von Fiores und Bonaventuras mit der H.s unter drei leitenden Gesichtspunkten: 1) Trinitarische Interpretation der Geschichte; 2) Historischer Eschatologismus; 3) Die große eschatologische Institution. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß für Hegel der Staat die Rolle der 'großen eschatologischen Institution’ einzunehmen drohe, sieht Verf. bei Bonaventura - gerade wegen seiner intrahistorischen eschatologischen Ausrichtung auf eine bessere Welt - eine genauere und genialere Einsicht in die Geschichte als bei H.
Hegel, Descartes and Spinoza. - In: Spinoza’s Metaphysics: Essays in critical appreciation. Ed. by James B. Wilbur. Assen, Amsterdam 1976.115-132. ROSEN, STANLEY:
Obgleich die Bedeutsamkeit der Philosophie Spinozas für H.s Denken allgemein anerkannt sei, fehlen Verf. in diesem Zusammenhang eingehende Detailstudien. Spinozas System erfüllt die Funktion, Vorläufer für H.s dialektisches Denken zu sein, insofern es von einer inneren Instabilität und Unruhe durchzittert wird, die aus der unterdrückten Energie der sich ankündigenden Umwandlung der Substanz zum Subjekt resultiert. Trotz dieser Hervorhebung des Vorrangs des Spinozismus für H. betont Verf. die Schlüsselfunktion, welche Descartes’ Philosophie für das H.sche Spinozaverständnis habe und führt dies an einigen Grundbegriffen exemplarisch durch.
Hegel ou le realisme de la raison. - In: Aimales de rinstitut de Philosophie. Bruxelles. 1977, 107-129. ROVIELLO, ANNE-MARIE:
Im Mittelpunkt des H.schen Denkens steht die Kritik an einem ontologischen Dualismus, der den Menschen in die Extreme von Vernunft und Leidenschaft, Natur und Geist, Seele und Leib zerreißt. Der einzige Bezug, der zwischen diesen Extremen dann noch zugelassen wird, ist die Unterordnung des Nichtvemünftigen unter die Vernunft. Wird eine solche Theorie der Vernunft praktisch, wie es in der Französischen Revolution geschehen ist, wird sie gegenüber der Wirklichkeit despotisch und stößt auf deren Widerstand. Gegen einen solchen Dualismus wendet H. ein, daß die Vernunft dem Wirklichen immanent ist.
Der Geist bei Hegel (1) - Uber die aktuelle Bedeutung von Hegels Philosophie des Geistes. [Japanisch.] - In: Berichte der Universität Beppu. Beppu. 18 (1977), 68-76. SATO, RUI:
Abhandlungen zur Hegel-Forschung/Nachträge
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Die Struktur des Systems der Hegelschen Logik. Im Zusammenhang mit dem Begriff des Widerspruchs. [Japanisch.] - In: Yuibutsuron. Tokio. 25 (1977), 43-61. SHIMAZAKI,
TAKASHI:
Eine Überlegung über die dialektische Logik Hegels drei Seiten des „Logischen” in den Mittelpunkt stellend. [Japanisch.] - In: Hitotsubashi-Ronso. Tokio. 77 (1977), N. 5, 574-589. SHIMAZAKI, TAKASHI:
Am Leitfaden der drei Stufen des „Logischen” in der Enzyklopädie (§ 79) versucht der Verf., die dialektische Logik H.s für die kritische Übernahme ihrer rationellen wissenschaftlichen Seite fruchtbar zu machen. Nach ihm entsprechen den drei Seiten des Logischen je die formale Logik (logischer Widerspruch), Kants Dialektik (Antinomie) und die dialektische Logik (dialektischer Widerspruch) H.s. Dabei ergäben sich folgende Probleme, deren Auflösung zur Ausbildung der wissenschafllühen Dialektik unentbehrlich sei: 1) weil der Verstand den objektiven Widerspruch auf den subjektiven reduziert und den dialektischen Widerspruch nicht anerkennt, müsse die Natur des logischen Widerspruchs erläutert werden. 2) Weil die dialektische Logik nicht durch die Aufhebung des Satzes des Widerspruchs, sondern gerade durch den zu Ende gedachten Widerspruch erreicht wird, müsse dieser Satz erst durch die dialektische Logik gerechtfertigt werden. 3) Der Grund müsse geklärt werden, warum der dialektische Widerspruch überhaupt Widerspruch ist. 4) Die Beziehung der formalen Logik auf dialektische Logik müsse in der Weise geklärt werden, daß jene durch diese bedingt wird.
Con Kant tra Hegel e Marx [Mit Kant zwischen Hegel und Marx]. - In: Studi Urbinati di Storia, Filosofia e Letteratura. Urbino. 51 (1977), N. 1-2 (Omaggio ad Arturo Massolo), 579-586. SicHiROLLo, Livio:
Verf. stellt die Grundprobleme dar, mit denen sich A. Massolo beschäftigt hat. Was die von ihm bevorzugten Autoren angeht, so ist nicht zu leugnen, „daß H. in Massolos Bildung einen zentralen und bis zu einem gewissen Grad ansschließlichen Einfluß . . . ausübt.”
Hegel e Aleksej Stepanovic Chomjakov [Hegel und A. S. Chomjakov]. - In: Orientalia Christiana Periodica. Roma. 41 (1975), 449-473. SicLARi, ANGELA DIOLETTA:
Es ist schwierig, die positiven Apsekte der Philosophie H.s in Chomjakovs Denken wiederzufinden, so daß einige Kritiker H.s Einfluß auf ihn entweder negiert oder vermindert haben, was besonders deutlich bei der Frage einer möglichen Rezeption der dialektischen Methode wird. Chomjakov übt in der Tat eine ständige Kritik an den Hauptmomenten des H.schen Denkens, wie z. B. am Begriff des Seins als Anfang der Logik, wobei er die Argumente Schellings wiederholt. Zwischen den beiden Denkern besteht eine gewisse Übereinstimmung hinsichtlich der Philosophie der Geschichte, nur mit dem Unterschied, daß die von H. dem deutschen Volk zuerkannte weltgeschichtliche Rolle von Chomjakov dem russischen zuerkannt wird.
Hegel and the Rebellion and Counter-Rebellion of Youth. - In: Perspective. 30 (1971), N. 2, 235-261. SiEBERT,
RUDOLF:
Im Anschluß an eine allgemeine Darstellung der biographischen Situation H.s als Lehrers an der Berliner Universität unterscheidet Verf. innerhalb der Jugend - der Zeit H.s wie anch
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BIBLIOGRAPHIE
der Gegenwart - vier Gruppierungen; 1. die Konformisten, deren „selfishness” H. zugunsten von „selfness” zerbrochen habe; 2. die Revolutionäre (Feuerbach, Marx, Bakunin, Lenin); 3. die Gegenrevolutionäre (Karl Ludwig Sand u. a.), die Verf. in einer Linie mit der H.schen Rechten sieht; 4. die progressiven Evolutionisten (F. W. Carove), die bis in die Gegenwart stets zwischen die Feuer von Revolution und Gegenrevolution gekommen seien. Im Interesse einer gegenwärtigen Stärkung dieser Gruppierung ist es des Verf. Ziel, „to lead H. and American youth into a new and honest encounter”. SiEBERT, RUDOLF:
Hegel and Theology. - In: The Ecumenist. 12 (1973),
N. 1, 1-6. Verf. sieht das Programm der H.schen Religionsphilosophie in der Versöhnung der religiösen Gemeinde und der modernen säkularisierten Welt. Das Instrument, mittels dessen H. diese Versöhnung verwirklichen wollte, sei die philosophische Theologie; sie vermöge den Widerspruch von Glauben und Aufklärung theoretisch zu lösen. „Its practical realization in the empirical'reality is a task for the future. H.s program of a philosophical theology points toward a more rational society of the future.”
Hegel’s political theology: liberation. - In: The Ecumenist. 12 (1974), N. 3, 33-40.
SiEBERT, RUDOLF:
„H.s political theology is the very core and depth dimension not only of his philosophy of history, but, beyond that, of his total philosophy of liberation.” Diese politische Theologie, die Verf. insbesondere in den Vorlesungen über die Vernunft in der Geschichte findet, habe auch die kritische katholische Theologie des Vaticanums II direkt oder indirekt stark beeinflußt. Als Spezifika der H.schen politischen Theologie hebt Verf. heraus, daß die Weltgeschichte für H. nicht nur das Produkt zufälliger Faktoren ist, sondern von der göttlichen Vorsehung beherrscht wird. Der höchste Wert dieser politischen Theologie sei die Freiheit, und für H. sei nun die Zeit gekommen, diese Freiheit, wie sie im christlichen Prinzip der Subjektivität gedacht werde, der weltlichen Wirklichkeit einzubilden.
From Aquinas to Hegel: The Principle of Subjectivity. - In: Michigan Academician. 7 (1974), N. 2, 266-269. SiEBERT, RUDOLF:
Verf. analysiert die Funktion, die dem H.schen Werk im Rahmen der Neubewertung Thomas von Aquins zukommt. Diese Neubewertung, wie sie etwa im Werk von K. Rahner und J. B. Metz erfolgt, sieht Verf. selbst durch die H.-Renaissance dieses Jahrhunderts ermöglicht. Diese These begründet er durch eine Diskussion von H.s Thomas-Bild; eine Beziehung zwischen Thomas und H. sieht er darin, daß das Werk beider vom christlichen Prinzip der Subjektivität geprägt sei. Dessen Bedeutung sieht Verf. auch in der modernen Theologie gewahrt: „in the works of present, progressive Catholic thinkers, the philosophical and theological position of Thomas and H. has, in some aspects at least, gained a higher degree of concreteness.” Für die Zukunft prognostiziert Verf. „the further application of the Christian principle of free subjectivity to society and culture in the spirit of Thomas and H.”
Hegel’s philosophy of history - its historical consequences. - In: Encyclopedia Modema. University of Zagreb, Yogoslavia.June 1977, SiEBERT, RUDOLF:
100-111. In einführenden Bemerkungen skizziert Verf. Charakteristika der H.schen Philosophie, insbesondere die H.sche Dialektik, und betont die bleibende Bedeutung gerade der Philosophie H.s für die Gegenwart, insbesondere im Vergleich mit den positivistischen Sozial-
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Wissenschaften. Im Anschluß hieran arbeitet Verf. einige Züge des H.schen Geschichtsbegriffs heraus, so die Unterscheidung der theologischen, humanistischen und sozial wissenschaftlichen Dimensionen der Weltgeschichte.
Interioridade, exterioridade e saber [Innerlichkeit, Äußerlichkeit und Wissen], - In: Revista Portuguesa de Filosoüa. Braga (Port.). 33 (1977), 3-20. SoAREs GOMES, FRANCISCO;
Ausgehend von der These, daß die Diskussion um die Entwicklung des H.schen Denkens durch eine theologische Lektüre der Schriften der Reifezeit zu entscheiden sei, betont Verf., daß das System des Logischen in der Philosophie der Reifezeit H.s die Innerlichkeit der phänomenalen Wirklichkeit ausmache und die so verstandene Innerlichkeit es verdiene, als grundlegend für das Verständnis des H.schen Gesamtsystems angesehen zu werden.
Die romantische Ironie in Theorie und Gestaltung. 2., durchges. u. erw. Aufl. Tübingen 1977. (Hermaea. N. F. 6.) STROHSCHNEIDER-KOHRS, INGRID:
215-222: Die Verurteilung des romantischen Ironie-Begriffs durch Hegel und Kierkegaard. Dieser Abschnitt bringt den unveränderten Text der 1. Auflage von 1960.
Das Problem der Vorstellung bei Hegel. [Japanisch.] - In: Berichte der pädogogischen Fakultät der Universität Kagoshima (humanistisch-soziale Wissenschaften). Kagoshima. 29 (1977), 1-21.
TANEMURA, KANJI:
Die Theorie des sozialen Menschen in der „Rechtsphilosophie” Hegels (1821). [Japanisch.] - In: Tetsugaku (Universität Hokkaido). Sapporo. 13 (1977), 81-100. TANIGUCHI, TAKAO:
C.: Joumeys to Moriah: Hegel vs. Kierkegaard. - In: The Harvard Theological Review. Cambridge, Mass. 70 (1977), 305-326. TAYLOR, MARK
Verf. analysiert die komplexe Beziehung der Positionen H.s und Kierkegaards an den Deutungen der Abrahamserzählung in „Der Geist des Christentums” bzw. in „Furcht und Zittern”. Beide Deutungen des abrahamitischen Glaubens stimmten weitgehend überein, während die Bewertungen einander entgegengesetzt seien. Beide beschrieben einen struktural gleichen Prozeß „from inauthentic to authentic or fully realized selfhood”, aber: „what H. interprets as self-estrangement is for Kierkegaard self-fulfillment. Conversely, what Kierkegaard views ays authentic selfhood, H. believes to be inauthentic selfhood, and what Kierkegaard sees as inauthenticity is for H. authenticity.”
Eine Betrachtung des „Rechtszustands” in Hegels „Phänomenologie des Geistes”. [Japanisch.] - In: Nagasaki-Kenritsu-KokusaiKeizai-Daigaku-Ronshu. Nagasaki. 11 (1977), N. 1, 83-103. TSURUTA, KO:
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BIBLIOGRAPHIE
Reflexiones sobre el pensamiento central de Hegel [Überlegungen über den Zentralgedanken Hegels]. - In: Cuademos de Filosofia. Buenos Aires. 10 (1970), N. 14, 251-256. VASSALLO, ANGEL;
Nach H. sei der Grund alles Seienden ein unendliches Bewußtsein bzw. ein unendliches Cogito. Zwei Eigenschaften seien diesem eigentümlich: 1) Die Notwendigkeit der Entäußerung; 2) Die Verendlichung in Natur und Geist. Die größte Schwierigkeit des H.schen Denkens liege aber in der Unbeweisbarkeit der Versöhnung der endlichen Formen mit dem Absoluten. K. Marx und S. Kierkegaard seien im Grunde beide Kritiker einer solchen Idee des unendlichen Bewußtseins.
Hegel y Freud: Una apropriaciön filosöfica de los complejos de Edipo y de castraciön [Hegel und Ereud: Eine philosophische Aneignung der Oedipus- und Entmannungskomplexe]. Trad. Ale Gaibur V. - In: Teoria. Santiago de Chile. 1975, N. 3, 83-95. VER EECKE, WILFRIED:
Verf. unternimmt in Fortsetzung Hyppolites, Ricoeurs und De Waelhens’ den Versuch einer philosophischen „Aneignung” der Psychoanalyse, der davon ausgeht, daß Freud den Leib zu physikalisch verstand. Zuerst stellt er kurz die Freudsche Auffassung der Oedipusund Entmannungskomplexe dar. Den philosophischen Grund einer solchen Auslegung findet der Verf. im H.schen Kapitel über das Selbstbewußtsein der Phänomenologie des Geistes, das die intersubjektiv-menschlichen Verhältnisse untersucht. Vor allem erscheint die H.sche Idee der „Anerkennung” als die geeigneteste für die erstrebte Aneignung. Freilich erläutert sie den Oedipus-Komplex besser als den Entmannungskomplex, der nur H.isch zu verstehen ist, indem die Geschlechtsdifferenz aus dem Begriff der Endlichkeit dargelegt werden kann. In diesem Sinne ist auch die H.sche Auffassung mangelhaft, weil sie einer philosophischen Reflexion über den Leib entbehrt. Sie müßte mit Begriffen MerleauPontys und Eriksons ergänzt werden.
Notes sur la negativite dans la philosophie de Hegel. - In: Hegel et la theologie contemporaine . . . Neuchätel, Paris 1977. 124-147.
WiDMER, GABRIEL-PH.:
Hegel on reason, actuality and philosophical discourese. [Hebräisch.] - In: lyyun. Jerusalem. 26 (1975), 59-115.
YOVEL, YIRMIAHU;