Hans Jonas-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung [1 ed.] 9783476057228, 9783476057235

Hans Jonas ist einer der bedeutenden Denker des 20. Jahrhunderts. Das Handbuch erklärt die philosophischen, theologische

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German Pages 363 [353] Year 2021

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
I Leben
1 Intellektuelle Biographie
1.1 Jugend in Mönchengladbach
1.2 Jüdisches Selbstverständnis
1.3 Student und Soldat
1.4 Von Jerusalem nach Ottawa
1.5 USA: Wendepunkte
1.6 An der New School for Social Research
1.7 Lore, Ehrungen und letzte Lebensjahre
Archivalien
Literatur
II Kontexte
2 Marburger Umfeld
2.1 ›Im Bannkreis Heideggers ...‹
2.2 Existenziale Interpretation des Neuen
Testaments – Rudolf Bultmann
2.3 ›Einschneidendste Begegnung‹ und ›lebenslange Freundschaft‹ – Hannah
Arendt
Literatur
3 Kant/Neukantianismus
3.1 Kant
3.2 Neukantianismus
3.3 Anknüpfung und Kritik
Literatur
4 Heidegger
4.1 Das Lehrer-Schüler-Verhältnis bis 1933
4.2 »Tragödie der Philosophie«
4.3 Anknüpfung und Absetzung
4.4 Naturverachtung, Leibvergessenheit
und Ethikdefizit
4.5 Seins-Geschick und Gottes-Mythos
4.6 Späte Annäherung
Literatur
5 Bloch
5.1 Der Bloch’sche Ansatz
5.2 Schlussfolgerungen
Literatur
6 Frankfurter Schule
Literatur
7 Antike Philosophie
7.1 Platon, ›die große Grundlage‹
7.2 Jenseits von Platon: Plotin und die
neoplatonische Wende
7.3 Stoizismus und Fatalismus
7.4 Zwischen Aristoteles und antikem Atomismus
Literatur
8 Jüdische Philosophie
8.1 Jüdische Philosophie oder jüdische Elemente
in der Philosophie?
8.2 Gershom Scholem und die jüdischen
Philosophen
8.3 Jonas und Isaak Luria
8.4 Schlussfolgerung
Literatur
9 Phänomenologie
9.1 Phänomenologie unter dem Primat der
Ontologie
9.2 Halbherzige Überwindung des
Idealismus in der Phänomenologie
9.3 Individualität
Literatur
10 Naturphilosophie
10.1 Jonas’ philosophische Biologie im Kontext der modernen und antiken Naturphilosophie
Literatur
11 Naturwissenschaft
11.1 Von Hermeneutik und Existenzialanalyse zur Philosophie der Naturwissenschaft
11.2 Phänomenologische Grundlegung der Naturwissenschaft
11.3 Theoretische Naturwissenschaft und
praktische Anwendung
11.4 Ethische Folgen der naturwissenschaftlich-technischen Praxis
Literatur
12 Technikphilosophie
12.1 Alles umfassend prägende Kraft
12.2 Neue Form kollektiven Handelns und Dialektik
12.3 Inhärent-ambivalente Weltgestaltung
12.4 Rastlose, wissenschaftsbasierte Unternehmung
12.5 Auflösung traditioneller Dichotomien
12.6 Ausblick
Literatur
III Texte
13 Augustin und das paulinische Freiheitsproblem (1930)
13.1 Absicht des Buches
13.2 Das Freiheitsproblem in der Stoa
13.3 Das Freiheitsproblem bei Paulus
13.4 Das Freiheitsproblem bei Augustin
Literatur
14 Gnosis und spätantiker Geist I:
Die mythologische Gnosis (1934)
14.1 Verortung von »Gnosis und spätantiker
Geist«
14.2 Zur Rezeptionsgeschichte
Literatur
15 Gnosis und spätantiker Geist II. Von der Mythologie zur
mystischen Philosophie (1954)
15.1 Philosophische Hermeneutik:
Entmythologisierung
15.2 Das Konzept der Gnosis: Entweltlichung
15.3 Das Problem der Gnosis: Objektivationder Entweltlichung
15.4 Von der Mythologie zur mystischen Philosophie: Philo, Origenes, Plotin
15.5 Die Alternative zur Gnosis: Pistis
15.6 Gnosis II im Kontext: Jonas’ Selbstinterpretation
Literatur
16 Gnosis. Die Botschaft des fremden Gottes (1958)
16.1 Zielsetzung und Aufbau
16.2 Spätere Auflagen
16.3 Wissenschaftliche Rezeption
16.4 Kritik
16.5 Bleibende Bedeutung
16.6 Zusammenfassung
Archivalien
Literatur
17 Zwischen Nichts und Ewigkeit. Drei Aufsätze zur Lehre vom Menschen (1963)
17.1 Publikationsgeschichte
17.2 Gnosis, Existentialismus und Nihilismus
17.3 Homo Pictor
17.4 Unsterblichkeit und heutige Existenz
18 Organismus und Freiheit (1973)
18.1 Grundmotiv und Spannweite des Werks
18.2 Freiheit und Notwendigkeit
18.3 Teleologie versus Kausalität
18.4 Die Freiheitsdimensionen des organischen Lebens
18.5 Die Philosophie des Menschen
Literatur
19 Philosophical Essays. From Ancient Creed to Technological Man (1974)
Literatur
20 Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation (1979)
20.1 Schlüsselmomente der Phylogenese im Vergleich: Antike und Moderne
20.2 Auf dem Weg zu neuen Verantwortungs-Perspektiven
20.3 Das Prinzip Verantwortung als Utopie-Kritik
Literatur
21 Das Prinzip Verantwortung: Diskursethische Weiterführung
21.1 Jonas’ Begründungslücke
21.2 Der dialogreflexive Begründungsweg
21.3 Jonas’ Weg zur Zukunftsethik
21.4 Postskript: Begründungsirrtum zwischen Jonas und Habermas
Literatur
22 Das Prinzip Verantwortung: Eine anthropozentrische Ethik?
22.1 Physiozentrismus oder Anthropozentrismus?
22.2 Durchbrechung der Anthropozentrik?
22.3 Teleologie
22.4 Vorrang des Seins vor der menschlichen
Freiheit?
Literatur
23 Das Prinzip Verantwortung: Systemverantwortung
23.1 Erweiterte Verantwortung
23.2 Verantwortung für das Lebendige
23.3 Zukunftsverantwortung
23.4 Treuhänderverantwortung
23.5 Individuelle Verantwortung
23.6 Systemverantwortung
Literatur
24 Technik, Medizin und Ethik. Zur Praxis des Prinzips Verant wortung(1985)
24.1 Grundlagen einer Ethik für die technologische Zivilisation
24.2 Versuche an menschlichen Subjekten und die Tätigkeit des Mediziners
24.3 Ethik für die Molekularbiologie, Biotechnologie und Reproduktionsmedizin
24.4 Ethik für das Lebensende: Hirntod und Sterbehilfe
24.5 Hans Jonas im Gespräch
24.6 Fazit
Literatur
25 Philosophische Untersuchungen und metaphysische Vermutungen (1992)
25.1 Systematische Struktur
25.2 Materie/Physik
25.3 Geist/Kunst
25.4 Schöpfung/Metaphysik
25.5 Materie, Geist und Schöpfung
Literatur
26 Die Idee der Zerstreuung und Wiedersammlung bei den Propheten (1922)
26.1 Jonas’ Rekonstruktion der Prophezeiungen
26.2 Der Zusammenhang von Zerstreuung und Wiedersammlung
26.3 Jonas’ Bezugnahme zu den Propheten
Literatur
27 Das jüdische Schulwesen in Palästina (1923)
27.1 Das jüdische Schulwesen und die Vielfalt jüdischer Gemeinschaften
27.2 Widersprüche kultureller Identitätskonstruktionen
Literatur
28 Unsere Teilnahme an diesem Kriege. Ein Wort an jüdische Männer (1939)
Literatur
29 Gnosis, Existentialismus und Nihilismus (1960)
Literatur
30 Husserl und Heidegger (1963)
30.1 Edmund Husserl
30.2 Martin Heidegger
Literatur
31 Heidegger und die Theologie (1964)
Literatur
32 Im Kampf um die Möglichkeit des Glaubens (1977)
32.1 Entmythologisierung
32.2 Weltbild
32.3 Wunder
32.4 Handeln Gottes
32.5 Offenbarung
Literatur
33 Techniken des Todesaufschubs und das Recht zu sterben (1984)
33.1 Den Tod in die eigenen Hände nehmen
33.2 Verweigerung medizinischer Behandlung
33.3 Das Recht zu sterben und das Recht auf Sterbenlassen
33.4 Die Grenze ärztlichen Handelns
33.5 Sterbebegleitung und Hirntod
Literatur
34 Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme (1984)
34.1 Überdenken des Glaubens
34.2 Der Mythos vom werdenden Gott
34.3 Implikationen
34.4 Abschied von der Allmacht
Literatur
35 Wissenschaft als persönliches Erlebnis (1987)
35.1 Vorrede und Wissenschaft
35.2 Jugend und Philosophie
35.3 Nachkriegszeit und Lebenswissen schaft
35.4 Lebensende und Verantwortungsethik
Literatur
36 Erkenntnis und Verantwortung. Gespräch mit Ingo Hermann
(1991/1980)
36.1 Inhalt
Literatur
37 Vergangenheit und Wahrheit. Ein später Nachtrag zu den sogenannten Gottesbeweisen (1991)
37.1 Das Argument
37.2 Das Argument im Werkkontext
37.3 Das Argument und seine Rezeption im
Kontext des Gottesbeweisdenkens
37.4 Ausblick
Literatur
38 Philosophie. Rückschau und Vorschau am Ende des Jahrhunderts
(1993)
Literatur
IV Briefwechsel
39 Rudolf Bultmann
Literatur
40 Hannah Arendt
40.1 Gemeinsame Wurzeln: Jaspers, Bultmann, Husserl, Heidegger und Augustinus
40.2 Das Zerwürfnis um »Eichmann in Jerusalem«
40.3 »Das Prinzip Verantwortung« und »Vom Leben des Geistes«
Archivalien
Literatur
41 Günther Anders
41.1 Eine Frage des Stils
41.2 Den Menschen das Fürchten lehren
41.3 Glaubensfragen nach Auschwitz
Archivalien
Literatur
42 Gershom Scholem
42.1 Fragen an das Judentum
42.2 ›Unrevolutionärer‹ Zionismus
42.3 Scholems Verhältnis zu Deutschland nach 1939
42.4 Hans Jonas und Gershom Scholem: Nähe und Distanz
42.5 Bruch der Gelehrtenfreundschaft
42.6 Kabbala contra ›selbsterdachten Mythos‹
Archivalien
Literatur
43 Private Briefe
43.1 Zum Kontext der Briefe allgemein
43.2 Der Briefwechsel mit Georg Jonas
43.3 Der Briefwechsel mit Gerald Jonas und George Lichtheim
43.4 Ein Liebesbrief an Lore Jonas
Literatur
V Rezeptionsgeschichte
44 Deutschland
44.1 Ontologie
44.2 Freiheit und Verantwortung
44.3 Diskursethik
44.4 Gottesfrage
Literatur
45 Italien
45.1 Die Rezeption von Jonas’ Ethik und Bioethik
45.2 Philosophische Biologie und Ontologie des Lebens
45.3 Religionsphilosophische Studien
45.4 Hans Jonas und die Geschichte der Philosophie
Primärliteratur
Sekundärliteratur
46 Frankreich
46.1 Bernard Sève
46.2 Catherine und Raphaël Larrère vs.
Jean-Pierre Dupuy
46.3 Michaël Foessel und Paul Ricoeur
46.4 Renaud Barbaras
46.5 Fazit
Primärliteratur
Sekundärliteratur
47 Frankophoner Sprachraum außerhalb Frankreichs
47.1 Belgien
47.2 Québec
47.3 Luxemburg
47.4 Schweiz
47.5 Französischsprachiges Afrika
47.6 Bemerkenswerte Übersetzungsarbeit
Primärliteratur
Sekundärliteratur
48 Polen
48.1 Polnische Übersetzungen der Jonas’schen Werke
48.2 Rezeption in Polen
48.3 Religionsgeschichte
48.4 »Das Prinzip Verantwortung«
48.5 Nachhaltigkeit
48.6 Theologische Interpretation
48.7 Phänomenologische Lesart
48.8 Philosophische Biologie und Metaphysik
48.9 Schlussbemerkungen
Primärliteratur
Sekundärliteratur
49 USA
49.1 St. John’s College
49.2 Leo Strauss, Leon Kass und die University of Chicago
49.3 Das Hastings Center
49.4 Strachan Donnelley und die New School
49.5 Theologie
49.6 Bio- und Naturethik
49.7 Lawrence Vogel
49.8 Lore Jonas
49.9 Theresa Morris
49.10 Fazit
Literatur
50 Japan
50.1 Die erste Phase (1986–1995)
50.2 Die zweite Phase (1996–2017)
50.3 Die dritte Phase (ab 2018)
Primärliteratur
Sekundärliteratur
51 Brasilien
51.1 Die akademisch-wissenschaftliche Rezeption
51.2 Die rechtspolitische und institutionelle Rezeption
Primärliteratur
Sekundärliteratur
VI Begriffe
52 (Bio-)Medizin
Literatur
53 Bild
Literatur
54 Evolution
54.1 Leben und Freiheit
54.2 Kritik des Evolutionismus
Literatur
55 Ehrfurcht/Demut
55.1 Johann Wolfgang von Goethe
55.2 Albert Schweitzer
55.3 Otto Friedrich Bollnow
55.4 Hans Jonas
Literatur
56 Freiheit
56.1 Natürliche Freiheit
56.2 Die Freiheit des Menschen
Literatur
57 Gott/Religion
57.1 Metaphysische Pause
57.2 Denken des Ganzen
57.3 Erkenntnis und Sinn
57.4 Entscheidung und Offenheit
Literatur
58 Heuristik der Furcht
58.1 ›Heuristik der Furcht‹ als Instrument der Erkenntnis
58.2 ›Heuristik der Furcht‹ als Entscheidungshilfe
Literatur
59 Judentum
59.1 Leben
59.2 Metaphern
59.3 Transzendenz
59.4 Verantwortung
Literatur
60 Krieg/Frieden
Literatur
61 Monismus
61.1 Kritische Reflexionen
Literatur
62 Mythos/Entmythologisierung
62.1 Historisch-philosophische Forschung
62.2 Mythische Objektivation
62.3 Paulus, Augustinus, Gnosis
62.4 Abkehr
62.5 Sinn und Grenzen mythologischer Rede
Literatur
63 Nachhaltigkeit
Literatur
64 Natur
64.1 Naturbegriffe bei Jonas
64.2 Begriffsbildung als moralische Pflicht
Literatur
65 Ontologie/Metaphysik
Literatur
66 Sein/Sollen
66.1 Sein und Zweck
66.2 Zweck und Gut
66.3 Gut und Sollen
Literatur
67 Tod/Sterblichkeit
67.1 Leben als Selbstbejahung
67.2 Ein hoher Preis
67.3 Unsterblichkeit
67.4 Menschliches Sterben
67.5 Segen der Sterblichkeit
Literatur
68 Utopie
68.1 Zugunsten der anthropologischen Bedeutung der Utopie
68.2 Schlussfolgerungen
Literatur
69 Wahrnehmung
Literatur
Anhang
Zeittafel
Autorinnen und Autoren
Siglen-Verzeichnis/Bibliographie
Personenregister
Recommend Papers

Hans Jonas-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung [1 ed.]
 9783476057228, 9783476057235

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Michael Bongardt / Holger Burckhart John-Stewart Gordon / Jürgen Nielsen-Sikora (Hg.)

Hans Jonas Handbuch Leben – Werk – Wirkung

Michael Bongardt / Holger Burckhart /  John-Stewart Gordon / Jürgen Nielsen-Sikora (Hg.)

Hans Jonas-Handbuch Leben – Werk – Wirkung

Unter Mitarbeit von Jens Ole Beckers und Michelle Buller

J. B. Metzler Verlag

Die Herausgeber

Prof. Dr. Michael Bongardt ist Professor für Anthropologie, Kultur- und Sozialphilosophie am Philosophischen Seminar der Universität Siegen und einer der Hauptherausgeber der Kritischen Gesamtausgabe der Werke von Hans Jonas.  Prof. Dr. Holger Burckhart ist seit 2009 Rektor der Universität Siegen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Praktischen Philosophie. Er ist Begründer des Hans Jonas-Instituts der Universität Siegen und Mitherausgeber der Kritischen Gesamtausgabe.  Prof. Dr. John-Stewart Gordon ist seit 2015 Professor für Philosophie sowie seit 2016 Leiter des Forschungsclusters für Angewandte Ethik an der Vytautas Magnus Universität, seit 2018 Chief Researcher an der Fakultät für Rechtswissenschaften an der Vytautas Magnus Universität, sowie von 2017–2021 Projektleiter des EU-Projektes »Integration Study on Future Law, Ethics, and Smart Technologies«.  Prof. Dr. Jürgen Nielsen-Sikora ist seit 2018 außerplanmäßiger Professor für Bildungsphilosophie an der Fakultät II der Universität Siegen sowie Vorstandsmitglied des Hans Jonas-Zentrums Siegen.

Die Internationale Hans Jonas-Konferenz und die Erstellung des daraus erwachsenen Handbuchs wurden gefördert durch

ISBN 978-3-476-05722-8 ISBN 978-3-476-05723-5 (eBook) https://doi.org/10.1007/978–3-476–05723–5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. J. B. Metzler © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature, 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Inhalt

Vorwort  VI

I Leben 1 Intellektuelle Biographie  Jürgen Nielsen-Sikora  3 II Kontexte 2 Marburger Umfeld  Saskia Wendel  19 3 Kant/Neukantianismus  Robinson dos Santos, Michael Bongardt und Jürgen Nielsen-Sikora  24 4 Heidegger  Ralf Elm  28 5 Bloch  Rainer E. Zimmermann  35 6 Frankfurter Schule  Eva Buddeberg  40 7 Antike Philosophie  Emidio Spinelli  44 8 Jüdische Philosophie  Avishag Zafrani  49 9 Phänomenologie  Jens Peter Brune  54 10 Naturphilosophie  Francesca Michelini  59 11 Naturwissenschaft  Kristian Köchy  64 12 Technikphilosophie  Jan C. Schmidt  69 III Texte A Hauptwerke

13 Augustin und das paulinische Freiheitsproblem (1930)  Udo Lenzig  77 14 Gnosis und spätantiker Geist I: Die mythologische Gnosis (1934)  Rainer Kampling  83 15 Gnosis und spätantiker Geist II. Von der Mythologie zur mystischen Philosophie (1954)  Elad Lapidot  88 16 Gnosis. Die Botschaft des fremden Gottes (1958)  Jonathan Cahana-Blum  96 17 Zwischen Nichts und Ewigkeit. Drei Aufsätze zur Lehre vom Menschen (1963)  Nathalie Frogneux  104

18 Organismus und Freiheit (1973)  Horst Gronke  109 19 Philosophical Essays. From Ancient Creed to Technological Man (1974)  Jürgen Nielsen-Sikora  117 20 Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation (1979)  Angela Michelis  119 21 Das Prinzip Verantwortung: Diskursethische Weiterführung  Dietrich Böhler  127 22 Das Prinzip Verantwortung: Eine anthropozentrische Ethik?  Reinhold Schwenzer  135 23 Das Prinzip Verantwortung: Systemverantwortung  Hans Lenk  139 24 Technik, Medizin und Ethik. Zur Praxis des Prinzips Verantwortung (1985)  Jens Kurreck  145 25 Philosophische Untersuchungen und metaphysische Vermutungen (1992)  Michael Hackl  153 B Ausgewählte Aufsätze

26 Die Idee der Zerstreuung und Wiedersammlung bei den Propheten (1922)  Petr Frantik  160 27 Das jüdische Schulwesen in Palästina (1923)  Petr Frantik  164 28 Unsere Teilnahme an diesem Kriege. Ein Wort an jüdische Männer (1939)  Jan Schenkenberger  167 29 Gnosis, Existentialismus und Nihilismus (1960)  Fabio Fossa  170 30 Husserl und Heidegger (1963)  Ian Alexander Moore  172 31 Heidegger und die Theologie (1964)  Stefano Bancalari  176 32 Im Kampf um die Möglichkeit des Glaubens (1977)  Michael Bongardt  180 33 Techniken des Todesaufschubs und das Recht zu sterben (1984)  Paolo Becchi  183

VI

Inhalt

34 Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme (1984)  Francisco Quesada Rodríguez  187 35 Wissenschaft als persönliches Erlebnis (1987)  Sebastian A. Höpfl  191 36 Erkenntnis und Verantwortung. Gespräch mit Ingo Hermann (1991/1980)  Bernadette Herrmann  194 37 Vergangenheit und Wahrheit. Ein später Nachtrag zu den sogenannten Gottesbeweisen (1991)  Roman Seidel  197 38 Philosophie. Rückschau und Vorschau am Ende des Jahrhunderts (1993)  Ralf Seidel  201 IV Briefwechsel 39 Rudolf Bultmann  Andreas Großmann  207 40 Hannah Arendt  Frauke A. Kurbacher und Astrid Hähnlein  210 41 Günther Anders  Ginger Isabelle Kokorin  217 42 Gershom Scholem  Christiane Auras  222 43 Private Briefe  Jürgen Nielsen-Sikora  228 V Rezeptionsgeschichte 44 Deutschland  Karl Günter Arnold  235 45 Italien  Paolo Becchi, Roberto Franzini Tibaldeo und Fabio Fossa  243 46 Frankreich  Éric Pommier  251 47 Frankophoner Sprachraum außerhalb Frankreichs  Nathalie Frogneux  259 48 Polen  Piotr Rosół  266 49 USA  Theresa Morris  273

50 Japan  Hiroshi Abe  280 51 Brasilien  Oswaldo Giacoia Junior  284 VI Begriffe 52 (Bio-)Medizin  Rosangela Barcaro  293 53 Bild  Roberto Franzini Tibaldeo  295 54 Evolution  Jelson R. Oliveira  298 55 Ehrfurcht/Demut  Chris Doude van Troostwijk  301 56 Freiheit  Michelle Bobsin Duarte  304 57 Gott/Religion  Michael Bongardt  306 58 Heuristik der Furcht  Valentin Pluder  309 59 Judentum  Irene Kajon  312 60 Krieg/Frieden  Raphael Döhn  315 61 Monismus  Lawrence Vogel  317 62 Mythos/Entmythologisierung  Michael Bongardt  321 63 Nachhaltigkeit  Thomas Rusche  324 64 Natur  Christian Illies  327 65 Ontologie/Metaphysik  Hiroshi Abe  330 66 Sein/Sollen  Reinhold Schwenzer  333 67 Tod/Sterblichkeit  Michael Bongardt  335 68 Utopie  Roberto Franzini Tibaldeo  338 69 Wahrnehmung  Gianluca Garelli  342 Anhang Zeittafel  347 Autorinnen und Autoren  348 Siglen-Verzeichnis/Bibliographie  351 Personenregister  354

Vorwort Das vorliegende Handbuch ist das erste seiner Art über den international bekannten deutsch-jüdischen Philosophen Hans Jonas (1903–1993). Obwohl Hans Jonas spätestens seit seinem ethischen Hauptwerk Das Prinzip Verantwortung (1979) auch einer breiten internationalen Öffentlichkeit wohlbekannt ist, fiel sein akademischer Einfluss – auch wenn Jonas wichtige Impulse in vielen Bereichen der Philosophie insbesondere mit Blick auf die Umwelt- und Technikethik gesetzt hat – bis jetzt insgesamt eher gering aus. Umso erfreulicher ist es zu sehen, dass sich dies in den letzten Jahren substantiell geändert hat. Immer mehr zeitgenössische Philosophen arbeiten über Hans Jonas und nutzen seine tiefgreifenden Überlegungen, um neue Denkanstöße zu aktuellen philosophischen und ethischen Fragen zu geben. In diesem Zusammenhang ist im Jahr 2017 das Hans Jonas-Zentrum, das lange Zeit von Dietrich Böhler an der Freien Universität Berlin geleitet wurde, samt seiner umfassenden Bibliothek an die Universität Siegen gezogen. Dort bildet es seither mit dem in Siegen ansässigen Hans Jonas-Institut die zentrale akademische Anlaufstelle für die kritische Auseinandersetzung mit dem Leben und Werk von Hans Jonas in Deutschland. Das allgemeine Ziel war es, der deutschsprachigen Hans Jonas-Forschung durch den akademischen Zusammenschluss beider Institute neue Impulse zu verleihen, um den internationalen Anschluss zu halten und weiter auszubauen. Wir möchten, dass Hans Jonas nicht nur im Ausland, wo er lebendig diskutiert wird, sondern auch hierzulande eine neue philosophische Beachtung findet. Wir sind davon überzeugt, dass seine Ideen nach wie vor nicht nur bedeutend, sondern auch hochaktuell sind, wie man z. B. an den gegenwärtigen Diskussionen zum Klimawandel und über die CoronaPandemie deutlich erkennen kann. Den Zusammenschluss der beiden Forschungsstellen haben wir zum Anlass genommen, um im Jahr 2018 eine große, internationale Konferenz zu veranstalten, zu der viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus etlichen Teilen der Welt (z. B. Japan, Brasilien, Norwegen, Italien und Frankreich) nach

Siegen kamen, um gemeinsam mit uns das Werk von Hans Jonas kritisch zu reflektieren und ausgiebig zu diskutieren. Die Konferenz zu Hans Jonas war ein echtes Novum, da hier die verschiedensten Aspekte seines intellektuellen und philosophischen Schaffens länderübergreifend wissenschaftlich aufgearbeitet werden konnten. Das vorliegende Handbuch ist ein wesentliches Ergebnis dieser akademisch fruchtbaren Auseinandersetzung, zu dem über 50 Jonas-Forscher aus Europa, Asien und Amerika beigetragen haben. Das Handbuch umfasst insgesamt sieben Teile. Während der erste Teil ausführlich in das intellektuelle Leben von Hans Jonas einführt, geht der zweite Teil auf unterschiedliche akademische und philosophiehistorische Kontexte wie etwa sein Verhältnis zu Martin Heidegger, das Marburger Umfeld, die Jüdische Philosophie oder die Technikphilosophie von Hans Jonas ein. Die Kapitel im dritten Teil stellen zum einen kritisch die Hauptwerke von Jonas vor und diskutieren zum anderen ausgewählte wichtige Aufsätze. Unter den Schriften von Jonas darf Das Prinzip Verantwortung zweifellos als sein meistbeachtetes Buch gelten. Um seiner besonderen Bedeutung gerecht zu werden, wird es zunächst in einem Kapitel ausführlich dargestellt (s. Kap. 19). Diesem folgen noch drei weitere Kapitel, die sich mit Jonas’ Forderung nach einer Zukunftsethik kritisch und weiterführend auseinandersetzen (s. Kap. 20–22). Der vierte Teil befasst sich mit den wichtigsten Briefpartnerschaften, darunter die mit Rudolf Bultmann und Hannah Arendt, während der fünfte Teil die Rezeption von Jonas in unterschiedlichen Ländern in den Blick nimmt. Die Kapitel im sechsten Teil gehen auf Begriffe wie Gnosis, Heuristik der Furcht, Ontologie oder Utopie ein und diskutieren diese vor dem Hintergrund des gesamten Jonas’schen Œuvres. Den Abschluss bildet der Anhang, der eine Zeittafel, das Verzeichnis der Autorinnen und Autoren, das Siglen-Verzeichnis mit den entsprechenden Publikationen sowie ein Namenregister bereithält. Grundsätzlich bleibt zu konstatieren, dass einzelne thematische Überschneidungen bewusst gewollt sind

VIII

Vorwort

und das Mosaik von Jonas’ Thesen und Denkwegen deutlich widerspiegeln. Jonas beleuchtet die unterschiedlichen Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven kritisch und bringt diese in einem überaus fruchtbaren philosophischen Diskurs zusammen. Querverweise wurden insgesamt sparsam eingesetzt und nur dort angeführt, wo Stellen unmittelbar mit Parallelstellen in Kontakt treten. Die Internationalität der Autorinnen und Autoren eröffnet darüber hinaus unterschiedliche Perspektiven auf den Denker Hans Jonas. Deutlich erkennbar sind die heterogenen Schreibstile und dahinterstehenden Wissenschaftskulturen. Für die Redaktion des Handbuchs war diese Vielfalt eine nicht unerhebliche Herausforderung. Dabei stellte sich heraus, dass eine vollkommene formale Vereinheitlichung aller Beiträge weder möglich noch wünschenswert gewesen wäre. Sie hätte die anregende Pluralität der Perspektiven in Uniformität erstarren lassen. Eine weitere Diversität sei ausdrücklich hervorgehoben: Das Handbuch enthält Beiträge von Forscherinnen und Forschern, die sich seit Jahrzehnten intensiv mit Jonas auseinandersetzen, manche von ihnen kannten ihn persönlich. Zu Wort kommen aber auch junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, für die Jonas nicht mehr Zeitgenosse, sondern Teil der Philosophiegeschichte ist. Auch deren Blick eröffnet neue Perspektiven. Bewusst haben wir die Entscheidung getroffen, ein deutschsprachiges Handbuch zu publizieren. So wurden alle fremdsprachigen Beiträge ins Deutsche übersetzt. Aus dem Werk von Jonas wird nach den maßgeblichen deutschen Fassungen, v. a. aus der noch nicht abgeschlossenen Kritischen Gesamtausgabe (KGA) zitiert. Texte von Jonas, die nicht in einer deutschsprachigen Fassung vorliegen, werden in der Regel nach der maßgeblichen englischen Publikation zitiert. Zitate aus der reichen Sekundärliteratur zu Jonas wurden ins Deutsche übersetzt, wenn nicht wichtige Gründe dagegensprachen. Wir hoffen, der deutschprachigen Publikation des Handbuchs eine englischsprachige Version folgen lassen zu können. Auf die Werke von Hans Jonas wird grundsätzlich durch Kürzel verwiesen, die das Siglen-Verzeichnis am Ende des Handbuchs im Einzelnen auflöst. Die Literaturverzeichnisse am Ende jedes Kapitels benennen nicht nur die im Text erwähnte Sekundärliteratur, sondern häufig auch Publikationen, die zur Vertiefung des jeweiligen Themas hilfreich sind. Verweise auf sogenannte klassische Autoren (wie Platon, Aristoteles, Kant) erfolgen im Text mit den gebräuchlichen Werkkürzeln und Paginierungen, ohne gesonderte

Nennung im Literaturverzeichnis. Die Archivalien des Nachlasses von Hans Jonas in der Universität Konstanz führen die Sigle »HJ« mit entsprechender Nummerierung mit sich. Wir nutzen die erweiterte Sigle »HJN« (Hans Jonas Nachlass) mit der vom Archiv vergebenen Ziffernfolge. Verzichtet haben wir auf ein chronologisches Verzeichnis der Werke von Jonas. Viele seiner Texte hat Jonas in immer wieder neuen Zusammenstellungen mehrfach veröffentlicht, auch in seine Hauptwerke integriert. Davon gibt das Siglen-Verzeichnis, das die nötigen bibliographischen Angaben enthält, ein beredtes Zeugnis. Für die oft langen und verzweigten Wege, die Texte im Lebenswerk von Jonas zurücklegten, sei auf die »editorischen Hinweise« in den Bänden der KGA verwiesen. Zudem möchten wir darauf verweisen, dass das Namenregister nicht sämtliche im Handbuch genannten Namen enthält. Wir haben beispielsweise auf die Nennung der Handbuch-Autoren komplett verzichtet. Mehr oder minder wurden nur als ›klassisch‹ zu nennende Autoren aufgenommen, die immer wieder im Text auftauchen. Auf die Nennung von Hans Jonas selbst haben wir verständlicherweise verzichtet. Ziel war es, das Register nicht ausufern zu lassen und nur die für Jonas’ Denken entscheidenden Autoren aufzulisten. Last, not least: Unser besonderer Dank gilt nicht nur den einzelnen Autorinnen und Autoren, ohne die dieses Handbuch nicht möglich gewesen wäre, sondern insbesondere auch Michelle Buller und Jens Ole Beckers, die uns bei der Recherche, der Suche nach Zitatstellen und den Formalien unermessliche Hilfe geleistet haben. Nadine Heuckmann hat ebenfalls ganz wesentlich zum Gelingen der Konferenz und des Handbuchs beigetragen; Lars Henk, Jonas Jebens und Nicola Jungsberger haben Teile der fremdsprachigen Artikel ins Deutsche übertragen. Dr. Ingeborg Szöllösi danken wir für ihre bewährte und akribische Schlusskorrektur. Wir bedanken uns ebenfalls ganz herzlich für die großzügige finanzielle Unterstützung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Beim Verlag J. B. Metzler bedanken wir uns für die Herausgabe des Handbuchs sowie insbesondere bei Franziska Remeika (J. B. Metzler) für die hervorragende Betreuung. Ohne das große Engagement aller Beteiligten wäre das Handbuch nicht das, was es ist. Wir hoffen, mit diesem Handbuch eine echte Lücke in der Hans JonasForschung schließen zu können. Die Herausgeber, Siegen und Kaunas im August 2020

I Leben

1 Intellektuelle Biographie Die Familiengeschichte des Philosophen Hans Jonas lässt sich bis weit in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen (vgl. Nielsen-Sikora 2017), als in einer Zeit des gesellschaftlichen und politischen Umbruchs der junge Jude Benjamin Jonas (1791–1884) in Borken, einer kleinen Garnisonsstadt der westfälischen Bucht, einen Textilbetrieb gründet. Die Bedingungen vor Ort erweisen sich als äußerst günstig, zumal die damals kleine, orthodox ausgerichtete jüdische Gemeinschaft, bestehend aus rund 75 Personen, am Borkener Nonnenplatz nicht nur eine Synagoge, sondern auch eine jüdische Schule errichtet. Durch das ›Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem Preußischen Staate‹ werden die in Preußen lebenden Juden bereits im März 1812 Staatsbürger – sofern sie sich bereit erklären, einen eigenen Familiennamen zu führen (Benjamin Jonas macht den Namen des Vaters zu seinem Nachnamen). Ferner sollen sie ihre Handelsbücher und Verträge in deutscher Sprache abfassen. Das Edikt bewirkt nicht weniger als den steten Zuzug von Juden ins Münsterland nach 1815. Waren sie bis dato bloß geduldet, so etablieren sie sich – wie Benjamin Jonas – in Preußen insbesondere als Selbstständige. Erst im Zuge der industriellen Umstrukturierungen im 19. Jahrhundert und der zunehmend antisemitischen Stimmung auf dem Land wird das inzwischen von Benjamins Sohn Herz Jonas (1828–1907) geführte Geschäft am 17.3.1896 an den Niederrhein verlegt. In dem gut 100 Kilometer entfernten München-Gladbach (so die damals offizielle Schreibweise) wird der Betrieb zu einer mechanischen Leinenweberei umgebaut. Die Webereifirma in Borken hat stets nach dem sog. Verlagssystem gearbeitet: Sie vergab ihre Aufträge wie auch die Lieferung des Garns an Heimweber in den umliegenden kleineren Ortschaften. Diese lieferten fertige Stückware zum Vertrieb wieder an das Unternehmen. Durch die Mechanisierung und die Verlegung des Standortes hat sich dies geändert. Fortan ist die Ware direkt in der Firma erzeugt worden. Dazu war ein »Industriegebiet mit Lohnarbeiterbevölkerung« (Brief vom 2.11.1983 [HJN, 11-2-2]), wie es Gladbach besaß, vonnöten. Ein weiterer Grund für die Verlagerung dürfte das wachsende, die Stadt gleich-

wohl einschnürende Eisenbahnnetz rund um Gladbach gewesen sein. Es ermöglichte schnelle Transportwege für den Vertrieb der Ware. So baute die Rheinische Eisenbahngesellschaft eine Strecke zwischen Krefeld und Rheydt in Konkurrenz zu der bereits bestehenden Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft. Darüber hinaus entstand 1879 die für die Textilindustrie bedeutende ›Baumwollbahn‹ von Gladbach über Roermond bis zum Seehafen von Antwerpen. 1899 folgte zudem der Streckenausbau nach Köln über Grevenbroich. Mit Eröffnung der Textilschule 1901 festigte Gladbach schließlich seinen Ruf als das ›Rheinische Manchester‹. Bereits im September 1883 wurde die Synagoge in der Karlstraße, einem gut situierten Viertel der Stadt, feierlich eröffnet (vgl. Löhr 2003). Dies war ein deutliches Zeichen für das gewachsene soziale Ansehen der überwiegend gemäßigt konservativen Juden in Gladbach. Gladbach wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts um etwa das Vierfache und hat im Jahr 1900 etwas mehr als 58.000 Einwohner. Unter ihnen leben auch gut 700 Juden – etwa sieben Mal so viel wie in der alten westfälischen Heimat von Benjamin Jonas (vgl. Erckens 1988–90, Bd. 1, 246 ff.) – zumeist in den für die damalige Zeit typischen Dreifensterhäusern. Der Ort wird 1888 kreisfreie Stadt und erhält nun auch offiziell den Namen München-Gladbach. Das neue, in der Hofstraße nahe der Bahnstrecke gelegene Geschäft der Familie Jonas hat damals ca. 60 Mitarbeiter (ebd., 248; Brief von Erckens an Jonas vom 15.5.1983 [StAMg, Bd. 1, 15-42-342]; Brief vom 2.11.1983 [HJN, 11-2-2]), die Halbleinen, Handtücher und Ähnliches produzieren. Am 25.10.1902 scheidet auch Herz Jonas altersbedingt aus dem Betrieb aus. Zwei seiner insgesamt elf Kinder, seine Söhne Gustav und Alfred Abraham, führen von nun an die mechanische Weberei. Bis zum Ersten Weltkrieg ist die Firma in gemieteten Fabrikräumen untergebracht. Erst nach dem Krieg errichtet die Familie einen eigenen Fabrikbau (HJN, 11-2-2). Die Familie Jonas gehört zum bürgerlich-liberalen Milieu München-Gladbachs. Gustav Jonas wird im 20. Jahrhundert durch den Erfolg der mechanischen Leinenweberei zu einer gesellschaftlichen Größe in München-Gladbach sowie zu einer wichtigen Figur des jüdischen Lebens dort.

J. B. Metzler © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature, 2021 Michael Bongardt u. a. (Hg.), Hans Jonas-Handbuch, https://doi.org/10.1007/